Kategorie-Archiv: Political correctness

Das Dritte Reich und die DDR waren Wertegemeinschaften – wir sollen uns tunlichst davon fernhalten

Von Giuseppe Gracia. Politiker reden im Moment gern von „Wertegemeinschaft“ oder „Leitkultur“. Als wolle man uns in bewegten Zeiten mit harmonisierenden Werten und Ansichten beglücken. Was bedeutet der Versuch, politische Programme mit Verweis auf höhere Werte verbindlich ans Gewissen der Bürger zu binden und Alternativen als ethisch minderwertig abzukanzeln?

 

Von Giuseppe Gracia.

Im Klassiker „L’etranger“ von Albert Camus (1942) wird der Fremde, eine Figur von verstörender Ehrlichkeit, hingerichtet: letztlich nicht deshalb, weil er auf jemanden schiesst, sondern weil er an der Beerdigung seiner Mutter nicht weint und sich auch sonst weigert, mehrheitsfähige Gefühle und Ansichten an den Tag zu legen. Er verstösst gegen die moralische Konformität, das wird ihm zum Verhängnis.

Wie sieht es heute aus mit dem Zwang zur moralischen Konformität? Kürzlich sprach die Publizistin Cora Stephan hier von „Denkverboten statt Debatte„. Sie beschreibt das Phänomen einer sich verengenden Meinungsäusserungsfreiheit in Europa, bei Reizthemen wie Islam, Migrationspolitik oder Gender. Tatsächlich scheinen nicht wenige Leute das Gefühl zu haben, irgendwo da draussen gäbe es eine fürsorgliche Aufklärungs-Gendarmerie, die zwar nicht über totalitäre Strukturen verfügt, doch aber über eine massenmediale Schwarmintelligenz.  Was bedeutet das für unser Selbstverständnis als säkulare Gesellschaft? Säkularismus meint ja nicht nur die Trennung von Staat und Religion, von Gesetzgebung und persönlicher Weltanschauung. Sondern die Erkenntnis, dass eine liberale Gesellschaft allen Mitgliedern eine gedanklich-moralische Sphäre der Freiheit garantieren muss. Das geht nicht ohne Trennung von Macht und Moral.

Und dennoch reden Politiker im Moment gern von „Wertegemeinschaft“ oder „Leitkultur“. Als wolle man uns in bewegten Zeiten mit harmonisierenden Werten und Ansichten beglücken. Der Mitte-Links-Block tut dies gewöhnlich mit einem merkwürdig missionarischen Relativismus, der zwar nichts wissen will von einer zivilisatorischen Überlegenheit des Westens, aber trotzdem danach strebt, möglichst viele in diesen Westen hinein zu erziehen. Im bürgerlichen Mitte-Block dominiert ein geglätteter Pragmatismus zwecks Machterhalt, verkauft als angebliche Vernunft der Mehrheit. Während man im rechten Block von der Wiedergeburt einer patriotischen Gesinnungsgemeinschaft träumt – von einer Gemeinschaft, die auch als gedanklicher Grenzzaun gegen fremdländische Identitätsverwirrungen taugt.

Das Dritte Reich war eine Wertegemeinschaft – wir sollten uns davon fernhalten

Was ist davon zu halten? Was bedeutet der Versuch, politische Programme mit Verweis auf höhere Werte verbindlich ans Gewissen der Bürger zu binden und Alternativen als ethisch minderwertig abzukanzeln? Dazu der Philosoph Robert Spaemann 2001: „Es ist gefährlich, vom Staat als ‚Wertegemeinschaft‘ zu sprechen, denn die Tendenz besteht, das säkulare Prinzip zu Gunsten einer Diktatur der politischen Überzeugungen zu untergraben. Das Dritte Reich war eine Wertegemeinschaft. Die Werte – Nation, Rasse, Gesundheit – hatten dem Gesetz gegenüber immer den Vorrang. Das Europa von heute sollte sich von diesem gefährlichen Weg fernhalten.“

Und wie sieht es mit unseren Medien aus? Gewiss ist die Rede von der „Lügenpresse“ übertrieben und führt in den Nebel der Verschwörungstheorien. Trotzdem darf man feststellen, dass einige Medienschaffende, sei es beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder in der Presse, . Statt für Meinungsfreiheit kämpfen sie lieber gegen die „Hetze“ politischer Gegner. Statt einen Pluralismus der Anschauungen zuzulassen schüchtern sie lieber mit der Diskriminierungs-Keule ein – Seite an Seite mit Politikern und ausgewählten Sozialingenieuren. Das Ziel ist offenbar nicht mehr die Vermittlung umstrittener Sachverhalte, sondern die Formung eines moralisch erwünschten Volkskörpers.

Nur folgerichtig, wenn es dann zur journalistisch verpackten Propaganda für gesinnungsverwandte Regierungsprogramme kommt, wie eine aktuelle Studie der Hamburg Media School zeigt. Die Auswertung von 34 000 Pressebeiträgen zwischen 2009 und 2015 zum Thema Flüchtlinge ergab: 82 Prozent der Beiträge waren positiv, nur 6 Prozent hinterfragten kritisch die Flüchtlingspolitik der Regierung. Leider gibt es keinen Grund zur Annahme, dass eine solche Regierungsnähe nur in deutschen Medien oder nur beim Thema Migration vorkommt. So wenig wie die Verfolgung des sogennaten „Hate speech“ nur bei Facebook stattfindet.

Die Kirchen dienen sich dem Staat als Moralinspender an

Dazu erklärt die Amerikanische Anwaltskammer sinngemäss: Äussert sich jemand heutzutage über eine Gruppe von Menschen, die sich deswegen beleidigt fühlt, ist das bereits „Hate Speech“. Mit anderen Worten: es werden Gefühle und Anschauungen kriminalisiert und aus der Öffentlichkeit verbannt, mit Regierungsbeteiligung. Ein Beispiel aus Deutschland ist Bundesjustizminister Heiko Maas: dieser arbeitet seit 2015 mit Facebook und anderen Organisationen an „Vorschlägen für den nachhaltigen und effektiven Umgang mit Hasskriminalität“. Das geht in Richtung einer Mind Police, die ihre Einsatzwagen bestimmt nicht nur durch die sozialen Medien fahren lassen wird.

Dass diese Probleme zur Zeit durch einen anti-säkularen Islam verschärft werden, ist bekannt. Aber wie verhalten sich eigentlich die christlichen Kirchen? Im Moment empfehlen sie sich der Gesellschaft weniger durch den Anspruch, den geoffenbarten Willen Gottes kundzutun und die Auferstehung von den Toten zu bezeugen, als durch das Angebot, die Gesellschaft durch Wertevermittlung zu stabilisieren. Also auch hier eine Liebschaft zwischen Macht und Moral? Es sieht leider danach aus, wenn man sich dem Staat als zivilreligiöser Moralinspender anbietet.

Und dann gibt es ja auch bei den Christen das Lager der Fundamentalisten, die den Säkularismus überhaupt ablehnen und die Moderne dämonisieren. Das ist eine tragische Entwicklung. Nicht nur deshalb, weil damit der freiheitliche Staat ohne genuin christliche Verteidigung bleibt. Sondern auch deshalb, weil Jesus selbst die Unterscheidung zwischen Gott und Kaiser gemacht hat, zwischen weltlicher Macht und persönlicher Weltanschauung.

Christen, die das ernst nehmen, könnten für die Verteidigung des Rechtsstaates heute sehr wertvoll sein. Sie müssen den Säkularismus nicht als Gegensatz zum Christentum oder als Feind des Glaubens sehen, sondern als Kind aus der gleichen Familie. Dazu erklärt der Oxford-Professor Larry Siedentop im Buch „Die Erfindung des Individuums„, wie das christliche Denken den Weg zum Liberalismus nicht nur geebnet, sondern überhaupt erst ermöglicht hat und warum der Säkularismus aufgrund seiner religiösen Wurzeln gerade von Christen verteidigt werden sollte.

Ein Stein, den wir im Einsatz für die Freiheit immer wieder hochrollen müssen

So scheint die Trennung zwischen Macht und Moral immer weniger Verbündete zu finden. Sei es aufgrund eines Staates, der sich als Wertegemeinschaft versteht, oder aufgrund der Volkstherapeutik einer humanistisch erleuchteten Elite. Aber vielleicht gehört es gerade zum Wesen der individuellen Freiheit, dass ihre Verteidgung so anspruchsvoll ist. Denn der Einsatz für diese Freiheit schliesst stets die Freiheit dessen mitein, der mir Widerstand leistet, der mich ärgert und abstösst. Das bedeutet laufende Toleranzzumutungen und eine Pflicht zur Selbstdisziplinierung.

Natürlich darf man sich in einer Demokratie wünschen, dass die Mehrheit der Menschen, die zum Gesetzesgehorsam verpflichtet sind, die Wertintuitionen teilen, die den Gesetzen zugrunde liegen. Sonst haben auf die Dauer die Gesetze selber keinen Bestand. Aber diese Intuitionen zu teilen, kann nicht selbst wiederum erzwungen oder zur Bürgerpflicht erhoben werden. Denn das wäre ein Verrat an der Freiheit, die es ja gerade zu verteidigen gilt. Eine Verteidigung, die ohne Generallösungen auskommen muss und nie aufhört.

Das bringt uns zu Albert Camus zurück. Im „Mythos von Sysiphos“ (1942) beschreibt er, wie Sysiphos von den Göttern dazu verdammt wurde, auf dem Rücken eines unbesiegbaren Berges auf Ewig einen Stein hochzurollen, nur um ihn jedes Mal wieder hinabrollen zu sehen. Camus sieht darin ein Sinnbild der Existenz: den ebenso absurden wie grossen Kampf um die Freiheit. Camus schlägt vor, dass wir uns Sysiphos als glücklichen Menschen vorstellen, weil er trotz seiner Lage nicht aufgibt und dadurch grösser wird als sein Schicksal. Eine bis heute treffende Parabel. Zumindest dann, wenn wir uns vorstellen, dass unser aktuelles Ringen um die Trennung von Macht und Moral sich so anfühlt wie dieser Stein, den wir im Einsatz für die Freiheit immer wieder hochrollen müssen, auf den Berg menschlicher Schwächen und Bedrohungen.

Giuseppe Gracia ist freier Autor und Infobeauftrager des Bistums Chur

Siehe auch:

Dieses unser Land gehört wieder einmal selbsternannten Eliten, diesmal den neuen Moralisten.

https://psychosputnik.wordpress.com/2016/07/18/dieses-unser-land-gehoert-wieder-einmal-selbsternannten-eliten-diesmal-den-neuen-moralisten/

und

Psychokratie – eine neue Nomenklatura in Deutschland

https://psychosputnik.wordpress.com/2015/06/13/psychokratie-eine-neue-nomenklatura-in-deutschland/

Sprachregelungen und -klamauk haben die Realitätswahrnehmung ersetzt

Science-Slams: Die Wanderbude der Show-Wissenschaft. Glanz und Elend der Political Correctness.

Mit dem Sommersemester starten wieder Science-Slams an den Universitäten. Was als bürgernahe Wissenschaft gilt, zeugt eher von akademischer Torschlusspanik.

22.04.2015, von Magnus Klaue

Die Beliebtheit des sogenannten Schreibens nach Gehör an deutschen Schulen wird begleitet von einer Verachtung der stillen Arbeit, die als ineffizient und autoritär verrufen ist. In Gegenwart anderer schweigend und konzentriert einen Text zu lesen oder zu verfassen ist aber nicht mehr die einzige Zumutung, von der Pädagogen die Schüler befreien wollen. Als ähnlich anmaßend werden Vorträge und Referate wahrgenommen, erlegen sie den Zuhörern doch ebenfalls Phasen stiller, konzentrierter Rezeption auf. Um die Schüler von solch zeitraubenden Zwängen zu entlasten, ist Anfang dieses Jahres erstmals das an den Universitäten bereits etablierte Format des Science-Slams an deutschen Oberschulen erprobt worden. Innerhalb von zehn Minuten durften Jugendliche verschiedener Bundesländer, nachdem sie ein „Coaching“ absolviert hatten, im Rahmen diverser „Tage der offenen Tür“ ihre liebsten Schulthemen als „Performances“ präsentieren.

Miriam Schmitt und Michael Metzger von „Policult“, einer Veranstaltungsagentur für Science-Slams, beschreiben das Spektakel als Gegenentwurf zum Frontalunterricht: „Irgendjemand hat irgendeinen Text gelesen und das dann mehr schlecht als recht zusammengefasst, im schlimmsten Fall noch abgelesen.“ Science-Slammer hingegen dürfen sich kreativ kostümieren und Bilder, Videos, Haustiere und andere Requisiten mitbringen, um die Hierarchie zwischen Vortragendem und Publikum zu durchbrechen. Der Ablauf der Slams an den Universitäten ist ähnlich wie an den Schulen: Akademiker, meist Nachwuchswissenschaftler, präsentieren in einer Zeitspanne von drei bis zehn Minuten in populärwissenschaftlicher Sprache einen Gegenstand ihres Fachs. Alle Slams sind als Wettbewerbe angelegt, über die gelungenste Darbietung entscheidet das Publikum. Auch das soll dazu beitragen, der Wissenschaft ihren autoritären Nimbus zu nehmen.

Ob die Stilisierung des Slammers zum Kurzzeitstar weniger autoritär ist als das übliche Vortragsformat, kann bezweifelt werden. Neben dem angeblichen Abbau von Hierarchien wird die größere Anschaulichkeit und Verständlichkeit als Argument für die Science-Slams angeführt. Populär sind die Slams in den Naturwissenschaften, weil die erwünschte Anschaulichkeit dort mit Experimenten zwangloser als in anderen Disziplinen demonstriert werden kann. Die Sieger der deutschsprachigen Meisterschaften im Science-Slam waren bislang durchweg Naturwissenschaftler. Doch auch die Geisteswissenschaften öffnen sich dem Format. Auf dem Deutschen Historikertag im vergangenen Herbst in Göttingen fand der erste „History-Slam“ statt, die Frankfurter Goethe-Universität veranstaltete zu ihrem 100. Geburtstag einen „Goethe-Slam“. Im Evangelischen Erwachsenenbildungswerk in Dortmund haben schon Theologen über Luthers Zwei-Welten-Lehre und Historiker über den Kalten Krieg geslammt.

Es ist kein Zufall, dass der Science-Slam nicht aus den Fachdisziplinen heraus, sondern unter dem Label der Bürgerarbeit in der Verwaltungswissenschaft entstanden ist. Verbreiter des Formats in Deutschland sind der Poetry-Slammer Alex Dreppec, der 2006 in Darmstadt den ersten Science-Slam organisierte, und Markus Weißkopf, Geschäftsführer der Berliner Initiative „Wissenschaft im Dialog“. Dreppec ist Psychologe und hat über „Verstehen und Verständlichkeit wissenschaftlicher Texte“ promoviert. Weißkopf studierte Politik und Management und berät als Verwaltungswissenschaftler Universitäten bei der Verbesserung ihrer Wissenschaftskommunikation. Mit der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ setzt er sich für mehr „Interaktion mit dem Publikum“ und eine Kommunikation „auf Augenhöhe“ mit „der Bevölkerung“ ein.

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Das klingt innovativ und bürgernah, ist aber viel mehr Symptom der Torschlusspanik, mit der insbesondere Nachwuchswissenschaftler auf ihre prekären Zukunftsaussichten reagieren. Akademische Disziplinen, die sich ihrer Traditionen und Möglichkeiten halbwegs gewiss sind und deren institutioneller Fortbestand gesellschaftlich nicht in Frage steht, legitimieren sich nicht vor „der Bevölkerung“, sondern vor der scientific community, die weder erlesen noch elitär sein muss, mit dem jeweiligen Fach aber durch ein gemeinsames Vorverständnis verbunden ist. Das Bedürfnis, sich direkt vom Publikum die Legitimation der eigenen Arbeit abzuholen, kommt erst auf, wenn die ökonomische Grundlage und geistige Substanz jener Arbeit in Frage gestellt sind.

Indessen ist bereits der Poetry-Slam Erbe einer viel älteren Tradition: der Stegreifbühne, auf der sich bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert fahrende Dichter, Sänger und Komiker den Lebensunterhalt zusammenspielen konnten. Der ökonomische Druck, der diese Tradition ins Leben rief, lebt in den Slams fort – mit dem Unterschied, dass deren Protagonisten sich diese Kontinuität nicht bewusst machen, sondern die Notwendigkeit, sich vor versammeltem Publikum zum Clown zu machen, als akademischen Fortschritt verkaufen. Die Geistesfeindlichkeit der Science-Slams wird so verständlich als Ausdruck der Gleichgültigkeit gegenüber einer Arbeit, die ökonomisch um jeden Preis erhaltenswert, intellektuell aber als Last erscheint.

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redaktion-bahamas.org

Bahamas – Aktuell

Vortrag und Diskussion in Darmstadt

Mittwoch, den 13. Januar 2016, um 18:30 Uhr
Schlosskeller

Bildung als Unterhaltung

Zum Science Slam als Format postmoderner Wissenschaftskommunikation

Mit Magnus Klaue

Schil­lers Dik­tum „Der Mensch spielt nur, wo er in vol­ler Be­deu­tung des Wor­tes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ ver­wirk­licht sich heute in einer Weise, die sei­nen Wahr­heits­ge­halt ir­re­pa­ra­bel zer­rüt­tet. Die in Päd­ago­gik- und Coa­ching-Rat­ge­bern ven­ti­lier­te An­sicht, dass „spie­le­ri­sches Ler­nen“ nach­hal­ti­ger und hu­ma­ner sei als die bür­ger­li­chen Bil­dungs­an­stal­ten mit ihren star­ren Au­to­ri­tä­ten, hat ge­hol­fen, einen Lehr- und For­schungs­be­trieb her­vor­zu­brin­gen, in dem Leute, die sich selbst so wenig wie ein­an­der ernst neh­men, mit Bier­ernst und Ver­bis­sen­heit daran ar­bei­ten, ein­an­der in Schau­kämp­fen zu über­bie­ten. Weil alle wis­sen, dass in­sis­ten­tes Den­ken das aka­de­mi­sche Image des­je­ni­gen, dem es un­ter­läuft, lang­fris­tig schä­digt, dass aber der un­ge­lieb­te Be­trieb die ein­zi­ge Mög­lich­keit ist, die Sub­sis­tenz zu si­chern, fol­gen alle dem von Ador­no in Mi­ni­ma Mo­ra­lia be­schrie­be­nen Prin­zip „Hin­un­ter und immer wei­ter“, wo­nach noch „in der kleins­ten Ge­mein­schaft […] das Ni­veau dem Sub­al­terns­ten ihrer Mit­glie­der“ ge­horcht: „Seit­dem die Welt den Men­schen die Rede ver­schla­gen hat, be­hält der Un­an­sprech­ba­re recht.“ Un­an­sprech­ba­re aber zeich­nen sich da­durch aus, dass sie hem­mungs­los reden. Maß­stab für die Be­ur­tei­lung sol­cher Rede ist nicht ihre im­ma­nen­te Trif­tig­keit oder die Ad­äquanz von Spra­che und Sache, son­dern ihre Kom­mu­ni­ka­bi­li­tät. Doch der Be­griff der Kom­mu­ni­ka­ti­on hat sich seit der Epo­che Ador­nos ver­än­dert. Er be­zeich­net nicht mehr ein­fach den in­stru­men­tel­len As­pekt von Spra­che, ihre Brauch­bar­keit im Dienst der Mit­tei­lung, son­dern ihre Fä­hig­keit, die­je­ni­gen, an die sie sich rich­tet, „mit­zu­neh­men“, „an­zu­spre­chen“, „ein­zu­be­zie­hen“, und wie sonst die Stich­wor­te des au­to­ri­tä­ren Po­pu­lis­mus lau­ten. Des­halb ist das Den­ken zu­neh­mend ge­zwun­gen, sich in Spiel, Per­for­mance, Un­ter­hal­tung zu ver­wan­deln und sich ei­ge­ne Büh­nen zu schaf­fen, auf denen es ver­meint­lich un­mit­tel­bar „den Men­schen“ ge­gen­über­tre­ten kann. Ge­ra­de durch solch fal­sche Mi­me­sis aber be­gibt es sich sei­nes spie­le­ri­schen Mo­ments, der Frei­heit zur Sache und zum Aus­druck, die es zum Den­ken ma­chen, und wird zum Ex­or­zis­mus des Geis­tes. Der Vor­trag soll das an der jüngs­ten Schrumpf­form die­ser Ent­wick­lung ent­fal­ten, den Sci­ence Slams, die der­zeit als an­ge­sag­te Form der „Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on“ gel­ten.Eine Veranstaltung des AStA der TU-Darmstad
Das sogenannte Ich

Magnus Klaue

Die meisten Linken hierzulande ähneln sich darin, dass sie weder lesen noch schreiben können. Wie sie sich aber das Vergnügen an ihren ebenso vorhersehbaren wie folgenlosen »Mobilisierungen« nicht durch die Enttäuschung darüber verderben lassen, dass jeder abgefeierte Aufstand sich früher oder später als zeitgemäße Form der Regression entpuppt, so gerät ihre redundante Gesinnungstextproduktion durch ihren habituellen Analphabetismus nie ins Stocken. Weit davon entfernt, die Sprache gleich anderen Öffentlichkeitsarbeitern als unbegriffene, aber nützliche Hirn- und Mundspülung zu verwenden, sich ihr also mit lässigem Pragmatismus zu nähern, wollen sie sie sogar verbessern, um sie möglichst geschlechter- und schichtengerecht zu gestalten. Wie bei allen ihren Projekten geht es ihnen auch bei solchem Sprachreformismus statt um Wahrheit nur um Politik. Sprache gilt ihnen nicht als Ausdrucksform, in der sich die Erfahrung einer widersprüchlichen Wirklichkeit kristallisiert, sondern als »Konstruktion«, an der so lange herumzulaborieren sei, bis sie der vermeintlich korrekten Gesinnung entspricht, deren sprachlichen Niederschlag man dann mit jener Realität verwechselt, die man längst nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Den konformierenden Dissidenten erkennt man daran, dass er auf die zarteste Regung verwirklichter Freiheit eher verzichten kann als auf seinen Klamauk.

Anders als die Beschwörung verändernder Praxis suggeriert, ist dieses Sprachverständnis durch und durch idealistisch. Weil Sprache nicht als Form des Ausdrucks verstanden wird, deren Triftigkeit oder Hohlheit an ihr selbst aufzuweisen wäre, sondern als Modus der Konstruktion von Realität, verschmelzen in der linken Sprachpolitik Paranoia und Willkür. Einerseits wähnt man sich, da man Sprache nicht anders zu denken vermag denn als alles und jedes überhaupt erst konstituierendes Zwangssystem, von diversen »Diskursen« und »Dispositiven« umstellt oder wenigstens »adressiert«. Andererseits glaubt man, mittels der Sprache, da sie doch wirklichkeitskonstituierende Kraft habe, gleich auch die Gesellschaft verändern zu können, die sie spricht, und frönt einem Regelungswahn, der noch vor 50 Jahren das Privileg deutschnationaler Sprachreiniger gewesen ist. Mit diesen gemein haben die progressiven Sprachwächter zumindest die Annahme, dass die Sprache und ihre Verwendung permanent auf die Korrektheit der ihr zugrunde liegenden Gesinnung überprüft werden müßten. Die Frage, weshalb all die geschlechtergerecht sprechenden Menschen sich im Alltag untereinander genauso roh und geistlos verhalten wie je, kommt gar nicht mehr auf. Das Bemühen um die korrekte Sprache hat die Sehnsucht nach dem besseren Leben erstickt.

Während Sprachpolitik sich nur dafür interessiert, wozu Sprache dienen kann, nimmt Sprachkritik die Sprache in dem ernst, was sie wirklich sagt. Gäbe es heute noch Sprachkritik, würde sie sich beispielsweise der Frage widmen, was es sozialpsychologisch bedeutet, dass Menschen ganze Arbeitskreise zwecks Optimierung der sprachlichen »Repräsentation« ihrer sexuellen, ethnischen oder sozialen Identität gründen, oder weshalb lesbische, schwule, transsexuelle und bisexuelle Menschen es als politischen Erfolg statt als Erniedrigung auffassen, sich in einem Wort zusammengeschweißt zu finden, das wie der Kurztitel einer neuen Castingshow klingt: LGBT. Sie würde sich überdies fragen, welche gesellschaftliche Disposition in der Tatsache zum Ausdruck kommt, dass der progressive Politsprech von Metaphern der Medienwelt, von Optionen, Netzwerken und Schnittstellen, durchzogen ist, oder weshalb Menschen, die früher soziale Kämpfe führten, sich heute zu politischen Akteuren depotenzieren. Doch der akribische Blick fürs Oberflächliche, der im rhetorischen Abhub der Wirklichkeit die Wahrheit über sie entdeckt, ist der Bereitschaft gewichen, alle sprachlichen Skrupel im Kampf um die Deutungshoheit fahrenzulassen. Die Sprache ist im Guten wie im Schlechten nicht mehr Medium der Erkenntnis, sondern der kulturellen Hegemonie: Wenn kein Karl Kraus mehr über sie richtet, verwandeln sich alle eingebildeten Kritiker in kleine Antonio Gramscis.

Das Verschwinden der Sprachkritik ist indes kein bloßes Verfallsphänomen, sondern hat seinen objektiven Grund im Schwinden der Möglichkeit von Freiheit, das es den Individuen kaum noch erlaubt, sich auch nur augenblicksweise für etwas anderes als den beliebigen Vertreter einer beliebigen Meinung zu halten. Die Resignation angesichts der gesellschaftlich erzeugten Beliebigkeit befördert nicht die Dezenz (Takt, Feingefühl, Zurückhaltung Anm.JSB), sondern den Größenwahn. Weil, was man sagt, ohnehin niemals Anspruch auf Wahrheit anmelden kann und nichts als Ausdruck eines partikularen »Sprechorts« ist, muss man sich auch nicht mehr an Widersprüchen messen, sondern kann jedem Einwand mit dem Hinweis auf dessen »Situiertheit« begegnen. In welchem Maße dieser hybride Relativismus längst auch dort herrscht, wo der sprachkritische Impuls noch vorhanden ist, läßt sich an Matthias Dusinis und Thomas Edlingers Buch In Anführungszeichen studieren, das im Untertitel nicht zufällig Glanz und Elend der Political Correctness heißt und an die Stelle der Sprachkritik einen unentschiedenen Liberalismus setzt.

Seinen Ausgang nimmt das Buch von der treffenden Beobachtung, dass fast alle Menschen heute buchstäblich in Anführungszeichen sprechen: »Sie heben die Hände in die Höhe und biegen Zeige- und Mittelfingerspitzen synchron zweimal nach unten … Ein tauber Beobachter könnte die gewunkenen Gänsefüßchen dahingehend interpretieren, dass sich der Sprecher von sich selber distanzieren möchte: Ich, das sogenannte.« Was wie eine Geste bescheidener Selbstrelativierung aussieht, bezeugt in Wahrheit die Konvergenz von Entselbstung und Anmaßung. Weil sie das Ich der anderen wie das eigene nur noch als sogenanntes, gleichsam zitiertes kennen, glauben die Menschen, um so rücksichtsloser mit eigenen wie fremden Meinungen verfahren zu können. Die Selbstrelativierung schlägt um in Selbstüberhöhung: »Anführungszeichen sind … ein funktionales Element einer Opferrhetorik, in der die berechtigten Forderungen auf (!) Anerkennung zu Floskeln moralischer Selbstüberhöhung erstarren können.« Indessen deutet die windschiefe Diktion bereits darauf hin, dass auch die Autoren selbst nicht von jenem Zwang zur Relativierung frei sind, der nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge, sondern nur noch zwischen »berechtigten Forderungen« und Übertreibungen – und daher letztlich gar nicht mehr – zu unterscheiden erlaubt. Dazu paßt ihr Vorhaben, nicht etwa den Widerspruch, sondern die »Spannungsfelder« zwischen »Respekt und Skepsis, Stolz und Scham, Märtyrerpathos und Handlungsunfähigkeit« zu untersuchen, auf welche die Rhetorik der Anführungszeichen verweise. Wo sich statt Antagonismen Spannungsfelder auftun, hat der Geist bereits kapituliert.

Konsequent bieten die Autoren zwar eine beeindruckende Materialsammlung zu Themen und Formen der Political Correctness, bereden diese jedoch nur, statt sie auf den Begriff zu bringen. Sich einen Begriff von der Unwahrheit politisch korrekter Sprache zu machen, würde implizieren, auch deren mittlerweile ebenso beliebtes Gegenstück, die Rhetorik politischer Unkorrektheit, der Lüge zu überführen, wie sie die Diktion libertärer Korrektheitskritiker prägt. Doch denen sind Dusini und Edlinger selbst zu nahe, um sie kritisieren zu können. Statt die Norm der Korrektheit im Namen einer urteilenden, der Sache gerecht werdenden Sprache zu verabschieden, schimpfen sie nur auf die vermeintlichen Übertreibungen, in welchen politischen Milieus auch immer sie diese vermuten. Dadurch verwandelt sich ihre Sprachkritik am Ende in eine Spielart spätbürgerlicher Anerkennungspolitik. So geißeln sie die »totale Dialogbereitschaft« gegenüber ethnischen Gruppen, verharmlosen aber das Kopftuch zum »feuchten Traum der Islamophobiker«. Genderaktivisten werfen sie die Kultivierung ihrer Empörung vor, Antideutsche, die jenen Opferkult sehr früh kritisiert haben, rügen sie dafür, sich »auf die energische Zurückweisung verborgener deutscher Interessen im Weltgeschehen spezialisiert« zu haben. Über Frauenfußball und Dreadlocks machen sie sich lustig, Dildos und den Slutwalk finden sie okay. Mit Kritik hat dieses Vergeben von Pro- und Contra-Punkten schon deshalb nichts zu tun, weil es die Widersprüche überspielt, statt sie zu pointieren.

Ob sie im konkreten Fall nun im Recht sind oder nicht, stets erscheinen die Ansichten der Autoren zufällig, ohne der Konsequenz eines Gedankens zu folgen. Staatliche Erlasse zwecks Optimierung der Sprachgerechtigkeit wie den 2010 erstellten »Leitfaden für diskriminierungsfreie Sprache, Handlungen, Bilddarstellungen« des österreichischen Ministeriums für Arbeit und Soziales lehnen sie ab, weil diese die Gesellschaft als »voll von potentiellen, sich überidentifizierenden Adressaten von Diskriminierungen« erscheinen ließen. Andererseits bezeichnen sie die Regeln der Political Correctness ihrerseits im Leitfadendeutsch als »Kompaß«, den »manche immer feiner einjustieren wollen, während andere ihn bloß noch Verrücktspielen sehen«, und dekretieren: »Gleichzeitig aber muss, wenn das eigene Gesicht sich vor Zorn zu röten beginnt und trotzdem das Gemeinschaftliche im Auge behalten werden will, die Anerkennung meines Maßes mit der Anerkennung aller anderen Selbstbezüge kompatibel gemacht werden.« Eine Welt, in der alle einander wechselseitig als kompatibel anerkennen und stets »das Gemeinschaftliche im Auge behalten«, kann schwerlich etwas anderes als die Hölle auf Erden sein.

Besonders deutlich zeigt sich die Beliebigkeit der Argumentation dort, wo Dusini und Edlinger sich mit Israel beschäftigen. Während sie bei ihrer Kritik postfeministischer Sprachpolitik so aggressiv werden, dass der Verdacht naheliegt, der wahre Gegenstand ihrer Abscheu sei eher das weibliche Geschlecht als das Genderdeutsch, verfallen sie beim »Nahostkonflikt« in jenen Jargon, den sie zuvor noch anprangerten: »Der Nahostkonflikt verdeutlicht nicht nur, wie nationale und kulturelle Narrative zwischen Europa und dem arabisch-israelischen Raum anhand der Opfer/Täter-Dichotomie politische Leidenschaften mobilisieren. Er offenbart auch, dass die verkürzte Rede von kollektiven Identitäten die Wirklichkeit … verfehlt … Postidentitäre, emanzipative Bewegungen betonen hingegen die Fluidität und Pluralität des gesellschaftlichen Standorts, von dem aus die jeweiligen Akteure sprechen und handeln.« Am Ende des Nahostkapitels steht eine Utopie von Jerusalem »als geteilte und gleichzeitig doppelte Hauptstadt zweier in ihren Opferstigmatisierungen gefangenen Gesellschaften«, in der »die Selbstentfremdung zur Bedingung von Selbstachtung« geworden wäre. Die Viktimisierungsrhetorik, die die Autoren am Feminismus beanstanden, treiben sie selbst auf die Spitze. Wo der jüdische Staat zwanglos im »israelisch-arabischen Raum« verschwindet, scheint die Unterscheidung zwischen Terroristen und ihren Opfern hinfällig geworden zu sein.

Die Beliebigkeit ist also nicht harmlos, sondern hat hier wie auch sonst ein bestimmtes Ziel: die Zerstörung individueller Urteilskraft zugunsten einer Logik der »Anerkennung«, in der jeder Lüge Recht gegeben und jede triftige Erkenntnis in die Schranken ihres »Standorts« verwiesen wird. Dass Israel im Namen dieser besseren Welt ebenso zurückgepfiffen wird wie jeder sich zum Ganzen aufspreizende Geltungsanspruch, versteht sich von selbst. Damit aber wird der Anspruch auf Erkenntnis, in dem sich Kritik von Politik unterscheidet, zugunsten purer Taktik preisgegeben. Anders als Gerechtigkeit ist Wahrheit unteilbar. Sofern sie nicht allen ganz gehört, hat sie keine Wirklichkeit; das hat sie mit der Freiheit gemein. Weil Kritik darauf zielt zu zeigen, weshalb alle gegeneinander im Recht und an sich selbst im Unrecht sind, ist ihr Medium eher die Einseitigkeit als eine vorgetäuschte Vielfalt, die jedem zustimmt und damit jeden um das Ganze bringt. Die Kritik trifft die Sache nur, wo sie übertreibt, daher wird sie, sofern sie gelingt, der Ungerechtigkeit geziehen. Und doch regen sich allein in der Überempfindlichkeit der Kritik noch Spuren dessen, worin das Ich über seine Benennung hinausreicht. Nur weil die Menschen sich gar nicht mehr wünschen, etwas anderes als Sogenannte zu sein, weisen sie jede Erinnerung daran als Anmaßung zurück.

Zuerst in: In Anführungszeichen. Glanz und Elend der Political Correctness
Suhrkamp,Berlin 2012

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The Alex Jones Show. Political Correctness; Better Known As Centralized Power

 

 

Date: 10/12/2015

On this Monday, October 12 edition of the Alex Jones Show, we look at a report British defense officials have instructed fighter pilots to attack Russian jets and a subsequent denial by the British government it has decided “to shoot down Vladimir Putin’s jets.” We also cover Obama’s remarks that he would win the presidency again if he ran despite the Constitution’s Twenty-second Amendment limiting terms. We also cover Obama’s comment that Donald Trump will never be president despite widespread support for the candidate in the polls. On today’s worldwide transmission, we talk with the former governor of Minnesota, Jesse Ventura. Earlier this month Jesse said he favors the prospect of Donald Trump destroying the GOP and Bernie Sanders taking down the establishment Democrat party.

 

Die Häßlichkeit der linken Kameradschaftscommunities (Wehrsportgruppen off- und online)

Die Häßlichkeit der linken Kameradschaftscommunities (Wehrsportgruppen off- und online)

Antikapitalistisches Kameradschaftstreffen in Heiligendamm-Bahamas und ihr Demobilisierungsversuch

ID 17116

Für über 100.000 Leute war es keine Frage, ob sie gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 protestieren und randalieren werden…Nun war mit Justus Wertmüller jemand im CoraxStudio, der genau darauf keine Lust hatte. Mehr noch, für den Bahamas Redakteur ist die radikale Linke hässlich…warum nur – fragten wir uns und ließen ihn reden. Zusammen mit Jörg Depta.

Audio 14:46 min, 14 MB, mp3 mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)

Upload vom 27.05.2008 / 21:07

Beitragsart: Interview Sprache: deutsch Redaktionsbereich: Serie: G8 – Radioforum – Raise-your-voice

Autoren: tagesaktuelle redaktion Radio: corax, Halle im www  Produktionsdatum: 29.05.2007

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Mod.: Ich würde dich eigentlich mal fragen, Justus, was ist denn so hässlich an die­ser radikalen Linken?

Wertmüller: Na ja, fangen wir doch einfach mal mit den Äußerlichkeiteni an. Der innere Kern der radikalen Linken besteht ja nun aus relativ verwahrlosten Elendsgestalten, denen man gar nicht zutrauen würde, dass sie einen solch erheblichen Avantgarde-Einfluss auf die Geschehnisse in der Republik hat. Bei der radikalen Linken ist alles stehen geblieben, was auch schon, als es noch neu war, nicht so besonders war. Immer noch trägt man diese schrecklichen Dreadlock-Wursthaare, immer noch ist man auf dem veganen Trip, immer noch ist man auf dem Kreativtrip, obwohl man zu nichts in der Lage ist, weder in der Kunst noch im Schreiben noch im Reden noch in der Beziehung. Immer noch hält man sich für etwas Besseres, obwohl einem das psychische und physische Elend grinst. So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa, nehmen wir mal diese beiden Dinge oder ExKa-Grüppler oder was es da noch so gibt, die Antirassisten und Antisexisten, natürlich nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deswegen eigentlich ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.

Mod.: Gut, ich weiß ja nicht, wo du deine Erfahrungen gemacht hast. Also bei mir sieht das ein bisschen aus, ich sehe das, glaube ich, nicht so schrecklich wie du und möchte das auch nicht völlig verteufeln, auch wenn es natürlich ein paar Sachen gibt, die man nicht unbedingt erstrebenswert findet in der radikalen Linken, aber das ist doch eine sehr heterogene Masse und nichts Homogenes, wo man als radikale Linke reden kann. Also ich verstehe so diesen Hass von dir auf diese, wie du auch geschrieben hast, Wursthaarträger, die du ja unappetitlich findest, ich verstehe nicht, wo das so von dir herkommt, also wo sich das bei dir gebildet hat.

Wertmüller: Ich würde das nicht hassen nennen. Würde das einen Grad schlimmer bezeichnen. Ich nenne es Verachtung. Ich nenne es ein verachtenswertes Volk. Ich will das auch sagen, wenn du sagst, die wären heterogen, dann mag das sein in ihrer Selbstdarstellung und wie sie dann outfittechnisch manchmal in etwas auseinander driftende Gruppen und Fraktionen zerfallen. Was sie aber zu einer sehr streng homogenen Einheit macht, ist erstens, der immer lauter hallende Ruf, sich um Gottes Willen nicht gegenseitig zu kritisieren, was die Linke früher mal ausgemacht hat und was teilweise ja auch noch ein Vorteil war, dass man sich wenigstens gestritten hat. Das tut man heute nicht mehr, man hat ein gemeinsames Ziel. Was heißt schon No Global, was heißt schon Attack, was heißt schon Heiligendamm. Es ist ein fanatischer, durch nichts irre zu machender Hass auf die vereinigten Staaten von Amerika und alles, was damit zusammenhängt. Es ist damit verbunden, der antizionistische Vernichtungswunsch und es ist wiederum damit verbunden der Wunsch nach homogenen, nach Ethnien gegliederten Gemeinschaften, die in der ganzen Welt, so ist ja die No-Global-Ideologie jedes für sich, also volksgemeinschaftlich, autoritär und etatistisch ein Reich der Gleichheit in Armut, Kärglichkeit und unter Zwang stiften soll. Das macht sie auch so bezeichnend ähnlich zu ihren scheinbaren Hauptfeinden und das sind ja nun die Nazis. Die bezeichnen sich doch immer als antifaschistisch. Jetzt in Heiligendamm, aber nicht erst jetzt, aber da wird das nochmal ganz deutlich, dass zwischen Nazis und ich rede jetzt von den jüngeren Nazis, zum Beispiel den jungen Nationaldemokraten und der No-Global-Linken in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, da gibt es fast keine Ausnahme, eigentlich kaum mehr ein Blatt dazwischen geht. Ich kann das an einem Accessoire verdeutlichen: Beide angeblich so spinnefeindlichen Fraktionen tragen das Bluttuch der Judenvernichtung mit aller größter Selbstverständlichkeit, das Palästinensertuch. Damit ist eigentlich schon alles über die Gemeinsamkeit von zwei gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mobilisierenden Fraktionen, hier die radikale antiglobalisierungskritische Linke, dort die radikale globalisierungskritische Rechte.

Mod.: Korrigiere mich bitte, aber du wirfst halt sozusagen der radikalen Linken vor, dass sie in sich ein antisemitischen Vernichtungswillen trägt, habe ich das richtig verstanden?

Wertmüller: Sie trägt den in sich, würde es aber so nicht sagen. Sie drückt es in Form der vornehmsten deutschen Diskurseigenschaft vor, sie nennt das Israelkritik und sie nennt das natürlich auch Solidarität mit den unterdrückten Völkern, hier den palästinensischen. Beides zusammen geht auf den Vernichtungswunsch gegen den jüdischen Staat hinaus. Beides zusammen geht sehr wohl auf den Generalverdacht gegen sich in die Debatte einmischende Juden, auch hier in Deutschland zum Beispiel, ein. Ich erinnere nur an die Niederträchtigkeiten, die jetzt vor einigen Tagen anlässlich einiger Äußerungen von Ralph Giordano gegen ihn von der Linken losgegangen sind, der nun, nur weil er sehr zurecht sich gegen einen Moscheemonsterbau in Köln ausgesprochen hat, als Quasinazi und Schlimmeres denunziert wird von der sicherlich immer globalisierungskritischen Linken.

Mod.: Ich verstehe schon… Also ich verstehe es überhaupt nicht, muss ich sagen, aber ich versuche deine Gedankengänge irgendwie nachzuvollziehen und deswegen denkst du, dass dieser Protest, der in Heiligendamm und Rostock stattfinden wird, absolut sinnlos ist oder warum? Warum denkst du das denn, dass man nicht durchaus dieses Wirtschaftssystem, was es ja halt ist, das halt Ungerechtigkeit schafft und ich weiß nicht, ob du das leugnen möchtest oder nicht, dass dieses Wirtschaftssystem nicht auch kritisiert werden darf. Das verstehe ich nicht, warum du das so ablehnst. Das heißt ja, du möchtest für die Gesellschaft, wie sie jetzt gerade besteht, dieses System als solches erhalten?

Wertmüller: Ich möchte es jedenfalls nicht eintauschen gegen etwas Schlechteres, gegen eine verkommene Vorform in neuem Gewand. Die Heiligendammprotestler, ob sie junge Nazis oder junge Linke sind, ob sie die junge Freiheit lesen oder die junge Welt, sind sich ja darin einig, dass sie Antikapitalisten seien. Nun wäre uns tatsächlich weiterhin eine zu übende Disziplin, die würde aber erstens ein Mindestmaß an Kenntnis voraussetzen und dieses Mindestmaß an Kenntnis, dass man bitte nicht auf Lenin, bitte nicht auf Mao und bitte nicht auf No-Global- oder No-Logo-Sprüche hin konstruieren sollte. Darauf also aufruhend müsste sie beinhalten, dass den Kapitalismus zu kritisieren, nur ein Recht hat, wer nicht hinter ihn zurück, sondern über ihn hinaus will. Wer also in der Lage und bereits ist, zu begreifen, dass die kapitalistische Welt, die kapitalistische Wirtschaftsform und der ihr angemessene Staatsform, also die bürgerliche Republik, die bis jetzt am höchsten entwickelte und befördert hat zwischen Menschen am weitesten ausgreifende und ihre Anlagen am meisten vervollkommnende Vergesellschaftungsform je gewesen ist. Es geht darum, die Hässlichkeiten, die Scheußlichkeiten, die verratenen Versprechungen der Republik und ihres ökonomischen Systems des Kapitalismus anzugreifen aus der Position heraus, dass genau das, was der Kapitalismus durch seine Ideologen, durch seine Philosophen, durch seine Kritiker versprochen hat, dass das einzulösen wäre und nicht, dass hässliche Formen der negativen Kollektivität, der Versuch die Menschheit in eine Viehherde zu verwandeln, in der alle gleich sind, jeder nach seiner Kultur, jeder nach seiner Tradition, in dem nichts Darübergehendes, nicht Verallgemeinerbares ist, das was man sehr zurecht und wenn ich mir den Vorwurf ein Eurozentrist zu sein damit zuziehe, dann nehme ich das sehr gerne in Kauf. Es ginge darum, die Zivilisation und es gibt nur eine und die ist westlich, die ist dezidiert westlich von der Herkunft der Aufklärung, von der Kritik an der Aufklärung, die auch nicht gegen sie, sondern über sich hinaustreibt, ist, von der Vorstellung von Zivilisation als eine menschheitsumfassenden kosmopolitanen Aufgabe, die sich nicht niederzwingen lässt von Gewalt- und Terrorreligionen, wie der Islam, der sich nicht niederzwingen lässt von dem Islamischen oder Faschistischen, sprich Neonazis oder pseudokommunistischen Antiimperialismus, der nicht in den Kategorien von Völkern denkt, nicht in den Kategorien von Gemeinschaften, sondern der die Vervollkommnung des je einzelnen im sehr freiwilligen Miteinander und Kooperation mit anderen. Es geht zunächst wirklich um das Individuum, um den Individualismus, es geht um den Luxus, es geht um die Vervollkommnung in der künstlichen Welt, die der Mensch sich als ein nicht mehr nur naturhaftes Wesen geschaffen hat. Das bekämpft die Linke, ich kann es anhand der radikalen Linken nochmal sehr, sehr schön auf den Punkt bringen, auch was Globalisierungskritik überhaupt heißt. Vor einigen, vor zwei Wochen, nein vor einer guten Woche in Kreuzberg wurden mal wieder sogenannte Luxuslimousinen angegriffen, zum Glück brannten die dann nicht und die Täter haben als die Pissspur wieder unterm Baum, als Graffiti an der Wand Folgendes zurückgelassen: Gegen Reichtum in Kreuzberg. Wer so etwas sagt, wer so etwas fordert, wer auf so eine wahnsinnige Idee kommt, den Reichtum zu verteufeln, statt ihn einzufordern, ist für mich erstens von einem Faschisten kaum mehr zu unterscheiden und zweitens als ein Ge-sprächspartner, ein Diskussionspartner, gar als ein Kombatant im gleichen kommunistischen Unternehmen nicht diskutabel, sondern ist zu bekämpfen.

Mod.: Lieber Justus, das klingt für mich, muss ich sagen, wirklich recht wirr. Ich kann es schwer nachvollziehen, obwohl ich ja denke, dass die Kritik an vielen Kritiksachen, die gerade ausgeübt wird, durchaus berechtigt ist, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass du dich mit deiner Position in eine Ecke stellst, wo du ziemlich alleine stehst und wo ich mich frage eigentlich, warum machst du das eigentlich und wer sind eigentlich noch die Leute, mit denen du zusammenarbeiten möchtest und zusammenarbeiten kannst.

Wertmüller: Also ich bin offen gestanden nicht gewöhnt, wenn ich zum Interview gebeten werde, mich als Wirrkopf beschimpfen zu lassen. Ich würde mir das also wünschen, dass das unterbleibt, sonst gehe ich nämlich. Ganz abgesehen davon ist es ja bekannt, dass die Antideutschen und das ist ja zum Glück sehr viel mehr als die Redaktion und die ja nun doch in vielen Tausenden zu zählenden Leser der Zeitschrift Bahamas, dass die Antideutschen also als Abbruchunternehmen der Linken längst am Start sind. Die Antideutschen bestehen ja aus Leuten, die, sei es das es bei mir schon ziemlich lange her ist, heißt, dass es bei der Mehrheit der Freunde, Genossen oder wie man sie nennen möchte, die ja noch sehr jung sind, erst kurz zurückliegt, sie kommen ja alle aus der radikalen Linken. Sie haben ja alle ihre einschlägigen Erfahrungen gemacht und sie haben alle festgestellt, dass sie Lebenszeit verschwendet haben, dass sie mit Verrückten und Wahnsinnigen umgegangen sind, dass sie selber bis über beide Ohren in diesem Morast dringesteckt sind, aus dem sie sich dann eben herausgearbeitet haben und vor dem Hintergrund bin ich ganz, ganz optimistisch, dass das ja nicht mehr zu bestreitende moralische, inhaltliche, praktische oder wie auch immer man die Existenz der Linken, dieses Scheitern, diese Katastrophe, die sie ja nun eigentlich längst hinter sich hat, natürlich dazu führt, dass die Linke in der traditionellen Form, wie anscheinend du oder dieser Sender hier es vertritt, bald zu existieren aufgehört wird. Es wird auf der einen Seite die antideutsche Kritik geben und es wird auf der anderen Seite eine grüne Islam, rot Stalo, Mao, wie auch immer, kommunistisch und braun, junge Nationaldemokraten, Volksgemeinschaft geben.

Mod.: Ich glaube Justus, ich wollte dich auch gerade nicht böse angreifen. Es tut mir leid, dass du dich jetzt so angegriffen fühlst. Also selbst zu Corax muss ich sagen, das ist hier ein sehr heterogener Haufen. Hier kann man nicht von einer Einheit sprechen und ich glaube auch, das wäre sehr schlimm und das einzige, ich würde nochmal darauf zurückkommen, mit wem siehst du denn für dich, also auch als Bahamas-Redaktion, wer sind denn noch die Gruppen, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten möchtet in Deutschland?

Wertmüller: Ich kenne gar keine. Schau, das unterscheidet uns ja nur als Antideut­sche, Bahamas oder andere, ja nun mal schon ganz grundsätzlich von der Linken, wir diskutieren nicht, wir denken nicht in Organisierungskategorien. Also es muss irgendwie Verletzung der Organisation und dann werden wir es gemeinsam dann irgendwie bewaffnet oder wie auch immer schaffen und das große Ding wuppen, dass sie dann Revolution nennen. Es würde mir völlig reichen und so ist es ja jetzt schon, lose Zirkel respektive auch Einzelpersonen, die als beständig miteinander korrespondierende Kritiker, diskutierende, korrespondierende Kritiker sich miteinan­der ins Benehmen setzen. Erstens: Warum sie sich miteinander ins Benehmen set­zen, um eine antifaschistische Aufgabe, die das Wort wenigstens einmal verdient, zunächst mal nur anzugehen, nämlich der Kampf gegen die antisemitische Interna­tionale, wie wir das nennen, die wie gesagt von der Sozialdemokratie, jetzt aber wirklich weit über Deutschland hinaus sondern ganz Old-Europe, begreift, was Sozialdemokratie über die grünen Alternativen bis zu den Linksradikalen einerseits und die jeweiligen Bewegungen der autochthonen Völker, was jetzt Communityvertreter sein sollten oder irgendwelche quasi faschistische Regime, die jetzt hofiert werden, wie das in Venezuela eines Hugo Chávez, der gerade die einzigen freien Radiosender abgeschafft hat, um also gegen diese Verschwörung, nein Verschwörung ist das falsche Wort, ich nehme es zurück, um gegen dieses informelle Bündnis, das sich wahrscheinlich am schönsten in Form der Vereinigten Nationen, die UN, auszeichnet, wo es bekanntlich darum geht, in erster Linie sich zusammenzutun mit den schlimmsten Terrorregimen, Iran angefangen, von den großen Brüdern China und Russland gefeatured, zunächst mal rhetorisch, aber zunehmend praktisch einen Weltkrieg gegen die Zivilisation anzuzetteln, an dessen vorderster Front erstmal der politische Islam marschiert, wo aber hinten drein sozusagen eben die gesamte linke Intelligenz mit ihrem Anhang aus Westeuropa usw. dann dranhängt.

 

[1] Äußerlichkeiten: Mit diesem einfachen Wort rekurriert Wertmüller auf Adornos geniale Entdeckung, daß ohne Berücksichtigung der ästhetischen Empfindung das ganze Denken des Mensch blind wie frischgeborene Kätzchen ist. Denn das Leben ist immer konkret, und ohne die Empfindung, die ja immer sinnlich ist, kann der Mensch endlos seine paranoiden Systeme (wie z.B. Antisemitismus, Genderismus, sexuelle Diversität, Islamismus, sinnentleerte Psychokratieen, etc. etc.) entwickeln, die keinerlei Entsprechung im Konkreten haben, also einfach nichtexistent sind. Denn alles, was tatsächlich existiert, zeigt sich, äußert sich, der Sinn des Lebens ist nichts anderes, als sich zu äußern. Das macht jede Mücke und jede Blume. Nur der Mensch versteckt sich in seiner Angst und in seinen Lügen, die meistens auch Selbstlügen sind. Some grow up and some grow down. Und Haß ist häßlich, und Leben ist schön. Das ist doch eine sehr einfache und sehr effektive Handhabe, oder? Nur daß das Schöne nicht immer dekorativ sein muß, und nicht daß, was uns mancher Museumsdirekto auftischt, um Kasse zu machen. (Eine Gemeinsamkeit mit Max Hollein ist reinzufällig.)

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Ästhetik und Kulturindustrie nach Adorno – Ein Vortrag von Marc Grimm

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DER SPIEGEL 12/1971

PHILOSOPHEN / ADORNO Nutzlose Kunst

Am Ende seines Lebens fühlte sich Adorno wie Hebbels Meister Anton, dessen letzte Worte lauten: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Der Frankfurter Philosoph verstand sie nicht mehr, weil er, der radikale Gesellschaftskritiker, sich gegen die Radikalität jener Neuen Linken zur Wehr setzen mußte, deren gesellschaftskritischen Elan er selbst mitentfacht hatte.

So wurden dem im August 1969 Verstorbenen die letzten Lebensjahre zur Qual: Protestierende Studenten, darunter viele seiner Schüler, überschütteten ihn, der mit Max Horkheimer die Frankfurter Schule und ihren kritischen Marxismus begründet hatte, mit Hohn und Spott. Eine Berliner Kommilitonin wollte ihm 1967 bei einer Diskussion unter dümmlicher Anspielung auf seinen Spitznamen „Teddy“ ein rotes Gummibärchen überreichen; Flugblätter kursierten: „Er soll sich alleine zu Tode adornieren!“; sein Frankfurter Institut für Sozialforschung wurde 1968 von Studenten besetzt und durch die vom Rektor herbeigerufene Polizei geräumt; junge Oben-ohne-Damen sprengten im April 1969 seine Vorlesung, „Adorno als Institution ist tot“, hieß diesmal das Flugblatt.

Das Zerwürfnis zwischen Adorno und seinen Studenten war entstanden, als sie von ihm Rezepte für Ihre Rebellion, sein unvermitteltes Engagement in der Situation verlangten. „Erhebung über die Situation“, wie Adorno mit Horkheimer die Philosophie verstand, war für die Linken pure Selbstbefriedigung.

Adorno hingegen kritisierte die Demonstrationen der Studenten als Barrikaden-Spiel: „Schwache, Verängstigte fühlen sich stark, wenn sie rennend sich an den Händen halten. Das ist der reale Umschlagspunkt in Irrationalismus.“

Für irrational hielt der Philosoph vor allem die kunstfeindlichen Parolen und Happenings der Studenten. Gegen diese „Amusie“ der Neuen Linken polemisiert er in seinem unvollendeten Hauptwerk, der „Ästhetischen Theorie“, das seine Frau Gretel Adorno und sein Schüler Rolf Tiedemann im Spätherbst 1970 herausgegeben haben*.

Kunst, vor allem die moderne, autonom gewordene Kunst, ist für Adorno subversive „Bewegung gegen die Gesellschaft“. Sie stellt jede Art von Herrschaft in Frage, denn sie ist als „Gedächtnis des akkumulierten Leidens“ die „bewußtlose Geschichtsschreibung“ der Menschheit. Gerade in einer unbarmherzigen Welt ist sie der Sprengstoff“ weil sie an Not und Unterdrückung erinnert, weil sie ausspricht, was aus der Welt und den Menschen geworden ist.

Zwar sei, meint Adorno, die Kunst auch „soziales Faktum“ und daher schuldhaft in die unversöhnte Welt sozialer Kämpfe und Leiden, in die Ideologie positiver Herrschaft verstrickt. Aber wollte sie sich wegen dieser Schuld selbst abschaffen, so „leistete sie erst recht der sprachlosen Herrschaft Vorschub und wiche der Barbarei“: „Die Abschaffung der Kunst in einer halbbarbarischen und auf die ganze Barbarei sich hinbewegenden Gesellschaft macht sich zu deren Sozialpartner.“

Insofern paktieren die radikalen Linken als kunstverachtende „Neotroglodyten“, als neue Höhlenbewohner, gerade mit denjenigen, die sie eigentlich stürzen wollen: mit den Managern und Bürokraten der verwalteten Welt. Auch für sie sei die Kunst überlebt.

Aber auch mit den geschmähten Veranstaltern der Kulturindustrie stimmen die revolutionären Linken, so Adorno, darin überein, daß sie Kunst praktisch nutzbar machen wollen. Zwar verwenden sie nicht wie die Kulturmanager Kunst als Mittel des Profits, aber als Mittel politischer Agitation und Aktion und heben damit die Autonomie der Kunst auf: jene Autonomie, durch die Kunst als absoluter Protest subversiv jede — kapitalistische wie sozialistische — Gesellschaftsform als Herrschaft des totalen Nutzens negiert.

Adorno distanziert sich deshalb von dem Aktionismus der Apo, die Kunst radikal politisieren will, die von der „Schönheit der Straßenschlachten“ schwärmt oder Revolution als eine

* Theodor W. Adorno: „Ästhetische Theorie“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 548 Seiten; 32 Mark.

„Gestalt des Schönen“ bejubelt. Das sei nichts anderes als „schlechter Ästhetizismus kurzatmiger Politik“.

Dieser Ästhetizismus sei zugleich ein „Erschlaffen ästhetischer Kraft“ und lasse sich auf die „Empfehlung von Jazz und Rock and Roll anstelle von Beethoven“ ein, einen Gegensatz, „gegen den manche Musikerohren bereits taub zu werden beginnen“.

Ebenso wirft er den Jazz-Fans vor, sie würden die vorgeblich „unverschandelten Qualitäten“ der Pop-Produkte nicht als Waren der Kulturindustrie durchschauen: „Sie sind synthetisch von eben jenen Mächten aufbereitet, denen angeblich die große Weigerung gilt: erst recht verschandelt.“

Dem Philosophen der großen Weigerung, Herbert Marcuse, der In seinem Buch „Der eindimensionale Mensch“ zum Widerstand gegen die Konformisten-Kultur aufgerufen hatte“ hielt Adorno entgegen: „Rabiate Kulturkritik ist nicht radikal“, und er verspottete die Abstraktheit der großen Weigerung, die pauschal Kultur verwirft, als Weg zum „Antikulturbund“. Marcuse gab nach Adornos Tod zu, daß ihn dessen Sätze „manchmal in Raserei gebracht“ hätten: „Aber ich glaube, das sollten sie*.“

Zwar nennt auch der radikale Kritiker Adorno die Kultur „Müll“, aber Kunst, die zu ihr gehört, ist für ihn „doch ernst als Erscheinung der Wahrheit“, einer Wahrheit, die das Absurde einer von Herrschaft entstellten Welt ausspricht.

Für Adorno gibt es deshalb keine Versöhnung zwischen Kunst und Herrschaft. Er sieht auch Im vermeintlich Versöhnung spiegelnden sozialistischen Realismus ein „Diktat“, das künstlerische Produktivkraft „gebrochen“ habe: „Lieber keine Kunst mehr als sozialistischer Realismus.“

Wahrhaft realistisch — und keineswegs abstrakt oder dekadent — dünkte ihn daher Samuel Beckett, dem er die „Ästhetische Theorie“ hatte widmen wollen. Becketts „kindisch-blutige Clownsfratzen“, so Adorno, sagten die „historische Wahrheit“ darüber, was aus den Menschen geworden sei; wahrhaft kindisch sei hingegen der sozialistische Realismus, weil er so tue, als ob im Sozialismus Unterdrückung beseitigt sei, weil er „Versöhnung“ vorspiegle.

Zwar ist auch für Adorno die Idee der Kunst „Bild der Versöhnung“, aber nur deshalb, weil sie unversöhnlich ist gegen die unversöhnte Welt — gegen eine Welt also, in der Gewalt herrscht.

Ihren Protest gegen Herrschaft drückt sie in ihrer Form, nicht ihrem Inhalt aus. Neue Kunst ist „soziale Kritik zur Form erhoben“, während sie sich von jedem „manifesten sozialen Inhalt“ distanziert, zu ihm keine Stellung mehr nimmt. In einer Welt des totalen Nutzens sind alle Inhalte gleichgültig geworden, die Form selbst wird zum Politikum: „Die neugriechischen Tyrannen wußten, warum sie

* Hermann Schweppenhäuser (Hrsg.): „Theodor W. Adorno zum Gedächtnis“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 244 Selten; 20 Mark.

Becketts Stücke verboten, in denen kein politisches Wort fällt.“

Auch In Becketts berühmtestem Stück „Warten auf Godot“ fällt kein politisches Wort. Adorno jedoch sieht in der stummen Schlußszene — die drei Landstreicher treten auf der Stelle — ein präzises Bild für die Situation der gegenwärtigen Gesellschaft, die sich Fortschritt nur vorspiegelt, ohne von der Stelle zu kommen.

In der Nutzlosigkeit dieses stummen Gestus wird laut Adorno der emphatische Wahrheitsgehalt moderner Kunst deutlich: ihre Nutzlosigkeit. Denn gerade als nutzlose ist sie der absolute Protest in einer Welt des totalen Nutzens. Je totaler die Gesellschaft zum „einstimmigen System“ sich entwickelt, desto mehr werden die Kunstwerke, die diese Entwicklung ausdrücken, zum Protest gegen die Gesellschaft, zum Ausdruck der Sehnsucht nach einer versöhnten Welt.

Kunst, die zum Nutzen des politischen Protests, wie es die Neue Linke will, oder zum Nutzen eines bestehenden Gesellschaftssystems, wie im sozialistischen Realismus, verwendet wird, verliert ihre Autonomie und ist für Adorno daher keine Kunst mehr. Kunst deutet immer auf eine andere Welt hin, sie ist „die imaginäre Wiedergutmachung der Katastrophe Weltgeschichte“, Erinnerung an die Möglichkeit von Freiheit.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43345711.html

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Heft Nr. 52 / December 2003 „Liebe“78

Juliane Rebentisch

Die Liebe zur Kunst und deren Verkennung Adornos Modernismus

Rebentisch1

Yves Saint Laurent (Kampagne 2003)

In Kunst und Liebe gibt es Gebiete, in denen die ihnen beiden konstitutive Eigengesetzlichkeit ihre Gültigkeit einbüßt: in der Warenförmigkeit ­ und in der Prostitution. Und diese beiden Begriffe spielten in Adornos „Ästhetischer Theorie“ schon deshalb eine besondere Rolle, weil er das Kunstwerk in einem dialektischen Feld zwischen Konsum und Anerkennung sah, das er auch in Bezug auf Liebe zur Anwendung brachte. Juliane Rebentisch untersucht Adornos Übertragung der Beschreibung von Prostitution auf den Autonomieverlust des Kunstwerks.

Wahrhaft autonome Kunst, das ist der ethische Kerngedanke der modernen Ästhetik, unterscheidet sich von der Ware dadurch, dass man sie nicht konsumieren, sondern allein anerkennen kann. Darin ähnelt sie nicht nur einem anderen Subjekt eher als einem dinglichen Objekt. Das Verhältnis zu ihr ist überdies einem Ideal von Liebe nachgebildet, bei der die erste Phase bloßer Verliebtheit überwunden, die rosa Brille euphorisch hemmungsloser Projektion auf den anderen abgelegt ist und dieser bedingungslos als anderer angenommen wird. Liebe existiert diesem Ideal zufolge nur unter den Bedingungen solcher Bedingungslosigkeit: sofern sie den anderen nicht zum Besitz macht, ihn weder idealisiert (das Idol der Persönlichkeit ist die Spiegelung von Besitz, sagt Adorno [1]) noch zum Eigentum erklärt. Am Beginn wahrer Liebe steht demnach eine Erfahrung von Unverfügbarkeit ­ der andere ist nicht für mich. Das negative Gegenstück hierzu ist der käufliche Liebesdienst. Denn dieser besteht nicht zuletzt darin, dass sich die Prostituierte dem Kunden als Screen für dessen Projektionen zur Verfügung stellt. Eben deshalb ist sie für diesen auch, anders als die Geliebte, austauschbar. Als Tabula rasa subjektiver Projektionen ist sie nichts als „sein“ Objekt.

In genauer Entsprechung wird diese Unterscheidung, die von Geliebter und Prostituierter, in der „Ästhetischen Theorie“ Adornos auf die kunst- kritische von autonomer Kunst auf der einen und bloßen „Kulturwaren“ auf der anderen Seite übertragen. In dem Maße, wie sich die Kunstwerke den Projektionen ihrer Betrachter „ausliefern“, kommen sie zu bloßen Dingen, zu Kulturwaren herunter. Aber nicht nur das: Indem sie den Betrachtern, wie Adorno sprechend formuliert, „zu Willen sind“, „betrügen“ sie diese zugleich. [2] Denn die in der Projektion realisierte Verschmelzung von Betrachter und Kunstwerk ist nur das Symptom einer tiefer liegenden Distanz, einer grundlegenden Entfremdung zwischen Subjekt und Objekt. Aus den ver- dinglichten Kunstwerken vernimmt der Betrachter, wie der Freier bei der Prostituierten, letztlich nur das „standardisierte Echo seiner selbst.“ [3] Damit wird das Subjekt im Moment seiner Verfügung über das Objekt aber um eine Erfahrung betrogen, in der Subjektivität sich regte, weil sie sich von Ande-rem anrühren lässt, [4] statt an der ewigen Rückkoppelung mit dem vermeintlich Eigenen abzustumpfen.

Dass Kunst diesen ­ nach Adorno von der Kulturindustrie in Gang gesetzten und ausgebeuteten ­ Mechanismus brechen, das ebenso asymmetrische wie entfremdete Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufheben muss, dies ist für Adorno, und in diesem Motiv trifft er sich mit so unterschiedlichen Figuren wie Stanley Cavell, Michael Fried, Hans-Georg Gadamer oder Martin Heidegger, die entscheidende Bestimmung ihrer Autonomie. Damit Kunst sich nicht an die Verfügung durch die Subjekte ausliefert (und diese dadurch zugleich betrügt), muss, so schließt der ästhetische Diskurs der Moderne relativ einstimmig, in den Kunstwerken selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein. Dies ist auch der tiefere, nämlich ethische Grund für die modernistische Kritik an aller Kunst, die ihre Objekthaftigkeit hervorkehrt, sei es  die von Tony Smith, von Marcel Duchamp oder von John Cage. Die modernistische Idee, dass im authentischen Kunstwerk selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein muss, darf allerdings nicht so verstanden werden, dass sich im Kunstwerk die empirische Subjektivität des Künstlers ausdrückt. Denn die Vorstellung, dass das Kunstwerk lediglich Ausdruck des Künstlersubjekts sei, reproduzierte ja das Problem der subjektiven Verfügungsgewalt über das Objekt auf der Ebene der Produktion. Das ist auch der tiefere, nämlich ebenfalls ethische Grund für die moderne Kritik an der Genieästhetik.

Bei Adorno (darin unterscheidet er sich natürlich nicht unwesentlich von Heidegger) artikuliert sich die Kritik der Genieästhetik als Kritik der Unmittelbarkeit. Entsprechend sieht er auch etwa das Verdienst der Surrealisten weniger in deren Selbst(miss)verständnis, dem zufolge surrealistische Kunst unmittelbarer Ausdruck des Unbewussten ihrer Produzenten sei, als darin, dass der Surrealismus registriert, wie das Subjekt bis ins Innerste durch die Gesellschaft geprägt ist, in der es lebt. Surrealistische Collagen sind für Adorno denn auch nicht „Bilder eines Inwendigen als vielmehr Fetische ­ Warenfetische ­ an die einmal Subjektives, Libido sich heftete“: Pornografie. [5] So, wie Adorno übrigens auch die Idee einer vermeintlichen Ursprünglichkeit weiblicher Sexualität immer wieder als zutiefst ideologisch zurückweist (in einem Brief an Erich Fromm formuliert Adorno, der einzige Ausweg aus der allgegenwärtigen Fetischisierung von Sexualität in der Warengesellschaft sei vermutlich der sexuelle Fetischismus), [6] so ist für Adorno auch die bürgerliche Vorstellung, dass Kunst wie ein Klischee von Liebe „rein spontan, unwillkürlich, unbewußt“ sein soll, nichts als Ideologie. [7] Moderne Kunst kann sich Adorno zufolge weder dadurch erhalten, dass sie sich zum Refugium des Irrationalen in einer durchrationalisierten Welt erklärt, noch dadurch, dass sie sich in Gefilden jenseits der Ware wähnt. Im Gegenteil: „Emphatische Moderne“, schreibt er, „schärft sich durch deren Erfahrung hindurch.“ [8]

Soll Kunstproduktion der Logik der Verdinglichung und der mit ihr verbundenen Entfremdung von Subjekt und Objekt dennoch entkommen, so kann dies Adorno zufolge mithin nicht durch die Prätention von Unmittelbarkeit, sondern nur vermittels eines Mehr an Mittelbarkeit geschehen, eines Mehr nämlich an Technik und Rationalität. Der moderne Künstler ist nach Adorno das äußerste Gegenteil des Universalgenies: ein technisch höchst spezialisierter Arbeiter. Allein die „Steigerung des Spezialistentums zur Universalität, die verrannte Intensivierung der arbeitsteiligen Produktion“, schreibt er (mit Valéry), „enthält das Potential einer möglichen Gegenwirkung gegen jenen Zerfall der menschlichen Kräfte“ in der bürgerlichen Gesellschaft, den Adorno im psychologischen Vokabular seiner Zeit immer wieder als „Ichschwäche“ kritisiert. [9] Nicht durch vermeintlich unmittelbaren Ausdruck, sondern durch eine Selbstbeschränkung seiner Individualität vermag der Künstler Adorno zufolge etwas zu schaffen, das seine empirische Subjektivität transzendiert und gerade dadurch der Idee einer versöhnten Subjektivität die Treue hält. Denn diese Selbstbeschränkung ist eine doppelte. Sie besteht zum einen in der bis zum „Opfer der Individualität“ [10] vorangetriebenen technischen Spezialisierung des Künstlers, zum anderen aber darin, dass der Künstler seine technischen Fertigkeiten in den Dienst einer Eigenlogik des Materials stellt ­ statt es zum Objekt bloßer Materialbeherrschung zu machen. Wenn der technisch avancierte Künstler gleichsam interpassiv „einer von der Sache erzwungenen Gesetzmäßigkeit“ folgt, dann kann, so glaubt Adorno, auch das Wesen des Kunstwerks nicht mehr „nach dem Muster des Privateigentums“ schlicht dem gutgeschrieben werden, der es hervorgebracht hat. [11] Es steht ­ wie ein Subjekt eher denn wie ein Objekt ­ für sich.

Zugleich aber, und spätestens hier setzen die Probleme mit Adornos Konzeption ein, ist die so gedachte Quasi-Subjektivität des Kunstwerks eine Subjektivität von dezidiert allgemeiner, nicht bloß individueller Geltung. Kunst produziert der Künstler Adorno zufolge ja nicht dadurch, dass er genialisch seine individuelle Subjektivität ausdrückt, sondern dadurch, dass er sie durch Selbstbeschränkung transzendiert: objektivierend ins Kunstwerk transponiert. Weshalb für Adorno auch das sich spontan in der Improvisation artikulierende „Jazz-Subjekt“ ebenso suspekt ist wie der sich scheinbar des subjektiven Eingriffs in die Kunstproduktion überhaupt enthaltende Cage. Beide gelten ihm gleichermaßen ­ die Sprache verrät die normalisierende Dimension des ästhetischen Universalismus ­ als ästhetisch „impotent“, als Symptome eines Zeitalters der „Ichschwäche“. [12] Sie verspielen ihm zufolge gleichsam vorab jenes versöhnende Moment an Kunst, das er für deren Essenz hält. Allein durch eine in der Produktion gelungene Vermittlung von Subjekt und Objekt bewahrt sich nach Adornos Konzeption im Kunstwerk nämlich die utopische Idee einer überindividuell wahren, das heißt von Herrschaftsansprüchen ebenso wie von Selbstunterwerfung befreiten Subjektivität. In diesem Sinne wird der Künstler nach Adorno zum „Statthalter des gesellschaftlichen Gesamtsubjekts“. [13]

Das zentrale Problem mit dieser universalistischen Konzeption liegt allerdings weniger in dem ihr latent zugrunde liegenden Gender Plot (die Ware ist weiblich, das Wahre ist hetero-männlich) denn in der Struktur ihrer universalistischen Pointe selbst. Am deutlichsten wird dies wohl im Blick auf Adornos Begriff ästhetischer Rezeption. Ästhetische Subjektivität nach Adorno meint die des Kunstwerks ­ mit derjenigen der konkreten Hörer oder Betrachter hat der Begriff bei ihm dezidiert nichts zu tun. [14] Kunst ist hier nicht für andere, nicht für ein Publikum. Ästhetische Erfahrung besteht Adorno zufolge mithin auch nicht in der Projektion auf, sondern in der Entäußerung an das Kunstwerk. Darin liegt denn auch schließlich das quasi-erotische Moment in der modernistischen (Liebes-)Beziehung zur Kunst. [15] Die Identifikation, die das Subjekt in der ästhetischen Erfahrung nach Adorno idealerweise vollzieht, ist nicht eine, die das Kunstwerk sich, sondern die sich dem Kunstwerk gleichmacht. [16] Das, was Adorno mit Hegel zuweilen auch „Dabeisein“ nennt, „setzt den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion“. [17] Nun ist diese Vorstellung nicht nur objektivistisch, insofern sie voraussetzt, dass sich die durch den Künstler zu leistende Vermittlung von Technik und Material, von Subjekt und Objekt so objektivieren lässt, dass sie als „Bestimmung der Sache selbst“ auch von den Rezipienten als „eigenes Desiderat“ wahrgenommen werden kann. [18] Diese Vorstellung ist zudem deshalb problematisch, weil sie voraussetzt, dass dies alle Rezipienten gleichermaßen tun werden. Im ästhetischen Dabeisein kommen die Subjekte überein. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie alle prinzipiell eine der Struktur nach vergleichbare Erfahrung machen (wie bei Kant), sondern in dem weiter gehenden Sinne, dass sie gewissermaßen in ihrer Subjektivität übereinkommen, ästhetisch am Vorschein des „Gesamtsubjekts“ partizipieren. Entsprechend seiner Vorstellung, dass sich im Kunstwerk dialektisch die Utopie einer versöhnten Menschheit bewahrt, spricht denn auch nach Adorno aus der überindividuellen Subjektivität autonomer Kunst ein Wir, und zwar „desto reiner, je weniger es äußerlich einem Wir und dessen Idiom sich adaptiert“. [19] Adornos Antwort auf das ethische Problem eines asymmetrischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses gipfelt in einer Erneuerung der Schiller’schen Idee von einer ästhetisch erwirkten Einheit des Menschen. [20]

Es ist offensichtlich, dass sich die Kunst der letzten drei bis vier Dekaden einer solchen Theorie sperrt. So arbeitet sie etwa mit expressiven Gesten ebenso wie sie im Gefolge der Minimal Art ihre Objekthaftigkeit betont ­ in beiden Richtungen scheint sich Kunst heute, folgte man Adorno, einer überaus „ichschwachen“ Produktionsweise zu verdanken. Dazu kommt, dass sie dem Betrachter und seinen Projektionen offenbar eine für die jeweiligen Werke konstitutive Funktion zuweist. Sie liefert sich, so könnte man meinen, geradezu entschlossen an die Betrachter aus. Aus Adornos Perspektive wäre Kunst damit endgültig zur Hure der Kulturindustrie verkommen. Allerdings steht zu vermuten, dass dieses reichlich düstere Bild Ausdruck einer Krise weniger der Kunst denn eine ihrer modernistischen Theoretisierung ist. Dann aber wäre etwa die direkte Adressierung konkreter Betrachter, deren „Einbeziehung“ in die zeitgenössische Kunst, nicht einfach als Verfallssymptom abzutun, sondern zum Anlass zu nehmen, die Frage nach dem Begriff des ästhetischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses neu zu stellen. [21]

Kunst heute ist nicht nur dezidiert für ein Publikum. Als politisch engagierte adressiert sie darüber hinaus auch dessen konkrete Zusammensetzung. Politisch engagierte Werke teilen das Publikum entlang der Linien von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft und/oder Klassenzugehörigkeit. Je nach Situierung im Netz dieser Identitätskoordinaten werden die Rezipienten die feministisch, queer, postkolonial, sozialistisch und/oder subkulturell motivierten Werke unterschiedlich erfahren. Damit stehen diese in äußerster Opposition zum Schiller’schen Kunstideal. Sofern hier von ästhetischer Erfahrung gesprochen werden kann, ist sie wesentlich individuell und widerspricht schon auf dieser Ebene der Idee des ästhetischen Dabeiseins. Dies gilt aber nicht nur hinsichtlich des Gehalts, sondern auch hinsichtlich der Struktur dieser Erfahrung. Denn der meisten Kunst heute korrespondiert ja tatsächlich deutlich eine Erfahrung, bei der der Betrachter auf sich und die Aktivität seiner eigenen Bedeutungsproduktion oder -projektion zurückgeworfen wird.

Was aber aus der Perspektive Adornos sich nur als Entfremdung vom Objekt und damit auch vom Selbst verstehen lässt, ließe sich in der Tradition nach Kant auch als genuin ästhetische Form des Objekt- und Selbstbezugs begreifen. Aus dieser Perspektive brächte die zeitgenössische Kunst durch ihre verschiedenen Strategien, den „impliziten Betrachter“ [22] an sich selbst zu thematisieren, Grundzüge ästhetischer Erfahrung heraus, die durch die modernistische Reduktion der ästhetischen auf eine ethische Erfahrung verdrängt werden: ihren projektiv-performativen ebenso wie ihren selbstreflexiven Aspekt. ­ Nun liegt allerdings umgekehrt natürlich der Verdacht nahe, dass eine solche Argumentation lediglich den Subjektivismus reinstalliert, gegen den Adorno seinen begrifflichen Apparat ursprünglich in Stellung gebracht hatte. Dagegen wäre erstens einzuwenden, dass das Subjekt hier in einem Verhältnis zum Objekt gedacht wird, das konstitutiv experimentell ­ und das heißt: gerade nicht verfügend ist. Die ästhetischen Objekte gehen, und darin liegt aus einer erfahrungstheoretischen Perspektive ihre Autonomie, nie in unseren Projektionen auf, vielmehr ziehen sie sich immer wieder vor diesen zurück ­ und konfrontieren uns durch diesen Entzug mit uns selbst. Zudem aber wäre angesichts der Erfahrung zeitgenössischer Kunst zu spezifizieren, dass sich die so konzipierte Selbstreflexion, anders als bei Kant, der das Objekt auf einen bloßen Anlass und die ästhetische Erfahrung auf die Selbstreflexion einer abstrakten Subjektivität und ihrer Vermögen reduzierte, ausdrücklich im Modus des Objektbezugs vollzieht. Und zwar in einer Weise, in der die je konkrete empirische Subjektivität der Rezipienten nicht transzendiert, sondern auf spezifische Weise reflektiert wird.

Dies wird in der Erfahrung gesellschaftspolitisch engagierter Werke besonders evident. Aus diesen empfängt das erfahrende Subjekt nicht einfach politische Botschaften, wie es ein ästhetisch stumpfes Missverständnis zeitgenössischer Kunst will, sondern an ihnen wird das erfahrende Subjekt vielmehr mit den eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen konfrontiert. Sofern die Objekte dem Betrachter gleichsam mit Bedeutungen entgegenzukommen scheinen, die weder vom Betrachter intentional hineingelesen wurden noch aber am Kunstwerk einfach objektiv vorfindlich sind, wird der am Werk entbundene Prozess der Bedeutungsproduktion und -subversion zu etwas wie einem „Eingedenken der Gesellschaft im Subjekt“ führen ­ zu einer Erfahrung, in der den Betrachtern die eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen im Modus des ästhetischen Scheins eigentümlich fremd entgegentreten. Entgegen Adornos universalistischer Konzeption ästhetischer Erfahrung setzt hier das ästhetische Verhältnis zum Objekt offensichtlich nicht „den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion.“ [23] Vielmehr handelt es sich hier um eine Erfahrung der Entäußerung an die „Sache“ des jeweiligen Werks, ohne dass sich diese Entäußerungserfahrung jedoch je in der objektiven Universalität bloßen „Dabeiseins“ beruhigen könnte. Sofern man hinsichtlich einer solchen Erfahrung überhaupt von einem quasi-erotischen Moment sprechen will, wäre dieses nicht abzutrennen von der Logik der Projektion und den individuellen, immer schon von Gesellschaftlichem durchzogenen Ökonomien des Begehrens, die ihr unterliegen. Das transformative Potenzial einer solchen Erfahrung liegt mithin nicht darin, dass solche Aspekte konkreter „Ichschwäche“ in ihr ethisch aufgehoben, sondern dass sie reflexiv distanziert werden. Die spezifisch objektbezogen-performativ-selbstreflexive Gestalt, die das Subjekt in der so verstandenen ästhetischen Erfahrung annimmt, taugt daher konsequenterweise auch nicht zum Inbegriff einer zur Ethik befreiten Subjektivität. Vielmehr ist sie der Schauplatz einer spezifisch ästhetischen Operation der Reflexion, die sich weder auf theoretische noch aber auf praktische Erkenntnis reduzieren lässt. Die ästhetische Erfahrung steht so auch nicht mehr Modell für Formen erkennender oder ethischer Subjektivität, sondern autonom neben den Sphären der theoretischen und der praktischen Vernunft.

Aufgrund ihres expliziten Widerstands gegen den modernistischen Universalismus sind es interessanterweise gerade die politisch engagierten Werke, die besonders nachdrücklich zu einer Neufassung ästhetischer Subjektivität herausfordern, die sie von ihrer modernistischen Ethisierung freisetzt und in ihrer Spezifik thematisiert. Dieser genuin ästhetische Einsatz impliziert nun aber keine einfache Abkehr von der Frage, was Kunst mit der Utopie einer versöhnten Menschheit zu tun haben könnte. Vielmehr rückt er sie von einem ethisch-ästhetischen an einen politischen Ort: Kunst wirkt, wenn überhaupt, nicht deshalb in die Gesellschaft zurück, weil in ihrer Erfahrung selbst sich „etwas wie ein Gesamtsubjekt“ [24] konstituierte, sondern deshalb, weil sie die empirischen Subjekte potenziell mit der gesellschaftlichen Schicht an sich selbst konfrontiert. Dass dies für gesellschaftlich unterschiedlich situierte Subjekte zu unterschiedlichen Erfahrungen führt, schlägt sich notwendig, so immer wieder auch in dieser Zeitschrift, in Form einer Politisierung im ästhetischen Diskurs nieder. Das aber heißt: Das ästhetische Wir, auf das jedes ästhetische Urteil zielt, ist konstitutiv umstritten. Indem die avancierteste Kunst heute darauf insistiert, dass Kunst der politischen Perspektivierung bedarf, bewahrt sie mithin weniger die abstrakte Utopie einer versöhnten Menschheit denn das Bewusstsein dafür, dass es für deren Realisierung mehr brauchte als Kunst oder Liebe.

Anmerkungen
[1]  Vgl. den Aphorismus „Moral und Zeitordnung“, in: Theodor W. Adorno, Minima Moralia, GS 4, Frankfurt/M. 1979, S. 87­89, hier: S. 89.
[2]  Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, GS 7, Frankfurt/M. 1970, S. 33.
[3] Ebd.
[4] Vgl. ebd, S. 490.
[5]  Theodor W. Adorno, „Rückblickend auf den Surrealismus“, in: ders., Noten zur Literatur, GS 11, Frankfurt/M. 1974, S. 101­105, hier: S. 104.
[6]  Vgl. Adorno an Erich Fromm in: Theodor W. Adorno/Max Horkheimer, Briefwechsel,  Bd. I, 1927­1937, Frankfurt/M. 2003, S. 539­545, hier: S. 543.
[7]  Ebd., S. 402.
[8]  Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 443.
[9]  Theodor W. Adorno, „Der Artist als Statthalter“, in: ders., Noten zur Literatur, a.a.O.,  S. 114­126, hier: S. 119.
[10]  Ebd., S. 118.
[11]  Ebd., S. 122.
[12]  Vgl. hierzu die in ihrer sexuellen Metaphorik expliziten Passagen in Theodor W. Adorno, „Über Jazz“, in: ders., Musikalische Schriften IV, GS 17, Frankfurt/M. 1982, S. 74­108, hier bes.: S. 97­100.
[13]  Adorno, „Der Artist als Statthalter“, a.a.O., S. 126.
[14]  „Der Begriff des musikalischen Subjekts“, schreibt Adorno in „Vers une musique informelle“, wäre „in sich zu differenzieren. Mit potentiellen Hörern hat er überhaupt nichts zu tun, alles mit dem Menschenrecht auf das, was Hegel Dabeisein nannte; dem Recht darauf, daß Subjektivität in Musik selbst, als Kraft ihres immanenten Vollzugs gegenwärtig ist“. Theodor W. Adorno, „Vers une musique informelle“, in: ders., Musikalische Schriften I-III, GS 16, Frankfurt/M. 1978, S. 493­540, hier: S. 539.
[15]  Vgl. Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 490.
[16]  Vgl. ebd., S. 33.
[17]  Ebd., S. 361.
[18]  Vgl. Adorno, „Vers une musique informelle“, a.a.O., S. 539.
[19]  Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 250.
[20]  Für eine Kritik an Adorno in diesem Punkt vgl. auch Christoph Menke, „Subjekt, Subjektivität“, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5, hrsg. von Karlheinz Barck u.a., Stuttgart, im Druck.
[21]  Vgl. hierzu ausführlich: Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation, Frankfurt/M. 2003.
[22]  Vgl. Wolfgang Iser, Der implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett, München 1972.
[23]  Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 361.
[24]  Vgl. ebd., S. 359.

https://www.textezurkunst.de/52/die-liebe-zur-kunst-und-deren-verkennung-adornos-/

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Blockupy Frankfurt

Wo Kapitalismuskritik oder gar Antikapitalismus draufsteht, ist mit ziemlicher Sicherheit (die Wahrscheinlichkeit beträgt ca. 99%) nichts als deutsche Ideologie drin, also der Appell an den Staat oder die Staatengemeinschaft, endlich den Staat des ganzen Volkes in Szene zu setzen, statt nur der des Kapitals zu sein und die Lösung der Krise „des Kapitals“, das mit uns allen nichts mehr zu tun hat, sondern lediglich durch 1% der Bevölkerung, die es zu liquidieren gelte, repräsentiert wird, in die eigene Hand zu nehmen. Eine solche Linke, die weder vom Kapital noch vom Souverän einen Begriff hat, flüchtet sich also zwangsläufig in die Arme des autoritären Staates.

Exemplarisch für einen solchen autoritären Antikapitalismus steht die Occupy-Bewegung, die auch nachdem sich der mediale Hype gelegt hat, ihre Thesen fröhlich unter das Volk bringt und so die autoritäre Krisenlösung vorzubereiten hilft, die in Zukunft noch gebraucht werden wird. Unter dem Namen Blockupy Frankfurt versammeln sich in Deutschland die üblichen Globalisierungsgegner und regressiven Kapitalismuskritiker wie „Attac-AktivistInnen, Gewerkschaften, antirassistische Netzwerke, Parteien wie Die Linke, Occupy-AktivistInnen, Erwerbsloseninitiativen, studentische Gruppen, Nord-Süd-, Friedens- und Umweltinitiativen, die Linksjugend [‘solid], die Grüne Jugend sowie linksradikale Zusammenschlüsse wie die Interventionistische Linke und das Ums-Ganze-Bündnis“, über deren Agenda Karl Marx bereits wusste: „In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter dem der Freihandelspartei.“

Der antiinternationalistische und antiuniversalistische Charakter linker Protestbewegungen bringt allerdings nicht nur einen bedingungslosen Etatismus mit sich, sondern führt in der Konsequenz auch in die totale Affirmation des Kapitalverhältnisses. Wie das geht, beweist Blockupy Frankfurt in dem uns zufällig in die Hände gefallenen Aufruf zum „Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes 
31. Mai und 1. Juni 2013“, der keineswegs zufällig auf das den Häusern Bertelsmann und Springer entlehnte, als Nationalstaat-Werbeparole konzipierte Motto  „Wir sind Blockupy“ endet. Bereits in der Beschreibung der Lage wird deutlich, dass „die Krise“ und deren „Bewältigung“ in den Köpfen von Blockupy-AktivistInnen, zur Gesellschaft vollkommen äußerliche Phänomene sind, die mit der Krise der Gesellschaft und des Einzelnen nicht zusammenhängen. Vielmehr erscheinen diese Vorgänge als ein Ausfluss von Machenschaften, die von dunklen Mächten in Szene gesetzt werden:

Am 31. Mai und 1. Juni 2013 wollen wir den Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika – der EZB, der EU-Kommission und des IWF – in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes tragen: an den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) und vieler deutscher Banken und Konzerne – den Profiteuren dieser Politik.

Die Verarmungs- und Privatisierungsprogramme, die schon vor Jahrzehnten den Ländern des Globalen Südens aufgezwungen wurden, sind jetzt in Europa angekommen. Die deutsche Agenda 2010 war nur ein Modellprojekt für das, was in noch dramatischerem Umfang gegenwärtig insbesondere in Südeuropa durchgesetzt wird. Diese Verelendung wird sich – auch hier – noch weiter verschärfen, wenn wir uns nicht wehren: Es droht der weitere Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Damit soll die Zahlungsfähigkeit für die Renditeerwartungen der großen Vermögen erhalten bleiben und durch die Verbilligung und Prekarisierung von Lohnarbeit die „ökonomische Wettbewerbsfähigkeit“ Deutschlands und (Kern-)Europas auf dem kapitalistischen Weltmarkt gesteigert werden.

Der Gedanke, dass Spar- und Privatisierungsprogramme, Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, Verbilligung der Lohnarbeit, Abbau sozialer Rechte im Sinne einer „ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit“ aus der Logik des Kapitalverhältnisses und seiner Krisentendenz bereits logisch folgen, ist solchen Antikapitalisten fremd. Beharrlich schweigt man sich darüber aus, während man umso lauter die Profiteure und politischen Akteure anklagt. Weswegen das so ist, zeigt der unmittelbar folgende Satz, den frau sich auf der Zunge zergehen lassen muss:

Gemeinsam mit den Menschen im Süden Europas sagen wir: „Don’t owe, don‘t pay!“ (Wir schulden nichts, wir zahlen nichts!) und wehren uns dagegen, dass die Sanierung des Kapitalismus in Europa auf dem Rücken der Lohnabhängigen, der Erwerbslosen, der Rentner_innen, der Migrant_innen und der Jugendlichen ausgetragen wird.

Ginge es um die Herstellung menschenwürdiger Lebensverhältnisse und hätte man von der Kritik der politischen Ökonomie auch nur wenige Seiten überflogen, hätte man schreiben müssen, dass der Kapitalismus erstens nicht zu sanieren ist, zweitens nicht saniert werden soll (egal auf wessen Kosten!) und drittens zwangsläufig auf Kosten der ihm unterworfenen Subjekte fortexistiert. Blockupy Frankfurt ruft aber dazu auf, den Kapitalismus zu sanieren, und zwar auf Kosten der Kapitalisten – eine Idee, die wahnsinnig und ultrarealistisch zugleich ist, die den autoritären Staat beschwört, die Sache der Kapitalakkumulation selbst in die Hand zu nehmen und die Schädlinge auszumerzen.

In der Hoffnung, dass es so weit nicht kommen wird, erhält Blockupy Frankfurt die Auszeichnung „Wutbürger_in der Woche“.

https://abgwb.wordpress.com/wutburger_innen-archiv/406-2/

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Bonner Intifada

Wie es einem Haufen von Israelfeinden beinahe gelungen wäre, in Bonn den Vortrag eines Bahamas-Redakteurs zu sprengen, und weshalb es kein Zufall ist, dass der entsprechende Versuch gerade in der früheren Bundeshauptstadt unternommen wurde.


VON MATHEUS HAGEDORNY


Bonn ist eine Stadt von geradezu betörender Langeweile. Seitdem sie durch den Regierungsumzug ihrer weltpolitischen Bedeutung beraubt wurde, versucht sie als Sitz von UN-Büros, deutschen Weltkonzernen, NGOs und Rest-Bundesministerien, diese narzisstische Kränkung zu überwinden. Und es geht den Bonnern nicht schlecht damit. Doch einige können nicht verwinden, dass das Schicksal Deutschlands und der Welt woanders bestimmt wird, und machen unbeirrt weiter. Für notorische „Israelkritiker“, ewige Nine-Eleven-Skeptiker, radikale Muslime und andere antisemitische Weltenrichter zum Beispiel ist die Stadt ein bequemes Pflaster, weil die hiesige „Et kütt, wie et kütt“-Gleichgültigkeit perfekte Bedingungen für einschlägige Avantgardebewegungen bietet.

Und so macht sich beispielsweise niemand etwas daraus, dass das antizionistische Institut für Palästinakunde mit seinem Sitz in der Richard-Wagner-Straße eine der großartigsten Steilvorlagen für beißenden Spott liefert, die Bonner Friedensdemonstration am 11. September 2010 vor allem haufenweise verschwörungsideologische Bekenntnisse zutage förderte und der deutschlandweit ersten muslimischen Wählervereinigung, die sich die unbescheidene Parteibezeichnung BIG gegeben hat, ein umtriebiger Multifunktionär namens Haluk Yildiz vorsteht, der am kriegerischen Djihadismus einiger seiner Bonner Schäfchen rein gar nichts auszusetzen hat. Angesichts einer derart abgebrühten Bonner Öffentlichkeit verwundert es kaum, dass auch die im Zuge der Affäre um die „Free Gaza“-Flotte aufflammenden Hasstiraden gegen Israel, wie sie sich in Bonn am 31. Mai 2010 während einer Kundgebung auf dem Münsterplatz entluden, niemanden zu stören scheinen, zumindest, solange sich in diese sehr deutsche Angelegenheit kein unbedarfter Amerikaner einmischt, der sich die darauf folgenden Schläge natürlich selbst zuzuschreiben hat.

Diese Bönnsche Wurstigkeit, die solche Milieus duldet respektive erst ermöglicht, bringt andererseits auch manches Erträgliche mit sich: Im Rahmen des autistischen Universitätsbetriebs, der von der konsequenzlosen Vergleichung zahlloser Expertisen lebt, kann manch abweichende Stellungnahme und Kritik, die ganz bewusst mehr als nur eine begründete Einzelmeinung sein will, zeitweilig eine Nische finden. So wurde es beispielsweise dem AStA-Referat für Politische Bildung in den letzten Monaten gestattet, Referenten einzuladen, die ihren Gegenstand nicht als Experten und Bescheidwisser liebevoll bewirtschaften, sondern unmöglich machen wollen. Kurzum: Es gab den zarten Versuch, Gesellschaftskritik einem größeren Publikum in der Universität zugänglich zu machen.

Im Zuge dessen wurde zum Beispiel das deutsch-europäische Appeasement gegenüber dem iranischen Terrorregime ebenso kritisiert wie das sinnentleerte Gefasel in der deutschen Bildungsdebatte. Die Vorträge erreichten ein breites Publikum und regten im Nachgang – wie gewünscht – oft kontroverse und zumeist lehrreiche Diskussionen an. In diesem Sinne sollte auch die Veranstaltung, von deren Verlauf im Folgenden berichtet wird, vonstatten gehen.


Tumulte gegen den Intellekt

Am Abend des 12. November 2010 waren knapp 200 Menschen in den Hörsaal 17 des Hauptgebäudes der Universität Bonn gekommen, um an der Veranstaltung „Der Sarrazin-Komplex – Warum seine Kritiker im Unrecht und seine Thesen trotzdem verkehrt sind“ teilzunehmen. Diese Debatte und die in ihr angesprochenen Probleme waren für viele bislang anscheinend nicht zufriedenstellend behandelt worden. Der eingeladene Referent, Justus Wertmüller, Redakteur der Zeitschrift Bahamas, wollte sich ganz bewusst des Bekennertums in der Causa Sarrazin enthalten und sowohl den ehemaligen Bundesbank-Vorstand als auch dessen Kritiker einer kritischen Würdigung unterziehen.

Dass nicht alle bereit waren, den Vortrag anzuhören und sich in der anschließenden Diskussion mit dem Referenten auseinanderzusetzen, wurde bereits im Vorfeld deutlich. Schon vor Beginn des Vortrags wurde das Mikrofon von einem jungen Mann – über den noch ausführlicher zu sprechen sein wird – unerlaubt beansprucht, um Wertmüller ohne Begründung unter anderem als „Rassisten“ zu titulieren (1). Nach dieser Initialzündung versuchten mehrere Personen, dem Referenten mit Zwischenrufen die Veranstaltung ebenso zu verunmöglichen wie dem interessierten Publikum. Der Wortschatz dieser Störer bestand lediglich aus den zunehmend aggressiver gerufenen Vokabeln „Rassist“, „Kriegstreiber“ und – immer wieder –„Imperialist“. Justus Wertmüller versuchte zunächst, auf die Schreihälse nicht einzugehen, doch diese ließen nicht locker.

Weil der Referent die Erwartungshaltung der zahlreich anwesenden Antiimperialisten enttäuschte und sein Vortrag wider deren Erwarten keinen Anlass für die Bestätigung der Verleumdungen bot, griff der bereits erwähnte Anstifter der Störaktion, Simon Ernst mit Namen, zur ultimativen Schmähung: Wertmüller, rief er, sei ein „Gelehrter“. Dieses geistfeindliche Ressentiment, das seinem Urheber im Saal vor allem Gelächter eintrug, bekommt eine besonders bittere Note, weil Ernst sich seit mehreren Jahren als Avantgarde der Bildungsproteste in Bonn und sogar über Deutschland hinaus inszeniert (2) und erfolgreich darin ist, junge Menschen, die sich beispielsweise im Rahmen des „Bildungsstreiks“ gegen eine immer stärkere Zurichtung und Disziplinierung in Schule und Studium wenden, für seine autoritären Anwandlungen zu gewinnen.

Mehrfache deutliche Ermahnungen zur Ruhe führten nicht zur Mäßigung, sondern wurden vielmehr als Ermutigung verstanden, die Belästigungen zu intensivieren. Die Veranstalter vom AStA-Referat für Politische Bildung waren nicht bereit, diese beabsichtigte Verhinderung ihrer Diskussionsveranstaltung hinzunehmen, forderten die Störer mehrfach auf, den Saal zu verlassen, und alarmierten zwecks Durchsetzung des Hausrechts schließlich die Polizei. Daraufhin entstand ein Tumult, bei dem eine anwachsende Menschenmenge handgreiflich versuchte, Wertmüller zum Schweigen zu bringen und die Mikrofone an sich zu reißen. Notwendig wurde die Hinzuziehung der Staatsmacht umso mehr, als einer der Angreifer einen Laserpointer zum Einsatz brachte, um den Vortragenden zu blenden. Den AStA-Referenten für Politische Bildung der Fachhochschule Köln, der sich mit einigen anderen Gästen schützend vor Wertmüller gestellt hatte, traf ein Laserstrahl ins Auge; er musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Dort diagnostizierte die diensthabende Ärztin Verbrennungen der Bindehaut. Auf ihre Empfehlung hin erstattete der Verletzte Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung; die Polizei ermittelt. (3)


„Antideutsche klatschen“

Erst das Eintreffen der Polizei verhinderte eine weitere Eskalation. Anschließend konnte der Vortrag fortgesetzt werden. Eine etwa 30 Personen umfassende Störergruppe kehrte allerdings nach dem Abrücken der Polizei in die Nähe des Hörsaals zurück. Nachdem einigen von ihnen der erneute Zutritt zum Hörsaal verweigert worden war, ertönte von außen der Schlachtruf: „Intifada bis zum Sieg!“ – eine Parole also, mit der zur Vernichtung des jüdischen Staates und darüber hinaus zur restlosen Liquidierung aller politischen, sexuellen und religiösen Abweichler unter den Palästinensern aufgerufen wird. Man gab damit die Stoßrichtung der militanten Aktion ganz unverhohlen preis. War bei Simon Ernsts ungebetenem Eingangsstatement noch ominös davon die Rede, beim mit Israel solidarischen Justus Wertmüller handle es sich um einen kriegstreiberischen „Antideutschen“, so wurde die antisemitische Weltanschauung nun in ihrer vollen Tragweite sichtbar: Wer sich mit dem jüdischen Staat solidarisiert, kann nur ein Feind der Deutschen sein, lautete die Botschaft. Diese Ideologie begründet eine Feindbildpflege, die durch die im Hörsaal eifrig verklebten Sticker mit der gewaltverherrlichenden Parole „Antideutsche klatschen“ pointiert wurde. Zur Illustration seiner intellektuellenfeindlichen Zielrichtung bildet der Aufkleber einen Brillenträger ab, dem mit der Faust ins Gesicht geschlagen wird. Dass ausgerechnet diese vermeintlichen Vorkämpfer des Friedens den Referenten Justus Wertmüller einen „Kriegstreiber“ hießen, verrät den Charakter ihres Pazifismus.

Nicht minder ressentimentgetränkt gestaltete sich die Erklärung der Roten Antifa Köln vom 13. November 2010, die in gewisser Hinsicht als Gründungsmanifest dieser bis dato völlig unbekannten Gruppierung gelesen werden kann. In ihr wird Wertmüller vorgeworfen, ein „Philosemit“ zu sein und durch seine Antisemitismuskritik „provozierende Thesen“ zu verbreiten. Am Tumult im Bonner Hörsaal nahmen außer ihr auch Mitglieder der Ruhrgebiets-Sektion der Roten Antifa NRW teil, die sich in den letzten Jahren durch antisemitisch und frauenfeindlich motivierte Übergriffe einen Namen gemacht hat. An diesem Abend also fanden die Glorifizierung des antisemitischen Palästinensertums, die Verfemung von Intellektuellen, Kritikunfähigkeit und Gewaltverherrlichung – das heißt: bestimmende Momente des linken deutschen Antiimperialismus – zusammen.

Es ist wohl der bereits genannten Bönnschen Gleichgültigkeit zu verdanken, dass der Pöbelprimus Simon Ernst vor Ort seit Jahren nicht nur in Schüler- und Studentenprotesten mitwirken, sondern sogar als Vorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd arbeiten kann, obwohl er mindestens seit 2007 zahlreiche antisemitische Aktivitäten entfaltet hat. Zu den Betätigungsfeldern dieses antiimperialistischen Handlungsreisenden gehört nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit linken Antisemiten aus dem Umfeld des Internationalistischen Zentrums B5 in Hamburg, das die gewaltsame Verhinderung einer Vorführung von „Pourquoi Israël“, Claude Lanzmanns filmischem Plädoyer für den jüdischen Staat, zu verantworten hatte. Wie sehr es Ernst umtreibt, keine Verfügungsgewalt über das jüdische Leben im Nahen Osten zu haben, gab er als Redner der eingangs erwähnten antiisraelischen Kundgebung in Bonn zu Protokoll: „Es fällt auf, wie sicher sich dieser Staat ist bei seinen Verbrechen, wie sicher er glaubt, vor den Augen der ganzen Welt morden zu können.“ Bereits 2007, als er Felicia Langer in ihrer Funktion als Kronzeugin des deutschen Israelhasses an die Bonner Universität einlud, begegnete er der geäußerten Kritik an Langers Antizionismus mit einem verschwörungsideologischen Gedankengebäude über „geschickt lancierte Fragen“ einer durch „Sprachpsychologie“ geschulten „Israel-Lobby“ im Saal.

Es ist verstörend, dass es Simon Ernst und seine zahlreichen Kombattanten vermochten, dumpfen, antiintellektuellen Hass gegen Justus Wertmüller zu entfalten, der im Gegensatz zu diesen deutschen Ideologen tatsächlich etwas zur Kritik der Ausländerfeindlichkeit und des Leistungswahns beizutragen hat. Die antiimperialistische Agitation im Hörsaal hingegen hat nur Raum für einen blindwütigen Furor geschaffen, der einen verletzten Gast und die zeitweilige Unterbrechung des Vortrags zur Folge hatte. Wer die bisherigen Veranstaltungen des Bonner AStA-Referats für Politische Bildung aufmerksam beobachtet hat, wird festgestellt haben, dass jeder noch so aberwitzige Diskussionsbeitrag zugelassen und nicht abwürgt wurde. Eben auf diese weitgehende Toleranz der Veranstalter bauten die Störer, weshalb insbesondere Simon Ernst erst dann seine großsprecherischen Kapriolen dämpfte und den Rückzug antrat, als er realisierte, dass die Polizei tatsächlich auflaufen wird.


Ochlokratie und Emanzipation

Zu einer zivilisierten Aussprache jedenfalls wollte es dieser Mob in keinem Fall kommen lassen; vielmehr verlegte er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf argumentfreie Diffamierung und Gewalt. Diese Taktik entstammt der alten Schule des Denunziantentums: Wenn man mit genügend Dreck wirft, wird schon irgendetwas hängen bleiben. Statt überhaupt zuzuhören, was Wertmüllers – bis dato unveröffentlichter – Vortrag inhaltlich zu vermitteln hat, sollte von Beginn an ein Klima der Angst und Unsicherheit erzeugt werden, das eine Diskussion verunmöglicht, zumindest aber nachhaltig beeinträchtigt. Auch nach dem Polizeieinsatz verblieben Störer im Saal, von denen einer die Glaubwürdigkeit seines Engagements gegen Diskriminierung dadurch zu erkennen gab, dass er während seines lautstarken Abgangs den Referenten mit der behindertenfeindlichen Beleidigung „Spasti“ bedachte.

Wie man den Tonaufnahmen (4) entnehmen kann, waren die Störer zu keinem Zeitpunkt imstande, ihre Anwürfe am Vortrag plausibel zu machen; sie ergingen sich daher in verleumderischer, aggressiver und zuletzt offen antisemitischer Pöbelei. Es zeugt von einem durchaus bedrohlichen autoritären Geist im Modus der Rebellion, sich ernsthaft anzumaßen, in Übereinstimmung mit einer kleinen Gruppe selbstgerechter „israelkritischer“ Kampfgefährten eine Aussprache zu sabotieren, die ein großes öffentliches Interesse findet. Gerade weil sich unter den Störern mehrere Anhänger der Bonner „Bildungsstreik“-Bewegung befanden, die Simon Ernst und Seinesgleichen in ihrem geistfeindlichen Sinne formen möchten, muss die Frage gestellt werden, inwiefern die innerhalb des „Bildungsstreiks“ aufgestellte Forderung nach „radikaler Demokratisierung“ zu verstehen ist. Die Vorgänge im Zuge dieser Veranstaltung werfen zudem die Frage auf, ob die übrigen Teilnehmer dieser Proteste es auch in Zukunft dulden werden, dass sich unter ihnen Personen befinden, die „radikale Demokratie“ in Form einer Ochlokratie – also als schrankenlose Herrschaft eines aufgehetzten Pöbels – praktizieren wollen. Wer das geistige und praktische Elend des nachbürgerlich-kapitalistischen (Aus-)Bildungsbetriebs überwinden will, darf nicht zulassen, dass ein traditionell mit dem Antisemitismus verquickter Antiintellektualismus das bisher erreichte Maß an zivilen Umgangsformen zunichte macht, wie es aus Anlass von Justus Wertmüllers Vortrag ein weiteres Mal versucht wurde.

Anmerkungen
(1) Zu Wertmüllers Kritik an Sarrazin siehe „Frei nach Thilo Sarrazin – Leistung und Intelligenz in der Beamtenrepublik Deutschland“, erschienen in der Bahamas Nr. 59.
(2) Simon Ernst ist Förderer einer Gruppe, die im November 2009 in Bonn die Erfolgswelle des deutsch-österreichischen Bildungsstreiks so betitelte: „Wien, Deutschland, und dann die ganze Welt.“ Der eingängige Name dieser bis heute aktiven Vereinigung lautet: „Bonner Jugendbewegung“.
(3) An dieser Stelle ergeht die Bitte an Zeugen des Vorfalls, sich mit Täterbeschreibungen, Audio-, Foto- oder Videoaufnahmen an das AStA-Referat für Politische Bildung (polbil@asta.uni-bonn.de) oder direkt an die Polizei zu wenden.
(4) Die gesamte Veranstaltung ist in zwei Teilen hier online anzuhören: [1], [2].
Das Bild zeigt das Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz. Fotomontage: Lizas Welt.

http://lizaswelt.net/2010/11/23/bonner-intifada/

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redaktion-bahamas.org

Der größte Kommunist im ganzen Land
Ein Nachruf auf Hermann Ludwig Gremliza – und die deutsche Linke

 

Alles ging noch ganz gut bis zum 11.9.2001. Die Bahamas zerdepperte gutes altes kommunistisches Porzellan, liebgewonnene Sammeltassen und Teller mit Aufschriften wie „Klassenkampf“, „Solidarität der Völker“, „Kampf dem Imperialismus“, „Kampf dem Zionismus“, „Das Kapital hat Name und Anschrift“ und bekam dafür von den zünftigen Kommunisten sogar noch eine Zwei minus für Analyse, aber nicht mehr als ein noch Ausreichend fürs Betragen. Nach dem 11.9.2001 wurde klar, dass zusammengeklebtes Geschirr sogar eine noch haltbarere Zier ist als das ganzheitliche Modell von früher und alles war wieder wie neu: Anstelle der Kapitalisten bekämpft man jetzt die globalisierte Kapitalherrschaft  und hält sich dabei noch zugute, keine „verkürzte Kapitalismuskritik“ zu betreiben, statt Klassenkampf gibt es nun widerständige Praxen, statt von Völkern spricht man von Multitudes, die in der Vorstellung der neu-alten Kommunisten im Kampf gegen die Herrschaft zu allem fähig sind. Seither stehen die Kommunisten wirklich an der Spitze der deutschen Volksbewegung – lange vor Oskars Aufstieg mit der Linkspartei. Zwar braucht man sie nicht wirklich, weil das Volk und seine Sprecher auch ohne kommunistische Avantgarde wissen, dass man sich im Kampf gegen die Kapitalherrschaft hinter einem Westwall verschanzen müsse, der nicht mehr wie früher nur Großdeutschland und seine Komplizen, bzw. die von ihm besetzten Länder, sondern ganz Europa vor seinem einstigen Befreier, den Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen hat. Aber gerade ihre Entbehrlichkeit garantiert den Kommunisten ihren Handlungsspielraum: Weil man sie nicht wirklich braucht, können sie weiter machen wie bisher und dem nationalen Vollzug mit enorm antikapitalistischen Vorschlägen vorauseilen, die von den „Herrschenden“ vorläufig noch in der Schublade „Visionen“ abgelegt werden. Dies hat nicht zuletzt den Vorteil, dass man sich weiterhin als radikaler Staatsfeind selber abfeiern kann, wenn man sich zusammen mit der Hamburgerin Ulla Jelpke von der Linkspartei einen lächerlichen Prozess gegen ein paar politisch motivierte Kleinkriminelle anschauen geht, denen vorgeworfen wird, sie hätten beschleunigen wollen, was die Mehrheit im Land sich ohnehin herbeiwünscht.

Weiße Rasse – schwarze Klasse

Hervorstechendes Kennzeichen des neuen Kommunismus ist, dass er vom historischen Vorbild die autoritäre Grundkonzeption, die dekretorische Willkür im Umgang mit Begriffen, die Verachtung von Sprache und Wahrheit übernimmt, aber im Unterschied zu diesem auf eine Art und Weise, die als aufgeklärt und fortschrittlich durchgeht, den Übergang zum Volkstumskampf ganz offen vollzieht. Der von einer Volkskommunistin wie Jutta Ditfurth einst auf dem Konkret-Kongreß 1993 als Rassist geschmähte Christoph Türcke hatte Linken ihres Schlages damals schon prophezeit, dass die Rede von der Rasse als bloßem „sozialen Konstrukt“ über kurz oder lang notwendig dazu führen werde, dass man die Gesellschaft als eine rassifizierte, ihre Akteure als Rassen und soziale Konflikte als Rassenkampf auffassen und diese Inflation des Rassenbegriffs noch als antirassistische, widerständige Handlung abfeiern werde. Wer oder was „Ethnie“ ist, wer fortschrittlich und wer der Schuldige ist, das bestimme ich nach freiem Ermessen – das ist das Grundprinzip des neuen Antikapitalismus. Wie das geht, macht die Kölner Gruppe Somost in einem Leserbrief „Zur Sache Justus W. vs. Salih“ in Konkret 10/08 vor: Sie weiß zu berichten, dass Salih als Köln-Kalker, der im Januar 2008 öffentlich und teilweise gewalttätig von seinen Kumpanen zum Opfer der rassistischen Scheißdeutschen hochstilisiert worden war, von einem „weißen Jugendlichen erstochen worden war. Höchstwahrscheinlich [!] […] in Notwehr auf einen Angriff Salihs“ hin, . Noch im Frühjahr galt der „weiße Jugendliche“ als Deutscher, was er der Staatsangehörigkeit nach auch ist, und Täter. Seit man aber weiß – weil es nicht nur in der Kölner Lokalpresse, die man noch totschweigen konnte, sondern auch in der Bahamas zu lesen war – dass er unzweifelhaft in Notwehr gehandelt hat und so richtig deutsch nicht ist, sondern nur ein Russlanddeutscher, mithin einer von jenen, um deren Integration in die Gesellschaft es auch nicht so gut bestellt ist, hat man sich bei Somost überlegt, wie man einen aus Russland, der sich höchst­wahrscheinlich gegen einen Raubüberfall gewehrt hat, weiterhin verunglimpfen könnte. So wurde aus dem deutschen Mörder ein Weißer – was in der rassenkundlich versierten Szene so viel wie Täter bedeutet.

Die von Somost wissen also genau, wer von Natur aus schuldig ist und wer zum widerständigen Subjekt der nicht-weißen „Multitude“ gehört. Deren Abfeierung bedeutet de facto nichts anderes als die schnöde Affirmation krimineller Banden und ihrer ungeschriebenen, durch keinerlei Vermittlung gemilderten Disziplin, die sie nach innen und nach außen durchzusetzen sich mühen. Was früher einmal „Sieg im Volkskrieg“ hieß, findet heute seine adäquate Fortsetzung im Eintreten von Kommunisten für kulturell befreite Zonen hier und weltweit: „Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft und das Militär anzugreifen“, sei legitim, formulierte ein Angeklagter zum Auftakt eines Prozesses am 25.9.2008 in Berlin gegen ihn und zwei weitere Männer, die versucht haben sollen, in Brandenburg an der Havel Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden, und denen darüber hinaus vorgeworfen wird, eine kriminelle Vereinigung namens Militante Gruppe gegründet zu haben. Mit dem Krieg, dessen Gewalt Widerstand entgegenzusetzen sei, war der afghanische Bürgerkrieg gemeint, in dem auch deutsche Soldaten als Teil einer amerikanisch geführten UNO-Truppe sich auf Seiten der afghanischen Regierung engagieren. Afghanistan soll nach Ansicht dieser Kommunisten endlich wieder den Afghanen gehören, also den Taliban und den Clanchefs. Wenig Phantasie gehört dazu, um zu folgern, dass dieselben Leute sich wünschten, über von Zivilisation befreite Zonen auch in Deutschland etwas unbefangener zu diskutieren und etwa zunächst zwei der drei Kreuzberger Brüder Hatun Sürücüs als Opfer rassistisch motivierter Vorverurteilungen nachträglich zu rehabilitieren, was sich bislang nur mutige Einzelgänger getraut haben, wie zum Beispiel Professor Schiffauer von der Viadrina-Universität, der als entlastender Prozess-Gutachter tätig gewesen ist und zum Dank dafür am 10.9.2008 von jungen klassenkämpferischen Kommunisten der Gruppe T.O.P in Berlin zum Vortrag vor 150 Leuten geladen wurde, darunter nicht wenigen, die noch vor kurzem mit Israelfahnen auf Demonstrationen gegangen sind.

Nun gibt es einen, der in Sachen Rassentheorie nie so weit gehen würde wie einige Kölner Antifas, die aus „schwarzer“ Rasse revolutionäre Klasse machen wollen, aber ihnen die Hand zum Mitmachen gereicht hat, seit er die Verhinderung der offenbar bevorstehenden Vernichtung – nicht etwa Israels oder der Juden – sondern der „Kanaken“ in Köln-Kalk und anderswo zum obersten kommunistischen Ziel erklärt hat. Er ist einer, der sich bisher mal reingeritten und dann wieder rausgewurstelt hat, der sich antisemitische Krawallakte gegen Freunde Israels und Amerikas 2004 in Hamburg live angeschaut, aber darüber Stillschweigen verhängt hat und zum scheinbaren Ausgleich frohgemut Israel seine Solidarität erklärte, die er tags darauf widerrief, weil er einen antizionistischen Scharfmacher gefunden hat, der es mit Adorno gehabt haben soll. Den Kerl komplimentierte er dann, wiederum schweigend, hinaus, weil der sich mit Querfrontpolitikern in Köln getroffen hatte, um sich zuletzt in der Position der Äquidistanz gegenüber Israel und seinen Feinden und Ayaan Hirsi Ali und ihren Verfolgern auszuruhen. Er ist es nie gewesen, war für Kritik stets offen, natürlich nur für solche in emanzipatorischer Absicht, und hätte immer so weiter gemacht, wenn die Bahamas den Betriebsfrieden nicht gestört und ihm nachgewiesen hätte, dass er längst mit den Multitudes aller Länder und damit der Mehrheit im Land paktiert. Seither hält es Hermann Ludwig Gremliza nicht mehr und er schnappt nach der Bahamas, die er bislang so tapfer ignoriert hat.

Herr Scharang verkündet die Ankunft des heiligen Ludwig

Alles ist ihm seit dem Frühjahr 2002 misslungen, als ich mir scheinbar noch unentschieden in der Bahamas die Frage stellte: „Konkret kaputt?“. Nachdem ich im August 2008 eine Gegendarstellung in seinem Express erzwungen und damit sein Lebenswerk in Frage gestellt habe, schart er seine letzten Spezis um sich und lädt sie zum intellektuellen Selbstmord ein. Den Schriftsteller Michael Scharang, dessen großer Roman „Auf nach Amerika“ (1992) gegen seinen Urheber Zeugnis ablegt, hat er in großer Not um eine Liebesgabe gebeten, die besonders niederschmetternd ausgefallen ist, weil Scharang ausgerechnet Karl Kraus gegen mich ins Feld führt, was Gremliza aus guten Gründen, die in der Bahamas nachzulesen sind, schon lange nicht mehr wagt. Der Wiener Schriftsteller legte Hand an sich und nicht an Justus W., als er ihm unterstellte, er „winde“ sich als Teil einer „Lumpenbourgeoisie“, „in rasender Verzweiflung, viel­leicht doch noch von den Herrschenden gebraucht zu werden, auf einem nichtexistierenden Markt, in der Hoffnung, dass seine Verrenkungen, die er für solche des Geistes hält, wahrgenommen werden“ (Leserbrief in Konkret 10/08). Nicht genug, dass die Unterstellung, ich wände mich „in Verzweiflung, von den Herrschenden gebraucht zu werden“, noch nicht einmal als Österreichisch durchgeht – er hat sich auch schrecklich in seinem Satz verwickelt, in dem ich mich am gleichen nichtexistenten Ort mal „in Verzweiflung, gebraucht zu werden“ winde und dann „in der Hoffnung, wahr genommen zu werden“ verrenke, als wäre das nicht das gleiche. Was tut man nicht alles, um die doch etwas zu schlichte und vor allem zu kurze Botschaft, Justus W. schleime sich bei den Herrschenden ein, die ihn gar nicht haben wollten, gescheit, ja, aufwendig klingen zu lassen.

Aber selbst das hätte er noch überlebt – es war ja nur von mir und nicht von Karl Kraus die Rede. Doch ein bisschen mehr als folgsam nachzutreten war er seinem Ruf als Dichter und Kritiker dann doch schuldig: „Brecht, dem Kämpfer, war der Geist das Wort“ heißt es im ersten Buch Michael, das die Ankunft des Erlösers Ludwig verkündet, der von Bertolt Brecht und Karl Kraus, die in „schöner […] Arbeitsteilung […] eng verbunden und tief getrennt ihre Arbeit machten“, gesalbt ward und heute alles auf einmal macht: „Das Lehrstück, die Satire, den Essay, die sprachverliebte poetische Glosse und die Polemik gegen die Menschenverachtung, die sich aufwendig [?] als Verachtung der Sprache zu erkennen gibt, ehe sie sich zum simplen Totschlag bequemt [??].“ Dass Brecht, obwohl er zunehmend zum ordinären Parteikommunisten mit Sicherheitsabstand zur wirklichen Partei und noch größerem zum Vaterland der Werktätigen sich wandelte (,das er im Frühsommer 1941 in Todesängsten Richtung Wladiwostok zum rettenden Schiff gen Amerika durchquert hatte), „trotz und mit allem, womit er bewusst seinem dichterischen Wert entgegenwirkt“ (1) ein großer Dichter sei, hat Karl Kraus mehrfach betont. Weiter ging die Wertschätzung, von einer „Zusammenarbeit“ ganz zu schweigen, schon deshalb nicht, weil Kraus den Dichter Brecht immer gegen seine literarische Umgebung, der er sich ideologisch und oft genug auch poetisch immer mehr gleichmachte, hervorgehoben hat. Mit Blick auf „die bürgerliche Gedankenwelt, wie sie sich in den Werken der Shakespeare, Goethe, Gogol, Raimund, Nestroy und Offenbach darstellt“, kam Kraus zu dem so gar nicht nach „Arbeitsteilung“ klingenden Ergebnis, „dass die bürgerliche Gedankenwelt, selbst dort, wo sie tief unter dem Niveau der genannten Schöpfer liegt, Leistungen hervorbrachte, die berghoch über alles ragen, was die sozialistische, in sozusagen deutscher Sprache, bis heute produziert hat (wenn man Brechts eigentlichen Sprachwert rechtens von ihr ablöst, aber dafür die Gehirnschande aller Kampfliteratur und ‚proletarischer Satire‘ gründlich berücksichtigt).“ (2) Wenige Monate vor Erscheinen des Fackel-Heftes, aus dem dieses Zitat stammt, hatte Brecht die Gehirnschande begangen, mit einem Schmähgedicht als Kampfliterat gegen Kraus, den „guten Unwissenden“ aufzutreten, in dem es heißt:

„Er rühmte die Mörder. Er beschuldigte die Ermordeten.

Dem Hungernden zählte er die Brotkrumen nach, die sie erbeutet hatten.

Den Frierenden erzählte er von der Arktis.

Denen, die mit den Stöcken der Pfaffen geprügelt wurden

Drohte er mit den Stahlruten des Anstreichers.

So bewies er

Wie wenig die Güte hilft, die sich nicht auskennt (…)“ (3)

So erging es einem, der in den führenden SP-Genossen, die allen Ernstes noch nach dem 30.1.33 den Anschluss Österreichs ans deutsche Reich nicht aus dem Programm streichen wollten, keine Antifaschisten zu erkennen vermochte, wohl aber Kollaborateure mit den Nazis, und der den Arbeiteraufstand vom Februar 1934 gegen die herrschenden, von Dollfuß geführten Austrofaschisten offen kritisierte, die bis zu Mussolinis Schwenk den Anschluss ans Dritte Reich mit verhinderten, und der die österreichischen Sozialdemokraten mitverantwortlich für den Tod von fast 200 Arbeitern machte:

„Der da auszog gegen die Unterdrückung, selber satt

Wenn es zur Schlacht kommt, steht er

Auf der Seite der Unterdrücker.“

Wenn er sich nimmer auskennt, der satte Unwissende, also gegen die Doktrinen des Stalinismus verstößt, dann wird ihm mit dem Gestus des Auskenners und Bescheidwissers heimgeleuchtet, wird er gemäß der infamen Lehre „reich und reich gesellt sich gern“ des gleichzeitig entstandenen grotesk-peinlichen Parabelstücks über die Judenverfolgung in Deutschland, „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ nicht mit dem Geist und auch nicht mit dem Wort bekämpft, sondern degradiert in den Stand der Mehrwertmullahs, die schon in „Menschenverachtung“ gemacht haben, „ehe sie sich zum simplen Totschlag“ bequemten. Michael Scharang hat einen hohen Preis dafür bezahlt, dass er, den Kampfliteraten gebend, einem beigesprungen ist, der anders als drei Berliner Antiimps oder ein paar Kölner Antifaschisten, die nicht wissen, was sie daher stammeln, die Sabotage der Kommunisten am Kommunismus über das Jahr 1989 hinaus exemplarisch verkörpert.

Sprachverliebte Hetze

Obwohl ja die antirassistischen Kim il Pots seit Jahren durchs Netz pfeifen, dass auf Seiten der Unterdrücker, ja, Mörder von Salih aus Kalk satt und sich anbiedernd der Mehrwertmullah steht und derselbe samt Konsorten längst als Antisemit geoutet wurde, hat Hermann Ludwig Gremliza lange den Mund gehalten und außer einigen homophoben Invektiven gegen die wunderlichen Gewänder des Papstes und einem nicht minder zwielichtigen Verweis auf Daniel Küblböck die Bahamas tapfer ignoriert, was nicht gut gehen konnte.

Weiter zu schweigen, um sich die endgültige Blamage zu ersparen, hätte bedeutet, bei so überragenden Kommunisten wie Jutta Ditfurth, die für Uli Krug schon ein Standgericht zusammengerufen hat, in den Verdacht zu geraten, satt lächelnd die Salihs auf den Barrikaden von Köln verbluten zu lassen, wie einst der angebliche Kompagnon von Bertolt Brecht die Arbeiter von Wien. Es hat ihm alles nichts mehr geholfen, weil er sich jahrelang nicht mehr ausgekannt hat, was ihn gelegentlich dazu verleitet hatte, zwischen den Stahlruten der Mullahs und den Stöcken des amerikanischen Präsidenten zu unterscheiden, also auch zwischen Elendskapitalismus ohne und Elendskapitalismus mit Sharia und Djihad. Wollte er weiterhin als größter Kommunist im Land gelten, musste er tun, wovor er lange zurückgeschreckt war und bündeln, was in einem Nebensätzchen hier und einem Aperçu dort längst schon durch seine Lehrstücke und sprachverliebten Glossen herumirrte: Die Brücke vom Salih zum Itzig musste geschlagen, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus gleichgesetzt werden, auf dass der „Hauch von Gas“ (Uli Krug), der aus den toten Trakten bundesrepublikanischer Gefängnisse von tagebuchführenden Gefangenen herbeihalluziniert wurde, sich mit dem Gestank verbrannten Menschenfleisches aus den Kaminen von Auschwitz vermische und auf diese Weise ein moralischer Mehrwert für den deutschen Kommunismus akkumuliert werde.

Im Juli dieses Jahres hat er es nicht mehr ausgehalten und alles musste heraus. Im „Express“, also dort, wo alle möglichen Gestalten früher wegen schlechtem Deutsch, falschen Zitaten und anderer ideologisch motivierter Angriffe auf die Wahrheit kurz, aber zumeist treffend der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, erschien etwas auffällig Längliches, ja, um mit dem Wiener Dichter zu sprechen, sogar Aufwändiges:

„Justus W., im Laufe der Jahre wie viele seiner Genossen zum Pfaffen der Kapitalherrschaft, ihrer Polizei und ,Bildzeitung‘ gereift, wirft noch einmal ein Schäufelchen Kot auf Ulrike Meinhof, die ,völkische Antisemitin‘, der er ihr Gerede von ,Israels Nazi-Faschismus‘ und ,Israels Himmler‘ (Moshe Dayan) vorhält – die Halluzinationen einer im Toten Trakt mit vollständiger Isolierung Gefolterten, die, ein paar Jahre zuvor und ganz bei Sinnen, die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt hatte. Wozu hingegen andere schon in ihrer gut beheizten Wohnstube fähig sind, führt der zum Mehrwertmullah konvertierte Exkommunist an sich selber vor. Über einen Mann aus Köln-Kalk, der einen türkischen Jugendlichen namens Salih mit seinem Messer tödlich verletzt hat, schreibt er:

Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte …

,Ein Salih‘ ist das Singularetantum für jeden Kanaken, wie im ,Völkischen Beobachter‘ ,ein Itzig‘ für jede Judensau. Und weiter geht’s:

Ein deutscher Feuerwehrmann, der ein kleines Kind, das ihm aus dem dritten Stock des brennenden Gebäudes zugeworfen wurde, geschickt aufgefangen hatte, wurde z.B. von der ,Hürriyet‘ deshalb gelobt, weil seine Eltern Türken sind und er damit auch einer zu sein hat.

Man glaubt ihm aufs Wort – wer kann schon Türkisch? Zwar gibt ,Hürriyet‘ sich schon dadurch als chauvinistisches Drecks­blatt zu erkennen, dass sie Springers ,Bild‘-Chef Kai Dieckmann in ihren Beirat berufen hat, allerdings hat das Blatt in diesem Fall die gesamte Ludwigshafener Polizei für ihren Einsatz gelobt, bevor sie in einem weiteren Bericht tatsächlich erwähnte, dass der rettende Polizist Hakki Paker heiße, und ,türkischstämmig‘ sei. An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt.“ (Gremlizas Express, 8/08)

Eine erste Antwort wurde ihm im eigenen Blatt gegeben auf eben jener Seite, die bis zum Septemberheft 2008 vielen Lesern als ein Höhepunkt der Sprachkritik galt:

Gegendarstellung

In KONKRET Heft 8 / August 2008 in der Rubrik Gremlizas Express wird mit Nennung des Namens Justus W. folgender Satz als Zitat ausgewiesen:

Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…

Dieses Zitat ist falsch.

Tatsächlich habe ich Folgendes geschrieben:

Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger ,deutscher‘ Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…

Berlin, den 6.8.2008

Justus Wertmüller“ (Gremlizas Express, 9/08)

Dem satten Karl Kraus ist Vergleichbares in 37 Jahren Fackel und mehr als 10.000 Seiten eigenen Textes voller Zitate nicht unterlaufen. Ihm war das Zitat heilig, und wenn er den Zitierten noch so sehr verachtet hat – zur Fälschung war er schon deshalb nicht fähig, weil es die unwiderrufliche Entwertung seines Werks bedeutet hätte, und zwar nicht auf dem Markt, auf dem er in den letzten Jahren seines Lebens so wenig nachgefragt war, dass aus dem Nachlass kaum mehr als die Bestattungskosten bestritten werden konnten, sondern vor dem eigenen Wahrheitsanspruch, den er noch auf dem Totenbett bekräftigte, als er gegenüber einer Freundin darauf insistierte, niemandem Unrecht getan zu haben.

Wer kann schon Türkisch?

Bevor er mich um einen „ertmüller“ kürzer gemacht hat, habe ich ihn nicht etwa meinerseits beraubt, sondern bereichert und dem geheimnisvollen L. ein „udwig“ angefügt – als symbolische Würdigung eines Lebenswerks, in dem für Polemik (oder Kommunismus) kein Platz mehr ist, seit das Singularetantum „Atta“ für alle Mitglieder einer Hamburger Schule der praktischen Imperialismuskritik steht, auch für jene, denen die Eltern nicht mit dem Glaubensstärke signalisierenden Mohammed schon im Säuglingsalter den Heilsauftrag verpasst hatten. Noch vor wenigen Jahren, als Gremliza noch nicht mit den Kalker Barrikaden-Salihs für Gerechtigkeit gestritten hatte, wäre mir das als Indiskretion und Verleumdung erschienen. Der Verfassungsschutz, dessen Angestellte längst wieder unverkrampft der deutschen Sache nützlich sind, und nicht mehr das Hohelied der Westbindung singen müssen, hatte in dem 2004 erschienen Buch „Extremismus in Deutschland“ hämisch die Frucht einer kleinen Recherche präsentiert und gegen den Willen des Herausgebers das L. kassiert und vom „‚Bellizist(en)‘ und ‚konkret‘-Herausgeber Hermann Ludwig Gremliza“ gesprochen. Im gleichen Buch hat ein früherer Konkret-Autor und Antisemitismus-Spezialist vor „Wortführern wie Hermann Gremliza (Konkret) und Julius Werthmüller (Bahamas)“ gewarnt, die gemeinsam „ihren Israel-Kult, ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen“ betrieben. Darauf hat die Redaktion im Editorial der Bahamas Nr. 47 geantwortet: „Was den Ludwig und den Julius ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen eint, ist der Abscheu vor den Kreaturen einer staatlichen Agentur für Gesinnungsschnüffelei, die ausgerechnet dann, wenn den Hauptamtlichen nichts mehr einfällt, mit einem erweiterten Verfassungsschutzbericht gegen Wortführer in die Bresche springen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Volksgenossen äußern“.

Das war einmal. Wo es keine Geheimnisse mehr gibt und keine Überraschung ins Haus steht, also dort, wo ein deutscher Reiseunternehmer türkischer Herkunft, der anderswo den Beitrag der türkischen Frau zur deutschen Wirtschaft in ihrer überdurchschnittlichen Gebärfreudigkeit erkannt hatte, im Interview mit Konkret (8/08) als Stimme der Freiheit daherschwadroniert wie sonst nur das chauvinistische Drecksblatt gleichen Namens (Hürriyet), damit der natürlich völlig unbegründete Verdacht, die Türkei verwandle sich in eine islamisch-kemalistische Autokratie, ausgeräumt ist, braucht man sich nichts mehr vorzumachen, auch kein „L.“ mehr für einen Ludwig. Wo der führende Kommunist Hermann heißt und Kolumnen schreibt, bleibt für den Polemiker und Liebhaber der sprachverliebten Glosse, die vom falschen Zitat zu getürktem Türkisch voranschreitet, nur noch der Ludwig übrig.

Wie war das noch mit dem Ludwigshafener Lebensretter, der von mir irrtümlich in einer Fußnote als deutscher Feuerwehrmann ausgegeben wurde, obwohl er doch deutscher Polizeibeamter ist? Ist er in der Hürriyet vom 5.2.2008 jetzt als „türkischstämmig“ (türk kökenli) oder türkisch (Türk) präsentiert worden? Tatsächlich war im Kleingedruckten eines Artikels zu lesen, dass das Kleinkind Onur von „dem türkischstämmigen deutschen Polizisten Hakki Paker gerettet“ worden sei. Ich habe zwar geschrieben, dass es egal sei, welche Staatsbürgerschaft einer hat, der Hakki heißt, weil er, ob er will oder nicht, in ein Volkskollektiv eingemeindet werden soll, dessen berufene Sprecher in der Diaspora wie z. B. der Konkret-Interview-Partner Vural Öger, bejubeln, was unter laizistischen Türken als Ausweis der Rückschrittlichkeit gilt: zahlreiche Kinder und immer neue Moscheen zum Beispiel. Aber ich schließe mich trotzdem dem Herausgeber an und rufe aus: Und weiter geht’s: Über die Botschaften bunter Zeitungen, das sollte man als geschulter Kritiker der Bild-Zeitung doch gelernt haben, gibt die Überschrift überzeugender Auskunft als jedes Wort im nachfolgenden Text. Und die schrie in der Hürriyet vom 5.2.2008 in fetten Lettern aus: „Bebegi Türk polis kurtardi.“ (4) Zu Deutsch heißt das immer noch: „Das (oder besser: dieses) Baby rettete ein türkischer Polizeibeamter.“ Mit Überschriften, in denen dem „Türk polis“ gehuldigt wurde, warteten zur gleichen Zeit übrigens auch die Tageszeitungen Tercüman, Aksam, Yeni Safak und Sabah auf.

Aber wer kann schon Türkisch? Für die deutschen Gänsefüßchen, die gerade dort verloren gehen mussten, wo etwas richtig entlarvend Antideutsches gegen einen Antideutschen, etwas mit „Judensau“ und Völkischem Beobachter herauskommen sollte, kann er nicht seine Praktikanten für die schlampige Recherche haftbar machen, sondern nur den inneren Ludwig, der für sich ganz wie der L. von früher nicht nur in Anspruch nimmt, deutsch zu können, sondern auch Karl Kraus verpflichtet zu sein.

Wo Polemik beginnt

Leicht ist es ist nicht, im Stande des Ludwigs leben zu müssen, als Sprachkritiker blamiert, als Kolumnen schreibender Kommunist zwischen Elsässer und Ebermann hin und her geworfen, den Einflüsterungen des Mehrwertmullahs widerstehend Ulrike, der einzigen Braut zu huldigen, die heute aus dem Munde des Mediums Jutta zu ihm spricht. Aber irgendwie geht’s schon. Ich werde ihn jedenfalls nicht schaffen und nie mehr bewirken, als ihm zu schaffen zu machen. Ich kann ihn unwidersprochen öffentlich einen Geschichtsfälscher nennen, wenn er Mussolinis Faschisten mit Hitlers Nationalsozialisten gleichsetzt und ihnen unterstellt, was sie nicht getan haben, sie hätten die italienischen Juden den Deutschen ausgeliefert und ins Gas geschickt (Bahamas 43, S. 70). Ich kann ihm in Sachen Glasauge, Hinkebein und Modell Analita recht liebloser Körperschau und entsprechend ergebnisorientierter Vorlieben beim Gebrauch des Körpers zeihen (Bahamas 42, S. 67), aber Konkret schweigt, Rechtsanwalt Oliver Tolmein schreibt mir nicht und keiner wundert sich, warum das keine Folgen hat. Ich führe Karl Kraus gegen ihn ins Feld, weise nach, dass er Privatpost ohne Zustimmung der Briefeschreiber veröffentlicht hat (Bahamas 45, S. 54) , dass er einen israelischen Feind Israels, aus dem es herausspricht wie aus Ludwig (!) Watzal, zum jüdischen Kronzeugen gegen Israel hat aufbauen helfen (Bahamas 42, S. 65) – und er schweigt, ohne dass es ihm schadet.

Das geht nur, weil sein Publikum ebenfalls schweigt und schweigend mitfühlt. Offenbar gibt es eine gefühlte Solidarität, deren Protagonisten immer dann mit mir hadern, wenn ich ihn blamiere, ihm aller­dings öffentlich unter Hinterlassung ihres Namens niemals recht geben würden. Obwohl ich niemals einen erklärten Kommunisten nur deswegen einen Faschisten nennen würde, weil er das Kapital vom Staat regiert sehen will, habe ich gegen die Feststellung „An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt“, wenig einzuwenden. Zwar kann man an mir nichts lernen, sondern höchstens an meiner Bemühung des Hamburger Presserechts gegen verschwundene Gänsefüßchen als einer Maßnahme gegen Press-Hetze – demonstrieren läßt sich in der Sache Gremliza gegen Justus W. allerdings, in welchem Verhältnis Polemik und Hetze zueinander stehen.

Zum Argumententausch gedeiht eine Kontroverse nie, in der ein Polemiker Partei ist, denn wo der Kritiker polemisch auftritt, gibt es nichts mehr auszutauschen. Wenn heute noch behauptet wird, es habe zwischen 1911 und 1932 eine Polemik zwischen Karl Kraus und Alfred Kerr gegeben, dann ist das schon eine Verleumdung, und zwar des Polemikers Kraus. Auf der einen Seite steht immer ein Lügner, ein Verleumder, ein Polterer und auf der anderen der Kritiker. Einer ereifert sich, bläst sich auf, mimt den Empörten und fühlt sich als Florett-Fechter, wenn er mit dem Dreschflegel hantiert und ist doch längst damit befasst, aus hoffnungsloser Defensive heraus mal die Autorität, mal den Mob gegen eine Kritik aufzuhetzen, der er mit Argumenten nicht gewachsen ist. Doch nicht ihm, sondern seinem Gegenüber, dem Polemiker, wird regelmäßig zum Vorwurf gemacht, er reagiere unsachlich, habe sich nicht mehr im Griff und wäre deshalb dafür verantwortlich, dass ein fürs Publikum Gewinn bringender fairer Wettstreit nicht zustande käme, weil alles von Persönlichem, ja Kränkendem überlagert sei.

Als man noch wusste, dass Poltern nicht deutsche Manneszier, sondern rüpelhaftes, autoritäres Verhalten ist, schrieb Gotthold Ephraim Lessing gegen einen Hamburger Hauptpastor, der in Buch- und Zeitschriftenform Bannflüche gegen alle Abweichungen von der reinen lutherischen Lehre veröffentlicht hatte: „Ich muß, ich muß entbrennen – oder meine Gelassenheit selbst, meine Kälte selbst, machen mich des Vorwurfs wert.

Wie, Herr Hauptpastor? Sie haben die Unverschämtheit, mir mittelbare und unmittelbare feindselige Angriffe auf die christliche Religion Schuld zu geben? Was hindert mich, in die Welt zu schreiben, daß alle die heterodoxen Dinge, die Sie itzt an mir verdammen, ich ehedem aus Ihrem eigenen Munde gehört und gelernt habe? Was hindert mich? Eine Unwahrheit wäre der anderen wert. Daß ich Ihre Stirn nicht habe: das allein hindert mich. Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann, und Sie – Sie tun alle sieben Tage, was Sie nur einen Tag in der Woche tun sollten. Sie schwatzen, verleumden und poltern; für Beweis und Eviction mag die Kanzel sorgen.“ (5).

In Sachen Polemik gibt es immer nur Lessing gegen einen lutherischen Dogmatiker, Heine gegen einen deutschen Jakobiner mit nationalen Tugenden, Marx gegen reihenweise deutsche Sozialisten und Karl Kraus gegen den deutschnationalen „Friedmenschen“ Alfred Kerr, der im Weltkrieg in schlechten Reimen Blut und Eisen gespuckt hat. Das gilt auch dann, wenn ein Herausgeber, dessen Medienmacht gering ist, gegen einen Kritiker hetzt, der nach der Meinung seines Wiener Kronzeugen „im Register der Schmach einen festen Platz hat“. Dem Gegenüber des Polemikers versagt das Wort, ist die Verleumdung beständiges Hilfsmittel, und der drohende und schimpfende Sprachgestus gibt nur noch vor, wenigstens auf Orthodoxie und damit kanonisierte Wahrheit sich zu berufen, während längst blinder Dogmatismus die zweifelnde Gemeinde einschwören soll, auf deren autoritären Charakter meist erfolgreich spekuliert wurde und wird.

Wo Polemik versagt

Polemik, die nicht durch die Erfahrung persönlicher Kränkung motiviert wäre, ist undenkbar. Und im entbrannten Vortrag von Beweisen und Evictionen gegen den Verursacher der Kränkung ist diese aufbewahrt und bewältigt zugleich: aufbewahrt, weil die Polemik aus der präsenten Kränkungserfahrung ihre Vehemenz bezieht, ansonsten sie zu harmlos-feinsinnigem Geplänkel geriete; bewältigt, weil die Empörung sich stilisiert und sachlich vermittelt artikuliert, ansonsten sie, wie sich bereits an Lenins einschlägigen Schriften ablesen läßt, zu Gezeter und Gepolter geriete. Als Polemiker tritt der entbrannte Kritiker auf, der gekränkt ist, weil ihn das nichtswürdige Agieren des Kontrahenten genauso empört wie der von ihm ausgehende und über seine Person hinausweisende Anschlag auf die Wahrheit. Gegen den Hauptpastor der linken Gemeinde muss ich mich mit Lessing fragen, „was hindert mich, in die Welt zu schreiben, dass all die heterodoxen Dinge, die Sie jetzt an mir verdammen, ich ehedem aus ihrem eigenen Mund gehört und gelernt habe?“, um mit Lessing zu antworten: „Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann“. Ich habe es aufgegeben, einem kommunistischen Herausgeber die Ersprießlichkeiten der Wahrheit, die Rettung seines Namens vor dem Schimpf unter fragwürdiger Beweisführung über früher von ihm Erreichtes, hinter das er nun zurückgefallen sei, schmackhaft zu machen. Denn es ist nicht wahr. Ich habe am „Express“ manches gelernt, als ich vor langer Zeit einmal einige Jahrgänge Konkret nur auf diese Rubrik hin gelesen habe, ohne zu erkennen, dass der zweifellos hochpeinliche Theo Sommer von der Zeit, über den Gremliza Jahrzehnte lang seine Witze gerissen hat, schon in seinen besten Jahren für nicht viel mehr stand als unzulängliches Deutsch an herausgehobener Stelle in einer Wochenzeitung, deren andere Autoren es zumeist besser konnten. Darüber hinaus war an den Abfertigungen Theo Sommers und anderer kaum mehr dran als die stets falsch begründete Gewissheit, dass auch die Bundesrepublik des Jahres 1980 eine schlechte Welt war, überlagert von dem unverbesserlichen Bescheidwissen, dass es sich bei USA und Nato jedenfalls um Teufelszeug handele. Gelernt habe ich immerhin einiges über Stilblüten – über den Zusammenhang von Nato, westlichem Bündnis und schlechtem Deutsch dagegen nichts. Vor wenigen Jahren dachte ich noch, ich könnte ihn unter Verweis auf die heterodoxen Dinge über den politischen, journalistischen und schriftstellerischen Betrieb, dem er immer angehörte und den er jetzt mit schlechten Gründen an mir verdammt, Dinge, die ich doch nicht zuletzt von ihm gelernt zu haben glaubte, auf einen Weg zurückbringen, der seiner nie war. So wie ein Hauptpastor Goeze in stilleren Zeiten im Rahmen der lutherischen Orthodoxie mancher Einsicht zugänglich war, der er sich im Streit mit Lessing wohl schämen musste, blitzten aus Gremlizas Produktion zuweilen Einsichten auf, deren Tragweite man nicht ermessen und deren logische Konsequenzen man nicht an Ort und Stelle ziehen musste. Heute ist klar zu erkennen: sie waren die Dreingabe, nicht die Hauptsache. In ruhigen Zeiten, in denen die Feinderklärungen unerschütterlich feststanden und jeder seinem Lager angehörte, wurde es für einen etwas gewitzteren Publizisten allmählich langweilig, immer in Treue fest zu den Seinen zu stehen, weshalb Gremliza in seine Auslese publizierten Sprachmülls immer wieder auch linke oder linksradikale Stimmen aufgenommen hatte, während in der Zeit keineswegs nur sprachferne Atlantiker wie Theo Sommer sich verlautbarten, sondern zunehmend auch korrektes Deutsch schreibende Ökologen, Dritte-Welt-Kenner und andere im Widerstand gegen das transatlantische Bündnis stehende Europäer.

Nach 1989 fand die nach dem Sieg der Sowjetunion über Deutschland einzige humane Großtat aller Regimes des realen Sozialismus, nämlich unter weitgehendem Verzicht auf letzte Gefechte sich von der Bühne der Geschichte getrollt zu haben, keineswegs Anerkennung bei deutschen Sozialisten. Sie nannten sich nicht deshalb ab 1990 alle Kommunisten, um die seit spätestens Mitte der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts so schmählich verratene Verbesserung des Menschengeschlechts in kommunistischer Absicht endlich ohne Zuhilfenahme von Stahlruten oder Stöcken auf den Weg zu bringen. Den Realsozialismus kritisierte man nicht, weil er zu autoritär war, sondern weil er es in den Augen der Linken nicht genug war, also nicht wegen der entsetzlichen Umerziehungs- und Mordanstalten der Sowjetunion, deren Alltag Solschenizyn in seinem genialen Kurzroman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ beschrieben hat, sondern wegen seines als schmählich und kapitulantenhaft empfundenen Abtretens. Auch wenn es in den Jahren zwischen 1990 und 2001 zeitweilig so aussehen wollte, als ob über den Kommunismus endlich ohne Lenin und Stalin, Mao und Frantz Fanon verhandelt werden und die Befreiung der Menschen endlich wieder eine Sache menschlichen Zuschnitts werden könnte – der Bruch mit den autoritären Sozialismuskonzeptionen ist in Wirklichkeit nicht nur nicht gelungen, er war gar nicht vorgesehen. Das kurze Intermezzo der Pro-Israel-Kampagne, die diese Zeitschrift, auch hier einigen Versprechern des Hamburger Herausgebers scheinbar folgend, in den Jahren 2000 (Beruf Palästinenser) bis 2002 (der unheimliche Aufmarsch) angezettelt hatte, endete im Frühjahr 2003 mit dem Irak-Krieg jäh und unwiederbringlich. Längst schon rasselten in den Phantasien der Ideologen zu befreiende Völker mit Ketten, gegen die sie nur einzuwenden haben, dass sie von kolonialer Machart seien, tummelten Klassen und Rassen sich im Jargon aller Kommunisten, auch dann, wenn die einen bis heute etwas von den JüdInnen und ihrem besonderen Schicksal raunen und andere Israelfahnen auf Demonstrationen entrollen, auf denen vor Islamophobie gewarnt wird.

Aus dem Manifest des deutschen Kommunismus

Die Israel-Solidarität hat sich als zu schweres Gewicht um den Hals des Herausgebers und aller deutschen Kommunisten guten Willens erwiesen. Sie verlangt einem mehr ab als ein bekennerhaftes Wort, sie fordert den ganzen Kritiker, der immerhin zu begründen hätte, worum Gremliza sich herumwindet: dass jede von außen geübte Kritik an Israel als im Kern antisemitischer Anschlag auf den jüdischen Staat und mit ihm auf die westliche Zivilisation zu gelten hat. Hinter Israel steht nicht jener Kommunismus, dessen Künder mit Serkan aus München oder Salihs Brüdern aus Köln ins Geschäft zu kommen sich mühen, unter deren Stiefelabsätze oder vor deren Fäuste immer auch jene Träger des Namens Serkan oder Salih geraten, die den autochthonen Abzockern die Brüderschaft aufkündigen. Weil „ein Salih“ nicht für jeden „Kanaken“ steht, sondern durchaus verallgemeinernd für die Zugehörigkeit zu einer Bruderschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig und mehr noch solche, die nicht dazugehören, abzocken, steht das Singularetantum Salih weder für angeborene noch für zugeschriebene Eigenschaften einer bestimmten Gruppe, sondern als Ausdruck der von ihren Mitgliedern freiwillig angenommenen Verhaltensweisen, die ihnen häufig sehr wohl zur Eigenschaft werden.

Der Ausländerfeind ist sich sicher, dass nicht Salih und seine Brüder, sondern ganz verallgemeinernd Ali, verschiedene schlechte Eigenschaften von Natur und Herkunft hat, zuvörderst die, an allem Schuld zu sein. Ali kann mal als Jobkiller, mal als unheilbar arbeitsscheu präsentiert werden, mal als schmutzig, dann wieder als sauberkeitsfanatischer Wasserverschwender. Ali ist gerissener Händler, der uns alle mit plumpen Tricks hereinlegen will, dann wieder verächtlicher Anbieter des letzten Schunds, der es nie zu etwas bringen wird. Mal hat er viele Kinder, um uns zu überfremden, mal sind die Kinder schlicht sein Unglück, weil man so nicht zu Wohlstand kommt, und als mehr oder weniger kriminell gilt er je nachdem, ob er einen deutschen Kalker oder nur einen „deutschen“ Kalker abzieht. Zusammengefasst: Der Ausländerfeind mag ihn nicht, aber er erkennt auch keine bestimmten schlechten Eigenschaften am Ali, denn alle auf einmal sind keine. Der Ausländerfeind ist vor allem davon überzeugt, dem Ali nicht nur überlegen zu sein, sondern auch gegen ihn zu bestehen. Alis Verbindungen, das weiß man, reichen nicht weiter als nach Anatolien, und dort gibt es keine Schätze. Der Itzig, die „Judensau“ unterscheidet sich beim Antisemiten, der deutsch und eingeboren sein kann, aber gerne auch jung, islamisch und ausländischer Herkunft, vom Ali des Ausländerfeinds durch sogenannte jüdische Eigenschaften, die ihren Ursprung im Geld haben sollen, von dessen gleichermaßen wundersamen wie gemeinschädigenden Mehrung ohne reelle Arbeit er mehr verstehe als jeder andere. Das gelinge ihm, weil er geheimnisvolle Verbindungen nicht etwa in eine bestimmte Region – denn die bestreitet man ihm energisch – sondern in Bankzentralen und Schatzämter, Handelszentren und zur Börse weltweit unterhalte, von wo aus er Regierungen und Armeen beauftrage, alles zu unternehmen, was dem fleißigen Arbeitsmann und Mittelständler, also „uns allen“ schade.

Während sich selbst ostzonale Nazis inzwischen angewöhnt haben, zwischen dem Ali, der weg müsse, und dem Spremberger Döner-Imbiss-Betreiber Ali Demirel zu unterscheiden, also zwischen den generell schlechten Ausländern, die verfolgt werden und gar nicht so wenigen konkreten, die er kennt und großzügig unter seinen Schutz stellt, ist der Antisemit keineswegs gewillt, zwischen einheimischen und abstrakten Juden zu unterscheiden – auch dann nicht, wenn es ihm vorläufig noch fern liegt, sie anzugreifen.

Dass es so ist, bestätigen die weiterhin guten und unter der Hand weitergetuschelten Kenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse eines Menschen, in dessen Ahnenreihe ein Jude vorgekommen sein soll, während eine türkische Mutter, besser Großmutter, einen jungen Deutschen aus Kalk oder anderswo interessanter machen, als wenn seine Vorväter nicht weiter als bis Köln-Mühlheim zurückverfolgt werden können. Das wissen mit Gremliza auch die Mehrheit seiner Leser, und dass Ali der Itzig von heute sei, glaubt im Grunde keiner.

Der irre Weg von Salih und seinen Brüdern über die Zwischenstufe „jeder Kanake“ zu „dem“ Juden, der von der Bahamas zum Völkischen Beobachter führen soll, verschlägt Gremliza nicht wie seine antirassistischen Bündnispartner, die wirklich mit Gangstern packeln wollen, in die nächtlichen Straßen von Köln-Kalk, sondern in die paranoide Welt deutscher Antiimperialisten, deren Ikone ich Kot aufs Grab geworfen haben soll.

Salih und Ulrike – zwei jüdische Opfer

Man könnte sich darauf einigen, dass die monatelange Isolation Ulrike Meinhofs im sogenannten Toten Trakt eine Form der Folter war, aber unter keinen Umständen zu vergleichen ist mit dem Weg, den die europäischen Juden, beginnend im Ghetto oder im Sammellager bis zur Selektion, die sie in die Gaskammern brachte, wie Primo Levi es in „Ist das ein Mensch?“ beschrieben hat. Man könnte hinzufügen, dass die Halluzinationen eines Menschen in Situationen besonderer Not, einerlei, ob sie durch die Folgen von Isolationshaft oder durch eine Psychose hervorgerufen werden, immer auch Unverarbeitetes des noch freien oder gesunden Menschen offenbaren. Ulrike Meinhof war keine Antisemitin aus Passion. Sie hat sich sogar einmal bemüht, wenn auch ohne Folgen für ihren weiteren Weg, Israels Existenzrecht zu verteidigen (6), was ohne Folgen für ihren weiteren Weg bleiben musste, denn sie hatte sich bereits zwei Jahre zuvor in Konkret 03/1965 festgelegt, als sie die Bombardierung Dresdens und die Vernichtung der Juden in Au­schwitz auf eine Stufe der „Barbarei und Unmenschlichkeit“ „der Regierenden“ gegen die Völker gestellt hatte. Das Bedürfnis, als Intellektuelle  endlich einmal dem „Volke dienen“ zu dürfen, wie der Titel der zweiten RAF-Erklärung nicht zufällig lautete, hat sie notwendig zur Antisemitin werden lassen. Aus einer Bewegung kommend, die den Antisemitismus offiziell als zu wehrendes Übel im Katalog hatte, die aber nicht anders konnte, als sich die „Argumente“ ihrer Gegner zu eigen zu machen, weil sie eine Kapitalistenherrschaft anprangerte, wo es um eine Kritik der kapitalen Vergesellschaftung gegangen wäre, war sie schon volkstümlich gestimmt, als sie sich in den 50er Jahren für den Frieden, also gegen die Westbindung der Bundesrepublik unter Konrad Adenauer an der Seite der USA, engagierte. Damals schon ging es darum, gegen das vorhandene deutsche Volk eine vermeintlich fortschrittliche deutsche Volksbewegung in Stellung zu bringen – ein Vorhaben, bei dem die Mittäterschaft der Volksgenossenschaft am Nationalsozialismus zwangsläufig ausgeblendet werden mußte. Als 1964 der Auschwitzprozess eröffnet wurde, ging es um Opfer, über die auch Kommunisten nicht recht reden wollten, Opfer, denen als bestimmter Gruppe weit Schlimmeres angetan worden war als zum Beispiel den deutschen Kommunisten, die doch als Speerspitze des Antifaschismus an der Seite der roten Armee, den Status, Opfer des Nationalsozialismus zu sein, mög­lichst nur für sich und das leidgeprüfte, verführte deutsche Volk verbuchen wollten. Ulrike Meinhof war vom Schicksal der Juden zweifellos tief beeindruckt und wohl auch mitgenommen, auch im Jahr 1972 im toten Trakt – und doch agierte sie als völkische Antisemitin bei der Niederschrift einer RAF-Erklärung genauso wie als Protokollantin ihrer Phantasien. Sie hat sich „eingefühlt“ und den Abstand verwischt, sie musste zwanghaft die eigene Situation überhöhen und rationalisieren, gebärdete sich als Jüdin, die ins Gas geführt werden sollte und dadurch als arische Staatsanwältin gegen jene, die dem wirklichen Zyklon B noch entkommen sind. Sie hat ein Lehrstück geschrieben, das im Unterschied zu Bertolt Brechts „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ in dem Wissen entstand, dass der Gemeinplatz von den Reichen, die sich immer gegen das Volk verbündeten, aufs furchtbarste blamiert ist, seit sich das nichtjüdische deutsche Volk mit den nichtjüdischen Reichen gegen alle Juden verbündet hatte. Das unterm Imperialismus leidende und gegen ihn sich erhebende Volk, das Meinhof wie alle Antiimperialisten für ihr politisches Konzept braucht, ist nur als ein an den Juden leidendes zu haben – das bestätigt sie mit ihren Halluzinationen, in denen das eigene Schicksal als ein kollektives, völkisches imaginiert wird und von den ermordeten Juden der Opferbonus und die Leidensprämie abgestaubt und Meinhof selbst, stellvertretend für das geknechtete deutsche Volk, zuerkannt wird.

Zum Fluch des Parteikommunismus nach 1945 gehörte neben dem vollständigen Missverstehen des Nationalsozialismus die Eifersucht auf die von ihm am schlimmsten Heimgesuchten, Leuten zumeist, die noch nicht einmal im Widerstand gewesen waren und doch durch ihr Zeugnis ein schlimmes Licht auch auf Volk und Arbeiterklasse warfen – also das, was Eike Geisel einmal „Opfersehnsucht und Judenneid“ nannte. Vielleicht kommt es deshalb bei Gremlizas österreichischem Kronzeugen Scharang vor allem auf „Brecht, den Kämpfer“ an, hinter den Kraus in der ominösen „Arbeitsteilung“, in der er mit Brecht „seine Arbeit machte“, als Mann ohne Eigenschaften, der jedenfalls nicht gekämpft hat, zurücktritt. Dabei wird dieser „Judenneid“ nicht mehr im Abfeiern des kämpfenden palästinensischen Volkes gegen die jüdischen Siedlerkolonialisten ausagiert – das traut man sich nicht zuletzt wegen Interventionen dieser Zeitschrift nicht mehr; heute ist es die Einführung des bedrohten Migranten, des zum Verdammten dieser Erde stilisierten Salihs, der dem kämpfenden Palästinenser aus den Phantasien eingesperrter und freier Antiimperialisten der frühen 70er Jahre so auffällig gleicht.

Freunde haben in Konkret 09/08 gegen Gremliza einen Leserbrief untergebracht, in dem sie ihm „Hetze gegen einen ehemaligen Autor“ vorwarfen, „der ein anderes Verständnis von kommunistischer Kritik hat als der Herausgeber.“ Damit liegen sie dann doch falsch. Solange einer wie Hermann Ludwig Gremliza als Kommunist durchgeht, wird es immer auch Kommunisten geben, die eine andere Vorstellung von der antikolonialen Befreiung der Salihs weltweit und sicherlich auch über Israel haben als er (das entsprechende antisemitische Geschmier des Papyrossa-Verlags wird dann in Konkret 10/08 als Annonce abgedruckt) – und selbst wenn es sich nur um eine Nuance handeln würde, wäre die Differenz zwischen Manfred Dahlmann, Stephan Grigat, Philipp Lenhard, Horst Pankow, Thomas von der Osten Sacken, Gerhard Scheit und mir auf der einen Seite und Gremliza auf der anderen eine ums Ganze. Mit dem Kommunismus verhält es sich genauso wie mit der Wahrheit: beide sind unteilbar, und zitatenfälschende Ideologen und Kritiker spielen nicht im selben Stück. Solange unter Gremlizas Regie sprachverliebte Lehrstücke zur Aufführung gelangen, in denen die „Judensau“ Salih über Köln wie weiland Ulrike über den Toten Trakt bekundet: „meine auschwitzphantasien da drin waren realistisch“, gilt für alle Kommunisten in Deutschland das gleiche, was hinter dem Leserbrief von Dahlmann u.a. eingerückt worden war, um sie zu blamieren: „,So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa oder Ex-K-Grüppler (nennt), die Antirassisten und Antisexisten nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deshalb ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.‘ Aus einem Interview mit Justus W. – Die Red.“

Justus Wertmüller (Bahamas 56/2008)

Anmerkungen:

1) Die Fackel, Nr. 868–872, März 1932, S. 36

2) Die Fackel, Nr. 890–905, Ende Juli 1934, S. 52

3) „Über den schnellen Fall des guten Unwissenden“, zitiert nach, Bertolt Brecht: Die Gedichte, Frankfurt/Main, 1981, S. 501

4) http://hurarsiv.hurriyet.com.tr/goster/haber.aspx?id=8173038&p=2

5) Lessing: Anti-Goeze, zweiter Beitrag, 1778. Werke und Briefe. Hg. v. Wilfried Barner. Bd. 9. Frankfurt am Main 1993, S. 152

6) Die Behauptung Gremlizas, Meinhof hätte, als sie „noch ganz bei Sinnen“ gewesen sei, „die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt“, ist erklärungsbedürftig. In Konkret 7/1967 schrieb sie wie Gremliza heute: „Die Solidarität der Linken mit Israel kann sich nicht von den Sympathien der USA und der BILD-Zeitung vereinnahmen lassen, die nicht Israel gilt, sondern eigenen…“ Israel gegenüber feindlichen Interessen? Nein, ,,eigenen der Linken gegenüber feindlichen Interessen“ gelten diese Sympathien. Damals war Moshe Dayan auch noch nicht „Israels Himmler“, sondern ein ganz normaler Faschist: „Die Solidarität der Linken schließt auch einen Mann wie Moshe Dayan ein, wenn er ermordet werden sollte, nicht aber seinen Rechtsradikalismus, seine Eroberungspolitik; so wie sie selbstverständlich [!] mit dem arabischen Nationalismus sympathisiert, nicht aber mit Nassers…“ antisemitischen Vernichtungsphantasien? Weit gefehlt: „nicht aber mit Nassers Kommunistenverfolgung.“ Meinhof war 1967 schon, was Gremliza seit spätestens 2007 gegenüber Israel und seinen Feinden geworden ist – äquidistant: „Die Frage nach vernünftigen, stabilen, politischen Lösungen droht gegenwärtig von pro- und anti-israelischem Freund-Feind-Denken erdrückt zu werden, dem auch die Linke erliegt …“. Zwar ist die Sowjetunion tot, aber die Gemeinsamkeit aller Linken ist zweifelsfrei wichtiger als Israel. Meinhof: „… dem auch die Linke erliegt, wo sie sich zwischen sowjetischer und israelischer Politik entscheiden zu müssen glaubte und davon doch nur auseinanderdividiert wird.“

http://www.redaktion-bahamas.org/auswahl/web56-3.html

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Ein tragischer Joachim Gauck und nochmal Beate Klarsfeld

Sich als „Nazijägerin“ mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa heraus, ohne adäquate und mutige Missbilligung hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm. Aber es offenbart vor allem einen irrlichternden und geschichtslosen Bundespräsidenten.

Die Tragik der Entscheidung des Bundespräsidenten Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse an die „Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld zu verleihen, offenbart ein Stück weit die Tragik der deutschen Politik insgesamt. Joachim Gauck enttäuscht nicht das erste Mal als Bundespräsident. Ohne historisch saubere Einordnung schickt der Bundespräsident die deutsche Öffentlichkeit in die Irre.

Alte Nazi-Täter mit den Mitteln des Rechtsstaates zu überführen und abzuurteilen, ist eine der vornehmsten Aufgaben der deutschen Justiz. Sich im Vorfeld daran zu beteiligen Nazi-Täter aufzuspüren, wie es im Kontext heißt, und diese den Strafverfolgungsbehörden bekannt zu machen, ist eine ehrenvolle Aufgabe. Spielen der engere und der weitere Sachzusammenhang und die Motivlage der Nazi-Jäger deswegen keine Rolle mehr? Sie spielen, wie immer im Leben, eine entscheidende Rolle.

Die heutige Linkspartei, die Rechtsnachfolgerin der PDS, ihrerseits Rechtsnachfolgerin der stalinschen SED, hat Klarsfeld bekanntlich auf ihren Schild gehoben und diese als Bundespräsidentenkandidatin 2012 ins Rennen geschickt. Und in den letzten Jahren hat die Linkspartei mächtig gedrängelt, dass Klarsfeld das Bundesverdienstkreuz bekomme.

Wie die Westlinke und deren Erben ticken, scheint der frühere Leiter der Stasi-Aufklärungsbehörde, deren Chef und zeitweiliger Namensgeber Joachim Gauck war, bis heute nicht richtig verstanden zu haben. Die 1989 untergegangene DDR, die bis heute in vielen Köpfen und auch in der Linkspartei, wenn auch notdürftig verdeckt, immer noch als der eigentlich bessere Staat auf deutschem Boden herumspukt, war ein antidemokratischer, ein antisozialistischer Anti-Rechtsstaat.

Die Westlinke: geschmeidig vom Regen in die Traufe

Dass sich nach der Nazidiktatur eine neue Diktatur auf deutschem Boden entwickeln konnte, war das Werk des Völkermörders Josef Stalin. Von ihm setzte sich die New Left, die Westlinke, die Neue Linke, links von der SPD und in deren linken Flügel, Stichwort Jusos, festverankert mit viel Jahrmarktgeschrei ab. Die Westlinke sprang dabei geschmeidig vom Regen in die Traufe und eiferte dem wahrscheinlich effektivsten Völkermörder der Menschheitsgeschichte, Mao Tse Tung, geradezu hündisch hinterher. Stalin war fortan im linken Lager der Böse und Mao Tse Tung die Lichtgestalt der Neuen Linken, die geradezu mondiale, um nicht zu sagen kosmische Lichtgestalt.

Das allerdings hat die Westlinke, und noch weniger die Linkspartei, je veranlasst Stalinismustäter-Jäger hervorzubringen. Im Gegenteil, Stalins Täter und Stalins Taten, immerhin die Taten des eigenen Staatsgründers und des eigenen Lagers, wurden und werden weiterhin gedeckt und vertuscht. Die Opfer des Stalinismus werden aktiv, frei von jedem Schutz des Bundespräsidenten, angegriffen, diffamiert, totgeschwiegen. Wer sich regt und droht Aufklärung zu leisten, wurde früher, auch in der DDR, aus dem Verkehr gezogen, ermordet, hingerichtet oder später mit dem bösesten Rufmord überzogen und bis zur Existenzvernichtung ausgeschaltet. Und das gilt im Prinzip bis heute.

Hier könnte Putin einen positiven Beitrag zur Geschichte leisten und den Westen, in dem die Westlinke die politischen Grundweichen in die grundfalsche Richtung stellte, beschämen. Die russische Führung würde sich und der Welt einen großen Dienst erweisen, würde sie Stalins Verbrechen, die nicht vor dem zweiten Weltkrieg und auch nicht nach dem zweiten Weltkrieg endeten, sondern erst mit dessen Tod, sachlich und konkret aufarbeiten.

Katja Kippings 68er-Startschuss-Legende

Zurück zum Fall Klarsfeld: Die Linkspartei in Gestalt ihrer heutigen Vorsitzenden Katja Kipping tönte im März 2012, als während Klarsfelds Bundespräsidentschaftskandidatur die umfangreichen Stasi-Connections von Klarsfeld oberflächlich ruchbar wurden: „Mit ihrer Ohrfeige haben Sie den Startschuss für die 68er-Bewegung gegeben.“

Dass Kipping etwas von linker Propaganda versteht und sich persönlich ins rechte Licht zu rücken weiß, ist ebenso offensichtlich wie ihre sachpolitische und historische Ahnungslosigkeit. Wenn überhaupt, war es Karl-Heinz Kurras, der in der Uniform eines Westberliner Polizisten am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnsorg erschoss und damit die schon brodelnde 68er-Bewegung auslöste. Was die 68er und die sich auf die Schenkel klopfende DDR ja auch vierzig Jahre lang gemeinsam als Startschuss der 68er-Bewegung gefeiert haben.

Bis im Mai 2009 herauskam: Kurras war ebenfalls von der DDR finanziert und munitioniert als spätes Werkzeug Stalins. Verkauft wurde er vierzig Jahre lang, mit Unterstützung der DDR, von der gesamten 68er-Bewegung und deren Kindern und Kindes Kindern als symptomatische Nazi-Unperson Westdeutschlands, der in seiner Person eklatant bewiesen hätte, dass die Bundesrepublik insgesamt ein Nazistaat wäre, den es galt abzuschaffen und radikal zu bekämpfen.

Als im Mai 2009 Kurras als Stasi-Mann enttarnt wurde, machte es in den deutschen Medien und in der deutschen Gesellschaft und katastrophaler Weise auch in der deutschen Politik ein paar Mal Blubb Blubb und alle alten Gewissheiten waren wieder da, ganz so, als wäre nichts geschehen.

Die peinlichen 68er und ihre peinliche 68er-Bewegung

Die peinliche 68er-Bewegung, die peinlicherweise das Koordinatenkreuz dieser Bundesrepublik zerstört und die Reste auch noch verdreht hat, schüttelte sich kurz ein bisschen angenervt und sitzt schon wieder in ihren behaglichen und unverdienten Rentnerstübchen.

Bereits im Juni 1968, so lehren die bis über beide Ohren persönlich verstrickten Deutungsgewaltigen wie der notorische 68er-Forscher Wolfgang Kraushaar aus dem Hamburger Reemtsma-Institut, sei die Luft aus der „Bewegung“ rausgewesen. Die Schüsse auf Rudi Dutschke waren gerade einige Woche her, der Pariser Mai, der einen gewissen Daniel Cohn-Bendit ins europäische Rampenlicht spülte, waren schon über die Bühne gegangen. Und der Anti-Vietnam-Kongress in Berlin vom Februar des Jahres war schon Kalter Kaffee. Die Kommune 1 war Kalter Kaffee und der erste Kaufhausbrand ( Baader-Ensslin) war Kalter Kaffee. Und dann kam Katja Kippings „Startschuss der 68er-Bewegung“ in Gestalt der Klarsfeldschen Ohrfeige am 7. November 1968. Verblödeter kann man Geschichte nicht fälschen.

Klarsfeld hat mit dem Entstehen der 68er-Bewegung nicht das Geringste zu tun, wie sie auch mit der „Enttarnung“ des von ihr wiederholt öffentlich „Nazi, Nazi, Nazi“ genannten Kurt-Georg Kiesinger nichts zu tun hatte.

Kiesinger wurden trotz intensivster Bemühungen keine Nazitaten nachgewiesen. 

Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und sein Job in der Presseabteilung des Außenministeriums waren lange vorher bekannt und auch schon in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Klarsfelds Wirken war nicht Conditio für das Bekanntwerden irgendeiner Tatsache Kiesinger betreffend. Ihre Ohrfeige allerdings war conditio sine qua non für die Begründung ihres zweifelhaften Ruhms und sie war Conditio für eine anhaltende Bemakelung Kiesingers und eine anhaltende Bemakelung der alten Bundesrepublik.

Anhaltende Bemakelung der Bundesrepublik

Esoterisch ausgedrückt hat Klarsfeld ein Stück des Ruhmes von Kiesinger übernommen, für Nichts, absolut gar nichts, jedenfalls nichts Positives, das Klarsfeld geleistet hätte. Willfähriges eigennütziges Werkzeug der DDR der Anti-West-Agitation zu spielen, mag der eine oder andere gar als Niedertracht empfinden. Den Holocaust zu instrumentalisieren, ist stets per se verwerflich und ist immer eine Missachtung der Opfer des Naziregimes.

Klarsfelds Ohrfeige fiel in die Zeit, in der die Westlinke und die 68er im Speziellen frenetische Applaudierer der damals im sozialistischen Kampf gegen Israel stehenden Palästinenser, Stichwort PLO, Ostberlin-Moskau, Kalaschnikow- waren. Die Frankfurter Schüler, Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer, bewegten sich wie Maos Fische im Kampf der Westlinken gegen die “neuen Nazis” in Gestalt der Israelis. Allzu weit her war es mit der Fürsorge für die Menschen, die vor den Nazis nach Israel geflüchtet waren, also nicht.

Klarsfeld selber gab sich zwar proisraelisch, kooperierte aber de facto mit der antiisraelischen DDR und speziell mit dem antiisraelisch und auch antijüdisch eingestellten SED-Polibüromitglied Albert Norden, selbst jüdischer Abstammung, in dessen Aufgabenbereich auch die antiisraelische Propaganda der DDR fiel. Für ihren Kampf gegen Kiesinger arbeitete sie mit Nazigrößen aus der DDR bestens zusammen.

Ein hoher Prozentsatz der SED-Mitglieder waren alte NSDAP-Mitglieder. Klarsfeld sah sich wie Albert Norden dem großen Ziel des Sozialismus verpflichtet, der alle Menschheitsprobleme auflösen würde, wie sie selber in einem „Interview“ mit DDR-Propagandamedien (und andere Medien gab es in der DDR nicht) sehr gestelzt und mühselig einstudiert zum Besten gab.

Klarsfeld über ihre Ohrfeige, „die Deutschland brauchte“

Am 14. November 1968 gab es diesen einstudierten Propaganda-Dialog zwischen einem DDR-Sprecher und Klarsfeld im DDR-Radio zu hören: „Beate Klarsfeld über die Ohrfeige, die Deutschland brauchte: Es brauchte sie, damit die Schuld bewiesen wird, der Millionen, die grausam, gierig, feige und blind folgend geglaubt haben, dass sie uns auf ewig den echten Sinn des Wortes „Ehre des deutschen Volkes“ verbergen könnten. Es brauchte sie, um zu rächen die Toten von Stalingrad, Russen, die ihr Vaterland verteidigten und die deutsche Jugend, die man zu täuschen versucht hatte und deren Tränen zu Eis erstarrten, wenn sie an die ihrigen dachten, die für sie verloren waren. Es brauchte sie für den Rauch, der aus den Kaminen der Todesfabriken in Ausschwitz stieg und dessen Geruch den Deutschen anhaften wird bis zu dem Tag, an dem alle Deutschen die Leiden derer, die hinter Stacheldraht saßen, mitempfinden werden (….)“

In anmaßender Selbstüberschätzung und völliger Verkennung ihrer eigenen Realität sah sie 25 Jahre nach Hitlers Selbstmord ihre lächerliche Ohrfeige an einem Bundeskanzler, dem bis heute keine Nazitaten nachgewiesen wurden, als erfolgreichen Widerstandskampf mit befreiender Wirkung für Deutschland West.

Ihren selbstattestierten Heldenmut bringt sie heute zum Ausdruck, in dem sie behauptet, sie hätte aus Anlass der Ohrfeige auf dem damaligen CDU-Parteitag „erschossen“ worden sein können. Die Gefahr bestand tatsächlich nicht. Wer in der DDR ein öffentliches Stalinbild mit einer Blume bemalte, musste allerdings mit lebensbedrohlichem Kerker rechnen. In der Bundesrepublik ließ sich Klarsfeld wegen ihrer Ohrfeige durch den Rechtsanwalt Horst Mahler verteidigen. Bei korrekter Lesart war die Ohrfeige gegen Kiesinger von Beginn an eine lang geplante DDR-Aktion mit einem dolosen Werkzeug namens Klarsfeld.

Für die DDR handelte es sich um deren Kalten Krieg gegen die Bundesrepublik, an dem sich Klarsfeld nach Kräften beteiligte. Diktatur gegen Demokratie. Verkorkster Kommunismus gegen eine sich bemühende soziale Marktwirtschaft. Eine Pro-israelisch eingestellte Bundesrepublik gegen eine anti-israelisch eingestellte DDR.

Klarsfeld versagte dem Nazi-Jäger der DDR, Bernd Heller, die Ehre

Dem mutigen DDR-Bürger Bernd Heller, der sich als wahrhaft mutiger Nazijäger in der DDR betätigte, und dieserhalb in Bautzen eingeknastet wurde, versagte die Bundespräsidentenkandidatin von 2012 ausgerechnet der Linkspartei, Beate Klarsfeld, die Ehre. Fragen nach ihrer Stasi-Connection beantwortete sie 2012 aggressiv nicht. Worin denn ganz genau ihre Aufklärungsleistungen in späteren Jahren bestanden haben, ohne deren Existenz verurteilte Nazitäter nicht verurteilt worden wären, mag Joachim Gauck offenbar nicht benennen.

In dem teuersten deutschen Film aller Zeiten, namens „Der Baader-Meinhof-Komplex“ aus dem Jahr 2008, wollten sich die persönlich involvierten Bernd Eichinger und Uli Edel ein persönliches Denkmal setzen und der von der DDR nach Kräften unterstützten 68er-Bewegung die Ehre erweisen. Mit dem Auffliegen des erwähnten Karl-Heinz Kurras als Stasi-Agent implodierte „Der Baader-Meinhof-Komplex“, der auf dem Fall des vermeintlichen Nazis Kurras, der Benno Ohnesorg erschießt, als Gründungsmythos für den 68er-Widerstand aufgebaut war.

Dem gewalttätigen Staat Bundesrepublik West wollte die 68er-Bewegung mit ihrer durch nichts zu rechtfertigenden Gewalt entgegentreten. In diesem Fahrwasser fuhr Klarsfeld und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung für die NS-Verbrechen, die sie immer dann, wenn sie es für passend hielt, thematisierte, kein tieferes Interesse aufbringen mochte. Und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung eine Kopie der völkermörderischen Kulturrevolution Mao Tse Tungs war, die sich zur selben Zeit in China abspielte.

In diesem historischen Kontext Kiesinger zu ohrfeigen war in Wahrheit eine besondere Form von Populismus und hatte nichts, aber auch wirklich nichts mit Widerstand zu tun. Und auch nichts mit Aufklärung. Das Gedächtnis an den Holocaust wach zu halten, um nie wieder einen Holocaust zu haben – das ist keine besondere Intelligenzleistung. Aber sich als Nazi-Jäger unbedingt mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus auch heraus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa ohne adäquate und mutige Missbilligung durch die Gaucks, Merkels, Hollandes und Co. hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm und Geltung.

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/ein-tragischer-joachim-gauck-und-nochmal-beate-klarsfeld/

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Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen
Der Algerier Augustinus, Theologe und Ketzerverfolger in Hippo

Also, das ist mir heute Nacht eingefallen: Es gibt ja so Dinge, die in meinen Kreisen nicht nur verboten sind, sondern so verboten, dass sie Kindern gegenüber gar nicht erwähnt werden. Das sind illegale Drogen, Glücksspiel und Prostitution. Niemand sagt zu uns, dass man nicht ins Spielcasino darf. Das tut man einfach nicht. Entsprechend verrucht fühlte man sich dann, wenn man in den 90er Jahren im Babalu tanzen war, einer ehemaligen Rotlichtbar, in der sich damals die Jeunesse Doree der norditalienischen Metropole München drängte. Als ich vor ein paar Jahren im Casino von Monte Carlo speiste, kam ich mir mächtig verdorben vor. Und meine Gemälderestauratorin hat ihr Atelier ebenfalls in einem früher äusserst verrufenen Haus der Stadt. Es ist ein prickelndes Gefühl, 270 Jahre alte Adlige in so einen früheren Animierbetrieb zu tragen, wo dann ihr Teint aufgefrischt wird.

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Heute Nacht ist mir dann allerdings eingefallen, dass mir meine Eltern auch nie verboten haben, anderer Leute Eigentum mittels Brandmitteln zu entzünden. Eine eigens durchgeführte Recherche nun hat ergeben, dass sie mir dafür auch nie ein Placet erteilt hätten. Nachdem meine Erziehung vorbildlich war, darf ich daraus ableiten, dass ein derartiges Verhalten wirklich, absolut und ohne Ansehen der Umstände stets unhöflich ist, sich aus sich selbst verbietet und ganz ehrlich, wer ein gutes Buch hat, der kann doch auch lesen. Allerdings musste ich nun gestern vernehmen, dass Unholde im sächsischen Freital das Auto des Fraktionsvorsitzenden der Linken ihrer Gemeinde angezündet haben, was nicht nur etwas über ihre Bibliothek, sondern auch mutmasslich etwas über ihre Befindlichkeit angesichts der Zuwanderung ausdrückt: In Freital wird von sog. „besorgten Bürgern“ versucht, eine Unterkunft für Asylbewerber zu verhindern. Und wer anderer Meinung ist, wird unter Druck gesetzt. Nun eben wohl auch vermittels eines Brandanschlags gegen ein Auto.

Autos sind, so habe ich in letzter Zeit allerdings von Ignoranten ohne Erfahrung mit der Mille Miglia häufig gelesen, nichts wert. Da sollte man sich nicht so haben, sagte man etwa bei Twitter und Grünen angesichts von Bloccupy, obwohl damals auch Menschen – Polizisten nämlich – in Autos sassen. Man hörte so etwas auch bei den Flora-Krawallen und vor allem bei den vielen Brandanschlägen gegen Autos in Berlin. Linke Zeitgenossen finden die empörten Reaktionen auf solches Treiben angesichts des Rechtsextremismus völlig verfehlt – und es sind eben jene Zeitgenossen, denen das Wort „Rechtsterrorismus“ leicht von den Lippen geht, wenn ein Auto eines Linkenpolitikers in Freital brennt. Der ideologische Heizwert eines Autos ist also nie gleich, sondern rührt von der Einstellung des Halters her: Ist es das Autos eines B.Z.-Autors Schupelius, sieht man bei Indymedia gute Gründe für den Anschlag und brüstet sich, hat Schupelius doch Kritisches zur Migration geschrieben. In Freital dagegen ist es ganz anders. Umgekehrt sehen sich die dortigen Gewalttäter mutmasslich ebenfalls eher im Recht, und vielleicht schütteln sie sich wiederum vor Abscheu angesichts dessen, was man Schupelius angetan hat.

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Ich wurde, wie gesagt, gut erzogen und zwar nicht so, dass ich, wie es das alte Herkommen empfiehlt, beiderlei Herrschaften darauf hinweise, wie weh es tut, wenn eine dicke Platzpatrone im Drilling einen traditionellen Hagel von grobem Salz und gehackten Sauborsten in primäre Körperteile von Sachbeschädigern treibt. Das machen wir hier schon lang nicht mehr und ich weiss davon auch leider nur aus Erzählungen meiner nicht immer so friedfertigen Familie. Daher möchte ich nun den Versuch unternehmen, die beiden Gruppen, die so gern Autos anzünden und sich beschweren, wenn es das falsche Gefährt ist, ein wenig Verständnis für einander zu lehren. Weil, es ist doch so: Der Nazi, nennen wir den um Brandbeschleuniger besorgten Bürger einmal traditionell, der Nazi also hasst Asylbewerber. Die nämlich nehmen ihm in seinen Augen den Job weg, verunstalten seine Heimat, verdrängen ihn aus seiner wenig erbaulich eingerichteten Wohnung, machen laute, fremdartige Musik, essen komische Dinge, haben teure Smartphones und sind eigentlich von der Obrigkeit nur hier angesiedelt worden, um sein Volk, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mehr aufzumucken wagt, aber er, der Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.

Der andere, der rotlackierte Nazi, um einmal einen historisch gewachsenen Begriff zu verwenden, sitzt also in Berlin und lebte bislang ganz gut von Solikonzerten, den Überweisungen seiner Eltern, Bafög, irgendeiner umgeleiteten Förderung zum Kampf gegen Nazis und Aufträge seiner bei der ARD arbeitenden Freunden oder wie solche Leute eben leben. Die finden nun, dass es in ihrem Kiez zu einer massiven Migrationsbewegung kommt. Leute, die ihm und seinesgleichen die Räume für die finanzierende Aktionen nehmen, Leute, die Heimat der Alteingesessenen mit einer perversen Neigung zur Sauberkeit verunstalten, Leute, die sie aus ihren dank Mietstreik und Dauerprozess billigen Wohnungen verdrängen, Leute, deren Kinder sehr laut Violinkonzerte von Mozart hören, Leute mit nichtveganem Nichtvolxküchengeschmack, Leute mit teuren Smartphones, und sie kommen nur her, weil die Obrigkeit sie hier ansiedelt, um das Volk der Freiheit, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mal mehr am Ersten Mai eine anständige Randale gegen das Schweinesystem hinbekommt, aber er, der rotlackierte Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.

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Ich lese berufsbedingt oft im Internet Texte, denen ich mich nicht anschliessen kann, und wir reden leider auch viel zu wenig über Gemälderestaurierung und Petersburger Hängung, und zu oft, leider, über unerfreuliche Entwicklungen. Eigentlich müsste ich mich qua Herkunft von beiden besagten Gruppen ebenfalls verfolgt fühlen, aber privat habe ich keine Angst, denn sie sind vermutlich zu beschränkt, auch nur eine Fahrkarte an den Tegernsee zu lösen. Wäre ihre Intelligenz auch nur auf dem Niveau eines deutschen Schäferhundes oder einer Giftnatter auf dem Leuchtenden Pfad, würde ihnen auffallen, dass sie nicht nur Repräsentanten der anderen Weltsicht gleichermassen die Autos anzünden, sondern in der Begründung auch zeigen, dass ihre Interessen deckungsgleich sind: Sie finden, dass sie im Recht sind, sie fühlen sich aber durch Veränderungen bedroht, die möglicherweise die Welt ganz anders betrachten, und zünden deshalb etwas an. Beide empfinden sich als Opfer, das in Notwehr handeln muss und darf. Beide haben Verständnis dafür, dass es das Auto der anderen erwischt, und hätten gern ihren VW Golf II Diesel behalten. Und beide hören auf ihren Solikonzerten Musik, deren Text gebrüllt und gewaltverherrlichend ist, lehnen den Staat ab und stehen Drogen nicht ablehnend gegenüber. Ja, sie könnten sich sogar mit wenigen Worten Veränderung gegenseitig die Bekennerschreiben und Vorwürfe formulieren. Und weil das Anzünden von Autos nicht immer ganz ungefährlich ist, in der Nacht und häufig blau wie eine Strandhaubitze, könnten sie doch auch ihre eigenen Autos in Brand setzen und es dann der Gegenseite zuschreiben.

In der gewonnenen Zeit könnten sie auch mal wieder für Mutter einen Strauss Feldblumen pflücken, einen roten Johannisbeerkuchen oder braune Muffins backen und sich überlegen, ob ein paar hübsche Antiquitäten ihr Wohnumfeld nicht freundlicher gestalten. Oder einen Spielplatz aufräumen. Es gibt da jede Menge Synergien im politischen Kampf, da hat man viel Zeit für anderes, und nicht auszuschliessen ist, dass man sich nach dem vierten Bier und dem dritten Joint doch ganz prächtig versteht und zusammen die Titelmelodie der Biene Maja intoniert. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, egal ob Demokrat oder Totalitärer, Benzin brennt immer gleich, und es ist ihm egal, welches Fahrzeug es verzehrt. Wenn man Adressen tauscht, kann man das vielleicht auch direkt unter Freunden machen und die Linkenpolitiker und den Schupelius in Ruhe lassen. Ich stimme vermutlich beiden Meinungen gar nicht zu, ich bin nämlich für die Zerschlagung Deutschlands, Bayern in den Grenzen von 979 bis zur Adria und für die offizielle Wiedereinführung der ohnehin schon vorhandenen Leibeigenschaft, nur halt mit friedlichen Mitteln ohne Brandanschläge. Dennoch würde ich gern andere Meinungen hören, weil sie mich interessieren, und jedes öffentlich geäusserte Argument besser als ein verbranntes Fahrzeug ist. Egal wer der Halter auch immer sein mag.

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Abgesehen davon wird den Leuten mit den Kanistern ohnehin wenig anderes übrig bleiben, denn die Gentrifizierung in Berlin treibt die Autonomen so oder so vor die Stadt zu ihren Noch-Feinden, und da kann es nicht schaden, sich frühzeitig zu integrieren. Das klappt auch in Bayern recht gut: Die Münchner treiben bei uns am Tegernsee zwar die Preise für gebrauchte Lederhosen nach oben, aber auch, wenn wir über sie schimpfen, lassen wir sie kommen und zünden ihre Autos nicht an.

Denn mit denen fahren sie am Ende auch wieder weg.

Von Don Alphonso

https://blogs.faz.net/stuetzen/2015/07/28/der-brandanschlag-als-mittel-der-sozialen-kommunikation-5434/

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Alain Badiou Der Freitag Ausgabe 4213 |
Was unsere Feinde am meisten hassen

Rollback Die Ohnmacht und die Sprachlosigkeit der europäischen Linken lassen sich nur durch eine Wiederentdeckung des Kommunismus überwinden

Ich beginne mit einem Gefühl, einem Affekt. Vielleicht ist er nicht angebracht, aber angesichts dessen, was mir an Informationen zur Verfügung steht, verspüre ich ein Gefühl allgemeiner politischer Ohnmacht. Und das, was derzeit in Griechenland geschieht, sorgt für eine Art Konzentrat dieses Gefühls. Natürlich sind der Mut und taktischer Einfallsreichtum linker und antifaschistischer Demonstranten Grund zur Freude. Solche Dinge sind absolut notwendig. Neu aber sind sie in keiner Weise. Es handelt sich vielmehr um unveränderliche Merkmale, die jede Massenbewegung beseelen: die Idee der Gleichheit oder Massendemokratie, der Mut zu spontanen Reaktionen und so weiter. Wir haben dies 1968 in Frankreich nicht anders erlebt als jüngst auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Es muss diese Phänomene schon zu Zeiten von Spartakus und Thomas Münzer gegeben haben.

Lassen Sie uns, vorläufig, einen anderen Ausgangspunkt nehmen. Griechenland hat eine lange Geschichte von universalem Wert – ein Land des Widerstandes gegen mehrere aufeinanderfolgende Formen der Repression und Besatzung. Dort war die kommunistische Bewegung einst sehr stark, was auch mit ihrem Vermögen zum bewaffneten Kampf zusammenhing. In Griechenland revoltiert die Jugend heute in beispielhafter Weise gegen die EU-Diktate. Man hat es mit einer Gesellschaft zu tun, in der die klassischen Kräfte der Reaktion gleichfalls bestens organisiert sind und couragierten Volksbewegungen gegenüberstehen. Ein Land mit gewiss respekteinflößenden faschistischen Organisationen, aber auch mit einer Linksallianz wie Syriza, die – geführt von Alexis Tsipras – über entschlossene Wähler wie militante Anhänger verfügt.

Alles, was in Griechenland geschieht, hat den Anschein, als sei die von seiner eigenen Krise entfesselte Dominanz des Kapitalismus durch nichts zu brechen. Als ob es unter der Ägide von Ad-hoc-Ausschüssen und servilen Regierungen keine Alternative gäbe, als unpopulären Dekreten der europäischen Bürokratie Folge zu leisten. Der Widerstand dagegen wirkt teils so, als wolle er diese Prozesse nur verzögern, anstatt eine politische Alternative anzubieten.

Fluch der Selbstaufgabe

Deshalb müssen wir nicht nur den großen Mut des griechischen Volkes mit aller uns zur Verfügung stehender Kraft unterstützen, sondern auch darüber nachdenken, was gedacht und getan werden muss, damit dieser Mut nicht vergeblich bleibt. Denn auffällig – in Griechenland, aber nicht minder in Frankreich – sind die Ohnmacht und das Unvermögen der Linken, auch nur den geringsten Rückzug jener ökonomischen und politischen Kräfte zu erzwingen, die nichts unversucht lassen, die Bevölkerung permanent den Gesetzen eines extremen Liberalismus zu unterwerfen. Nicht genug damit, dass die Linke kaum vom Fleck kommt – zugleich gewinnen faschistische Kräfte an Boden und schwingen sich mit ihrem xenophoben Nationalismus zum Anführer der Opposition gegen die Dekrete der EU-Administration auf.

Nach meinem Gefühl besteht der Hauptgrund dieser linken Ohnmacht nicht in der Trägheit der Menschen oder darin, dass eine Mehrheit die „notwendigen Übel“ unterstützt. Es fehlt vielmehr an einem neuen Denken, das die Massen ergreifen könnte, und an einer Rhetorik des Protestes, die ein ungewohntes Vokabular zutage fördert. Die politischen Begriffe, die von den Aktivisten verwendet werden, bleiben – so wie sie sind – weitgehend wirkungslos. Die Gründe liegen auf der Hand.

Nach den radikalen, ungestümen Bewegungen der sechziger und siebziger Jahre gab es eine lange Phase des politischen und ideologischen Rollbacks. Das Vertrauen in die Wirkungsmächtigkeit der grundlegendsten Begriffe emanzipatorischer Politik wurde systematisch zerstört. Das galt für Termini wie „Klassenkampf“, „Generalstreik“, „Revolution“ oder „Massendemokratie“, um nur einige zu nennen. Der Schlüsselbegriff „Kommunismus“, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus der politischen Debatte nicht wegzudenken war, fiel einer historischen Verleumdungskampagne sondergleichen zum Opfer. Dass die Gleichsetzung von Kommunismus und Totalitarismus mittlerweile als völlig natürlich erscheint und einmütig akzeptiert wird, ist ein Indikator dafür, wie sehr die Revolutionäre in den Achtzigern gescheitert sind.

Natürlich können wir nicht auf eine scharfe und ernsthafte Kritik der Entwicklung verzichten, die es in den sozialistischen Staaten, besonders der Sowjetunion, gab. Doch die Kritik sollte die unsere sein und der eigenen Theorie und Praxis dienen, anstatt zu einer Art von mürrischem Verzicht zu führen, der das politische Kind mit dem historischen Bade ausschüttet. Das hat zu einem erstaunlichen Phänomen geführt. In einer Epoche wie der jetzigen, die für die Linke von kapitaler Bedeutung ist, haben wir praktisch uneingeschränkt den Standpunkt des Gegners übernommen. Und diejenigen, die das nicht taten, haben einfach die alte Rhetorik beibehalten, als wenn nichts geschehen wäre. Von allen Siegen unseres Feindes hat dieser symbolische Sieg die größte Tragweite.

Früher, in Zeiten der „alten Kommunismen“, machten wir uns über das lustig, was wir langue de bois oder die Sprache der Klischees nannten – leere Worte und wichtigtuerische Phrasen. Eine der großen Stärken der offiziellen Ideologie heute besteht genau darin, dass ihr eine langue de bois zur Verfügung steht, die in allen Medien und ohne Ausnahme von jedem Regierungsvertreter gesprochen wird. Wer würde glauben, dass Begriffe wie „Demokratie“, „Freiheiten“, „Menschenrechte“, „ausgeglichenes Budget“ oder „Reformen“ etwas anderes sind als Elemente einer omnipräsenten langue de bois? Die authentischen Linken, denen eine Strategie der Emanzipation fehlt, sind hingegen die wirklich Sprachlosen! Und sympathische Parolen der Bürgerrechtsbewegung werden uns nicht retten: „Nieder mit diesem und jenem!“ oder „Zusammen sind wir stark“oder „Widerstand!“ Das mag genügen, um für den Augenblick kollektive Affekte heraufzubeschwören, und taktisch sehr hilfreich sein. Doch taugt diese Sprache nicht für eine Diskussion über die Zukunft emanzipatorischer Praxis.

Kollektive Affekte

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kraft des Aufstands, seinem Umfang und dem Mut dazu. Aber ebenso in seiner Disziplin und den positiven Aussagen, zu denen er in der Lage ist. Nur so eröffnet sich eine positive strategische Zukunft. Sie offenbart Möglichkeiten, die bisher unter der Propaganda des Feindes unsichtbar blieben. Hier liegt der Grund, warum eine mitreißende Massenbewegung nicht aus sich heraus eine politische Vision hervorbringt. Wird eine Bewegung durch individuelle Affekte gefestigt, trägt das stets negativen Charakter. Slogans in Griechenland wie „Nieder mit dem Kapitalismus“ oder „Stoppt die Entlassungen“ oder „Nieder mit der Troika“ bewirken streng genommen nichts anderes, als die Bewegung mit der Negativität ihrer Affekte zu verschweißen. Bestimmtere Negationen wie „Nieder mit Mubarak“ können zwar zu einem Ergebnis führen, weil ihr Ziel klar benannt ist, aber sie sind nie in der Lage, die Politik zu bestimmen, die dieses Ergebnis zur Folge haben wird. Ägypten und Tunesien liefern den Beweis. Reaktionäre religiöse Parteien ernten die Früchte einer Bewegung, zu der sie keinen wirklichen Bezug haben.

Politik ist immer das Resultat von positiven Vorschlägen und Vorstellungen, nicht von Negation und Ablehnung – sie ist ein Gedanke in Aktion, der auf unbekannte Möglichkeiten hinweist. Schlagworte wie „Widerstand!“ sind sicherlich geeignet, Menschen zu vereinen, aber sie sind auch ein Zeichen politischer Schwäche. Es ist nicht der negative Affekt des Widerstandes, der einen Rückzug der reaktionären Kräfte erzwingt, die heute versuchen, jede Form des Denkens und Handelns zu zersetzen, wenn sie nicht auf Gefolgschaft hinausläuft. Dies kann nur die Disziplin einer gemeinsamen Idee leisten, die sich auf eine homogene Sprache stützt.

Eine solche Sprache zu rekonstruieren, ist von entscheidendem Wert. Zu diesem Zweck habe ich versucht, all das wieder einzuführen und neu zu bestimmen, was am Begriff „Kommunismus“ hängt. Das Wort bezeichnet drei grundlegende Dinge: Zunächst die analytische Beobachtung, der zufolge die Freiheit, mit deren Fetischisierung wir alle vertraut sind, in den heutigen Gesellschaften vollends vom Begriff des Eigentums beherrscht wird. „Freiheit“ ist nichts anderes als die Freiheit, uneingeschränkt zu konsumieren. Das Recht, zu tun und zu lassen „was man will“, wird allein am Ausmaß dieses Konsums gemessen. Einer, der jede Möglichkeit zum Erwerb verloren hat, genießt keinerlei Freiheiten mehr. Das konnte man einst nur allzu gut an den vagabonds erkennen, die englische Liberale im Zeitalter des aufstrebenden Kapitalismus bedenkenlos erhängen ließen.

Freie Assoziation

Aus diesem Grund erklären Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest, alle Forderungen des Kommunismus könnten in gewisser Weise auf eine einzige reduziert werden: die Aufhebung des Privateigentums.

Des Weiteren vertritt „der Kommunismus“ die historische Hypothese, dass die Freiheit von Eigentum und Gesellschaften nicht notwendigerweise durch eine mächtige Oligarchie aus Geschäftsleuten, Politik, Polizei, Militär und Medien beherrscht werden muss. Vielmehr ist eine Gesellschaft möglich, in der die Produkte der Arbeit vergesellschaftet werden, die großen Widersprüche der Ungleichheit verschwinden und Entscheidungen, die alle angehen, auch von allen getroffen werden. Marx nannte das „freie Assoziation“.

Schließlich bezeichnet „Kommunismus“ die Notwendigkeit einer internationalen politischen Organisation. Das heißt, jenseits des jeweiligen Staates handeln zu können und die Wirklichkeit in eine Richtung zu lenken, die sich ergibt, wenn die aktive Subjektivität all derer, die bereit sind, den vorhandenen Zustand zu verändern, mit Prinzipien verknüpft wird.

Der Begriff „Kommunismus“ meint somit den gesamten Prozess, in dem Freiheit von ihrer Unterwerfung unter das Eigentum befreit wird. Dass deshalb das Wort „Kommunismus“ von unseren Feinden besonders hartnäckig bekämpft wird, hat damit zu tun, dass sie einen Prozess nicht ertragen können, der in der Tat ihre Freiheit zerstören würde. Wenn es das ist, was unsere Feinde am meisten hassen, dann müssen wir mit der Wiederentdeckung des Kommunismus beginnen.

All dies mag uns weit von Griechenland weggeführt haben. Aber Politik entsteht nun einmal, indem die Disziplin von Ideen und die Überraschung der Umstände zusammentreffen. Ich wünsche Griechenland und uns allen, dass es zum universalen Schauplatz einer solchen Begegnung werden möge.

Gekürzte Fassung eines Artikels aus der Zeitschrift Radical Philosophy

Alain Badiou, geboren 1937 in Marokko, gehört zu den führenden Theoretikern der europäischen Linken. Nach den Mai-Unruhen 1968 in Frankreich befasste er sich unter anderem mit einer Adaption des Maoismus auf die Verhältnisse westlicher Industriestaaten. 1985 gründete er die Union des Communistes de France marxiste-léniniste (UCFML), die sich einer Revision der Einwanderungspolitik ebenso verschrieb wie einer Erneuerung der französischen Gewerkschaftsbewegung. Badiou bemüht sich stets um den Brückenschlag zwischen Politik und Philosophie

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Siehe auch:

 

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Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

Psychoanalytische Arbeitsstation

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!
I think for food

molon labe

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Dummheit äußert sich heute als empörter Moralismus.

Werte ohne Einfühlungsvermögen sind nichts wert.

Manche Menschen fühlen physischen Schmerz, wenn sie ihre gewohnten Vorstellungen zugunsten der Realität korrigieren sollen, sie wenden ihre gesamte Intelligenz mit Unterstützung ihrer Agressivität auf, um die Realität nicht zu erkennen und ihr Selbstbild unverändert beizubehalten.

Immer mehr fühlen, immer weniger denken – Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht durch Gefühle, denn Säugetiere haben die gleichen Gefühle, wie der Mensch: Trauer, Angst, Wut, Liebe, sondern durch sein Denken. Wenn er denkt, falls er denkt.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

Wer „ich will frei sein“ sagt, und es sagen viele, der ist ein Idiot. Denn das höchste was der Mensch als Freiheit haben kann, ist die Freiheit, seine Pflicht frei zu wählen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein sozialer Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein sozialer Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .

Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.

„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.

Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären

Staat.

„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die

vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das

lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die

Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße

Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der

vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision

endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,

ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)

„Historische Wahrheit wird nach dem Modell

von Meinungsumfragen vorgestellt; kein Sample jedoch wird je repräsentativ

genug sein, um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.

Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der

Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu

scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der

allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn

Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.

 

Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Aus Deutschland erreicht mich „tiefe Sorge um den Friedensprozess“. Vorsicht: Wo ist es im Nahen und Mittleren Osten derzeit so friedlich und vergleichsweise gewaltarm wie in Israel? Wo leben Araber derzeit sicherer als in Israel? Wo haben sie besseren Zugang zu Bildung, Arbeit, Konsum und medizinischer Versorgung? – Götz Aly

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten. Es sind Sozio-, Pädago- und Psychokratien, Rackets, die Erkenntnis nicht fördern, sondern verhindern.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

Deutschland gestern: der Wille zur Macht.
Deutschland heute: der Wille zur Verblendung.
Deutschland morgen: 德國

Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.

Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.

Smart phones for stupid people.

Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.

Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?

Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.

Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.

Islamisierung bedeutet Verblödung.

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es  muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann. (…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.  (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.  (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)  (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.  (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann

„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer

„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
„Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus.  (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann

„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit.
Am Schluss Gleichmacherei.
Ihr seid aber nicht alle gleich.
Noch nie wart ihr alle gleich.
Ihr lasst es euch aber einreden.
So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander.
Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben.
Weil ihr tatsächlich alles verwechselt.
Behauptungen mit Beweisen.
Gerechtigkeit mit Maß.
Religion mit Moral.
Desinteresse mit Toleranz.
Satire mit Häme.
Reform mit Veränderung.
Nachrichten mit Wirklichkeit.
Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung.
Ihr habt die Maßstäbe verloren.
Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.

Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …

Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen.
Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf.
Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln.
Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken.
Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.

Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch.
Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“– Hans Dieter Hüsch

Es gibt zweierlei Ethik: die moralische, der die Realität egal ist und die der Verantwortung, die reale Folgen der ethischen Forderungen berücksichtigt. Die erste ist gut gemeint, die zweite ist gut gemacht.

Was dem einen seine Souveränität, ist dem anderen seine Eigenmächtigkeit.

Das Schöne am Euro war, dass die Gewinner immerzu gewinnen konnten, ohne dass ihnen gleich die Quittung präsentiert wurde. Denn sie verdienen ja am Ausland, was heißt, eigentlich ein im Maße des Verdienens zunehmend schlechtes Geld – das ist durch den Euro aufgehoben worden: Man konnte ständig an einer anderen Nation verdienen, ohne dass das Geld dieser Nation darunter gelitten hat, weil sie gar kein eigenes hat. Der Wert dieses Geldes repräsentiert nicht die Leistungsfähigkeit dieser Nation. So hat der Euro von dem innereuropäischen Verdienen aneinander sogar noch gelebt; er hat vor der Krise absurderweise nur den Konkurrenzerfolg der Gewinner repräsentiert.

— Das ist ja mit der Idylle charakterisiert. Dass zunächst mal alle Seiten Gewinner des neu eingeführten Euro waren. Auch die, die ihre vergleichsweise Weichwährung gegen den Euro getauscht haben und damit auf einen Schlag Kredit zu ganz anderen Konditionen und Möglichkeiten hatten. Insofern waren die späteren Verlierer erst mal auch Gewinner.

Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)

Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an. Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand: Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –

 Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus. Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS

„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl

„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)

„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“  – Max Horkheimer

 

„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten

Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.

„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht

Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.

„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch­ sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk

„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk

„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Stupidity manifests itself as outraged moralism

Values without empathy are worth nothing

Some people feel physical pain when they should correct their accustomed ideas in favor of reality, they turn all their intelligence with the support of their aggression, for not to recognize the reality and maintain their self-image

More and more feel, think less and less Man does not differ from animals by feelings, because mammals have the same feelings, like man, sadness, fear, anger, love, but by his thought. When he thinks, if he thinks.

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

They are the same who claim the sex/gender would not be biologically innate, but only a social construct, and at the same time that homosexuality was not a social construct, but biologically innate.

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

„There are two things,“ said Hitler in 1923, „which can unite people: common ideals and common crime“

After the violent termination of Murder by the Allies were the German (and have remained so to this day) more german than before.

The depraved human creature, the more she feels insulted, disrespected, offended in their honor.

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

Heroes of today know nothing, can not and do not want anything. They just look like heroes, that’s all.

It may be that early fathers ate their children. Today, the mothers will eat anything, fathers, children and the rest. Everything Mommy, anyway!

Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow:

German psychoanalysis? Great, like German charm, German humor and German wit.

The resistance starts with its own language other than that of the dictatorship.

Smart phones for stupid people.

A leftist can, but do not have to be stupid.

If you do not blame states, when they commit suicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149 dead?

Only the purity of the means justify the end.

A German is a person who can speak no lie, without actually believe Adorno

„Reason and rationality are chance-less than ever in this totally mediatised world. An unpleasant type Sniperterrorized society. His current weapon: The phobia accusation.“ – Bettina Röhl
„A Shitstorm has also its positive side. As politically correct manure it is usually thrown in the direction of originality, creativity and intelligence, she flies often to people who are really worth to read.“ – Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out,  only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
PostPop era: the triumph of fashion over the morals.
„We need damaged buildings, so you can see through their cracked walls to win at least one viewpoint to start to begin to think. Victor Tausk
„What good is health if you are an idiot then?“ – Theodor Adorno

8./9. Mai – Tag der Befreiung von den Deutschen – Happy bedinungslose Kapitulation!

День Победы, Victory Day, Tag des Sieges: Happy bedinungslose Kapitulation!

ДЕНЬ ПОБЕДЫс Днём Победы!

– Этих слов ждали четыре года ! С Великой ПОБЕДОЙ НАС ВСЕХ ! Они шли на смерть,но шли не умирать, а защитить НАС, ныне живущих !!!! Вечная благодарность Воинам- Победителям в этой страшной войне!

 

 

 

Shana Tova - 2011 © by Julian S. Bielicki 120x90cm oil in canvas

Shana Tova – 2011 © by Julian S. Bielicki 120x90cm oil in canvas

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Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ / „If you want to lead the people, you are forced to follow the mob“- Oscar Wilde

Für mich ist der 8 und der 9 Mai der Tag der Befreiung. Für andere, der Teufel weiß was. Seit 70 Jahren ist der Führer tot, aber die Volksgemeinschaft lebt weiter, samt ihrer Paranoia, Juden- und Russenhaß, Tugendterror (Terror war schon immer ein Terror der Tugend), Gewalt unter dem Vorwand der Empörung, Heuchelei. Das vorgeblich Neue, ist nichts weiter als das Alte, das nicht vergehen mag. Ein guter Deutscher fängt den Tag mit seiner Darmentleerung, um “Auschwitz zu vermeiden”, was ihn nicht daran hindert, Israel Pest und Cholera zu wünschen. um “Auschwitz zu vermeiden” war Joschka Fischer maßgebend verantwortlich für die (völkerrechtswidrige) Bombardierung Serbiens im Rahmen des Kosovokrieges vom 24. März bis 10. Juni 1999, um “Auschwitz zu vermeiden” wurde vor einem Jahr ein faschistisches Putsch-Regime mit Gewalt unter maßgeblichen Beteiligung von Angela Merkel in Kiew installiert. Die postfaschistische Volksgemeinschaft wurde von dem rot-rot-grünen Top-Down-Gutmenschentum-Verordnungswesens (schwarz gibt’s ja nicht mehr) bis in die letzte Ritze der deutschen Gesellschaft durchgesetzt und herrscht mit Hilfe des Ministeriums für Betroffenheit und Bestürzung, mit unzähligen Organen und Unterdrückungs-Apparaten der Sozio-, Psycho- und Pädagokratie. Die Klassenherrschaft nahm die Form der Volksgemeinschaft an. „Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“, schreibt Horkheimer 1968. Über die Ideologie des neuen alten, anti-autoritär auftretenden Liberalismus ist damit auch alles gesagt. Adornos und Horkheimers Polemik gegen die Studentenbewegung ist von der geradezu prophetischen Einsicht getragen, daß demokratisch gesonnener anti-autoritärer Protest nichts anderes freisetzen wird als wiederum nur die alte Ordnung, aber nun ohne alle Hemmungen.“ – Clemens Nachtmann

(..) daß die postnazistische Demokratie die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert hat – daß sie es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst hat, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte. „ (…) „Nicht der angelsächsische liberale Kapitalismus, sondern der Nazifaschismus ist es, der, wie die heute beliebten Slogans heißen, „Ellenbogengesellschaft“ und „Kapitalismus pur“ verwirklicht: als kollektiver Amoklauf einer zerfallenden, in die Asozialität treibenden Gesellschaft.“ (…)Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre.“ (…) „

Aufklärungsarbeit in Deutschland

Dem – soweit man ihn hierzulande voraussetzen kann – unbefangenen Beobachter muß dieses Gespinst an Rechtfertigungen sich so darstellen, als hätten Millionen Deutsche kollektiv verabredet, sich dumm zu stellen und aus diesem Sich-dumm-stellen ein kohärentes System gezimmert, um auszutesten, ob irgendjemand es vielleicht als diskussionswürdige Aussage behandeln würde. Unterstellt werden kann jedenfalls, daß nur die wenigsten Deutschen den Quatsch von wegen „nichts gewußt“ etc., den sie sich und anderen erzählen, auch wirklich glauben. In Wirklichkeit ist jedem klar, daß der Nationalsozialismus, anders als Diktaturen traditionellen Zuschnitts, ohne massenhaftes Mitmachen nicht funktioniert hätte; jeder weiß, daß er sein Scherflein zum Funktionieren eines verbrecherischen Ganzen beigetragen hat und jeder weiß auch genau, daß er dies im Interesse des postfaschistischen Ganzen besser verheimlicht: „Das Funktionieren der Bundesrepublik verdankt sich unter anderem dem Umstand, daß einer vom anderen, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht wissen sollte, wie groß sein Anteil an den faschistischen Verbrechen gewesen war“. (1) Weil die Entlastungslügen so durchsichtig sind und ein jeder insgeheim weiß, wie es sich genau verhält und dies daher umso tatkräftiger verleugnen muß, entsteht eine besonders verhärtete und gegen Aufklärung resistente Form des Bewußtseins. Horkheimer charakterisierte diese Mischung aus Gewitztheit und Zwanghaftigkeit einmal folgendermaßen: „Immer wieder zu formulieren: das Schuldbekenntnis der Deutschen… war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache … Das Schuldbekenntnis hieß vielmehr, ,wir‘ und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, ,wir‘ müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, ,wir‘ haben davon nichts gewußt, anstatt ,wir‘ wollen es nicht wissen. Selbst noch das ,Ich‘ stand für das ,Wir‘. Ich war kein Nazi, im Grunde waren wir‘s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte.“ (2)

Geschäftsgrundlage der antifaschistischen Volkspädagogen, der Mahner und Warner wider das Vergessen und die Anfänge, denen zu wehren sei, war und ist dagegen die Annahme, die Deutschen seien etwas begriffsstutzig oder hätten sich in einen Irrtum verrannt, den man dadurch ausräumen könne, daß man sie mit seriöser Darstellung der historischen Fakten konfrontiere. Konsequent mußten die antifaschistischen Pädagogen die Ausflüchte der Landsleute für ernsthafte Behauptungen nehmen, die man Schritt für Schritt widerlegen könne. Da das Aufklärungsbemühen dergestalt von einer falschen Voraussetzung lebt, mußte es zu einer fast so gespenstischen und skurrilen Veranstaltung werden, wie es das allgemeine Sich-dumm-stellen immer schon war. Einmal abgesehen davon, daß der antifaschistische Lerneifer erst einsetzte, als garantiert alle das Zeitliche gesegnet hatten, die man für ihre Untaten belangen hätte müssen – was ihn als Ersatzhandlung vor allem verdächtig macht, ist die Tatsache, daß er stets als sensationelle Erkenntnis ausposaunen muß, was eine – im doppelten Sinne des Wortes – furchtbare Trivialität sondergleichen ist: daß die Ärzte, die Juristen, die Soziologen, die Historiker, kurz: alle fröhlich mitgemacht haben.

So zieht das verhärtete Bewußtsein der Durchschnittsdeutschen noch seine vermeintlich radikalsten Opponenten in seinen Bann: auch sie müssen sich dumm stellen, um ihr Geschäft weiterbetreiben zu können. Ihr Grundsatz ist die These, daß über den Nationalsozialismus noch lange nicht alles und vor allem nicht das Wesentliche gesagt wurde und daher noch unendlich großer Forschungsbedarf bestehe. Das verleiht Zähigkeit und Ausdauer und ermöglicht einem, Banalitäten als Offenbarung zu verhökern: „Die seit 1992 u.a. von Christopher Browning, David Bankier und Daniel Goldhagen veröffentlichten Studien markieren insofern einen Durchbruch, als sie den Fokus auf die Analyse der gewöhnlichen deutschen TäterInnen und das öffentliche Bewußtsein in Nazi-Deutschland legen. Diese Studien widerlegen erstmals das entlastende Märchen vom Befehlszwang. Sie weisen nach, daß die Deutschen die Juden freiwillig quälten, folterten und ermordeten.“ (jungle world 28/1998, S.15, Hvhb. cl.) Für Matthias Küntzel und seinen Co-Autoren, von denen diese Sätze stammen, war die Lektüre von Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ eine Offenbarung. Über die Botschaft, die da überbracht werden soll, sind sie sich allerdings selber nicht ganz im Klaren. Die unbedingte Ablehnung jedweder Theoretisierung der Massenvernichtung koexistiert bei ihnen ganz friedlich mit dem Wunsch nach einer wasserdichten Supertheorie. Da wird einerseits mit dem abgegriffensten Empör-Vokabular aus dem Wörterbuch des Gutmenschen ausgerufen: „Schon die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes aus der Warenform ableiten zu wollen, ist respektlos und zynisch zugleich.“ An anderer Stelle heißt es: Joachim „Bruhns Argumentation, die deutsche Spezifik, d.h. Auschwitz auszuklammern und die rassistische Denkform des rassistischen Mörders aus Solingen“ – einer rassistischen Stadt im rassistischen Deutschland, so könnte die Kraftmeierei weitergehen – „allein aus der Warnform abzuleiten mußte zwangsläufig bei einer Argumentation landen, die ihn zum Verteidiger des“ – damit es ja keiner vergißt – „rassistischen Mörders und der ,eigentlichen‘ Intentionen von Christian R. machte.“ Was sie immer schon über die „Wertkritiker“ von der bahamas und der ISF sagen wollten – jetzt wo sie endlich wissen, daß selbst „die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes“ von Übel war, trauen sie sich endlich. Weil sie nie verstanden haben, daß eine kritische Theorie der Gesellschaft nicht durch heulsusenhafte Beschreibung der Verbrechen, die die gesellschaftlich produzierten Subjekte verübt haben, ersetzt werden kann, streuen sie den Verdacht, daß all diejenigen, die sich den Mühen der Nacherzählung verweigern, herzlose Technokraten der Vernunft seien, Leute also, die in ihrer Respektlosigkeit und ihrem „Zynismus“ alle Merkmale des Schreibtischtäters aufweisen. Kein der Wertkritik Verdächtiger kam aber je auf die Schnapsidee, die Massenvernichtung der Juden, also die Tat selbst oder die Ermordung auch nur eines einzigen jüdischen Menschen direkt „aus der Warenform abzuleiten“. Die absurde Unterstellung, daß Joachim Bruhn ein Buch mit dem Titel „Was deutsch ist

„Adornos bittere Bemerkung, ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben, war ein Tropfen auf den heißen Stein des gesunden Volksempfindens. Was als Kritik gemeint war und als Intervention, ist zur “Frankfurter Schule” verkommen und biedert sich an. Die linken Intellektuellen haben das Einfache, das nur schwer zu machen ist – die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft – theoretisch liquidiert, damit sie sich endlich, im Verein mit dem Klassenfeind von einst, um die “nationale Identität” sorgen dürfen. Deutschsein, das ist wieder, nach der Methode Goebbels/Weizsäcker, Schicksal und Auftrag zugleich. Und dabei bereitet es doch in Wahrheit gar keine geistige Mühe, auf die Frage, was deutsch ist, die Auskunft zu erteilen: Herrschaft, Verwertung, Vernichtung.“

geschrieben haben soll, in dem dann ausgerechnet die „deutsche Spezifik ausgeklammert“ sei, kann nur aufstellen kann, wer das Buch in böser Absicht gelesen hat. (3) Diese Mischung aus bekennendem Pathos und Denunziation hat aber System. Es soll ein Verdikt gesprochen werden, das da lautet: angesichts von Auschwitz ist jegliche Form von Gesellschaftstheorie apologetisch. Von Objektivität zu sprechen, zu begründen, nach Konstitutionsbedingungen zu fragen, zu schließen, abzuleiten – für Küntzel et al. ist das alles eins, nämlich das, was Betroffenheitslinke immer schon an Theorie gehaßt haben: „Determinismus“, „Objektivismus“, „schematischer Ökonomismus“, „Ableitungsakrobatik“ und vor allem: „ein erstklassiger Freispruch für die VollstreckerInnen. – Clemens Nachtmann

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

 

Mehr auf:

Gehorsam ohne Befehl – Vom Tellerwäscher zum Außenminister
“Wir sind der Schwarm!”
„Warum sind Deutsche so schnell dabei israelische Flaggen zu entfernen?
„Die Maske Antizionismus“
„Der Film „Im Labyrinth des Schweigens“ – Trailer, Rezension und Texte zum Film“

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«Der Westen schreibt die Geschichte um» | Die Weltwoche, Ausgabe 19/2015

Angela Merkel, François Hollande und auch Schweizer Politiker boykottieren die Moskauer Feiern zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Für Kremlberater Alexei Puschkow ist die Ukraine-Krise nur ein Vorwand. Es gehe dem Westen um Geschichtsklitterung.

Von Wolfgang Koydl

«Der Trend läuft gegen die Amerikaner»: Aussenpolitiker Puschkow.Bild: Fjodor Sawinzew

Eigentlich ist ihm das diplomatische Handwerk in die Wiege gelegt worden. Alexei Konstantinowitsch Puschkow wurde 1954 als Sohn eines sowjetischen Diplomaten und einer Sinologin in Peking geboren. Da schien es nur folgerichtig, dass er an der MGIMO studierte, der angesehenen Hochschule des sowjetischen Aussenministeriums in Moskau, wo er heute unterrichtet. In den heis­sen Jahren der Perestroika wurde er Redenschreiber von Kremlchef Michail Gorbatschow, bevor er in den Journalismus wechselte. Dort kam ihm zugute, dass er sich selten diplomatisch, sondern meist recht unverblümt ausdrückt – auch noch, als er 2011 ins russische Parlament und zum Vorsitzenden des mächtigen aussenpolitischen Ausschusses gewählt wurde. Im Gespräch mit der Weltwoche im obersten Stock des Duma-Gebäudes nahe dem Roten Platz gab er sich jedoch konzi­liant und eher besorgt. Der Schlüssel für eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise liegt seiner Meinung nach in Berlin und Paris.

Alexei Konstantinowitsch, vor siebzig Jahren feierte die ganze Welt den Sieg über Hitler-Deutschland. Diese Woche gedenkt die Welt dieses Sieges allerdings eher getrennt. Die meisten westlichen Führer kommen nicht zu den Feiern nach Moskau. Was ist falsch gelaufen?

Als Begründung wurden die Krise in der Ukraine und die Spannungen zwischen Russland und der euro-atlantischen Gemeinschaft angegeben. Aber das ist in meinen Augen nur ein Vorwand und kein überzeugender Grund, nicht nach Moskau zu kommen und das Andenken jener zu ehren, die ihr Leben für den Sieg opferten – in Russland waren das 27 Millionen Menschen. Jeder redliche Mensch anerkennt die Rolle, die Russland damals gespielt hat.

Wenn die Ukraine-Krise nur ein Vorwand ist, was ist dann der eigentliche Grund?

Es ist die Absicht einiger westlicher Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, die Geschichte umzuschreiben. Bisher wurde allgemein anerkannt, dass der Sieg über den Faschismus der gemeinsamen Anstrengung Russlands und der Westmächte zu verdanken war. Diese Lesart wird zwar nicht total in Abrede gestellt, aber sie wird derzeit im Westen einer Überprüfung unterzogen.

Woran wollen Sie das erkannt haben? Keiner bezweifelt doch, dass die Westmächte und die UdSSR gemeinsam gegen Deutschland kämpften.

Das erkennt man deutlich an Äusserungen in diversen osteuropäischen Ländern, im Baltikum, in Polen, in der Ukraine. Sie wollen eine neue Geschichte schreiben. Nehmen Sie die Bemerkung des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk bei seinem Besuch in Berlin. Er sagte, dass die Sowjetunion in die Ukraine und in Deutschland einmarschiert sei. Was meint er damit? Eine Invasion Deutschlands durch die UdSSR, nachdem Deutschland in der Sowjetunion und in ganz Osteuropa einmarschiert war? Und selbst wenn es wirklich eine sowjetische Invasion Deutschlands gewesen wäre – was haben dann die Amerikaner, die Briten, die Franzosen getan? Das ist ein Mix aus ­Unsinn und antirussischer Paranoia mit dem Ziel, die Geschichte umzuschreiben.

Die historischen Tatsachen sind doch unbestritten. Was soll es da Neues zu entdecken geben?

Die baltischen Staaten waren aktiv an den Aktivitäten von Nazideutschland gegen die Sowjetunion beteiligt. Es gab lettische und estnische SS-Divisionen. Sie handelten wie deutsche SS-Formationen, es gab keinen Unterschied. Ausserdem nahmen die Balten an der Verfolgung der Juden teil. Die meisten der 70 000 Juden, die im Getto von Riga umkamen, wurden von Letten ermordet. Die Deutschen beaufsichtigten die Operationen nur und gewährten den Letten freie Hand. Die drei baltischen Republiken haben eine Menge von Geheimnissen, die sie gerne vergessen würden. Das gilt auch für Polen. Warschau schloss 1934 einen Nichtangriffs- und Kooperationsvertrag mit Berlin. Das vergessen sie, wenn sie uns den Pakt mit Hitler vorwerfen. Polen war an der Aufteilung der Tschechoslowakei beteiligt, es schnappte sich Teschen im Norden, wo 300 000 Menschen lebten.

Aus welchen Gründen auch immer – der Westen glänzt bei den für Moskau so wichtigen Feiern zum 70. Jahrestag des Sieges durch Abwesenheit. Noch nicht einmal die neutrale Schweiz schickt einen hochrangigen Vertreter.

Ich will keine scharfen Worte gegen die Schweiz aussprechen, denn ich glaube, dass sich die Schweiz in einer ziemlich schwierigen Situation befindet. Sie ist Teil der westlichen Gemeinschaft. Sie kann es sich nicht leisten, ein Dissident zu sein. Es liegt auch gar nicht in ihrem Charakter, gegen eine ­Gemeinschaft aufzubegehren, der sie angehört. Soweit die Schweiz die Ereignisse in der Ukraine beeinflussen konnte, war sie ein positiver und vernünftiger Partner. Ich ­glaube nicht, dass sie das Mächtegleich­gewicht verändern kann. Die Schweiz kann versuchen, eine positive Rolle zu spielen, und ich denke, sie hat es auch versucht, trotz ihrer begrenzten Möglichkeiten. Ihre Bemühungen wurden in Moskau bemerkt.

Die Europäische Union stellt sich auf den Standpunkt, dass es ihr in der Ukraine um den Schutz westlicher Werte geht.

Das sind nur leere Worte. Wir sehen ein zunehmend nationalistisches Europa. Wenn ein rumänischer Präsidentschaftskandidat sagt, dass die Republik Moldau bis 2018 Teil Rumäniens sein wird – was soll das? Das ist purer Nationalismus. Aber niemand in der EU sagt ein Wort. Eine ganze Reihe dieser osteuropäischen Nationen pflegt eine ­Mischung aus neuem Nationalismus und alten geopolitischen Ambitionen. Eine Zeitlang mussten sie die zurückstellen, aber nun, da ihnen die Nato, die USA und Grossbritannien den Rücken stärken, fühlen sie sich frei, wieder offen darüber zu sprechen. Warschau hat meiner Meinung nach nie Abschied genommen von der Idee eines Grosspolen. Und in der Ukraine hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das jene Kräfte rehabilitiert, die an der Seite Hitlers kämpften. Aber wenn die westlichen Mächte diese schlimmsten Instinkte unterstützen – nun, das ist es, was man dann bekommt.

Übertreiben Sie da nicht ein wenig?

Es ist doch offenkundig, dass das gemein­same Erbe der Nachkriegszeit – der gemeinsame Sieg über den Faschismus – im Westen immer mehr angezweifelt wird. Dieses Erbe wurde nicht einmal in den Jahren des Kalten Krieges in Frage gestellt, ja, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass dieses gemeinsame Erbe den Ausbruch eines heissen Krieges in Europa mit verhindert hat. Jetzt gibt es Stimmen, die sagen, dass die Sowjetunion genauso verantwortlich war für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wie ­Nazideutschland. Und wenn ich höre, dass man in Deutschland den Buchhalter von Auschwitz vor Gericht stellt, dann frage ich mich: Warum beachtet niemand, was in der Ukraine geschieht, wo Tausende ­Nazis mit Fackeln marschieren?

Wo steht Deutschland in diesem Bild? Die Deutschen hatten ja immer ein spezielles Verhältnis zu Russland.

Deutschland war unser Hauptpartner in der EU, zunächst einmal als Handelspartner. Vor der Krise betrug das Handelsvolumen etwa 100 Milliarden Dollar, etwas mehr als ein Fünftel des gesamten Handels mit der EU. Auch politisch ist Deutschland das führende Land in der EU. Deshalb war es sehr wichtig für den Dialog, für die strategische Partnerschaft zwischen Russland und der EU. Ich glaube, dass sich Deutschland hat mitreissen lassen vom Wunsch, den Einfluss der EU auf die Ukraine aus­zuweiten. Das besondere Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist zum Opfer dieser Politik geworden.

Deutschland? Das Assoziierungsangebot kam doch von der EU?

Das ganze Assoziierungsgeschäft war schlecht gemanagt. Wir boten Dreiergespräche über die möglichen Konsequenzen dieses Abkommens an: Moskau, Brüssel und Kiew. Denn das Abkommen schafft eine Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine. Gleichzeitig hatte die Ukraine eine Freihandelszone mit Russland. Es kann aber nicht zwei Freihandelszonen zur selben Zeit geben. Oder man braucht eine spezielle Übereinkunft. Wenn man sich für die EU entscheidet, muss man eine Regelung mit Russland finden. Aber aus Berlin, aus Brüssel, vom Europäischen Parlament hörten wir nur: «Das geht euch nichts an. Wir machen das untereinander aus, nur wir und die Ukrainer.» Nachdem sie es noch zwei-, dreimal versucht hatten, sagten sich die Russen: «Gut, wenn das eure Sache ist, dann wird Russland die Vereinbarung über die Freihandelszone mit der Ukraine revidieren.» Aber als Antwort von der EU haben wir gehört: «Nein, nein, wir wollen, dass ihr weiter ukrainische Produkte zu denselben Bedingungen kauft wie bisher.» Ich verstehe schon, warum die Europäer das wollten. Sie wollten eine Assoziierung, aber wir sollten dafür bezahlen. Aber das ist unmöglich: Die Ukraine kann nicht zugleich zu zwei Freihandelszonen gehören. So etwas gibt es nicht. Nun hat die EU auch noch die Verantwortung dafür übernommen, für die Ukraine zu bezahlen. Die Amerikaner werden es nicht tun. Sie zahlen nur für das Militär.

Ist die Ukraine wirklich so wichtig für die USA? Oder verfolgen sie eine andere Agenda?

Für die USA ist die Ukraine nur als Gegen­gewicht zu Russland wichtig. Im Übrigen interessiert sie Washington nicht. Da Russland eine Reihe von politischen Aktionen der USA und deren Politik in Syrien nicht unterstützen wollte und gegen die «orange Revolu­tion» war, die von aussen finanziert wurde, entschied sich die Obama-Administration, vom Dialog mit Moskau zur Politik eines neuen kalten Krieges überzugehen. Darüber hinaus sehen wir die Vorbereitung auf den Beitritt der Ukraine und Georgiens zur Nato als Bedrohung unserer eigenen Sicherheit an.

Das ist bekannt. Aber es sieht nicht so aus, als ob die USA ihre Politik überdenken würden. Sie erwarten das eher von Russland.

Die USA befinden sich in einer Phase verzweifelter Expansion. Früher war es nur Expansion, jetzt ist es verzweifelte Expansion. Der Grund dafür: Die USA verlieren in interna­tionalen Angelegenheiten an Gewicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 45 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes in den USA erwirtschaftet, jetzt sind es 18,19 Prozent. Die Amerikaner sind zwar immer noch die grösste Macht der Erde, aber der Trend läuft gegen sie. Es gilt das Gesetz vom Aufstieg und Fall grosser Mächte. Wir sehen einen Aufstieg Chinas. Aber auch andere Mächte bezweifeln den Anspruch Amerikas, die Welt zu regieren: Brasilien, Russland, Indien, der Iran und einige andere. Deshalb versuchen die Amerikaner, ihre geopolitischen Positionen zu konsolidieren. Diese verzweifelte Expansion verleitet Amerika zu unüberlegter Politik, sei es gegenüber Russland, sei es im Nahen Osten. Der Islamische Staat ist eine unmittelbare Folge amerikanischer Politik in Syrien. Oder Libyen. Es herrschte dort eine Diktatur, aber es gab auch Stabilität. Und es gab keinen Terrorismus. Was ist es heute? Ein Niemandsland, mit Auswirkungen auf Europa. Einerseits wegen der Flüchtlingsströme, andererseits bin ich sicher, dass es der IS ernst meint mit seinen Drohungen, Terroristen nach Europa einzuschleusen.

Glaubt man dem amerikanischen Geostrategen George Friedman, dann liegt das in Amerikas Interesse. Er schreibt, dass es ­immer US-Politik gewesen sei, überall Instabilität zu schaffen.

Ja, man spricht von kontrolliertem Chaos. Aber dieses Chaos kann fatale Folgen für die Amerikaner haben. Sie mögen es eine Zeitlang kontrollieren, aber langfristig wird es ihre Vorherrschaft herausfordern. Es ist eine sehr gefährliche, sehr riskante Politik, denn das Chaos kann – und wird – ausser Kontrolle geraten. Man sieht jetzt schon die Konsequenzen dieser Politik. Ich höre, dass die Länder der arabischen Welt Moskau bitten, in die Region, nach Nordafrika, zurückzukehren. Ägypten etwa wünscht sich wieder einen verlässlichen Verbündeten. Sie trauen den Amerikanern nicht mehr.

Bei der Vereinbarung über das iranische Atomprogramm hat Russland freilich an einem Strick mit den Amerikanern ge­zogen. Warum?

Die USA und Russland haben einige gemeinsame Interessen. Zu ihnen gehört die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen. Ich glaube, dass die Amerikaner trotz des Chaos, das sie schaffen, nicht wünschen, dass Atomwaffen über die ganze Welt verbreitet werden.

Was gewinnt Russland aus dem Iran-Deal?

Wir wollen, dass der Nahe Osten atomwaffenfrei bleibt. Sicher, jeder weiss, dass Israel ­Nuklearwaffen hat. Aber je mehr Nuklearmächte es gibt, desto gefährlicher ist es. Und vergessen Sie nicht, diese Region liegt südlich unserer Grenzen. Wenn der Iran die Bombe hat, werden die Saudis eine sunnitische Bombe haben wollen. Dann sagen die Türken: «Sind wir etwa schlechter?», und dann kommen die Ägypter. Das ist der erste Grund. Der zweite: Wir wollen keinen neuen grossen Krieg im Nahen Osten. Die Lage ist instabil genug. Das hat direkte Auswirkungen auf uns, das macht uns verletzlich. Der radikale Islam kann den Nordkaukasus destabilisieren, und er kann über Afghanistan in Zentralasien eindringen. Wir wollen nicht, dass ­Zentralasien in Flammen aufgeht. Die Amerikaner spielen ein gefährliches Spiel, weil sie sich durch zwei Ozeane geschützt glauben. Aber Amerika ist auch eine eurasische Macht, Amerika ist anwesend in Eurasien durch ­Militärbündnisse von Westeuropa bis hin zu Japan und durch zahlreiche Stützpunkte. Daher können sich die USA auf die Ozeane nicht verlassen. Sie können verletzlich sein, auch ausserhalb ihrer Grenzen. Dass sie gefährdet sind, hat man ja schon gesehen, etwa als der US-Botschafter in Libyen ermordet wurde.

In dieser Angelegenheit ist die damalige ­Aussenministerin Hillary Clinton heftig kritisiert worden. Nun kandidiert sie für die Präsidentschaft. Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Wen hätte Moskau lieber im Weis­sen Haus? Hillary Clinton oder einen Republikaner?

Unabhängig von der Parteizugehörigkeit würden wir jemanden vorziehen, der die Versuche, Russland zu isolieren, beendet. Wenn das zufällig Hillary Clinton ist, dann werden wir mit ihr sehr glücklich sein. Wenn es Jeb Bush ist, dann wären wir recht glücklich mit ihm. Wen wir wirklich ungern im Weissen Haus sehen würden, wäre jemand mit harten Ansichten, der etwa für militärisches Vor­gehen im Iran plädiert. Jemanden wie Ted Cruz oder Marco Rubio. Die haben keine Erfahrung, und sie haben eine sehr primitive Weltsicht. Die glauben einzig und allein, dass Amerika die Welt beherrschen sollte.

Kommen wir zurück zur Lage in der Ukraine. Im Moment ist sie ruhig, aber angespannt. Was geschieht als Nächstes?

Komplizierte Verhandlungen oder Wiederaufnahme der Kampfhandlungen durch ­Kiew.

Sehen Sie Anzeichen für komplizierte Verhandlungen?

Nein, und das beunruhigt mich. Nebenbei bemerkt, macht man sich darüber auch in Frankreich Sorgen. Ich bin gerade aus Paris zurück. Dort sorgt man sich, dass Kiew neue Bedingungen stellt, die das Minsker Abkommen auf den Kopf stellen. Die Ukraine will dieses Abkommen nicht demonstrativ aufkündigen, denn das würde im Westen Irritationen auslösen. Uns macht Sorgen, dass ­Kiew neue Waffen und Kämpfer in der Ost­ukraine konzentriert. Wir glauben, dass Kiew eine Offensive plant. Die ersten beiden Offensiven sind fehlgeschlagen, deshalb glaube ich nicht, dass sie die Kontrolle über die Ostukraine militärisch wiedergewinnen werden. Aber die Kriegspartei in Kiew ist sehr stark, und Präsident Poroschenko, der als Mann des Friedens gilt, handelt und redet, als ob er zur Kriegspartei gehörte. Er hofft, dass er mit US-Militärhilfe einen militärischen Sieg erringt. Unsinn. Übrigens sagen auch amerikanische Experten, dass die militärische Option keine Lösung bringen, sondern die politische ­Option töten wird.

Was kann man tun, um Verhandlungen in Gang zu bringen?

Ich erwarte nichts von den Amerikanern. Jetzt haben sie auch Militärausbilder geschickt. Alles, was sie tun, fliesst in die Militärhilfe.

Was bleibt?

Die Europäische Union sollte Druck auf ­Kiew ausüben. Kiew hängt vollständig am Tropf des Westens. Die Ukraine ist wirtschaftlich und finanziell ein schwarzes Loch. Wenn sie nicht den Fünf-Milliarden-Dollar-Kredit des IWF bekommen hätte, wäre sie heute bankrott.

Dann müsste Europa aber gegen amerikanische Interessen handeln.

Nein, denn die USA können nicht öffentlich sagen, dass sie gegen das Minsker Abkommen sind. Das sähe schlecht aus. Aber es ist ­bekannt, dass sie den Ministerpräsidenten ­Jazenjuk unterstützen, der in Kiew die Kriegspartei anführt.

Sie meinen also, Washington würde den ­Europäern freie Hand lassen?

Die Amerikaner sind in dieser Weltgegend nicht völlig frei. Sie hängen auch von Europa ab. Als Angela Merkel nach Washington fuhr und Obama sagte, dass sie und die anderen Europäer absolut gegen US-Waffenlieferungen an Kiew seien, hörte er ihr zu. Denn er will keinen Bruch in der Nato. Wenn Europa standfest bleibt, gibt es eine Chance auf Frieden. Aber er kommt nicht von selbst. Wenn Angela Merkel und François Hollande die Fortsetzung des Krieges in der Ostukraine mit all den negativen Folgen für die europäische Sicherheit vermeiden wollen, dann müssen sie Druck auf Kiew ausüben, damit Kiew auf die militärische Option verzichtet. Dann müssen wir langsam zum politischen Prozess kommen. Einen anderen Weg gibt es nicht.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-19/der-westen-schreibt-die-geschichte-um-die-weltwoche-ausgabe-192015.html

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Befreiung von den Deutschen

Heute vor siebzig Jahren wurde nicht Deutschland vom Nationalsozialismus befreit, sondern die zivilisierte Welt von der deutschen Barbarei. Die Deutschen, die bis zum Schluss hinter ihrem geliebten Führer standen, mussten mit massiven militärischen Mitteln zur Kapitulation gezwungen werden, und sie empfingen die Alliierten nicht mit Blumen, sondern mit Argwohn, unendlichem Selbstmitleid und dem Gefühl, um den Endsieg betrogen worden zu sein. Für sie war der 8. Mai 1945 der Tag der Niederlage, und so haben sie es auch selbst gesehen. Sehr zu Recht übrigens, denn befreit werden kann nur, wer sich zuvor in einer Form von Gefangenschaft befunden hat. Die übergroße Mehrheit der Deutschen hat das volksgemeinschaftliche Projekt des Nationalsozialismus und seine Menschheitsverbrechen jedoch begrüßt, getragen oder zumindest geduldet. Wer also davon spricht, der 8. Mai sei auch für die Deutschen ein Tag der Befreiung, macht erstens zwischen ihnen und den Nazis einen Unterschied, den es nicht gab, und zweitens Täter zu Opfern. Genau das ist in der Regel auch der Sinn dieser Übung.

Lange Zeit war es in der Bundesrepublik nur eine kleine Minderheit, die darauf bestand, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu sehen. Sie rückte damit etwas ins öffentliche Bewusstsein, das die Mehrheit partout nicht wissen wollte: dass es überhaupt Befreite gab, dass die Deutschen gar nicht die Opfer waren, als die sie sich so gerne sahen, und dass sie den Krieg verloren hatten. Wer den Aspekt der Befreiung in den Mittelpunkt stellte, positionierte sich gegen den postnazistischen Mainstream der Geschichtsklitterer, Relativierer und Beschweiger, gegen den Mythos von der sauberen Wehrmacht und der Stunde Null und gegen die Lüge, von nichts gewusst zu haben. Wer vom Tag der Befreiung sprach, klagte die Täter als solche an, solidarisierte sich mit den Befreiern und Befreiten (oder gehörte selbst zu ihnen) und dementierte das Gerede vom unterschiedslosen Schrecken, den der Krieg über die Menschheit bringe.

Es war eine Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die vor 30 Jahren schließlich einen Paradigmenwechsel einleitete. Weizsäcker sagte, der 8. Mai habe »uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft«, und man dürfe »nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen«. Diese Ursache liege vielmehr »in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte«. Der frühere Wehrmachtsoffizier, ab 1941 selbst aktiv am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt, hatte erkannt, dass das postnazistische deutsche Selbstbewusstsein einer neuen Strategie bedurfte: Weg von der störrischen Relativierung, Aufrechnung und Schlussstrich-Mentalität, die nur außenpolitischen Schaden anrichtete, hin zu einer offensiven und demonstrativen »Vergangenheitsbewältigung«, die genügend moralischen Gewinn abwerfen sollte, um sich von den Fesseln der Nachkriegszeit lösen zu können, ohne Misstrauen zu erregen.

Anfangs gab es dagegen noch Widerstände, doch das Modell Weizsäcker hat sich durchgesetzt. Das antifaschistische Bekenntnis dient und ermächtigt inzwischen dazu, den Zeigefinger auf Befreier und Befreite zu richten, die schließlich auch ihre Leichen im Keller hätten. Mehr noch: Es hat den Typus des »Gerade wir als Deutsche«-Deutschen hervorgebracht. »Mit den Verbrechen, die Deutschland an den Juden und an der Menschheit beging, hat es sich eigenem Selbstverständnis gemäß das Vorrecht, die Auszeichnung und die Ehre erworben, fortan besondere Verantwortung zu tragen«, schrieb der Publizist Wolfgang Pohrt bereits vor vielen Jahren. »Zwei angezettelte Weltkriege böten, so meint man weiter, die besten Startbedingungen, wenn es um den ersten Platz unter den Weltfriedensrichtern und Weltfriedensstiftern geht – frei nach der jesuitischen Devise, dass nur ein großer Sünder das Zeug zum großen Moralisten habe. Je schrecklicher die Sünde, desto tiefer die Buße und Reue, je tiefer die Buße und Reue, desto strahlender am Ende die moralische Überlegenheit.«

Ein weithin sichtbares Zeichen dafür ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin, eine Touristenattraktion, zu der man »gerne hingeht«, wie es Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder so unnachahmlich formulierte. Zum fünften Jahrestag der Einweihung dieses größten Gedenkmonuments der Welt – das es ohne den größten Massenmord der Geschichte gar nicht gäbe – wurde ein »Bürgerfest« veranstaltet, auf dem unter anderem der Historiker Eberhard Jäckel eine Rede hielt, in der er ungewollt deutlich machte, wie Recht Eike Geisel hatte, als er 1988 schrieb, die Erinnerung sei in Deutschland »die höchste Form des Vergessens«. »In anderen Ländern beneiden manche die Deutschen um dieses Denkmal«, sagte Jäckel mit hörbarem Stolz in der Stimme. »Wir können wieder aufrecht gehen, weil wir aufrichtig bewahren. Das ist der Sinn des Denkmals, und das feiern wir.« Die Shoa ist für die Deutschen also nicht nur gut ausgegangen, sie hat sich sogar ausgezahlt und – folgt man einem ihrer bekanntesten Historiker – für Eifersucht im Rest der Welt gesorgt, wo man keine Massenvernichtung ins Werk gesetzt hat und heute deshalb nicht mit einem solch epochalen Bauwerk aufwarten kann.

Dass der 8. Mai heute staatsoffiziell als Tag der Befreiung gesehen wird, hat noch einen weiteren Grund: Es leben kaum noch Täter, denen das wehtun könnte, und im kollektiven deutschen Familiengedächtnis war Opa ohnehin kein Nazi. Vor einigen Jahren stieß ich auf Feldpostbriefe meines Großvaters mütterlicherseits, Jahrgang 1911, gestorben 1989. Mitglied der NSDAP war er nicht, an seiner nationalsozialistischen Gesinnung konnte dennoch kein Zweifel bestehen. Dass die Deutschen grauenvolles, mörderisches Unrecht begingen, war ihm vollauf bewusst. Genau deshalb wollte er, dass der Krieg weiter- und siegreich zu Ende geführt wird. Denn andernfalls, so schrieb er, werde die Rache von Juden, Russen und Polen furchtbar sein. Was er ihnen diesbezüglich konkret unterstellte, war exakt das, was die Deutschen den Juden, Russen und Polen antaten. Eine klassische Projektion also. Er hat sich, wie meine Großmutter, bis zum Ende seines Lebens als Opfer gesehen – von Hitler betrogen, von den Polen vertrieben, von den Juden ausgenutzt. Befreit wurde am 8. Mai 1945 nicht er, befreit wurden jene, die er, wie die weitaus meisten seiner Landsleute, lieber tot als lebendig sehen wollte.

Zuerst veröffentlicht auf Fisch + Fleisch.

http://lizaswelt.net/2015/05/08/befreiung-von-den-deutschen/

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Blutrausch der Beliebigkeit

Der amerikanische Historiker Timothy Snyder ist neuer Träger des »Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken«. Vergeben wird diese Auszeichnung alljährlich von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Stadt Bremen. Snyder habe »einen neuen Blick auf den Zweiten Weltkrieg geworfen«, heißt es in der Begründung der Jury. Doch so neu ist die Nivellierung der deutschen Verbrechen, die Snyder in seinem Werk Bloodlands betreibt, gar nicht. Torsten Schulz hat sich die Preisverleihung angesehen.


VON TORSTEN SCHULZ


Wie liest sich das?

»Beim Massaker von Oradour-sur-Glane wirkten Hitler und de Gaulle auf perverse Art zusammen; beide ignorierten das Kriegsrecht und eskalierten den Konflikt hinter der Front.«

NPD-Parolen, revisionistischer Stammtisch, Wehrmachts-Traditionsverein? Aber nicht doch – hier erklärt schließlich ein Professor der Yale University den Zweiten Weltkrieg neu. Setzen Sie nur für de Gaulle Stalin und für Oradour den Partisanenkampf in Weißrussland ein, und Sie haben eine wesentliche These aus Timothy Snyders Machwerk Bloodlands in seinen eigenen Worten: Der Partisanenkampf war illegitim. Nein, keineswegs nur das, was Wehrmacht und SS darunter verstanden – die Auslöschung ganzer Ortschaften vom Säugling bis zum Greis nämlich –, sondern ebenso auch der Widerstand dagegen.

Für diese Umdeutung ausgerechnet des Vernichtungsfeldzuges an der Ostfront in einen »Konflikt« letztlich wirtschaftlicher Natur – »Die von Hitler und Stalin angestrebten Transformationen waren ökonomisch«, lautet Snyders Resümee – hat die Stadt Bremen mit einem Festakt am 6. Dezember des vergangenen Jahres ihren einschlägig ausgerichteten »Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken« für das Jahr 2013 verliehen. Im Vorjahr hatte der Senat eine zu Recht weitgehend unbekannte Historikerin aus Israel ausgezeichnet, um mit ihrer Schützenhilfe (und im Verein mit der Heinrich-Böll-Stiftung) der Partnerstadt Haifa zu unterstellen, an ihr hafte bis heute der Makel der Vertreibung ihrer arabischen Ureinwohner. Diesmal wurde die willkürliche Definition einer räumlich-zeitlichen Todeszone prämiert, in der Stalins Terror und die Vernichtung der Juden Europas, unter anderem, so zur Deckung gebracht werden, dass sie wie »in einem blutigen Knäuel ineinandergeflossen« erscheinen (Gerd Koenen in seiner Laudatio).

Was die Stifter des Preises so für Snyder eingenommen hat, gibt Antonia Grunenberg für den Vorstand des Trägervereins schon in der Begrüßung unumwunden zu verstehen: Die zugrunde liegende Behauptung der »Wechselwirkungen von verschiedenen Genoziden« soll ein Geschichtsbild konstruieren helfen, auf dessen Basis dann »die Völker Europas einander ihre Leidensgeschichten erzählen« können. Was daran nicht passt, muss eben passend gemacht werden. Zum einen gilt es also, durch entsprechende Fokussierung zu suggerieren, die stalinistischen Kampagnen gegen angebliche politische Gegner und die sowjetische Hungerkatastrophe 1932/33 seien »Genozide« – vergleichbar mit den nationalsozialistischen – gewesen, auch wenn die Opfer sich genauso wenig einem ethnisierenden Muster zuordnen lassen wie die Täter einem anderen.

Zum anderen muss das singuläre Projekt der Vernichtung der Juden Europas innerhalb dieser »Genozide« verortet werden, was wiederum eine Annäherung über entsprechende Auslassungen und Beschränkungen nötig macht. Die Schnittmenge definiert das Territorium besagter Bloodlands: Polen, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten sowie ein schmaler, nicht eindeutig abgegrenzter Streifen im Grenzbereich der Russischen Föderation – nach Snyder »einfach der Schauplatz, wo Europas brutalste Regime ihre Morde begingen«. »15 Millionen Tote durch Hunger, Massenvergasungen« – diese Klammer benutzt Karol Sauerland als Vertreter der Jury dann in seiner Begründung für die Preiswürdigkeit der Montage schon ganz selbstverständlich. Und: »Der massenhafte Tod durch Hunger war eine sowjetische Erfindung.« Bremen legt den »Historikerstreit« der 1980er Jahre neu auf, diesmal als Monolog. Was war demnach wohl ursprünglicher, die Kollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion oder der deutsche »Generalplan Ost«? Na also!

Dass diese Ideen in der Fachwelt nach wie vor nicht ganz unwidersprochen dastehen, ist den Ausrichtern der Veranstaltung wohl bewusst. Mit »Diskreditierungen, ja, Anfeindungen« sei zu rechnen, ist sich Senator Lohse sicher. Eine fachliche Bewertung stehe ihm, als Naturwissenschaftler, nicht zu. Dabei wäre es durchaus ein Ausgangspunkt, skeptisch zu werden, wenn ein Geisteswissenschaftler zum Taschenrechner greift, um die Opfer der Shoa im wahrsten Sinne des Wortes auseinander zu dividieren: »Von den rund drei Millionen polnischen Juden, die im Holocaust ermordet wurden, starben nur etwa sieben Prozent in Auschwitz«, lautet die Rechnung, die Snyder in Bloodlands aufmacht. Nur etwa sieben Prozent – das scheint nicht wirklich viel, oder?

Demgegenüber sei aber eine »große Zahl« der Todesopfer keine Juden: »Etwa 74.000 nichtjüdische Polen und 15.000 sowjetische Kriegsgefangene starben in Auschwitz durch Hinrichtung oder Zwangsarbeit.« Wie viel sind wohl 89.000 bezogen auf die Gesamtzahl der 1,3 Millionen dorthin Deportierten? Jetzt dürfen Sie raten. Sieben Prozent, das kann viel oder wenig sein, je nachdem, wie der Professor die Zahl verwenden muss, um die Singularität der Vernichtung der europäischen Juden zu relativieren. Seine Wissenschaft ist anscheinend von der Sorte, die zuerst ihre Ergebnisse kennt, dann das Datenmaterial zusammenträgt, um sie zu belegen, und zuletzt die Maßstäbe entwickelt, die daran anzulegen wären. Das gilt für die Zahlenfuchserei um Details der logistischen Ausgestaltung der »Endlösung« wie für das Konzept Bloodlands in toto.

Timothy Snyder hat ein Gebiet gesucht, in dem Nazis Massenverbrechen verübt haben und Stalinisten auch – und dann genau das gefunden. Ein Zirkelschluss, der allerdings noch einen ganzen Strauß von Ausnahmen und Vernachlässigungen erfordert, um das beabsichtigte Bild zu erzeugen. Der Nordkaukasus beispielsweise wird genauso ausgeklammert wie alle übrigen Gebiete zwischen der Ostgrenze der deutschen Besatzung und jener der imaginären Blutlande. Sie hätten auch schlecht in den »gemeinsamen europäischen Rahmen« gepasst, der im Nachwort postuliert wird. In ihm soll erklärtermaßen über die Beschreibung des Ablaufs von Gräueltaten »die europäische Geschichte ihr zentrales Ereignis« erhalten.

Die Ermordung Hunderttausender Juden durch die rumänische Regierung hat darin allerdings keinen Platz. Die Verbrechen der Ustascha in Jugoslawien haben es auch nicht. Die Deportation ausgebürgerter Juden in die Ukraine, die Horthys Ungarn aus eigener Initiative anstrengte, wird erwähnt, wenn auch nicht so bezeichnet, die Deportation der ungarischen Juden ab Mai 1944 innerhalb weniger Wochen nach Auschwitz fälschlich den Pfeilkreuzlern – »Pfahlkreuzler« in der deutschen Ausgabe des Buches – zugeschrieben, die tatsächlich erst am 15. Oktober des Jahres an die Macht kamen. Die Pogrome, die sie auf ungarischem Territorium veranstalteten, kommen nicht vor. Der Nachkriegs-Pogrom im polnischen Kielce auch nicht. Der ganze Komplex »Vernichtung durch Arbeit« findet sich nur zwischen den Zeilen, wenn zum Beispiel nichtjüdische Auschwitz-Opfer gesucht sind. Praktisch für den deutschen Rezipienten: Sein Land ist nicht blutig, der Horror weit weg. Todesmärsche? Endphaseverbrechen? Fehlanzeige. Snyder zeigt nicht historische Zusammenhänge auf, er zerschneidet sie. Zivile Opfer auf der Flucht oder durch Vertreibung berücksichtigt er, soweit es sich um Deutsche handelt, sowjetische verschweigt er.

Wer von Bloodlands ernsthaft eine tiefere Einsicht in die Mechanismen der Massenvernichtung erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Die vielbeschworene »Kette eskalierender Massenmorde, die nur durch gegenseitige Wechselwirkung zu verstehen sind« (Laudator Koenen), besteht im Kern in folgendem behaupteten Zusammenhang: Stalin habe Hitler zunächst nicht aufhalten können und ihm damit die sowjetischen Kriegsgefangenen zur Ermordung ausgeliefert. Das Unvermögen der Nazi-Streitkräfte, die Sowjetunion vollständig zu zerstören, soll dann erst den Ausschlag für die planmäßige Vernichtung der Juden Europas gegeben haben – eine bloße Ersatzhandlung gewissermaßen. Der Zweck von Treblinka wäre es demnach gewesen, »ein schrumpfendes Rassenimperium von seiner jüdischen Bevölkerung zu säubern und so einen kleinen Sieg und seine grausigen Früchte zu ernten«. Das ist die Sichtweise, die Snyder mit Verweis auf den Kriegsverlauf nahe legen möchte.

Es kann schwerlich die der Nazi-Führung gewesen sein: Zum Zeitpunkt der Planung der Anlage und noch zu dem ihrer Inbetriebnahme im Juli 1942 war der deutsche Machtbereich keineswegs im Schrumpfen begriffen. Obendrein veranschlagt Snyder die Zahl der Opfer hier verhältnismäßig sehr niedrig mit »etwa 780.863«. Er hat es sich einfach gemacht und lediglich zwei Quellen addiert, die wesentliche ist das vom britischen Geheimdienst abgefangene sogenannte Höfle-Telegramm, das für sich schon auf eine Zahl von mindestens 713.555 Ermordeten zum Stichtag 31.12.1942 hinweist. Da war gerade erst der letzte Versuch gescheitert, die Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad aufzubrechen. Nach Snyders eigener Rechenweise kann Treblinka kaum das darstellen, wofür er es ausgibt. Dafür wartet er mit einer erstaunlich konkreten Aufzählung auf, worin die »Früchte« dieser Vernichtungsanstalt bestanden haben sollen:

»Eine Leiche lässt sich verbrennen, um Wärme zu erzeugen, oder sie kann die Mikroorganismen füttern, um den Boden zu düngen. Selbst menschliche Asche düngt. Nach dem Abriss von Treblinka benutzten die Deutschen die Ziegel der Gaskammern, um ein Bauernhaus zu bauen, und machten das Mordterrain zu Feldern. Ein paar Trawniki-Männer waren bereit, als Bauern dazubleiben. Hierin lag eine düster wörtliche Version der Nazifantasie von der Erlösung des Landes durch die Vernichtung der Juden. Leichen und Asche der Juden sollten den Boden für Getreide düngen, das Deutsche essen sollten.«

Diese Passage verrät mehr über die Fantasie Timothy Snyders als über das Wesen und die Funktion eines Vernichtungslagers. Ein deutlich größerer Erkenntnisgewinn für den Leser hätte sich aus dem Umstand ziehen lassen, dass die Mörder, solange die Scheiterhaufen nicht zufriedenstellend brannten – also mindestens noch bis Anfang des Jahres 1943 –, durchaus bereit waren, erhebliche Mengen ihres andernorts dringend benötigten Benzins für die Beseitigung ihrer Opfer aufzuwenden.

Wer es nicht lassen kann, ein rationales Motiv in der Irrationalität der Shoa zu suchen, bekommt dagegen eine einmalige Erklärung präsentiert, was die Deutschen mit der Ermordung von Hunderttausenden an den Schauplätzen der »Aktion Reinhardt« bezweckt haben müssen: Sie wollten offenbar die Atmosphäre mit Menschen heizen und ein paar ukrainischen Wachleuten eine kleine Farm stiften. Den Beleg für die steile These, Bełżec, Sobibór, Treblinka seien eigentlich als Getreidefelder für deutsche Verbraucher konzipiert gewesen, spart sich Snyder mit dem lapidaren Nachsatz:

»Doch es sollte nie eine Ernte geben.«

Der Autor, der eine eigentümliche Neigung an den Tag legt, mit oberflächlichen Betrachtungen in die Irre zu leiten, ist hier in seinem Element. Selbstredend war das Bauernhaus bloße Tarnung, die Trawniki-Männer waren auch keine Bauern, sondern weiterhin Wachen, die den Tatort zu sichern hatten, auf den Feldern wuchsen Lupinen. Wassilij Grossmann, der in Bloodlands oft genug erwähnt wird, nahm die Szenerie so wahr:

»Dieses traurige Ödland wurde von dem deutschen Reichsführer-SS Heinrich Himmler ausgesucht und für geeignet befunden, hier eine Richtstätte für die ganze Welt zu schaffen. Das menschliche Geschlecht hat ihresgleichen von den Zeiten vorgeschichtlicher Barbarei bis in unsere harten Tage nie gekannt.«

So soll es aber gerade nicht erscheinen. Die Leichtigkeit, mit der sein Blendwerk in Bremen offene Türen eingerannt hat, scheint Timothy Snyder selbst nicht ganz geheuer zu sein. Er scherzt zunächst, ob in Bloodlands noch irgendetwas steht, das nicht schon gesagt wurde. Dann lädt er sein Publikum ein auf ein eigenartig zaghaftes Gedankenspiel:

»Stellen Sie sich vor, Sie sind Polizist. Sie sind zu einem Mietshaus gerufen worden. Darin liegt eine fünfköpfige Familie, allesamt ermordet. Und noch eine weitere Familie von fünf, auch umgebracht, offenbar von demselben Täter. Und dann noch vier weitere Opfer eines anderen Täters. [Links und rechts in den Nachbargärten liegen auch noch welche, aber da schauen Sie jetzt bitte mal nicht hin!, T.S.] Was schreiben Sie in Ihrem Bericht? Offensichtlich muss es einen Zusammenhang geben…«

Der Zusammenhang ist eben der, dass so die Verbrechen Nazi-Deutschlands nivelliert und die seiner Verbündeten unter den Teppich gekehrt werden.

Verlassen wir das Reich der Analogien. Versetzen Sie sich für einen Moment in die Rolle eines sowjetischen Staatsanwalts. Wir schreiben das Jahr 1945, Sie sind mit der Untersuchung eines ungeheuerlichen Verbrechens betraut worden. Dem Anschein nach sind ihm tatsächlich praktisch ausschließlich Angehörige einer Familie zum Opfer gefallen, auch wenn Ihre Vorgesetzten das nicht gerne an die große Glocke hängen und die exakten Verwandtschaftsverhältnisse kaum mehr zu ermitteln sind. Grob geschätzt geht es um eine Million Menschen. Die Täter haben sie akribisch in diversen Ländern Europas aufgespürt, mit erheblichem logistischen Aufwand an diesen Ort verfrachtet, in eigens dafür vorbereiteten Anlagen vergast, ihre Körper verbrannt und die Asche in der Gegend verstreut. Ein paar haben sie zurückbehalten, um sie sich zusammen mit anderen in einer Fabrik für synthetischen Kautschuk zu Tode schuften zu lassen.

300 Kilometer Luftlinie entfernt, Richtung Nordosten, arbeiten Kollegen seit einigen Monaten an einem ähnlichen Fall. Dort gibt es zwar keine Kautschukfabrik, selbst grundlegende Voraussetzungen dafür fehlen, aber als Täter kommen nur Mitglieder derselben Bande in Frage. Das Schema, nach dem sie ihre Opfer ausgewählt haben, ist das gleiche, auch wenn sie sich dabei vorwiegend an Menschen aus der weiteren Umgebung gehalten haben. Sie haben sie vergast, verbrannt, die Asche untergegraben und ein Bauernhaus darauf gebaut. Snyders Studie können Sie nicht kennen, Sie halten sich an die Übereinstimmungen, statt nach Unterschieden zu suchen. Sie werden zu dem Schluss kommen, dass Sie es mit ein und demselben Verbrechen zu tun haben und die beiden Beispiele exemplarisch in einer Anklage gegen die Hauptverantwortlichen zusammenfassen. Und Ihnen, der Sie den Bürgerkrieg und die Intervention, Hungersnot, Stalins Säuberungen und den Großen Vaterländischen Krieg überstanden haben, erschließt sich von selbst, dass es sich hierbei um einen Schrecken ganz eigener Art handelt.

Wenn im Namen Hannah Arendts Jahr um Jahr das »politische Denken« belohnt wird, zielt das regelmäßig auf dieses spezifisch deutsche Ärgernis: die Anklage von Nürnberg. Darum ging die Auszeichnung im Vorjahr an eine Historikerin, die die »verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die jüdische Demografie« als Mosaiksteinchen im perfiden Wirken zionistischer Stadtplaner betrachtet. Und wenn Ralf Fücks für die grüne Heinrich-Böll-Stiftung »eine gewisse Linie« in der Reihe der Preisträger konstatiert, »die sich fortsetzt«, dann kommt ihm dabei zuvorderst einer in den Sinn: Tony Judt, zu Lebzeiten ein guter Freund Snyders und Hannah-Arendt-Preisträger mit seiner Geschichte vom Zweiten Weltkrieg als der »Katastrophe, in die Europa sich gestürzt hatte«.

Doch er muss auch etwas loswerden, das ihn sichtlich schmerzt, denn da geht es um das Ticket, auf dem die Veranstalter unterwegs sind: Gewalt gab es ja »nicht nur gegen Individuen«, nein, auch die Zivilgesellschaft sei »zerschlagen worden in dieser Interaktion von Nationalsozialismus und Stalinismus«. Die Menschen Osteuropas, die eher um Erstere trauern, dürften sich über den Hinweis freuen, dass sie bis heute nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten so zivilisiert zu regeln, wie man sich das in Bremen längst zugute hält.

http://lizaswelt.net/2014/02/02/blutrausch-der-beliebigkeit/

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Freispruch für Deutschland

In der Debatte über die Berufung von Jakob Augstein auf eine Liste des Simon Wiesenthal Centers haben sich die Grenzen des Unsäglichen in Bezug auf die »Israelkritik« erneut verschoben. Noch die übelsten Tiraden gegen den jüdischen Staat sind – so meint eine ganz große Koalition von FAZ bis taz und von CDU bis Linkspartei – schlimmstenfalls grenzwertig, keinesfalls aber antisemitisch.

Es fängt schon mit simplen Fehlern im Rüstzeug an. Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit sollten sich als Prinzipien für jeden Journalisten eigentlich von selbst verstehen, doch ist es damit hierzulande oftmals nicht allzu weit her, auch diesmal nicht. Denn was soll das Simon Wiesenthal Center (SWC) getan haben, folgt man führenden deutschen Medien, die sich in dieser Frage nahezu wortgleich äußern? Es habe den Publizisten Jakob Augstein »auf eine Liste der zehn schlimmsten Antisemiten der Welt gesetzt«, glaubt der Tagesspiegel, »auf Platz 9 seiner jährlichen Liste der schlimmsten Antisemiten gesetzt«, meint die Tagesschau, »auf Platz neun einer Liste der weltweit zehn schlimmsten Antisemiten gesetzt«, behauptet die Frankfurter Rundschau, »zu einem der schlimmsten Antisemiten der Welt erklärt«, beteuert die Zeit, »auf Platz neun der Liste der zehn schlimmsten Antisemiten« nominiert, ist die FAZ überzeugt, »auf einer Rangliste der schlimmsten Antisemiten der Welt auf Platz neun gesetzt«, schreibt Spiegel Online, »auf Platz neun der gefährlichsten Antisemiten weltweit verortet«, erklärt die taz. Knapp daneben ist auch vorbei, kann man da nur konstatieren.

Die besagte Liste umfasst in Wahrheit nämlich die »2012 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs« – also die zehn aus Sicht des SWC erwähnenswertesten antisemitischen respektive antiisraelischen Verunglimpfungen des vergangenen Jahres –, ist also wesentlich eher eine Sammlung markanter Zitate als ein Fahndungsaufruf. Und das Ziel ist es dabei offenkundig auch weniger, eine Rangliste entlang der machtbedingten Gefährlichkeit der Urheber dieser Zitate zu erstellen, als vielmehr, plakativ zu verdeutlichen, wie beängstigend groß das Spektrum des Judenhasses weltweit ist und wie sich der massenkompatible Antisemitismus in den einzelnen politischen Lagern äußert, selbst bei vermeintlich unverdächtigen, seriösen Akteuren. So erklärt sich auch, warum bei der Erstveröffentlichung der »Top Ten« im Jahr 2010 die renommierte amerikanische Journalistin Helen Thomas, immerhin dienstältestes Mitglied des White House Press Corps, auf dem ersten Platz landete und ein Jahr später der griechische Komponist und Politiker Mikis Theodorakis, eine Ikone der Linken, Dritter wurde. Ebenfalls in den letzten Jahren dabei: ein Mitglied der EU-Kommission, ein populärer Filmregisseur, ein prominenter Pastor und sogar die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter.

Auch zwei Deutsche schafften es schon vor Augstein mit antisemitischen Äußerungen in die »Top Ten« des SWC: Thilo Sarrazin im Jahr 2010 und Hermann Dierkes zwölf Monate später. Darüber echauffiert hat sich damals allerdings kaum jemand: Bei dem einen interessierten sich die Medien erheblich mehr für dessen Äußerungen zum Islam, und der andere ist ein derartig bockbeiniger Desperado, dass ihn außerhalb der Linkspartei kaum jemand verteidigen mochte. Augsteins Nominierung dagegen sorgt nun für eine Welle der Empörung in nahezu sämtlichen Medien und in fast allen politischen Lagern (selbst beim Zentralrat der Juden in Deutschland, der augenscheinlich nach dem Motto »Lieber mit der Rotte heulen als im Abseits stehen« verfährt). Nicht wenige glauben, dem SWC allerlei Ratschläge erteilen zu müssen, wie es seine »Top Ten« zu gestalten und welche Kriterien es dafür zugrunde zu legen habe. In Abwandlung von Karl Luegers Diktum »Wer Jude ist, bestimme ich« heißt es nun: »Wer Antisemit ist, bestimmen wir« – und nicht etwa eine jüdisch-amerikanische Organisation, deren Namensgeber, ein Überlebender der Shoa, die »Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter« zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte.


Das Gerücht über die Juden

Dabei gibt es beste Gründe, Augstein einen Antisemiten zu nennen, wie insbesondere Henryk M. Broder in der Welt, Rainer Trampert in Konkret und Stefan Gärtner in der Titanic (sic!) überzeugend nachgewiesen haben. »Die fantasierte jüdische Weltherrschaft«, so resümiert Trampert, »die Weltkriegsgefahr, die Aufregung über eine Fiktion und die Gleichgültigkeit gegenüber realen Kriegen und Kriegstoten, die Insinuationen, dass Israel hinter dem Mohammed-Film, dem Krieg in Syrien und der iranischen Bombe stecke und die Toten in den innerarabischen Machtkämpfen zu verantworten habe, die Wiederholung der Lüge vom Juden, der aus dem Antisemitismus Profit schlage, diese ganze Sammlung perfider Projektionen zeigt eine Verblendung, die mit einer Kritik an Aspekten israelischer Politik nichts mehr zu tun hat.« Hinzu gesellt sich noch der altbekannte Trick, »sich als Verfolgte[r] darzustellen«, wie Adorno analysierte, »sich zu gebärden, als wäre durch die öffentliche Meinung, die Äußerungen des Antisemitismus heute unmöglich macht, der Antisemit eigentlich der, gegen den der Stachel der Gesellschaft sich richtet, während im Allgemeinen die Antisemiten doch die sind, die den Stachel der Gesellschaft am grausamsten und am erfolgreichsten handhaben«. Oder, um es mit Stefan Gärtner zu formulieren: »Dass die Juden uns den Mund verbieten, ist das Gerücht über die Juden, das nach Adorno der Antisemitismus ist. Wer glaubt, dass es wahr sei, ist ein Antisemit. Augstein ist einer.«

Dass er nun trotzdem nahezu unisono freigesprochen wird, liegt maßgeblich daran, dass diejenigen, die sich zu seinen Anwälten aufschwingen, keinen Begriff vom (modernen) Antisemitismus haben und sich in Bezug auf Israel in der Regel kaum bis gar nicht von Augstein unterscheiden. »Die meisten wollen Augsteins antisemitisches Potenzial schlicht nicht erkennen, weil sie es mit ihm teilen«, schreibt Jennifer Nathalie Pyka zu Recht. Augsteins Auslassungen über den jüdischen Staat und seine Regierung hält beispielsweise der Zeit-Autor Frank Drieschner bloß für »triviale Feststellungen«, Nils Minkmar befindet in der FAZ, sie entstammten »keinem vagen Ressentiment«, sondern entsprächen »der Wahrheit«, und Christian Bommarius urteilt in der Frankfurter Rundschau, Augstein nehme sich »lediglich die Freiheit, die Regierung Netanjahu dafür zu kritisieren, wofür sie alle Welt kritisiert« – so, als wäre der fundamentale Unterschied zwischen Kritik und Ressentiment eine Frage von Mehrheiten. Henryk M. Broder hat die Unfähigkeit und den Unwillen, im Volkssport namens »Israelkritik« eine moderne und gefährliche Form von Judenhass zu erkennen, bereits im November 2011 auf den Punkt gebracht: »Für Antisemitismus gibt es in Deutschland seit 1945 einen klaren Maßstab: den Holocaust. Alles darunter ist eine Ordnungswidrigkeit.« Wenn nicht sogar ein Menschenrecht.

Und da Broder vom Simon Wiesenthal Center gewissermaßen als Gewährsmann für Augsteins Antisemitismus geführt wird, stürzen sich nun nicht wenige wie die Hyänen auf ihn. Niemand davon unternimmt auch nur den Versuch, Broders präziser und hellsichtiger Kritik mit Argumenten zu begegnen; an die Stelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung treten teilweise hasserfüllte Beschimpfungen, die Bände sprechen. Der »Antisemitismusexperte« Klaus Holz etwa bezeichnet Broder im Deutschlandradio als »Pöbler«, Nils Minkmar nennt ihn in der FAZ den »Bud Spencer unter den deutschen Kommentatoren«, Joachim Petrick hält ihn in Augsteins Freitag für einen »hochtrabend dahergaloppierenden ruchlosen Rüstungslobbyisten des militärisch-psychiatrisch-pharmazeutischen Industriekomplexes der USA«. Für Christian Bommarius, Autor der Frankfurter Rundschau, ist der jüdische Publizist gar ein moderner Goebbels, der froh sein kann, dass er »bis heute frei herumläuft«. Es blieb Rabbi Abraham Cooper, dem stellvertretenden Direktor des SWC, vorbehalten, nüchtern klarzustellen: »Wir haben nicht mit Broder gesprochen, er hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung. Aber ein Großteil unserer Mitglieder kennt Augstein nicht, deswegen wollten wir Broders Perspektive dazunehmen. Er ist ein in der jüdischen Gemeinde weltweit respektierter Wortarbeiter, und anders als wir ist er vor Ort in Deutschland. Augstein hat auf seine Kritik übrigens nie reagiert, das halte ich für sehr vielsagend.«


Die Grenzen des Unsäglichen

Apropos vielsagend: Kaum jemandem scheint aufgefallen zu sein, dass bereits die faktische Existenz einer ganz großen deutschen Koalition gegen das SWC und für Jakob Augstein, die von der FAZ bis zur taz und von der CDU bis zur Linkspartei reicht, einen Beweis dafür darstellt, wie falsch, um nicht zu sagen demagogisch die allenthalben – und natürlich auch von Augstein selbst – zu vernehmende Behauptung ist, der Antisemitismusbegriff werde inflationär verwendet und damit schändlich missbraucht. Ganz im Gegenteil ist durch die massive öffentliche Intervention zugunsten eines prominenten israelfeindlichen Publizisten – und genau das war ihr Ziel – die Grenze des Sagbaren (genauer: des Unsäglichen) noch einmal verschoben worden. Wer künftig behauptet, Israel führe »die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs«, gefährde den Weltfrieden und pferche Palästinenser in einem Lager namens Gaza zusammen, kann sich im Falle von Kritik bequem auf den Freispruch für Augstein berufen – der ein kollektiver Freispruch für Deutschland ist und zudem einem Persilschein für die gesamte »Israelkritik« gleichkommt. Selbst am Zentrum für Antisemitismusforschung ist man schließlich der Ansicht, dass derartige Äußerungen vielleicht »grenzwertig« sind, aber nicht antisemitisch (was das ganze Elend perfekt macht, doch keineswegs überraschend kommt).

Betrachtet man die gegenwärtige Debatte geschichtspolitisch, dann gesellt sich noch ein weiterer, nicht unwichtiger Aspekt hinzu: Nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen hat Simon Wiesenthal alles daran gesetzt, nationalsozialistische Täter einem juristischen Verfahren zuzuführen, während sie in Deutschland geschützt und gedeckt wurden, Pensionen erhielten und wieder teilweise höchstrangige Ämter bekleiden durften. Als die meisten Altnazis nicht mehr lebten und es den Deutschen, nachdem sie sich wiedervereinigt hatten, schließlich auch noch gelang, einen finanziellen Schlussstrich unter die NS-Zeit zu ziehen, begannen sie, Mahnmale zu bauen, staatliche Gedenkveranstaltungen auszurichten, sich selbst für geläutert zu erklären und schließlich den moralischen Profit aus ihrer »Vergangenheitsbewältigung« einzufordern – wozu es auch gehört, die »Israelkritik« als »Lehre aus der Geschichte« zu verkaufen. Dass man diese Masche beim Simon Wiesenthal Center durchschaut, aus guten Gründen misstrauisch bleibt und auch deshalb regelmäßig Deutsche in die »Top Ten« der erwähnenswertesten antisemitischen Verunglimpfungen beruft, nehmen die Nachfahren und Erben der Täter dem Zentrum erkennbar übel.

Umso erfreulicher, dass man beim SWC nun Augsteins Nominierung bekräftigt und verteidigt. »Ich habe großes Verständnis dafür, dass Henryk M. Broder Augstein wegen dessen Agitationen mit Julius Streicher vergleicht«, sagt Efraim Zuroff, der Direktor der Jerusalemer Dependance dieser Einrichtung. »Augstein misst beim Thema Israel mit zweierlei Maß, macht aus Tätern Opfer, klammert den Terror der Hamas vollkommen aus. Seine Äußerungen sind ganz und gar empörend, diffamierend und ekelhaft.« Und Rabbi Abraham Cooper fordert: »Augstein sollte sich bei seinen Lesern und dem jüdischen Volk entschuldigen.« Dass er das nicht tun wird, darf als sicher gelten – so sicher, wie das SWC auch am Ende dieses Jahres wieder reichlich Auswahl haben wird, wenn es darum geht, die Ausfälle eines deutschen »Israelkritikers«, der kein Antisemit sein will, in die »Top Ten« zu hieven.

Lesetipp: »Die Verhältnisse in Deutschland«, veröffentlicht auf dem Weblog Verbrochenes.

http://lizaswelt.net/2013/01/05/freispruch-fuer-deutschland/

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Der Vatermord der Grassdeutschen

Über die medialen Anstrengungen zur Rettung der »Israelkritik«.


VON BORIS YELLNIKOFF


Deutschland empört sich. Und alles ist gut.

Ein nobelbepreister greiser Dichter, kein Geringerer als ein Säulenheiliger der Nation, vergeht sich an Sprache und Staatsräson, und eine Welle der Empörung schlägt ihm entgegen. Das Land – sein Land! –, es zeigt sich undankbar, trotzdem er so tatkräftig und wortreich half: bei der »Wiedergutwerdung der Deutschen«*. Doch diesmal ist der alte Mann zu weit gegangen: Nun klingt er wieder wie der junge, der er einmal war, als die Runen der SS an seinem Kragen prangten.

Zu Grass’ »Gedicht« ist unterdessen in allen Medien alles gesagt worden. All der Aufwand mit all den Kommentaren, Interviews und Feuilletons war gleichwohl unnötig. Denn über Grass war keine neue Erkenntnis zu gewinnen. Als er vor mehr als zehn Jahren sich schon einmal »israelkritisch« bis zur Einstaatenlösung exponierte, stellte Paul Spiegel fest, mit seinen Auslassungen stelle sich Grass »auf eine Stufe mit den radikalen Feinden Israels«. Wenig später weitete Spiegel den Blick von Grass auf die Grassdeutschen: »Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder.« Und die da rufen, sind ihre Büttel und Lakaien. Damit war alles Nötige erkannt und gesagt.

Wohl gibt es in diesen Tagen einige gelungene Repliken. Bei Henryk M. Broder beispielsweise nimmt es nicht wunder, wenn Klarheit und Deutlichkeit regieren. Josef Joffe hat irgendwann einmal Freud gelesen und bringt das jetzt in Stellung. Auch Frank Schirrmacher seziert mürbes Denken und Dichten mit scharfem Skalpell, aber der hat länger schon ein Problem mit Grass. Und dass der zum Konservatismus konvertierte Jan Fleischhauer sich mit dem renitenten alten Linken anlegt, ist erwartungskonform. Sie haben ja auch Recht: Mit seinem »Machwerk des Ressentiments«, so Schirrmacher, sucht Grass »seinen Frieden mit der eigenen Biografie« zu machen.

Was ihnen entgeht: Günter Grass könnte eigentlich egal sein. Ein alter Mann redet wirr, das tat er öfter schon, na und? Was Antisemitismus ist, definiere ich, sagt der Antisemit. Was Lyrik ist, definiere ich, sagt der Lyriker. Grass definiert beides. Nichts daran ist neu. Dass er dennoch für so wichtig erachtet wird, liegt am Resonanzboden, durch den ihm einst der Aufstieg zur »moralischen Instanz« ermöglicht wurde und der sich nun im medialen Overkill gegen ihn wendet. Und eben dieser Overkill ist verwunderlich. Geschenkt, dass die meisten Grass-Kritiker längst nicht Broders oder Joffes Qualitäten haben. Doch das hat Gründe: Sieht man sich nicht allein an, dass sie Grass widersprechen, sondern wie und mit welcher Verve, erkennt man schnell eine Art nationaler Selbstvergewisserung: nicht über die Sache – die Kritik an Israel, die sei möglich, legitim, notwendig, ja angeraten –, doch über den Ton, und der macht die Musik.


Tonsetzer

Zwei Beispiele zum Beleg: Mit Donnern setzt Sebastian Hammelehle auf Spiegel Online ein und nennt das Grass-Elaborat einen »lyrischen Erstschlag« ­– »und das von deutschem Boden«. Das sitzt; Hammelehle nimmt offenbar übel. Vor allem dies: Kritik an Israel, da irre Grass, sei gar nicht antisemitisch. »Müsste man sie im Zweifelsfall nicht eher antiisraelisch oder vielleicht antizionistisch nennen?«, fragt er. Das scheint des Kritikers große Sorge. Und auch noch das: Sich dergestalt zu äußern, sei gar nicht verboten. Hammelehle wirft Grass »die Frivolität des Tabubruchs« vor, als wolle er sich und seinen Deutschen das längst Erreichte nicht nehmen lassen, nämlich ungehindert von äußeren wie inneren Zensoren sagen zu können, was einem auf der Leber liegt: »Erst kürzlich konnte der SPD-Chef Sigmar Gabriel doch ganz unbehelligt von ›Apartheid‹ in Hebron schwadronieren. Wurde er bestraft? Nein.«

Empirisch richtig, normativ falsch, doch letzteres ficht Hammelehle nicht an. Dabei müht er sich persönlich durchaus um die Staatsräson, sieht Israel »von Feinden umzingelt« und hat auch nichts gegen deutsche U-Boote für den jüdischen Staat. Doch wie es in ihm trotzdem denkt, kann er nur schlecht verbergen: »Ob es in absehbarer Zeit, wie im Gedicht unterstellt, zu einem Atomangriff kommt, mit dem Israel das ›iranische Volk auslöschen könnte‹, ist keineswegs sicher.« Keineswegs sicher. So räumt er kulant eine Restwahrscheinlichkeit ein, dass Israel keinen atomaren Erstschlag plant, und auch keine 75 Millionen Iraner zu vernichten trachtet. Jetzt einen »Faktencheck« zu bemühen, wäre zwar medientypisch, aber absurd: Wo es so denkt, sind Fakten obsolet.

Deutlicher noch wird Stefan Reinicke, aber der schreibt auch für die taz: »Richtiges Motiv, falscher Ton«. Er kritisiert zunächst die Form, denn »Leitartikel in Lyrikform sind immer Mogelei«, und fordert eine »klare Beweisführung«. Einen »atomaren Erstschlag Israels auf Iran« gäben dann selbst die »schlimmsten Untergangsszenarien« nicht her. Ende der Beweisführung, es folgt die Offenbarung: »Nein, Grass ist kein Antisemit, und sein Motiv, vor dem drohenden Militärschlag Israels gegen Iran zu warnen, ist legitim. Man muss dieses Anliegen gegen den egomanen Autor verteidigen – und erst recht gegen Kritiker, die mit dem Verdikt ›Antisemitismus‹ Israel gegen jede scharfe Kritik imprägnieren.« Der Dissens ist lediglich einer in der Form, und Grass schadet nur dem gemeinsamen Anliegen: »Im schlimmsten Fall nutzt er damit ausgerechnet den Falken, die den israelischen Angriff wollen.« Reinicke geht es somit um nicht weniger als die Rettung der »Israelkritik« vor einem unkontrollierbar gewordenen Alten, der die Sache zu desavouieren droht.


Selbstbeschwörung

So also argumentieren nicht wenige vorgebliche Kritiker von Grass, von seinen offenen Apologeten ganz zu schweigen – um die soll es hier allenfalls am Rande gehen. Sie werden zahlreicher und in den Medien vernehmbarer. Sie sind des Volkes wahre Stimme – das zeigen die Reaktionen in Leserbriefen, Onlineforen und Höreranrufen. Doch in der öffentlichen Debatte geben immer noch die Antigrassisten den Ton an. Und dieser klingt in seiner Monotonie nach Selbstbeschwörung:

  • Außenminister Guido Westerwelle hält es für absurd, »Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen«. (Wenn Westerwelle zugleich konstatiert, Deutschland setze sich »für eine atomwaffenfreie Zone im gesamten Nahen und Mittleren Osten ein«, dann klingt darin ein Motiv von Grass an, dann kann das durchaus als Drohung in Richtung Israel verstanden werden.)
  • Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, stellt fest: »Grass verwechselt Ursache und Wirkung«; »mit seinem politischen Urteil liegt er völlig daneben«. (Polenz’ Engagement für Waldorfpädagogik, »moderaten Islamismus« und freundschaftliche »Israelkritik« ist gleichwohl Legende.)
  • Rolf Hochhuth schließlich schämt sich »als Deutscher« und unterstellt Grass, er sei schlicht der SS-Mann geblieben, der er einst freiwillig wurde. (Hochhuth ist jener »Antifaschist«, der in der Jungen Freiheit den Holocaustleugner David Irving als einen »fabelhaften Pionier der Zeitgeschichte« bezeichnete.)

Die Liste der Empörten aus Politik und Kulturbetrieb ließe sich beliebig verlängern. Wenn aber die Räson der Merkel, das Eintreten für das Existenzrecht Israels, von solch bundesrepublikanischer Selbstverständlichkeit wäre, wie es gerade in Anbetracht der Unzahl sendungsbewusster Antigrassisten erscheint, dann wäre das Ausmaß der Empörung unnötig. Die Vehemenz der Grass-Kritiker erscheint in diesem Lichte unsouverän. Das hat Gründe.


Exorzismus

Zum einen scheint es bei den Besseren der Kritiker ein autosuggestives Moment zu geben: Die Gewissheit nämlich, Deutschland stünde in der Not zu Israel, ist zu fragil. Den wiedergutgewordenen Deutschen wird allenfalls zweifelnd Glauben geschenkt. Das ist vernünftig. Noch größere Einmütigkeit als gegen Grass gab es nämlich, als es einmal konkret wurde – gegen Israel: Am 1. Juli 2010 kannte der Bundestag keine Parteien mehr und votierte einstimmig für eine Resolution, in der »die unmittelbare, bedingungslose und dauerhafte Öffnung von Zugängen zu Gaza« gefordert wurde; die Gaza-Blockade sei zu beenden, und zwar sofort. Das war die unzweideutige Parteinahme gegen Israel und sein Interesse, arabische Terrorbanden am freien Güter- und Personenverkehr zu hindern; das war, auf seine Konsequenz hin gedacht, ein Kapitulationsaufruf an den jüdischen Staat. Eine Grass-Kritik, die das nicht mitdenkt und den Konsens der hohlen Phrase beschwört, der in der Praxis nichts bedeutet, ist bestenfalls wishful thinking.

Zum anderen scheinen die Schlechteren der Kritiker, jene, die sich um die Rettung der »Israelkritik« mühen – und das ist die Mehrheit –, erschrocken, weil sie sich in Grass selbst wiedererkennen. Darum betreiben sie einen doppelten Exorzismus: Es wird der alte Nazismus, der in seiner Sprache aufscheint, ebenso ausgetrieben wie das, was sich in seiner Sprache bis zur Kenntlichkeit entstellt: So meint man es selbst ja gar nicht, und schon gar nicht in dieser Diktion. Das ist durchsichtig: Da die von Nazideutschland angestrengte »Endlösung« unvollendet blieb, bildet seitdem der wehrhafte Zionist das peinigende Gegenbild zu jenem schicksalsergebenen Juden, der dem in der Barbarei gescheiterten Westen überhaupt noch erträglich erscheint. Darauf gründet sich ein doppeltes psychologisches Bedürfnis: zu brechen mit dem alten Antisemitismus, und sei es der Form halber, und zugleich seinen Frieden zu machen. Und da dieser nicht mit Israel gelingen kann – der real existierende Judenstaat ist immer auch lebendige Erinnerung an sechs Millionen Ermordete –, dann eben als Frieden gegen Israel.**

Diese beiden Bedürfnisse werden versöhnt im sprachlich Maß haltenden und moralisch einwandfreien Pazifismus der Äquidistanz; man »kritisiert« Israel als »Freund« ja nur zu dessen angeblich eigenem Besten, und man tut dies in einer durch die NS-Vergangenheit unbelasteten Sprache. Günter Grass hat diese Versöhnung aufgekündigt; das ist sein Vergehen. Wenn nämlich der Alte nun in altem Jargon gegen Israel tönt, dann befindet er sich außerhalb des Cordon sanitaire, der im postnazistischen Diskurs errichtet wurde. Im Grunde findet er aber nur zurück zu jener Sprache, die unverstellt den Blick darauf zulässt, was eigentlich gemeint ist.

Einigkeit existiert zwischen den tonangebenden falschen Kritikern und den sich langsam aus der Deckung wagenden wahren Freunden von Grass darüber, dass man zur Tagesordnung zurückkehren müsse. Und auf dieser steht unvermindert Israel – als deutsche Obsession. Schluss also mit einer »Diskussion, die einem wenig sagt über das, was im Nahen Osten passiert«, mit diesem Selbstgespräch »so voller Wehleidigkeit, Selbsthass und mühsam unterdrückter Aggression«. Zurück dafür zum Judenstaat, der künftig von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Grass die Einreise verweigern will. Das mag ein symbolischer Akt sein, aber er bedeutet für den Antisemiten, dass man auf dessen vorgebliche Verbundenheit – Grass gibt ja in seinem Elaborat vor, ein Freund Israels zu sein und dies auch bleiben zu wollen – keine einzige Agora gibt. (Diese kleine Münze ist ohnehin schon seit langem aus dem Verkehr gezogen.) Dies hält man hierzulande für unangemessen respektive überzogen, und eben jene Medien, die sich gerade noch über Grass echauffierten, lassen nun ihre guten Juden die Entscheidung Israels verdammen – ob durch Avi Primor (die Entscheidung sei »übertrieben und populistisch«), Moshe Zimmermann (»Zensur« sei am Werk, die »nicht untypisch für Israel« sei) oder Tom Segev (»Damit rückt Israel sich in die Nähe Irans«). So geht »Israelkritik« heute – willkommen zurück in der deutschen Realität.


Kunstsimulation

Eines noch zum Versagen der Grass-Kritik, weil sie es nicht wirklich ernst meint: Was der »Dichter« da fabrizierte, als Lyrik weiter gelten zu lassen, und sei es als schlechte, ist ein Anschlag auf die Kunst. Dieser Anschlag ist nicht minder perfide als das öffentlich-rechtlich erklärte Anliegen des Alten, sich mit seiner Schundproduktion in eine Reihe von Walther von der Vogelweide über Heinrich Heine bis Bertolt Brecht zu stellen. (Dass er sich in einem Atemzug mit Erich Fried nennt, ist allerdings berechtigt.) Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass engagierte Kunst nichts anderes ist als Engagement für Weltanschauliches im Tarnmantel einer Kunstsimulation (und damit eine Lüge) und dass die Tarnung notwendig versagt, sodass pure Ideologie erscheint, dann hat Grass diesen erbracht. Form follows function, und darum gilt: Eine Kritik, die beim greisen Dichterdenker nicht Form und Inhalt in ihrer jeweiligen Unerträglichkeit aufeinander bezieht, macht sich mit dem vorgeblich Kritisierten auf halber Strecke schon gemein. Während der Alte denkend als erledigt gilt, soll er allenfalls noch dichten dürfen. Am Ende seines Interviews wünscht sich der dauergrinsende Tom Buhrow von Grass dann auch, was nur ein nächstes Grauen wäre: einen neuen Roman.

Da also die Kritik an Grass so überlaut, übermächtig und im Argument oft so labil ist und da sie in der politischen Praxis wenig zu bedeuten hat, gibt sie unfreiwillig ihr Wesen preis. Sie zieht eine Demarkationslinie zu Grass, zum Unsäglichen, um zu salvieren, was sich im Ton mäßigt, auch wenn es Gleiches meint. Die neue Zeit hat ihren neuen Jargon, da stört das desavouierte Raunen des Alten. Wir erleben: den überfälligen Vatermord der Grassdeutschen.

Deutschland empört sich. Doch nichts ist gut.


Anmerkungen
* Eike Geisel prägte einst die Wendung von der »Wiedergutwerdung der Deutschen«. Aber Geisel ist tot, und weil er sie nicht freundlich meinte und obendrein noch Recht hatte, will kaum jemand sich noch an ihn erinnern.
** Man müsste an dieser Stelle den israelischen Psychoanalytiker Zvi Rex zitieren, dass nämlich die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen. Aber das wird dieser Tage schon oft genug getan, nur meist ohne darauf abzuheben, was das recht eigentlich bedeutet.

Zum Foto: Von Günter Grass gestiftetes, mit einem Graffito versehenes Denkmal. Göttingen, 7. April 2012.

http://lizaswelt.net/2012/04/09/der-vatermord-der-grassdeutschen/

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Was gesagt werden muss

Gedicht für Günter (unterstufenlyrisch)

Mit letzter Tinte ächzt der Alte
in ungereimter Poesie:
Dass die sich nicht mehr schlachten lassen,
verzeihe ich den Juden nie.

Der Jude will Atomraketen.
Der Jude will den Weltenkrieg.
Der Jude will uns alle meucheln.
Am Ende droht des Juden Sieg!

Da muss man doch was machen können,
und wenn nicht wir, dann der Iran.
Mahmud, mein alter Mullahkumpel!
I shout it out loud: Yes, you kann!

Der Günter fühlt sich ganz verwegen,
der Greis ist wieder jung, vital.
Die Lösung einst ging zwar daneben,
versuchen wir’s halt noch einmal!

So denkt’s im deutschen Dichterdenker.
Er rülpst und rotzt es aufs Papier.
Sein Wahn kennt keine Einsamkeit.
In Deutschland gilt: Vom Ich zum Wir.

Boris Yellnikoff
(der für dieses Gedicht den Nobelpreis verlangt)

http://lizaswelt.net/2012/04/04/was-gesagt-werden-muss/

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Karneval der Empörten

In Magdeburg wurde anlässlich einer Nazi-Demo und der Proteste dagegen vollends ununterscheidbar, wer auf welcher Seite steht.


VON TJARK KUNSTREICH UND JOEL NABER


Die Häftlingsuniformen reichten nicht, auch die Gesichter hatten sie sich grau angemalt, um die Wohlstandsrosigkeit zu kaschieren: Eine Gruppe von Demonstranten, die gegen den Nazi-Aufmarsch in Magdeburg am 14. Januar protestieren wollten, hatte sich da etwas ganz Besonderes ausgedacht. Allerdings waren sie nicht barfuß unterwegs oder in Holzschuhen; so sieht man auf dem Foto oben die Markenschuhe, die Authentizität hat schließlich ihre Wettergrenzen. Wer nun vermutet, dass es sich hier um besonders radikale Gegner handelte, die zu jeder Form der Verhinderung eines Aufmarsches der Nazis bereit gewesen wären, hat weit gefehlt. Nicht nur, dass man sich schlicht auf die Straße legte, um sich wegtragen zu lassen. Um den Anschein allzu großer Identifikation mit den Opfern des Nationalsozialismus gar nicht erst aufkommen zu lassen, legten diese Leute eine Erklärung in Form eines Transparents vor, auf dem stand: »FÜR DAS ERINNERN – Wir trauern um jeden Menschen, den wir an den Faschismus verlieren«.

Erinnern an was? Und wer ist das »Wir«, das Menschen an den Faschismus verliert? Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich an die Stelle der Opfer setzt und die schon für sich genommen pervers ist, setzt sich reibungslos fort in der Nonchalance, mit der im selben Moment die Opfer des Nationalsozialismus durch die Nazis ersetzt werden, »die wir an den Faschismus verlieren«. Was suggeriert das anderes als: Wir könnten uns doch, im ERINNERN, so gut verstehen! Diese Ergänzung des Nazi-Gedenkens an die Bombardierung Magdeburgs steht in der schlechten Tradition des DDR-Antifaschismus, der schon immer die Opfer der Vernichtung vereinnahmte und damit zugleich zum Verschwinden brachte – doch es geht noch eine Stufe weiter: Das kämpferische Moment der Kommunisten ist der Identifikation mit der den Opfern zugedachten Passivität gewichen, die als Unschuld imaginiert wird.

Ehemalige KZ-Häftlinge haben zu verschiedenen Gelegenheiten ihre Uniformen wieder angezogen – manchmal auch solche Überlebende, die nicht im KZ waren –, um beispielsweise gegen Berufsverbote zu protestieren oder für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zu demonstrieren. Schon das war fragwürdig, aber es war die Sache der Überlebenden. Allerdings war ihr Erscheinen vor dem Majdanek-Prozess oder anlässlich von IG-Farben-Aktionärsversammlungen Ausdruck ihres Interesses und ihrer Anliegen – gegen eine Gesellschaft, die die Tatsache, dass sie diese Uniformen einst trugen, verleugnete. Mit dem Tod der Überlebenden hat sich diese Form des moralischen Appells gegen das Vergessen erledigt. Nicht erledigt hat sich dagegen offenbar die Attraktivität des Opferstatus – die obszöne Verkleidung bringt schlafwandlerisch die neueuropäische Moral der Empörten zum Ausdruck, die sich von den Altnazis gestört fühlt, aber sie instinktiv auf ihrer Seite zu wissen wünscht. Denn an Gemeinsamem – dem ERINNERN an die Schrecken des alliierten Bombenkriegs und an die Gegenwart der fortdauernden Schrecken des globalisierten Kapitalismus – mangelte es doch nicht.

Dass sich das in Magdeburg abspielt, jener Hochburg der Vereinigung von west- und ostdeutschem Antiimperialismus, ist kein Zufall: Von allem war die Rede vor diesem Nazi-Aufmarsch, nur nicht vom Antisemitismus und vom Hass auf Israel. Wer davon spräche, würde im Handumdrehen Demonstranten wie Gegendemonstranten vereint gegen sich sehen. Die europäische Unschuld, die heute lieber morden lässt, statt selbst zu morden, fühlt sich von den bösen ewiggestrigen Nazis, denen man zumindest zugestehen muss, dass sie negativ die Wahrheit der europäischen Geschichte repräsentieren, eben so sehr gestört, wie sie sie zur Selbstvergewisserung braucht. In wenigen Wochen wird sich das Gleiche in Dresden abspielen, eine Selbstversicherung für deutsche Antifaschisten, die ohne Nazis in eine Identitätskrise gerieten – nicht von ungefähr sah man auf der Seite der Gegendemonstranten kein Transparent, das die Lüge von den »alliierten Mördern« angegriffen hätte. Denn darin ist man sich einig: Deutsche Opfer sind keine Täter.

http://lizaswelt.net/2012/01/16/karneval-der-empoerten/

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Der Hass auf die Freiheit

Nine-Eleven und der Furor gegen den Individualismus – drei Thesen. Dokumentation eines Vortrags von Tilman Tarach, gehalten im Rahmen der Freiburger Thementage Antisemitismus am 10. September 2011 und hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.


VON TILMAN TARACH


I.

Nicht nur Osama bin Laden und seine heimlichen sowie offenen Sympathisanten sehnten sich die Zerstörung New Yorks herbei. Schon über Adolf Hitler schrieb Albert Speer in seinen Spandauer Tagebüchern: „Ich erinnere mich, wie er sich in der Reichskanzlei Filme vom brennenden London, vom Feuermeer über Warschau, von explodierenden Geleitzügen vorführen ließ und welche Gier ihn dann jedes Mal erfasste. Nie aber habe ich ihn so außer sich gesehen wie gegen Ende des Krieges, als er wie in einem Delirium sich und uns den Untergang New Yorks in Flammenstürmen ausmalte. Er beschrieb, wie sich die Wolkenkratzer in riesige, brennende Fackeln verwandelten, wie sie durcheinander stürzten, wie der Widerschein der berstenden Stadt am dunklen Himmel stand, und er meinte, wie aus einer Ekstase zurückfindend, Saur solle den Entwurf Messerschmidts für einen vierstrahligen Fernbomber sofort in die Wirklichkeit umsetzen.“ [1]

Nun ist Speer zwar ein zweifelhafter Zeuge, aber es existiert auch eine Karte aus dem Jahr 1944, die einen deutschen Angriff auf Manhattan und die zu erwartenden Zerstörungen skizziert. [2] Das Zitat und die Karte erinnern in geradezu unheimlicher Weise an 9/11, und in der Tat kann der Angriff auf die Twin Towers als späte Erfüllung eines leidenschaftlichen nationalsozialistischen Wunsches verstanden werden. Allerdings wird die ideologische Nähe der Attentäter von 9/11 zum Nationalsozialismus weitgehend geleugnet.

Osama bin Laden hatte sich schon in seiner Schulzeit der Muslimbruderschaft angeschlossen, deren Gründer Hassan al-Banna ein glühender Bewunderer Mussolinis und Hitlers war, die „ihre Völker zu Einheit, Ordnung, Erneuerung, Macht und Ruhm“ geführt hätten. Auch von Hitlers Rundfunkreden und den Deutschen war al-Banna begeistert, wohingegen er die „Verwestlichung“ und „Verweichlichung“ der Ägypter kritisierte, die leider von einer „Liebe zum weltzugewandten Leben und einem Hass auf den Tod“ erfasst worden seien. [3]

Die Parole „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ ist bekannt geworden durch die Madrid-Attentäter aus dem Jahr 2004, in Wahrheit jedoch gehört sie zum Standardrepertoire der antiwestlichen islamistischen Verlautbarungen. Bin Laden äußerte sich schon 1996 in einer an die Amerikaner gerichteten Fatwa wie folgt über seine jungen Anhänger: „Diese jungen Männer lieben den Tod, so wie ihr das Leben liebt.“ [4] Dass insbesondere die Juden „eher das Leben lieben“, wohingegen „wir“ – die Palästinenser – „eher den Tod lieben“, hört man in den palästinensischen Gebieten mitunter von ganz normalen Bewohnern (auch Ulrich W. Sahm berichtet dies), und auch verschiedene hochrangige Hamas-Vertreter gaben Ähnliches bereits zum Besten, etwa Fathi Hamad und Ismail Haniya.

Der wichtigste geistige Pate bin Ladens war der Ägypter Sayyid Qutb, einer der bedeutendsten islamistischen Theoretiker der Muslimbruderschaft. In seinem 1950 veröffentlichter Aufsatz Unser Kampf mit den Juden schrieb Qutb beispielsweise: „Allah hat Hitler gebracht, um über sie zu herrschen; […] und Allah möge (wieder) Leute schicken, um den Juden die schlimmste Art der Strafe zu verpassen; damit wird er sein eindeutiges Versprechen erfüllen.“

Was nun Osama bin Laden betrifft, so haben sich weite Teile der europäischen Gesellschaft noch nicht einmal zu dem sprichwörtlichen schrecklichen Verdacht durchgerungen, er könnte etwas gegen Juden gehabt haben. Der diesbezügliche, ziemlich ausführliche deutsche Wikipedia-Eintrag beispielsweise erwähnt dessen Antisemitismus mit keiner Silbe, obwohl er in bin Ladens Ideologie eine zentrale Stellung einnahm und seine Texte vor antisemitischer Hetze nur so strotzen. „Der jüdische Feind ist der Aggressor, der Verderber der Religion und der Welt“, erklärte er 1994; ein Jahr später bezeichnete er die „Palästinafrage“ als „die Mutter aller muslimischen Anliegen“. Im November 2001 sagte er in einer Video-Botschaft: „Wie sollen die armen Mütter von Palästina ertragen, dass ihre Kinder vor ihren Augen den Unterdrückern, den jüdischen Polizisten zum Opfer fallen, mit der Unterstützung der USA, mit Flugzeugen und Panzern der USA? Wer zwischen Amerika und Israel unterscheidet, ist der wahre Feind der Umma.“ Und in seinem „Brief an Amerika“ vom November 2002 schrieb er: „Euer Gesetz ist das Gesetz der Reichen und Mächtigen, die in ihren Parteien Hof halten und Wahlkampagnen durch ihre Geschenke finanzieren. Hinter ihnen stehen die Juden, die eure Politik, eure Medien und eure Wirtschaft kontrollieren.“ (Auch dies könnte aus der Feder der Nationalsozialisten stammen, die ja hinter den Alliierten ebenfalls nur Juden sahen.) In seinem Brief „an die Völker Europas“ schließlich erklärte bin Laden im April 2004: „Präsident Bush und die anderen Regierungsvorsitzenden, die großen Medienkonzerne, die Vereinten Nationen, die zwischen den militärischen Führern und der mächtigen Generalversammlung ihre Gesetze erlassen – sie alle sind nur Agenten der Täuschung und Ausbeutung. Diese und andere Gruppen sind eine tödliche Gefahr für die gesamte Welt, und die gefährlichste und komplexeste ist die Lobby der Zionisten.“ [5]

Personen aus dem Hamburger Umfeld von Mohammed Atta, dem wohl bedeutendsten der 19 Attentäter des 11. September, attestierten diesem unumwunden ein „nationalsozialistisches Weltbild“. Die Juden waren für ihn die „Strippenzieher der Medien, der Wirtschaft, der Politik“, und natürlich steckten sie auch hinter den Kriegen am Golf, auf dem Balkan, in Tschetschenien und so weiter. Atta wünschte sich einen Gottesstaat vom Nil bis zum Euphrat, das heißt: die Zerstörung Israels. Die Juden, so Atta, wollten letztlich den Islam ausrotten, und das „Zentrum des Weltjudentums“ befinde sich in New York. [6] Schon Abdul Rahman Yasin, der am 1993er-Anschlag auf die Twin Towers beteiligt war, hatte sich in den Wahn hineingesteigert, die Mehrzahl der im World Trade Center arbeitenden Menschen seien Juden.

Gleichwohl erntet man insbesondere innerhalb großer Teile der politischen Linken bestenfalls Kopfschütteln, wenn man den antisemitischen Charakter von 9/11 benennt; nicht selten wird ein solcher Hinweis gar empört zurückgewiesen, als Denunziation des wackeren Kämpfers Osama bin Laden nämlich, der doch zumindest „objektiv“ als Antiimperialist zu gelten habe. Das antisemitische Weltbild der Täter wird also verleugnet oder verharmlost – so wie insbesondere die politische Linke in der Weimarer Republik den Antisemitismus der Nazis allzu leichtfertig bagatellisiert hatte (als „Nebenwiderspruch“ beispielsweise). Und die Interviews bin Ladens sowie die sonstigen antisemitischen Äußerungen der Gotteskrieger werden kaum zur Kenntnis genommen, so wie in der Weimarer Zeit die Europäer einschließlich der Linken es kaum für nötig befanden, Mein Kampf zu lesen und zu skandalisieren.


II.

Der Hassschwerpunkt aller Antisemiten ist gegen die Idee der Emanzipation des Individuums von den Zwängen der Natur und vor allem der Gesellschaft gerichtet; Judenfeinde sind stets Feinde der individuellen Freiheit und der Geistes. Nicht das Subjekt mit all seinen Bedürfnissen steht im Vordergrund, sondern ein religiöses oder nationales Kollektiv: Was früher die Christenheit war, ist heute die Umma oder die mit der Scholle verwachsene, gleichsam naturwüchsige Volksgemeinschaft. Das zeigt sich auch an den gängigen antizionistischen Parolen: Es ist eher selten die Rede von der „Freiheit für die Palästinenser“, weitaus häufiger wird die „Freiheit für das palästinensische Volk“ gefordert. Antisemiten sind geprägt von der Angst vor dem Verlust der Nestwärme der eigenen Gemeinschaft, von der Angst vor der Freiheit und der mit der Freiheit stets verbundenen Unsicherheit und Notwendigkeit der intellektuellen Anstrengung. Die Delegation jeder Entscheidung an eine Autorität bzw. an ein Kollektiv jedoch führt zur intellektuellen Verwahrlosung.

Antisemiten haben infolgedessen eine regelrechte Knechtsgesinnung gegenüber ihrem eigenen, paternalistisch strukturierten Kollektiv, und zur Selbstversicherung werden regelmäßig die Juden als (vermeintlich) religiöses – oder Israel als nationales – Gegenkollektiv wahrgenommen und gehasst (aber zugleich heimlich beneidet), denn sie werden als gleichschaltungsresistent imaginiert und erinnern den Antisemiten unbewusst an seine eigene armselige Existenz in seiner freiwilligen Unterwerfung unter seine eigene Gemeinschaft. Es ist, als würde die gesichtslose, dem Herdentrieb folgende graue Maus den Juden vorwerfen: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod!“

Dies alles gilt jedoch nicht nur in Bezug auf Israel, sondern tendenziell auch in Bezug auf Amerika. Bezeichnend ist schon die vor allem im isla­mi­schen Raum häufig anzutreffende Bezeichnung der USA als „großer Satan“ (neben dem „kleinen Satan“ Israel), denn gerade die Figur des Satans ist es, die einen in Versuchung führt, die also insgeheim eine (freilich verleug­nete) Attraktivität ausstrahlt. Amerika steht bei den Gotteskriegern und ihren europäischen – heimlichen oder bekennenden – Freunden im Verdacht, die Moderne zu repräsentieren, den „seelenlosen“ Materialismus, die Gleichstellung der Frau, die geistige sowie sexuelle Libertinage und die individuellen Freiheitsrechte. Und in diesem Verdacht standen die USA seit ihrer Entstehung; er besteht gänzlich unabhängig von einer möglicherweise guten oder schlechten amerikanischen Außenpolitik.

Überdies beäugt manch ein Blut-und-Boden-Obsku­rantist die Vereinigten Staaten schließlich auch deshalb miss­trauisch, weil sie keine „Blutsnation“ sind, also nicht wirklich auf einer gemeinsamen Ab­stam­mung (oder wenigstens auf einer gemeinsamen Religion) beruhen und nicht „mit ihrer Scholle verwachsen“ sind – anders als manche europä­ische und vor allem arabische Staaten, deren „Volksge­meinschaften“ als natur­wüchsig und autoch­thon wahrgenommen und den „künstlichen“, multi­kulturellen, mit­unter als „jü­disch versippt“ halluzinierten USA gegenübergestellt werden. Es ist ja gerade das Merkmal der Künstlichkeit, das beson­ders gerne auch gegen Israel in Anschlag gebracht wird, wie schon der beliebte, abfällige Begriff „zionistisches Gebilde“ belegt.

Der aggressive Wunsch der Antisemiten, die Juden als Störenfriede der eigenen Friedhofsruhe loszuwerden, verdichtet sich letzten Endes im Verlangen nach Elimination. Es handelt sich dabei um den von Freud beschriebenen unbewussten Vorgang der Projektion; Antisemiten sind daher in der Regel nicht dazu fähig, ihre Empfindungen zu reflektieren. Beim Antisemitismus handelt es sich also um nicht weniger als eine Massenpsychose.

Um die eigene Aggressivität zu kaschieren, werden dabei die Juden stets als Angreifer halluziniert. Früher hieß es in diesem Zusammenhang „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei Juden!“, heute wird Israel zum Aggressor gemacht, zu dem Staat, der wie kein anderer den Weltfrieden bedrohe und Palästinenser quäle, obwohl doch Israel seit über 60 Jahren bedroht und angegriffen wird und obwohl die Palästinenser, die in Israel leben – also die israelischen Araber – unvergleichlich mehr Rechte und Freiheiten haben als die Palästinenser in jedem arabischen Staat.

Aber seit dem 8. Mai 1945 gibt es in Deutschland keine Antisemiten mehr, es gibt nur noch „Israelkritiker“. Doch so wie der Antisemitismus in Adornos berühmt gewordenen Diktum als „das Gerücht über die Juden“ beschrieben wurde, so ist der Antizionismus das Gerücht über Israel.


III.

Die Juden, die so genannten Volksfeinde, die Schwulen, die Intellektuellen, aber auch alle anderen, die im Verdacht stehen, das eigene Glück zum Handlungsmaßstab zu machen, wirkten „zersetzend“ – so heißt es. „Zersetzen“ bedeutet hier, ein Kollektiv in seine Einzelteile aufzulösen. Wer sich dem Kollektiv nicht unterwirft, wer alleine durch seine Existenz beweist, dass man sich sozialem Druck nicht beugen muss, der gilt nicht selten als (Volks-)Verräter oder fremdgesteuerter Spion. Diesen Vorwurf mussten nicht nur linke Dissidenten immer wieder fürchten, sondern beispielsweise auch palästinensische Araber, die sich dann doch lieber für ein eigenes gutes Leben einsetzten statt für den Tod der Juden. Tausende von ihnen wurden in den letzten Jahrzehnten ermordet, unter dem Vorwurf, sie seien Kollaborateure mit Israel.

Aber auch anderen wird vorgeworfen, Agenten in fremdem Dienst zu sein. Die aus Bangladesch stammende Schriftstellerin Taslima Nasrin etwa wurde von fanatisch-muslimischer Seite verdächtigt, eine jüdische Spionin zu sein, weil sie Islamkritik betreibt und sich für Frauenrechte einsetzt. Und die Vertreter sowohl der linken als auch der rechten Opposition gegen Stalin wurden regelmäßig als „Agenten des Imperialismus“ oder einer jüdischen Weltverschwörung denunziert. Vergleichbare Anwürfe wurden immer wieder auch gegen Karl Marx, Sigmund Freud oder Theodor W. Adorno erhoben und ebenso – beispielsweise in den unsäglichen „Protokollen der Weisen von Zion“ – gegen die Anhänger der Französischen Revolution. Im Grunde haben wir ein analoges Phänomen schon beim europäischen Hexenwahn, denn auch die als Hexen bezeichneten Frauen wurden als von einer höheren, fremden Macht – dem so genannten Teufel – gesteuert betrachtet. Und wer heute insbesondere innerhalb eines linken sozialen Umfelds solidarisch mit Israel ist, dem wird ebenfalls nicht selten unterstellt, fremdgesteuert zu sein: Früher rief man ihm „Judenknecht“ nach, heute gilt er bevorzugt als „Imperialistenknecht“ oder als „Marionette der israelischen Regierung“.

In das kleine Hirn dieser Leute passt der Gedanke also nicht, dass man aus Überzeugung und Gründen der Vernunft eine Position einnimmt, die doch so weit entfernt ist von dem, worauf man sich stillschweigend geeinigt hat; denn zumindest der latente Antisemitismus ist ja, wenn man so will, ein konstanter Bestandteil der europäischen Kultur. Nicht sein kann, was nicht sein darf – deswegen gilt man dann den zur Reflexion unfähigen Kleingeistern als Agent einer als übermächtig imaginierten Institution. Die eigene, unabhängig von irgendwelchen Massen angeeignete Erkenntnis wird also als fremdbestimmt denunziert, und die Ressentiments und niedrigsten Instinkte aus dem Bodensatz der Gesellschaft werden als ureigenste Identität gefeiert. Kurz: Das Eigene gilt als fremd, das Fremde gilt als Eigenes.

Anmerkungen:
[1] Albert Speer: Spandauer Tagebücher, Berlin 1993, S. 126f. (Eintrag vom 18.11.1947).
[2] Die Karte stammt ursprünglich aus der Arbeit des für die Nationalsozialisten arbeitenden Luftfahrttechnikers Eugen Sänger, im Original zugänglich im Archiv des Deutschen Museums München (Nachlass Sänger, NL 230 und Vorl. Nr. 0121).
[3] Vgl. Efraim Karsh: Imperialismus im Namen Allahs. Von Muhammad bis Osama Bin Laden, München 2007, S. 313f.; Matthias Küntzel: Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg, Freiburg 2002, S. 23.
[4] Hans-Gerhard Kippenberg/Tilman Seidensticker (Hg.): Terror im Dienste Gottes. Die „geistliche Anleitung“ der Attentäter des 11. September 2001, Frankfurt am Main/New York 2004, S. 96.
[5] Zitate aus Marwan Abou-Taam/Ruth Bigalke (Hg.): Die Reden des Osama bin Laden, Kreuzlingen/München 2006, S. 36, 48, 116, 141, 150.
[6] Der Spiegel 36/2002, S. 117.

Zum Foto: Palästinenser feiern die Terroranschläge von Nine-Eleven. Gaza, 11. September 2001.

http://lizaswelt.net/2011/09/28/der-hass-auf-die-freiheit/

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„Gerade wir als Deutsche“

Das Schuldbekenntnis heißt vielmehr, wir und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, wir müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, „wir haben nichts davon gewusst“, anstatt „wir wollen es nicht wissen“. Selbst noch das Ich stand für das Wir. Ich war kein Nazi, im Grunde waren wir’s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte. Der Unterschied zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv wird eingeebnet, wer ihn bewahrt, steht draußen, gehört nicht zu ‚uns’. […] Wer in der Politik und vielen anderen Sparten von sich selbst spricht und die Landsleute als ‚sie’ bezeichnet, erscheint, auch wenn die Hörenden es nicht realisieren, ihnen als Verräter – nur im Zufallsfall als anständiger Mensch. (Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung: Notizen in Deutschland, Frankfurt/Main 1974)

Er zählt zwar schon 85 Lenze, aber dass er sich aufs Altenteil zurückgezogen hätte, kann man von Alfred Grosser wirklich nicht behaupten. Im Gegenteil: Er verfolgt eine regelrechte Mission, die darin besteht, den Deutschen die „Israelkritik“ als ultimative Lehre aus dem Holocaust schmackhaft zu machen. Praktischerweise ist der diesbezügliche Appetit der Angesprochenen ohnehin nahezu zügellos, weshalb sie den Publizisten und Politikwissenschaftler überaus gerne als jüdischen Ehrengast zu Tisch bitten, neuerdings auch und gerade bei Festbanketten wie etwa am 9. November des vergangenen Jahres in Frankfurt am Main. Dafür wiederum ist Grosser so dankbar, dass er keine Gelegenheit auslässt, seine geschichtspolitischen Kochrezepte unters (deutsche) Volk zu bringen. Und so fand sich kurz vor dem Jahreswechsel in der FAZ unter der Überschrift „Die deutsche Kollektivschuld ist wieder da“ aufs Neue ein exquisiter Beitrag zur Haute Cuisine der Vergangenheitsbewältigung.

Grosser hatte nämlich im Deutschen Historischen Museum zu Berlin die Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ besucht und war anschließend „voller Empörung über die Grundeinstellung des Ganzen“, die da gelautet habe: „Das deutsche Volk war kollektiv schuldig.“ Der Widerstand werde „in seinen verschiedenen Formen bagatellisiert“, außerdem wisse man „doch heute, wie viele nichtjüdische Deutsche jüdischen Deutschen geholfen haben“. Überhaupt sei die Frage, wer von den Verbrechen Kenntnis gehabt habe, noch immer „schwer zu beantworten“, und längst gebe es Beweise, die zeigten, „wie gering die Kriegsbegeisterung gewesen ist und wie klein die Rolle der Judenfeindlichkeit war“. Kurzum: „Als jemand, der seit Kriegsende versucht, ‚den’ Deutschen der Hitler-Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, bin ich, wie schon gesagt, empört.“

Diese Zuschrift druckte die Zeitung für Deutschland fraglos mit dem größten Vergnügen ab, denn inmitten der ganzen Leserbriefe früherer Wehrmachtskommandeure und „Heimatvertriebener“ macht sich ein Freispruch durch einen seinerzeit Verfolgten natürlich besonders gut. Dabei bedient Grosser lediglich uralte und -zigfach widerlegte Legenden. Die Kollektivschuldthese beispielsweise wurde von den besiegten Deutschen selbst erfunden und sodann den Alliierten in die Schuhe geschoben – damit man sich anschließend als Opfer inszenieren und, wie Max Horkeimer schon in den 1950er Jahren schrieb, „das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberretten“ konnte. Denn: „Das Wir zu bewahren, war die Haupt­sache. Die Anderen sind nicht die Nazis, sondern die Amerikaner und der Widerstand.“ Dieser Widerstand wiederum kann kaum bagatellisiert werden, weil er – bei allem Respekt – schlichtweg marginal gewesen ist, auch wenn die „Opa war kein Nazi“-Generation noch das bereitwilligste Mitmachen bei der Vernichtung nachträglich in einen Akt der Auflehnung verdreht und so das Paradoxon eines Nationalsozialismus ohne Nationalsozialisten geschaffen hat.

Dass „viele nichtjüdische Deutsche jüdischen Deutschen geholfen haben“, stimmt hingegen – allerdings in einer ganz anderen Hinsicht als der von Grosser gemeinten: Die Erstgenannten, Hitlers willige Vollstrecker, haben Letzteren zuvorderst dabei geholfen, erst ihren gesamten Besitz und anschließend ihr Leben loszuwerden. Schon deshalb ist auch die absurde Frage, wer im „Dritten Reich“ vom Judenmord gewusst hat, nur so zu beantworten, wie es Nathan Gelbart in einem Gastbeitrag für die Achse des Guten getan hat: „Sicher, das plötzliche Verschwinden Hunderttausender jüdischer Nachbarn mit nichts als einem Köfferchen in der Hand konnte für den objektiven Betrachter der damaligen Zeit nur einen Kurzurlaub auf Usedom bedeuten. Und die anschließende Belegung ihrer Wohnungen samt Mobiliar durch die arischen Nachbarn belegte die These der unmittelbar bevorstehenden Rückkehr der Besitzer mit großem Nachdruck. Auch der öffentliche Abtransport Hunderttausender Juden in Güterwaggons Richtung Osten und die leere Rückreise derselben hat nur eine kleine, privilegierte und informierte Minderheit Böses annehmen lassen.“

Was es sonst noch dazu und zu der angeblich nur geringen Kriegsbegeisterung sowie der vermeintlich bloß kleinen Rolle der Judenfeindlichkeit zu sagen gibt, hat der damalige amerikanische Nachrichtenoffizier Saul K. Padover bereits 1946 in seinem buchstäblich entwaffnenden Bericht „Experiment in Germany“ ausgeführt. Es ist gewiss kein Zufall, dass es geschlagene 53 Jahre dauerte, ehe sein Buch ins Deutsche übersetzt wurde und unter dem Titel „Lügendetektor – Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45“ endlich auch hierzulande erhältlich war.

Warum Alfred Grosser selbst elementarste historische und gegenwärtige Tatsachen wahlweise nicht zur Kenntnis nimmt oder verdreht, sei dahingestellt; in jedem Fall kassiert er, wie Henryk M. Broder treffend formulierte, eine „Ehren-Dividende“ aus dem „Verlangen der Deutschen, sich mit sich selber auszusöhnen“: „Er ist der Zauberer, der das schlechte Gewissen der Deutschen gegenüber den Juden in ein Gefühl der moralischen Überlegenheit verwandelt – indem er den Deutschen attestiert, dass sie sehr wohl das Richtige aus Auschwitz gelernt haben, im Gegensatz zu deren Opfern, die durch alle Examina in der bekanntesten Weiterbildungsanstalt der Nazis gerauscht sind.“ Genau das ist es auch, was Grosser hierzulande zu einem der gefragtesten Interviewpartner und Autor macht, wann immer es um die Verbindung zwischen der deutschen Geschichte und dem jüdischen Staat geht.

Dabei erfüllt er die Bedürfnisse fast aller politischer Strömungen in Deutschland, von den Konservativen bis zu den Linken. Und das betrifft sowohl seine Einlassungen zum Thema Nationalsozialismus als auch seine „Israelkritik“, die längst zur fraktionsübergreifenden conditio sine qua non geworden ist, zu einem (volks)gemeinschaftsstiftenden Anliegen. Was Wolfgang Pohrt* anlässlich des ersten Libanonkrieges 1982 noch als eine Haltung charakterisierte, die vor allem für sich progressiv dünkende Menschen typisch sei, gilt mittlerweile weit über dieses Lager hinaus: „Im Lichte israelischer Untaten besehen verliert […] Auschwitz sowohl seine Einmaligkeit als auch seine Schrecklichkeit. Und der Verdacht muss keimen: So außergewöhnlich völkermörderisch, wie die Israelis nun sind, war Auschwitz vielleicht nur ein kleiner Fehler.“ Was diesem Verdacht zugrunde liegt, analysierte Pohrt so: „Weil gerade die Linken hier weder den Nationalsozialismus noch Auschwitz begriffen haben, weil sie Ersteren mit einem besonders tyrannischen Regime und Letzteres mit einem besonders grausamen Blutbad verwechseln, deshalb haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, das Unrecht, welches sie anderswo entdecken, könne Deutschland entlasten.“

Und beim Entdecken blieb und bleibt es nicht, wie Pohrt wusste; vielmehr fühlten sich die Täter und ihre Nachfahren nicht etwa trotz, sondern gerade wegen der deutschen Geschichte ganz besonders zum Einschreiten berufen. So entstand der Typus des „Gerade wir als Deutsche“-Deutschen: „Mit den Verbrechen, die Deutschland an den Juden und an der Menschheit beging, hat es sich eigenem Selbstverständnis gemäß das Vorrecht, die Auszeichnung und die Ehre erworben, fortan besondere Verantwortung zu tragen. Der Massenmord an den Juden verpflichte, so meint man, Deutschland dazu, Israel mit Lob und Tadel moralisch beizustehen, damit das Opfer nicht rückfällig werde. Zwei angezettelte Weltkriege böten, so meint man weiter, die besten Startbedingungen, wenn es um den ersten Platz unter den Weltfriedensrichtern und Weltfriedensstiftern geht – frei nach der jesuitischen Devise, dass nur ein großer Sünder das Zeug zum großen Moralisten habe. Je schrecklicher die Sünde, desto tiefer die Buße und Reue, je tiefer die Buße und Reue, desto strahlender am Ende die moralische Überlegenheit.“ Wenn dann noch leibhaftige Juden wie Alfred Grosser ihren Segen erteilen, umso besser.

Die Inanspruchnahme jüdischer Kronzeugen beschränkt sich inzwischen übrigens nicht mehr auf diejenigen, die eine saftige „Israelkritik“ zu bieten haben; vielmehr stürzt man sich begierig auch auf solche, die die Ausweisung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg für ein Menschheitsverbrechen halten. Im Spielfilm „Habermann“ beispielsweise inszeniert der slowakische Regisseur Juraj Herz dieses Ereignis bewusst wie die Judenverfolgung, weil er beides allen Ernstes sowohl für gleichartig als auch für gleichrangig hält. Nachfragen oder Kritik wehrt er offenherzig ab: „Ich kann mir das erlauben. Ich war im Konzentrationslager. Ungefähr sechzig Mitglieder aus meiner erweiterten Familie sind dort gestorben.“ Kein Wunder also, dass „Habermann“ im vergangenen Jahr bei den Bayerischen Filmpreisen gleich zwei Auszeichnungen abräumte: den für die beste Regie und den für den besten Hauptdarsteller. Juraj Herz bringe das Thema „sensibel, ehrlich und klar auf die Leinwand“, lobte die Jury, die darüber hinaus befand: „So mutig und kunstvoll muss Geschichte erzählt werden.“ Da wird nicht nur Erika Steinbach spitze Schreie der Verzückung ausgestoßen haben.

* Sämtliche Zitate von Wolfgang Pohrt entstammen der von Klaus Bittermann herausgegebenen Zusammenstellung von Aufsätzen dieses Autors, „Gewalt und Politik. Ausgewählte Reden und Schriften 1979-1993“, die soeben in der Edition Tiamat erschienen ist.

Zum Foto siehe den Beitrag von Jan-Philipp Hein: „Grüße aus dem Lager“.

http://lizaswelt.net/2011/01/05/gerade-wir-als-deutsche/

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 Antifaschismus von rechts

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus».“ Oder auch kürzer: „Der neue Faschismus wird sagen, er sei der Antifaschismus“ – diese Kalenderweisheit für Forentrolle ist bereits in dieser oder ähnlicher Formulierung Zehntausendfach im Netz wiederholt worden.

Von Patrick Gensing

Ob der angebliche Urheber Ignazio Silone diesen Satz tatsächlich so geäußert hat, lässt sich nicht wirklich zweifelsfrei belegen. Von Intention und Kontext wollen wir gar nicht erst anfangen. (1) Dennoch gehört diese „Wahrheit“ mittlerweile fest zu der Diskussionssimulation im Netz: Sie reiht sich ein und passt perfekt zu anderen „Fakten!“, mit denen eine bestimmte Realität mit einem absoluten Anspruch definiert werden soll.

“Die Drohungen sind real”

Zu den Merkmalen dieser Definitonsstrategien gehört es, anderen genau das vorzuwerfen, was man selbst tut: Das Einfordern von Objektivität beispielsweise – während man selbst gnadenlos selektiv Artikel, Informationsfetzen und Zitate heraussucht, die das eigene Weltbild scheinbar oder tatsächlich stützen. Ähnlich verhält es sich mit der Forderung nach „echter“ Meinungsvielfalt sowie „offener“ Diskussionskultur: In vielen Foren und Netzdiskussionen gehört es zum schlechten Ton, ständig über angebliche Zensur zu klagen und eine fehlende Ausgewogenheit zu kritisieren, gleichzeitig lassen die Meister der Wortergreifung keinerlei Widerspruch zu oder beleidigen Menschen mit anderen Meinungen geübt und wortreich.

Durch rabiate Sprache, subtilen wie offenen Drohungen werden Andersdenkende bestenfalls abgeschreckt und wahrscheinlich eingeschüchtert, auch wenn man sich das nicht eingestehen möchte. “Die Drohungen sind real”, brachte es Anne Wizorek auf den Punkt, “und die Ängste sind es auch”. (2)

Struktureller Faschismus

Sinn einer Diskussion ist es eigentlich, die Meinungen und Beiträge anderer TeilnehmerInnen wahrzunehmen und in die eigene Argumentation einzubauen, indem man auf die Gedanken eingeht und begründet, warum sie bedenkenswert, falsch oder schlicht Unsinn sind. In Zeiten von Sarrazin und “Das ist Fakt!”-Sagern ein fast schon naiv wirkender Zugang, oder? Klaus Theweleit bringt die fatale Entwicklung der rechten Diskussionskultur auf den Punkt, wenn er schreibt:

Die “Beweisrede”, die nichts anderes weiter sein will als eine Beweisrede des “Rechthabens” im eigenen Standpunkt und nichts weiter im Schilde führt als eben diese Rechtfertigung der eigenen Handlungen, ist gewalttätig. […] Wer eine Stunde lang redet, um eigene Standpunkte zu untermauern und seine Handlungen zu rechtfertigen, ist strukturell ein Faschist; unabhängig davon, was er “inhaltlich” sagt. (3)

Insbesondere im Netz hat sich eine willkürliche Definition von Meinungsfreiheit ausgebreitet, die keine klaren Grenzen kennt – außer die eigene Norm: Und so werden Beleidigungen und Diskriminierungen gegen unliebsame Minderheiten zu legitimen „Meinungen“ umgedeutet, die sie eben aber nicht sind.

Diese Phänomene und Prozesse waren nie und bleiben nicht auf das Netz beschränkt – weil keine Trennung von virtuellem und realen Leben existiert. Der öffentliche Raum im Reallife liegt allerdings oft brach – und im Netz tobt eine Schlacht darum, wer wo was noch sagen kann. Nicht, weil der „böse“ Staat überall zensieren würde, sondern weil faschistischer Hatespeech Minderheiten – seien es Feministinnen, Juden, Schwarze, Muslime, Homosexuelle, Sinti – die sich im neuen digitalen öffentlichen Leben äußern und vielleicht sogar Gehör verschaffen, wieder verdrängen und zum Schweigen bringen soll: durch Drohungen und Pöbeleien. Es geht um Defintionsmacht sowie Hegemonie. Und Ruhe.

Der “Sturm auf den Reichstag”

Die neurechten politischen Milieus, die sich im Netz gefunden und teilweise weiter radikalisiert haben, fordern aber auch zunehmend im „realen“ Leben die demokratische Öffentlichkeit heraus: Am 9. Mai war es eine Front aus Verschwörungsfreaks, klassischen Rechtsextremen und anderen politischen Irrlichtern, die zum „Sturm“ auf den Reichstag blasen wollten. Der Sturm fiel aus: Rund 350 Gestalten fanden sich vor dem Bundestagsgebäude ein; zuvor hatten Zehntausende Facebook-Profile ihr Kommen angekündigt.

"Sturm auf den Reichstag" (Copyright: Oliver Feldhaus)
“Sturm auf den Reichstag” (Copyright: Oliver Feldhaus)

Auch wenn der Sturm ein laues Lüftchen war: Die demokratische Gesellschaft wird sich weiter mit diesem Milieu beschäftigen müssen. Wir erleben derzeit eine Phase des Experimentierens; ob Mahnwachen, Hogesa, Endgame oder auch die zahlreichen -gidas: Die Freunde des strukturellen Faschismus zeigen einen beachtlichen Einfallsreichtum, was die Namen und Aktionsformen sowie Bündnisse angeht.

Und wie auch immer sich das Kind gerade nennt: die Feindbilder all dieser Grüppchen und Einzelkämpfer mit imaginärer Armee im Hintergrund gleichen sich: So wie auch für den selbst erklärten Tempelritter und dutzendfachen Mörder Anders Breivik steht der Feind im Westen (auch wenn der Feind gleichzeitig im Nahen Osten verortet wird); der norwegische Rechtsterrorist schrieb in seinem Copy-and-Paste-Manifest vom Kampf gegen die Elite aus Liberalen und Kulturmarxisten, die sich zum Komplizen der “Islamisierung” gemacht hätten, bzw. diese erst eingeleitet hätten.

Gemeint ist damit die multikulturelle oder multiethische Gesellschaft – vor allem in den Großstädten, gemeint sind „Gutmenschen“, die für die Rechte von Minderheiten eintreten und gemeint sind Liberale sowie Progressive, die eine kosmopolitische Zukunft anstreben.

“Ethnischer Protektionismus”

Mit diesen Feindbildern knüpfen Breivik, der NSU aber auch islamistische Fanatiker (wobei hier die völkische Komponente keine Rolle spielt, die Kategorisierung von Freund und Feind wird anders konstruiert) nahtlos an den historischen Faschismus an. Breivik versucht diese Einordnung auszuhebeln, indem er schreibt, er orientiere sich an Japan oder den asiatischen Tigerstaaten, die sich gegen Masseneinwanderung und für einen „ethnischen Protektionismus“ entschieden hätten – und dennoch wirtschaftlich höchst erfolgreich seien.

Andere Rechtsradikale verweisen auf das Modell von Viktor Orban in Ungarn oder eben Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Und gerade das Bündnis mit Russland gegen den Westen ist zum geeigneten Taschenspielertrick geworden, um sich als Kämpfer gegen den “westlichen Imperialismus und Faschismus” zu gerieren. Anetta Kahane merkte zum 9. Mai treffend an: “Alle, die Putins Selbstherrlichkeit gegenüber den westlichen Demokratien bejubelten, seien zu Siegern geworden – „einschließlich der neuen Nazis“.” (4)

Von ehemaligen Elchen

Übrigens war der eingangs erwähnte Silone keineswegs ein dogmatischer Sozialist, er wurde beispielsweise mit dem Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft ausgezeichnet. Für alle die, die ausschließlich Fakten verkünden, vermeintlich unpolitische Objektivität auf Basis des „gesunden Menschenverstands“ einfordern und sich auf den italienischen Antifaschisten berufen, bleibt das sicherlich nebensächlich. Aber es ist zentral: Wer für die universellen Menschenrechte eines jeden einzelnen Menschen eintritt, handelt antifaschistisch – nicht der, der besonders laut Linksfaschist, Feminazi oder SAntifa brüllt. So gesehen passt das angebliche Zitat Silones ironischerweise doch ganz gut, um politische Phänomene der Gegenwart zu beschreiben…

(1) Siehe auch: Wikipedia zu Silone
(
2) Anne Wizorek am 6. Mai 2015 auf der Republica in Berlin
(3) zitiert nach: Klaus Theweleit: “Das Lachen der Täter: Breivik u.a.”, S. 140
(4) Berliner Zeitung vom 10. Mai 2015

http://www.publikative.org/2015/05/11/antifaschismus-von-rechts/

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Bei der Gedenkveranstaltung im Reichstag zum 8. Mai 1945 zeigte das Deutsche Fernsehen leere Sitzreihen. Jetzt ist das im Deutschen Bundestag ein gewohntes Bild, für das es gute Gründe gibt. Das wissen vor allem diejenigen, die gewöhnlich mit Häme darüber berichten.

Am 8 Mai 2015 war das höchst ungewöhnlich, weil bei Veranstaltungen dieser Art selbst die Bundestagsverwaltung durch gut gekleidete Mitarbeiter sicherstellt, dass entsprechende Bilder über vollständige Anteilnahme das Haus verlassen. Wussten die Angeordneten, was sie mit den Reden erwarten würde? Bei dem Einheitsbrei der Qualitätsmedien, der uns seit Jahr und Tag vorgesetzt wird, um das deutsche Volk in Wallung gegen Moskau zu bringen, ist bei der nachträglichen Kommentierung der Reden doch auffallend, wie intensiv diese mit „umstritten“ belegt worden sind. Das hätte man vorher wissen können. Nicht nur Professoren zeichnen sich, wie jüngst eine bekannte Wiener Journalistin festgestellt hat, dadurch aus, daß sie bei geschichtlichen Ereignissen, die Jahrzehnte zurückliegen, jedenfalls Anstand zeigen, während in der Gegenwart es Zeitgenossen schwer fällt, Rückgrat zu beweisen.

War es das, was die Abgeordneten davon abhielt, ins Plenum zu gehen? Oder ist es in diesen Tagen einfach zu viel, was ihnen und dem ganzen deutschen Volk zugemutet wird? Den wenigsten von Ihnen wird dabei durch den Kopf gegangen sein, wie dramatisch sich die Zeiten geändert haben, alleine wenn sie an den Roten Platz in Moskau und die demonstrative Abwesenheit der westlichen kalten und heißen Krieger bei der zu erwartenden Militärparade denken würden. Wie haben sich doch auf dem Roten Platz die Bilder geändert. Vor Jahr und Tag wurden dort Musikkorps der Deutschen Bundeswehr von einem begeisterten Publikum willkommen geheißen. Nach dem Elend der Kriege war es ungewöhnlich, wie herzlich die Kommentatoren auf dem Roten Platz die deutschen Soldaten begrüßten und wie sie es sich nicht nehmen ließen, die jahrhundertealte gute Zusammenarbeit zwischen Russen und Deutschen hervorzuheben. Und heute? Welchen Auftrag hatte der Herr Bundespräsident bei seiner „Waffen-und Einsatzrede“ vor gut einem Jahr in München?

Haben die Abgeordneten, die es vorgezogen haben, in den Restaurants des Reichstagsgebäudes, in ihren Büros oder gar zu Hause zu bleiben, nicht mehr über das Herz gebracht, sich die Regierungsbank anzusehen und sich die Titelblätter amerikanischer Nachrichtenmagazine über die Frau Bundeskanzlerin als die angeblich mächtigste Frau der Welt zu Herzen zu nehmen? Und diese Titelbilder mit der deutschen Wirklichkeit zu vergleichen? Selbst in der souveränitätsbeschränkten Bonner Republik wurde zu keinem Zeitpunkt so unter Beweis gestellt, wie ohnmächtig ein deutscher Regierungschef vorgeführt werden sollte. Seit 2008 ist offenkundig, dass die amerikanische NSA in Deutschland und Europa macht, was sie will. Wir müssen sogar den Eindruck hinnehmen, daß der eigene BND von den Freunden gekidnappt worden sein könnte, um gnadenlos hinter alles zu kommen, was sich abschöpfen lässt. Wer hat dabei noch den Bundeskanzler Helmut Schmidt vor Augen, der die gefährliche sowjetische Raketenrüstung im Bündnis zum Unwillen vieler zum Thema machen konnte? Oder Helmut Kohl, der sein zehn-Punkte-Programm unter dem Gesichtspunkt der nationalen Interessen formulierte und vorher nicht im oval office antichambriert hatte?

Heute hat vorgeführte Ohnmacht einen Namen und den trägt leider unsere Bundeskanzlerin. Es ist die Ohnmacht aller Deutschen und reduziert sich nicht auf eine Person. Dieser Eindruck wird noch dadurch verschlimmert, dass seitens des deutschen Regierungsspitzenpersonals der Eindruck erweckt wird, endlich froh darüber zu sein, das Parlament in einer merkwürdigen Aufklärungsfunktion zu sehen. Dabei quellen die Zeitungsseiten nur so von Berichten über, wie nachhaltig das Kanzleramt eine Aufklärung torpediert. Die ganzen Jahre wurde eine Ausspäh-Sau nach der anderen durch das Dorf gejagt und zu keinem Zeitpunkt hat man im Kanzleramt es für nötig erachtet, nach dem Rechten zu sehen und sicherzustellen, dass die eigene Verfassung gilt? Wie deppert muss man sich anstellen?

Breschnew sel. hat 1968 als er die nach ihm benannte Doktrin von der begrenzten Souveränität der Staaten des Warschauer Paktes in Polen deklarierte, noch daran gedacht, bei negativen Entwicklungen in den „Bruderstaaten“ sich ein sowjetisches Interventionsrecht herausnehmen zu können. Da setzte selbst im damaligen Moskauer Denken ein gewisses Eigenleben der Staaten des Warschauer Vertrages voraus. Heute scheint man im Weißen Haus in Washington einen ganzen Flügel des imposanten Gebäudes nach Breschnew benennen zu wollen und wir warten alle förmlich darauf, dass Präsident Obama oder Oberpräsident McCain den ehemaligen Sowjetführer zum Säulenheiligen der westlich Allianz ernennen. Wie anders sollte man das bewerten, was die Freunde sich beim Ausspähen ganzer Völker, darunter auch des deutschen Volkes erlauben? NATO-Staaten spähen einander nicht aus? Weit gefehlt, wenn man nicht nur Herrn Snowden glauben will. Die Menschen im Lande stellen sich schon darauf ein, abgeschnüffelt zu werden und verhalten sich entsprechend. Das Denken der Kaltenbrunners, Heydrichs und Mielkes feiert fröhliche Urstände.

Die amerikanischen Planungen stellen Breschnew weit in den Schatten, wie das Aushebeln der europäischen und deutschen parlamentarischen Demokratie anbetrifft. TTIP soll das über die berüchtigten Anwalts-Schiedsgerichte und die in der Öffentlichkeit diskutierte Vorlagepflicht für beabsichtigte Gesetzesvorhaben sicherstellen. Wir dürfen dann zwar noch Steuern zahlen oder bei immer größer werdender Altersarmut noch Konsumenten sein, aber die Erinnerung an den Staatsbürger, gar den Staatsbürger in Uniform, das soll alles verblassen. Nachdem man mit willigen Balten, Polen, Ukrainern und anderen einen neuen Riegel zum Ausschluss der Russen aus Europa quer über den Kontinent errichtet hat, planiert man die politischen Systeme in den westeuropäischen Staaten so nachhaltig, dass sie amerikanischen ökonomischen und politischen Interessen nie mehr im Wege stehen werden. Gleichzeitig lässt man in den baltischen Staaten und anderen, von der Ukraine ganz zu schweigen, Politiker dergestalt von der Leine, dass einem angst und bange werden kann. Was haben diese Leute eigentlich davon, den Eindruck zu erwecken, als könnten sie ein militärisches Losschlagen gegen Moskau nicht schnell genug herbeisehnen? Haben Sie total vergessen, dass sie und andere die heutige politische Landkarte in Europa dem Verhandeln mit Moskau und nicht einem nuklearen Inferno zu verdanken haben? Wenn der Hitler-Stalin-Pakt den Weg zum Krieg ermöglicht hat, dann gilt das auch für die maßlose Rhetorik in östlichen Nachbarstaaten und der dort stattfindenden Ausbildung von Umsturzkräften.

Diese konsequent und über Jahrzehnte betriebene amerikanische Politik wird nicht betrieben, ohne sich die Bundeswehr faktisch unter den Nagel zu reißen, wenn man an die Pläne der großkoalitionären Regierung in Berlin denkt, ein Bundeswehr-Ermächtigungs-gesetz durch das Parlament zu bringen. In der Bonner Republik sollte die Parlaments-Diskussion über Spannungs-und Verteidigungsfall alle Einsatzfragen für die Bundeswehr einer vorherigen öffentlichen Diskussion unterziehen. Ein Armeeverständnis von „Thron und Altar“ sollte es nicht mehr geben. Diese öffentliche vorherige Preisgabe der eigenen Vorstellungen soll es demnächst nicht mehr geben, wenn der NATO-Wille und damit der Wille des amerikanischen Präsidenten dem Deutschen Bundestag vorgesetzt werden soll und Krieg oder Platzen der NATO die Alternativen sind. Breschnew wird im Nachhinein eines

Besseren zu belehren sein. So, wie das in Washington gemacht wird, schafft man sich ein europäisches Vorfeld, dem außer Parieren nichts anderes übrigbleibt. Schöne und neue Welt.

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70. Jahrestag des Kriegsendes Wer nicht feiert, hat verloren (I)

 Von 

Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben.  Foto: imago/Rudolf Gigler

Blumen nicht vergessen! Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes sollte sich ganz Berlin der besonderen Bedeutung der Roten Armee bei der Befreiung Berlins erinnern.

Am Sonnabend, den 9. Mai, wird der 70. Jahrestag des Kriegsendes gefeiert, beginnend um 14.00 Uhr im Tiergarten. Anders als für den Ersten Weltkrieg steht für den Zweiten Weltkrieg die Schuldfrage fest: Die Deutschen, sie allein, haben diesen Krieg angezettelt, ständig ausgeweitet, mit immer wilderer Vernichtungswut geführt und zum fürchterlichsten Zerstörungswerk der modernen Geschichte gemacht. Nur härteste Gewalt konnte sie zur bedingungslosen Kapitulation zwingen, unterzeichnet in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst von Sowjetmarschall Schukow und Hitlers Generalfeldmarschall Keitel.

Die alliierten Armeen befreiten die Europäer von der beispiellosen deutschen Eroberungs-, Raub-, Versklavungs- und Mordmaschinerie – in Betrieb gehalten von 18 Millionen Wehrmachtsoldaten, von fast allen deutschen Männern, die laufen konnten, aus fast allen deutschen Familien. Die Sieger und Befreier schenkten den Europäern eine bessere Zukunft – auch den damals noch uneinsichtigen Deutschen. Deren Nachfahren wissen, dass die blutige Niederlage ihrer Väter, Großväter oder Urgroßväter das größte geschichtliche Glück ist, das ihnen zuteilwerden konnte. Dafür gilt es zu danken, zumal in Berlin, dem geistigen und organisatorischen Zentrum all dieser Schrecken.

Vor dem sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten: Ein Panzer vom Typ T-34/76, der in der Schlacht um Berlin im Zweiten Weltkrieg im Einsatz war.  Foto: dpa

Wie in dieser Kolumne vor einigen Wochen angeregt, wird es im Tiergarten am sowjetischen Ehrenmal (errichtet auf der einstigen preußischen Siegesallee, gleich am Brandenburger Tor) eine Kundgebung mit Musik geben.

Alle Berliner sind aufgefordert, am 9. Mai dort Blumen niederzulegen, einfach als Ausdruck persönlichen Mitgefühls, als Gruß an alle heute auf dem Gebiet der einstigen Sowjetunion und in anderen Ländern lebenden Familien, deren Angehörige in diesem deutschen Aggressionskrieg gefallen oder verhungert sind, als Erinnerung an Millionen Zivilisten, die Haus und Hof verloren, zur Zwangsarbeiter verschleppt, erniedrigt, in die Flucht gejagt, erschossen oder vergast wurden: Allein 27 Millionen sowjetische Tote und viele Millionen mehr, deren Lebensglück Deutsche zertrümmerten.

Auch wegen der politischen West-Ost-Spannungen ist das Ehrenmal im Tiergarten erst um 14.00 Uhr zugänglich. Zuvor werden die Offiziellen Russlands und dann – getrennt – Weißrusslands ihr Gedenken hinter Absperrungen durchführen. Schade zwar, aber die Verhältnisse, sie sind nun einmal so. Um 14.00 Uhr geht es dann pünktlich los: Grigory Kofman aus St. Petersburg wird das Trauerlied für die hinter dem Ehrenmal beerdigten 2000 gefallenen Rotarmisten singen, sprechen wird Matthias Platzeck (Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums), aufspielen die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, gegründet 1985 im Prenzlauer Berg, unter anderem mit: „Der Fuehrer’s Face“ (Spike Jonze, 1942/43), „Der Graben“ (Kurt Tucholsky, 1926), „Moskau lässt grüßen“ (Ein Liebeslied von Anna Achmatova, 1917). Wer die Bläser, Gitarristen und Sängerinnen der Band nicht kennt, sollte sie kennenlernen.

Noch Fragen? Am Nachmittag kann im Treptower Park weitergefeiert und getanzt werden oder sonst wo. Jede gute Idee ist willkommen. Fest steht jedoch: Wer am 9. Mai nicht feiert, der hat schon verloren! (Blumen nicht vergessen!)

http://www.berliner-zeitung.de/meinung/70–jahrestag-des-kriegsendes–wer-nicht-feiert–hat-verloren–i-,10808020,30478456.html

 

Wer nicht feiert, hat verloren (II)

 Von Berliner Zeitung

Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben.  Foto: imago/Rudolf Gigler

Kann man die Soldaten der Roten Armee zum 70. Jahrestag des Kriegsendes feiern, obwohl sie auch für Verbrechen und Vergewaltigungen nach Kriegsende verantwortlich sind? Ja, findet unser Kolumnist Götz Aly. Man sollte es sogar.

Unser Aufruf, den 70. Jahrestag des Kriegsendes zu feiern und als Zeichen des Mitgefühls für die gefallenen Soldaten Blumen am sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten niederzulegen, stößt auf freundliches Echo. Die Feier findet am Sonnabend, den 9. Mai, um 14.00 Uhr statt. Doch wendet die Leserin Ute H., und nicht nur sie, zusammengefasst dieses ein: „Meine Oma, meine Großtante und zwei meiner Tanten wurden auf der Flucht von den Soldaten der Roten Armee wie viele andere eingeholt, vergewaltigt und zum Bleiben gezwungen.“ Frau H. hat Recht. Hunderttausende deutsche, österreichische und ungarische Frauen, auch befreite Jüdinnen, wurden von sowjetischen Soldaten vergewaltigt. Dabei sind Tausende, meist ältere Männer ermordet worden, die den Frauen zu Hilfe eilten; zum Beispiel der damals 66-jährige liberale SPD-Politiker und Gewerkschaftsführer Anton Erkelenz, als er am 24. April 1945 in Berlin-Zehlendorf seine Haushälterin vor Rotarmisten beschützen wollte. Ehre seinem Andenken!

Wer das Kriegsende feiert, muss keine Geschichtsklitterung im Stile Putins oder der SED betreiben. Individuelles Leid lässt sich für die Betroffenen nicht gegen anderes Leid aufwiegen. Hier versagen alle Argumente von Ursache und Wirkung. Für die Nachgeborenen gilt das nicht. Nehmen wir das Beispiel des griechischen Arztes Errikos Levi. Diesen hatten Deutsche 1944 nach Auschwitz verschleppt. Nach höllischen Fahrten und Märschen landete er schließlich im vorpommerschen Bodden-Städtchen Barth und berichtete später: „Hier wurden wir am 30. April 1945 befreit. Die deutschen Bewacher flohen in Panik. Die Russen plünderten die Stadt zwei Tage lang und vergewaltigten alle Frauen, junge und alte. Ich war sehr krank, aber die Russen versorgten mich und machten mich gesund.“ Nur nebenbei: Im Sinne heutiger politischer Ordnung waren die Befreier, Retter und Vergewaltiger nicht nur „die Russen“, ebenso Georgier, Ukrainer, Letten, Litauer, Polen, Armenier – Soldaten eben aller Sowjetvölker. Sie alle retteten Errikos Levis und Millionen andere Verfolgte und Bedrohte – nicht zuletzt befreiten sie die Deutschen aus ihrer mörderischen, am Ende selbstmörderischen Verblendung.

Was immer man gegen Soldaten der Roten Armee sagen mag, fest steht: Sie führten einen (durchaus verrohenden) Verteidigungskrieg auf Leben und Tod. Die damalige deutsche Regierung wollte 50 Millionen Sowjetbürger vertreiben, viele zehn Millionen verhungern lassen, viele Millionen gezielt ermorden, die restlichen Menschen versklaven und zwangssterilisieren, die gesamte Kultur und Staatlichkeit im Raum der Sowjetunion zerstören. Nur entfernt vergleichbare Pläne gab es von Seiten der alliierten Befreier nicht.

Wie Sie, verehrte Frau H., schreiben, waren damals sämtliche Männer Ihrer Familie im Krieg. Können Sie nicht einfach sagen: Bei allem Leid meiner Familie führten mein Vater und meine Onkel einen ganz und gar ungerechten Krieg, und 70 Jahre danach will ich all den Familien in Europa, in den USA und in der Sowjetunion mein Mitgefühl ausdrücken, die unter diesem von Deutschland begonnen Krieg gelitten haben. Kommen Sie doch auch am 9. Mai um 14.00 Uhr zum Sowjetischen Ehrenmal. Näheres unter: www.berlin-feiert-die-befreiung.de (Blumen nicht vergessen!)

http://www.berliner-zeitung.de/meinung/70–jahrestag-des-kriegsendes–wer-nicht-feiert–hat-verloren–ii-,10808020,30538136.html

70. Jahrestag des Kriegsendes Wer nicht feiert, hat verloren (III)

 Von Berliner Zeitung

Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben.  Foto: imago/Rudolf Gigler

Wer des 70. Jahrestages des Kriegsendes gedenken will, kommt an dem segensreichen Wirken des russischen Stadtkommandanten von Berlin, Nikolai Bersarin, nicht vorbei.

Auf zu den Feiern des 9. Mai! 1991 forderte die SPD in Friedrichshain, Bersarinplatz und -straße rückzubenennen, weil „Nacht-und-Nebel-Umbenennungen der SED“ von 1947 zu tilgen seien. Die Straße heißt wieder Petersburger Straße. Immerhin: Dort, in St. Petersburg, wurde Bersarin 1904 geboren, und zum Glück entging der Bersarinplatz dem politischem Putzzwang. Wer also war der Umstrittene?

Am 27. April 1945 eroberte die 5. Sowjetische Stoßarmee den Alexanderplatz. Anderntags wurde deren Befehlshaber, Generaloberst Nikolai Erastowitsch Bersarin, zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt. Noch hockte der Führer in seinem Bunker, erteilte Befehle und las das selbstmörderische Gespensterblatt „Der Panzerbär“. Am 28. April heiratete er mitternachts, diktierte sein Testament, setzte sich am 30. April die Pistole an den Kopf und drückte ab.

Am 2. Mai erging der Befehl Nr. 01 des sowjetischen Stadtkommandanten: „Wiederherstellung des zivilen Gesundheitswesens …; Schutz aller Lebensmittelbetriebe und -magazine …; Versorgung der kranken Kinder und der Neugeborenen mit Milch …; Sicherung der sanitär-epidemischen Wohlfahrt.“ Ersparen wir uns erste Wehrmachtsbefehle in Minsk, Kiew oder Smolensk und zitieren konservative Historiker: Ernst Nolte charakterisierte den Russlandfeldzug 1963 als „den ungeheuerlichsten Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg der Neuzeit“; nach Andreas Hillgruber (1965) sollte die Wehrmacht „jede Erinnerung an eine russische Großstadt beseitigen“.

Götz Aly, Historiker.

Götz Aly, Historiker.
Foto: Berliner Zeitung

Wie anders Bersarin! Er führte am 19. Mai 1945 den neuen Berliner Magistrat ins Amt ein, verlangte „die Wiederherstellung von Wohnungen“ und erklärte: „Wir sind hierhergekommen, um ein für alle Mal die Hitlerbande zu vernichten. Alle Zerstörungen, die Sie in Deutschland haben, sind Kleinigkeiten, gemessen an den Zerstörungen, die wir erfahren haben.“ Am 6. Juni besprachen er, Gustaf Gründgens und Paul Wegener die Wiedereröffnung des Deutschen Theaters. Mit „Nathan der Weise“ fand sie am 9. September statt. Bersarin fehlte.

Am 16. Juni war er in Alt-Friedrichsfelde um fünf Uhr früh mit dem Motorrad in einen LKW-Konvoi gerast und sofort tot. Die Anwohner wussten, wie gerne der General morgens mit seiner Zündapp KS 750 durch die leeren Straßen donnerte. Ich finde, ihm gebührt ein kleines Denkmal, und zwar am Lustgarten, kurz vor der Schlossbrücke: Ein von den Schrecken gezeichneter, freundlich gesinnter Russe per Motorrad unterwegs auf dem langen Weg nach Westen – ein Weg, den Napoleon, Wilhelm II. und Hitler immer wieder verlegt hatten. Ernst Lemmer, 1946 Mitbegründer der CDU, bezeugte: „Bersarin stellte keine politischen Fragen, sondern wollte von uns hören, was geschehen solle, um die schweren Schäden zu beseitigen“; sein Handeln galt dem „Wohl der Berliner Bürger“.

Liebe Leserinnen und Leser, kommen Sie am 9. Mai um 14.00 Uhr zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten. Ohne staatliches Zeremoniell, sehr persönlich, werden wir dort der Opfer des deutschen Vernichtungskrieges gedenken, deren heutige Nachfahren grüßen, Freiheit und Frieden feiern. (Blumen nicht vergessen!) Das hat es im Berliner Westen noch nie gegeben. Am späteren Nachmittag geht es dann – östlich-traditionell-verwestlicht – im Treptower Park weiter.

http://www.berliner-zeitung.de/meinung/70–jahrestag-des-kriegsendes–wer-nicht-feiert–hat-verloren–iii-,10808020,30613310.html

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Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!

I think for food

molon labe

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Dummheit äußert sich heute als empörter Moralismus.

Werte ohne Einfühlungsvermögen sind nichts wert.

Manche Menschen fühlen physischen Schmerz, wenn sie ihre gewohnten Vorstellungen zugunsten der Realität korrigieren sollen, sie wenden ihre gesamte Intelligenz mit Unterstützung ihrer Agressivität auf, um die Realität nicht zu erkennen und ihr Selbstbild unverändert beizubehalten.

Immer mehr fühlen, immer weniger denken – Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht durch Gefühle, denn Säugetiere haben die gleichen Gefühle, wie der Mensch: Trauer, Angst, Wut, Liebe, sondern durch sein Denken. Wenn er denkt, falls er denkt.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Aus Deutschland erreicht mich „tiefe Sorge um den Friedensprozess“. Vorsicht: Wo ist es im Nahen und Mittleren Osten derzeit so friedlich und vergleichsweise gewaltarm wie in Israel? Wo leben Araber derzeit sicherer als in Israel? Wo haben sie besseren Zugang zu Bildung, Arbeit, Konsum und medizinischer Versorgung? – Götz Aly

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

Deutschland gestern: der Wille zur Macht.
Deutschland heute: der Wille zur Verblendung.
Deutschland morgen: 德國

Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.

Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.

Smart phones for stupid people.

Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.

Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?

Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.

Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.

Islamisierung bedeutet Verblödung.

Copy-shop als psychoanalytische Methode heute.
Die Psychoanalyse heute ist lediglich die Nachahmung einer vermeintlichen Psychoanalyse, die es so nie gegeben hat, also unbewußte Karikatur, Totemmaske ihrer selbst.
Die Revolution frißt ihre Väter, nicht ihre Kinder.
Jeder verdient eine zweite Chance. Eine zweite, nicht eine zwölfte, zweiundzwanzigste oder einhundertzweite.
In Polen haben amerikanische Geheimdienstler ihre Gefangenen gefoltert, während vor polnischen Gerichten Prozesse gegen polnische Geheimdienstler liefen, die polnische Gefangene gefoltert haben.
Besser irgendwelche Sitten, als gar keine Sitten.
Direkte Gewalt gegen strukturelle Gewalt – lediglich eine Rationalisierung der eigenen Lust als Rechtfertigung für eigene wilde, triebhafte Gewalt. Wer strukturelle Gewalt von Institutionen eines demokratischen Rechtstaates delegitimiert und direkte Gewalt gegen diese Institutionen legitimiert, der gibt jeglicher denkbaren Form von Gewalt freie Hand, denn jede Gewalt kann moralisch begründet werden. Der Teufel ist ein Moralist. Und ein Gewalttäter. Aufrufe zur Gewalt sind in Deutschland strafbar.
National Sozialistische Deutsche Arbeiter Partei (NSDAP) war links,, ihr Kampf gegen Kommunisten und Sozialisten war nicht ideologisch, sondern es war ein Konkurrenzkampf unter Gleichen.
Wer sich für Kunst nicht interessiert, wem Kunst nichts bedeutet, der interessiert sich ebensowenig für Menschen, dem bedeuten Menschen nichts. Denn Kunst ist Ausdruck menschlicher Gefühle, Kunst ist Liebe. Das Erkennen der Realität wird nicht durch Verstand angestossen, sondern durch Empathie, durch Einfühlungsvermögen in das Sinnliche, also durch die Ästhetik. Der Verstand alleine erkennt gar nichts, der Verstand alleine drischt blindlings leeres Stroh und nennt sich zu Unrecht Wissenschaft. Ein solcher Verstand verbraucht sich in der einzigen Leistung, unter Auslassung oder Heranbiegung von Fakten in jedem Fall immer eigene moralische Überlegenheit zu konstruieren.
Manche Menschen schauen in den Spiegel und sagen: „Die Welt ist schrecklich, die Welt ist böse“, und fangen an, dieses Böse in der Welt, aber nicht in sich, zu verfolgen, zu vernichten, auszumerzen. Also andere Menschen, das Andere menschliche, was sie nicht sein wollen, zu exterminieren, zu liquidieren.

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es  muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann. (…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.  (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.  (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)  (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.  (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann

„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer

 „…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl.“ (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)
„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben – Adorno
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus.  (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann
„Nein, ihr habt nichts zu tun mit den Arbeitern. Mit Schweißgeruch. Mit Menschen in Maschinenhallen oder an Fließbändern. Mit Möbelpackern oder Heizungsmonteuren. Mit Schützenvereinen und Angelsportclubs. Mit Hauptschülern und sonntäglichen Kirchgängern. Nein, das Volk liegt euch nicht.“ Das ist die Argumentation der wahrhaften, der lafontainistisch-leninistischen Sozialdemokratie – die konsequente Steigerung von Arbeiter, Schweiß, Schützenverein und Alfred Tetzlaff immer weiter hinauf bis ins Volk hinein als dem ultimativen Gully allen deutschen Wahns. – Joachim Bruhn
Dummheit, nicht Denken, Ideologien, Moralismus, führen zum radikalen handeln. radikales Denken verhindert radikales Handeln.
Weltanschauungen sind Vokabelmischungen – Walter Serner
„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht

„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit.
Am Schluss Gleichmacherei.
Ihr seid aber nicht alle gleich.
Noch nie wart ihr alle gleich.
Ihr lasst es euch aber einreden.
So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander.
Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben.
Weil ihr tatsächlich alles verwechselt.
Behauptungen mit Beweisen.
Gerechtigkeit mit Maß.
Religion mit Moral.
Desinteresse mit Toleranz.
Satire mit Häme.
Reform mit Veränderung.
Nachrichten mit Wirklichkeit.
Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung.
Ihr habt die Maßstäbe verloren.
Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.

Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …

Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen.
Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf.
Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln.
Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken.
Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.

Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch.
Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“ – Hans Dieter Hüsch

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Stupidity manifests itself as outraged moralism

Values without empathy are worth nothing

Some people feel physical pain when they should correct their accustomed ideas in favor of reality, they turn all their intelligence with the support of their aggression, for not to recognize the reality and maintain their self-image

More and more feel, think less and less Man does not differ from animals by feelings, because mammals have the same feelings, like man, sadness, fear, anger, love, but by his thought. When he thinks, if he thinks.

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

People feel always terrible offended if you do not believe their lies.
Everyone is responsible for his feelings.
Psychoanalysis is nobody’s business except the psychoanalyst and his patient, and everybody else can fuck off.
“Time is the echo of an axe
Within a wood.”
― Philip Larkin, Collected Poems

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

 Why Allah does not shows himself? Because he does not want  to do anything with such assholes.
When fascism returns, he will not say, ‘I am the fascism‘. No, he will say, ‘I am the anti-fascism Ignazio Silone.
Political correctness requires a language for a poetry album.
 Psychoanalysis is frivolous, or it is not psychoanalysis.
Colorful diversity, earlier: shit.
What can not any longer be changed, can not any longer be reformed, it is no longer alive, but very dead (instead). What is dead should be, has to be buried: religion, marriage, Romanticism, etc.
Romantic sucks.
 The reality is always stronger than illusions.
 A delusion is characterized by increasing loss of reality, and can be attested to today’s leaders in Germany and the mass media. Loss of reality describes the mental state of a person who is not (any longer) be able to understand the situation in which it is located. So you are ruled by madmen and manipulated by the mass media.
Totalitarianism can only be defeated if one has the courage to call things by their right names, just as they are. Political correctness prevents it promotes totalitarianism and political cowardice and political lie.
The Extinction: Islam is like the sun, who comes too close to him, will burn itself and will flare the rest of the world with him.
Islam does not want any submission! Islam wants victory, destruction and annihilation.
The world was not created just for you.
Time needs time.
What has God with us when he freely admits the devil more and more territories?
It’s not the biggest fear when you look into an abyss, but to note that the abyss looks back at you.
I is different.
Muslim´s headscarf is less annoying than German mothers with their pushchairs.
Prostheses people – look like women and men, but they are not.
Global governance the political repair operation begins to repair before something was created.
The extremely increased, ostensibly critical, actually demonizing, German interest in Israel and Jews is perverse.
The Nonanti-Semite is by the current German law an anti-Semite who defames, discriminates, delegitimizes Israel, Jews, , but do not supports expressis verbis the aim of the Third Reich, the Holocaust, the extermination of the Jews.

Heroes of today know nothing, can not and do not want anything. They just look like heroes, that’s all.

It may be that early fathers ate their children. Today, the mothers will eat anything, fathers, children and the rest. Everything Mommy, anyway!

Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow:

German psychoanalysis? Great, like German charm, German humor and German wit.

The resistance starts with its own language other than that of the dictatorship.

Smart phones for stupid people.

A leftist can, but do not have to be stupid.

If you do not blame states, when they commit suicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149 dead?

Only the purity of the means justify the end.

An extreme narcissist is a potential terrorist, and every terrorist is an extreme narcissist.
Islamization means dementia.
Copy-shop as a psychoanalytic method today.
Psychoanalysis today is merely an imitation of a putative psychoanalysis, it has never existed, an unconscious cartoon, totem mask of itselves.
The revolution devours its fathers, not its children.

Everyone deserves a second chance. A second, not a twelfth, twenty-second or one hundred second.

In Poland, American intelligence officials  have tortured their prisoners, while the Polish courts ran trials of Polish intelligence officesr who tortured Polish prisoners.

Better have any manners, than no manners at all.
Direct violence against structural violence only a rationalization of their own desire as justification for their own wild, instinctual violence. Who delegitimizes structural violence of institutions of a democratic state and legitimizes direct violence against these institutions  gives any conceivable form of violence free hand, for any violence can be morally justified. The devil is a moralist. And a perpetrator of violence. Calls for violence are illegal in Germany.
National Socialists German Worker Party (NSDAP) was left, its fight against communists and socialists was not ideological, but it was a competition among equals.
Those who are not interested in art, to whom art means nothing, those are not interested in people, to those  people mean nothing. Because art is an expression of human feelings, art is love.
Some people look in the mirror and say, „The world is terrible, the world is evil,“ and begin to pursue this evil in the world, but not in themselves, destroy, eradicate. So other people, the other humans, what they do not want to be,  to exterminate, to liquidate.

1 x 1 materialist criticism: the aim must be to make appearances in a situation in which they are legible. (…) A new barbarism is always to be feared, is not directly powered from the spirit of National Socialism, but in the guise of democratic anti-fascism of learning from history and political correctness come along. (…) Defence of the open fascism by its democratic denazification and incorporation. (…) The Second World War was a culture industry Massenevent.(..) Specialization and diversification are a contemporary manifestation of massification and uniformity. (…) 

The different pigmentation of human skin is an objective fact, not a mere invention. (…) Breed today is the self-assertion of the bourgeois individual, integrated in the barbaric collective. (Clemens Nachtmann)

„Democracy is nothing more than the rule of the stick over the people by the people for the people. (…) There are three types of despots: the despot who enslaves the body, the despot who enslaves the soul and the despot who enslaves both body and soul. The first is called Prince. The second is called the Pope. The third is called the people. (..) If you want to lead the people, you are forced to follow the mob. (…) The first duty in life is to be as artificial as possible. The second duty is still unknown. Oscar Wilde

A German is a person who can speak no lie, without actually believe Adorno

Stupidity, not thinking, ideologies, moralism, lead to radical acting. radical thinking prevents radical action.
Worldviews are vocabulary mixtures Walter Serner
The main reason of a psychotherapy is – with temporary support of the psychotherapist –. to take his own destiny in own hands.  Who lives with a self-image that the temporary clarifying role of the therapist is an intolerable insult, he must to try to cope with his life alone.“Hans Ulrich Gumbrecht

„Wir sind der Schwarm!“

schwarm-baikalenten

Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen. (…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.   – (Clemens Nachtmann)

„Die rebellische Haltung, vor einigen Jahrzehnten noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – (Max Horkheimer)

 „…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl.“ (Wolfgang Pohrt)
Wer ein Volk führen will, muß dem Mob folgen
Siehe auch:

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Von Matthias Heitmann, 26.09.2015

Deutschlands politische Kultur droht nach 25 Jahren Einheit in einem Einheitsbrei aus Verunsicherung, Verängstigung und Vertrauensverlust zu versinken.

„Unser Land wir überschwemmt. Die Dämme werden brechen, und wir werden sie nicht stabilisieren können. Auch der Einsatz von Soldaten wird nicht helfen. Und das alles, weil wir so ignorant und so untätig waren. Das musste sich ja rächen!“

Geht es hier um die Klimaerwärmung, um eine neue Oderflut oder um die Flüchtlingsströme? Alles ist vorstellbar. Das ist das Schöne an emotionalen Untergangsszenarien: Sie sind in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen verwendbar. Und sie können von Menschen wortgleich genutzt werden, die ansonsten so gar nicht einer Meinung sind.

Was für das ökologische und sich irgendwie als „links“ und „progressiv“ verstehende politische Spektrum die Klimaerwärmung und das Steigen des Meeresspiegels ist, ist für Konservative, Rechtsliberale und selbsterklärte Patrioten das Anschwellen der Flüchtlingsströme. Auf beides wird ähnlich reagiert: Panik und Angst fressen nicht nur die Seele, sondern auch den Verstand. Der heute dominante Ismus beginnt weder mit Sozial- noch mit Konservat-, sondern schmückt sich mit der antipolitischen und alternativlosen Vorsilbe: Alarm.

Im Alarmismus werden alte politische Lagergrenzen überrannt. Egal, um welches Thema es geht, er findet überall Anknüpfungspunkte: Es ist mittlerweile üblich, generell vom Schlimmsten auszugehen. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, als naiver Beschwichtiger und verantwortungsloser Leugner verschrien zu werden. In nahezu allen halbwegs kontroversen Themenbereichen werden heute Andersdenkende als „Leugner“ bezeichnet – egal, ob es um Asyl, Artensterben, Biotechnologie, Holocaust, Islamisierung, Kernkraft, Klima, Krieg der Kulturen, Kriminalität, Umweltzerstörung, Rassismus oder um die Wirtschaftskrise geht.

In dieser Kultur des permanent lauernden Shitstorms sind ernsthafte „Debatten“ und „Auseinandersetzungen“ nur Rituale weltvergessener Zeitverschwendung. Als Obergrenze realistischen Handelns ist das Verhindern von Dammbrüchen festgelegt. Und das geht per definitionem nur über „Nulltoleranz“. In diesem Bestreben finden ehemalige politische Gegner einen gemeinsamen Stil sowie einen gemeinsamen Ort: „die politische Mitte“. Hier laufen die Überbleibsel alter und gescheiterter Ideologien zusammen; sie machen diese „Mitte“ zu einem Ort des menschlichen Scheiterns, zum Friedhof der Politik.

Diese Friedhofsstimmung ist der Kern des modernen misanthropischen Dogmas, dem auch die Opferkultur und die Misstrauenskultur entspringen. In diesem Denken gilt der Mensch als Problem und nicht als die Lösung. Daher können Ziele nur über das Regulieren, über das Begrenzen von Spiel- und Bewegungsräumen sowie über das Beschneiden von Freiheit und von Mündigkeit erreicht werden.

Der Hauptfeind des Alarmismus ist derjenige, der Besonnenheit walten lässt und sich nicht in den Panikchor der Schwarz-Weiß-Denker einreiht. Besonnenheit ist keineswegs ein Synonym für Langsamkeit und Nichtstun, und auch nicht für Ideenlosigkeit und Führungsschwäche. All diese Makel können wir heute bei denjenigen beobachten, die sich Verantwortungs- und Entscheidungsträger nennen: Weder tragen sie das eine noch das andere, denn dazu wären tatsächliche Standpunkte und Haltungen vonnöten. Über deren Fehlen können auch virtuose Versuche des Themenverschnürens nicht hinwegtäuschen, auch nicht der jüngst Kanzlerin Angela Merkel zugesprochene, die allen Ernstes den Klimaschutz als „Schlüssel zur langfristigen Vermeidung von Fluchtursachen“ ins Spiel zu bringen versucht haben soll.

Dabei wäre wirkliche Besonnenheit bei allen Themen und Fragestellungen gleichermaßen und separat angebracht: Wer die Aufnahme von Flüchtlingen (zu Recht!) gutheißt und diese nicht per se als Bedrohung sieht, sollte auch bei anderen Themen Vertrauen in Robustheit, Kreativität und Veränderungsfähigkeit der Gesellschaft setzen. Willkommenskultur und das gleichzeitige Predigen des durch die destruktive Menschheit verursachten ökologischen Weltuntergangs passen einfach nicht zusammen. Wer hingegen den Alarmismus der Umwelt- und Klimapolitik (zu Recht!) geißelt, sollte ihm nicht bei der Flüchtlingsthematik auf den Leim gehen und hysterisch von Flüchtlingsflut, Überfremdung, gesellschaftlicher Überforderung und der durch die Armee der Gutmenschen unterstützte Islamisierung Europas palavern.

Um die Werte der Aufklärung muss an allen Fronten gerungen werden, und sie müssen auch an allen Fronten gleichermaßen verteidigt werden – und zwar sowohl gegenüber Angreifern als auch gegenüber Feiglingen. Das ist die tatsächliche Bedeutung der Idee der Toleranz, sie ist das Gegenteil von blinder Akzeptanz und ängstlicher Unterwerfung. Aus dieser Haltung heraus kann auch der Angstkultur entgegengetreten werden, die zu unreflektierten Opfer-, überzogenen Abwehr- und unbegründeten Zurückhaltungen führt. So verstanden, kann die Herausforderung, vor der Europa heute steht, tatsächlich der Ausgangspunkt für positive Veränderungen sein.

Matthias Heitmann ist freier Journalist und Autor des kürzlich erschienenen Buches „Zeitgeisterjagd. Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens“. Seine Website findet sich unter http://www.zeitgeisterjagd.de

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  30.04.2015   auf Achgut.com

Politik ohne Staat

 

Ende August 2014 machte das Kanzleramt mit einer Stellenausschreibung Schlagzeilen: Gesucht wurden Psychologen, Anthropologen und Verhaltensökonomen. Dabei ging es nicht um irgendein Projekt, sondern um Stellen in Stab „Politische Planung“. Es geht also durchaus um das, was man die „Richtlinien der Politik“ nennt, deren Bestimmung die Aufgabe des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin ist. Vielleicht ist sogar mehr im Spiel – eine schleichende Umdefinition dessen, was unter Politik überhaupt zu verstehen ist. Wenn hier Wissenschaftler Einzug halten, die sich mit „der Gesellschaft“ oder „dem Menschen“ beschäftigen, bedeutet das etwas. Mitnichten geht es darum, die Entwicklung der öffentlichen Meinung zu studieren und sich damit dem Volkssouverän zuzuwenden. Denn Psychologie, Anthropologie und Verhaltensökonomie interessieren sich nicht für das Souveräne der Menschen, sondern für die Faktoren, die ihr Verhalten beeinflussen (und mit denen man ihr Verhalten beeinflussen kann). Sie interessieren sich sozusagen für das Unsouveräne – für die Bedürfnisse und Ängste, die unauffällig und untergründig vorhanden sind und die das Verhalten prägen, ohne dass die Menschen sich dessen bewusst sind. Eine Politik, die auf diesem Register zu spielen weiß, hat eine außerordentliche Macht. Sie entzieht sich dem Verhältnis von Volkssouveränität und rechtsstaatlich begrenzter Macht auf Zeit. Sie ist der Versuch einer Gesellschaftssteuerung.

Wenn man in diesen Tagen hört, dass die Bundesregierung einen Dialog „Gut leben in Deutschland“ veranstaltet, sollte man an die Psychologen, Anthropologen und Verhaltensökonomen im Kanzleramt denken. Und wenn Frau Merkel dabei ein „Wir sind neugierig“ bekundet, dann richtet sich die Neugier nicht so sehr auf das, was die Gesprächsteilnehmern ausdrücklich formulieren, sondern auf das, was ihre Empfindlichkeiten verrät. Es geht auch nicht einfach um Verbesserungen für das Land (zum Beispiel um eine Reformagenda 2020), sondern um die subtilere Botschaft „Sie sind wichtig“, „Wir kümmern uns um sie“. Dabei ist die Ausmalung des guten Lebens nur die rosige Seite der Verhaltenssteuerung. Zum Arsenal der Steuerung, deren sich die Kanzlerin häufig bedient, gehört auch die tiefdunkle Drohung. Ein Satz wie „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ (zu dem auch der Nachsatz gehört: „Nur die europäische Einigung hat einen neuen Krieg verhindert“) arbeitet mit Angstgefühlen der Menschen. Wie man hört, kann Frau Merkel ganze Auditorien gestandener Unternehmensführer allein dadurch beeindrucken, dass sie leise das Szenario antippt, dass die Deutschen wieder die Bösen in Europa würden („Das kann niemand wollen“).

Bei vielen Kritikern des Merkelismus gibt es die Vorstellung, es handele sich um eine Form absolutistischer Selbstherrlichkeit. Die Kanzlerin wäre demnach so etwas wie Katharina die Große oder Ludwig XIV. Aber dies Bild einer besonders hoch über der Gesellschaft thronenden Position – das Feindbild linker Staatskritik – trifft nicht das, was hier geschieht. Die Politikform, die mit dem Merkelismus zur Macht gelangt, steht der Gesellschaft viel näher. Sie steht den Menschen viel enger auf den Füßen. Sie ist Gesellschaftsbegleitung – und damit ist sie im Grunde staatsfern. Sie ist eine Politik ohne Staat. Bei Ausbruch der Finanzkrise traten zwei Personen vor ein Mikrofon – Frau Merkel und Herr Steinbrück – und erklärten „Wir garantieren die Sicherheit der Spareinlagen der Bürger“. Mit was denn bitte? Bei jeder ernsthaften Garantie müsste sofort die Frage beantwortet werden, mit welchen staatlichen Mitteln hier etwas garantiert werden kann. Fehlanzeige. Es ging um „Psychologie“. Oder die handstreichartige Durchsetzung der Energiewende: Das Fukushima-Ereignis genügte, um das Energieprogramm, mit dem Merkel die Wahlen gewonnen hatte, auf den Kopf zu stellen. Sie berief sich dabei auf die damalige – demoskopisch festgestellte – Stimmung der Bevölkerung. Die Kanzlerin setzte sich über das Votum des Volkssouveräns hinweg, im Namen einer sozialpsychologischen Befindlichkeit der Bevölkerung. Auch die Außen- und Europapolitik, die eher Befindlichkeiten beschwört, als auf Verträgen zu bestehen, gehört dazu. Insofern sind die neuen Bürger-Dialoge und der Einzug von Verhaltensforschern ins Kanzleramt konsequent. Sie gehören zu der neuen Politik ohne Staat.

Für die Führung eines modernen Landes ist diese Gesellschaftsbegleitung freilich zu wenig. Sie hat ein ähnliches Problem wie die Nachfrage-Stimulation in der Marktwirtschaft, die bekanntlich eine unternehmensschädigende Ökonomie ist. In der politischen Sphäre ist die Frage nach dem „guten Leben“ auch so ein Appell an die „Nachfrage“. Sie fragt nicht nach den Leistungen, die ein Staatswesen vernünftigerweise erbringen kann, und nach den Gemeingütern, mit denen es den Bürgern eine Stütze und Entlastung geben kann. Sie neigt zur pauschalen Förderung – man denke an die hilflosen Ansätze zur Förderung der Geburtenrate oder zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums durch billiges Geld. Sie löst keine Strukturprobleme, führt aber zur Überschuldung. Schlimmer noch: Sie führt, mit ihrer kurzatmigen Allgegenwart, zur allmählichen Erlahmung.

Die nachfrageorientierte Politik des guten Lebens bedeutet auch einen Abschied von der vielbeschworenen „wertorientierten“ Politik. Es geht um Zufriedenheit, dafür braucht man keine Werte. Es reichen Bedürfnisse. Man kann dann auch keine Aufgabe „für das Land“ finden – sondern nur etwas für das Leben „im“ Land in Aussicht stellen. Insofern spricht die Bezeichnung des Bürgerdialogs (Gut leben in Deutschland) für sich: Von einer Weiterentwicklung Deutschlands ist nicht mehr die Rede. Eine solche größere Perspektive wird den Deutschen nicht mehr zugetraut. Sie sollen eine selbstbezogene Herde sein, die sich nur noch fragt, was „gut für sie“ ist – und nicht mehr, was „gut für das Land“ ist. Die Frage nach dem Land muss in der neuen Glücks- und Angstpolitik fremd klingen. Ja, sie muss als ein geradezu unmenschliches Ansinnen erscheinen. Der Stolz der Bürger auf ihr Land und die Lust, daran mitzubauen, hat in der Optimierung des Lebens keinen Platz.

An dieser Stelle wird deutlich, wie weit die neue Politikform sich von der parlamentarischen Demokratie entfernt hat. Eine repräsentative Demokratie braucht den Maßstab des Landes, an diesem Maßstab muss es seine Gesetzgebung orientieren. Eigentlich käme es darauf an, den Bürger in die Entscheidungsprobleme des Regierens einzuführen. Sonst bleibt ihm nur die Rolle des wünschenden (und furchtsamen) Deppen. Der mündige Citoyen beginnt erst dort, wo er gelernt hat, in den Spielräumen eines gegebenen Staatswesens seine eigenen Urteile zu fällen. Das ist in der Unmittelbarkeit eines Dialogs nicht möglich. Es bedarf der repräsentativen Form des Parlaments und einer gehobenen Blickhöhe und Debattenkultur.

Es bedarf auch der politischen Parteien, die Mittler zwischen Staat und Gesellschaft sind. Mit ihren Eckwerten, ihrem Stil, ihrem Personal und ihrer Tradition können sie mehr bieten als die Nachfrage der Bürger gegenüber dem Staat zu mobilisieren. Sie können regierungsfähige „Angebote“ formulieren, die auf die (begrenzten) Möglichkeiten eines Staates zugeschnitten sind. Das gilt besonders für die großen Volksparteien. Glückspolitik, Verhaltenssteuerung und Dialog-Marketing suggerieren einen Weg in die Politik, der die Synthese-Aufgabe der Volksparteien übergeht. So untergräbt der Merkelismus die Volkspartei CDU/CSU.

Genau hier findet sich aber auch – erfreulicherweise – eine Bruchstelle der Politik ohne Staat. Die Wünsch-Dir-Was-Politik entwertet die Mehrheitsbildung, doch gerade die CDU/CSU lebt von dem Nimbus, dass sie den großen Stimmenblock bildet, der für eine stabile Mehrheitsbildung unumgänglich ist. Verschwindet die Bedeutung einer geführten Mehrheit, verschwindet die Sonderrolle der CDU/CSU als Volkspartei. Gibt es nur noch ein allgemeines Sammelbecken der Wünsche und ein Stimmgewirr von Nachfrage-Parteien, wird sie besonders viel verlieren. Die Sonderstellung, die Christdemokratie in der Geschichte der Bundesrepublik hatte, wird dann verschwinden. Es ist auch fraglich, ob die christdemokratische Gestalt der mehrheitsbildenden Volkspartei überhaupt weiterleben kann. In einigen europäischen Ländern ist sie bereits verschwunden. Die meisten Versuche, wieder zu einer „Politik mit Staat“ zu kommen, setzen nicht mehr christdemokratisch an.

In Merkel-Deutschland scheint ein solches Szenario fern, doch sollte man sich nicht täuschen: Es genügt, dass 10-20% der Wähler der CDU/CSU von der Stange gehen, um ihre Fähigkeit als Mehrheitsbildner grundsätzlich zu erschüttern. Bleiben diese Wähler in ihrer Verweigerung fest, so können sie politisch „hebeln“ und eine Bedingung stellen: Eine mehrheitsführende bürgerliche Volkspartei wird es in Deutschland erst wieder geben, wenn diese Partei sich republikanischer aufstellt. Diese Hebelmöglichkeit würde anregend für die Arbeit an einer Alternative wirken. Ein definitiver Abschied von der christdemokratischen Politikform wäre nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit. Gewiss lässt ein solches Szenario uns, die wir gegenüber allem schnellen Verabschieden skeptisch sind, zurückschrecken. Bringt ein solcher Abschied nicht die Grundlagen der Bundesrepublik in Gefahr? Diesen Einwand kann man nicht einfach abtun. Aber er verliert sein Gewicht, wenn die Grundlagen schon beschädigt sind. Mit ihrem Abdriften in den Merkelismus hat sich die CDU/CSU von jeder Staatsräson weit entfernt. Und sie entfernt sich jeden Tag noch weiter.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/politik_ohne_staat

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  auf Achgut.com am 17.04.2015

Marktforschung statt Demokratie

Wenn es sie denn hierzulande noch gäbe, hätte die kritische Öffentlichkeit, hätten die Kommentatoren in der Presse, im Radio und im Fernsehen in dieser Woche Sturm laufen müssen. Doch nicht einmal ein Sturm im Wasserglas wollte aufkommen, statt dessen nur ein müdes Achselzucken, als die Kanzlerin und ihr Stellvertreter am Montag die neue Marketingkampagne der Bundesregierung vorstellten. Unter dem Motto „Gut leben in Deutschland – Was uns wichtig ist“ will die Große Koalition dabei herausfinden, wofür sie die Bürger gewählt haben. Kurzum, was das Volk, als dessen Vertreter die Christ- und Sozialdemokraten nun schon im zweiten Jahr an der Macht sind, denkt, wünscht oder befürchtet, wo ihm der Schuh drückt und wie es sich die Zukunft vorstellt. Zu diesem Zweck sind 150 öffentliche Veranstaltungen geplant, diverse Internet-Foren werden eingerichtet, ein eigene Behörde soll für die Organisation und die Auswertung sorgen.

Eine Schnapsidee ist das Ganze nicht; bürokratisch steht die Aktion auf festen Füßen. Beschlossen wurde sie schon nach der Konstituierung der neuen Regierung auf deren erster Klausurtagung im schönen Barockschloss Meseberg. Und niemandem scheint unterdessen aufgefallen zu sein, dass da etwas nicht stimmt. Keiner der politischen Mandatsträger und keiner ihrer kooptierten Journalisten fragt sich, wie es um die repräsentative Demokratie bestellt sein muss, wenn die Repräsentanten gezielte Marktforschung betreiben müssen, um sich ein Bild von den Vorstellungen des Volkes zu machen, das sie zu vertreten vorgeben.

Statt dass es ihr peinlich wäre, gefällt sich die politische Klasse in der bombastischen Inszenierung des Spektakels. Die Kanzlerin präsentierte es freundlich lächelnd. Sichtlich erheitert gestand sie, „neugierig“ auf die Ergebnisse der Befragung zu sein. Denn: „Wir kennen die Antwort nicht. Und wir geben uns sogar Mühe, nicht zu glauben, dass wir sie kennen.“ Wann hätte man ähnliches von einem deutschen Regierungschef gehört? Wer hätte es bisher gewagt, als gewähltes Oberhaupt einer demokratisch verfassten Gesellschaft so unumwunden einzugestehen, dass er keinen blassen Schimmer von den Vorstellungen des Souveränes, der „Menschen“ unter ihm hat?

Unwillkürlich fühlt man sich an Marie Antoinette erinnert, die dem Volk einst geraten haben soll, Kuchen zu essen, wenn es kein Brot habe. Zweifellos eine anekdotische Zuspitzung, die sich der Phantasie der Nachwelt verdanken mag, aber nichtsdestoweniger ein Gleichnis, das den Realitätsverlust einer politischen Klasse erhellt, die nur mehr um ihrer selbst willen existiert. Eingemauert im Elfenbeinturm ihrer Selbstüberschätzung, merkt sie gar nicht mehr, wie sich mit ihren Inszenierungen selbst desavouiert.

Was die Bundesregierung in den den nächsten Monaten veranstalten will – Sigmar Gabriel nennt es ein großes „Experiment“ – ist nichts weiter als eine Marktstudie. Ein weiterer Schritt hin zur postdemokratischen Gesellschaft. Die Politiker, die dahinter stehen, handeln nicht mehr als Interessenvertreter dieser oder jener Milieus oder gar als Vertreter politischer Grundüberzeugungen, sondern als Manager ihrer Unternehmen, der Parteien, die sich am Markt behaupten müssen.

Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden, vielleicht ist das sogar die politische Kultur, auf die wir uns zukünftig einstellen müssen. Mindestens entspräche das der durch und durch kommerzialisierten Konsumgesellschaft. Nur fehlen uns dafür noch die organisatorischen Voraussetzungen. Denn ersten gibt es anders als in der Wirtschaft keine Behörde, die den marktbeherrschenden Zusammenschluss verschiedener Unternehmen untersagt. Schon heute werden ja nicht nur in den Zeiten großer Koalitionen Preisabsprachen zwischen den Parteien getroffen, die dem Bürger die Möglichkeit nehmen, sich für dieses oder jenes Angebot zu entscheiden. Wo alle Parteien wie bei der letzten Bundestagswahl etwa das Gleiche anbieten, entsteht ein politisches Kartell –  alternativlos.

Und zweitens müssten wir, wenn es nur mehr um das Angebot politischer Dienstleistung geht, auch die Möglichkeit und den Mut haben, die Parteien und ihre Manager für begangene Fehler, für Betrug und die Veruntreuung des ihnen anvertrauten Volksvermögens juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Wolfgang Schäuble dürfte dann für die Milliarden, die er für den „hoch spannenden Versuch“ (Zitat Schäuble) der Währungsunion aufs Spiel gesetzt hat, keine andere Behandlung erwarten, als sie der Bankrotteur Thomas Middelhoff eben erfährt.

Man kann sich nicht im Ernstfall auf die Vorrechte, die Immunität eines Volksvertreters berufen, der in unserem Namen handelt, und das Volk zugleich wie einen Kunden behandeln. Als solcher hat er eben auch Regressansprüche. Die Kalkulationen müssen offengelegt werden. Im konkreten Fall heißt das, dass die Kosten einer Marktforschung, wie sie die Große Koalition jetzt durchführen will, vorher bekannt sein sollten, bevor die Steuerzahler als Finanzier den Auftrag dazu erteilen.

Dazu aber ist die Bundesregierung nicht bereit, vielmehr versucht sie uns das Vorhaben als einen Ausdruck demokratischer Läuterung zu verkaufen. Dass das so unwidersprochen möglich ist, bestätig, wovon laut einer Umfrage der FU Berlin bereits sechzig Prozent der Bürger ausgehen: Deutschland ist keine Demokratie mehr, nicht im Sinne des Grundgesetzes, an das wir gern weiter glauben würden.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/marktforschung_statt_demokratie

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  26.04.2015   Achgut.com

Steinmeier: Bella figura

Wozu das alles, dieser rhetorische Qualm, mit dem uns Frank-Walter Steinmeier einnebelt, wann immer sich die Gelegenheit bietet, in schicksalsschwangere Schwermut zu versinken. Dass ihm die Rolle des weisen Bedenkenträgers liegt, wissen wir unterdessen. Rein ästhetisch betrachtet, macht er dabei eine gute Figur. Der nachdenklich geneigte Kopf, das volle Haar, der gedämpfte Tonfall, die wehenden Rockschöße auf der Gangway: alles perfekt, geradezu filmreif. Würde er von Hollywood besetzt, winkte dem Mann womöglich eine Oscar-Nominierung. Wir erlebten großes Kino und müssten uns nicht weiter fragen, was der Auftritt politisch nach sich ziehen könnte, was dahinter steckt.

Allein, der Genosse ist unser Außenminister. Keine Filmgesellschaft zahlt ihm die Gage. Er steht auf der Payroll der Steuerzahler. Sein Gehalt bekommt er dafür, dass er Deutschland in der Welt vertritt, nicht nur auf den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten. Es gibt mithin Gründe genug, die Darstellungen des Frank-Walter Steinmeier ernst zu nehmen, die Persönlichkeit fürsorglich im Auge zu behalten. Sein seelischer Zustand kann uns ebenso wenig egal sein wie seine geistige Zurechnungsfähigkeit. Diese Anteilnahme schuldet jeder Arbeitgeber seinen Angestellten, dann zumal, wenn sich Auffälligkeiten im Verhalten abzeichnen.

Allzu leicht können fixe Ideen den Blick für die Wirklichkeit trüben. Oder wem wäre noch nicht aufgefallen, dass uns der Außenminister unentwegt ermahnt, die Dinge nicht zu einfach zu sehen, nicht beim Atomstreit mit dem Iran, nicht bei der russischen Invasion in der Ostukraine und erst recht nicht beim Gedenken an den Genozid der Armenier durch die Türken. Nie ist Frank-Walter Steinmeier in der Lage, mit klaren Worten zu benennen, was ohnehin auf der Hand liegt. Immer scheint es, als fühle er sich gedrängt, die Probleme, über deren Lösung er nachher verhandeln möchte, erst einmal so zu verfremden, dass er eingreifen muss.

Dass es ein Gebot der diplomatischen Vorsicht sei, den Völkermord an den Armeniern nicht als solchen anzuprangern, um die Türkei nicht vor dem Kopf zu stoßen, wollten ihm am Ende nicht einmal mehr die eigenen Genossen, die Kabinettskollegen und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages abnehmen. Zwar war ihnen allen klar, dass das den einen oder anderen Wutausbruch am Bosporus mit sich bringen würde, dass Recep Erdogan das Rumpelstilzchen geben könnte, doch wusste auch jeder, dass es beim Theaterdonner bleiben würde. Schließlich ist die wirtschaftlich aufstrebende Türkei auf wenige Handelspartner so angewiesen wie auf Deutschland.

So viel politische Einsicht, so viel Realitätssinn sollte man eigentlich auch von einem Diplomaten erwarten können, dessen vornehmste Aufgabe es ist, die deutschen Interessen im Ausland zu vertreten. Dazu aber scheint Frank-Walter Steinmeier nur noch eingeschränkt fähig zu sein. Geblendet von der Größe seiner eigenen Persönlichkeit, ergreift jede sich bietende Gelegenheit, um sich selbst als umsichtigen Krisenmanager in Szene zu setzen, am liebsten mit nächtelangen Verhandlungen. Nichts darf sich zu schnell erledigen. Erst die Abfolge der Gipfel garantiert ihm die eigene Existenz, besiegelt durch Verträge, die oftmals das Papier nicht wert sind, auf das sie gekritzelt wurden, wenn sie denn überhaupt existierten.

Die Vereinbarung, die Steinmeier kurz vor der Flucht Wiktor Janukowytschs zwischen ihm und den Aufständischen am Rande des Majdan zustande gebracht heben will, hat bis heute niemand gesehen. Das „Eckpunktepapier“ zur Beilegung des Atomstreits mit dem Iran hat es so, wie es der deutsche Außenminister anpries, nie gegeben. Statt seiner tauchten nachher deutlich von einander abweichende Protokolle der verschiedenen Verhandlungsteilnehmer auf.

Aber natürlich, so einfach, wie wir uns die Sache machen, ist sie nicht. Und wenn sie es wäre, wozu brauchten wir dann Frank-Walter Steinmeier, einen Außenminister wie gemalt.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/steinmeier_bella_figura#When:14:02:40Z

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  03.05.2015   Achgut.com

„Die alles gleichmachende Gerechtigkeitsgesellschaft ist eine glücklose, eine unsinnliche, unerotische, ganz und gar unfreundliche Gesellschaft.“
Hanns Dieter Hüsch bewegt uns immer noch

Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute … Hanns Dieter Hüsch lebt nicht mehr. Er würde sonst am 6. Mai seinen neunzigsten Geburtstag feiern können. Nun müssen wir ohne ihn feiern und bei der Gelegenheit können wir uns darüber freuen, dass seine Texte noch leben und darin seine Kunst und seine Eigenarten erhalten bleiben.

Eine kleine, öffentliche Geburtstagsfeier findet im Logensaal der Hamburger Kammerspiele statt. Da wird ein neues „Bühnenstück für Hanns Dieter Hüsch“ uraufgeführt, „Und sie bewegt dich noch!“, heißt es. Darin wird aus seinem Leben erzählt und es werden Lieder von ihm dargeboten. Jürgen Kessler, der Hüsch seit 1969 begleitet und eine Werkbiografie erstellt hat, hat die Revue zusammengestellt. In einem Nachwort, das sich direkt an Hüsch im Himmel wendet, versucht er – wenn schon nicht in den Worten von Hüsch selber, so doch in einem Ton, der zu ihm passt – die aktuelle Situation auf Erden zu erklären. Er hat keine guten Nachrichten, er spricht:

„Unsere Welt des poetischen, literarischen Kabaretts ist vergangen, Hanns Dieter, das Lachen und Weinen über das Leben … Man braucht Humor für das, was andere heute für Humor halten. Viele glauben ja, es sei ein Produkt, der Humor, so wie die Komik. Wir hielten ihn für eine Charaktereigenschaft.“

Man könnte auch sagen: für eine Haltung. Und die ist „Typisch Hüsch“ – so heißt eine seiner frühen LPs, die ironischerweise seine eher untypischen, nämlich seine politisch besonders deutlichen Stücke enthält. Jürgen Kessler fragt sich nun, welche typischen Worte Hüsch heute finden würde, wenn er wüsste, was hier los ist. Die aktuelle Stimmungslage fasst er so zusammen:

„Die alles gleichmachende Gerechtigkeitsgesellschaft ist eine glücklose, eine unsinnliche, unerotische, ganz und gar unfreundliche Gesellschaft.“

Das würde Hanns Dieter beunruhigen. So kenne ich ihn. Ich kann mich noch gut erinnern. Nach einem seiner Auftritte in Tübingen saßen wir noch spät im kleinen Kreis zusammen und führten – wie es selten, aber glücklicherweise manchmal eben doch vorkommt – ein ernsthaftes Gespräch, in dem es abseits von Interviewfragen oder vorbereiteten Stellungnahmen darum ging, was er dem Publikum eigentlich mitteilen will, was kurz zusammengefasst seine Botschaft ist. Seine „message“, wie man heute sagen würde.

Er wusste es. Es war ihm ernst. Wir waren überrascht. Ich habe noch deutlich den Tonfall vor Ohren, in dem er offenbarte, worum es ihm ging: um Freundlichkeit. Das war im Grunde das, was er mit seinen Programmen rüberbringen wollte: Freundlichkeit.

Hm? Nicht alle von uns waren damit zufrieden. Sollte das etwa ein neues politisches Programm sein – oder wie, oder was? Einer hatte sogleich ein Zitat von Brecht parat, das ich jetzt nicht auswendig aufsagen kann, das sinngemäß besagt, dass gerade diejenigen, die für eine freundliche Welt sorgen wollten, selber nicht freundlich sein konnten. Hüsch wollte das. Brecht hin, Brecht her.

Damit konnte eine alte Diskussion in eine neue Runde gehen. Einerseits gibt es bekanntlich die Auffassung, dass der Zweck die Mittel heiligt, andererseits gilt der Satz von Hegel, der besagt, dass die Mittel die Wahrheit über den Zweck verraten. So sieht es übrigens auch Christof Stählin, der – das kann ich jetzt auch nicht wörtlich zitieren – schon im Weg das Ziel erkennen möchte.

So einer war Hüsch: ein freundlicher Reisender auf der Suche nach einem freundlichen Land. Ein Leisetreter mit Zwischentönen, der zwischen den Stühlen saß; manchmal aber auch jemand war, dem man gerade den Stuhl unter dem Hintern weggezogen hatte. Leise Stimmen lassen sich leicht niederbrüllen. Er war besonders verletzlich. Er litt noch Jahre später darunter, dass man ihn – wie auch Reinhard Mey – auf dem Chanson-Festival auf der Burg Waldeck in Grund und Boden kritisiert und geradezu „geschlachtet“ hatte – „gegrillt“, wie man heute sagen würde -, weil er nicht links genug war. Noch in den achtziger Jahren war ein Auftritt von Hüsch vor einem studentischen Publikum ein gewisses Risiko. Es war schlecht abzuschätzen, wie das ankommen würde.

Gleichwohl hatte ich den Eindruck, dass nun eine neue Zeit angebrochen war mit neuen, womöglich sanfteren Tönen. Es gab neuerdings Aufkleber „Atomkraft – Nein Danke“. Na also. Ein saloppes „Nein Danke“ klingt doch gleich viel höflicher als „Weg mit!“, „Kampf dem …“ oder „Sieg im Volkskrieg“. Ich hatte eine kleine Sammlung solcher Aufkleber mit fröhlicher Kindersonne, die es damals in verschiedenen Sprachen gab, sogar in Gälisch oder auf Japanisch. In der ‚Alten Kunst’ in Tübingen gab es eine Pizza mit Spiegelei, die „Pizza Atomica“ hieß. Da hatte ein Witzbold mit Filzstift „Nein Danke“ an den Rand geschrieben. In Heidelberg in der ‚Santa Lucia’ gab es sogar eine Pizza mit zwei Spiegeleiern, die „Pizza Gina Lollobrigida“. Das machte alles einen guten Eindruck.

Doch die Zeiten sind vorbei (vielleicht hat es sie sowieso nie gegeben – es gab sie nur in meiner Verklärung). Der Ton ist wieder rauer geworden, der Wind schärfer (vielleicht war er immer so gewesen – es kam mir nur nicht immer so vor). Ich frage mich heute, in welcher Tonne für den Sondermüll das „Danke“ geblieben ist, das mir einst so generös und freundlich vorkam. Das „Danke“ ist weg. Heute wird einfach verboten, was gestern noch erlaubt war. Heute wird per Aufschrei Anklage erhoben und die Anklage enthält bereits die Bestrafung. Heute entscheidet ein strenger Wächterrat, ob etwas akzeptabel ist oder nicht. Es wird nicht mehr diskutiert. Keine Widerrede. Keine Alternative. Basta.

Wer die Energiewende kritisiert, umfährt Tübingen weiträumig. Zwei Spiegeleier auf einer Pizza gelten als sexistisch, in Heidelberg gibt es heute einen „Studentinnenteller“. Rauchen ist sowieso nicht mehr drin, es gilt zero tolerance für alle, die die politisch korrekte Parteilinie auch nur mit den Fußspitzen berühren. Es wird nicht etwa mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sondern mit den modernen Waffen des shitstorms, der digitalen Variante der Steinigung in kleiner Dosis, die jemanden sozial töten und persönlich verletzen soll.

Offenbar wollte Eckard Henscheid genau das, als er ihn einst in einem ausufernden Verriss als den „Allerunausstehlichsten“ bezeichnete und im selben Text einräumte, dass er die Stücke von Hüsch gar nicht kannte und dass er sie auch nicht für würdig hielt, sich damit näher zu beschäftigen. Was waren das denn für Töne? Ein kreischender Mega-Superlativ, eine lautstark ausposaunte Beleidigung ad personam, ein vorsätzliches Wehetun-Wollen und der auftrumpfende Verzicht auf das, was man in juristischer Sprache Substantiierung nennt – das klingt nach Alice Schwarzer. Dass es in diesem Fall Töne waren von jemandem, der beanspruchte, qualifiziert zu sein, ein literarisches Urteil abzugeben, machte die Sache um so bitterer.

Hanns Dieter Hüsch hat sehr darunter gelitten und sich gedacht: Nun geht es wieder los. Die Hemmungslosen sind wieder da. Es gibt keine Schutzwälle mehr aus Redlichkeit und Anstand. Mit ihm konnte man es ja machen. Er, der selber freundlich sein, der seinerseits nicht vorschnell austeilen wollte und stets nach einem angemessenen Wort suchte, kriegte es voll ab. Voll in die Fresse. Er war wie der nette Lehrer, an dem die frechen Schüler auslassen, was sie sich sonst nicht trauen.

Sein Eintrag auf Wikipedia liest sich wie eine Erfolgsstory. George Orwell wusste aber schon, dass eine solche Geschichtsschreibung nur von außen gesehen als Abfolge von Triumphen wirkt, von innen gesehen ist es eine Reihe von Kränkungen, Demütigungen und Enttäuschungen. Das alles mit Humor auszuhalten und dabei freundlich zu bleiben, ist bewundernswert. Hier noch ein Auszug aus dem Bühnenstück:

„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit.
Am Schluss Gleichmacherei.
Ihr seid aber nicht alle gleich.
Noch nie wart ihr alle gleich.
Ihr lasst es euch aber einreden.
So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander.
Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben.
Weil ihr tatsächlich alles verwechselt.
Behauptungen mit Beweisen.
Gerechtigkeit mit Maß.
Religion mit Moral.
Desinteresse mit Toleranz.
Satire mit Häme.
Reform mit Veränderung.
Nachrichten mit Wirklichkeit.
Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung.
Ihr habt die Maßstäbe verloren.
Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.

Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …

Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen.
Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf.
Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln.
Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken.
Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.

Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch.
Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“

Nun ja. Bis es soweit ist, haben wir noch Gelegenheit, im Andenken an ihn ein bisschen von der Götterspeise zu löffeln (die Hüsch-Freunde wissen, wie ich das meine) und dabei auf ihn anzustoßen. Übrigens: Auch Christian Kercher hat mit seiner Partnerin Esther Hanna Bürger eine Hommage zusammengestellt: „Hüsch im Himmel“.

Also: am 6. Mai, 20 Uhr in den Hamburger Kammerspielen. „Und sie bewegt dich noch!“ Ein Bühnenstück für Hanns Dieter Hüsch von Jürgen Kessler. Weitere Termine: hier!

Bernhard Lassahn: ‚Frau ohne Welt’, nun auch: Teil 2

Zum gleichen Thema siehe auch Henryk Broder:
Er sang für die Verrückten

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/hanns_dieter_huesch_bewegt_uns_immer_noch

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  03.06.2015   12:00   Achgut.com

Zunächst schleichend und dann schneller hat die europäische Politik immer mehr Regelungskompetenzen an sich gezogen. In permanenter Überdehnung des EU-Vertragsrechts scheren die supranationalen Institutionen Europas – die EU-Kommission, das Europäische Parlament, aber auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) – Europa über einen Leisten. Vielfalt war gestern, die Einfalt regiert. Der Ministerrat als Staatenkammer der Mitgliedstaaten und der Europäische Rat der Regierungschefs als intergouvernementale Institutionen verlieren im Gegenzug an Gewicht. Auch der Bedeutungsverlust des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts dokumentiert die Ausweitung der europäischen Rechtsetzung.

Am Rande der demokratischen Legitimität höhlen die europäischen Etatisten und Zentralisten die nationale Souveränität aus. Am augenfälligsten manifestiert sich der nationale Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten in der Euro-Krisenpolitik. Die Haftung für eine unverantwortliche Schuldenpolitik wurde längst vergemeinschaftet. Die Europäische Zentralbank (EZB) monetarisiert mit ihren gigantischen Staatsanleihekäufen ganz nebenbei die Staatsschulden der Euro-Krisenländer. Das Trauerspiel um Griechenland steht für die Machtlosigkeit Deutschlands, das zwar mit 27 Prozent in der höchsten finanziellen Mithaftung steht, aber im Zweifel überstimmt wird.

Europa braucht dringend eine gesellschaftspolitische Grundsatzdebatte über seine langfristige institutionelle Verfassungsordnung. Will Europa eine Konföderation souveräner Mitgliedstaaten bleiben, die Teilaufgaben an die europäische Ebene delegieren oder sollen Vereinigte Staaten von Europa entstehen? Wird das Subsidiaritätsgebot aus dem Lissabon-Vertrag endlich mit Leben erfüllt oder bleibt es bei Sonntagsreden und der zentralen Normierungswut der EU-Bürokratie?

Die Zeit für eine solche Debatte ist jetzt gekommen. Ich halte das bis spätestens Ende 2017 geplante Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU für einen Glücksfall für Europa. Denn die sich herauskristallisierenden Forderungen der Briten betreffen eben nicht nur ihre sehr egoistischen Beitragszahler-Interessen. Die Briten streiten für mehr Subsidiarität und gegen ein zentralstaatliches Regierungsregime der EU-Institutionen. Sie kämpfen für Souveränität und gegen Vergemeinschaftung. Sie halten Prinzipien wie Verantwortung und Haftung hoch. Das angelsächsische Gesellschaftsmodell setzt einen Kontrapunkt zum etatistischen französischen und südeuropäischen Modell. Ohne die Briten und ihre Denke würde gerade Deutschland innerhalb Europas immer stärker auf verlorenem Posten stehen. Das politische Berlin sollte im eigenen Interesse eine London-Connection aufbauen.
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/europa_braucht_das_angelsaechsische_momentum

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Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.

Das Leben ist ein großes Theater und das Theater widerspiegelte das wahre Leben. Diese selbstbeweihräuchernde Weisheit der Schauspieler und Gaukler hat in der Menschheitsgeschichte noch nie eine so deskriptive Kraft entfaltet wie in den heutigen massenmedialisierten Zeiten. Es gab noch nie so viel Informationsfreiheit, aber auch noch nie so viel Desinformation wie heute. Es gab nie so viel Meinungsfreiheit wie heute, aber auch noch nie so viel Zensur und Selbstzensur wie heute.

Früher gab es Denkschulen, die Religion und viele Denk-Ge-und Verbote. Heute gibt es den medien-und internetbasierten Mainstream, die wohl gefährlichste und gefräßigste Hydra, die auch die Menschen oder mindestens deren Seelen frisst.

Vernunft und Rationalität sind chancenloser denn je, verschwinden immer mehr und verlieren an Bedeutung. Und das hat vor allem den Grund, dass immer mehr mainstreamkonforme bloße Wahrnehmungen in den Vordergrund drängen, die irrtümlich für Fakten gehalten werden. Es hat sich in den klassischen Medien, in den neuen Medien und im Politik- und Kulturbetrieb eine Kaste von selbsternannten, zum Teil gewichtigen, aber auch vielen kleinen Beurteilern herausgebildet, die wahrscheinlich am zutreffendsten mit dem Bild von Heckenschützen beschrieben werden, die vorzugsweise im Rudel auftreten. Zu deren wichtigsten Waffengattungen gehören die sogenannten Phobien.

Die meist weder in der Sache qualifizierten noch durch irgendetwas legitimierten notorischen Urteiler reagieren auf jede Infragestellung ihrer Person oder ihres Tuns äußerst aggressiv. Schlägt jemand willentlich oder zufällig der verfressenen Hydra einen Kopf ab, wachsen sofort zwei nach. Und das Rudel beißt und bellt zurück.

Fleisch fressen und Bier saufen war rechts

Vor kurzem hieß der Hauptkampfbegriff noch „rechts“. Das wurde langweilig. Schweinefleischfressen und Biersaufen war „rechts“ und sich mit Drogen und Alkohol die Birne zuknallen, Pommes und Currywurst und Veggiefood aus Asien essen, das war „links“. Man sieht, die Unterschiede zwischen Gut und Böse lassen sich objektiv kaum manifest machen. Es kommt eben auf die Attitüde, auf die zur Schau gestellte Haltung, auf den Style, auf den Stallgeruch an.

Auch der Kampfbegriff des „Rassismus“ hat an Schlagkraft verloren. Das liegt nicht daran, dass die Heckenschützen in rassistischen Kategorien denken und Menschen diesermaßen selektieren, nämlich in gute und in böse Menschen, sondern einfach daran, dass die mediale Halbwertszeit abzulaufen droht. Der Begriff des „Antisemitismus“, der noch von alten Schlachtrössern wie Martin Walser und ähnlich im Prinzip Günter Grass, aber auch von ewig gestrigen Rechtsradikalen als omnipotente „politische Keule“ diskreditiert wurde, gehört schon seit zehn Jahren ins Kampfmittelmuseum der Heckenschützen. Die FDP, die mit der Freiheit des Gedankens, den sie so liebt, so ihr Probleme hat, beteiligte sich am Abschuss ihres einstigen Vormannes Jürgen Möllemann noch in sehr feiger Weise unter Verwendung des damals wie ein Geschoss wirkenden Begriffes des Antisemitismus. Das war 2002.

Deutlich festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass Antisemitismus eine Schande ist. Aber es ist eine Schande eigener Art, in diesen Zeiten mit dem Begriff des Antisemitismus Schindluder zu treiben und ihn für eigene Kampfzwecke zu instrumentalisieren. Heute werden Phobien, eigentlich ein Krankheitsbild, in kompletter Denaturierung des Begriffes als „Totschlagargumente“ missbraucht.

Die Islamophobie, die Homophobie und die Xenophobie

Drei Hauptphobien kennen die phoben Heckenschützen: Die Islamophobie, die Homophobie und die Xenophobie. Vor diesen Phobien sprachen die Heckenschützen eher von Islamfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Schwulenfeindlichkeit und natürlich von allen anderen Feindlichkeiten, vorneweg der Frauenfeindlichkeit und der Kinderfeindlichkeit. Lasse man sich von der intellektuellen Verblödung, die in solchen Begriffsgeschossen liegt, nicht beirren. Es geht um die böse Absicht. Und die Absicht der Heckenschützen ist primitiv und durchsichtig. Bei der Heckenschießerei geht es um nichts anderes als um eine moralische Selektion und Kategorisierung – und zwar in Menschen, die drin bleiben dürfen und solche, die über den Tellerrand fliegen. Es geht also tatsächlich um eine Art „Abschießen“, nämlich darum andere Menschen in das gesellschaftliche, berufliche, existenzielle Aus zu schießen, aus der Gemeinschaft auszusperren.

Westernliebhaber kennen das. Der Richter im Film, der selber oft ein prototypisches Kind des Wilden Westens ist und sich gelegentlich auch selbst den Posten gemacht hatte, lebte regelmäßig wie die Made im Speck: der richtende Filmrichter hatte aber noch irgendeine Legitimation und schaute wenigstens noch in irgendein Buch, das nicht unbedingt das Gesetzbuch gewesen sein muss und auch mal eine Pistole enthalten konnte, hinein.

Die modernen Heckenschützen richten dagegen ausschließlich nach eigenem Gusto, sie haben keinerlei konsistentes Normensystem im Kopf und jagen morgens den einen in die eine und abends einen anderen in die andere Richtung. Bei ihnen hat sich das Erlegen der auserkorenen Opfer längst verselbstständigt. So kommt es zu absurdesten „Ergebnissen“.

Moderne Heckenschützen haben keinerlei konsistentes Normensystem im Kopf
In der irrlichtenden, der Autorin gleichwohl ans Herz gewachsenen, immer wieder in Fanatismen versinkenden kleinen, aber lautstarken taz erklärte eine Autorin den Lesern vor einiger Zeit, dass die weiße Frau, die sonst gleich dem Rest der Welt unter dem weißen Mann litte, selber zur Rassistin würde, wenn sie einem Mann, der zufällig Moslem ist, den Beischlaf verweigerte.

Ja, gut mag man denken, Verrückte gibt es und Shit happens. Solcherlei Idiotien sind indes nicht die Ausnahme bei den Instrumentalisierern des Begriffes Rassismus, sie sind die Regel.

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/aktuelle-totschlagwoerter-islamophobie-homophobie-und-xenophobie/

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  08.06.2015   Achgut.com

Orwell 2015, ein Update

Ich glaub´, ich muss George Orwells „1984“ noch einmal lesen. Als der Roman vor dreißig Jahren in aller Munde war, und natürlich Schullektüre, fehlte mir noch die Erfahrung, um wirklich zu verstehen, was uns der Autor sagen wollte.

Aber jetzt sind wir ja auf einem entsprechenden Weg. Das vorläufig letzte öffentliche Gedankenverbrechen hat Annegret Kramp-Karrenbauer begangen, die Ministerpräsidentin des Saarlandes, als sie für das derzeit angesagte Thema „Homo-Ehe“ nicht die nötige Begeisterung an den Tag legte.

Unabhängig davon, wie man zur Sache selbst steht, ist es offenbar nicht einmal mehr statthaft, durchaus nachvollziehbare Bedenken hinsichtlich der Folgen einer „Ehe für alle“ zu hegen – ganz so, als sei vollkommen auszuschließen, dass gewisse Ethnien unter Berufung auf diese Losung irgendwann daherkommen und Ehen mit Minderjährigen und / oder näheren Verwandten oder auch die Vielehe einfordern könnten. Jedenfalls hat nun eine Berliner Anwältin die Politikerin angezeigt – wegen Beleidigung und Volksverhetzung: „Diese Äußerung ist nicht mehr nur homophob, sondern menschenverachtend und in ihrem Gehalt gleichzusetzen mit den ähnlich verachtenden Äußerungen 1933 – 1945.”

Mit anderen Worten: So schnell ist man ein Nazi, jedenfalls für jene, die konservativ gleich für reaktionär halten und eigentlich jede Meinung, die ihrer eigenen widerspricht, im braunen Sumpf verorten. Als Erster durfte Thilo Sarrazin die Erfahrung machen, für eine kühle ökonomische (und durchaus langweilige) Bestandsaufnahme der deutschen Gegenwart als Rassist, Biologist und Menschenverächter angeprangert zu werden; der rüpelhafte Umgang mit dem Ex-Banker und -Politiker vor allem in den Medien gab die Richtung vor, wie künftig mit ähnlichen Gedankenverbrechern zu verfahren sei.

Zynischerweise wird Kritik an dieser selbst ausgrenzenden und diffamierenden Praxis gern mit dem lapidaren Hinweis abgebügelt, Sarrazin habe doch sein Buch (in dem es übrigens nur nebenbei um wenig segensreiche Einwanderer ging, deutsche Prolls nerven Sarrazin genauso) schreiben dürfen und viel Geld damit verdient. Das stimmt allerdings, und damit darf er sich, wenn er ein dickes Fell hat, darüber hinwegtrösten, dass er für seine öffentlich geäußerte Meinung seinen Job verlor und zur persona non grata gemacht wurde, der jeder Schwachkopf „krude Thesen“ unterstellen darf.

Womit wir bei Bernd Lucke und Frauke Petry wären. Beide wurden kürzlich mit „Nazis raus!“-Rufen bedacht, ersterer im Bordrestaurant eines ICE, letztere in einem Lokal in Göttingen. Bislang hat noch niemand einem der beiden irgendwelche nazistischen Äußerungen nachweisen können, aber offenbar reichen Kritik an unbegrenzter und in mancherlei Hinsicht problematischer Zuwanderung oder auch nur Kritik an der Euro-Politik vollkommen aus, um von geschichtsvergessenem Pöbel mit dem Nazi-Etikett versehen zu werden. Man muss wahrlich kein AfD-Anhänger sein, um diese Entwicklung für hochgradig gefährlich zu halten.

Und der Irrsinn ist längst alltäglich. Der Kabarettist und Comedian Dieter Nuhr darf nach einer Entscheidung des Stuttgarter Landgerichts von einem Salafisten „Hassprediger“ genannt werden, weil er es immer wieder wagt, echte Hassprediger zu verarschen.

Eine Ratgeberkolumnistin beim Anzeigenblättchen „OWL am Sonntag“ wird nach einem Online-Scheißesturm einen Kopf kürzer gemacht, weil der Chefredakteur es nicht schafft, ein paar lärmenden Twitterern zu bescheiden, dass eine harmlose Meinungsäußerung kein Kündigungsgrund sein darf.

Eine Flugbegleiterin der United Airlines wird (straf-)versetzt, weil die gleich in die Welt hinausposaunte Klage einer Muslimin über „diskriminierende Behandlung“ (will heißen: Weigerung, eine Cola-light-Dose ungeöffnet zu übergeben), medial verstärkt, öffentliche Empörung auslöste und die Fluggesellschaft in Rekordzeit zum Einknicken brachte.

„United Airlines versuchte die Angelegenheit zunächst als ,Missverständnis hinsichtlich eine (sic!) Dose Diätlimonade herunterzuspielen´“, meint Spiegel online, um gleich darauf zu frohlocken: „Doch ohne Erfolg.“ Dabei kann man eine Nichtigkeit gar nicht herunterspielen – wohl aber zu absurder Größe aufblasen, was Frau Ahmad hundertprozentig wusste, als sie mit ihrer Pipifax-Geschichte an die Öffentlichkeit ging.

Die Komplizen in den Redaktionen, die das Meinungsklima prägen und damit auch Druck auf die Politik ausüben, funktionieren ja auch tadellos. Der Großteil der Medienschaffenden tickt zweifellos links oder jedenfalls in die Richtung, die man heutzutage für links hält. Früher jedenfalls beschwerte sich der Linke über „Berufsverbote“, wenn Kommunisten nicht in den Staatsdienst eingestellt wurden, heute goutiert er, dass Menschen für eine nicht genehme Meinungsäußerung gefeuert werden. Und warum? Aus dem gleichen Grund, aus dem sich der Rüde an den Eiern leckt: Weil er es kann. Denn jetzt ist er am Ruder.

Wie, jemand kritisiert den politischen Islam? Rassist! Oder Putins aggressives Auftreten? Kriegstreiber! Oder die Zuwanderung Hunderttausender, die möglicherweise auch eine Belastung darstellen können? Kaltherzig, xenophob! Selbst in dem traurigen Haufen älterer Herrschaften, die in Funktionskleidung durch Dresden schlurfen, um gegen „Islamisierung“ zu demonstrieren, vermag ein linksanständiger Deutscher schon eine akute Gefahr für die demokratische Gesellschaftsordnung zu erkennen.

Monatelang warnt und mahnt er, bis sich die dumpfdeutschen Demonstranten endlich wieder in ihre mit Eichenschrankwand ausgestatteten Wohnzimmer zurückziehen. Illner, Maischberger, Plasberg & Co. sorgen derweil dafür, dass in einer Talkrunde auf einen rechtspopulistischen Gedankenverbrecher mindestens vier rechtschaffene Diskutanten kommen, die dem Abweichler tüchtig einheizen, und das Klatschvieh im Studio applaudiert wie bei Honecker selig nur politisch korrekten Aussagen.

Gefragt sind dementsprechend Typen, denen ein Proktologe als Arzt für ganzheitliche Medizin gilt (unhöfliche Zeitgenossen reden derb von Arschlöchern): Ein Uwe Steimle etwa („Wieso zetteln die Amerikaner und Israelis Kriege an und wir dürfen als Deutsche die Scheiße bezahlen?“) oder ein Jürgen Todenhöfer, der den Islamischen Staat nicht nur für total unislamisch, sondern für eine perfide Ausgeburt des Westens hält, und dem selbst in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jedes erdenkliche Forum zur Verfügung gestellt wird, um Millionen Menschen mit diesem Bullshit zu belästigen.

Geht das nur mir so, dass ich mich angesichts dieses grassierenden Irrsinns frage, was hier schiefgelaufen sein könnte? In einem Land, das sich vor Atomkraft, BSE und Feinstaub fürchtet, und in dem 43.000 vom Verfassungsschutz zur Islamistenszene gezählte Typen, darunter Hunderte Hardcore-Gefährder, kaum jemanden um den Schlaf bringen?

In einem Land, in dem zuweilen durchaus begründete Sorgen der Bürger nicht ernst genommen werden, während Politiker wie Andrea „Pippi“ Nahles Verordnungen erlassen, die das Paternosterfahren regeln? In einem Land, in dem vom Geheimdienst allen Ernstes „Transparenz“ gefordert wird und das die nationale Sicherheit wohl besser bei einem Ströbele aufgehoben wähnt? In einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern, dem ein bisschen mehr Meinungsvielfalt und, ja, auch: Streit ganz gut tun würde, in dem aber die Gesellschaft selbst den Tugendterror ausübt, den ein Robespierre noch mit dem Wohlfahrtsausschuss organisieren musste und von dem Orwell sich nicht träumen ließ, dass es dafür durchaus keines totalitären Systems bedürfen könnte?

Ich weiß: Möglicherweise errege ich, weil ich die Stirn habe, mich im Sinne Kants meines eigenen Verstandes zu bedienen und gegebenenfalls „Der Kaiser ist ja nackt!“ zu rufen, den Unmut von GedankenpolizistInnen wie Yasmin Fahimi. Aber Vorsicht, Genossen: Ich habe einen Migrationshintergrund, von dem ich jederzeit rücksichtslos Gebrauch machen kann! Zwar keinen muslimischen, also gewissermaßen nur einen Migrationshintergrund zweiter Klasse, aber dennoch: Kein leichtes Spiel für die Tugendterroristen. Das wird ein Spaß.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/orwell_2015_ein_update

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Lasst uns die Kontinente tauschen!

Heute ist der Weltflüchtlingstag. Sogar 1914 gab es diesen Tag. Damals hatte der Papst Benedikt XV. den Welttag des Migranten und Flüchtlings unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges ausgerufen und er wurde am 19. Januar 1914 zum ersten Mal begangen.

Es ist das Geheimnis von Wikipedia oder des Papstes, dass dieser Tag dann ausgerufen wurde, als der erste Weltkrieg noch gar nicht angefangen hatte. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es das Wort „Migrant“ damals nicht gab. Das zeigt, wenn Kappes oft wiederholt wird, wird er zur Wahrheit. Wer das gugelt, bekommt den gleichen Stuss aus zig Quellen geliefert, die alle nur abgeschrieben, aber nicht nachgedacht haben. Das aber nur am Rande.

Wie gehen wir mit diesem Tag um? Da fragen wir am besten das Ministerium für Betroffenheit und Bestürzung (Idealbesetzung: Claudia Roth). Jedem muss geholfen werden, der auf dem Mittelmeer in irgendeinem Behältnis schwimmt, das nicht vorher durch Kugeln der NATO zerstört worden ist. Toll und durchdacht. Ähnlich wie die derzeitige Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen in meiner Heimatstadt. Jede Wortmeldung beginnt mit „Ich bin dafür, dass man den Flüchtlingen hilft und diese menschenwürdig unterbringt.“ Dann kommt je nach rhetorischer Begabung ein längeres oder kürzeres Zwischenstück und beendet wird das Statement mit: „Der von der Verwaltung vorgeschlagene Ort ist denkbar ungeeignet. Es gibt weitaus bessere (gemeint ist: weiter weg liegendere) Standorte.

Mir ist kein Fall bekannt, wo Anwohner von sich aus, Flüchtlingscontainer in ihrer Nähe aufgestellt haben wollen. Auch ist mir nicht bekannt, dass jemals in Köln Hahnwald, wo die meisten Gutmenschen der Stadt wohnen, oder in Berlin Grunewald Flüchtlinge untergebracht, Moscheen errichtet oder Windräder aufgestellt wurden. Kurzum: Die Verlogenheit bestimmt die Debatte und wenn ich mich jetzt oute, dass ich auch kein Container vor meiner Nase will (weil ich nicht im containersicheren Hahnwald wohne), dann bin ich ehrlich, aber zeitgleich auch ein empathieloser Menschenfeind. Für mich ist die Flüchtlingsdebatte, so wie sie geführt wird, von A bis Z eine Heuchelei, die nicht zielführend ist. Mein Beweis: Alle Parteien, die sich gegen den Zustrom von Flüchtlingen in Europa aussprechen, legen bei allen Wahlen zu.

So gemeckert ist genug, Jetzt unterbreite ich zwei verschiedene Vorschläge, wie mittelfristig die Lage verbessert werden kann:

1) Die NATO und ihr Hauptmitglied USA unterlassen ab sofort das Zusammenbomben von funktionierenden Staaten. Die NGOs, deren einziges Ziel es ist, prowestliche Unruhen zu organisieren und zu finanzieren (5 Mrd. für den Putsch in der Ukraine) werden vom Papst geächtet. Die Länder, die für die Zerstörungen verantwortlich sind, werden zur Wiederaufbauhilfe in gleicher Höhe verpflichtet. Die Ölgelder fließen ausschließlich dem Förderland und nicht den amerikanischen Multis zu. Flüchtlinge werden von den Ländern aufgenommen, die an der Zerstörung der Heimatländer die Verantwortung tragen. Die Konten der Warlords in den kapitalistischen Wellnessoasen (Luxembourg, Schweiz, Bahamas u.v.m.) werden konfisziert (ein Glück, dass ich vorgestern das Bargeld abgeschafft habe). Die Durchführung überwacht ein zu gründender Ethikrat unter dem Vorsitz von Jean Ziegler. Deutsche Mitglieder sind Heiner Geissler, Willy Wimmer und Jürgen Todenhöfer (von der SPD fällt mir niemand ein, der durch kritische Gedanken aufgefallen wäre). Das sind die Kernpunkte zu Befriedung der Welt.

Jetzt mein Alternativvorschlag, der dadurch notwendig wird, weil alle Gutmenschen die grenzenlose Barmherzigkeit ausrufen wollen, d.h. weil Matthäus 11, 28 das Modell zur Lösung allen Elends der Welt wird. Mein geliebter Prof. Stützel hat ökonomische Probleme oft mit dem Global- und Partialsatz betrachtet:

Partialsatz – die Betrachtung für ein einzelnes Wirtschaftssubjekt
Globalsatz – die Betrachtung für die Summe aller Wirtschaftssubjekte
Stützel gebraucht übrigens folgendes Kino-Bild:
Partialsatz – eine Person kann durch Aufstehen ihre Sicht verbessern
Globalsatzalle Personen können durch Aufstehen ihre Sicht nicht verbessern (danke)

Jeder einzelne Migrant kann (wahrscheinlich) durch Erreichen Europas seine ökonomische Lage verbessern. Kommen aber alle N-Wörter nach Europa, wird das wohl eher nicht der Fall sein, es sei denn, wir machen nochmals eine Völkerwanderung. Die Flüchtlinge übernehmen Deutschland. Da die Deutschen seit 1945 Massenmörder auf Bewährung sind, wird Deutschland von der EU als Opferland ausgewählt, d.h. die Deutschen suchen – wie einst unsere Landsleute in Deutsch-Südwest – ihr Glück in Afrika. Dann können wir verwöhnte Zootiere endlich mal in der freien Wildbahn zeigen, was wir noch so drauf haben.

Beispielsweise im Eisenbahnbau: die Eisenbahn im heutigen Namibia wurde innerhalb kürzester Zeit gebaut und heute ist dort – ähnlich wie am Berliner Flughafen – eine ewige Baustelle, die einem die Tränen ins Gesicht treibt, wenn man sieht, wie dort gearbeitet wird. Das wäre mal eine Bewährungsprobe.

Vielleicht ist der Kontinentaltausch segensreich für die Entwicklung der Welt? Ich hausiere gern mit der (gewagten, weil politisch unkorrekten) These, dass es in der Regel allen einheimischen Bewohnern besser ginge, wenn die Kolonien noch da wären. Sehen wir uns die wenigen noch verbliebenen Kolonien an. Mir ist nicht bekannt, dass dort die Bevölkerung eine Unabhängigkeit vom Mutterland wünscht. Sogar in Korsika ist es friedlich und in Schottland fehlte die Mehrheit. Von Réunion, franz. Guyana oder den niederländischen Kolonien ganz zu schweigen. Wäre der, von dem (fast) Kriegsverbrecher Leopold II. ausgebeutete Kongo heute bei Belgien, gäbe es mittlerweile dort bestimmt Straßen, Schulen und die Einheimischen könnten problemlos, als Bürger der EU, nach Brüssel reisen, ohne sich in Lampedusa wie Dreck fühlen zu müssen. Die „Befreiung Afrikas vom Kolonialismus“ ist keine Erfolgsgeschichte und wenn mir persönlich ein Schwarzer in Südafrika ohne Not erzählt hat, dass es den „normalen“ Leuten unter der Apartheit besser ging, dann machte mich das sehr nachdenklich (er hat auch erklärt warum).

Natürlich muss unser Präsident auch seinen Sermon dazu geben. Sortiert in diesem Artikel die Leserbriefe nach „Leserempfehlung“, dann erkennt man, was ich meine.

So jetzt feiern wir diesen Welttag des Migranten und Flüchtlings einfach damit, dass wir ab sofort eine ehrliche Debatte führen. Falls jemand in Düren einen guten Vorschlag zur Unterbringung von Flüchtlingen hat – am besten wäre eine Bürgerinitiative, die das sogar vehement fordert – so bin ich gerne bereit das umgehend unserem Bürgermeister mitzuteilen.

P.S. Mein Urgroßvater hat 1898 mit 5$ Startkapital sein neues Glück in Amerika gesucht (und anscheinend auch gefunden).

http://www.altermannblog.de/lasst-uns-die-kontinente-tauschen/

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Liebes Zentrum für politische Schönheit…

Von Malte Fischer 22.06.15 Achgut.com

…über Schönheit lässt sich streiten. Reden wir über Charakterzüge von Personen, Menschengruppen oder Nationen, ich erachte Bescheidenheit, Vernunft und Mut als schön. Es ist daher logisch, dass ich Eure Aktionen potthässlich finde.

Ihr verwechselt Narzissmus mit Nächstenliebe und Menschlichkeit mit moralischer Überheblichkeit. Ihr feiert Euch selbst als Vorkämpfer der Menschenwürde und diffamiert alle in der Flüchtlingspolitik entscheidenden und handelnden Menschen pauschal als Verbrecher und Mörder. Jedenfalls so lange sie Eure politischen Wahnvorstellungen nicht teilen. Die Toten, um die es Euch dabei angeblich geht, bekommen in Eurer Propagandaschlacht gegen Deutschland und die EU weder Namen, noch Gesicht, noch eine Geschichte. Wozu auch? Die Helden seid sowieso Ihr. Ein totes Kind ist nur eine Requisite in Eurer Medienshow.

Der Rigorismus Eurer Propaganda-Sprache steht in einer unheilvollen deutschen Tradition, die von den Nazis über die RAF bis in unsere Gegenwart reicht. Es ist die antimoderne und antiwestliche Tradition eines politischen Moralismus, die alles Leid der Welt bösen Mächten und sich selbst die Rolle des aufrechten und anständigen Vorkämpfers gegen diese Mächte zuschreibt. Für diese Haltung bedarf es der richtigen Mischung aus Selbstgerechtigkeit und Ahnungslosigkeit. Wer im Schlaraffenschlummerland der späten BRD aufgewachsen ist, mit Kunst und Medien zu tun hat, und sich für einen kritischen Geist hält, ist besonders anfällig.

„Europas Grenzen sind militärisch abgeriegelt. Sie sind jetzt die tödlichsten Grenzen der Welt. Jahr für Jahr sterben Tausende Menschen beim Versuch, sie zu überwinden.“ Wart Ihr in letzter Zeit mal im Grenzgebiet von Syrien und dem Irak oder von Russland und der Ukraine? Davon mal abgesehen ist die Behauptung, Deutschland oder die EU töte an ihren Außengrenzen, eine bösartige Verdrehung der Tatsachen. Schiffe der EU retten täglich etliche Menschen, die von eiskalt kalkulierenden Schlepperbanden fahrlässig in Seenot manövriert werden. Kein verantwortlich handelnder Politiker kann das Dilemma ignorieren, dass jede konzertierte Rettungsaktion dieses tödliche Geschäftsmodell befördert und damit weitere Menschenlebengefährdet. Er kann auch nicht die Augen davor verschließen, dass die Öffnung der EU-Außengrenzen samt Transfer und Versorgung aller einreisewilligen Menschen einen unkontrollierbaren Massenexodus aus Afrika, Südosteuropa und dem Nahen Ostens auslösen könnte, mit gravierenden sozialen Konsequenzen in den Aufnahme- wie in den Herkunftsländern. Wer glaubt, Humanität sei eine Frage des guten Willens und des reinen Herzens, wird hoffentlich nie politische Verantwortung in diesem Land tragen.

„Europa hat den Einwanderern den Krieg erklärt – ein Krieg, dem ausschließlich Zivilisten zum Opfer fallen“. Ganz klar, nicht die Militärdiktatur in Eritrea, nicht Assad oder der IS, nicht Bürgerkriege, Rückständigkeit, Misswirtschaft und Fundamentalismus sind verantwortlich für das Flüchtlingselend. Die Killer sind jene Länder, die jedes Jahr hunderttausende Menschen, die vor den Zuständen in ihrer Heimat fliehen, aufnehmen und versorgen. Was für ein Bullshit. Wer ernsthaft etwas gegen die Ursachen des Leids unternehmen möchte, wird nicht ohne mehr militärisches Engagement Europas in Krisensituationen auskommen, ohne das humanitäre Hilfe vielerorts schlicht nicht denkbar ist. Aber genau das wäre in Euren Augen ja nur eine Fortsetzung des „Kriegs gegen Flüchtlinge“. Wenn Ihr die im Mittelmeer Ertrunkenen mit den Mauertoten an der deutsch-deutschen Grenze vergleicht, offenbart Ihr nur die kaltschnäuzige Respektlosigkeit, mit der Ihr die Opfer von damals wie heute für Eure Propaganda instrumentalisiert. Es ist das eine wenn ein Staat seine Bürger einsperrt und erschießt, wenn sie versuchen, abzuhauen. Es ist etwas völlig anderes wenn ein Staatenbund nicht für Leben und Sicherheit aller garantieren kann, die sich auf den Weg zu ihm machen.

„Die Opfer dieses Krieges werden massenhaft im Hinterland südeuropäischer Staaten verscharrt. Sie tragen keine Namen. Ihre Angehören werden nicht ermittelt“. Ihr unterstellt den Staaten Europas einen verdeckten Genozid. Warum ruft Ihr nicht einfach gleich die hier ankommenden Flüchtlinge dazu auf, möglichst viele von den europäischen Mörderschweinen um die Ecke zu bringen? „Niemand schenkt ihnen Blumen.“ Außer euch natürlich. Ohne Worte.
„Die Toten sind jetzt auf dem Weg nach Deutschland. Die Angehörigen haben jeweils entschieden, was geschehen soll.“ Kein Angehöriger hat sich öffentlich oder irgendwie nachprüfbar geäußert. Genauer gesagt hat sich nicht mal irgendein Flüchtling in irgendeinem Zusammenhang mit Eurer Aktion geäußert. Sie haben wahrscheinlich andere Probleme undsind einfach nicht hirnverbrannt genug, um zu kapieren, was Ihr wollt. In erster Linie fahren deutsche Medien- und Kulturschaffende auf Euren Schuldporno ab. Weil sie genauso schamlos selbstverliebt sind wie Ihr.

„Ihr Tod kann nicht rückgängig gemacht werden.“ Alles knapp darunter kriegt Ihr Helden natürlich hin. „Aber ihre sterblichen Überreste können Europas Mauern zu Fall bringen. Diese Aktion wird Europa in einen Einwanderungskontinent zurückverwandeln.“ Euer Größenwahn ist wahrhaft grenzenlos. Es gebe keinen Grund, Euch überhaupt Beachtung zu schenken, wenn Eure Aktion nur hemmungslos überflüssig wäre. Das ist sie sowieso. Aber sie ist auch Gift für den gesellschaftlichen Frieden und für ein gutes Miteinander von alteingesessener Bevölkerung mit einer stetig wachsenden Zahl von Menschen aus anderen Kulturen.

Wir haben den Menschen in Afghanistan, dem Kosovo oder Somalia manches voraus. Erstklassige medizinische Versorgung, sexuelle Selbstbestimmung, eine zuverlässige Müllabfuhr. Keine Häuserkämpfe in unseren Städten. Es gibt viele gute Gründe, morgens dankbar in Aachen, Hildesheim oder Zwickau aufzuwachen. Egal, ob man dort aufgewachsen oder gestern erst gestrandet ist. Europaweit nehmen Deutschland und Schweden die meisten Flüchtlinge auf. Tausende Bürger engagieren sich mit Spendensammlungen und privaten Hilfsinitiativen. Im globalen wie im historischen Vergleich ist Deutschland heute trotz wachsender Flüchtlingszahlen ein Beispiel an Humanität und Solidarität.

Wer behauptet, wir seien mörderisch gegenüber Schutzsuchenden, fördert nicht Nächstenliebe, sondern Ressentiments auf allen Seiten. Ihr solltet Euren Drang in den Griff bekommen, Euch moralisch über andere Menschen zu stellen. Ihr erntet Trotz und Abwehrreaktionen bei Deutschen, die mit gutem Gewissen von sich behaupten, für die Militärdiktatur in Eritrea keine Verantwortung zu tragen. Ihr ermutigt Zuwanderer zur Nichtachtung unserer Gesetze und unserer Gesellschaft. Moralische Selbstanklagen und die Rhetorik der Gruppen- und Opferidentitäten bereiten in einer noch halbwegs komfortablen wirtschaftlichen Lage fahrlässig das Feld für Verteilungskonflikte und soziale Spannungen.

Wir können uns heute weder die beruflichen Qualifikation noch die Weltanschauungen der Menschen aussuchen, die zu uns kommen. Wir ziehen nicht nur Unternehmer, Ingenieure undSpitzenforscher an. Es kommen viele junge, ungelernte Männer, die nur ihre Kraft und hoffentlich ihren guten Willen mitbringen. Wir tun ihnen keinen Gefallen wenn wir sie mit Opferstatuszuweisungen und Selbstanklagen davon abhalten, ihre Energie in produktive Bahnen zu lenken. Wir bezeugen Menschen aus anderen Kulturkreisen keinen Respekt, wenn wir nicht selbstbewusst zu unseren eigenen Werte und Regeln stehen.

Es ist schwer, sich in einen Menschen zu verlieben, der sich selbst nicht ausstehen kann. Leute mit geringem Selbstwertgefühl geraten deshalb oft an dominante, manipulative, manchmal auch gewalttätige Partner, die diese Schwächen nutzen, um ihre eigene Stärke auszutesten. Oft enden solche Verhältnisse dann unschön. Soll das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen in Deutschland gedeihen, müssen wir nicht lernen, andere mehr zu lieben, sondern uns selbst mehr zu achten. Kein Mensch wird eine Gesellschaft respektieren, die sich selbst nicht respektiert. Wer unseren Rechtsstaat mit plumper Propaganda verächtlich macht, sägt an dem Ast, auf dem wir gemeinsam mit allen hierher Zugewanderten sitzen.

Malte Fischer (38) lebt in Berlin, ist seit 2000 Autor und Redakteur für RTL, Pro 7, RBB, WDR mag Bücher, Filme, Serien, Schallplatten und Spaziergänge mit seinem Hund.

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  22.06.2015   Achgut.com

Politische Leichenfledderei

Das sogenannte „Zentrum für Politische Schönheit“ konnte mit Hilfe der Medien wieder einmal aus einem Furz einen Donnerschlag machen. Dabei spielte bei unseren Qualitätsjournalisten keine Rolle, dass die „Aktion“ der „Entschlossenen“ mehr als nur ein Gschmäckle hatte. Das politische Instrumentalisieren von Toten scheint kaum einen Berichterstatter abzuschrecken. Im Gegenteil! Nur der Kollege von der taz hatte Bedenken, der unappetitlichen Show beizuwohnen. Dafür schickte der „Tagesspiegel“ sogar fünf ! Mitarbeiter, die dann online eine „Dokumentation“ ablieferten, bei der sich die Nackenhaare aufstellen.
Aber der Reihe nach: besagtes Zentrum hatte zuletzt bundesweit auf sich aufmerksam gemacht, als es Flüchtlinge aus Afrika dazu anstiftete, die Gedenkkreuze für die Mauertoten am Reichstag zu schänden, um pressewirksame Bilder zu produzieren.
Die Aktion misslang trotz eifrigsten Pressezuspruchs ziemlich gründlich, weil sie auf heftigsten Protest von Verwandten der Mauertoten, Verbänden der politisch Verfolgten und von Politikern stießen.
Diesmal haben sind die „Künstler“ lieber über Leichen gegangen, die sie aus einem Massengrab gezogen und angeblich identifiziert haben wollen.
Also wurde vorige Woche auf dem muslimischen Friedhof zu Berlin, eine Syrierin begraben, als „Opfer der Abschottung Europas“. Die Familie, der von den italienischen Behörden als „unbekannt“ klassifizierten Frau, soll sich in Deutschland aufhalten, erschein aber nicht zum Begräbnis.  Von den etwa hundert Anwesenden waren etwa 50 Journalisten, der Rest „Aktivisten“, die nur zum geringen Teil in Schwarz erschien, was bei einer Trauerfeier angemessen gewesen wäre.
Es ging aber eben nur um ein Politspektakel, egal um welchen Preis. Ein „Ehrentribüne“, die eher einem Schafott ähnelte, sollte auf die abwesenden „Verantwortlichen“ für die Toten im Mittelmeer hinweisen- die Bundesregierung.
Angeregt durch die eifrige, kritiklose Berichterstattung, die es fertig brachte, jede Verlautbarung der Pächter der „Politischen Schönheit“ unkommentiert und unhinterfragt wiederzugeben, fanden sich am letzten Sonntag um die 5000 Menschen zur Fortsetzung der Politposse ein.
Das verkündete Ziel war die Grünfläche vor dem Kanzleramt, die in eine Massengrabstätte verwandelt werden sollte. Als das nicht gestattet wurde, nahm man sich den Rasen vor der Westseite des Reichstags vor.
Angeführt von einem muslimischen Leichenwagen, zogen die willigen Vollstrecker der Ziele des Zentrums vor das Parlament. Ein Zaun, der die Grünanlage schützen sollte, wurde „friedlich“ zum Einsturz gebracht . Laut Tagesspiegel „ein extrem ergreifender Moment“. Dann wurden mit „Schaufeln, Skateboards und mit bloßen Händen“, wie der Tagesspiegel getreu dokumentiert, hunderte „Gräber“ ausgehoben, das heißt die Anlage systematisch zerstört.
Unsere kritischen Journalisten sahen darin kein Problem, schließlich ging es ja um eine gute Sache.
Die Polizei schaute dem Treiben tatenlos zu. Es scheint die politische Rückendeckung gefehlt zu haben. Erst am Abend wurde zur Räumung der Wiese aufgefordert.
Nur die Hardcore- Aktivisten, die der Aufforderung nicht folgten, wurden abgeführt. Dabei sollen auch Journalisten, die unbedingt hautnah dabei sein wollten, um die polizeiliche Willkür nicht zu verpassen, gestreift worden sein, was sie flugs auf Twitter kundtaten und die gewünschte Aufregung bei den Unterstützern erzeugten, die lieber auf dem heimischen Balkon geblieben waren, das Geschehen aber auf ihrem Handy verfolgten. #dietotenkommen war der Gefragteste an diesem Tag.
Skandal: „Kleine Gruppen behelmter Polizisten drangen schon ab 16.30 Uhr in die Menschenmenge ein, um Einzelne festzunehmen, zunächst jedoch häufig erfolglos. Einige Beamte traten bei ihren Aktionen auf frisch ausgehobene Gräber.“
Welche Gräber? Haben Journalisten, die so etwas schreiben, noch alle ihre fünf Sinne beisammen? Und warum erfolglose Versuche von Festnahmen? Weil alle Demonstranten absolut friedlich waren, wie der Tagesspiegel behauptet? Das es sich beim fröhlichen Graben um eine illegale Aktion gehandelt hat, bei der Schäden von mehreren zehntausend Euro entstanden, wird in keinem Bericht erwähnt.
Die Demontage des Rechtsstaates durch Taten, die als „ziviler Ungehorsam“ verniedlicht werden, spielt ebenfalls keine Rolle.
Schlimmer noch, die eigentlich politischen Verantwortlichen für die Toten im Mittelmeer: die afrikanischen Diktatoren und Warlords, die Terroristen des IS, die kriminellen Schleuser, werden durch solche Aktionen entlastet.
Es gibt ganz sicher jede Menge zu kritisieren an der chaotischen Flüchtlingspolitik der deutschen und europäischen Politiker. Manche politischen Entscheidungen fühlen sich an wie ein Förderprogramm für Schleuserbanden. Das wäre ein Thema.
Nicht aber die Behauptung, Europa wäre schuld am Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer. Das wird zwar täglich wiederholt, nicht nur von den Dunkelmännern des Zentrums für Politische Schönheit, aber dadurch nicht wahrer.
Es geht auch nicht um Wahrheit, es geht nicht mal um das Schicksal der Flüchtlinge, es geht, das hat Burckhard Müller- Ulrich richtig formuliert, um Terror, Terror gegen den Rechtsstaat.
Die „Künstler“ sind die Totengräber der Demokratie und die Journalisten, die sie kritiklos besingen, ihre willigen Helfer.

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  21.06.2015   Achgut.com

Leichenspielscharen in Gräberlaune

Natürlich hat niemand im Ernst damit gerechnet, daß es einer wildgewordenen Künstlertruppe erlaubt sein werde, am Bundeskanzleramt mit Baggern vorzufahren, den Boden aufzustemmen und ein „Friedhofsfeld der Superlative“ anzulegen. Die Meldung, daß der geplante Leichenzug polizeilich verboten wurde, ist also keine. Bemerkenswert hingegen ist die Tatsache, daß 5000 Leute in Berlin ruckzuck zur Stelle sind, wenn es darum geht, auf grünen Wiesen Gräber zu errichten, und sich prima dabei finden.

Der Tod ist eben doch ein Meister aus Deutschland, und wenn gerade nicht genug Tote zur Hand sind, dann macht man sich auf und karrt sie heran, denn anderswo gibt es noch reichlich. Auch viele Journalisten sind darob ganz aus dem Totenhäuschen, stammeln was von Radikalität und Mut und gezielter Provokation und widmen der wildgewordenen Künstlertruppe Gehör, Druckzeilen und Sendezeit. Was ist da los? Offenbar hat sie alle der Titel des Theaterstücks verhext: „Die Toten kommen“. Denn das klingt nach dem Horror, den man aus unzähligen Zombie-Filmen kennt. „Die Toten kommen“ – und im Unterschied zu gewöhnlichem Theater spielt die wildgewordene Künstlertruppe mit echten Leichen.

Das ist für unsere Zivilisation im Jahr 2015 zwar etwas relativ Neues, aber historisch beispiellos ist die Inszenierung von Toten zu politischen Zwecken keineswegs. Gerade im Syrienkrieg verbreiten sämtliche Seiten Bilder von hypnotischer Gräßlichkeit, deren tatsächlichen Hintergrund niemand überprüfen kann. Auch die palästinensische Propaganda beruht immer wieder auf kamerawirksam vorgezeigten Leichen, wobei die Todesumstände bedenkenlos umgedichtet werden. Und vielleicht erinnert sich noch jemand an das während des Umsturzes in Rumänien vor einem Vierteljahrhundert vielfotografierte Massengrab im Temesvar, mit dem ein Massaker bewiesen werden sollte, das nicht stattgefunden hatte: es handelte sich bloß um gerichtsmedizinisch obduzierte Leichen.

Der morbide Schauder, den die Nähe, die Erwähnung, der Anblick von Toten auslösen, verleiht demjenigen, der das organisiert, eine im wahrsten Sinne ungeheure Autorität. Es gibt keine stärkere Selbstermächtigung im Diskurs als die Berufung auf den Tod. Nicht von ungefähr liest man Bücher von krebskranken Autoren mit außerliterarischer Aufgewühltheit: solche Texte handeln von realem Schmerz und Schrecken, und davor verblaßt jedes Argument.

Deshalb ist die als Kunstaktion geschminkte Bestattungsdemo in Berlin nicht bloß makaber und geschmacklos, sondern totalitär und terroristisch. Im Mantel der Moral – es geht ja um die jeden Bürger überfordernde Flüchtlingsproblematik – reißen ein paar künstlerische Niemande die Macht an sich, über die letzten Dinge, die Transzendenz, den Leib, der mehr ist als ein Körper, zu befinden. Darin verrät sich die gleiche zynische Selbstgefälligkeit, mit der sich Attentäter herausnehmen, andere Menschen zu beschädigen, um eigene Ideen durchzusetzen. Kein Wunder, daß der Kopf der wildgewordenen Berliner Künstlertruppe die Kaufhausbrandstifter von 1968 Andreas Baader und Gudrun Ensslin „genial“ findet.

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Anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber reisen zu Zehntausenden ins Ausland, viele davon in die alte Heimat, wo sie angeblich verfolgt sind. Merken Sie etwas?

Philipp Gut weltwochw.ch Ausgabe 26/2015

Wer in der Schweiz Asyl erhält oder hier bleiben darf, auch wenn er keine Asylgründe geltend machen kann, der ist in seiner Heimat entweder an Leib und Leben bedroht, oder es ist unzumutbar, dass er zurückkehrt. Das ist der Kern des Asylgesetzes.

Mit Erstaunen nimmt man deshalb zur Kenntnis, dass anerkannte Flüchtlinge, aber auch vorläufig Aufgenommene und Asylbewerber in Massen auf Reisen gehen – viele von ihnen bewilligt von den Schweizer Behörden. Die meisten dürften nicht an der Côte d’Azur verweilen, sondern in ihren Herkunftsländern, wo sie angeblich politisch verfolgt und bedroht sind.

Fast alle Gesuche bewilligt

Die Zahlen: Zwischen 2010 und 2014 haben im Kanton Zürich 8931 anerkannte Flüchtlinge ein Reisegesuch gestellt. Fast alle davon, nämlich 8608, wurden bewilligt. Hinzu kommen 3281 Auslandreisen von Asylbewerbern und vorläufig Aufgenommenen. In der ganzen Schweiz wurden im selben Zeitraum insgesamt 61 892 solcher Reisen bewilligt. Das entspricht der Bevölkerung der Stadt Luzern und einer Bewilligungsquote von 97 beziehungsweise 84 Prozent. Wer will, darf also praktisch ungehindert herumreisen. Zuständig dafür ist das Berner Staatssekretariat für Migration.

An der Spitze der Reisewilligen im Kanton ­Zürich liegen Somalier und Eritreer. Aber auch die Iraker, Syrer und Afghanen, in deren ­Herkunftsländern Bürgerkrieg herrscht, sind stark vertreten. Das überrascht. Der Verdacht drängt sich auf, dass viele dieser Personen in ihre ­Heimat fahren und dort Ferien verbringen oder Verwandtenbesuche absolvieren.

Heimaturlaube in Syrien und Eritrea

Recherchen zu konkreten Fällen bestätigen die Vermutung. Beispiel eins: Ein im Kanton Zürich lebender Eritreer, der schwer krank war, reiste in sein Herkunftsland, um seine Verwandten zu sehen. Die Reisekosten übernahm ein Hilfswerk. So edel das Motiv in diesem Fall sein mag, so stossend bleibt die Tat­sache, dass ein Mann Asyl erhielt, der jederzeit gefahrlos heimreisen kann. Beispiel zwei: Ein Syrer, der in einer andern Zürcher Gemeinde wohnhaft ist, reiste unbehelligt in das Bürgerkriegsland. Zurück kehrte er mit seiner Frau, so dass die Behörden eine grössere Wohnung für die beiden organisieren mussten.

Das Staatssekretariat für Migration sieht in dieser regen Reisetätigkeit kein Problem und spricht bloss von «Einzelfällen». Realitätsnäher dürfte die Annahme sein, dass die meisten dieser Personen in der Schweiz eine Bleibe ­erhielten, ohne ernsthaft verfolgt zu sein.

http://www.weltwoche.ch/index.php?id=554350

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  29.06.2015   Achgut.com

Der Professor und die Frauen, Teil zwei

Die political correctness (pc) hat in der akademischen Welt Englands nun ihren abschließenden Gipfel erreicht. Sollten wir sie „Politische Überkorrektheit“ (PÜ) nennen? Oder „Politische Beklopptheit“ (PB)? Am besten wohl „Diktatur der Intoleranten und Humorlosen (DIH).

Auf das University College of London (UCL), eine bisher hoch angesehene akademische Einrichtung, würde jede dieser Bezeichnungen passen wie maßgeschneidert. Zumal ihr Präsident, Michael Arthur, jetzt öffentlich verkündet hat, dass die Universität einen Professor, dessen man sich aus all den oben erwähnten Gründen entledigt hat, nicht wieder aufnehmen wird.

Der Fall, der seit über einer Woche die akademische Welt Großbritanniens beschäftigt, hatte damit begonnen, dass die Universität den Nobelpreisträger Professor Tim Hunt ungehört aus ihren heiligen Hallen verbannt hat, weil er auf einer Dienstreise in Südkorea angeblich bezweifelt hat, dass Frauen für die Naturwissenschaften die notwendigen charakterlichen Qualifikationen mitbringen: „Sie stören den Betrieb und neigen zu Tränen.“

Inzwischen ist die ganze Rede des geschassten Biologen bekannt geworden und nun ist völlig klar, dass Tim Hunt, wie er von Beginn an gesagt hat, seine „frauenfeindlichen“ Worte als Scherz gemeint hat. Um dann vor seinem weiblichen Publikum weiter zu sagen: „Und nun im Ernst: Ich beschwöre Sie, werden Sie Naturwissenschaftlerinnen, trotz solcher Monster wie ich es eines bin.“ Der „Frauenfeind“ beschwor also die Frauen, Wissenschaftlerinnen zu werden. Na, so was.

War das Ganze ein guter Witz? Geschmackssache. Aber wären schlechte Witze strafbar, wir säßen alle im Gefängnis. Eine frauenfeindliche Äußerung war das, was Tim Hunt gesagt hat, jedenfalls nur in den Ohren der Professoren und Professorinnen der UCL, deren Denkapparat sich da etwas verhakt haben muss. Und zwar dauerhaft. Denn sie bestehen ja immer noch auf dieser verdrehten Interpretation des geschassten Kollegen. Obwohl man es inzwischen wirklich besser wissen könnte, wenn man wollte.

Zunächst hatte die Hochschule (wie wir Journalisten) nicht die ganze Rede gesehen und sich sofort auf der Welle einer weltumrundenden Twitter-Empörung vorschnell des Mannes entledigt. Und zwar wirklich mit Überschallgeschwindigkeit: Professor Hunt war noch im Flugzeug auf der Rückreise aus Südkorea, da hat schon ein flotter Offizieller seine Frau daheim angerufen, die ebenfalls eine Professur an der UCL hat, und gedroht: „Entweder Ihr Mann tritt zurück oder wir schmeißen ihn raus.“

Das war weder die feine englische noch die feine akademische Art. Professor Hunt war am Boden zerstört. Sein Ruf schien vernichtet. Aber nur vorübergehend. Denn er erhielt Unterstützung von vielen akademischen Seiten. In der Welt der internationalen Wissenschaft war er innerhalb weniger Tage rehabilitiert und wurde als Opfer einer menschenverachtenden Diktatur der politisch Korreken bedauert.  Dutzende Nobelpreisträger, noch mehr nicht ganz so hoch ausgezeichnete Professoren und sogar ein paar mutige Feministinnen tadeln in unterschiedlich strengen Worten die abstoßende Rauswurf-Aktion der Londoner Universität.

Ein Professor war besonders streng. Er hielt dem University College vor, sich eines Professors wegen einer ungeschickten Äußerung kalt zu entledigen und gleichzeitig Millionenbeträge aus Saudi Arabien zu akzeptieren, wo „Frauen nicht Auto fahren dürfen und Blogger eingesperrt und ausgepeitscht werden“. Der Professor nannte dies nicht nur Heuchelei sondern auch Prostitution.

Man kann also sagen: Die Londoner Uni hat dieser Tage eine hundsmiserable Presse. Und sie ist in einer verteufelten Lage. Denn was kann sie tun? Hätte sie einlenken sollen? Der vielfachen Forderung folgen, den hinausgeekelten Professor wieder zurückzuholen? Dann hätte man ja zugeben müssen, dass man sich geirrt hat. Dass man zugeschlagen hat, ehe man wusste, was der Mann eigentlich verbrochen hat. Nämlich nichts. Man wäre in den Verdacht einer unwissenschaftlichen Überstürzung geraten. Und schlimmer noch: Was, wenn der Nobelpreisträger gesagt hätte: Ihr könnt mich mal. Eine solche Alma Mater kann mir gestohlen bleiben.

Nein, man blieb beim Rauswurf. Augen zu und durch. Zu einer ordentlichen politischen Überkorrektheit (PÜ) gehört schließlich nicht nur die Humorlosigkeit sondern auch die Unfehlbarkeit.

Das Erstaunlichste an dieser Geschichte: Der entsetzliche Bierernst der politisch Korrekten droht, wie es scheint, inzwischen selbst den Briten ihren weltberühmten Humor auszutreiben. Damit erweist sie sich als eine wahrhaft gefährliche Ideologie. Wenn schon die Briten keine krummen Scherze mehr machen dürfen, wer traut sich dann noch? Wie soll man in anderen Ländern, in denen der Humor nicht zum Nationalcharakter gehört, dem Druck der lachfaltenfreien Korrektheitsdiktatoren widerstehen?

Ein Lichtblick: Der Fall UCL zeigt, dass man mit humorfeindlicher Meinungszensur auch furchtbar auf dem Bauch landen kann. Die Londoner Universität ist keine glückliche Universität mehr. Sie steckt tief im Schlamm ihrer eigenen Borniertheit und hat sich selbst am meisten bestraft.

Das ist ein tröstlicher Gedanke, der hoffentlich über den Kanal zu uns aufs ebenfalls von PÜ, PB und DIH bedrohte Festland herüberschwappt.

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  21.07.2015   Achgut.com

Wenn der Mob tobt

Am 16. Juli zeigte “Galileo” auf PRO 7 einen Beitrag darüber, was Deutsche über Israelis und Israelis über Deutsche wissen: “Germany meets Israel”. Es war eine lustige, harmlose Reportage, in der niemand vorgeführt und keiner verletzt wurde. Kaum online verschwand der Beitrag wieder von der PRO7-Homepage. Ein Zuschauer wunderte sich, fragte bei der Zuschauerredaktion nach und bekam die folgende Antwort:

Auf unserer Facebookseite nahm die Diskussion in den Kommentaren leider eine sehr drastische Richtung ein. Die Kommentare wurden zunehmend rassistisch und es wurden sogar Drohungen unter den Usern ausgesprochen, so dass wir eingreifen mussten und daher den Beitrag vollständig gelöscht haben.

Ein weiteres Kapitel in der endlosen Geschichte “Wenn der Mob tobt”. Seltsam, dass er dann besonders heftig tobt, wenn es um Israel geht. Das hat natürlich nichts mit der deutschen Vergangenheit zu tun, es ist nur der Ausdruck einer besonderen Sensibilität gegenüber einem Land, zu dessen Gründung Deutschland wesentlich beigetragen hat.

Immerhin: PRO 7 hat den Beitrag wieder online gestellt. Hier.

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wenn_der_mob_tobt1

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Kommentar: Die neue Masseneinwanderung | Die Weltwoche, Ausgabe 30/2015

Armutsmigration mit Folgen.Bild: TNT-Graphics

Es ist ein einsamer Rekord: Allein diesen Juni ­haben in der Schweiz 2199 Eritreer Asyl verlangt. Verglichen mit dem Mai entspricht dies beinahe einer Verdreifachung und verglichen mit dem April nahezu einer Verzehnfachung. Auch gegenüber dem Juni des letzten Jahres sind mehr als doppelt so viele eritreische ­Asylanten in die Schweiz gekommen. Dabei sind die Zahlen schon 2014 steil gestiegen.

Die Asylprobleme der Schweiz sind vor ­allem ein Eritreer-Problem. Die Zunahme aller Ge­suche im Juni um über siebzig Prozent gegenüber dem Mai ist fast ganz auf den Ansturm von Eritreern zurückzuführen. Ebenso verhält es sich bei der Zunahme der Gesuche im ganzen zweiten Quartal gegenüber den ersten drei ­Monaten im Jahr 2015: Ohne Eritrea wären die Asylgesuche fast konstant geblieben. Mittlerweile machen Eritreer unter allen Asylsuchenden 58 Prozent aus. Somit kommen aus dem kleinen Land in Ostafrika weit mehr Asylanten als aus der ganzen übrigen Welt. Insgesamt ­befanden sich Ende Juni fast 50 000 Asyl­bewerber und sogenannt vorläufig Aufge­nommene in der Schweiz – über 5000 mehr als vor einem Jahr. Ohne Eritreer wäre diese Zahl innert Jahresfrist sogar leicht gesunken.

Während die Schweiz um die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative ringt, greift also eine Masseneinwanderung ganz anderen Kalibers um sich: eine Armutsmigration, die sich zu einer grossen Belastung entwickelt. ­Eritreer kommen aus einer völlig fremden Kultur. Die meisten von ihnen schaffen den Sprung in die Schweizer Arbeitswelt trotz aller Integrationsbemühungen nie.

Welche finanzielle Belastung dieser Ansturm für die Schweizer Volkswirtschaft bedeutet, kann nur geschätzt werden. Im ersten Halbjahr 2015 kamen im Durchschnitt pro Tag 21 eritreische Asylanten an. Erhalten wie bisher neunzig Prozent von ihnen ein Bleiberecht und landen gemäss Erfahrungszahlen von diesen wiederum rund neunzig Prozent in der Sozialhilfe, so werden von diesen 21 Eritreern 16 dauerhaft auf Kosten des Staats leben. Bei geschätzten 20 000 Franken Sozialhilfekosten pro Jahr und Person und einer angenommenen Bezugsdauer von zwanzig Jahren entstehen dem Steuerzahler somit zusätzliche Kosten von über sechs Millionen Franken – mit jedem Tag, an dem die Behörden untätig bleiben.

Gefragt wäre jetzt resolutes Handeln von ­Simonetta Sommaruga, die für das Asylwesen zuständig ist. Die Bundespräsidentin müsste mit Hochdruck darauf hinarbeiten, dass eri­treische Migranten zurück in ihr Land gebracht werden können. Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Verhältnisse in Eritrea nicht annähernd so schlimm sind wie behauptet. Doch stattdessen beharrt Sommaruga, selber ehemalige Präsidentin des Entwicklungshilfswerks Swissaid, stur auf dem Standpunkt, alle Ankömmlinge aus Eri­trea seien schutzbedürftige Flüchtlinge.

Bundesbehörden lenken ab

Entsprechend lenkt das Staatssekretariat für Migration von den Problemen ab. Im Vergleich zu Gesamteuropa falle die Zunahme der Gesuche «moderat» aus, beschwichtigte es. «Der Anteil der Schweiz an allen Asyl­gesuchen in Europa hat sich seit 2012 mehr als halbiert.» Wenn andere Länder noch grös­sere Schwierigkeiten haben, nützt das der Schweiz aber nichts.

Bundesbern bringt immer neue Ausreden. Die Zunahme im zweiten Quartal sei überdurchschnittlich ausgefallen, «da die warme Witterung im Mittelmeer früher einsetzte als 2014 [und so die Überfahrten von Migranten begünstigte, d. Red.]». Man wartet noch auf das Argument, der Klimawandel sei schuld an den Zuständen im Asylwesen.

http://www.weltwoche.ch/index.php?id=554570

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  23.07.2015   Achgut.com

Bleib cool am Pool oder: Mit Beschweigen kommen wir nicht weiter

Heute mache ich mich unbeliebt. Ich gestehe: Ich bin ein Willkommenskulturbanause. Man wird mich aus den einschlägigen Ecken für dieses Statement einen Rassisten schimpfen (alternativ: einen Islamophoben, Fremdenfeind, Rechtspopulisten, Flüchtlingshasser, Extremist der Mitte, Nazi in Nadelstreifen, you name it), aber das ist mir langsam Wurscht. Die reflexhafte Entsorgung kritischer Anmerkungen bzw. missliebiger Ansichten zur ungebremsten Einwanderung im „braunen Sumpf“ gehört zur billigen diskursiven Masche der Dauerempörten und dient nur dazu, jede sachliche Debatte im Keim zu ersticken. Kritiker moralisch zur Sau zu machen, ist ja auch leichter, als unhaltbare Zustände argumentativ zu rechtfertigen.

Worum es geht
Ich weiß, dass es tatsächlich Leute gibt, die am liebsten jeden Ausländer rauswerfen würden, Neonazi-Gesocks etc., geschenkt. Aber, bitte: Macht dieser tatsächlich beklagenswerte Umstand die unkontrollierte Zuwanderung (und sie ist längst außer Kontrolle geraten) deshalb sakrosankt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir uns gerade eine unüberschaubare Anzahl von Personen ins Land holen, die nicht weniger gruselig sein können als die Springerstiefel tragenden Glatzen aus Brandenburg? Man denke nur an die 40.000 Salafisten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Oder an ganz normale Muslime, die einen ganz normalen muslimischen Antisemitismus kultivieren.

Worum es mir hier geht: eine rationale Bewertung der Zustände und um einen ehrlichen Umgang damit. Während Theo Sommer von der ZEIT eine wohlwollende Studie aus Großbritannien (!) zitiert, in der es um Arbeitsmigranten (!!) aus EU-Ländern (!!!) geht, um uns, die er wohl für ebenso so blöd hält wie sein Finanzamt, mit Verweis auf den demographischen Wandel die „Zuwanderung“ in toto schmackhaft zu machen (als wären Polen, Niederländer oder Spanier das Problem!!!!), treiben mich, kleinlich und spießig wie ich bin, schon länger ein paar ketzerische Fragen um:

Warum wird keine Unterscheidung mehr getroffen zwischen Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und politisch Verfolgten?

Wie viele Menschen werden in den nächsten Jahren zu uns kommen oder besser: Wie viele werden bleiben und wie viele gehen müssen?

Wie und wo werden sie behaust, wer kommt für Kost, Logis, Taschengeld und medizinische Versorgung auf?

Wer genau immigriert? Wie sieht es mit dem Familiennachzug aus?

Sind diese Menschen wirklich alle integrationswillig und -fähig?

Und nicht zuletzt: Welche Folgen könnte Einwanderung insbesondere aus islamischen Ländern für die innere Sicherheit haben?

Wenn neben Gentechnikfeinden, Atomkraftgegnern und TTIP-Kritikern noch weitere Bundesbedenkenträger zugelassen sind, dann möchte ich diese Fragen hier stellvertretend für viele aufwerfen. Da bereits 16,5 Millionen Deutsche einen Migrationshintergrund haben, also gut jeder Fünfte, von denen 10 Millionen einen deutschen Pass besitzen (ich bin einer davon), sollte der Multikulti-Bedarf längst gedeckt sein, insbesondere im Hinblick auf massive Probleme, die bereits Zugewanderte geschaffen haben. Gibt es einen Plan, wie man diese gravierenden Missstände in den Griff bekommt? Oder hoffen die gegenwärtig Regierenden, dass die Scheiße erst dann so richtig in den Ventilator gerät, wenn sie längst aus der Verantwortung entlassen sind?

Zwei Punkte, um die sich Politik und die Meinungsmacher in den Medien herumdrücken, sind schlicht nicht von der Hand zu weisen:

Erstens: Die schiere Masse der „Flüchtlinge“ wirft massive finanzielle und logistische Probleme auf, die sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werden. Schon jetzt sind Bund, Länder und Kommunen heillos überfordert. Wenn schon Zeltlager in Parkanlagen errichtet werden, mag man sich nicht vorstellen, wie das hier 2018, 2024 oder 2030 aussehen wird..

Zweitens: Mit der massiven Zuwanderung, oft genug illegalen Einwanderung aus der islamischen Welt, importieren wir auch sozialen, religiösen, politischen und gesellschaftlichen Sprengstoff, und das dürfen wir wahrscheinlich wörtlich nehmen.

Wer sich um diese Fakten herumdrückt, handelt schlicht verantwortungslos. Die schrägen Töne bei Pegida et al. interessieren mich nicht die Bohne – die Verantwortlichen müssen hier in die Pflicht genommen werden und, wenn sie schon keine Antworten haben, zumindest eine redliche Debatte über Sinn und Zweck, Management, mögliche Folgen, Grenzen und auch Gefahren der Zuwanderung zulassen, sonst fliegt uns früher oder später vor lauter guter Absicht der ganze Laden um die Ohren.

Muss ich jeden willkommen heißen, der an meine Türe klopft?
Sagen wir es so: Wenn ich eine Party veranstalte, überlege ich, wie viele Gäste ich einlade. Wie viele finden Platz, wie viele kann ich verköstigen? 30 schaff’ ich, bei 50 wird’s verdammt eng, eher eine Stehparty. Bei 100 muss ich passen. Bin ich jetzt für Heiko Maas ein Gästehasser, für den man sich schämen muss? Wahrscheinlich, denn ich nehme mir auch noch heraus, selbst zu bestimmen, wen ich hereinbitte: Freunde, gute Bekannte, Verwandte, vielleicht noch nette Nachbarn – aber nicht jeden Honk von der Straße, schon gar nicht irgendwelche Leute, mit denen ich nichts, aber auch gar nichts gemeinsam habe.

Für die Politik gilt das nicht: Sie nimmt jeden, der es bis auf deutschen Boden schafft, und sei er durch sieben bombensichere Staaten Europas „geflüchtet“, bis er endlich einem Bundesbeamten das Zauberwort „Asyl“ vorsingen kann. Für ganz Deutschland werden in diesem Jahr 550.000 sogenannte Flüchtlinge erwartet. Warum sogenannte Flüchtlinge? Nun, nehmen wir die Balkanstaaten, woher etwa 40 Prozent der Asylbewerber stammen, wo aber bereits seit etlichen Jahren kein Krieg mehr geführt und niemand wirklich verfolgt wird – mit Ausnahme der Sinti und Roma, die es in Serbien und Mazedonien nicht leicht haben. Kein Wunder also, dass die Anerkennungsquote für Asylbewerber südosteuropäischer Herkunft gerade mal 0,2 Prozent beträgt. Das Problem liegt aber darin, dass die 99,8 Prozent, deren Asylbegehren negativ beschieden wurde, dennoch im Land bleiben.

Wobei mir die Menschen vom Balkan immer noch näher stehen als solche aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Die kommen zwar tatsächlich aus Kriegsgebieten, sind aber nach aller Erfahrung mit unserer Kultur und Gesellschaft meistens nicht kompatibel. Natürlich ist beileibe nicht jeder einzelne Libanese, Libyer oder Syrer ein Problemfall, in der Masse allerdings schafft insbesondere die Einwanderung von Muslimen jede Menge Konflikte, worauf wir später noch zu sprechen kommen werden.

Eines ist offensichtlich: Die Ankunft von jährlich mehr als einer halben Million Menschen (entspricht ungefähr der Einwohnerzahl Bremens oder Leipzigs), die mutmaßlich dauerhaft bleiben werden, wirft allerlei Probleme auf, die von Politik und Medien bis heute geleugnet oder verharmlost werden. Lehrer, Polizisten, Justizangestellte, Stadtkämmerer und Streetworker, ja eigentlich alle Bürger, die im Alltag damit konfrontiert werden, können ein Lied davon singen, aber auf die mag niemand hören, wenn es gilt, Humanität, Toleranz und Großzügigkeit anzumahnen.

Während es selbstverständlich viele rechtschaffene Zuwanderer gibt, die sich hier ein neues, besseres Leben aufbauen möchten, und denen wir in der Tat helfen sollten, gibt es eben auch andere, die eine gesellschaftliche, finanzielle und logistische Herausforderung und, ja, auch Belastung darstellen. Unterkünfte bauen sich nicht von allein, Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, Integration muss von beiden Seiten gewollt und das alles auch noch von irgendjemandem finanziert werden. Um es klar zu sagen: Es kostet Milliarden, keine Peanuts. Wer darauf hinweist, wird allerdings als hartherziger, asozialer Drecksack hingestellt – oder eben gleich als dumpfdeutscher Fremdenhasser. Dass man die durchaus vorhandene Hilfsbereitschaft der Leute damit auf Dauer überstrapaziert, liegt auf der Hand.

Reden wir zuerst, kalt und menschenverachtend, vom Geld.

Wer soll das bezahlen?
Bis zum 7. Juli habe ich, wie andere arbeitende Menschen auch, nur für den Staat geackert. Ich zahle die horrenden Steuern gern, weil eben auch Menschen mit durchgezogen werden müssen, die es allein nicht schaffen. Das ist in Ordnung für mich, auch wenn ich bei dem Gedanken daran, dass ein Teil meines sauer verdienten Geldes an die Palästinensische Autonomiebehörde fließt, die damit die Familien von Terroristen alimentiert, kotzen könnte. Man kann es sich eben nicht aussuchen.

Nicht zu leugnen ist allerdings, dass Bund, Länder und die chronisch klammen Kommunen auf die aktuelle „Flüchtlings“-Welle nur noch einigermaßen kopflos mit durchaus kostspieligen ad-hoc-Maßnahmen reagieren.

Hier stellt NRW mal eben weitere 206 Millionen Euro für Flüchtlinge bereit (1), dort sagt der Bund mal eine weitere Milliarde zu (2). Wir sind schließlich, obwohl mit 2,17 Billionen Euro in der Kreide stehend, „ein reiches Land“, und Minister Schäuble, der sich offenbar eine Herde Dukaten scheißender Goldesel hält, kann nach seinem morgendlichen Bad im Geldspeicher immer wieder neue Kohle locker machen, ganz egal, ob wir die von den Griechen gepumpten 86 Milliarden Euro jemals wieder sehen oder nicht.

Mag auch manche Omi jeden Euro ihrer kargen Rente dreimal umdrehen müssen, wenn sie im Penny-Markt steht: Für Eritreer, Somalis, Syrer und Iraker ist die Staatsknete da. Der mir aus sicherer Quelle kolportierte Fall eines 11-jährigen afghanischen Jungen, der mehrmals im Monat per Taxi von seinem Wohnort in Norderstedt zum Deutschkurs in eine Schule nach Kaltenkirchen chauffiert wird, was die Kommune (also: den Steuerzahler) monatlich mal eben 400 Euro kostet, machte mich vielleicht weniger fassungslos, würde ich nicht gleichzeitig eine alte Dame kennen, die einen dementen Mann hat und demnächst aus ihrer Wohnung ausziehen muss, weil sie die 80 Euro Mieterhöhung nicht mehr stemmen kann. Beinahe jeder wird ähnliche Fälle kennen, und die lassen nur den Schluss zu, dass in diesem Staat was faul ist, ja, zum Himmel stinkt.

Hinzu kommt, dass das mit der Dankbarkeit so eine Sache ist. Eben erwähnter afghanischer Schüler tituliert seine Lehrer jedenfalls gern als „Arschlöcher“, so weit sind seine Deutschkenntnisse schon gediehen. Dann sind da die Flüchtlinge aus Senegal, Mali und Eritrea, die in ihrer Indersdorfer Notunterkunft randalierten (3), u.a. weil sie mit einer warmen Mahlzeit mittags und einer kalten Brotzeit am Abend nicht zufrieden waren, sondern zwei warme Mahlzeiten verlangten („am liebsten jeden Tag Huhn, Reis und Kartoffeln“). Man sollte meinen, dass jemand, dessen Leben anderswo bedroht sein soll, andere Sorgen hat, oder ist so eine Überlegung schon wieder empathielos?

Und da ist die Flüchtlingsfamilie aus Libyen (4), die, irgendwie im süddeutschen Burghausen gestrandet, nicht in eine Gemeinschaftsunterkunft ziehen mochte und auch die vom Ausländeramt angebotenen Wohnungen (66 qm und mehr) ablehnte: Sie forderte, Obacht!, tatsächlich „ein eigenes Haus“. Als die alternativ verlangte Unterbringung in einem Hotel abgelehnt wurde, reiste die Familie, abgestoßen von der skandalös unterentwickelten Willkommenskultur in der bayerischen Provinz, nach München weiter. Verständlich, denn politisch Verfolgte genießen Asylrecht, wie es in Artikel 16a GG heißt. Nur, wie sollen sie das genießen, wenn die ungastlichen Deutschen kein eigenes Haus und zwei warme Mahlzeiten täglich garantieren wollen?

Klinge ich zynisch? Und geizig, weil für jeden einzelnen der etwa 14.000 „minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge“ (also in der Regel: 16- oder 17-jährige Muslime) in Deutschland rund 60.000 Euro jährlich ausgegeben werden (5)? Während gleichzeitig im nahen Umfeld ihrer Unterkünfte die Kriminalitätsrate in die Höhe schiesst? Wie soll man so etwas einer hart arbeitenden Krankenschwester oder Kassiererin bei Aldi schlüssig erklären?

Ja, ich weiß, die von der Kinder- und Jugendhilfe betreuten Flüchtlinge haben mitunter tatsächlich ein schweres Los hinter sich, sind, wie es so oft heißt, „traumatisiert“. Offen bleibt trotzdem die Frage, ob wir uns mit solchen „Zuwanderern“, zumal in dieser Größenordnung, einen Gefallen tun. Mein Vater kam aus einem bitterarmen sardischen Dorf und wuchs mit sieben Geschwistern auf – in Deutschland konnte er sich zum ersten Mal sattessen und auch deshalb, fand er, hatte er Grund, dankbar zu sein, egal wie oft er sonst auf dieses Land schimpfte. Es wäre ihm, bei allen Anfeindungen im damals wirklich noch spießigen Deutschland und auch trotz mancherlei Diskriminierung, nie in den Sinn gekommen, hier als „Gastarbeiter“ kriminell zu werden. Das traf auf so gut wie jeden seiner Generation zu, egal ob aus Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien oder der Türkei. Heute ist das anders, und nicht zuletzt haben wir das gewissen Ethnien zu verdanken.

Wer behauptet, dass die Zuwanderung Hunderttausender bzw. Millionen Allochthoner sich unterm Strich auszahlen wird, glaubt auch, dass die Rente sicher ist oder dass sich alle elf Minuten ein Single über Parship verliebt. Es ist vielmehr so: Abermilliarden in eine in mancherlei Hinsicht fragwürdige Zuwanderung zu investieren, könnte sich als desaströses Geschäftsmodell entpuppen. „Deutschland schafft sich ab“, so formulierte es Thilo Sarrazin. Das ist natürlich hart, und unseren Politikern und Medienschaffenden wird sicher ein sedierender Begriff einfallen. „Selektiver Rückbau“ vielleicht. Hört sich doch ganz gut an.

Wohin mit den Menschen?
Schon jetzt platzen die Erstaufnahmelager aus allen Nähten. Allein in Hamburg stehen jeden Tag weitere 300 Leute auf der Matte, die irgendwo untergebracht werden müssen, und zwar sofort, unverzüglich. Bundesweit sind es viele Tausende, und notfallmäßig werden schon mal Schulen oder Turnhallen requiriert, Ex-Kasernen oder auch, wie in Osnabrück, ein ehemaliges Bundeswehrkrankenhaus. Containerdörfer und Zeltlager schießen wie Pilze aus dem Boden. Sogar der Parkplatz vorm HSV-Stadion wurde – „Erweiterung der Erstaufnahmeeinrichtung Schnackenburgallee“ – zum Campingplatz umfunktioniert, wobei mehr Fläche beschlagnahmt wurde als mit dem Verein abgesprochen. Schon werden Parkanlagen ins Visier genommen.

„Die Stadt wird sich verändern“, meinte Sozialsenator Scheele kürzlich, und das darf man getrost als Drohung auffassen, denn schon jetzt ist die Stadt, in die ich vor 25 Jahren übersiedelte, nicht mehr dieselbe. Und sie war damals schon ziemlich international, so wie das Ruhrgebiet, aus dem ich ursprünglich komme. Heute packt mich, wenn ich durch die City meiner Heimatstadt gehe, das nackte Grausen, und wenn die Hamburger Innenstadt demnächst so aussehen soll wie die Gegend um den Harburger Bahnhof, Billstedt oder Wilhelmsburg, dann gute Nacht. Genau das will uns Scheele aber zumuten. Man werde, egal wo man aus dem Haus trete, künftig keine tausend Schritte nach links oder rechts tun können, ohne auf eine Flüchtlingsunterkunft zu stoßen. Das hat er wirklich so gesagt.

Mehr als fragwürdig, auf welche Begeisterung ein solches Szenario bei den Autochthonen stoßen mag. Ich vermute mal: auf herzlich wenig (und das, obwohl man hier immer schon bereitwillig Menschen aus aller Herren Länder aufgenommen hat).

Nicht zuletzt aufgrund der großen Zahl. Manche Stadtteile sind schon jetzt mit Zuwanderern überversorgt, anderen, wie dem feinen Harvestehude, steht die Bereicherung noch bevor. Dort widersetzen sich die Villenbewohner rund um die Sophienterrasse dem Umbau des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zum Flüchtlingswohnheim derzeit mit rechtlichen Mitteln.

Tatsächlich passen die Zugereisten aus Syrien und dem Irak in diese Gegend wie Florian Silbereisen in die „aspekte“-Redaktion. Allein: alle hätten ihren Beitrag zu leisten, da ist die Behörde unerbittlich. Und entschlossen, den Pöseldorfer Großbürgern notfalls auch gegen deren Willen endlich zur Behebung kultureller Defizite zu verhelfen.

Gern organisiert man so etwas inzwischen am Bürger vorbei – der wird dann am Ende eben vor vollendete Tatsachen gestellt. Wie in Lübeck, wo man den 1700 Bewohnern der Bornkamp-Siedlung eine Erstaufnahmestelle für 600 Flüchtlinge vor die Nase setzen wollte; dort, wo eigentlich mal ein Sportplatz vorgesehen war. Ätsch!

Es sind vor allem die Städte, die vor der Herausforderung stehen, immer mehr Migranten versorgen zu müssen, da sie, wie die neue Präsidentin des Städtetags Eva Lohse (CDU) kürzlich dem SPIEGEL erzählte, „fast nur noch alleinstehende Männer zugewiesen bekommen“; und die zieht es nicht in entvölkerte Gegenden Mecklenburg-Vorpommerns, sondern dahin, wo die Musik spielt. In den Gemeinschaftsunterkünften geht’s dann zu wie einst auf der Neuköllner Rütli-Schule, mehr als einmal wurden junge männliche Flüchtlinge von anderen jungen männlichen Flüchtlingen umgebracht, so wie ein 17-jähriger afghanischer Schüler in der Hamburger Nelson-Mandela-Schule von einem anderen afghanischen Schüler. Ja, auch so kann Zuwanderung aussehen. So wie es unter Deutschen gute Menschen und Arschlöcher gibt, ist es auch bei den Migranten. Überraschung.

Wenn man dann noch lesen muss, dass in Niederkassel eine achtköpfige Familie aus ihrem Haus geworfen wird, weil die Gemeinde dort 25 Flüchtlinge unterbringen will (6), braucht man sich über einen gewissen Unmut in der Bevölkerung nicht zu wundern. Das offiziell gern gemalte rosarote Bild von der idealtypischen Flüchtlingsfamilie aus Syrien (Vater: Arzt, Mutter: Teresa, dazu ein paar niedliche, lernbegierige Kinder) entspricht eben nicht den Alltagserfahrungen der Menschen. Die empfinden das Beschönigen und Ignorieren der offensichtlichen Probleme zunehmend als unerträgliche Verarsche. Mit Recht.

Also – wie soll das in Zukunft laufen? Wenn nächstes Jahr wieder 550.000 Menschen kommen? Oder sogar noch mehr, denn das ist der Trend? Und übernächstes Jahr? Und danach? Die Menschen würden das gerne wissen. Übrigens nicht nur in Deutschland.

Alles kein Problem, oder was?
Hier wird es richtig unangenehm. Hunderttausende Migranten mögen in Ordnung sein, und wären wir in ihrer Lage, würden wir sicher auch nicht anders handeln. Viele Menschen haben das Pech, in Kriegsgebieten oder Elendsvierteln aufzuwachsen, und wollen nur noch weg. Das ist verständlich und man sollte es ihnen nicht zum Vorwurf machen. Es ist nur die Frage, ob wir das verkraften können. Und ob wir einen signifikanten Teil dieser Zuwanderer wirklich brauchen: Jeder weiß, wovon ich spreche, denn die fleißigen und freundlichen Vietnamesen und Thailänder sind nicht das Problem, wohl aber viele der Migranten aus muslimischen Ländern. Nicht der türkische Gemüsehändler und nicht der iranische Änderungsschneider. Aber zum Beispiel der salafistenbärtige Typ mit finsterem Blick und Gewand über Pluderhosen samt vollverschleierter Begleiterin. Wenn ich eines solchen Zuwanderers gewahr werde, verliert der biodeutsche Tennissocken-in-Sandalen-Träger für mich seine Schrecken. Wäre der Salafist nur eine ästhetische Zumutung, ließe sich auch das aushalten, aber sein Charakter ist es, der eine instinktive Abwehrreaktion auslöst. Was Frauen, Schwule und Juden angeht, vertritt dieser Herr garantiert Ansichten, die denen unserer Gesellschaft diametral entgegengesetzt sind.

Er wird nicht zum Elternabend in der Schule erscheinen, wird seine Töchter vom Schwimmunterricht und der Klassenfahrt abmelden. Er wird gegen den Sexualkundeunterricht protestieren, und wenn der Geschichtslehrer das Thema Holocaust anschneidet, werden seine Kinder nichts davon hören wollen, sondern „Und was ist mit Palästina?“ fragen. Am Al-Quds-Tag wird er judenfeindliche Parolen rufen, er wird auf der „Muslim Markt“-Seite der Özoguz-Brüder surfen und möglicherweise hat er sogar Sympathien für die Kopfabschneider des Islamischen Staates. Wie das Vorstandsmitglied des Moscheevereins DITIB in Dinslaken, der gemeinsam mit einem Jugendlichen mit IS-Erkennungszeichen für ein Foto posierte (7).

Brauchen wir so einen hier? Wer hat den überhaupt hergeholt und: warum, um Himmels Willen?! Was mich angeht, so nehme ich im Zweifel lieber die in islamischen Ländern verfolgten Christen auf als Leute, von denen ich nicht weiß, ob sie vor Assad oder dem IS geflohen sind. Und die ihre christlichen Schicksalsgenossen auch mal vom Flüchtlingsboot ins Mittelmeer stoßen (8). Der Islamunterricht an Grundschulen und die Eröffnung einer islamischen Bank gehen mir – und nicht nur mir – gegen den Strich, ebenso wie das Ranwanzen des Bayerischen Rundfunks mit einem Extra-Programm zum „heiligen Monat“ Ramadan. Geht’s noch?

Immer weniger Schüler können schwimmen. „Fast jeder zweite Drittklässler im Problemkiez Neukölln kann nicht schwimmen“, schreibt die WELT (9). „Wo viele Arbeitslose wohnen und der Migrantenanteil hoch ist, sind es 80 Prozent.“ Denn: „Bei Muslimen ist Schwimmen nicht so üblich“. Und deshalb schafft eine Schule Ganzkörperschwimmanzüge für muslimische Mädchen an (10), und der Bezirk initiiert ein Pilotprojekt mit dem Titel “Neuköllner Schwimmbär”, damit Neuköllner Zweitklässler eine Intensivbetreuung genießen. Kostet bei rund vierzig Kindern dann auch mal eben 18.000 Euro, aber das nur nebenbei.

Solche Geschichten und dass weniger muslimische Schüler einen ordentlichen Schulabschluss machen, das ist das eine. Schlimmer sind Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde und „Friedensrichter“, mit denen im Fall krimineller Handlungen unsere Justiz weiträumig umfahren wird – und dass „Du Jude!“ inzwischen eine gängige Anmache auf deutschen Schulhöfen ist. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass 90 Prozent der jugendlichen Intensivtäter in Berlin Türken und Araber sind; wer weiß, wie viele von denen Gefallen an IS-Hinrichtungsvideos finden, Attentate wie die in London, Madrid, Paris, Toulouse oder Kopenhagen begrüßen oder gar selbst als „Heilige Krieger“ nach Syrien oder in den Irak gehen – einige Hundert sollen es bisher sein. Na, viel Freude dann mit den Rückkehrern. Berichte, dass auch IS-Kämpfer sich unter die „Flüchtlinge“ mischen, sollten eigentlich sämtliche Alarmglocken schrillen lassen.

Wobei die bereits real im Land existierende Gewalt das Problem Nummer eins ist. Kommt es irgendwo zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen zwei „Großfamilien“, so ist jedem, der sich seine Schnürsenkel selbst binden kann, klar, dass hier nicht die Meyers gegen die Schmidts antreten. Gibt es mal wieder eine Massenschlägerei oder auch Messerstecherei im Columbiabad in Berlin-Neukölln, muss man über die Täter nicht lange spekulieren. Das „Culle“, das „berüchtigtste Freibad Deutschlands“ (SZ), wird nicht zufällig Islamabad genannt, denn 90 Prozent der Besucher haben einen Migrationshintergrund: Araber, vor allem Libanesen, und Türken (11). „Wo ist die Ratte, isch ficke sein Leben, walla!“ – das ist der raue, aber herzliche Umgangston dort. Über das Antikonfliktteam, das T-Shirts mit der Aufschrift „Bleib cool am Pool“ trägt, lachen sich die Zielpersonen natürlich krumm und bucklig.

Sind alle so? Natürlich nicht. Ich zum Beispiel kenne gut integrierte Deutsch-Türken, überzeugte Kemalisten, die über jene (Originalton!) „Ghetto-Türken“ lästerten, als gäbe es kein Morgen mehr. Tragisch, dass sie hier von den Leuten eingeholt werden, die sie schon in der Heimat nicht ausstehen konnten. Aber die gibt es nun mal bereits hier, und wir werden sie nicht mehr los. Das sind diejenigen, die bei den letzten türkischen Wahlen zu mehr als 50 Prozent für Erdoğan gestimmt haben – in der Relation mehr, als Türken es in der Heimat taten. Ich kann nicht behaupten, dass mir das diese Leute sympathischer macht.

Müssen wir jetzt noch über die rechtsfreien Räume reden, in denen die Polizei sich schon lange nicht mehr blicken lässt? Über den Schwarzfahrer in der S-Bahn, der den Kontrolleur erst anlügt („Karte vergessen“), dann anherrscht („Fass´ misch nisch an!“) und dann seelenruhig zum Ausgang schlendert, weil die eingeschüchterte Kartoffel sich der offen zur Schau gestellten Bereitschaft zur Gewalt beugt? Über den Miri-Clan in Bremen und die zwölf mafiösen Großfamilien libanesischer, palästinensischer und ostanatolischer Herkunft in Berlin mit 50 bis 500 Mitgliedern, die unzählige Male mit Drogen- und Waffenhandel, mit Erpressung, Raub, Zuhälterei und Mord auffällig geworden sind?

Brauchen wir wirklich noch mehr Leute dieses Schlages? Müssen wir die Probleme totschweigen, nur damit das rechtsextreme Pack keine Munition erhält? Warum halten sich ausgerechnet die Linken bedeckt, wenn ihre Schützlinge auf ihre ureigensten Anliegen – Toleranz bis zum Anschlag, Minderheitenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter, angeblich auch der Kampf gegen den Antisemitismus – pfeifen? Ahnen die überhaupt, dass Muslime von einer „Ehe für alle“ rein gar nichts halten? Welchen Weg wird diese Gesellschaft gehen, wenn wir zulassen, dass sich zahllose Einwanderer nicht an unsere Normen und Werte gebunden fühlen?

Die stets toleranten Dänen haben inzwischen die Reißleine gezogen. Als herauskam, dass drei Viertel der muslimischen Zuwanderer von der Stütze leben, also von der arbeitenden Bevölkerung alimentiert werden, und als dann Mitte Februar ein Islamist ein Attentat auf ein Kulturzentrum verübte und am Tag darauf vor der Synagoge ein Wachmann erschossen wurde, war der Spaß irgendwann vorbei. „Ihr seid nichts Besonderes!“ rief ZEIT online den vermeintlich weit nach rechts abgedrifteten Dänen nach den letzten Wahlen zu, als hätten die Leute aus Daffke oder aus irgendwelchen finsteren nationalistischen Motiven ihre Wahlentscheidung getroffen. Dabei haben sie einfach nur die Nase voll. Ihre in aller Welt berühmte Toleranz war aufs Schäbigste ausgenutzt und missbraucht worden, und jetzt war Schluss mit unlustig, ob der Nachbar im Süden nun „Rechtspopulismus“ wittert oder nicht. Fragt sich nur, wann dem selbst mal ein Licht aufgeht.

(1)
http://www.rp-online.de/politik/nrw-zusaetzlich-206-millionen-euro-fuer-fluechtlinge-aid-1.5086906
(2)
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-11/fluechtlinge-bundesrat-kommunen-finanzierung
(3)
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/markt-indersdorf-ein-gefuehl-von-ohnmacht-1.2500137
(4)
http://mobil.wochenblatt.de/nachrichten/altoetting/regionales/Fluechtlingsfamilie-naechtigt-vor-Burghauser-Polizeidienststelle;art22,317036
(5)
http://www.welt.de/regionales/bayern/article143892728/Hohe-Kosten-fuer-unbegleitete-minderjaehrige-Fluechtlinge.html
(6)
http://www.express.de/bonn/kommunen-in-not-stadt-wirft-achtkoepfige-familie-aus-ihrem-haus,2860,30882436.html
(7)
http://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/islamisten-dinslaken-100.html
(8)
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-muslime-christen-boot-mittelmeer-verbrechen
(9)
http://www.welt.de/regionales/berlin/article141919327/Bei-Muslimen-ist-Schwimmen-nicht-so-ueblich.html
(10)
http://www.spiegel.de/schulspiegel/burkini-lehrerin-ueber-ganzkoerperschwimmanzuege-fuer-muslime-a-921160.html
(11)
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42180/Nass-und-Gewalt

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/bleib_cool_am_pool_oder_mit_beschweigen_kommen_wir_nicht_weiter

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  24.07.2015   Achgut.com

“Suchen Sie sich eine Frau und heiraten Sie”

In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte man häufig Kontaktanzeigen mit einem Text wie diesem lesen: „Togolese, 28 J., Stud.Masch.bau, sucht deutsche Frau für zweckgeb. Eheschließung, Alter /Aussehen egal, 3000.- DM Belohnung“.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Ich habe nichts gegen Männer anderer Herkunftsländer und Hautfarben. Es geht mir auch nicht um all die gelungenen Integrationsgeschichten und glückliche bikulturellen Ehen. Es geht darum, dass der Multikultitraum häufig ein unschönes Ende findet, wenn europäische Partner ohne ihr Wissen in eine Ehe gelockt werden, damit ihr Partner einen dauernden Aufenthaltsstatus in einem Land der europäischen Union erlangt. Inzwischen kennt man auf den Ausländerbehörden längst diese bewährte Taktik, und Paare mit dem Verdacht auf eine sogenannte Scheinehe werden inquisitorischen Interviews unterzogen.

Aber nicht überall ist man so penibel: „Suchen Sie sich eine Frau und heiraten Sie, dann können Sie bleiben.“ Das hat ein Wirtschaftsflüchtling aus dem Senegal nach eigener Aussage von einem Beamten gehört, und zwar gleich bei seinem ersten Kontakt mit einer deutschen Behörde. Das dürfte nichts sein, was der junge Mann nicht schon längst wüsste. Eine Europäerin zu heiraten und, im besten Fall, mit ihr ein Kind zu zeugen, ist die idiotensichere Methode, in einem europäischen Land dauerhaft Fuß zu fassen. In einem senegalesischen Internetforum werden zahlreiche Möglichkeiten aufgezählt, wie man am sichersten nach Europa kommt. Neben der Methode, mit einem Studentenvisum einzureisen und dann nicht mehr zurückzukehren oder in Frankreich Asyl als verfolgter Homosexueller zu beantragen, eine Vorstellung, die einem Senegalesen so abstrus vorkommen muss, dass extra betont wird, dies sei wirklich kein Witz („ce n’est pas une blague“) gilt als der sicherste Weg, sich eine alte europäische Schlampe („vieille salope“) aufzureißen und zu heiraten. Das sei kein großes Problem, denn die Naivität dieser Frauen sei krass („Leur naïveté est crasse“).

Wenn man einmal genauer das Elend unter die Lupe nimmt, in das europäische Lebenspartner durch die böse Falle einer Scheinehe geraten können, dann wirkt die Kontaktanzeige aus den Achtzigern geradezu erfrischend prägnant und ehrlich.

Enttäuschte Hoffnungen, mit den Füßen getretene Gefühle, finanzieller Ruin, psychische Zuammenbrüche, traumatisierte Kinder und jahrelange verbale und körperliche Gewalt zählen zu dem hohen Preis, den europäische Partner, mehrheitlich Frauen, im schlimmsten Fall zahlen müssen.

Die Naivität deutscher Beamter kann in diesem Zusammenhang auch nur als krass bezeichnet werden. Eine Ehe ist eine Ehe, scheint man zu glauben, die Beziehung zwischen Männern und Frauen sind überall auf der Welt gleich und die kaum wahrnehmbaren Unterschiede sind nur reizvolle kulturelle Eigenheiten, die unsere Welt so schön bunt und vielfältig machen.

Yayi Bayam Diouf, Präsidentin der Women’s Association against Illegal Migration, Senegal, sieht das allerdings wesentlich nüchterner. Ihr eigener Sohn ist bei einem illegalen Auswanderungsversuch im Mittelmeer ertrunken, und seitdem setzt sie sich besonders für die Aufklärung von Frauen ihres Landes ein, damit diesen das Elend der Armut und des Abrutschens in die Prostitution, die häufigsten Probleme von illegal eingewanderten Afrikanerinnen, erspart bleiben.

Diouf schätzt die Heirat mit einem Mann aus ihrem Land realistisch ein: Ein Senegalese kommt aus einer patriarchal geprägten Gesellschaft; die Männer haben das Sagen und treffen die Entscheidungen, sind aber ansonsten am Familienleben nicht beteiligt. Eine Paarbeziehung in Europa ist in der Regel etwas völlig anderes. Eine partnerschaftliche Beziehung auf gleicher Augenhöhe mit gleichen Rechten und Pflichten, eine Heirat aus Liebe oder gar aus einer kurzen Leidenschaft heraus ist in weiten Teilen Afrikas oder der arabischen Welt vollkommen undenkbar. Man heiratet aus äußerst pragmatischen Gründen: Männer heiraten, um eine Anlaufstelle zu haben, wo sie jederzeit Unterkunft, Verpflegung und Sex bekommen, und Frauen heiraten, um dauerhaft versorgt zu sein. Kinder gelten nach wie vor als Altersvorsorge und werden daher auch in möglichst großer Zahl produziert.

Dass man gerade in Deutschland Asylsuchenden jeden Mist abkauft, solange er nur auf der Mitleidsschiene daherkommt, hat sich längst herumgesprochen. „Ich bin durch die Wüste gegangen, ich war in Libyen, als der Krieg ausbrach, ich war auf dem Boot nach Italien, aber nirgends war es so schlimm wie hier“, behauptet ein jugendlicher Asylsuchender und meint damit allen Ernstes ein deutsches Asylantenheim. Bei Scheidungsverfahren und Sorgerechtsklagen machen Frauen in der Regel prompt die wenig überraschende Erfahrung, dass sich Behörden und Juristen komplett auf die Seite der Männer schlagen und dass diesen weit eher geglaubt wird als den deutschen Ehepartnerinnen.

So glauben eben auch viele europäische Frauen zunächst den gänzlich ungewohnten Liebesschwüren der schönen Exoten. Auch wenn viele sich wundern, dass afrikanische und arabische Männer schon nach einer absurd kurzen Kennlernphase mit Liebeserklärungen, Heiratsanträgen und Forderungen nach einem gemeinsamen Kind herausrücken, sind sie in der Regel hoch entzückt über derartigen Gefühlsüberschwang. (Wäre ich ein deutscher Mann, ich würde sofort anfangen zu üben, denn kandierte Komplimente und schwülstige Liebesbekundungen scheinen bei dem Wunsch, eine Frau möglichst schnell flachzulegen, außerordentlich zielführend zu sein).

Ein Übriges tut das schon im Kindergarten eingeimpfte schlechte Gewissen. Der arme Mann kommt schließlich aus der dritten Welt, es geht ihm schlecht, was irgendwie unsere Schuld ist, und deswegen muss man ihm unbedingt helfen. Mit allen verfügbaren Mitteln. In den meisten Fällen könnten die Frauen vermutlich nicht einmal plausibel erklären, warum seine Armut die Schuld der Europäer sein soll; es hat alles, wie jeder weiß, irgendwie mit der ehemaligen Kolonialgeschichte und mit der heutigen Globalisierung zu tun, und notfalls reicht allein die Tatsache, dass man in einem reichen Land nun mal wesentlich besser dasteht als in einem armen völlig aus.

Diese Denke verschwindet bei manchen Frauen nicht einmal, wenn der Mann schon zum zweiten Mal wegen Gewalttätigkeiten der Wohnung verwiesen wurde und der größte Teil ihres Vermögens in seiner Heimat verschwunden ist. Denn eines darf man nie vergessen: Aus diesem Grund und keinem anderen ist er hier, sofern es sich um einen reinen Wirtschaftsflüchtling handelt.

Und auch das muss an dieser Stelle festgehalten werden: Ich halte es für absolut nachvollziehbar und völlig gerechtfertigt, durch Emigration seine Lebensbedingungen verbessern zu wollen. Aber mit Sicherheit nicht auf Kosten seiner Mitmenschen, zumal in diesem Falle sogar noch außerordentlich wohlmeinender Mitmenschen. In der Internetplattform http://www.1001-geschichte.de können Frauen und Männer mit entsprechenden Problemen sich austauschen, konkrete Beratung, Vermittlung von Anwälten und schwarze Listen finden, auf denen Namen von besonders schrägen Vögeln einsehbar sind.

Es gibt mittlerweile einen feststehenden Begriff für diese Art, Lebensunterhalt und Aufenthaltsstatus über eine Paarbeziehung zu sichern: Bezness, eine Zusammenziehung der Wörter Beziehung und Business. Die Verlaufsformen dieser Scheinehen ähneln sich alle auf die eine oder andere Weise. Häufig, aber durchaus nicht immer, ist der Mann jünger als die Frau, sprüht vor Charme und lullt sie mit Komplimenten ein, bis sie nicht mehr klar denken kann. Schnell kommt in der Regel die Forderung nach Heirat, als bewährtes Druckmittel fungiert die drohende Abschiebung. Ebenso rasant wird der Kinderwunsch geäußert. Da die Männer häufig über keine Deutschkenntnisse und keine verwertbare Ausbildung verfügen, kriegen sie selten mehr als schlecht bezahlte Jobs für ungelernte Arbeitskräfte. Das Geld, das sie damit verdienen, verbrauchen sie für sich selbst oder schicken es an die Familie.

Fast alle Frauen berichten davon, dass sie während ihrer gesamten Ehe fast ausschließlich für Miete, Essen Kleidung und sonstige Anschaffungen aufkommen mussten, dem Mann komplett Sprachkurse, Führerschein und Kraftfahrzeug finanzierten und darüber hinaus immer wieder große Aufwendungen für seine Familie locker gemacht werden mussten. Skrupel scheinen die Männer dabei keine zu plagen. Eine Krankenschwester in der Ausbildung berichtet zum Beispiel, dass sie für ihren Freund aus dem Senegal nicht nur eine Wohnung bezahlt, sondern auch, dass er ausschließlich Designerkleidung trägt, die sie ihm kaufen muss.

Und auch das hat seinen guten Grund: In den Ländern, aus denen Asylbewerber kommen, ist das Konzept eines Sozialstaates eine vollkommen unbekannte Größe. Hilft man einem in Not geratenen Mitmenschen entweder aus religiösen oder persönlichen Gründen, z.B. wenn es sich um gute Freunde, enge Nachbarn und natürlich Familienmitglieder handelt. Alles andere ist so undenkbar, das es intellektuell beinahe nicht zu erfassen ist.

Als Ayaan Hirsi Ali noch als Asylbewerberin in den Niederlanden im Heim saß, konnte sie schlicht nicht begreifen – und an Intelligenz herrscht bei Hirsi Ali weiß Gott kein Mangel – warum völlig fremde Menschen, die sie nie zuvor gesehen hatte und nicht das geringste von ihr wussten, ihr ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Verpflegung und, kaum zu glauben, sogar Taschengeld gaben. Im Herkunftsland würde man Menschen, die so etwas Irres tun, für vollkommen durchgeknallt halten.

In der Regel läuft alles irgendwie, bis ein Kind da oder nach dreijähriger Ehe der Aufenthalt gesichert ist. Von da ab, berichten viele Frauen, sei es gewesen, als hätte ihr Mann einen Schalter umgelegt: Er kam kaum noch nach Hause, redete kaum noch mit ihr, neigte zu Verbalinjurien und, im schlimmsten Fall, zu körperlicher Gewalt. In vielen Fällen entdeckten Frauen, dass sie nicht die einzigen Frauen des Mannes waren, ja, dass er sogar mit mehreren Frauen gleichzeitig verheiratet war. Etwa dreißig Prozent aller arabischstämmigen Männer sollen, in der Regel heimlich, mehrere Ehefrauen haben. Es mag eine „bestürzende Geschichte“ und offensichtlich auch eine völlig unvermutete sein, bedeutet aber seit Jahren schon bittere Realität für viele europäische Frauen.

Natürlich fragt man sich zwangsläufig, warum viele Europäer sich auf derartig ruinöse Beziehungen einlassen. Nun, Liebe macht bekanntlich blind und blöd. Das ist das Eine. Die andere Seite der Medaille aber ist die Tatsache, dass man sich häufig aus Gründen der politischen Korrektheit bockbeinig weigert, die Konsequenzen wahrzunehmen, die aus schwerwiegenden religiösen und kulturellen Differenzen die erwachsen können. Und das kann auf die Dauer fatale Folgen haben.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/suchen_sie_sich_eine_frau_und_heiraten_sie

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Die nordrhein-westfälische Polizei fürchtet die Entstehung rechtsfreier Räume in Ballungszentren. Wie aus einem vertraulichen Papier des Duisburger Präsidiums hervorgeht, droht der Staatsmacht die Kontrolle über Problembezirke der Stadt zu entgleiten. Die Pflicht der Polizei, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, sei in bestimmten Gegenden „langfristig nicht gesichert“ und „akut gefährdet“, heißt es nach SPIEGEL-Informationen in der Analyse.

Es gebe Bezirke, in denen Banden bereits ganze Straßenzüge für sich reklamierten. Anwohner und Geschäftsleute würden eingeschüchtert und schwiegen aus Angst. Straßenbahnlinien nähmen die Menschen abends und nachts „als Angsträume wahr“. Polizisten und vor allem weibliche Beamte sähen sich einer „hohen Aggressivität und Respektlosigkeit“ gegenüber.

Mittelfristig werde sich an der Lage auch nichts ändern, so der Bericht. Dem stünden unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit, die Perspektivlosigkeit von Zuwanderern ohne Qualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt und ethnische Spannungen unter den Migranten entgegen. Die Duisburger Polizei will nun mehr Präsenz auf der Straße zeigen und Straftäter konsequenter verfolgen.

„40 oder 50 Mann an der Backe“

Fachleute warnen seit geraumer Zeit davor, dass sich Problemstadtteile zu No-go-Areas entwickeln könnten. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sagte SPIEGEL ONLINE schon vor Jahren: „In Berlin oder im Duisburger Norden gibt es Stadtteile, in denen sich die Kollegen kaum noch trauen, ein Auto anzuhalten – weil sie wissen, dass sie dann 40 oder 50 Mann an der Backe haben.“ Diese Übergriffe seien fast schon „ein gezieltes Kräftemessen mit dem Staat, in dem sich die Verachtung der Täter für unsere Gesellschaft ausdrückt“

Erst Anfang des Monats hatten Mitglieder einer Großfamilie in Duisburg-Marxloh zwei Polizisten angegriffen und verletzt. Der Attacke war die Aufnahme eines Verkehrsunfalls vorausgegangen, in deren Verlauf die Beamten schnell von Dutzenden Männern umringt wurden. Ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums sagte nach dem Vorfall, es gebe keine No-go-Areas in Nordrhein-Westfalen.

Die Banden treffen in der Praxis jedoch häufig auf eine vielfach überforderte Polizei. So beschrieb ein Duisburger Wachdienstleiter vor einiger Zeit in einem Brief an seine Polizeipräsidentin die Lage auf der Straße. Darin hieß es: „Stärke zeigen ist nicht möglich. Situationen in Bereichen mit hohem Migrantenanteil entgleiten immer mehr.“ Denn dort werde die Polizei insbesondere von den Jugendlichen nicht akzeptiert. Das Risiko für die Beamten, angegriffen zu werden, steige auch deshalb, weil wegen der „katastrophalen Personalsituation“ immer mit einem Minimum an Kräften gearbeitet werden müsse.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nordrhein-westfalen-polizei-warnt-vor-rechtsfreien-raeumen-a-1045222.html

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  18.07.2015   Achgut.com

Vergewaltigungen und der fünfte Mann

Sind Sie für oder gegen ein Hotpants-Verbot an Schulen? Eine heiße Frage. Ein heißes Thema. Es geht um ein „gesundes Schulklima“, wie es an einer Schule hieß.

Aber mehr noch geht es darum – wie es an anderer Schule hieß, – gewisse „Diskrepanzen“ zu berücksichtigen, weil in der Turnhalle Asylbewerber, überwiegend sunnitische Muslime, untergebracht waren.

Wenn wir es richtig heiß haben wollen, müssen wir einen Blick nach Norwegen werfen: In den letzten Jahren hatten sich in Oslo Fälle von Vergewaltigungen gehäuft, bei denen nichtwestliche Ausländer als Täter identifiziert wurden. Im Jahre 2011 waren es doppelt so viele Vergewaltigungen wie im Vorjahr. Deshalb spricht man von einer regelrechten „Vergewaltigungs-Epidemie

Zu einhundert Prozent sind die Täter keine Norweger, weshalb die Taten auch „orientalische“ Vergewaltigungen genannt werden. Die jungen Frauen färben sich nun sicherheitshalber die Haare schwarz und trauen sich nur noch in Gruppen auf die Straße. Die politisch korrekte Berichterstattung steckt in einer Zwickmühle, weil sie sich entweder dem Vorwurf ausgesetzt sieht, zum Fremdenhass beizutragen oder das Leid der Frauen zu bagatellisieren.

Dass so etwas passiert, liegt nicht an der Haarfarbe, am Minirock oder an den Hotpants. Der Angriff gilt den bedauernswerten Mädchen nicht nur im Einzelfall. Sie werden zugleich als Repräsentanten des westlichen Lebensstils angegriffen. Die Verachtung der muslimischen Männer richtet sich gegen ein Gesamtbild, das sich aus vielen Mosaiksteinen zusammensetzt, zu denen Lady Gaga, Pussy Riot, die Femen und andere Heldinnen der Schamlosigkeit gehören, aber auch Feministen, die Männer hassen, Abtreibung propagieren Schlampenparaden veranstalten und sich Parolen auf die nackte Brust schreiben.

Man muss sich nicht in der Nähe eines Schulhofs aufhalten, um einen Eindruck von den Sitten der westlichen Frau zu erhaschen. Es genügt, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen oder das Fernsehen einzuschalten, in dem Stars wie Lady Bitch Ray gefeiert werden. Vom Internet ganz zu schweigen. Sex, Sex, Sex überall. Neuerdings auch im Kindergarten. Vergewaltigungen scheinen in unseren Breitengraden etwas Alltägliches zu sein. Feministen haben ausgerechnet, dass alle sieben Sekunden eine Frau vergewaltigt wird. Deshalb musste es auch unbedingt Frauenparkplätze geben, damit wenigstens in Parkhäusern die Vergewaltigungen zurückgehen.

Nein. Darum geht es nicht. Sicherheit wird auf diese Weise nicht geschaffen. Es wird die Angst vergrößert. Frauenparkplätze und andere Schutzräume, die „nur für Frauen“ eingerichtet werden, sind Hysterie-Tankstellen, die bestätigen, dass die Ängste berechtigt sind. Die Angst vor Gespenstern gilt damit als Beweis für die Existenz von Gespenstern. Es wird unwidersprochen verkündet, dass alle Männer Vergewaltiger sind, „auch die netten“, wie Alice Schwarzer extra betont hat. Von den Universitäten in Amerika hören wir, dass es da eine regelrechte „Vergewaltigungskultur“ geben soll. So ist unsere Kultur.

Was macht das für einen Eindruck? Der muslimische Zuwanderer spürt, was hier los ist; er bemerkt die Verlorenheit der hiesigen Frauen, die kein Vertrauen haben und die niemanden mehr – auch nicht sich selbst – respektieren. Vergewaltigt werden sie sowieso. Es gibt keinen anderen Zusammenhang mehr, in den ihre Sexualität eingebettet sein könnte. Sie sind Frauen ohne Welt. Sie haben keine Traditionen, die sie respektieren. Ehe und Familie sind ungültig geworden. Sie respektieren die Alten nicht. Sie haben keine Ehre. Keine Sitte. Keine Moral. Keinen Glauben. Keine Treue. Keine Verpflichtung. Keine Verantwortung. Keine Bindung. Keinen Bruder. Kein Kind. Keinen Mann. Keinen Vater.

Und damit auch keinen Schutz. Stellen wir uns den umgekehrten Fall vor: Ein norwegischer Tourist vergewaltigt eine Frau in einem islamischen Land. Vermutlich würden er noch in selbiger Nacht gelyncht werden. Wäre er in einem Land, in dem Schusswaffen frei verfügbar sind, hätte er vier Kugeln im Kopf: eine vom Vater, eine vom Bruder, eine vom Ehemann, eine vom Sohn.

Die westliche, weiße Frau dagegen hat sich von allen losgesagt: „Väter sind Täter“, lautet die feministische Parole. Auch die Brüder wurden ausgemustert. Nach den inzwischen verbindlich gemachten Sprachregelungen, die Luise Pusch vorgegeben hat, heißt es: „alle Menschen werden Schwestern“. Der Ehemann – falls es überhaupt jemals einen gab – ist entsorgt, ein mögliches Kind wurde abgetrieben.

Die Trennung ging von den Feministen aus. Männer konnten sich dagegen nicht wehren. Heute hat ein Vater keine Autorität mehr, er darf nicht einmal erfahren, ob er wirklich der Vater ist; die Frau hat heute ein – wie es heißt – Recht auf „geschützten Mehrverkehr“, womöglich darf er sich der elterlichen Wohnung nur noch bis auf fünfzig Metern nähern. Ein Ehemann hat keine Möglichkeit, eine Scheidung und den Verfall der ganzen Familie zu verhindern. Einen Bruder haben die vielen Einzelkinder sowieso nicht – Kinder auch nicht.

So bleibt einer Frau der fünfte Mann, der gefährliche (aber auch faszinierende) Fremde. Es bleibt ihr außerdem die Solidarität mit Feministen. Und es bleibt ihr die Sehnsucht nach einem starken Staat – nach einem totalitären Staat. Die westliche, weiße Frau hat sich dem „großen Bruder“ anvertraut, der tatsächlich mehr und mehr so geworden ist, wie ihn George Orwell beschrieben hat: ein Überwachungsstaat, der „doublethink“ eingeführt hat, und Männer in ihrem Sinne überwacht und zur Kasse bittet.

Der Staat ist großer Bruder und Vater zugleich. Deshalb sagt man auch, dass sich die westliche Frau „Vater Staat“ an die Brust geworfen hat. Er soll ein möglichst strenger und mächtiger Vater-Ersatz sein. Er bemüht sich ja. Er hat eine imposante Frauen-Bevorzugungs-Bürokratie aufgebaut, die sich allerdings in erster Linie darum kümmert, sich selbst zu erhalten. Vater Staat fördert alles, was die Geschlechtertrennung weiter vorantreibt und verspricht den alleinstehenden Frauen neue Karriere-Chancen, um eigenes Geld zu verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen – bis sie im Alter merken, dass Alleinsein nicht glücklich macht und das Geld nicht reicht.

Es wird kein gutes Ende nehmen. Der Staat kann einer Frau die vier Männer, von denen sie sich losgesagt hat, nicht ersetzen. Er kann sie im Ernstfall nicht einmal schützen. Das merken die jungen Frauen – nicht nur in Norwegen: Polizei und Presse halten sich bedeckt, und im Schatten der Political Correctness können die orientalischen Vergewaltiger ungestraft agieren. Für die Frauen ist es ein weiterer Beweis dafür, dass die Männer auf der ganzen Linie versagt haben. Alle. Sie sind böse. Sie sind Verbrecher. Sie taugen auch nicht als Beschützer.

In Alexis Sorbas von Nikos Kazantzakis wird beschrieben, wie fremde Männer in ein Dorf kommen und die jungen Mädchen darauf mit Angstreflexen reagieren und weglaufen. Warum? Sie haben eine tief sitzende Panik geerbt, aus Zeiten, als Piraten die schutzlosen Inseln überfielen und Menschen raubten, entführten und versklavten. Das war nicht nur auf Kreta so, sondern auch in Irland und Island, wo man bis heute – um das Trauma zu verarbeiten – an Gedenktagen Szenen aus solchen Dramen nachspielt und die Verstecke aufsucht, in denen sich die Frauen einst in Sicherheit gebracht hatten. Die feministische Vergewaltigungs-Propaganda nutzt die alte Angst und benennt einen neuen – allerdings falschen – Feind: den Ehemann, den Vater. Damit stürzt die ängstliche Frau ins Bodenlose.

Zu einer Vergewaltigung gehören mehr als zwei. Als im Zweiten Weltkrieg Soldaten aus Russland und aus der Ukraine ins Deutsche Reich einfielen und massenhaft Frauen vergewaltigten, taten sie das nicht allein deshalb, weil sie so lüstern gewesen wären und es auf die deutsche, blonde, unschuldige Frau abgesehen hätten – so wie es die Propaganda ausgemalt hat.

Sie taten es, weil sie den deutschen Mann hassen gelernt hatten und alles vernichten wollten, was diesem lieb und teuer war. In Berichten aus früheren Kriegen kommt das noch deutlicher heraus: Ein Sieger, der die Frau des Besiegten vergewaltigt, siegt damit zum zweiten Mal. Gemeint ist bei so einem Verbrechen nicht nur die Frau allein, sondern auch ihr Mann, dem damit eine weitere Niederlage zugefügt wird. Die Attraktivität der Frau spielt eine untergeordnete Rolle.

Wichtiger als ihr Reiz ist die Verachtung, die einer Frau entgegenschlägt. Der Vergewaltiger drückt nicht etwa Zuneigung aus, sondern Ablehnung. Nicht Verehrung, sondern Geringschätzung. Was Oslo erlebt, ist nicht etwa ein Krieg des Mannes gegen die Frau, wie es uns die feministische Propaganda weismachen will, die gewohnheitsmäßig falsch verallgemeinert. So nicht. Es ist ein Krieg der Kulturen: Der orientalische Vergewaltiger vergreift sich ausschließlich an westlichen Frauen, nicht an orientalischen.

Er kann sehr wohl unterscheiden. Er vergreift sich gezielt an dem Typus Frau, der seine Werte verlacht und bedroht; ein Typus, der, wie er meint, sowohl von Männern als auch von geschützter, exklusiver Sexualität in der Ehe nichts wissen wolle. Keusche Jungfrauen dagegen wären potentielle, schützenswerte Heiratskandidatinnen. Es ist außerdem ein Krieg des orientalischen Mannes gegen den westlichen Mann, bei dem der Vergewaltiger zum Rächer und Eroberer zugleich wird.

Der weiße, westliche Mann wird für Vergewaltigungen beschuldigt, die oftmals keine sind. Und denen, die wirklich welche sind, muss er tatenlos zuschauen. Er ist in einer wahrlich tragischen und traurigen Lage. Er durchleidet das, was in dem Buch Schande beschrieben wird. Dort ist der Schauplatz Südafrika. Der Held wird beschuldigt, ein Vergewaltiger zu sein. Er verliert dadurch seine berufliche Existenz, obwohl es in Wahrheit eine unbedeutende Affäre mit Einverständnis der Frau war. Schließlich kommt es in dem Buch von John M. Coetzee doch noch zu einer richtigen Vergewaltigung: Seine Tochter fällt vor seinen Augen einem Schwarzen zum Opfer. Er selbst wird verletzt, der Vergewaltiger versengt seine Augenbrauen. Am Ende hat der schwarze Mann nicht nur die Tochter, sondern auch den Besitz des weißen Mannes erobert.

Es deutet sich an, dass wir solche Dramen auch in unseren Landen erleben werden – in anderer Besetzung, in anderen Variationen, in kleinen und in größeren Dosierungen. Mit und ohne Hotpants.

Bernhard Lassahn: Frau ohne Welt

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/vergewaltigungen_und_der_fuenfte_mann

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Skandinavische Vergewaltigungen, skandinavische Scheuklappen

 

Bruce Bawer, FrontPageMag.com, 22. August 2013

Der königliche Palast von Norwegen, mitten im Herzen von Oslo, ist von einem schönen kleinen Park umgeben, der Slottsparken heißt. Er hat Rasen, Blumenbeete und einen plätschernden Back, über den ein Steg führt. Hinter dem Palast gibt es eine kleine Hütte, in der Mitglieder der Palastwache ihre tote Zeit mit Nickerchen und Fernsehen verbringen.

Ein weniger bezauberndes Merkmal des Parks ist, dass er auch die Kulisse für verschiedene Vergewaltigungen ist – nicht weniger als fünf davon allein in der Zeit von Juni bis Oktober 2011. Es ist so schlimm geworden, dass das Radisson Hotel – das sich vom Park aus gerade mal eine Minute zu Fuß vom Palast auf der anderen Straßenseite befindet – begann seinen Gästen Vergewaltigungsalarme mitzugeben, die sie tragen sollten, wenn sie einen Spaziergang machten.

Das Zeitungsprofil eines der Slottsparken-Vergewaltiger von 2011 bietet ein ziemlich repräsentatives Bild der Art von Individuum, das die meisten dieser Verbrechen begeht. Der Täter war ein junger Iraker, der 2003 als Asylbewerber nach Norwegen kam. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, aber – wie es Standardpraxis ist – wurden ihm trotzdem erlaubt zu bleiben. Drei Jahre später vergewaltigte er brutal eine 18-jährige vor dem Rathaus von Oslo und wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 2009, nach seiner Entlassung, wurde seine Ausweisung angeordnet; er klagte dagegen; 2010 verlor er sein Verfahren. Trotzdem wurde ihm wieder erlaubt zu bleiben. Ein Jahr später, immer noch in Oslo, vergewaltigte er eine Frau außerhalb des königlichen Palastes.

Ein muslimischer Asylbewerber; ein Vorstrafenregister; ein bedeutungsloser Ausweisungsbefehl: im heutigen Skandinavien gehören diese zu den Standard-Angaben im Lebenslauf vieler Vergewaltiger.

Ja, die skandinavische Polizeiarbeit könnte, wie ich früher feststellte – besser sein. Viel besser. Besonders in Oslo, wo die Polizei bedauerlicherweise unterbesetzt und mit zu geringen Mitteln ausgestattet ist. Sieht man die Beamten bei der Arbeit, dann kann man den Eindruck bekommen, dass sie immer noch mit einem Handbuch von vor einem halben Jahrhundert ausgebildet werden, als Oslo so verschlafen, wohlerzogen und ausländerfrei war wie Andy Griffiths Mayberry. Letzten September beschwerte sich ein Vergewaltigungsopfer öffentlich, dass die Cops sechs Monate warteten, bis sie die Zeugenaussage ihres dreizehnjährigen Sohnes aufnahmen. Solche Geschichten sind alltäglich. Und nicht nur in Oslo: Diese verträumte Herangehensweise der Gesetzeshüter ist ein gewohntes Phänomen überall in den nordischen Ländern, wo das einzige wirkliche Verbrechen – so scheint es manchmal – darin besteht, zu irgendetwas ein Gefühl von Dringlichkeit zu zeigen.

Doch die Vergewaltigungszahlen in Skandinavien sind kein Fehler der Polizei. Wie inzwischen jeder ohne Scheuklappen weiß, handelt es sich hierbei um eine Geschichte gescheiterter Einwanderungspolitik und Islam, der Verachtung von Ungläubigen lehrt – besonders unverschleierte Frauen. So wie die muslimische Bevölkerung Skandinaviens angewachsen ist, sind es auch die Vergewaltigungsstatistiken.

Als ich vor zwei Jahren über die Vergewaltigungskrise in Oslo schrieb, hatten dessen Vergewaltigungsstatistiken die von Stockholm und Kopenhagen in den Schatten gestellt und der Stadt den Titel „Skandinaviens Vergewaltigungshauptstadt“ eingetragen. Seitdem sind allerdings die Vergewaltigungsfälle in Schweden jäh angestiegen. Daniel Greenfield berichtete im Januar: „Schweden hat jetzt die zweithöchste Anzahl der Vergewaltigungen weltweit, nach Südafrika, das mit 53,2 pro 100.000 sechsmal höher liegt als die Vereinigten Staaten. Statistiken legen inzwischen nahe, dass jede vierte schwedische Frau vergewaltigt werden wird.“ (Eine weitere Studie aus jüngster Zeit setzt Schweden auch an Nummer 2, hat aber Lesotho auf dem ersten Platz.)

Im Verlauf der letzten sieben Jahre hat sich die Zahl der Vergewaltigungen in Schweden beinahe verdreifacht. Während der ersten sieben Monate diesen Jahres wurden in Stockholm eintausend Vergewaltigungen angezeigt – ein Sprung von 16 Prozent gegenüber dem letzten Jahr. In dreihundert Fällen waren die Opfer Mädchen unter 15 Jahren. Diesen Monat berichtete die dänische Zeitung Den Korte Avis, dass Vergewaltigung inzwischen in Schweden – wo die öffentliche Diskussion über Einwanderungsprobleme praktisch verboten ist – mindestens fünfmal üblicher ist als in Dänemark, wo das Thema seit Jahren offen diskutiert wird (was zu sanften Reformen führte, was die bien pensant-Schweden und -Norweger die Dänen als rassistisch kritisieren).

Es gibt überwältigende Anhaltspunkte dafür, dass Vergewaltiger in Schweden – wie die in Dänemark und Norwegen – in unverhältnismäßiger Zahl Muslime sind. Die schwedische Regierung sammelt Statistiken zu solchen Angelegenheiten, will sie aber nicht veröffentlichen. Wenn es in Schweden tabu ist die steigende Zahl der muslimischen Bevölkerung zu diskutieren, stellte Den Korte Avis fest, dann ist es noch mehr tabu, diese zur steigenden Zahl der Vergewaltigungen in Verbindung zu bringen. Eine unabhängige Studie kommt allerdings zu dem Schluss, dass 85 Prozent der Vergewaltiger in Schweden im Ausland geboren wurden – in erster Linie in Nordafrika, dem Nahen Osten und Südasien.

So wie sich die Vergewaltigungskrise Skandinaviens intensiviert hat, sind neue Merkmale entstanden. Zum einen hat sie sich aus den Städten in die Provinzen verbreitet. Es hat eine Anstieg der Arten von Vergewaltigung gegeben – beispielsweise Gruppenvergewaltigungen – die man vorher in Skandinavien so wie nicht kannte. Die heutigen Vergewaltigungen tendieren darüber hinaus dazu gewalttätiger zu sein als die der Vergangenheit.

Dann gibt es die zunehmende Zahl von Kinder-Vergewaltigungen- nicht nur Vergewaltigung von Kindern, sondern auch Vergewaltigung durch Kinder. Letzten November vergewaltigte in Malmö ein 17-jähriger afghanischer „Flüchtling“ brutal ein 14-jähriges Mädchen. (Der Staatsanwalt hätte eine Ausweisungsanordnung fordern können, entschied sich aber nur für die übliche – kurze – Gefängnisstrafe). Im Januar wurde in der selben Stadt ein 13-jähriges Mädchen von einer Gruppe aus vier Jungs vergewaltigt. Zwei der Täter wurden den Sozialdiensten übergeben, weil sie erst 13 und damit zu jung für Strafverfolgung waren; die anderen zwei, beide 15, wurden verhaftet und angeklagt, was ihren Rechtsanwalt empörte: Wie kann der Staat Kinder vor Gericht stellen!

Die Entschlossenheit, mit der die skandinavischen kulturelle Elite sich um die Wahrheit zu Vergewaltigung und Islam drückt, ist eisern. Früher in diesem Jahr veröffentlichte der norwegische Soziologe Preben Z. Møller „The Struggle over Rape“ (Der Kampf wegen Vergewaltigung), in der er „kulturelle“ Erklärungen für Vergewaltigungen zurückwies und argumentierte – als wäre das eine neue Idee! – dass Vergewaltigung ein Produkt von Armut und sozialer Ausgrenzung ist, „ein Weg für das Individuum in eine brutale Welt zu passen“. Wie sollen dann die anschwellenden Vergewaltigungszahlen in Schweden erklärt werden, das sich als Vorbild wirtschaftlicher Gleichheit und sozialer Inklusion betrachtet? Wie kann man die Korrelation zwischen den Vergewaltigungsdaten und den Einwanderungsdaten erklären? Doch der Humbug, mit dem Typen wie Møller hausieren gehen, machen sich die mächtigen Skandinavier zu eigen, die es vorziehen sich um die Wahrheit zu drücken statt sich damit zu befassen.

Und es sind nicht nur die Skandinavier. The Economist, der die Islamisierung Europas seit Jahren weißwäscht, nannte die hohen Vergewaltigungszahlen in Schweden „ein ziemliches Rätsel“; es hieß dort, „die wahrscheinlichste Erklärung“ dafür sei, dass „schwedische Frauen besonders selbstbewusst darin sind sexuelle Übergriffe anzuzeigen, während Frauen andernorts schweigen“. Natürlich wird die Tatsache, dass Schweden den zweithöchsten Prozentsatz an Muslimen hat, nicht erwähnt.

So läuft das. Derweil wurde wieder in Oslo letzten Freitag auf einer schicken Straße in der Innenstadt eine Frau vergewaltigt. Am selben Abend vergewaltigte ein Mann, der als „Afrikaner“ beschrieben wurde, eine Frau in Oslos vornehmem Viertel Grünerløkka brutal. (Nach Pakistanern sind Somalier Norwegens größte nicht westliche Einwanderergruppe.) Nach einem weiteren „afrikanischen“ Mann wird wegen der Vergewaltigung einer Frau in der idyllischen Telemark-Stadt Kongsberg gefahndet. Und, oh ja, am Wochendende davor gab es eine weitere Vergewaltigung im Slottsparken. Vielleicht ist es an der Zeit, dass die königliche Familie sich der Tatsache stellt, dass die Nachbarschaft den Bach runter geht und umzieht. Aber wohin?

https://heplev.wordpress.com/2013/08/27/skandinavische-vergewaltigungen-skandinavische-scheuklappen/

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  • Die Zahl der Kinder, die Asyl suchen, ist in den letzten zehn Jahren explodiert. Es wird angenommen, dass die Gründe dafür darin liegen, dass Kindern viel schneller Asyl gewährt wird als Erwachsenen und dass Schweden das Alter dieser „Kinder“ nicht überprüft. Flüchtlingen wird außerdem erlaubt ihre gesamte Familie nach Schweden zu holen, sobald sie die Aufenthaltsgenehmigung haben.
  • Schwedische Journalisten tun alles in ihrer Macht stehende, um dieses Bild der „Flüchtlingskinder“ aufrechtzuerhalten.
  • Ich riskiere meinen Job damit, dass ich euch das erzähle. … Viele von uns sind vom Staat dazu verpflichtet zu schweigen. Es ist z.B. berufliches Fehlverhalten die Einreisebehörden mit Informationen über jemanden zu kontaktieren, der auf seinem Asylantrag lügt. – „Isak“, ein Angestellter in einer Einrichtung für unbegleitete Kinder.
  • In den letzten Jahren haben gewalttätige Vorfälle in den Heimen, in denen die „Kinder“ leben, Überhand genommen.
  • Die unbegleiteten Flüchtlingskinder sind die nächste große Millionen-Dollar-Industrie in Schweden. Mit Durchschnittskosten von 2.000 Kronen (gut 200 Euro) pro Kind und Tag kosteten die 7.000 Flüchtlings-„Kinder“, die letztes Jahr nach Schweden kamen, 5,1 Milliarden Kronen (fast 550 Millionen Euro).

Eine der am schnellsten wachsenden Flüchtlingsgruppen in Schweden sind die sogenannten „unbegleiteten Flüchtlingskinder“. Die Zahl der Kinder, die Asyl suchen, ist in den letzten zehn Jahren explodiert. Es wird angenommen, dass die Gründe dafür darin liegen, dass Kindern viel schneller Asyl gewährt wird als Erwachsenen und dass Schweden das Alter dieser „Kinder“ nicht überprüft. Flüchtlingen wird außerdem erlaubt ihre gesamte Familie nach Schweden zu holen, sobald sie die Aufenthaltsgenehmigung haben – selbst wenn man bei der Ankunft angegeben hat allein auf der Welt zu sein.

Alleine im Juni kamen 1.500 Asyl suchende Kinder nach Schweden; die Behörden suchen händeringend nach Unterkünften für sie.

Asyl suchende Kinder sind in der schwedischen Migrantenwelt eine relativ neue Erscheinung. Die frühesten Zahlen stammen aus dem Jahr 2004, als 338 nach Schweden kamen. Zehn Jahre später war die Zahl auf 7.049 gestiegen, ein Wert, der dieses Jahr aller Wahrscheinlichkeit mach übertroffen wird.

Die Kinder kommen zumeist aus Syrien, Eritrea, Afghanistan und Somalia; da aber nur sehr wenige irgendwelche Ausweispapier haben, wissen die Behörden nicht wirklich, woher sie kommen.

Das Problem ist, dass sie weder unbegleitet, noch Flüchtlinge, noch Kinder sind. In vielen Fällen sind sie beträchtlich älter als 18 Jahre (was man auf Bildern klar sehen kann); und meistens handelt es sich um sehr aggressive junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren. Jeder weiß, dass ihre Chancen Asyl zu erhalten drastisch zunehmen, wenn sie behaupten jünger als 18 zu sein.

Der offizielle schwedische Begriff „unbegleitete Flüchtlingskinder“ ist verführerisch. Er lenkt die Gedanken auf 7-jährige in zerlumpter Kleidung, die einen zerschlissenen Teddybär in der Hand halten – ein barfüßiges Kind in der Welt.

Ältere Schweden denken zwangsläufig an die schwedischen Anstrengungen den nach Schweden strömenden Kindern des finnischen Winterkriegs am Anfang des Zweiten Weltkriegs zu helfen. 1939/40 wurden rund 9.000 finnische Kinder in schwedischen Pflegeheimen untergebracht, während die Finnen im Winterkrieg zwei Monate nach Beginn des Zweiten Weltkriegs gegen die einfallende Sowjetunion kämpften. Ein paar Tage nach dem Ende des Krieges im März 1940 begannen die Behörden die Kinder nach Finnland zurückzubringen. Bis Mitte Juni waren praktisch alle wieder in Finnland.

Schwedische Journalisten tun alles in ihrer Macht stehende, um dieses Bild der „Flüchtlingskinder“ aufrechtzuerhalten. Eines der groteskeren Beispiele stammt aus dem Jahr 2011, als ein Reporter der kostenlosen Tageszeitung City aus Malmö ein Wohnprojekt für junge Männer besuchte und einen Stoff-Eisbär in die Arme von Ahmad Farid aus Afghanistan legte. Ahmad sollte 16 Jahre alt sein, sah aber beträchtlich älter aus. Damit man ihn als wehrloses Kind wahrnehmen, nutzten die Journalisten das Stofftier als Requisite. Aber nicht einmal die Schweden sind derart naiv. Das Bild ist eines der Bilder, die in den alternativen Medien am häufigsten als Beweis für das genutzt wird, was als „die Fälschung der unbegleiteten Flüchtlingskinder“ genannt wird.

Warum also sollten Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren sich entscheiden als Kinder zu posieren und in Pflegeheime und Schulen für Teenager gesteckt zu werden? Die Antwort lautet: Anträge der „Kinder“ werden im Schnellverfahren erledigt und 75% erhalten in Schweden eine permanente Aufenthaltsgenehmigung.

Ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit schwedischer Journalisten Kinder von Erwachsenen zu unterscheiden, kommt von der Zeitung Kristianstadsbladet. 2012 erzählte die Zeitung die Geschichte vom „schnellsten 14-jährigen in Schweden“, Saad Alsaud, der den Rekord im für schwedische 14-jährige 100m-Sprint halten soll (11,82 Sekunden für 100m). Im Bild kann man den „14-jährigen“ mit tatsächlichen Kindern im Alter von etwa 10 Jahren rennen sehen – nur sieht er mehr wie ihr Vater aus als nur ein paar Jahre älter als sie.

Saad Alsaud (linkes Bild, Mitte), ein unbegleitetes „Flüchtlingskind“, im Jahr 2012, als er Schwedens schnellster „14-jähriger“ sein sollte. 2011 teilte ein Zeitungsreporter aus Malmö einen Teddybären und ein paar Lacher mit dem „16-jährigen“ Ahmad Farid (rechts Bild), einem unbegleiteten „Flüchtlingskind“ aus Afghanistan.

Es wird als für Kinder unzumutbar angesehen, dass sie länger als sechs Monate auf eine Entscheidung warten müssen, ob sie bleiben dürfen oder nicht; damit ist es, wenn man Asyl beantragt, ein riesiger Vorteil zu behaupten jünger als 18 Jahre zu sein. Da Kinder nicht in normalen Flüchtlingsunterkünften untergebracht werden können, landen sie entweder bei schwedischen Pflegefamilien oder in Einrichtungen für junge Menschen mit sozialen Problemen wie Drogenmissbrauch. Das kostet den schwedischen Steuerzahler bis zu 5.000 Kronen (ca. 530 Euro) pro Person und Tag. In einigen Fällen haben Landkreise 70.000 Kronen (7.450 Euro) pro Monate für ein Einzimmer-Apartment gezahlt.

Ein Angestellter in einer der Einrichtungen für „unbegleitete Kinder“ sprach anonym mit alternativen Medien über den Betrug. „Isak“ (ein Pseudonym) hatte dies zu sagen, als er im September mit Dispatch International sprach:

„Ich riskiere meinen Job damit, dass ich euch das erzähle. … Viele von uns sind vom Staat dazu verpflichtet zu schweigen. Es ist z.B. berufliches Fehlverhalten die Einreisebehörden mit Informationen über jemanden zu kontaktieren, der auf seinem Asylantrag lügt. Stellen Sie sich vor in dieser Lage zu sein! Fragen Sie sich, ob Sie die finanzielle Versorgung Ihrer Familie und die eigene Karriere riskieren würden, wenn gefragt wird, warum ich so lange geschwiegen habe. Das ist der Grund, dass so wenige etwas sagen. Intern aber redet die Mehrheit der Betreuer in den Asylantenheimen miteinander über die Tatsache, dass die „Kinder“ in Wirklichkeit Erwachsene sind, wie das völlig normal ist. Wenn aber jetzt das, was ich sage, irgendwie Aufmerksamkeit bekommt, können Sie sicher sein, dass eine Boulevardzeitung jemanden aus der Minderheit der Betreuer finden und mit ihm reden wird, der sich des Ausmaßes dieser Täuschung noch nicht bewusst ist – das sieht man nicht, bis man ein paar Jahre in dem Geschäft gearbeitet hat; man erkennt nur allmählich, was hier los ist. Das ist ein Prozess.“

Allein im Juni kamen 1.500 „Kinder“ in Schweden an – die höchste Zahl aller Zeiten für einen einzelnen Monat. Eilig werden mehrere neue Wohnhäuser eröffnet, während im Urlaub befindliche Mitarbeiter gezwungen werden sofort zur Arbeit zurückzukommen, um sich um die Neuankömmlinge zu kümmern. In Götheborg ist die Lage besonders drängend; die Stadt hat in diesem Jahr bisher 403 neue Kinder bekommen.

Louise Parbring, vorübergehend Integrationsdirektorin in Götheborg, sagte der Zeitung GT zur Lage: „Das ist eine extreme Zunahme, weit höher als wir uns je vorstellen konnten. Wir haben eine unglaublich drängende Situation in der Stadt, wenn wir uns nicht mit ihnen treffen und uns um sie kümmern.“ Daher hofft Parbring, dass die Einwohner Götheborgs ihre Häuser öffnen. „Wir brauchen Familien, die sich ihrer annehmen. Und Freiwillige für verschiedene Aktivitäten in den Häusern wären gut.“

Doch die Probleme betreffen nicht nur die Gelder der Steuerzahler und unterbrochene Ferien der Mitarbeiter. In den letzten Jahren haben gewalttätige Vorfälle in den Heimen, in denen die „Kinder“ leben, Überhand genommen. Im Dezember 2014 berichtete selbst das schwedische Fernsehen, das ansonsten dafür bekannt ist sein Bestes zu geben, um die Wahrheit zu verschleiern, über einen 15-jährigen aus Afghanistan, der die Mitarbeiter und Mitbewohner verprügelte und bedrohte. Er hatte unter anderem einen 14-jähigen gewürgt und dessen Kopf in eine Schüssel Eiskrem gestoßen. Zudem versuchte er die Mädchen in dem Heim zu belästigen; mehrere von ihnen hatten derart Angst vor ihm, dass sie wegliefen.

Schließlich bekam der 15-jährige in ein eigenes Apartment und ist jetzt bei der örtlichen Polizei gut bekannt.

Einige „Kinder“ verlassen die Heime freiwillig. Vor ein paar Jahren verschwanden elf Kinder aus Notgårdshemmet in Ludvika; es heißt, sie waren „mit dem Essen und den fehlenden Transport- und Freizeitmöglichkeiten“ unzufrieden. Der Vorfall veranlasste die Zeitung Dalarnas Tidning der Sache auf den Grund zu gehen und sich anzusehen, wie die Zustände für die „Kinder“ wirklich aussehen. Leben sie wirklich unter solch schlimmen Umständen, dass wegzulaufen eine logische Reaktion ist? Bo Sundqvist, Kreisleiter der Kultur- und Freizeitverwaltung und für Integrationsfragen zuständig, hatte dies zu sagen:

In Notgårdshemmet hat jeder ein eigenes Zimmer mit Bett, Tisch und Stuhl. Sie bekommen jeden Monat eine Busfahrkarte; Fahrräder und Computer stehen im Heim auf Leihbasis zur Verfügung. Aber für Dinge wie Handys müssen sie bezahlen.“

Der Reporter schrieb:

Zusätzlich zu Unterkunft und Verpflegung bekommen sie rund 1.900 Kronen (200 Euro) im Monat. Davon sind 1.050 Kronen reguläre Kinder- oder Schülerbeihilfe, die restlichen 855 Kronen sind ein Sonderzuschuss für unbegleitete Kinder, denen die Eltern fehlen.

Die Behauptung des Reporters, dass sie keine Eltern haben, ist allerdings nicht ganz richtig. Wenden wir uns wieder an Ahmad aus Afghanistan, der Burschen mit dem Stoffbären. Ahmad sagte City, dass er und seine Familie in Kabul „bedroht wurden“ und dass seine Familie sich entschied „einen Schleuser zu bezahlen, um den damals 16-jährigen Ahmad in Sicherheit zu bringen. Sicherheit hieß: nach Europa.“

Und hier hört Ahmads Erinnerung auf. City erklärt lakonisch, dass Ahmad sich nicht erinnern kann, wie lange die Reise dauerte, auch nicht an den Namen der Stadt, in der er ankam, als er den Zug im Hauptbahnhof von Malmö verließ. Er wusste aber genau, wohin er wollte: Zur Einreisebehörde von Celsiusgatan, wo er einen Asylantrag stellte. Die Zeitung drückt sich um die Frage, wie das möglich war. Andere Länder haben erfolgreich Methoden genutzt, um das Alter von Menschen festzustellen, die behaupten Kinder zu sein, aber diese Praxis wird heute in Schweden als in die Privatsphäre eingreifend und „schlecht“ betrachtet. Gerade erst zeigte eine Erhebung in Dänemark, dass 72% der Asyl suchenden „Kinder“ in Wirklichkeit Erwachsene waren. Die Tatsache, dass Dänemark diese Kontrollen durchführt, könnte erklären, warum im letzten Jahr nur 818 Kinder dort Asyl suchten; im Vergleich dazu waren es in Schweden 7.049. Finnland und Norwegen führen ebenfalls Alterstests durch und schätzen, dass 66% der Getesteten älter als 18 Jahre sind.

Im September 2014 schrieb die Gesellschaftskolumnistin Merit Wager:

„Dass es eine solch große Diskrepanz zwischen Schweden und anderen nordischen Ländern gibt, was das Alter unbegleiteter ‚Kinder‘ angeht, erscheint höchst unwahrscheinlich.“

Wager zitierte Anders Thomas, der seit acht Jahren für die Einreisebehörde arbeitet:

„Es war eine bizarre Erfahrung hier zu sitzen und ’16-jährige‘ zu recherchieren, die offensichtlich eher meinem Alter entsprachen. Damals hatte man die Möglichkeit eine Altersfeststellung durchzuführen; das ist heute nicht mehr so, wo ziemlich alle, die behaupten Kinder zu sein, hereingelassen werden. Was geschieht, wenn diese erwachsenen Männer mit 16 bis 17 Jahre alten Schülern die Sekundarschule beginnen?“

2013 schrieb Wager in ihrem Blog, dass bis zu 86% derer, die nach Schweden kommen und behaupten „Kinder“ zu sein, Erwachsene sein dürften. In dem Jahr wurden 134 Asylsuchende auf ihr Alter hin untersucht – und bei 116 stellte sich heraus, dass sie älter als 18 waren. Die anderen 1.072 „Kinder“ wurden nie getestet. Wager schrieb:

„Die Kosten für die 86 Prozent der als ‚Kinder‘ Asyl suchenden Erwachsenen ‚Unbegleiteten‘ sind riesig, rechnet man die von den Einreisebehörden gelieferten Zahlen hoch und wendet das auf alle an, die behaupten jünger als 18 zu sein. Es gibt keinen Zweifel, dass wir hier von Hunderten Millionen Kronen jährlich reden. Nicht für diese 116, aber wenn wir annehmen, dass die Zahl von 86 Prozent der angeblich Minderjährigen, die nach Schweden kommen (Stand vom September 2013, insgesamt waren es 2.558), richtig ist, dann sind die Zahlen schwindelerregend. Schwindelerregend!

Die Zahlen sind allerdings schwindelerregend. In einem Artikel vom November 2014 in der Boulevardzeitung Expressen gibt Pressesprecher Fredrik Bengtsson von der Einwanderungsbehörde zu, dass die unbegleiteten Flüchtlingskinder die nächste große Millionen-Dollar-Industrie in Schweden sind. Und die Menschen, die von diesen „Kindern“ profitieren, sind in vielen Fällen Privatunternehmer, die Wohnraum zur Verfügung stellen. Mit Durchschnittskosten von 2.000 Kronen (gut 200 Euro) pro Kind und Tag kosteten die 7.000 Flüchtlings-„Kinder“, die letztes Jahr nach Schweden kamen, 5,1 Milliarden Kronen (fast 550 Millionen Euro).

Die neueste aufrüttelnde Geschichte eines unbegleiteten Flüchtlingskindes betrifft einen 17-jährigen, der 2013 als „Anker“ nach Schweden geschickt wurde. Seine Familie soll rund $11.000 gezahlt haben, um ihn nach Schweden zu schicken; nachdem er seine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielt, wollten sie ihren Plan ausführen, dass der Rest der Familie nachkommt. Aber der 17-jährige war nicht damit zufrieden, dass seiner Familie nur erlaubt wurde nachzukommen. Er fand, die schwedischen Steuerzahler müssten auch für ihre Reise aufkommen. Er schickte die Rechnung für die Flugtickets ans Sozialamt, insgesamt 25.000 Kronen (2.650 Euro). Das wurde abgelehnt. Nicht entmutigt, klagte der 17-jährige gegen die Entscheidung – und gewann.

Die relativ neue Situation ist die von Kindern – tatsächlich minderjährige Kinder – aus Marokko. Doch da in Marokko kein Krieg herrscht, haben die Kinder keinen Asylgrund. Allerdings laufen sie oft, bevor ihr Antrag abgelehnt wird, aus den Flüchtlingsheimen weg, um durch die Straßen Stockholms zu streunen. Letztes Jahr suchten 381 marokkanische Kinder Asyl in Schweden. Es sind gewöhnlich Straßenkinder aus Tanger oder Casablanca, die früh anfingen Drogen zu nehmen und allesamt den Behörden misstrauen.

Die in Stockholm arbeitenden Polizisten Christian Frödén und Mikael Lins sagten dem schwedischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender SVT am 10. Mai 2015:

Eine niedrige Schätzung lautet, dass wir 200 Kinder aus Marokko haben, die abends und nachts durch die Innenstadt streifen und Verbrechen begehen. Sie sind neun Jahre oder älter. In vielen Fällen rauchen sie Haschisch und sind absolut ohne Verständnis für die schwedische Haltung zu Drogen.“

Die marokkanischen Jungen begehen Verbrechen wie Diebstahl, kleine Diebstähle, Taschendiebstähle und Raubüberfälle, aber die Behörden wissen nicht, wie sie mit diesen Kindern umgehen sollen, die die vom schwedischen Staat angebotene Hilfe ablehnen.

„Wir können sie in Einrichtungen einsperren, aber das geht nur kurzfristig, um individuelles Leben zu retten. Ich glaube, wir brauchen nationale Koordination, um dieses Problems Herr zu werden“, sagt Christian Frödén.

Die Einreisebehörde erköärt, dass sie vor hat sich mit anderen europäischen Ländern zu beraten und „vielleicht einige neue Arten Heime für diese Kinder zu schaffen“.

Wie üblich fordert Schweden, dass seine Steuerzahler ihre Geldbeutel öffnen. Den Behörden liegt es fern ein Machtwort zu sprechen und marokkanischen Straßenkindern sowie erwachsenen Männern, die sich als Kinder ausgeben, Asyl zu verweigern, was die Zahl der Asylanträge von „unbegleiteten Kindern“ auf der Stelle senken würde.

http://de.gatestoneinstitute.org/6220/fluechtlingskinder-schweden

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Alle Menschen sind gleich, nur Asylbewerber sind gleicher

Wenn zwei dasselbe tun, dann ist es in einem Fall sexistisch, im anderen aber politisch korrekt. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach.

Fall Nummer 1: Eine Schulleiterin im Schwarzwald hat jetzt eine Kleiderordnung erlassen. Schülerinnen sollen – Hitze hin, Hitze her – keine bauchfreien Tops, keine Hotpants, keine Miniröcke tragen. Wer sich nicht daran hält, bekommt von der Schule ein T-Short in Übergröße verpasst, damit das „gesunde Schulklima“ nicht leide.

Die Reaktion: Große Empörung, vor allem im Internet, Sexismus-Vorwürfe, die Mädchen würden ihrer individuellen Rechte beraubt; weil Männer in Frauen Sexobjekte sähen, müssten die jungen Damen schwitzen. Mädchen würden diskriminiert, weil die Jungen ihre kurzen Hosen unbehelligt tragen dürften. Und so weiter und so fort. Was halt in einem Land so alles erregt diskutiert wird, das offenbar keine ernsthaften Probleme hat.

Die “Scharia-Schulregel”

Fall Nummer 2: Ein Schulleiter in Bayern bittet in einem Elternbrief, darauf zu achten, dass ihre Töchter sich „angemessen“ kleideten. Also keine „durchsichtigen Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke“. Die Begründung ist aber nicht das Schulklima, sondern etwas ganz anderes: In der Dreifachturnhalle sind seit kurzem rund 200 syrische Asylbewerber untergebracht. Deshalb sieht der Schulleiter hier ein Problem. Da es sich hier um viele überwiegend sunnitische Muslime handle, befürchtet der Pädagoge „Diskrepanzen“.

Die Reaktion: Betroffene Eltern regten sich über „Scharia-Schulregel“ auf, die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete mit viel Verständnis für den Schulleiter und beklagte, was der Mann sich alles anhören müsse. Ansonsten blieben die Medien ruhig. Was wiederum nicht wirklich überraschend ist. Wer das Wohl von Asylbewerbern im Auge hat, darf mit medialem Wohlwollen rechnen, ganz gleich, was er tut.

Man kann sich natürlich wundern, dass ein Rektor offenbar durchsichtige Blusen bei pubertierenden Mädchen für die angemessene Kleidung hält, solange damit keine „Diskrepanzen“ bei Asylbewerbern ausgelöst werden. Man könnte sich auch fragen, ob dieser Oberpädagoge die männlichen Turnhallen-Bewohner allesamt für Sittenstrolche hält, die beim Anblick nackter Mädchenbeine oder nur knapp bedeckter Hinterteile in einen Erregungszustand geraten, der das Schlimmste befürchten lässt. Doch das sind Nebensächlichkeiten.

Es geht um etwas anderes. Der Brief des bayerischen Schulleiters ist typisch dafür, wie deutsche Gutmenschen den Umgang mit Flüchtlingen „korrekt“ geregelt sehen wollen: Die Deutschen haben sich anzupassen, die Deutschen haben andere Sichtweisen und Gebräuche zu respektieren, die Deutschen haben zu tolerieren, was andere für richtig halten. Dann, und nur dann, sind wir Deutschen gute Gastgeber und praktizieren eine vorbildliche „Willkommenskultur“ (was immer das auch sein mag).

Wer hat sich an wen anzupassen?

Man kann die Sache auch anders sehen. Da kommen Menschen zu uns, die in ihrer alten Heimat viel durchgemacht haben: politische Verfolgung, rassistische Diskriminierung, Krieg, Flucht und Vertreibung. Ebenso kommen Menschen zu uns, die zwar „Asyl“ sagen, in Wirklichkeit aber „nur“ bessere Chancen für sich und ihre Familien suchen, (was verständlich, aber nicht im Sinne des Gesetzes ist). Sie alle erwarten, dass wir sie unterbringen, sie kleiden, sie ernähren, sie medizinisch versorgen, dass wir ihnen das Recht einräumen, bei uns zu bleiben und die Möglichkeit, mit staatlicher Unterstützung ein neues Lebens beginnen. Soweit die Erwartungen und Forderungen an uns.

Aber dürfen wir nicht auch eine Gegenleistung erwarten? Dürfen wir nicht davon ausgehen, dass die Neuankömmlinge akzeptieren und respektieren, dass sie – sehr bewusst – Zuflucht in einem anderen Kulturkreis gesucht haben, in einem Land mit anderen Sitten und Gesetzen, mit einem eigenen Verständnis von Toleranz? Und dürfen wir nicht erwarten, ja verlangen, dass diejenigen, die bei uns bleiben wollen, tolerant genug sind, um den „German way of life“ zu respektieren?

Wie immer man zu durchsichtigen Blusen und knallengen Höschen an heißen Tagen stehen mag: Asylbewerber können nicht der Grund für eine neue Kleiderordnung sein. Es sei denn, wir änderten das Grundgesetz: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, sofern er nicht gegen die Ansichten und Wünsche von Zuwanderern verstößt.“ Das wäre verrückt – aber im politisch-korrekten Sinne wenigstens konsequent.

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/mueller-vogg-gegen-den-strom/alle-menschen-sind-gleich-nur-asylbewerber-sind-gleicher/

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Flüchtlinge: Sprachverwirrung als Mittel der Politik

 

Beide Forderungen sind legitim: die Zahl derer, die bei uns leben wollen, nach geltendem Recht zu begrenzen, oder mehr oder weniger alle willkommen zu heißen, die ihre Zukunft bei uns sehen. Aber wir sollten wissen, worüber wir reden und streiten: über Asylbewerber, Schutzsuchende nach der Genfer Konvention, Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge oder Zuwanderer bzw. Migranten.

Diese begriffliche Klarheit fehlt. Weil man mit Begriffen Politik machen kann, haben die Befürworter einer mehr oder weniger grenzenlosen Freizügigkeit das Wort Asylbewerber durchgehend durch den Begriff Flüchtlinge ersetzt. Denn Flüchtling klingt sympathischer als Asylbewerber. Zum Asyl gehört auch der Begriff des Asylmissbrauchs. Flüchtling ist dagegen positiv besetzt: Wer fliehen muss, muss halt fliehen, ist in jedem Fall ein Opfer. Eine weitere Differenzierung ist aus der Sicht der „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion da nicht nötig, nein, sogar hinderlich.

Wirtschaft reitet Flüchtlings-Welle

Es sind nicht nur die rot-grünen Gutmenschen in der Politik, die so reden. In unseren Rundfunksendern und Zeitungen wird fast ausschließlich von Flüchtlingen gesprochen und geschrieben. Man ahnt, warum diese „Nachrichten“-Sprache verwendet wird. Unsere Wirtschaftsverbände stimmen ebenfalls in den „Flüchtlings“-Chor mit ein. Die Wirtschaft beschwört zwar mit guten Argumenten einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Sie war aber bisher nicht willens, einen Teil ihres Bedarfs durch ein gezieltes Zuwanderungs-Marketing abzudecken. Stattdessen reiten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) lieber auf der Flüchtlingswelle mit. Frei nach dem Motto: Uns interessiert kein Aufenthaltsrecht, uns interessieren nur Arbeitskräfte.

Bei der Differenzierung zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Zuwanderern geht es um mehr als um semantische Feinheiten. Es macht schon einen Unterschied, ob ich einen Ankömmling aus dem Westbalkan als Flüchtling oder Migrant bezeichne. Der Flüchtling ist gekommen, weil sein Heimatland ihn nicht schützen kann oder will. Migranten hingegen verlassen ihr Land aus eigenem Antrieb – meistens, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Während der Flüchtling unsere Hilfe und unseren Schutz verdient, ist der Arbeitsmigrant aus sicheren Herkunftsländern wie Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina schlichtweg ein illegaler Einwanderer. Aber illegal klingt nicht so sympathisch; also wird aus dem Illegalen ein Flüchtling.

Eigentlich ist es gar nicht so schwierig, zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und arbeitsuchenden Zuwanderern zu unterscheiden. Politisch Verfolgte genießen bei uns nach Artikel 16a Grundgesetz Schutz. Das trifft aber nur auf ein bis zwei Prozent aller hier Schutzsuchenden zu. Knapp 40 Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern. Deren Wunsch nach einem besseren Leben in unserem Land ist verständlich, hat aber keine rechtliche Basis. Diese Zuwanderer sagen Asyl und meinen Sozialhilfe. Sie versuchen, ein Recht zu erschleichen, das ihnen nicht zusteht.

Fast 50 Prozent derer, die ohne Visum zu uns kommen, haben nach der Genfer Konvention und dem Humanitären Völkerrecht gute Chancen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Das ist dann der Fall, wenn sie befürchten müssen, wegen ihrer „Rasse“, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihren Heimatländern verfolgt zu werden. Zur Aufnahme und zum Schutz sind wir zudem bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen verpflichtet. Unstrittig ist aber auch: Weder die Genfer Konvention noch andere internationale Abkommen verpflichten Staaten, Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wer in seiner Heimat weder verfolgt wird noch kriegerischen Auseinandersetzungen samt ihren Folgen ausgesetzt ist, ist kein Flüchtling. Asylanträge solcher Zuwanderer haben deshalb keinerlei Aussicht auf Erfolg. Diese knapp 40 Prozent illegale Zuwanderer belasten unsere Aufnahmeeinrichtungen, kosten den Steuerzahler viel Geld und verzögern die Verfahren der knapp 50 Prozent mit sehr guten Aussichten auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Kapazitäten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für unbegründete Anträge aufwenden muss, fehlen für „echte“ Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak.

Keine Kraft für echte Flüchtlinge

Vor diesem Hintergrund ist der bayerische Vorstoß, Asylbewerber ohne Aussicht auf ein Bleiberecht künftig separat unterzubringen, schnell zu überprüfen und gegebenenfalls schnell wieder abzuschieben, kein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit, wie uns die „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion weismachen will. Obwohl viele rot-grüne Bundespolitiker unverzüglich Abscheu und Empörung geäußert haben, ist die Reaktion rot-grüner Landesregierungen eher positiv. In den Kommunen, die sich letztlich um Asylbewerber wie illegale Zuwanderer kümmern müssen, stößt der bayerische Vorschlag ebenfalls auf Zustimmung.

BAMF-Präsident Manfred Schmidt hat es auf den Punkt gebracht: Die hohe Zahl der aussichtslosen Fälle „bindet Kräfte, die wir brauchen, um uns um Menschen aus Krisenregionen zu kümmern.“ Ein differenzierter Umgang mit Asylbewerbern, Flüchtlingen und Arbeitsmigranten setzt indes sprachliche Klarheit voraus. Wer klare Worte scheut, scheut auch klare Entscheidungen. Oder er will sein eigentliches Ziel vernebeln: die Öffnung der Bundesrepublik für alle und jeden, die sich – aus welchen Gründen auch immer – hier ein besseres Leben versprechen.


In der ersten Fassung hatte es geheißen: „Fast 60 Prozent derer, die ohne Visum zu uns kommen, haben nach der Genfer Konvention und dem Humanitären Völkerrecht gute Chancen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden.“ Die „bereinigte Schutzquote“ lag im ersten Halbjahr 2015 nach Angaben des BAMF bei 47 Prozent.

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/mueller-vogg-gegen-den-strom/fluechtlinge-sprachverwirrung-als-mittel-der-politik/

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FRANCE-GB-SCIENCES-CHANNEL

afp Der Ärmelkanal trennt England (oben links) vom europäischen Kontinent – hier wurde der bulgarische Segler aufgegriffen

Beim Ansturm von Flüchtlingen auf den Tunnel unter dem Ärmelkanal ist auf der französischen Seite erneut ein Mensch ums Leben kommen. Die Behörden registrierten allein in der Nacht zum Mittwoch 1500 Versuche von Flüchtlingen, von der französischen Seite aus in den Eurotunnel zu gelangen.

Ein Flüchtling aus dem Sudan im Alter zwischen 25 und 30 Jahren sei tödlich verunglückt, als er auf einen Zug zu gelangen versuchte, von dem ihm ein Lastwagen entgegenkam. Es war der neunte derartige Todesfall am Eurotunnel seit Anfang Juni.

1500 Versuche von Flüchtlingen den Kanal zu queren

Die Behörden registrierten allein in der Nacht zum Mittwoch 1500 Versuche von Flüchtlingen, von der französischen Seite aus in den Eurotunnel zu gelangen. Dies muss nicht mit der Zahl der beteiligten Flüchtlinge übereinstimmen, weil etliche Flüchtlinge mehrmals am Tag versuchen, in den Eurotunnel – und damit letztlich nach Großbritannien – zu gelangen. Nach Schätzungen der Polizei hielten sich im Umfeld der Zufahrt zum Eurotunnel zuletzt zwischen 500 und tausend Flüchtlinge auf.

„Lage sehr beunruhigend“

Die britische Innenministerin Theresa May kündigte am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem französischen Kollegen Bernard Cazeneuve in London an, sieben Millionen Pfund (zehn Millionen Euro) zusätzlich für die Grenzsicherung bereitzustellen. Der britische Premierminister David Cameron bezeichnete die Lage am Eurotunnel bei einem Besuch in Singapur am Mittwoch als „sehr beunruhigend“.

Die Betreibergesellschaft Eurotunnel verstärkte zuletzt die Sicherheitsmaßnahmen in dem Gebiet um den Tunneleingang auf französischer Seite. Wegen der Mehrausgaben – und wegen Zugausfällen und Verspätungen infolge des Flüchtlingsansturms – hat das Unternehmen vergangene Woche von Frankreich und Großbritannien 9,7 Millionen Euro an Entschädigungen verlangt.

Eurotunnel: Seit Januar 37.000 Flüchtlinge abgefangen

Die Betreibergesellschaft des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal hat nach eigenen Angaben seit Jahresbeginn 37.000 Mal Flüchtlinge auf dem Weg zum Tunnel abgefangen. DieFlüchtlinge, die von Frankreich nach Großbritannien gelangen wollen, seien den französischen Behörden übergeben worden, erklärte Eurotunnel am Mittwoch. In tausenden Fällen sei Anzeige erstattet worden. Durch den Flüchtlingsansturm gerate Eurotunnel inzwischen „jede Nacht“ unter einen „Druck“, den keine Betreibergesellschaft aushalten könne. Das Unternehmen rief Großbritannien und Frankreich deswegen zu einer „angemessenen Antwort auf“.

Eurotunnel beteuerte am Mittwoch, die Sicherheitsmaßnahmen bereits drastisch verschärft und dafür allein im ersten Halbjahr 13 Millionen Euro ausgegeben zu haben. In einem am Dienstagabend bekanntgewordenen Brief an Eurotunnel-Chef Jacques Gounon hatte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve der Unternehmensleitung vorgeworfen, angesichts der „sich verschlimmernden Situation“ nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen zu haben. Unter anderem müsse mehr Sicherheitspersonal eingesetzt werden, um das riesige Gelände um den Tunneleingang zu sichern.

Video: Asylanträge werden nicht mehr bearbeitet – So rechtfertigt Österreich, dass es keine Flüchtlinge mehr aufnehmen will

 

FOCUS Online/Wochit So rechtfertigt Österreich, dass es keine Flüchtlinge mehr aufnehmen will
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  • 40 Jahre nachdem das schwedische Parlament einstimmig beschloss, das vormals homogene Schweden in ein multikulturelles Land umzuwandeln, haben Gewaltverbrechen um 300 Prozent und Vergewaltigungen um 1472 Prozent zugenommen. Schweden ist inzwischen an Nummer zwei der Länder mit der höchsten Rate an Vergewaltigungen und wird nur von dem im südlichen Afrika gelegenen Lesotho übertroffen.
  • Bezeichnenderweise erwähnen die Berichte nicht die Herkunft der Vergewaltiger. Darüber hinaus muss man wissen, dass Einwanderer der zweiten Generation als Schweden gezählt werden.
  • In erstaunlich vielen Fällen haben die schwedischen Gerichte Sympathien für die Vergewaltiger gezeigt und Verdächtige freigesprochen, die behaupteten, ein Mädchen habe Sex mit sechs, sieben oder acht Männern haben wollen.
  • Der Internetradiosender Granskning Sverige hat einmal die Mainstreamzeitungen Aftonposten und Expressen angerufen und gefragt, warum sie Täter als „schwedische Männer“ bezeichnet hatten, obwohl es sich in Wirklichkeit um Somalier ohne schwedische Staatsangehörigkeit handelte. Die Journalisten zeigten sich zutiefst beleidigt, als sie gefragt wurden, ob sie irgendeine Verantwortung fühlten, schwedische Frauen zu warnen, sich von bestimmten Männern fernzuhalten. Einer der Journalisten fragte, warum dass in seiner Verantwortung liegen solle.

1975 hat das schwedische Parlament einstimmig beschlossen, das vormals homogene Schweden in ein multikulturelles Land umzuwandeln. 40 Jahre später zeigen sich die dramatischen Folgen dieses Experiments: Die Zahl der Gewaltverbrechen ist um 300 Prozent gestiegen. Schaut man auf die Zahl der Vergewaltigungen, ist der Anstieg sogar noch gravierender. 1975 wurden bei der Polizei 421 Vergewaltigungen angezeigt, 2014 waren es 6620. Das ist eine Zunahme um 1472 Prozent.

Schweden liegt nun weltweit auf Platz zwei, was die Zahl der Vergewaltigungen in Relation zur Größe der Bevölkerung betrifft. Laut einer Studie von 2010 wird Schweden mit 53,2 Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner nur von dem winzigen Lesotho im südlichen Afrika mit 91,6 Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner übertroffen.

Zahlen zufolge, die der Schwedische Nationalrat für Verbrechensprävention (Brottsförebyggande rådet, bekannt als Brå) – eine Agentur, die dem Justizministerium untersteht – vorgelegt hat, haben im Jahr 2011 29.000 schwedische Frauen Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet (was darauf hindeutet, dass weniger als 25 Prozent der Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht werden).

Vergewaltigung im Ländervergleich, Zahl der von der Polizei registrierten Taten (Fälle auf 100.000 Einwohner) – laut UNO (2012)
Rate der Vergewaltigungen auf 100.000 Einwohner, Länder im Vergleich (ausgewählte Länder mit den höchsten und niedrigsten Werten), Statistik des United Nations Office on Drugs and Crime von 2012 (Bild: Wikimedia Commons).

Seltsame Erklärungen

Statt etwas gegen das Problem der Gewalt und der Vergewaltigungen zu unternehmen, mühen sich schwedische Politiker, Behörden und die Medien, die Fakten wegzuerklären. Hier sind einige ihrer Erklärungen:

  • Die Schweden neigen heutzutage stärker dazu, Verbrechen anzuzeigen.
  • Das Gesetz wurde geändert, so dass nun mehr Sexualdelikte als Vergewaltigung gewertet werden.
  • Schwedische Männer kommen mit dem höheren Maß an Gleichstellung der Geschlechter nicht zurecht und reagieren mit Gewalt gegen Frauen (die vielleicht phantasievollste Entschuldigung).

Ein lange genährter feministischer Mythos ist, dass der gefährlichste Ort für eine Frau ihr eigenes Zuhause sei – dass die meisten Vergewaltigungen von einem Bekannten begangen würden. Diese Behauptung wurde in dem Bericht des Brå zurückgewiesen:

„In 58 Prozent der Fälle war der Täter dem Opfer völlig unbekannt. In 29 Prozent der Fälle war der Täter ein Bekannter, und in 13 Prozent der Fälle war der Täter jemand, der dem Opfer nahe stand.“

Brå berichtet, dass es im Hinblick auf das Risiko einer Vergewaltigung keine großen Unterschiede gibt zwischen Frauen schwedischer und ausländischer Herkunft. Bezeichnenderweise erwähnen die Berichte nicht die Herkunft der Vergewaltiger.

Beispiellos

1975, in jenem Jahr, als Politiker beschlossen, dass Schweden multikulturell wird, betrug die schwedische Bevölkerung 8.208.442 Einwohner. Bis 2014 stieg sie auf 9.743.087 – ein Anstieg um 18,7 Prozent. Dieses Wachstum ist allein auf die Einwanderung zurückzuführen, denn schwedische Frauen gebären im Durchschnitt nur 1,92 Kinder, verglichen mit den 2,24 Kindern von Einwanderinnen. Man sollte jedoch im Kopf behalten, dass in den Statistiken Einwanderer der zweiten Generation als Schweden gezählt werden.

Schwedens jüngstes Bevölkerungswachstum ist beispiellos. Niemals zuvor in der Geschichte des Landes hat die Zahl der Einwohner so schnell zugenommen. Schweden ist nun das am schnellsten wachsende Land Europas.

Die Einwanderer kamen in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren vorwiegend aus muslimischen Ländern wie dem Irak, Syrien und Somalia. Könnte diese Masseneinwanderung eine Erklärung sein für den explosionsartigen Anstieg der Vergewaltigungen in Schweden? Es ist schwierig, hierauf eine präzise Antwort zu geben, weil es das schwedische Gesetz den Einwohnermeldeämtern verbietet, die Herkunft oder Religion zu erfassen. Eine mögliche Erklärung ist, dass Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten im Durchschnitt eine völlig andere Sicht auf Frauen und Sexualität haben als Skandinavier. Und trotz der Versuche des schwedischen Establishments, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass jeder, der einen Fuß auf schwedischen Boden setzt, genauso wird, wie diejenigen, die seit Dutzenden von Generationen dort leben, sprechen die Tatsachen eine andere Sprache.

Die letzte statistische Erhebung der Kriminalität von Immigranten im Vergleich mit derjenigen von Schweden wurde 2005 durchgeführt. Die Ergebnisse werden so gut wie nie erwähnt. Nicht nur dass: Jeder, der es wagt, sich auf sie zu beziehen – etwa in den sozialen Medien –, wird bösartig angegriffen.

Verunglimpfung ethnischer Gruppen

Im Zusammenhang mit den vielen Vergewaltigungen, die auf dem Kairoer Tahrir-Platz während des „arabischen Frühlings“ verübt wurden, rief Michael Hess, ein Kommunalpolitiker der Schweden-Demokratischen Partei, die schwedischen Journalisten dazu auf, sich mit der Sicht des Islams auf Frauen vertraut zu machen. Hess schrieb: „Wann werdet ihr Journalisten begreifen, dass das Vergewaltigen und Misshandeln von Frauen, die sich weigern, islamischen Lehren zu gehorchen, tief in der Kultur des Islam verwurzelt ist. Es gibt eine enge Verbindung zwischen den in Schweden verübten Vergewaltigungen und der Zahl der Einwanderer aus den MENA-Ländern [Middle East and North Africa].“

Diese Bemerkung brachte Hess eine Anklage wegen „Verunglimpfung ethnischer Gruppen“ [hets mot folkgrupp] ein, was in Schweden eine Straftat ist. Im Mai vergangenen Jahres wurde er zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt – die Strafe wurde deshalb auf Bewährung erlassen, weil er nicht vorbestraft war. Gegen das Urteil wurde vor einer höheren Instanz Berufung eingelegt.

Michael Hess hat viele Jahre lang in muslimischen Ländern gelebt und ist mit dem Islam und seiner Sicht auf Frauen sehr gut vertraut. Während des Prozesses legte er Beweise dafür vor, wie das Gesetz der Scharia mit Vergewaltigung verfährt, und Statistiken, um zu zeigen, dass Muslime bei Vergewaltigungen in Schweden unter den Tätern stark überrepräsentiert sind. Das Gericht urteilte jedoch, dass Tatsachen irrelevant seien:

„Das Gericht [Tingsrätten] merkt an, dass die Frage, ob die Behauptungen von Michael Hess wahr sind oder Michael Hess als wahr erscheinen, für diesen Fall nicht von Bedeutung sind. Michael Hess‘ Äußerungen müssen nach ihrem Zeitpunkt und ihrem Zusammenhang beurteilt werden … Zum Zeitpunkt des Vergehens bezog sich Michael Hess weder auf bekannte Forschungen noch auf islamische Quellen. Erst im Zusammenhang mit seiner Anklage versuchte Michael Hess Studien und religiöse Schriften zu finden, die ihn unterstützen. Das Gericht stellt darum fest, dass Michael Hess‘ Äußerungen offensichtlich nicht Teil einer sachlichen [saklig] oder verlässlichen [vederhäftig] Diskussion waren. Michael Hess‘ Äußerungen müssen deshalb als ein Ausdruck der Geringschätzung gegenüber Einwanderern mit islamischem Glauben betrachtet werden.“

Statistische Belege

Was kann man aus den verfügbaren Statistiken schließen?

Als Teil der Beweismittel, die Michael Hess vor Gericht präsentiert hat, machte er Gebrauch von allen Statistiken über die Kriminalität von Einwanderern in Schweden, die existierten, bevor die statistischen Ämter mit dem Zählen aufhörten. Michael Hess versuchte, Antworten auf zwei Fragen zu finden:

  1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Vergewaltigungen und der Zahl von Menschen ausländischer Herkunft in Schweden?
  2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Vergewaltigungen und einigen spezifischen Gruppen von Einwanderern in Schweden?

Die Antwort auf beide Fragen war ein eindeutiges Ja. 21 Forschungsberichte von den 1960er Jahren bis heute kommen einhellig zum selben Schluss: Ob nach der Zahl der rechtskräftig Verurteilten gerechnet oder nach derjenigen, die einer Vergewaltigung verdächtigt wurden, Männer ausländischer Abstammung waren sehr viel stärker repräsentiert als Schweden. Und diese stärkere Repräsentanz von Personen mit ausländischem Hintergrund nimmt weiter zu:

  • 1960-1970er – 1,2 bis 2,6-mal so häufig wie Schweden
  • 1980er – 2,1 to 4,7-mal so häufig wie Schweden
  • 1990er – 2,1 to 8,1-mal so häufig wie Schweden
  • 2000er – 2,1 to 19,5-mal so häufig wie Schweden

Selbst dann, wenn man die Zahlen um Variablen wie Alter, Geschlecht, die soziale Schicht und den Wohnort bereinigt, bleibt eine große Diskrepanz zwischen Immigranten und Schweden.

Forschungsberichte über Verbrechen sind in Schweden zu einer Seltenheit geworden, aber unter den achtzehn Studien, die in den 1990er und 2000er Jahren durchgeführt wurden, beschäftigten sich elf mit Vergewaltigung. Zwei dieser Berichte untersuchten den Zusammenhang zwischen Vergewaltigung und Immigration, und beide bestätigten, dass es eine Verbindung gibt.

Diese Zahlen liegen den Behörden, den Politikern und den Medien vor, doch diese beharren darauf, dass sie die Wirklichkeit nicht widerspiegeln.

Krasse Diskrepanz

Wie kommt es dann, dass im Jahr 2008 Schwedens Nachbarland Dänemark nur 7,3 Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen hatte, verglichen mit den 53,2 in Schweden?

Die dänische Gesetzgebung ist nicht sehr verschieden von der schwedischen, und es gibt keinen sichtbaren Grund, warum dänische Frauen weniger geneigt sein sollten, Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen, als die schwedischen.

2011 wurden bei der schwedischen Polizei 6.509 Vergewaltigungen angezeigt – aber nur 392 in Dänemark. Die Bevölkerung Dänemarks ist etwa halb so groß wie die Schwedens; also selbst um diese Größe bereinigt ist der Unterschied signifikant.

In Schweden tun die Behörden alles dafür, die Herkunft der Vergewaltiger zu verbergen. In Dänemark gab das offizielle staatliche Statistikamt, Statistics Denmark, 2010 an, dass über die Hälfte der verurteilten Vergewaltiger einen Einwanderungshintergrund hatten.

Ausländer überrepräsentiert

Seit 2000 gab es in Schweden nur eine Studie über die Kriminalität von Einwanderern. Sie wurde 2006 von Ann-Christine Hjelm von der Universität Karlstads durchgeführt.

Es stellte sich heraus, dass im Jahr 2002 85 Prozent derjenigen, die vom Svea Hovrätt, einem Berufungsgericht, zu mindestens zwei Jahren Gefängnis wegen Vergewaltigung verurteilt worden waren, im Ausland geboren oder Einwanderer der zweiten Generation waren.

Ein 1996 veröffentlichter Bericht des Schwedischen Nationalrats zur Verbrechensprävention kam zu dem Schluss, dass Einwanderer aus Nordafrika (Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien) mit einer 23-mal so hohen Wahrscheinlichkeit eine Vergewaltigung verüben wie schwedische Männer. Die Zahlen für Männer aus dem Irak, Bulgarien und Rumänien lagen bei 20, 18 und 18. Männer aus dem übrigen Afrika waren 16-mal, Männer aus dem Iran, Peru, Ecuador und Bolivien zehnmal so anfällig, Vergewaltigungen zu begehen wie Schweden.

Gruppenvergewaltigungen

In den letzten Jahrzehnten hat ein neuer Trend Schweden mit voller Wucht getroffen: Gruppenvergewaltigungen (gang rape) – bis dahin weitestgehend unbekannt in der schwedischen Kriminalhistorie. Die Zahl der Gruppenvergewaltigungen ist zwischen 1995 und 2006 sprunghaft gestiegen. Seitdem wurden keine Studien mehr durchgeführt.

Einer der schlimmsten Fälle ereignete sich 2012 in der Kleinstadt Mariannelund, als eine 30-jährige Frau in einem Wohnprojekt für Asylbewerber von acht Männern vergewaltigt wurde. Die Frau war eine Bekannte eines Mannes aus Afghanistan, der seit einigen Jahren in Schweden lebte. Er lud sie ein, mit ihm mitzukommen. Sie folgte. Der Afghane nahm sie mit zu einem Wohnprojekt für Flüchtlinge und ließ sie dort schutzlos. Während der Nacht wurde sie mehrfach von den Asylbewerbern vergewaltigt, und als ihr „Freund“ wiederkam, vergewaltigte er sie ebenfalls. Am folgenden Morgen gelang es ihr, die Polizei zu rufen. Der Staatsanwalt nannte den Fall „das schlimmste Vergewaltigungsverbrechen in der schwedischen Kriminalgeschichte“.

Sieben der Männer wurden zu Haftstrafen zwischen viereinhalb und sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Haftzeit wird üblicherweise um ein Drittel reduziert, es wird also nicht lange dauern, bis die Männer zu neuen Übergriffen bereit sein werden –aller Voraussicht nach auf ungläubige Frauen.

In Fällen von Gruppenvergewaltigungen sind die Täter und die Opfer meist jung, und in fast allen Fällen haben die Täter einen Migrationshintergrund, meist aus muslimischen Ländern. In erstaunlich vielen Fällen haben die schwedischen Gerichte Sympathien für die Vergewaltiger gezeigt und Verdächtige freigesprochen, die behaupteten, ein Mädchen habe Sex mit sechs, sieben oder acht Männern haben wollen.

Ein bemerkenswerter Fall ereignete sich 2013, im Stockholmer Außenbezirk Tensta. Ein 15-jähriges Mädchen war eingesperrt, während sechs Männer ausländischer Abstammung Sex mit ihr hatten. In erster Instanz wurden die Männer verurteilt, doch eine höhere sprach sie frei, weil keine Gewalt angewandt wurde und das Gericht entschied, dass das Mädchen „sich nicht in einer schutzlosen Lage befunden“ habe.

Diesen Monat berichteten alle schwedischen Medien über eine brutale Gruppenvergewaltigung an Bord der finnischen Fähre Amorella, die zwischen Stockholm und der Stadt Åbo in Finnland verkehrt. In großen Schlagzeilen wurde den Lesern mitgeteilt, dass die Täter Schweden gewesen seien.

  • „Etliche schwedische Männer der Vergewaltigung auf der Finnland-Fähre verdächtig“ (Dagens Nyheter).
  • „Sechs schwedische Männer vergewaltigen Frau in Kabine“ (Aftonbladet).
  • „Sechs Schweden wegen Vergewaltigung auf Fähre verhaftet“ (Expressen).
  • „Acht Schweden der Vergewaltigung auf Fähre verdächtig“ (TT – die schwedische Nachrichtenagentur)

Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass sieben der acht Verdächtigen Somalier waren und einer ein Iraker. Keiner von ihnen hatte die schwedische Staatsangehörigkeit, sie waren also nicht einmal in diesem Sinne Schweden. Laut Zeugen war die Gruppe der Männer über die Fähre gestreift auf der Suche nach Sex. Die Polizei ließ vier von ihnen frei (sie sind aber immer noch Verdächtige), während vier (alle Somalier) in Gewahrsam bleiben.

Der Internetradiosender Granskning Sverige hat die Mainstreamzeitungen Aftonposten und Expressen angerufen und gefragt, warum sie die Täter als „schwedische Männer“ bezeichnet hatten, obwohl es sich in Wirklichkeit um Somalier ohne schwedische Staatsangehörigkeit handelte. Die Journalisten zeigten sich zutiefst beleidigt, als sie gefragt wurden, ob sie irgendeine Verantwortung fühlten, schwedische Frauen zu warnen, sich von bestimmten Männern fernzuhalten. Einer der Journalisten fragte, warum dass in seiner Verantwortung liegen solle.

„Wenn die Frauen das gewusst hätten, hätten sie sich vielleicht von diesen Männern ferngehalten und auf diese Weise vermieden, vergewaltigt zu werden, sagte der Reporter von Granskning Sverige. Woraufhin der Journalist den Hörer aufs Telefon knallte.

Ingrid Carlqvist und Lars Hedegaard sind Chefredakteure von Dispatch International.

http://de.gatestoneinstitute.org/5223/schweden-vergewaltigung

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  30.07.2015   Achgut.com

Hitze, Islam und Hormone

Armin Peter

Jeden Sommer schaffen es einige Berliner Freibäder bundesweit in die Schlagzeilen: Zwei Gruppen von „Jugendlichen und jungen Männern“ hätten sich geprügelt, heißt es dann stets etwas nebulös; das Bad sei daraufhin von der Polizei geräumt worden. In der Regel arten Streitereien zwischen Einzelpersonen in eine handfeste Massenschlägerei mit dutzenden Beteiligten aus. Als Gründe werden in Pressemeldungen gerne „zu viel Testosteron“ oder „die große Hitze“ angeführt, womit die Sache als erledigt gilt.

Seit Jahren suchen die Berliner Bäderbetriebe händeringend nach Möglichkeiten, um die angeblich testosterongetriebenen Horden von gewalttätigen Ausrastern abzuhalten. Private Sicherheitsdienste, Deeskalationsschulungen für das Aufsichtspersonal, zivile Polizeistreifen und „Konfliktlotsen“ gehören zu den bereits umgesetzten Maßnahmen, mit denen einzelne Bäder trotz knapper Kassenlage aufwändig gesichert wurden. Trotzdem kommt es immer wieder zu Gewalt, zuletzt Anfang Juli im Neuköllner Columbiabad.

Öffentliche Zusammenstöße zwischen Hooligans verfeindeter Fußballclubs oder von Rockergruppen finden in der Regel ein sehr ausführliches Presseecho. Doch beim Thema Freibadschlägereien erfährt der geneigte Leser nur selten mehr über die offenbar besonders hitzeempfindlichen „Jugendlichen“. Deshalb mag es zunächst verwundern, dass sich die Bäderbetriebe bereits im letzten Jahr zu einem Gespräch mit dem Imam der Neuköllner Şehitlik-Moschee trafen. Kann der Geistliche den Testosteronspiegel junger Männer durch Gebete senken? Oder sollte seine Gemeinde ein paar Sonnenschirme und Kaltgetränke spenden, um die Sommerhitze zu lindern?

Weit gefehlt: Da es sich bei den Schlägern hauptsächlich um junge Muslime handelt, wie in manchen Presseartikeln verschämt eingeräumt wird, erhofften sich die Bäderbetriebe von islamischen Streitschlichtern offenbar einen mäßigenden Einfluss auf ihre Badegäste. Denn bei der Klientel mit Migrationshintergrund scheint es mit dem Respekt vor Badepersonal im Allgemeinen und weiblichen Aufsichtspersonen im Besonderen gewaltig zu hapern. Potz Blitz! Der Imam gibt sich ahnungslos: “Warum die Jugendlichen nicht auf die Badeleiterin hören, weiß auch der Moscheeleiter nicht. Das Gespräch macht aber eines deutlich: es gibt interkulturelle Missverständnisse”, resümiert der Deutschlandfunk.

Wo Hitze und Hormone nicht als Feigenblatt ausreichen, muss also die mangelnde Kultursensibilität der Mehrheitsgesellschaft herhalten. Dass fast alle Freibadschläger juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden können, weil ihre Opfer sowie Zeugen aus Angst vor den Tätern schweigen – geschenkt. Muss wohl auch an der Hitze liegen. Oder es handelt sich um ein interkulturelles Missverständnis. Über rechtsfreie Räume und verfestigte Parallelgesellschaften spricht man jedenfalls nicht so gern. Denn eine offene Diskussion über mögliche Gründe für die ungehemmte Gewaltbereitschaft jener „jungen Männer“ könnte unschöne Erkenntnisse hervorbringen. Deshalb interessiert es ebenfalls nur am Rande, dass die Berliner Polizei in Teilen Neuköllns auch außerhalb von Freibädern nur noch mit einem Großaufgebot ihre Arbeit verrichten kann, sofern sie nicht gleich ganz kapituliert.

Massenschlägereien zwischen größeren Gruppen besagter „junger Männer“ sind beileibe kein Phänomen heißer Sommertage, und das nicht nur in Berlin. In den übrigen Jahreszeiten spielen sie sich allerdings an anderen Orten ab und erregen meist weniger öffentliche Aufmerksamkeit als im Sommerloch. Man darf dennoch gespannt sein, welche Gründe vorgeschoben werden, sobald die Bäder schließen: Im Herbst könnte vielleicht die schwere Kindheit der beteiligten „Jugendlichen“ schuld sein, im Winter liegt es an den kalten Außentemperaturen sowie der sozialen Kälte Deutschlands und im Frühjahr sind es die Frühlingsgefühle. Bis zum nächsten Sommer, wenn wieder die altbewährten Phrasen von „Testosteron und Hitze“ oder „interkulturellen Missverständnissen“ hervorgekramt werden.

Mehr Infos:
http://www.welt.de/vermischtes/article143598675/Polizei-raeumt-Berliner-Freibad-wegen-Massenschlaegerei.html
http://www.tagesspiegel.de/berlin/gewalt-in-berlin-freibadschlaeger-bleiben-haeufig-ohne-strafe/12081260.html
http://www.tagesspiegel.de/berlin/undercover-polizisten-in-berlins-freibaedern-mit-badehose-und-pfefferspray/12013480.html
http://www.deutschlandfunk.de/interkultureller-dialog-imame-als-streitschlichter-im.1769.de.html?dram:article_id=292949
http://www.welt.de/regionales/nrw/article143379384/Gewerkschaft-warnt-vor-No-go-Areas-im-Ruhrgebiet.html

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/hitze_und_hormone

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  31.07.2015   Achgut.com

Der IS ist Islam in Reinkultur

Im IS geschieht derzeit das, was schon zur Zeit des Propheten mit dessen Billigung Frauen und Ungläubigen angetan wurde – man lese die kanonischen Hadithe und die Geschichten, in denen Mohammed unter gewissen Voraussetzungen die Tötung und Versklavung von Frauen befahl.

Merke: Nicht allein der Koran ist rechtleitend für gläubige Muslime. Genauso wichtig: die Sunna = Traditon, darin zentral die Hadithe, die Sammlung von Geschichten, Aussprüchen und Anweisungen des Propheten.

Die Kinder- und Vielehe unter Muslimen etwa geht nicht auf den Koran, sondern direkt auf Mohammeds überliefertes Vorbild zurück. Insofern kann der häufig gehörte Satz, diese oder jene muslimische Praxis sei “unislamisch” weil “nicht durch den Koran gedeckt”, zwar formal richtig, aber dennoch eine Falschaussage sein. Oder gar eine dicke Lüge. Dann nämlich, wenn eine islamische Norm oder Glaubenspraxis sich auf eine Tat oder Gewohnheit des Propheten beziehen lässt. Der IS ist daher auch nicht grausamer, als es der Ur-Islam, die Ur-Gemeinde in Yathribb/Medina, unter der Herrschaft Mohammeds war.

Nehmen wir mal dieses Beispiel – hier sorgt Mohammed rührend dafür, dass eine nach einem Ehebruch schwanger gewordene Frau noch ihr Kind für die islamische Ummah entbinden kann, d.h., statt auf der Stelle gesteinigt zu werden, noch bis zur Entbindung weiterleben darf. Der Zynismus des Propheten erstrahlt zu vollstem Glanz, wenn er, nach der von ihm angeordneten Steinigung der Frau, dann auch noch ihr Beerdigungsgebet spricht: als besondere Gunst und als Empfehlung an Allah für eine reuige Sünderin!

Wenn wir uns den ZDF-Dok-Film anschauen, dann wissen wir nun:

Im IS geschieht, anders als es die Islamfunktionäre uns glauben machen wollen, genau das, was schon zur Zeit des Propheten mit dessen Billigung Frauen und Ungläubigen angetan wurde. Denn der IS ist Islam in Reinkultur.

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_is_ist_islam_in_reinkultur

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  31.07.2015   10:12   Leserkommentare (0)*

Das falsche Spiel mit den Flüchtlingen

 

Es ist so furchtbar typisch für unser Land. Rechte Dumpfbacken vor Asylbewerberunterkünften beherrschen die Schlagzeilen, was den stets beliebten „Kampf gegen Rechts“ befeuert, als ob es darum ginge, wieder einmal den Anfängen zu wehren. Bemerkenswert ist jedoch vielmehr die große Hilfsbereitschaft der Mehrheit der Deutschen denen gegenüber, die hierzulande ein anderes, ein besseres Leben suchen. Und es ist ein offenes Geheimnis: ohne das private Engagement vieler Bürger wäre die rasant anschwellende Zuwanderung noch weniger zu bewältigen.

Na klar: good news are no news. Doch vor allem lässt sich die Angst vor einem neuen „Rechtsruck“ prächtig funktionalisieren. Der Vorwurf, „rechts“ zu sein, ist fast so schlimm wie der, ein misogyner Sexist zu sein. Beides kann einem flugs die Karriere kosten.

Für Politiker und Volkspädagogen ist der Kollektivverdacht, es hierzulande überwiegend mit hässlichen Deutschen zu tun zu haben, bestechend: wenn es Probleme gibt, liegt es an mangelnder „Willkommenskultur“ der Einheimischen, nicht aber an den politisch Verantwortlichen. Dabei ist ein Großteil der Probleme mit der derzeitigen Einwanderungswelle hausgemacht. Denn nein: es kommen nicht überwiegend Menschen, die verfolgt sind und für die unsere Asylgesetze gelten. Um ein Drittel größer als die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan ist die der Zuziehenden aus dem Kosovo, Albanien und Serbien, also aus dem Westbalkan, die so gut wie keinen Anspruch auf Asyl haben. 

Lasset sie alle kommen? Gewiss: Wenn sie in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen und für sich selbst zu sorgen, wenn sie also jene Bereicherung sind, von denen man hierzulande gern träumt. Was vielen aus Ex-Jugoslawien einst gelang, könnte doch auch denen aus seinen Nachfolgestaaten gelingen? Doch viele von ihnen folgen einer anderen Spur. Der Großteil der „Welle“, die Politik, Verwaltung, Kommunen derzeit überrollt, wurde von einer Politik der falschen Anreize erzeugt, von Inkonsequenz bei der Anwendung eigener Gesetze – und vom Scheitern Europas.

Ach, Europa. Die Mehrheit der EU-Staaten hält wenig davon, sich auf die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen einzulassen. Und selbst wenn Italien und Griechenland als Erstaufnahmeländer den Zuzugsstrom bewältigen könnten: dort will niemand bleiben. Die meisten Einwanderer möchten nach Deutschland, dort, wo es der Legende zufolge für jeden ein Haus gibt. Nicht jeder glaubt an solche Märchen, doch bei den meisten dürfte sich herumgesprochen haben, dass man sich in Deutschland ans eigene Asylgesetz nicht hält: abgeschoben wird selten, Politiker und Behörden trauen sich nicht, es sieht so hässlich aus.

Und allein das jedem hier Ankommenden zustehende Taschengeld ist für Einreisende aus den Balkanstaaten so attraktiv, dass sie das geringe Risiko der Ausweisung bereitwillig auf sich nehmen. Hier brauche man mehr statt weniger Europa, meint Bundesinnenminister Thomas de Maizière, sonst müsse man die Grenzen wieder schließen. Richtig. Es sieht allerdings ganz so aus, dass viele EU-Länder Europa nur dann benötigen, wenn es ihnen nützt. Man könnte es nationalen Egoismus nennen.

Doch so ist es nunmal. Menschen können rechnen, und wer ihnen Anreize gibt, muss sich darauf einstellen, dass sie mit beiden Händen zugreifen. Fallen sie weg, ändert sich die Geschäftsgrundlage: schon jetzt nimmt der Zustrom aus den Balkanländern ab, seit sich abzeichnet, dass auch Albanien, das Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Doch was ist mit den Flüchtlingen aus Eritrea oder Nigeria, die meisten von ihnen junge Männer? Es ist offenbar müßig, diese Frage afrikanischen Despoten zu stellen. Pikanterweise beschwerte sich jüngst das Außenministerium Eritreas beim UNO-Sicherheitsrat darüber, dass seine Bürger nicht im Lande bleiben wollen.

Offenbar kann es sich für eine Familie lohnen, einen jungen Mann mit tausenden von Dollars auszustatten, damit er sich nach Deutschland schleusen lässt, in der Hoffnung, dass die Familie später nachziehen kann. Damit ist das Geschäftsmodell der Schleuser gesichert. Und alle Hochrechnungen, die nicht jene Vielzahl mitberücksichtigen, die hinter einem einzigen Zugereisten steht, sind heiße Luft.

Realistisch gesehen: solange Deutschland mit einem Modell lockt, das sich auf einen Nationalstaat und nicht auf ein offenes Einwanderungsland bezieht, signalisiert es paradiesische Zustände, die es auf die Dauer nicht garantieren kann. Entweder erledigt sich der Sozialstaat dank wachsenden Zuspruchs selbst – oder er beschränkt sich auf den Club der bereits hier Lebenden.

Doch so realistisch hat man es hierzulande nicht gern, vor allem nicht bei einer Lobby, die vom Leid profitiert, das andere zu uns treibt: die Interessenvertretung all jener Sozialdienstleister, die von der Ausdehnung staatlicher Fürsorge profitieren. Bereits jetzt kommt noch nicht einmal die Hälfte des größten Haushaltspostens dort an, wo er Gutes tun soll, bei den Bedürftigen nämlich. Den Löwenanteil kassieren die bestallten Fürsorger – und jede neue „Flüchtlings“welle beschert ihnen vielfältige neue Möglichkeiten, ihr Angebot auszudehnen.

Es gibt offenbar Probleme, die niemand lösen will, solange man sie verwalten kann. Aber auch dieses Geschäftsmodell könnte irgendwann an seine natürlichen Grenzen stoßen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/das_falsche_spiel_mit_den_fluechtlingen

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  31.07.2015   Achgut.com

Zuwanderung: Der linke Sieg beim Kampf um die Worte

Von Tim Tressel

Die regierenden Parteien werfen sich beim Asyl-Thema gegenseitig Rücksichtslosigkeit oder Betroffenheitspolitik vor, und das mit Recht. Die Parteien und Kommentatoren reden viel über den Gesprächston, die Debattenkultur und die allgemeine Gefühlslage, obwohl das alles nichts zu einer Lösung des Problems beitragen wird.

Die linken Kräfte der Republik nutzen die Stimmung im Land genauso für ihre propagandistischen Zwecke wie die rechten Kräfte, die, unter dem Deckmantel der Überforderung der Behörden, Anschläge auf Unterkünfte verüben und sonstige Straftaten begehen. Grüne, Linke und SPD beschwören die Willkommenskultur und den Kampf gegen rechts, um für ihre Sache zu mobilisieren. Als ob ein Paar NPD-Futzies hier demnächst das Land übernehmen würden. Die autoritäre Gefahr von rechts geht meiner Meinung nach nie von einem Haufen Idioten aus, die Migranten für ihre Probleme verantwortlich machen, sondern immer von dem weitverbreiteten Glauben, der Staat könne und müsse alle Problem lösen und wisse immer, was gut für den Einzelnen ist.

Aber man muss es den Linken lassen, in Deutschland gewinnen sie immer den Kampf um die Worte. So redet man in der Bundesrepublik immer über die Flüchtlinge, oder die Flüchtlingspolitik, was bei jedem Zuhörer sofort sympathische Gefühle auslöst und Beschützerinstinkte weckt. Hätte die CSU oder die AfD es geschafft, das Wort illegale Einwanderer durchzusetzen, dann wäre die Debatte wohl anders verlaufen. Die Wahl der Worte hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Richtung einer öffentlichen Debatte, so war in den USA immer eine Mehrheit gegen „gay marriage“ aber für „marriage equality“. Wenn man also für dieses offensichtliche Problem eine pragmatische Lösung finden will, so sollte man unemotional einfach von Asylbewerben sprechen.

Das deutsche Asylrecht ist eins der weitreichendsten der Welt und das passt auch zur äußerst toleranten und kulturell offenen Einstellung der politischen Eliten in allen Parteien. Diese Haltung findet sich aber nicht unbedingt auch so in der Mehrheit der deutschen Bevölkerung wieder, was unter anderem auch zum Aufstieg von Pegida, AfD und anderen beigetragen hat. Hier nur über Stimmungen, Hetzte und Ressentiments zu sprechen wird auch niemanden helfen, denn das Sein bestimmt das Bewusstsein und nicht umgekehrt. Wer eine tolerantere und offenere deutsche Gesellschaft haben möchte, die den hier aufgenommen Menschen wohlmeinend gegenübersteht, der wird das nicht durch eine hetzerische oder betroffene Rhetorik erreichen, sondern durch Maßnahmen, die geeignet sind, die mit dem Asylbewerberansturm verbunden Probleme zu lösen.

Und ganz offensichtlich gibt es ein Problem mit den Kapazitäten, das wird wohl keiner bestreiten können. Wenn also nicht genug Kapazitäten vorhanden sind, um die Flüchtlingsströme zu bewältigen, dann gibt es nur wenige Optionen. Man kann die Kapazitäten erhöhen, was sicherlich notwendig ist, aber ab einem gewissen Punkt die Leistungsfähigkeit des deutschen Staates finanziell übersteigen wird. Vor allem da sich in Zukunft noch mehr Menschen auf den Weg machen werden, in Europa nach einer besseren Zukunft zu suchen. Man kann auch den Prozess beschleunigen und Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, wieder schneller aus dem System herausholen und somit auch den Aufgenommen schneller ermöglichen, sich in diese Gesellschaft zu integrieren.

Es gibt ja durchaus vernünftige Handlungs-Optionen:

– Mehr Länder müssen als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Das deutsche Asylrecht ist nicht dafür ersonnen worden, Menschen die Einwanderung zu ermöglichen, die ihre wirtschaftliche Position verbessern wollen. Sondern es wurde für Menschen geschaffen, die tatsächlich vor Verfolgung und Gewalt in ihren und durch ihre Staaten beschützt werden müssen. Davon gibt es aktuell sehr viele und, jeder der hierher kommt und nicht zu dieser Gruppe gehört, nimmt diesen wirklich hilfsbedürftigen Menschen wichtige Ressourcen weg. An dieser Stelle sollte man sich nichts vormachen. Außerdem müssen die Verfahren im Interesse aller Beteiligten beschleunigt werden. An dieser Stelle wären zusätzliche finanzielle Mittel wohl am besten investiert.

– Der Bund muss die Kosten für die Asylproblematik übernehmen, das wäre angesichts der gewaltigen Aufgabe der Bewältigung der aktuellen und der zukünftigen Flüchtlingsströme dringend geboten und außerdem bestimmt auch effizienter. Vor allem die Kommunen tragen in diesem Land schon genug Lasten und können nicht weiter für den Bund oder die Länder in Bresche springen.

– Der Staat sollte Straftaten immer und überall rigoros verfolgen, wenn diese im Umfeld von Unterkünften von Asylbewerbern begangen werden genauso. Wenn die Politiker sich gegenseitig beschuldigen, für diese Anschläge mitverantwortlich zu sein, dann relativiert das die Schuld der Täter und erschwert deren Ergreifung. Durch dieses Verhalten kann eine schlimme Straftat ganz schnell einer gewissen Stimmung statt eines individuellen Verbrechers zugeordnet werden.

– Man sollte den aufgenommen Menschen schneller ermöglichen, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen und auch die legalen Zuwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte erleichtern. Man sollte vor allem den jungen Menschen aus den Kriegsgebieten nicht das Gefühl geben, hier perspektivlos gestrandet zu sein. Ein Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte unter gewissen Umständen erleichtert und auch einen Wechsel zwischen den Systemen ermöglicht, wäre hier dringend geboten. Was spricht dagegen, einen Asylsuchenden eine Ausbildung machen zu lassen, wenn er einen willigen Arbeitgeber findet? In der aktuellen Situation nimmt er ohnehin bestimmt niemandem den Job weg, und wenn er bleibt, hat Deutschland eine Fachkraft mehr und wenn er wieder gehen muss, kann er seine Fähigkeiten zu Hause einsetzten. Win-Win! Diese Menschen zum Nichtstun zu verdammen, verursacht mit Sicherheit nur Probleme.

Schlussendlich liegt es mir absolut fern, irgendeinem Menschen zu sagen, er soll nicht nach Deutschland oder irgendwohin kommen, weil es „mein“ oder „unser“ Land sei. Das halte ich für Unsinn. Jeder sollte die Freiheit haben, sein Glück dort zu suchen, wo er möchte. Aber man muss sich in Deutschland auch im Klaren darüber sein, dass man nicht gleichzeitig jeden herkommen lassen und den deutschen „Vollpension-für jeden“-Sozialstaat weiter aufrechterhalten kann. Ein so starkes sozialstaatliches Sicherungsnetz wie das deutsche zieht nun einmal eher die Schwachen als die Starken an. Ein neues Einwanderungsgesetz könnte hier einen Ausgleich schaffen.

Aber wenn man den Hass auf die hier Strandenden wirklich schüren will, dann sollte man jeden von ihnen für möglichst lange Zeit zu Empfängern von Transfergeldern machen, denn die sind in Deutschland traditionell sehr beliebt….

Siehe auch http://gunsandburgers.com/

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/zuwandserung_der_linke_sieg_beim_kampf_um_die_worte

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  02.08.2015   Achgut.com

Es duftet nach Zivilcourage – per ordre de Stegner

Der politisch initiierte „Aufstand der Anständigen“ zählt zu den bedeutendsten Instrumenten des deutschen Waffenarsenals. Er kommt immer dann zum Einsatz, wenn es für eine Ethikkommission noch zu früh ist, die gesellschaftlichen Gräben jedoch schon zu tief sind. Ausgestattet mit gezeigtem Gesicht und eingebauter Wohlfühlgarantie umhüllt er zuverlässig jede noch so lästige Problemzone mit einem rosaroten Leichentuch.

Wie gut das funktioniert, hat Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D. und Erfinder des „Aufstands der Anständigen“, bereits vor 15 Jahren vorgemacht. Anlässlich eines Brandanschlags auf die Düsseldorfer Synagoge rief er damals zu mehr Engagement gegen Rassismus auf, woraufhin sich die halbe Bundesrepublik in eine Lichterkette verwandelte.

Zwar stellte sich kurze Zeit später heraus, dass es sich bei den Tätern nicht um biodeutsche, sondern um arabische Nazis handelte – aber das tat dem angenehmen Geruch von Zivilcourage, der durch die Bundesrepublik wehte, natürlich keinen Abbruch.

Nun allerdings erfährt Gerhard Schröder harte Konkurrenz. Denn auch Ralf Stegner, Vize-Chef und amtierende Allzweckwaffe der SPD, möchte jetzt aufstehen. Vorgestern zeigte er noch Gesicht für Europa, gestern gegen das Betreuungsgeld. Heute hingegen treibt ihn die Flüchtlingsproblematik in Gestalt von Hass und Gewalt gegen selbige um. Und weil sein Gesicht allein nicht reicht, schwebt ihm nun eine Deluxe-Version des anständigen Aufstands vor, an dem sich aber nicht nur Otto-Normal-Bürger, sondern vorrangig Promis zu beteiligen haben.

„Gegen Intoleranz, Rassismus, verbale Hetze gegen Schwächere und Angriffe auf Flüchtlinge muss sich die Zivilgesellschaft zur Wehr setzen. Wenn das gerade auch die Frauen und Männer tun, die im Sport, in der Musik oder in anderen Bereichen als Idole eine Vorbildfunktion erfüllen können, dann ist das sehr zu begrüßen“, sagte Stegner dem Handelsblatt.

Zweifellos eine schöne Idee, die sogar noch schöner wäre, wenn sie auch etwas modifiziert in anderen Sphären umgesetzt würde. Niemand hätte etwas dagegen, wenn Iris Berben gegen den Iran-Deal, Mario Adorf gegen die Rente mit 63 und Cindy aus Marzahn gegen die Frauenquote Gesicht zeigen würden. Aber mit Steuergeld, Frauen oder Krieg und Frieden kann jemand wie Stegner freilich auch ohne prominente Unterstützung gut umgehen.

Die Sache mit dem Rassismus hingegen lässt sich offenbar nachhaltiger lösen, wenn wir uns einen Herbert Grönemeyer vorstellen, der per Webcam „Heal the world“ in Richtung Freital schmettert, Konstantin Wecker für die Zugabe sorgt und Til Schweiger im selben Rhythmus Facebook-Statusmeldungen tippt. Was bei Band Aid in Sachen Afrika klappt, kann in Ralf Stegners Social-Media-Kosmos schließlich nicht schiefgehen. „Macht mit!“, ruft er seinen prominenten Followern auf Twitter zu, so als ginge es darum, Rentner auf der AIDA zur morgendlichen Wassergymnastik zu motivieren.

Theoretisch könnte man Ralf Stegner nun allerlei Niederträchtiges um die Ohren hauen. Ihm ein wenig Unfähigkeit unterstellen, ihn daran erinnern, dass für rechtsradikale Gruselfiguren mit pyromanischer Ader doch die Polizei zuständig ist und es überhaupt ein bisschen hilflos aussieht, Prominente in ein Rennen zu schicken, das die Politik nur verlieren kann.

Aber das würde dem Sozialdemokraten mit Gesicht überhaupt nicht gerecht. Denn dass randalierende Glatzenträger nicht die einzige Facette der Flüchtlingscausa darstellen, hat sich auch schon in Stegners Umkreis herumgesprochen. Wenn er nicht gerade Promis gegen rechts akquiriert, trommelt er gegen eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer, für eine bessere Verteilung von Flüchtlingen sowie für mehr Geld vom Bund.

Und natürlich für ein Einwanderungsgesetz sozialdemokratischer Prägung, das in der Asylfrage nur nicht wirklich hilft, solange Kosovaren und Serben, die 2015 schon längst die Syrer und Iraker überholt haben, das tun, was ausnahmslos jeder tun würde und ihnen demnach nicht zum Vorwurf gemacht werden kann: möglichst unbürokratisch dorthin gehen, wo mehr Lebensqualität winkt. Ein Taschengeld und die Aussicht auf Gesetze, die nicht immer angewendet werden, dürften auch nicht unbedingt jeden daran hindern, die Heimat zu verlassen.

Natürlich könnten Stegner und Kollegen sich an dieser Stelle die Systemfrage stellen, die zwischen Wohlfahrtstaat, offenen Grenzen und dem dazwischen liegenden Graben oszilliert. Dann könnten sie vielleicht für einen kurzen Moment von der wahnwitzigen Illusion eines unbürokratischen Deutschlands heimgesucht werden, in dem jeder In- und Ausländer sein Glück versuchen, aber nicht dazu gezwungen werden kann, eine Versicherung für alle anderen zu finanzieren. Das würde zwar besser klappen, wäre aber nicht so gut für die politische Karriere. Die erübrigte sich dann nämlich ein wenig.

Folglich tut auch Stegner lieber das, was ein Genosse tun muss. Die Diskrepanz zwischen sozialdemokratischen Planspielen und der Realität kompensiert er dafür umso bravouröser mit improvisatorischem Geschick und herzlicher Kreativität. Wenn sich schon die Flüchtlingsproblematik nicht ordentlich verwalten lässt, der Steuerzahler jedoch unruhig wird, weil er Verteilungsungerechtigkeit wittert und nicht versteht, warum das Merkel’sche Gesetz („Wo ein Wille, ist auch ein Weg“) zwar in Griechenland, nicht aber in der Nachbarschaft funktioniert, dann muss eben die Fassade ein bisschen renoviert werden.

Insofern ist so ein prominenter „Aufstand der Anständigen“ nicht nur eine brillante, sondern auch eine konsequente Idee. Zum einen, weil sie gut und geschichtsbuchverdächtig aussieht. Zum anderen, weil sie bequem umsetzbar ist. Stegner muss nicht selbst twittern – er lässt twittern. Mit Zivilcourage hat das zwar in etwa so viel zu tun wie ein Zeltlager mit Schloss Bellevue.

Dafür verspricht die Aktion aber weniger Stress als beispielsweise ein Besuch bei Helfern, die allen Widrigkeiten zum Trotz freiwillig im örtlichen Flüchtlingsheim Deutschkurse geben. Außerdem kann es ja nicht schaden, wenn man den Bürgern nochmal klar macht, dass man derlei Unterkünfte nicht einfach so anzündet. Vielleicht verstehen sie das ja besser, wenn ein kompetenter Tatort-Kommissar es ihnen erklärt.

Das ist zwar weder der Punkt, noch die Lösung des Gesamtproblems. Es hilft auch nicht den Flüchtlingen, sondern den prominenten Gesichtern. Aber Hauptsache, es duftet nach Zivilcourage – die eben auch mal per ordre de Stegner hergestellt werden muss.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/es_duftet_nach_zivilcourage_per_ordre_de_stegner

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Von Alexander Meschnig

Der Soziologe Max Weber nannte den vorherrschenden Typus des Intellektuellen in seinem 1919 veröffentlichten Essay Politik als Beruf zu Recht in pejorativer Absicht: Gesinnungsethiker. Deutschland besitzt, insbesondere im linken Spektrum, eine schier unerschöpfliche Quelle an „edlen Seelen“ (Siegfried Kohlhammer), die in der Regel jegliche Verantwortung für ihre „reine und hehre Gesinnung“ anderen bzw. der Allgemeinheit übertragen, die dann mit den unmittelbaren Folgen leben müssen. Ihre Positionen sind im besten Sinne apolitisch, da sie in den meisten Fällen keinen Bezug zur Realität oder den Friktionen der Realpolitik zeigen. Unerfüllbare Maximalforderungen und abstrakte Ideale, wie etwa ein bedingungsloser Pazifismus Käßmannscher Prägung oder das neueste Buchelaborat aus dem prantelschen Paralleluniversum, sind typische Ausprägungen eines gesinnungsethischen Moralismus.

So mag es eine individuell erhöhende und wohlfeile Sache sein, den Anspruch eines jeden Ausländers auf Einwanderung und Versorgung durch den deutschen Sozialstaat zu fordern („Kein Mensch ist illegal“), nüchtern betrachtet stellt das aber nur eine Einladung an Millionen von Wirtschaftsflüchtlingen aus der ganzen Welt dar, gleich, ob sie politisch verfolgt werden oder nicht, die verpflichtende Grundsicherung (Unterkunft, Verpflegung, Geldleistungen) hier in Anspruch zu nehmen. Dabei spielt es objektiv nicht einmal eine Rolle ob Deutschland ein, zwei oder mehrere Millionen Armutsflüchtlinge aufnimmt. Die Bevölkerungsexplosion in Afrika oder den meisten muslimischen Ländern würde die Verluste an Auswanderern jedes Jahr einfach ausgleichen. Die Zahl der Afrikaner ist etwa seit 1950 von 250 Millionen auf über eine Milliarde gestiegen. Millionen, vor allem junger Männer, warten bereits auf die Chance ihre Heimatländer zu verlassen und nach Europa zu kommen. Dafür gehen sie alle Risiken ein, insbesondere da sich herumspricht dass, wer einmal in Europa, vor allem in Deutschland, angekommen ist, in den allerwenigsten Fällen ausgewiesen wird, selbst wenn ein Asylstatus abgelehnt wird. Ökonomische Gründe mögen für die wachsenden Flüchtlingswellen wichtig sein, letztendlich ist es aber der demographische Faktor, der den Druck im Inneren vieler Staaten erhöht. Die extremen „Youth Bulges“ in Afrika und den arabischen Ländern, also die exorbitante Zunahme junger Männer an der Bevölkerungspyramide für die keinerlei gesellschaftliche Position zur Verfügung steht und die im wahrsten Sinne des Wortes „Überflüssige“ sind, zeigt sich aktuell in der Zunahme kriegerischer Konflikte in den betroffenen Regionen. Bürgerkriege, äußere Konflikte, ethnische und religiöse Spannungen sind stets historische Begleiterscheinungen von Youth Bulges, wie Gunnar Heinsohn, ein akademischer Außenseiter, in seinem Buch Söhne und Weltmacht eindringlich zeigt.

Die letzte Konsequenz vollkommen offener Grenzen ist, neben dem schon lange sichtbaren Import unzähliger Konflikte der Einwanderer und mentaler Inkompatibilitäten, das Ende unserer Sozialsysteme, wo man über längere Zeit Beiträge einbezahlt, um danach irgendwann Leistungen zurück zu bekommen. Das Grundprinzip allen menschlichen Zusammenlebens lautet Reziprozität. Warum jemand, der hier nie einen Cent für die Allgemeinheit bezahlt hat, alle möglichen Forderungen stellen, den Staat erpressen und damit Erfolg haben kann, wie etwa in Berlin-Kreuzberg monatelang von sogenannten Refugees und ihren linksextremen „Supportern“ vorexerziert, bleibt für die meisten Menschen, nicht nur in Deutschland, wohl rätselhaft. Es gibt, zugespitzt, keinen Generationenvertrag zwischen alternden Westeuropäern und Schwarzafrikanern, rumänischen Zigeunern, Irakern oder Afghanen. Offensichtlich gibt es aber so etwas wie einen „Schuldvertrag“, zwischen dem „reichen Europa“ und dem „armen Rest“, der einfach zu instrumentalisieren ist und der jederzeit abgerufen werden kann. Der französische Soziologe Pascal Bruckner fasst dieses Verhältnis präzise zusammen:

„Europa schuldet Letzteren alles: Unterkunft, Verpflegung, Gesundheitsversorgung, Erziehung, ordentliche Löhne, prompte Erledigung ihrer Anliegen und vor allem Respektierung ihrer Identität. Bevor sie noch einen Fuß auf unseren Boden gesetzt haben, sind sie Gläubiger, die ihre Schulden einfordern.“

Über die tatsächlich Schuldigen, etwa die unsäglichen afrikanischen Regierungen, wird selten einmal berichtet. Inzwischen kommen die meisten afrikanischen Flüchtlinge die über das Mittelmeer nach Europa strömen nicht aus den Bürgerkriegsländern und sind in der Regel nicht von Hunger bedroht. Die Ärmsten haben auch gar keine Möglichkeit den Preis für die Schlepper zu bezahlen. Korruption und Vetternwirtschaft, ein mangelndes Bildungssystem, eine ineffiziente Administration, ausufernde Planwirtschaft, mangelnde Rechtssicherheit und ein Gangstertum an der Spitze vieler Staaten die für sich und ihre Clans den Reichtum verschleudern, erzeugen eine Perspektivlosigkeit für viele Afrikaner, die offensichtlich alle Risiken auf dem Weg nach Europa in Kauf nehmen. Die afrikanische Union oder einzelne afrikanische Staaten scheint dieser Massenexodus der eigenen Bevölkerung, in der Regel junge Männer, nicht zu kümmern. Hat man bis dato einmal davon gehört, dass es einen Sondergipfel oder sonstige Zusammenkünfte afrikanischer Vertreter gab, die das Problem der Massenflucht thematisieren, geschweige sich die Frage stellen: „Was ist eigentlich mit unseren Ländern los, dass Menschen ihr Leben riskieren um sie zu verlassen“? Das einzige, was wir von afrikanischen Potentaten hören sind Vorwürfe die in der Aussage gipfeln, Europa schotte sich ab. Darin gleichen sie den Claudia Roths, den Kathrin Göring-Eckhardts, Heribert Prantls und anderen Linkspopulisten in Deutschland.

Im Übrigen zeigen die steinreichen arabischen Länder wie Saudi-Arabien, Katar oder Kuwait ebenfalls keinerlei Interesse daran ihre „muslimischen Brüder“, die sich in Religions- und Stammeskriegen gegenseitig massakrieren, aufzunehmen und zu alimentieren. Seltsam, wo doch sonst bei jeder angeblichen Beleidigung der Umma (der Gemeinschaft der Gläubigen) riesige „Solidaritätswellen“, meist gewalttätig, ausgelöst werden. Den afrikanischen wie auch arabischen Herrschern fehlt etwas vollkommen, was die europäischen Gesellschaften im Überfluss besitzen: Schuldgefühle und eine Verantwortungsethik. Es interessiert weder einen afrikanischen Despoten noch einen saudischen König ob andere buchstäblich verrecken.

Es ist natürlich ein Leichtes im Namen christlicher oder moralischer Werte zu fordern, Deutschland müsse noch viel mehr Zuwanderer, unabhängig von ihrer Qualifikation, Bildung oder Mentalität aufnehmen. Was die Tugendsamen aber zu dieser Forderung legitimiert oder was sie selbst für eine Integration der Einwandernden leisten, bleibt in der Regel unbeantwortet. Die aus ihrer moralinsauren Haltung entstehenden materiellen und vor allem sozialen Kosten für die Allgemeinheit spielen für die „Guten“ eine zu vernachlässigende Rolle. Die unmittelbaren Folgen ihrer abstrakten Menschenliebe werden gerne an diejenigen delegiert, die an den Schnittpunkten sozialer Verwerfungen leben müssen und die mit den Herbeigerufenen um Arbeitsplätze und Wohnraum konkurrieren.

Jedes noch so vorsichtig vorgebrachte ökonomische Argument, etwa die Frage, was wir in Europa denn mit Millionen von unqualifizierten Einwanderern anfangen sollen, wo doch die Arbeitslosigkeit insbesondere junger Menschen in den südlichen Ländern der EU dramatische Dimensionen angenommen hat, wird mit dem inzwischen inflationären Begriff „menschenverachtend“ rasch abgebügelt. In den allermeisten Fällen betrifft die selbsternannten „edlen Seelen“ die eigene Entscheidung weder finanziell noch lebensweltlich. Wird dennoch einmal – selten genug – ein Asylantenheim oder Zigeunerlager in der unmittelbaren Nähe des meist bürgerlichen und wohlhabenden Wohnumfeldes errichtet, ist der Aufschrei jedes Mal groß. Das geht nun aber doch nicht!

Es gilt allgemein: rassistisch, das sind immer die anderen, etwa diejenigen, die auch ein Recht auf ein zivilisiertes Umfeld für sich fordern und den Preis der massenhaften und ungesteuerten Zuwanderung zahlen müssen. Dass Menschen aus korruptionsverseuchten Ländern die über keinerlei demokratische Traditionen verfügen, vielfach in tribalistischen Strukturen leben und denken, sich auf wundersame Weise und ohne größere Konflikte in unser politisches System und seine Werte integrieren, mag zwar ein frommer Wunsch sein, die Realität der letzten Jahrzehnte zeigt aber ein andere Tendenz, sieht man einmal von den Medien und den meisten Parteien ab, die alles dafür tun, das schöne Bild der bunten Republik nicht zu zerstören.

Warnungen vor einer allzu naiven Sichtweise gibt es, sie werden aber entweder ignoriert oder die Verkünder der Botschaft in die rechte, gerne auch rechtspopulistische Ecke, gestellt. Bezeichnenderweise sind es Politiker der SPD, einst traditionell die Vertreter des „kleinen Mannes“, wie Thilo Sarrazin oder der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky, die den Bezug zur Realität der normalen Bürger noch nicht ganz verloren haben, eine Tatsache, die für ihre Partei längst nicht mehr zutrifft, die sich mehr und mehr für ihre ehemaligen Stammwähler schämt. Die intellektuelle und akademische Elite schweigt in der Regel oder entspricht bei allen wichtigen Fragen rund um Zuwanderung und Integration ganz dem Typus des Weberschen Gesinnungsethikers. Eine der wenigen kritischen Stimmen, der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, vor Kurzem selbst zur Zielscheibe linker Denunzianten geworden, skizziert die aktuelle Situation, die für die nächsten Jahre bestimmend sein wird, in nüchternen Worten:

„Die größte sicherheitspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird nicht in der Gefährdung von Grenzen durch feindliche Militärverbände, sondern im Überschreiten dieser Grenzen durch gewaltige Flüchtlingsströme bestehen, die, wenn sie massiv auftreten, nicht der wirtschaftlichen Prosperität Europas zugutekommen, sondern die sozialen Sicherungssysteme der europäischen Staaten überfordern und damit die soziale Ordnung in Frage stellen. Gleichzeitig ist Europa infolge seiner Wertbindungen nicht in der Lage, diese Flüchtlingsströme an seinen Grenzen zu stoppen und zurückzuweisen, wie man dies bei einem militärischen Angriff versuchen würde.“

Über die Konsequenzen eines derartigen Szenarios auf längere Sicht nachzudenken mag kaum jemand. Die allgemeine Forderung, alle Flüchtlinge – und als solche werden inzwischen alle hier Eintreffenden unterschiedslos bezeichnet – unabhängig von ihren Gründen und ihrer individuellen Disposition aufzunehmen, ist da viel bequemer und gibt einem zugleich ein gutes Gewissen. In den klassischen Einwandererländern wie den USA, Kanada oder Australien sind nach einer Phase ungeregelter Einwanderung längst Immigrationsgesetze in Kraft getreten, die Zuwanderer auf ihren praktischen Nutzen für die Aufnahmegesellschaft prüfen. Was ist daran verwerflich? Einwanderer, wohlgemerkt: nicht politisch Verfolgte, die asylberechtigt sind, haben in der Regel ökonomische Gründe sich für ein Land zu entscheiden. Wieso soll das nicht umgekehrt ebenso gelten? In Deutschland ist aber allein die einfache Frage: Können wir die Leute, die zu uns wollen, brauchen? Sind sie sozial und kulturell zu integrieren?, weitgehend tabuisiert. Fragen nach dem, was Einwanderer (von politisch Verfolgten und Asylberechtigten zu unterscheiden) für uns bringen, gelten als unmenschlich.

Woher kommt diese Weigerung sich mit den konkreten Folgen des Zuzugs Hunderttausender auseinanderzusetzen? Warum soll alles eine Bereicherung sein, was von außen kommt, während das Eigene abgewertet wird? All das Gerede von der bunten Republik, von Diversitäten und kultureller Bereicherung soll uns letzten Endes suggerieren, dass wir froh sein sollen, nicht im nationalen Sumpf zu versinken, der direkt in den Faschismus führt. „Ausländer, lasst uns nicht mit den Deutschen allein“, dieser Slogan der 80er Jahre drückt die Sehnsucht nach dem Anderen und die Abwertung des Eigenen in aller Deutlichkeit aus.

Man kann in der aktuellen Situation ein allgemeines Symptom erblicken, das man mit dem Begriff der Dekadenz beschreiben kann. Diese besteht in einer feindseligen Haltung gegenüber der eigenen Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung, bei gleichzeitiger Glorifizierung alles „Fremden“, kurz: einem Mangel an Selbstachtung und einem Hass auf das Eigene. Der Selbsthass und die eigene Bußfertigkeit, die in der Abwertung des Eigenen eine Tugend erblickt, sind so tief in den kulturellen Traditionen unserer protestantisch geprägten Schuldkultur verwurzelt, dass etwa jegliche Kritik an der selbstzerstörerischen Asylpolitik als moralisches Versagen und herzlose Haltung erscheint. Europa, der geografische und politische Raum, in dem die Menschenrechte erfunden wurden, wird so wahrscheinlich an der strikten Einhaltung seiner humanistischen Grundsätze zugrunde gehen.

Dr. Alexander Meschnig ist Psychologie, Politikwissenschafter und Publizist. Er lebt seit Anfang der 90er Jahre in Berlin.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_westliche_selbsthass

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  04.08.2015   Achgut.com

Die Rattenfänger pfeifen auf dem letzten Loch

 

Um den Zustrom der Flüchtlinge nach Europa nicht weiter anschwellen zu lassen, müsse man dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat, in Afrika, auf dem Balkan und im arabischen Raum, ein menschenwürdiges Dasein führen können – ohne politische Verfolgung und in Verhältnissen, die es ihnen erlauben, von ihrer Hände Arbeit zu leben, nicht versklavt, sondern als freie Bürger. Kaum ein Tag, an dem das nicht irgendwo zu lesen oder zu hören wäre; kein Politiker, der das seinem Redenschreiber nicht in die Feder diktierte.

Das hehre Ziel steht außer Zweifel. Und dennoch ist seine Beschwörung nichts als ruchloser Zynismus, wohlfeiles Geschwafel, ein politischen Lippenbekenntnis, das nichts kostet und noch weniger bewirkt. Wer so argumentiert, erzielt einen persönlichen Imagegewinn, indem er sich verantwortungsvoll staatsmännisch gibt, ohne auf absehbare Zeit in der Sache etwas ausrichten zu müssen. Wie auch sollte das gehen?

Wer könnte das leisten von Europa oder gar von Deutschland aus, Steini oder Sigi-Pop, die immer zur Stelle sind, wenn es gilt, das Ansehen autokratischer Machthaber aufzupolieren, früher in Moskau, dann Peking und neuerlich erst wieder an der Seite der iranischen Mullahs? Wann je hätten Mutti, die Aussitzern, der Schluckspecht Junker oder Schulz, der Spesenritter, dem für jeden Tag des Jahres, auch an Weihnachten und am Karfreitag, über 300 Euro Tagegeld zufließen, steuerfrei, wann je hätten sie an irgendeinem Krisenherd dieser Welt haltbaren Frieden gestiftet?

Die Macht, die sie sich zuschreiben, müssen die Aufschneider allemal vortäuschen. Ausüben können sie sie weder politisch noch wirtschaftlich, nicht nachhaltig und schon gar nicht auf der internationalen Bühne. Da bedient man sich ihrer, da feiert man Angie als die „mächtigste Frau der Welt“ und hört gleichzeitig ihr Telefon ab, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls sie beabsichtigen sollte, Schwierigkeiten zu machen.

Die kleinen, die mit den großen Hunden pinkeln wollen, bleiben doch immer, was sie sind: Angeber und Maulhelden. Am Ende gehen sie stets als die begossenen Pudel vom Platz. Das ist ihr Schicksal heute wie vorzeiten. Darüber wäre kein Wort weiter zu verlieren. Man könnte die armen Teufel bedauern, sich darüber amüsieren, wie sie sich aufplustern, gelänge es den Rosstäuschern nicht immer wieder Eindruck zu schinden. Das Nachsehen hat, wer ihnen glaubt. Deshalb sind sie als Verführer durchaus ernst zu nehmen. Und als solche provozieren sie eben nicht zuletzt den anschwellenden Flüchtlingsstrom nach Europa. Daran haben sie kaum weniger Anteil als die Verhältnisse in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, die Leib und Leben riskieren, um das europäische Paradies zu erreichen.

Um sich selbst die gewünschte Bedeutung zu verleihen, vermitteln die politischen Eliten des Euro-verklammerten Kontinents der Welt eine Erfolgsgeschichte, die auf die Ärmsten der Armen in Afrika und selbst noch auf dem Balkan wie die sprichwörtliche Wurst wirken muss, die man dem Hund vor die Nase hält. Wer sich in seinem Elend an die Hoffnung klammert, kann dem schlichtweg nicht widerstehen. Warnende Stimmen verhallen zwangsläufig im Lärm der Europapropaganda. Der ausgelebte Traum von einer neuen Großmacht, einem europäischen Reich, das es mit Amerika und Asien aufnehmen soll, erzeugt einen Sog, der sich zur Völkerwanderung auswachsen könnte.

Natürlich versteht es sich für die freien Gesellschaften des Westens für selbst, politische verfolgte Menschen anderer Länder aufzunehmen, sofern es sich nicht um Terroristen handelt. Das sind wir uns selbst und den Werten, die wir hochhalten, schuldig. Und natürlich braucht jedes Land Zuwanderung. Nur muss es auch über die nötige Potenz verfügen, die Zuwanderer menschlich anständig und auskömmlich zu integrieren. Es genügt nicht, den großen Max zu markieren, um die, die dem Glauben schenken, dann wieder in Zeltlager zu pferchen, in die Notunterkünfte, denen sie entkommen wollten.  Man muss die Erwartungen, die man mit seiner Selbstdarstellung weckt, auch einlösen können.

Ein weniger protziges Auftreten, als es gerade die Deutschen im Hochgefühl ihrer Wirtschaftskraft an den Tag legen, würde den Flüchtlingen manches ersparen. Wie aber soll jemand in Afrika oder sonst wo in der Welt erkennen, dass unser demonstrierter Reichtum auf buchhalterischen Trickserein basiert, dass sich der Staatshaushalt seit Jahren im Zustand fortgesetzter Konkursverschleppung befindet, weil wir etwa die de facto längst abgeschriebenen Griechenland Hilfen weiterhin als offene Forderung, also unter den Aktiva verbuchen? Will doch selbst hierzulande die Mehrheit erst langsam akzeptieren, dass der Euro „eine der größten wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen des vergangenen Jahrhunderts“ war, eine „Wohlstandsvernichtungsmaschine“, wie „Die Zeit“ vor wenigen Tagen schrieb.

Wer solche Tatsachen außer acht lässt oder gar wissentlich vor der Welt verschweigt, um sich weiterhin in der Illusion politischer Macht und ökonomischen Reichtums zu wiegen, macht ich mitschuldig an einem Flüchtlingselend, das von Afrika sowie aus der arabischen Welt nach Europa überzuschwappen droht. In den Herkunftsländern werden wir wenig bis nichts an der Verhältnissen ändern können, die Hunderttausende und bald Millionen zur Flucht veranlassen. Viel aber wäre schon gewonnen, gelänge es, den Rattenfänger hierzulande das Handwerk zu legen. Sie haben lange genug auf dem letzten Loch gepfiffen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_rattenfaenger_pfeifen_auf_dem_letzten_loc

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Das «angebliche Asylchaos» (NZZ) ist leider sehr real. Wann merkt es der Bundesrat?

Von Roger Köppel

Italienische Politiker in Süditalien und Sizilien klagen seit Monaten über mangelnde Unterstützung. In Ungarn bauen sie Mauern gegen die illegale Massenmigration. An Europas Südostgrenze verdoppelt sich per Juli die Zahl der illegalen Übertritte. Die Österreicher behandeln keine neuen Asylgesuche mehr, und Grossbritanniens bürgerlicher Aussenminister Philip Hammond, kein Mitglied der Zürcher SVP, erachtet es als «oberste Priorität», die «marodierenden Migranten» in ihre «Herkunftsländer» zurückzuschicken, andernfalls drohe in Europa ein «nicht verkraftbarer Wohlstandsverlust».

Während immerhin einige europäische Politiker den bitteren Realitäten ins Auge blicken, ­besänftigt uns die FDP-nahe Neue Zürcher Zeitung mit der Durchsage, es handle sich bei den aktuellen Asylproblemen lediglich um ein «angebliches Asylchaos». Wie schön. Unsere Justizministerin, Simonetta Sommaruga, kontert das längst akute Unbehagen mit schulmeisterlichen Belehrungen an die Adresse besorgter Regierungsräte, die sich weigern wollen, eritreische Wehrdienstverweigerer direkt im Schweizer ­Sozialstaat aufzunehmen. Wie beruhigend.

Wenn Bundesräte aus Unwissen falsch reden und handeln, ist es bedauerlich. Wenn sie wider besseres Wissen reden und handeln, ist es verwerflich.

Es hapert schon bei den Begriffen. Europa wird derzeit nicht von Flüchtlingen, sondern von afrikanischen Arbeits- und Sozialmigranten überschwemmt, die aus Ermangelung einer Arbeitsbewilligung den erfolgversprechenderen Asylweg wählen. Der grossräumige Missbrauch des Asylrechts findet vor allem deshalb statt, weil ihn die Behörden tolerieren beziehungsweise nicht ähnlich entschieden bekämpfen wie den Missbrauch von Steuergesetzen oder Geschwindigkeitsüberschreitungen im Strassenverkehr. Die Klage über das Schlepperwesen ist wohlfeil. Natürlich sind die Menschenbeförderer Verbrecher, aber ihr Verbrechen ist nur das Resultat der europäischen Schwächen. Würde die EU konsequent gegen die illegale Migration vorgehen, wären die Schlepper arbeitslos.

Die EU ist weder Bundesstaat noch Staatenbund. Das ist der tiefere Grund der Migrationsmisere. Die Grenzsicherung ist eine zentrale hoheitliche Aufgabe, notfalls unter Aufbietung der Streitkräfte. Die EU hat die Binnengrenzen aufgehoben, ohne ihre Aussengrenzen gegen ­illegale Übertritte wirksam zu verteidigen. Das Dubliner Flüchtlingsabkommen wurde von Italien, Griechenland und Ungarn bereits eigenmächtig ausser Kraft gesetzt, der Schengen-­Vertrag macht es möglich, dass die EU den Migrationswilligen offene Durchgangskor­ridore in den Norden bietet. Das Flüchtlingsproblem ist ein Symptom jener institutionellen Konstruktionsfehler, die der EU auch im Währungsbereich zu schaffen machen.

Die Schweiz ist vom europäischen Asylchaos, das leider kein «angebliches», sondern ein sehr reales ist, direkt betroffen. Dublin funktioniert nicht. Statt wie versprochen weniger hat die Schweiz immer mehr Asylgesuche, obschon sie von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Die Schweiz hat gegen 50 000 Personen in laufenden Verfahren, Tendenz stark steigend, davon sind 30 000 «vorläufig Aufgenommene», also Leute, deren Gesuch abgewiesen wurde, die aber trotzdem bleiben können. Mehr als die Hälfte sind bereits länger als fünf Jahre in der Schweiz. «Angebliches Asylchaos»? Schön wär’s.

Die ersten Kantone protestieren, die Bundespräsidentin arbeitet mit irreführenden ­Angaben, und die Bleibequote aller Asylsuchenden, ob berechtigt oder nicht, steigt und steigt. 2013 konnten noch 30 Prozent aller Asyl­suchenden damit rechnen, in der Schweiz zu bleiben. 2014 waren es bereits 58 Prozent. Inzwischen sind es gegen 70 Prozent.

Bundespräsidentin Sommaruga beklagt im Fernsehen das Schicksal vom Bürgerkrieg gepeinigter Syrer. Tatsache ist, dass die Syrer in der Schweiz nur an dritter Stelle der zahlenstärksten Asylantengruppen liegen. Noch immer strömen in Rekordzahl den Wehrdienst verweigernde Eritreer herbei und können bleiben, obschon Wehrdienstverweigerung gemäss Asylgesetz längst kein Asylgrund mehr ist. Ebenfalls vor den Syrern liegen «Flüchtlinge» aus Sri Lanka, einem unter Schweizern höchst beliebten Ferienziel.

Die meisten Bundesräte, Zeitungen und ­Parteien wiegeln ab und verharmlosen. Sie finden es nicht so schlimm, wenn illegale Migranten in die Schweiz kommen. Sie sind nicht bereit, das eigene Asylrecht ernst zu nehmen. Es scheppert bei den Begriffen, auch hier. Sie reden von «Flüchtlingen», obschon wir es grossmehrheitlich mit illegalen Wirtschaftsmigranten zu tun haben. Sie sprechen von Bürgerkriegsopfern, wo doch in der Schweiz vor allem Eritreer und Sri Lanker wirtschaftlichen Aufstieg und billigen Zugang zu den Sozialsystemen suchen.

Wer das Asylrecht bewahren will, muss dessen Missbrauch bekämpfen. Die Behörden unternehmen das Gegenteil. Sie arbeiten daran, noch mehr Asylunterkünfte bereitzustellen und noch mehr Kantone und Gemeinden mit obrigkeitlich verfügten «Flüchtlings»-Zuweisungen zu zermürben. Dass aus den ­ersten Kantonen Widerspruch und Protest kommen, ist nicht, wie Finanzministerin Widmer-­Schlumpf aus den Sommerferien ­herrisch mäkelte, Wahlkampfgetöse. Es sind Alarmsignale aus der Wirklichkeit.

Wir sollten aufhören, die Situation mit naiven und weltfremden Augen zu betrachten. Das Wohlstandsgefälle zwischen Afrika und Europa ist enorm. Millionen von jungen Afrikanern werden die Chancen vereinfachter ­Mobilität nutzen, wenn man sie nicht hindert. Die Leute kommen, weil sie ein besseres Leben suchen. Dafür sind sie bereit, hohe Summen zu bezahlen und mitunter sogar ihr Leben zu riskieren. Dieses Risiko gehen sie aber nur deshalb ein, weil wir ihnen Hoffnungen machen, weil wir den Missbrauch des Asyls zulassen. Ein Rechtsstaat, der seinen Missbrauch hinnimmt, gibt sich auf.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-33/editorial-asylchaos-die-weltwoche-ausgabe-332015.html

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Simonetta Sommaruga verteidigt die liberale Asylpolitik des Bundes, vor allem punkto Bewerber aus Eritrea. Die Argumente der Bundespräsidentin sind wenig überzeugend.

Von Alex Reichmtuh

Wir haben in der Schweiz in diesem Jahr bis jetzt weniger Asylgesuche als 2012.»

Was Sommaruga hier sagt, stimmt – aber nur im Vergleich mit 2012. Die Schweiz hatte im ersten Halbjahr dieses ­Jahres jedoch mehr Asylgesuche als 2014, 2013, 2011, 2010, 2009 et cetera. Für das ganze Jahr rechnet der Bund mit 29 000 neuen Asylbewerbern – so vielen wie nie seit den 1990er Jahren, als auf dem Balkan Bürgerkriege ­tobten. Zudem erteilt die Schweiz heute viel mehr Asylbewerbern ein Bleiberecht als noch vor wenigen Jahren. Das führt zu vollen ­Unterkünften und stellt Kantone und ­Gemeinden vor grosse Probleme bei der ­Beherbergung.

Dreimal mehr als Italien

«Die Schweiz hat zurzeit den kleinsten Anteil an den europäischen Asylgesuchen seit fünfzehn Jahren.»

Einfacher gesagt: Die Probleme mit illegalen Migranten nehmen im restlichen Europa noch schneller zu als in der Schweiz. Dennoch nimmt unser Land verglichen mit der Bevölkerungszahl weiterhin mehr Asylanten auf als fast alle anderen europäischen Länder. Letztes Jahr lag die Schweiz diesbezüglich an vierter Stelle hinter Schweden, Ungarn und Österreich. Sie verzeichnete zum Beispiel fast dreimal so viele Asylgesuche pro Einwohner wie das angeblich hart geprüfte Italien.

«Die Forderung, dass Menschen aus Eritrea nicht mehr automatisch den Flüchtlingsstatus erhalten, basiert auf einer falschen Grundannahme. [. . .] Nur rund die Hälfte der schutzbedürftigen Eritreer ­erhält heute Asyl. Den anderen wird eine vorläufige Aufnahme gewährt.»

Sommaruga lenkt vom Anliegen des Luzerner Regierungsrats Guido Graf (CVP) ab. Dieser hat in einem offenen Brief gefordert, «die bisherige Praxis beim Umgang mit Eritreern zu überprüfen und als Mindestmassnahme rasch nur noch die vorläufige Aufnahme zu gewähren». Sozialvorsteher Graf weiss auch ohne Sommarugas Belehrungen, dass schon heute viele eritreische Asylbewerber nur vorläufig aufgenommen werden. Er verlangt aber diesen Status als «Regelfall». Asylgesuche von Eritreern steigen jedenfalls stark an. Schon letztes Jahr nahmen sie sprunghaft auf fast 7000 zu. Im ersten Halbjahr 2015 betrug die Steigerung nochmals über 90 Prozent. Allgemein können auch vorläufig aufgenommene Asylanten fast immer definitiv in der Schweiz bleiben. Etwa 80 Prozent von ihnen erhalten nach einigen Jahren eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung, trotz abgelehntem Asylgesuch.

«Kein Land in Europa schickt Menschen nach ­Eritrea zurück.»

Sommaruga unterschlägt, dass mehrere europäische Länder eine Rückführung eritreischer Asylbewerber prüfen – konkret Grossbritan­nien und Norwegen. Auch Dänemark hegte entsprechende Pläne, die aber sistiert sind. Grund dafür ist ein Streit darüber, wie aus­sagekräftig ein Bericht zuhanden der dänischen Regierung ist. Dieser kam zum Schluss, die Menschenrechtslage in Eritrea sei besser als behauptet und das Regime gehe human mit Rückkehrern um.

«Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das in fast allen Ländern der Welt Zugang zu den Gefängnissen bekommt, hat in Eritrea ­keinen Zutritt.»

Das ist dem eritreischen Regime tatsächlich anzukreiden. Das IKRK ist aber dennoch im Land präsent. Gemäss dem Tages-Anzeiger sehen die beiden Repräsentantinnen des Roten Kreuzes in Eritrea keine Beweise, dass dort 10 000 Menschen ohne Haftbefehl eingesperrt sind, wie der Uno-Menschenrechtsrat behauptete. Es gebe keine Anzeichen für Menschenrechtsverstösse im behaupteten Ausmass. ­Peter Maurer, Präsident des IKRK, scheint ­wenig begeistert, dass Sommaruga seine Organisa­tion ins Spiel bringt, um ihre Asyl­politik zu verteidigen. «Ich qualifiziere keine Länder», sagte er gegenüber dem Sonntagsblick, auf Eritrea angesprochen.

Friedlichere Umgebung

«Wir haben zurzeit die grösste internationale Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.»

Die Uno zählt derzeit zwar 60 Millionen Flüchtlinge weltweit. Ob das bedeutet, dass es auch so starke Fluchtgründe wie nie seit 1945 gibt, ist fraglich. Denn während des Kalten Krieges gab es mehr bewaffnete Konflikte und blutige Diktaturen als heute. Abgesehen davon ist die Situation rund um die Schweiz im Vergleich zu früher friedlicher. In den 1990er Jahren tobten blutige Kriege in Ex-­Jugoslawien. Die Not der bis zu 40 000 Flüchtlinge pro Jahr, die damals in die Schweiz ­kamen, war offensichtlicher. Die Asylbewerber von heute stammen hingegen vor allem aus entfernten afrikanischen Staaten und sind wegen kultureller Unterschiede schwer zu integrieren.

«Was im Mittelmeer passiert, ist ein Drama.»

Auf jeden Fall. Und die lasche Flüchtlingspolitik Europas ist für die vielen Ertrunkenen massgeblich verantwortlich. Wer die gefährliche Überfahrt auf einem Boot schafft, kann auf ein Bleiberecht hoffen und in vielen Ländern mit einem vergleichsweise paradiesischen ­Lebensstandard rechnen. Solange Staaten wie die Schweiz entsprechende Anreize setzen und ­eine eigentliche Willkommenskultur für illegale Migranten pflegen, werden weiterhin Menschen im Meer sterben.

http://www.weltwoche.ch/index.php?id=554673

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Ihr ganzes Leben lang haben Daniel und Susan K. in einer bescheidenen Wohnung in Muotathal SZ gewohnt. Nun müssen die Geschwister ihr Heim räumen. Die Gemeinde will in dem Haus Asylsuchende unterbringen.

Von Alex Reichmuth

«Fussnote zur Schweizer Migrationspolitik »: Daniel K., Muotathal.Bild: Salvatore Vinci

Der Brief traf kurz vor Weihnachten letzten Jahres ein. Er kam von der ­Gemeinde Muotathal und enthielt die Kündigung der Wohnung. «Zuteilung von Asylanten / Unterbringung» führte die Gemeinde als Grund an, warum sie als Besitzerin Eigen­bedarf anmeldete. Noch heute stockt Susan K. der Atem, wenn sie sich an ­jenen Moment erinnert. Es sei für sie emotional schwierig, ausziehen zu müssen. Kein Wunder: Seit ihrer ­Geburt lebt die 57-Jährige im Ober­geschoss des Hauses in Muotathal. Ähnlich hart ist die Kündigung für ­ihren Bruder, der 1952 als Zweijähriger mit seinen Eltern eingezogen ist. Er wohnte, abgesehen von einigen Unterbrüchen, ebenfalls immer hier.

Ursprünglich hatte das Haus mit der bescheidenen Dienstwohnung den Verkehrsbetrieben Schwyz gehört, bei denen der Vater der Geschwister K. als Chauffeur arbeitete. Das Erdgeschoss des Gebäudes diente als Busdepot. Später erwarb die Gemeinde Muota­thal das Haus und richtete einen Werkhof ein. Die Familie K. blieb im Obergeschoss. Das Mietverhältnis sei immer problemlos gewesen, sagt ­Daniel K. 2012 aber teilte ihnen die ­Gemeinde mit, dass sie ihr Heim voraussichtlich bald verlassen müssten, weil Wohnraum für Asylanten gesucht sei. Während langer Zeit passierte nichts – und die Geschwister wiegten sich schon im Glauben, doch nicht ausziehen zu müssen. Bis Ende letzten Jahres.

Dringend auf Unterkünfte angewiesen

«Wir haben alles versucht, um die Gemeinde von der Kündigung noch abzubringen», so ­Daniel K. Er und seine Schwester schrieben Briefe und suchten das Gespräch mit den Gemeindevertretern. Es half nichts. Sie erreichten einzig einen Aufschub der Kündigung um zehn Monate, verfügt von der Schlichtungsstelle. «Die Zuständigen der Gemeinde entzogen sich unseren Bitten, auf die Kündigung zurück­zukommen», meint Susan K. Das habe sie angesichts des langjährigen, problemlosen Mietverhältnisses sehr enttäuscht. «Es scheint, als sei das Schweizer Asylwesen unbedingt auf unsere Wohnung angewiesen, in der wir seit über ­sechzig Jahren leben.»

Bei der Gemeinde Muotathal anerkennt man durchaus, dass die Kündigung für die Geschwister  K. schwer ist. «Es ist nicht angenehm», sagt Fürsorge-Präsidentin Maria Christen-Föhn auf Anfrage, «auch für uns nicht.» Die Gemeinde sei aber dringend darauf angewiesen, die Asylsuchenden irgendwo unterbringen zu können. Innerhalb von nur anderthalb Monaten habe der Kanton Schwyz der Gemeinde Muotathal elf zusätzliche Asylsuchende zugeteilt. «Insgesamt müssen wir heute 35 von ihnen beherbergen, während es vor drei Jahren erst 17 waren», so Christen. Die Gemeinde sei dabei mit Rücksicht auf die Steuerzahler verpflichtet, möglichst günstigen Wohnraum zu finden. Dazu zähle nun einmal die Wohnung der Geschwister  K. Rechtlich sei die Kündigung korrekt abgelaufen, betont Christen.

Muotathal steht längst nicht allein da mit der Mühe, geeignete Unterkünfte für Asylanten zu finden. Sehr viele Gemeinden und zahlreiche Kantone melden ebenfalls grosse Schwierigkeiten. Grund dafür ist, dass derzeit viele Asylbewerber in die Schweiz strömen – insbesondere aus dem ostafrikanischen Eritrea. Der Bund erteilt zudem einem weit höheren Anteil von ihnen als früher ein Bleiberecht. Deshalb werden wenig Unterkünfte frei für neu ankommende Menschen, die als Flüchtlinge aufgenommen werden wollen. Einige Kantone und Gemeinden haben deshalb Zeltstädte aufgestellt oder Zivilschutzbunker geöffnet.

«Problemlos zu bewältigen»

In Politik und Medien laufen breite Diskussionen, ob die Schweiz gegenüber Asylsuchenden restriktiver sein muss. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, die für das Flüchtlingswesen zuständig ist, verteidigt die ­liberale Asylpolitik mit Appellen an die humanitäre Tradition der Schweiz. «Unser Land ist keine ­Insel, sondern ein international vernetztes und solidarisches Land», betonte sie in ihrer 1.-August-Ansprache auf dem Rütli. Kritik an der Asyl­politik, wie sie namentlich von der SVP kommt, ist laut Sommaruga Angstmacherei. Dem stimmen die Medien mehrheitlich zu. Die vielen Eritreer im Land seien «quantitativ nichts anderes als eine ­vernachlässigbare Fussnote zur Schweizer ­Migrationspolitik», kommentierte das ­Magazin. Der Zustrom an Asylbewerbern sei «problemlos zu bewältigen».

Susan und Daniel  K. haben gewiss kein Herz aus Stein. Trotzdem fällt es ihnen schwer, Verständnis für solche Aussagen aufzubringen. «Leute wie wir haben immer rechtzeitig die Steuern bezahlt», sagt Daniel K. «Wenn wir wegen Asylanten ausziehen müssen, stimmt etwas nicht mehr.» Während sich Politiker als humanitäre Wohltäter brüsteten, ergänzt seine Schwester, müssten «die kleinen Bürger» die Folgen ihrer Entscheide ausbaden. Wohl oder übel sind die Geschwister auf der Suche nach ­einer neuen Wohnung. Sie haben noch bis ­Januar Zeit, etwas Geeignetes zu finden.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-33/raus-wegen-asylbewerbern-die-weltwoche-ausgabe-332015.html

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  14.08.2015   Achgut.com

Afrikanerpolitik: Wie wäre es mit ein paar nüchternen Zahlen und Fakten?

Von 1977 bis 1995 ist Jacques Chirac Bürgermeister von Paris und regiert dann bis 2007 Frankreich. Schon im Juni 1991 beklagt er das Schicksal seiner Nation, die – wie Nicolas Sarkozy 2007 ergänzt – die Immigration wie eine Invasion „erleide“ und deshalb auf eine „selektive Einwanderung“ (immigration choisie ) umschalten müsse:

„Nicht Ausländer sind unser Problem, sondern ihre Überdosierung. […] Es macht einfach weniger Probleme, Arbeiter aus Spanien, Polen und Portugal bei uns zu haben, als Muslime und Schwarze. […] Ein französischer Arbeiter mit seiner erwerbstätigen Frau hat 15.000 Franc […] und sieht im Treppenhaus […] eine Familie mit Vater, drei bis vier Frauen und zwanzig Sprösslingen, die zusammen 50.000 Francs als Sozialhilfe beziehen. Wenn man dann noch der Lärm und der Geruch hinzunimmt, muss der französische Arbeiter einfach ausrasten. […] Es ist keineswegs Rassismus, das anzusprechen. Wir haben einfach nicht mehr die Mittel, um die Familienzusammenführungen zu bezahlen“ .

Europaweit empören diese Sätze und Frankreich zahlt weiter. Allerdings springen von 1991 bis 2015 auch die Staatschulden von 35% auf 95% des Bruttoinlandsprodukts und viele der Sprösslinge von damals leben von Hilfe oder kämpfen gar für das Kalifat. Am 9. August 2015 liefert Großbritanniens Außenminister Philip Hammond aus Singapur ein Interview, das im Duktus eigenständig ist, in der Sache aber eng bei Chiracs Drehbuch bleibt:

„So lange zu allem entschlossene Migranten dort [in Calais] marodieren, ist der Tunnel bedroht. […] Diese Situation halten wir nicht durch. Europa kann sich nicht schützen. Es kann seinen Lebensstandard und seine sozialen Errungenschaften nicht bewahren, wenn es Millionen afrikanische Migranten absorbieren muss“ .

Vor einem Vierteljahrhundert, als der Konservative Chirac spricht, treibt Margareth Thatcher die britische Staatsverschuldung auf 32 Prozent herunter. Heute wird Frankreich sozialistisch geführt und ist moralisch zutiefst erschüttert über das einmal mehr konservativ regierte London, wo Premier David Cameron Migranten sogar mit dem Skandalwort „Schwarm“ belegt. Der schlage in Form von Meteoriten doch von oben zu und reise – wie Kommentatoren spotten – nicht aus dem Untergrund an. Als Heuschreckenwolke, die alles Lebenswichtige rastlos verzehre, sei das Wort noch widerwärtiger und ebenfalls unzutreffend, weil man doch immer noch in Saus und Braus lebe. Doch ächzt bei allem Groll zwischen den Hauptstädten jetzt auch London unter einer Staatsverschuldung von 93 Prozent.

Als schändlich gelten Camerons Sorgen auch in Deutschland, wo man allein 2015 eine halbe Million Flüchtlinge erwartet . Was seien dagegen die 24.000 Asylanten, die 2014 England erreichen? In Calais strebten lediglich 3.000 Mann in den Kanaltunnel, während man zwischen Rhein und Oder alle sieben Tage 10.000 Fremde zusätzlich aufnehme. Leicht reden habe Berlin, mögen die Verbündeten denken. Schließlich steigt die bundesdeutsche Staatsverschuldung zwischen 1990 und 2015 „nur“ von 536 Milliarden auf 2,2 Billionen €uro (48% auf 71 % BIP).

Sind die ehemaligen Kolonialherren womöglich besser informiert über den Schwarzen Kontinent als Berlin? Schnellt auch im gefürchteten Afrika etwas nach oben, während die Schulden der 500 Millionen EU-Europäer explodieren? Durchaus! So klettert die Bevölkerung von gut 600 Millionen seit Chiracs Einlassungen auf knapp 1,17 Milliarden bis zu Hammonds Interview. 2050 sollen es 2,4 Milliarden sein. Möchten heute aus dem afrikanisch-arabischen Raum rund 540 Millionen Menschen auswandern, wollen dann 950 Millionen weg, falls die für 2009 erhobenen Wanderungswünsche (Subsahara 38%; arabischer Bogen 23% ) nicht weiter ansteigen. Wahrscheinlich ist das bei Kriegsindex-Werten zwischen 3 und 7 nicht. Auf 100 Alte (55-59 Jahre) folgen dabei nicht 70 oder 80 Pazifisten (15-19 Jahre) wie in Deutschland oder Österreich, sondern 300 bis 700 wütende Jünglinge. Sowie die zur Gewalt greifen, transformieren sich ihre Mitbürger aus potentiellen Wirtschaftsflüchtlingen zu völkerrechtlich geschützten Asylberechtigten aus Kriegsgebieten.

Aufschlussreicher für die Prognose zukünftiger Wanderungen ist die Jugend unter 18 Jahren, die den Lebenskampf noch vor sich hat. Allein im Subsahara-Raum umfasst sie heute 540 Millionen (24% Weltanteil), während für 2050 eine Milliarde erwartet wird (37%). Bei den Kindern unter 5 Jahren sollen 2050 bereits zwei Fünftel der Menschheit afrikanisch sein . Das liegt nicht allein an Geburtenraten von (2015) immer noch 4,7 pro Frauenleben (D: 1,4), sondern auch an der fallenden Kindersterblichkeit. Die stetig verbesserte medizinische Versorgung soll das Durchschnittsalter von 45 Jahren (1970) über 60 (heute) auf 70 gegen 2050 heben .

2007 – Sub-Sahara-Afrika hat 790 Millionen Einwohner – will Sarkozy die Europäische Union auf einen gemeinsamen Kurs zur Abschottung ihrer Außengrenzen einschwören. Er scheitert. 2015 steht Sub-Sahara-Afrika bei 910 Millionen Einwohnern. Das sind seit 2007 sieben Niederlande zusätzlich. Die Subsahara-Staaten exportieren – zumeist mit Fremdhilfe abgebaute Rohstoffe – im Preis von 350 Milliarden Dollar (2014 ) und schaffen damit nur gut die Hälfte der 17 Millionen Niederländer (670 Mrd. Dollar ). London ahnt, dass niemals weniger, sondern immer nur mehr Afrikaner von Europa träumen und Cameron kappt die Zugänge auf die Britischen Inseln. Er will nicht scheitern, weil er die 2016er Volksabstimmung über ein Verbleiben seines Landes in der EU gewinnen möchte.

England kann aufgrund seiner Insellage Illegale durch Einsatz der Staatsgewalt zurückhalten und zugleich Gegendruck ins Leere laufen lassen. Das dürfte vor allem osteuropäische EU-Mitglieder weiter ermutigen, sich ebenfalls gegen die ihnen zugedachten Aufnahmequoten zu wehren. Für die verbleibenden Westeuropäer müssen die Quoten entsprechend hochgefahren werden. Ob dann in Angriff genommen wird, was man Sarkozy vor acht Jahren verwehrt?

Wer auf ein Einknicken Londons hofft, übersieht den dort heiß im Nacken verspürten Atem aus Übersee. Denn kein westeuropäisches Land verliert mehr Kompetenz als Großbritannien mit seinen 64 Millionen Einwohnern. Dabei geht es nicht um die gut 600.000 Pensionisten in Südeuropa. Schmerzhafter wirken die 2,3 Millionen in den ehemaligen Kronkolonien Australien, Kanada und Neuseeland. Diese Kompetenzfestungen (Grenzen offen nur für Könner und militärisch gesichert) suchen bis 2050 rund 25 Millionen Neubürger und lassen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Afrika nur Leute herein, die mit ihrer “Kreativität, Energie und Produktivität das Wirtschaftswachstum”  vorantreiben können. Aus seiner Pigmentierung soll niemand Vorteile ziehen dürfen. Am kühnsten träumt Australien, das– bei einer ungenügenden Geburtenrate von 1,77 (2014) – von 24 auf 35 Millionen zulegen will . Kanada (1,59 Kinder pro Frauenleben) – strebt von 36 auf 50, Neuseeland (2,05) von 4,5 auf 5 Millionen.

Kann das alte Mutterland seinen Lebensstandard und den Frieden seiner Städte nicht bewahren, braucht es lediglich einen etwas längeren Umzug für das Erreichen sicherer Häfen. Hoffen können darauf allerdings nur Qualifizierte, vor deren Abwanderung London mit allem Recht zittert. Eben deshalb will es jetzt selbst Kompetenzfestung werden. Falls die Inseln ihre Attraktivität für die eigenen Leistungsträger zurückgewinnen, werden sie auch für Suchende auf dem Kontinent interessant. Dort dürfte das Auseinanderdriften der Unbeweglichen und der Zukunftsverteidiger erst richtig Fahrt aufnehmen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/afrikanerpolitik_wie_waere_es_mit_ein_paar_nuechternen_zahlen_und_fakten

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  15.08.2015   Achgut.com

Zuwanderung: Staatsverweigerung von oben

Wie urteilen Führungskräfte über die anwachsende Migrationswelle nach Deutschland?

Am 21. Juli hat das Meinungsforschungsinstitut Allensbach die Ergebnisse einer Befragung von 500 Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zum Thema „Migrationspolitik“ vorgestellt (durchgeführt im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des Wirtschaftsmagazins „Capital“, s. FAZ vom 22.7.2015). Ein Ergebnis sticht hervor und lässt aufhorchen: Vier von fünf deutschen Top-Entscheidern halten die Aufnahme von mehr Flüchtlingen für möglich und die Grenze der Belastbarkeit nicht erreicht. Das unterscheidet sich erheblich vom Urteil der Gesamtbevölkerung: Hier befürworten nur 31% die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Sollte sich also die Bevölkerung ein Vorbild an den Entscheidern nehmen? Spricht aus ihnen eine besondere Weitsicht und Großzügigkeit?

Auf jeden Fall kann man nach dieser Umfrage besser verstehen, warum sich Deutschland – wie kein anderes Land in Europa – schwer tut, gegenüber der anschwellenden Migrationswelle effektive Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Es liegt nicht nur an „Frau Merkel“, sondern es handelt sich um eine Positionierung, die in den verschiedenen Führungsbereichen Deutschlands mit deutlicher Mehrheit vertreten wird. Das sogenannte „Elite-Panel“, das von den Allensbacher Sozialforscher seit 1987 regelmäßig befragt wird, umfasst 300 Vertreter aus der Wirtschaft (Geschäftsführer, Inhaber, Vorstände und Direktoren von Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten) und weiteren 200 Vertretern aus der Politik (Ministerpräsidenten, Parlamentspräsidenten, Minister, Staatssekretäre, fraktions- und Parteispitzen) und aus der Verwaltung (Leiter von bundes- und Landesbehörden, Abteilungsleiter der Ministerien).

Beim Votum der deutschen Entscheider spielt nicht nur das besondere Thema „Migration“ eine Rolle. Vielmehr wird in der Mehrheitsauffassung eine bestimmte Grundvorstellung sichtbar, wie sich Deutschland positionieren soll (beziehungsweise: in welche Position es auf keinen Fall geraten darf). Diese Grundvorstellung wird deutlich, wenn man die Ergebnisse zu den einzelnen Fragen näher betrachtet:

– Auf Frage 1 „Kann Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen?“ antworteten 78% mit „Ja“ und 20% mit „Nein“.
– Auf Frage 2 „Ist das Problem der Flüchtlingsströme aus Afrika in absehbarer Zeit lösbar?“ antworteten 77% mit „Nein“ und 22% mit „Ja“.
– Auf Frage 3 „Lassen sich durch Ausweitung legaler Einwanderung Schlepperbanden erfolgreich bekämpfen?“ antworteten 55% mit „Nein“ und 44% mit „Ja“.
– Auf Frage 4 „Soll Europa, ähnlich wie Australien, Flüchtlingsboote abfangen und zurückschicken?“ antworteten 77% mit „Nein“ und 21% mit „Ja“.

Die Kombination der jeweiligen Mehrheitsantworten ist merkwürdig inkohärent: Das „Ja“ zu mehr Einwanderung verbindet sich nicht mit der Vorstellung, dass dadurch das Problem gelöst werden könnte. An irgendeine Form von (relativer) Stabilisierung wird nicht geglaubt. Die Führungskräfte scheinen davon auszugehen, dass man sich halt mit einem hohen Migrationsdruck arrangieren müsse (und könne). Obwohl man von einem wachsendem Problemdruck ausgeht, weist man jede härtere Abwehrmaßnahme (s. Frage 4) weit von sich. Bei jenen Maßnahmen, die typischerweise einem Staatswesen zur Verfügung stehen – Verteidigung der Staatsgrenzen, begrenzte und kontrollierte Gewährung von Aufenthaltsrechten, Zugangsbegrenzung zu Sozialsystemen und zur Staatsbürgerschaft –  scheint eine instinktive Abwehrhaltung zu herrschen. Offenbar nimmt man lieber eine „zivile“ Anarchie in Kauf. Die Anarchie ist in einzelnen Stadtteilen von Großstädten schon Tatsache, auch (und weniger auffällig) in einzelnen kleineren Ortschaften. Und es ist diese Erfahrung, die bei der Mehrheitsmeinung der Gesamtbevölkerung, die eine Begrenzung fordert, den Ausschlag gibt. Doch bei den deutschen Eliten scheint diese Erfahrung nicht zu zählen.

Wie kommt es dazu? Deutlich spürbar ist bei den Führungskräften das Bemühen, einen guten Eindruck zu machen. Die Besorgnis um das Image Deutschlands in der Welt scheint bei ihnen die ausschlaggebende Rolle zu spielen. Sie zeigen sich ja durchaus realistisch bei der Beurteilung der Gutmenschen-Patentrezepte („Behebung der Ursachen Afrika“ oder „Ausschaltung der Schlepperbanden durch bessere legale Einwanderungswege“), aber sie ziehen daraus keine Konsequenz. Sie scheinen die Bilder gesperrter Grenzen, wie sie zwischen Italien und Frankreich oder Frankreich und England (am Kanaltunnel) inzwischen zum Alltag gehören, für Deutschland als Image-Katastrophe anzusehen. Solche Bilder sollen um jeden Preis verhindert werden. Weil das Staatshandeln manchmal böse Bilder produziert, verzichtet man lieber auf das Handeln.

So trennen sich an diesem Punkt eine „großzügige“ Elite und eine „kleinliche“ Bevölkerung. Doch diese Zuschreibung ist infam. Denn die Zumutbarkeit, die die Führungskräfte deklarieren, ist eine Zumutbarkeit auf fremde Kosten. Die Führungskräfte urteilen darüber, was Deutschland zumutbar ist, während sie in ihrem beruflichen und privaten Milieu die Migrationsbelastungen nur von Ferne erfahren. Sie erwägen die Zumutungen gar nicht in dem konkreten Sinn, wie die Durchschnittsbevölkerung sie vor Augen hat – in ihren Nachbarschaften im Wohnviertel, für ihre Kinder im Schulalltag, in den Gesundheitseinrichtungen, im Öffentlichen Nahverkehr, auf den Plätzen und Grünflächen. Hier gibt es Ausfälle und längere Wartezeiten bei öffentlichen Dienstleistungen, Abstriche bei Sauberkeit und Sicherheit, teilweise schon aggressive Besetzungen und Verdrängungen. Wie sehr sich etwas in Deutschland geändert hat, wird in diesen Tagen an vielen Schulen zu Beginn des neuen Schuljahres deutlich. Nur ein Bruchteil dieser neuen Realität gelangt in die Medien – die Institution der Öffentlichkeit ist in der Migrationsfrage nicht intakt. Die Wahrnehmung ist gespalten. So kann es dazu kommen, dass eine Elite ein Urteil über den Migrationsdruck in Deutschland fällt, die diesem Druck nicht mal medial ausgesetzt ist.

Selbst wenn man es nicht so krass ausdrücken will, so gilt doch zumindest: Die Lösung, die den deutschen Eliten in der Migrationsfrage vorschwebt, ist schlicht rätselhaft. Die Rechnung aus den vier Antworten geht einfach nicht auf. Es gibt keine Ordnungsidee, die den Antworten Kohärenz verleihen würde. In der Summe signalisieren sie eine merkwürdige Gleichgültigkeit. Die Eliten lassen das Land mit den Konsequenzen der Migration allein.

Die Migrationsfrage ist nicht irgendein Thema unter vielen. Das Problem berührt den Zusammenhalt des Landes und es ist in seiner heutigen Größe historisch neuartig. In anderen Ländern Europas wird das offener erörtert, auch von den Eliten. In Deutschland, so scheint es, wird seine Bedeutung noch unterschätzt. Den Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist offenbar noch nicht klar, was sie in der Migrantenfrage verspielen können. So kann die Kombination von Ratlosigkeit und Leichtsinn, die die Allensbacher Befragung in diesem Sommer 2015 dokumentiert,  der Vorbote einer bürgerlichen Elitenkrise sein. Auf dieser Basis wird es jedenfalls nicht weitergehen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/zuwanderung_staatsverweigerung_von_oben

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  14.08.2015   Achgut.com

Das ist die Alternative zur großen Freiheit

In Norwegen enthüllt der Polizeisicherheitsdienst (PST), dass sich bei fast einem Dutzend Flüchtlingen, die aufgrund des Quotensystems der UNO nach Norwegen geschickt wurden, herausstellte, dass sie enge Verbindungen zu den Terrorgruppen Islamischer Staat und Al-Nusra-Front haben. Die Polizei fand außerdem heraus, dass einige Flüchtlinge früher für die syrische Geheimpolizei arbeiteten, andere verdächtig sind, im syrischen Bürgerkrieg Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Die Tageszeitung Dagbladet berichtet zudem, dass islamische Extremisten in Flüchtlingsempfangszentren in Norwegen versuchen, neue Rekruten für den Terrorismus zu gewinnen. Laut der Zeitung wurden zahlreiche Personen, die in Norwegen Asyl bekamen, später zu Schlüsselfiguren in der dortigen radikalen islamischen Gemeinschaft.

Derweil konvertiert eine wachsende Zahl von Norwegern zum Islam, offenbar aufgrund einer empfundenen Notwendigkeit strengerer Regeln in Norwegens liberaler Gesellschaft. “Zum Islam zu konvertieren ist vielleicht heutzutage die extremste Form der Jugendrebellion”, sagt die muslimische Konvertitin und Religionsprofessorin Anne Sofie Roald der Tageszeitung Aftenposten. Sie glaube, dass der konservative Islam klare Grenzen ziehe und für Norwegens “Anything goes”-Gesellschaft eine neue Form der Sicherheit biete, sagt sie.

Was sonst noch im Juni in Europa los war, lesen Sie hier.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/das_ist_die_alternative_zur_grossen_freiheit

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  • „Wenn die europäischen Länder eine Welle von Migranten akzeptieren, werden darunter Terroristen sein. … Indem wir die Migranten akzeptieren, machen wir dem Islamischen Staat die Expansion nach Europa sehr viel leichter“, sagt der tschechische Präsident Miloš Zeman.
  • „Wir sind dazu verpflichtet, aktive Teilnehmer in unserer Gesellschaft zu sein, aber dies muss nach den Bedingungen des Islam geschehen, ohne dass wir unsere Prinzipien und Werte in Frage stellen. Demokratie steht im Widerspruch zum Islam … Der Weg, den die Muslime in Dänemark beschreiten müssen, ist der Widerstand gegen die antiislamische Integrationspolitik und die aggressive Außenpolitik, die von allen Regierungen in diesem Land verfolgt wurden.“ — Stellungnahme von Hizb-ut-Tahrir.
  • „Redet man über Einwanderung, ist man fremdenfeindlich. Redet man über Sicherheit, ist man ein Faschist. Redet man über den Islam, ist man islamophob“, so der französische Parlamentsabgeordnete Henri Guaino.
  • „Wir können es uns nicht leisten, diesen Krieg zu verlieren, weil dieser seinem Wesen nach ein Krieg der Zivilisation ist. Es ist unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation, die wir verteidigen“, sagt Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls.

In Österreich fährt der 26-jährige bosnische Einwanderer Alen Rizvanović mit seinem Geländewagen mit hoher Geschwindigkeit durch die Grazer Fußgängerzone und rast in eine Menschenmenge. Dann steigt er aus und fängt an, mit einem langen Messer auf Passanten einzustechen. Bei dem Anschlag vom 21. Juni werden drei Menschen getötet und 34 verletzt.

Eilig schließt die Polizei ein religiöses Motiv aus und betont, der Anschlag sei ein ungezielter Akt der Gewalt, verübt von einem verwirrten Killer. Die anschließende Ermittlung ergibt hingegen, dass Rizvanović ein strenggläubiger Muslim mit vielen Verbindungen zum radikalen Islam war.

Am 16. Juni befindet das Wiener Landesgericht zehn Muslime für schuldig, versucht zu haben, sich dem Islamischen Staat in Syrien anzuschließen. Ein Türke, gegen den Anklage erhoben wurde, weil er den Transport für die Gruppe von neun gebürtigen Tschetschenen im Alter zwischen 17 und 27 organisiert haben soll, wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, die anderen zu Haftstrafen zwischen 19 Monaten und drei Jahren. Die Männer wurden im August 2014 von der österreichischen Grenzpolizei festgenommen, als sie versuchten, über die Türkei nach Syrien zu reisen.

Erst wenige Wochen zuvor war ein 14-jähriger türkischer Junge, der Bombenbauanleitungen auf seine Playstation heruntergeladen hatte, zu zwei Jahren Jugendarrest verurteilt worden. Er war wegen Terrorismus angeklagt worden und hatte sich schuldig bekannt. Der Junge, der in Sankt Pölten im Nordosten Österreichs lebte, hatte auch Kontakte zu Dschihadisten mit Verbindungen zum Islamischen Staat geknüpft. Von der Strafe wurden sechzehn Monate zur Bewährung ausgesetzt. Die verbleibenden acht Monate wird der Junge in einer Jugendbesserungsanstalt verbringen.

Mehr als 200 österreichische Bürger oder in Österreich lebende Personen haben sich dschihadistischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen; 30 von ihnen wurden getötet, etwa 70 sind zurückgekehrt.

Die Polizei in Belgien führt am 8. Juni in Antwerpen, Bredene, Louvain, Namur und Ostende 21 koordinierte Razzien gegen mutmaßliche militante Islamisten durch, die meisten von ihnen stammen aus Tschetschenien. Einige der Verdächtigen haben nachweislich dschihadistisches Training in Afghanistan, Tschetschenien und Syrien erhalten; Beweise, die den Verdacht bestätigen, dass sie einen Anschlag planten, findet die Polizei nicht. Von den anfangs 16 Verhafteten werden später alle bis auf zwei freigelassen.

In Brüssel leitet Françoise Schepmans, die Bürgermeisterin des Distrikts Molenbeek-Saint-Jean, ein Verfahren zur Entlassung eines Polizisten ein, der als Mohamed N. identifiziert wird. Dieser hatte in einer auf Facebook geführten Diskussion geschrieben, er werde „jeden einzelnen Juden“ töten. Unter dem Pseudonym Bebeto Gladiateur schrieb der Polizist: „Schon das Wort Jude ist schmutzig. Wenn ich in Israel wäre, dann würde ich ehrlich mit den Juden machen, was sie mit den Palästinensern machen – jeden einzelnen von ihnen massakrieren.“ Schepmans sagt: „Diese Äußerungen schockieren mich. Ich habe über solche Dinge nie Unklarheit bestehen lassen. Ich kann nicht akzeptieren, dass ein Polizist der Stadt eine solche Einstellung hat.“

In Großbritannien wird ein 22-jähriger weiblicher Flüchtling aus dem Irak zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen „Twitter-Terrorismus“ verurteilt. Alaa Esayed aus Kennington im Süden Londons wird im Old Bailey verurteilt, nachdem sie sich schuldig bekannt hat, zu Terrorismus anzustiften und terroristische Publikationen zu verbreiten. Zwischen Juni 2013 und Mai 2014 hat sie auf einem offenen Account mehr als 45.000 arabische Tweets zu ihren 8.240 Lesern gesandt, in vielen von ihnen rief sie zu gewaltsamem Dschihad auf. Ihr Account, der das Profilbild einer Frau in einer Burka zeigte, die eine Kalaschnikow in der Hand hält, wurde von Al-Qaeda als einer der 66 wichtigsten Dschihad-Accounts geführt.

In Manchester wird der 33 Jahre alte Iqbal Ali aus Oldham zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er vier Frauen mit Drohungen und Gewalt gezwungen hat, in einem Harem als seine Sexsklavinnen zu dienen. Ali, der sagt, er habe seit 14 Jahren einen Feldzug mit dem Ziel geführt, „mit so vielen Frauen wie möglich zu schlafen“, fügte den Frauen Schläge, körperliche Bestrafung und öffentliche Erniedrigung zu, wenn sie ihm nicht gehorchten. Er wurde überführt, als eine der Frauen im Krankenhaus wegen schwerer Verletzungen am Hals behandelt wurde, nachdem sie in einer Apotheke zusammengebrochen war.

In Lancashire wird der 34-jährige Mohammad Liaqat zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er in die römisch-katholische Mount Carmel High School in Accrington gestürmt war und den Schulleiter im Streit um die Bärte betreffenden Schulrichtlinien angegriffen hatte. Liaqat sagt, er sei wütend über die Entscheidung der Schule gewesen, zwei 14-jährige muslimische Schüler vom Unterricht auszuschließen, weil sie sich weigerten, ihre Bärte abzurasieren. Liaqats eigene Kinder waren nicht in den Fall involviert. Später tauchte er in der Grundschule St. Oswald’s RC in Lancashire auf und attackierte auch den dortigen Rektor. Liaqat ist es mittlerweile in vier Schulen im Gebiet Accrington und Burnley verboten, mit den Schulangestellten in Kontakt zu treten.

In Zypernbestätigt Außenminister Ioannis Kasoulides, dass ein 26 Jahre alter Mann mit libanesischer und kanadischer Staatsangehörigkeit – der festgenommen wurde, nachdem die Behörden in seinem Keller fast zwei Tonnen Ammoniumnitrat gefunden hatten – zu einer Verschwörung der Hisbollah gehört, israelische und jüdische Ziele auf der Insel anzugreifen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagt, der Fall beweise, dass der Iran, der die Hisbollah unterstützt, weiterhin den Terrorismus in der Region anfache.

In Tschechien lässt Saudi-Arabien ein geplantes tschechisch-saudisches Wirtschaftsforum platzen, um gegen angeblich antiislamische Äußerungen tschechischer Amtsträger zu protestieren. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hatte in einer Stellungnahme den Islam mit Gewalt in Verbindung gebracht. Anlässlich des Internationalen Holocaustgedenktages im Januar sagte der siebzigjährige Präsident:

„Der Islamische Staat ist seinem Wesen nach wie Nazideutschland in den frühen 1930er Jahren. Wenn wir einen Superholocaust und großflächige Massaker verhindern wollen, brauchen wir eine konzertierte militärische Aktion … unter der Ägide des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.“

Die in Saudi-Arabien ansässige Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) wies die Anschuldigungen zurück. Sie sagt:

„Die Äußerungen des tschechischen Präsidenten über den Islam folgen der Linie früherer Äußerungen, in denen er Korangläubige mit antisemitischen und rassistischen Nazis in Verbindung gebracht hat und sagte, der Feind sei eine Anti-Zivilisation, die von Nordafrika bis Indonesien reiche, ein Gebiet, in dem zwei Milliarden Menschen leben.“

„Solche Äußerungen zeigen nicht nur Präsident Zemans Mangel an Wissen und sein fehlendes Verständnis des Islam, sondern ignorieren auch die historische Tatsache, dass Antisemitismus und Nazismus ein durch und durch europäisches Phänomen sind. Sie haben keine Wurzeln im Islam, weder als Religion noch als Geschichte oder Zivilisation. Der Holocaust hat sich nicht in dem Gebiet zwischen Nordafrika und Indonesien ereignet.“

Präsident Zeman lehnt es ab, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Am 28. Juni sagt er: „Wenn die europäischen Länder eine Welle von Migranten akzeptieren, werden darunter Terroristen sein. … Indem wir die Migranten akzeptieren, machen wir dem Islamischen Staat die Expansion nach Europa sehr viel leichter.“

In Dänemark ruft die radikal-islamische Gruppe Hizb ut-Tahrir Muslime dazu auf, die Parlamentswahl am 18. Juni zu boykottieren, da Demokratie unvereinbar mit dem Islam sei. In einer Pressemitteilung der Gruppe heißt es:

„Wir sind dazu verpflichtet, aktive Teilnehmer in unserer Gesellschaft zu sein, aber dies muss nach den Bedingungen des Islam geschehen, ohne dass wir unsere Prinzipien und Werte in Frage stellen. Demokratie steht im Widerspruch zum Islam und sie ist ein sinkendes Schiff, selbst ihre Anhänger verlieren mehr und mehr das Vertrauen in dieses System und suchen nach einer Alternative.“

„Der Weg, den die Muslime in Dänemark beschreiten müssen, ist der Widerstand gegen die antiislamische Integrationspolitik und die aggressive Außenpolitik, die von allen Regierungen in diesem Land verfolgt wurden. Wir müssen unsere islamische Identität und unsere islamischen Werte schützen und gleichzeitig die Botschaft des Islam in größeren Gesellschaftskreisen um uns her durch Wort und Tat verbreiten. Darüber hinaus haben wir die Pflicht, uns für die weltweite Bestrebung zur Wiedererrichtung des Kalifats einzusetzen, der islamischen Lösung der unendlich vielen Probleme, denen wir Muslime uns überall auf der Welt gegenübersehen.“

Nach Auszählung aller Stimmen löst der von dem früheren Ministerpräsidenten Lokke Rasmussen geführte Block der Parteien rechts von der Mitte die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt ab. Die gegen Einwanderung gerichtete Dänische Volkspartei wird zweitstärkste Kraft im Parlament. Das Wahlergebnis spiegelt die wachsende Frustration der Wähler über den Multikulturalismus, die dänische Asyl- und Flüchtlingspolitik und ausufernde Einwanderung aus muslimischen Ländern wider.

Laut neuen Zahlen des dänischen Einwanderungsdienstes wurden in diesem Jahr bislang 90 Prozent aller Asylanträge genehmigt. Das steht in starkem Kontrast zu 2004, als nur zehn Prozent der Anträge positiv beschieden wurden.

In Kopenhagen nimmt die Islamische Gesellschaft in Dänemark ab sofort Spenden für den Bau einer dritten Megamoschee in der Hauptstadt entgegen. Das Projekt soll 80 Millionen Kronen (11 Millionen Euro) kosten, der Baubeginn ist für 2017 vorgesehen.

In Frankreich hält die sich in der Opposition befindende Partei des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy – die kürzlich in „Die Republikaner“ umbenannt wurde – ein Treffen ab zu der Frage: „Der Islam in Frankreich oder der Islam Frankreichs?“ Es ist Teil einer Diskussionsreihe über die „Krise der Werte“ in Frankreich. Sarkozy sagt: „Es geht nicht um die Frage, was die Republik für den Islam tun kann, sondern darum, was der Islam tun kann, um der Islam Frankreichs zu werden.“

Muslimische Gruppen kritisieren das Treffen. „Wir können nicht an einer Initative wie dieser teilnehmen, die Muslime stigmatisiert“, sagt Abdallah Zekri, Präsident des Nationalen Observatoriums der Islamophobie. Der Parlamentsabgeordnete Henri Guaino, der das Treffen organisiert hat, sagt: „Dürfen wir nicht über die Dinge reden, an denen sich die Geister scheiden? Redet man über Einwanderung, ist man fremdenfeindlich. Redet man über Sicherheit, ist man ein Faschist. Redet man über den Islam, ist man ein Islamophober.“

Auf einer halbtägigen Konferenz über Beziehungen zur muslimischen Gemeinschaft, die am 15. Juni stattfindet, sagt Ministerpräsident Manuel Valls, der „Islam ist hier, um zu bleiben“. Er betont, dass es keine Verbindung zwischen dem Islam und Extremismus gebe. „Wir müssen sagen, dass all das nicht der Islam ist“, so Valls; „die Hasspredigten, Antisemitismus, der sich hinter Antizionismus und dem Hass auf Israel verbirgt … die selbsternannten Imame in unseren Vierteln und unseren Gefängnissen, die Gewalt und Terrorismus schüren.“ Über Radikalisierung wird auf der Konferenz nicht gesprochen, da das Thema als zu heikel empfunden wurde.

Am 28. Juni sagt Valls gegenüber dem Nachrichtensender iTele, es gebe zwischen 10.000 und 15.000 Salafisten in Frankreich, 1.800 Personen seien auf irgendeine Weise mit der islamistischen Sache „verbunden“. Der Westen, so Valls weiter, befinde sich in einem „Krieg gegen Terrorismus“. Er fügt hinzu: „Wir können es uns nicht leisten, diesen Krieg zu verlieren, weil dieser seinem Wesen nach ein Krieg der Zivilisation ist. Es ist unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation, die wir verteidigen.“

Am 6. Juni sagt Valls, über 850 französische Bürger oder Bewohner Frankreichs seien zum Kämpfen nach Syrien und in den Irak gereist. Mehr als 470 hielten sich immer noch dort auf, 110 wurden mutmaßlich auf dem Schlachtfeld getötet.

Wie der französische Innenminister Bernard Cazeneuve am 29. Juni verkündet, hat Frankreich in den letzten drei Jahren 40 Imame wegen ihrer „Hasspredigten“ abgeschoben. „Wir haben seit 2012 40 Hassprediger abgeschoben“, sagt er. „Seit Jahresbeginn haben wir 22 Fälle untersucht, um die zehn Imame und Prediger des Hasses wurden ausgewiesen.“

Am 7. Juni hatte Cazeneuve berichtet, dass 113 französische Bürger oder Bewohner Frankreichs als Dschihadisten auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens gestorben seien. Es gebe 130 laufende Ermittlungen, die 650 Personen betreffen, die mit Terrorismus zu tun haben; gegen 60 Personen wurden Ausreiseverbote verhängt.

In Lyon gesteht Yassin Salhi, ein 35 Jahre alter Vater dreier Kinder, dass er seinen Chef enthauptet und versucht hat, eine chemische Fabrik in der Nähe der Stadt in die Luft zu sprengen. Der abgetrennte Kopf seines Chefs wurde an einem Zaun des Objekts gefunden, das einem amerikanischen Hersteller von Industriegasen gehört, daneben zwei Flaggen mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis. Salhi, ein LKW-Fahrer, wurde in Frankreich als Kind von Eltern marokkanischer und algerischer Herkunft geboren. Vor seiner Festnahme machte Salhi ein Foto von sich mit dem abgetrennten Kopf und sandte das Bild an einen in Syrien für den Islamischen Staat kämpfenden französischen Dschihadisten. Salhis Frau sagt: „Wir sind normale Muslime. Wir feiern den Ramadan.“

In Bordeaux muss ein Lebensmittelladen namens De L’Orient à L’Occidental, dessen Inhaber kürzlich zum Islam konvertiert sind, ein „Geschlechterverbot“ aufheben, nachdem es eine Welle der Kritik gegeben hat. Um zu gewährleisten, dass Männer und Frauen im Laden nicht miteinander in Berührung kommen, wollten die Inhaber Frauen das Betreten des Geschäfts montags, dienstags, mittwochs und freitags verbieten, Männern sollte der Zutritt donnerstags, samstags und sonntags verwehrt werden.

In Paris weist das Verwaltungsgericht am 23. Juni eine Klage zurück, die eine Mutter gegen die französische Regierung eingereicht hatte, weil diese es versäumt habe, ihren Sohn im Teenageralter daran zu hindern, nach Syrien auszureisen, um sich den Dschihadisten anzuschließen. Der Junge war 16 Jahre alt, als er im Dezember 2013 mit drei anderen zusammen aus Nizza aufbrach, ein Flugzeug in die Türkei bestieg und dann über den Landweg nach Syrien reiste. Seine Mutter, die nur Nadine A. genannt wird, argumentierte, dass die Flughafenpolizei in Nizza ihn hätte aufhalten sollen, weil der Junge nur ein Hinflugticket und kein Gepäck gehabt habe. Das Gericht entscheidet aber, dass die Flughafenpolizisten nicht verantwortlich seien und weist die Forderung der Frau nach einer Entschädigung in Höhe von 110.000 Euro zurück.

Zur selben Zeit müssen sich seit dem 7. Juni mehr als ein Dutzend Mitglieder der Forsane Alizza (Ritter des Stolzes), einer Gruppe, die Muslime gegen Islamophobie beschützen will, in Paris vor Gericht verantworten – ihnen wird vorgeworfen, Terroranschläge vorbereitet zu haben. Die Gruppe – gegründet im August 2010 von dem 37-jährigen Franco-Tunesier Mohamed Achamlane, der sich selbst als „Emir“ bezeichnet – hat auf ihrer Website einen Text veröffentlicht, in dem sie verlangt, dass die französischen Streitkräfte alle mehrheitlich muslimischen Länder verlassen. Die Botschaft geht weiter: „Sollten unsere Forderungen ignoriert werden, betrachten wir die Regierung als im Krieg gegen die Muslime.“

Angehörige der französischen Islamistengruppe Forsane Alizza marschieren auf der Straße. Gegen mehr als ein Dutzend Mitglieder der Gruppierung wurde im Juni Anklage wegen der Vorbereitung von Terroranschlägen erhoben.

Achamlane veröffentlichte zudem Videos von seinen aufhetzenden Reden, in denen er Formulierungen benutzt wie: „Beim allmächtigen Allah, wir werden Frankreich Narben beibringen.“ Die Gruppe hat eine Liste von „Zielen“ veröffentlicht, darunter auch jüdische Geschäfte in der Region Paris. Vor Gericht sagt Achamlane: „Es gibt keinen radikalen oder moderaten Islam. Es gibt nur den authentischen Islam.“ Die Regierung betrachtet die Gruppe als eine Privatmiliz, doch die 15 Mitglieder der Gruppe streiten ab, zu einer terroristischen Vereinigung zu gehören. Bei einer Verurteilung drohen jedem Mitglied der Gruppe bis zu zehn Jahre Gefängnis.

In Deutschland beziffert Innenminister Thomas de Maizière in einem Interview mit der Rheinischen Post die Zahl der Dschihadisten, die in Syrien kämpfen, auf etwa 700. „So groß war sie bisher noch nie“, sagt er. Die Zahl der gewalttätigen Islamisten in Deutschland, die bereit sind „politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu verüben, liege bei etwa 330. Derzeit liefen mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen 800 Beschuldigte aus dem islamistischen Spektrum.

Zur selben Zeit entbrennt eine Debatte darüber, ob muslimische Schüler von dem verpflichtenden Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers im Rahmen der Holocausterziehung befreit werden sollten. Der Streit kreist um einen Vorschlag, wonach alle Schüler der weiterführenden Schulen Bayerns als Teil des Curriculums eine Holocaustgedenkstätte besuchen sollen.

Die regierende CSU ist dagegen; sie sagt, „viele Kinder aus muslimischen Familien … haben keinen Zugang zu unserer Vergangenheit … und brauchen noch lange, bis sie sich mit unserer Vergangenheit identifizieren können. Wir müssen dieses Thema gerade bei diesen Kindern behutsam angehen.“

Ebenfalls in Bayern warnt die Schulleitung des Wilhelm-Diess-Gymnasiums in der Stadt Pocking Eltern davor, ihre Töchter freizügige Kleidung tragen zu lassen, um „Missverständnisse“ unter den 200 in Notunterkünften in der Nähe der Schule untergebrachten muslimischen Flüchtlingen zu vermeiden. In dem Brief heißt es:

„Die syrischen Flüchtlinge sind mehrheitlich Muslime und sprechen arabisch. Die Asylbewerber sind von ihrer eigenen Kultur geprägt. Da unsere Schule in direkter Nachbarschaft ist, sollte eine zurückhaltende Alltagskleidung angemessen sein, um Diskrepanzen zu vermeiden. Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen.“

Die Tageszeitung Die Welt zitiert einen Lokalpolitiker mit den Worten:

„Wenn minderjährige muslimische Jungs ins Freibad gehen, sind sie völlig überfordert damit, Mädchen in Bikinis zu sehen … Die Jungen, in deren Kulturkreis nackte Haut von Frauen völlig verpönt ist, laufen den Mädchen nach und bedrängen sie – ohne das zu beabsichtigen, aber das löst natürlich Ängste aus.“

In Berlin-Neukölln wird es der 26-jährigen Muslimin Betül Ulusoy gestattet, als Referendarin im Bezirksamt zu arbeiten. Die kommunalen Behörden hatten zunächst erwogen, sie abzulehnen, weil sie darauf besteht, ein muslimisches Kopftuch zu tragen. Nach Berlins Neutralitätsgesetz ist es jedem, der für die Stadt arbeitet, verboten, äußerlich sichtbare Zeichen der Religiosität zu tragen. Für Ulusoy macht man eine Ausnahme, offenbar um zu vermeiden, der Islamophobie bezichtigt zu werden.

In den Niederlandenstimmt das Parlament dagegen, dem Abgeordneten Geert Wilders die Präsentation einer Ausstellung amerikanischer Zeichnungen zu erlauben, die den Propheten Mohammed zum Thema haben. Er sei enttäuscht von der Entscheidung des Parlaments, sagt Wilders, und kündigt an, die Zeichnungen in einer Wahlwerbesendung zu zeigen. Der staatliche Sender NPO versäumt es jedoch, den Clip wie geplant zu senden, woraufhin Wilders NPO der Sabotage beschuldigt. Am 24. Juni wird der Clip dann doch schließlich im niederländischen Fernsehen gezeigt.

Ebenfalls im Juni sagt der Minister für Soziales, Lodewijk Asscher, er erwäge einen Plan, der türkische Imame dazu verpflichten würde, an einem Kurs in der niederländischen Sprache und Kultur teilzunehmen, bevor ihnen erlaubt wird, in die Niederlande zu ziehen. Solch ein Kurs würde „den Grundstein für erfolgreiche Integration“ legen, so Asscher. Yassin Elforkani von der muslimischen Lobbygruppe CMO, die nach eigenen Angaben knapp 400 Moscheen in den Niederlanden repräsentiert, sagt, statt des „kontinuierlichen Imports“ von Imamen aus der Türkei sollten die Niederlande lieber ein einheimisches Ausbildungsprogramm für Imame einrichten, wie es das in Deutschland bereits gibt.

Zur selben Zeit verurteilt ein Gericht in Rotterdam einen 22 Jahre alten Mann aus Delft zu vier Jahren Gefängnis. Dieser hatte geplant, die Beute aus einem Raubüberfall zur Unterstützung des Dschihads in Syrien zu verwenden. Nachdem die Polizei einen Hinweis bekommen hatte, verhaftete sie Mohammed A., als dieser sich anschickte, einen bewaffneten Raubüberfall in Scheveningen zu verüben. In seinem Auto fanden die Beamten drei Schusswaffen. Das Gericht befindet Mohammed A. einer „schweren terroristischen Straftat“ für schuldig, weil er mit dem Geld aus dem Raub den gewaltsamen Dschihad unterstützen wollte.

In Norwegenenthüllt der Polizeisicherheitsdienst (PST), dass sich bei fast einem Dutzend Flüchtlingen, die aufgrund des Quotensystems der UNO nach Norwegen geschickt wurden, herausstellte, dass sie enge Verbindungen zu den Terrorgruppen Islamischer Staat und Al-Nusra-Front haben. Die Polizei fand außerdem heraus, dass einige Flüchtlinge früher für die syrische Geheimpolizei arbeiteten, andere verdächtig sind, im syrischen Bürgerkrieg Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Die Tageszeitung Dagbladetberichtet zudem, dass islamische Extremisten in Flüchtlingsempfangszentren in Norwegen versuchen, neue Rekruten für den Terrorismus zu gewinnen. Laut der Zeitung wurden zahlreiche Personen, die in Norwegen Asyl bekamen, später zu Schlüsselfiguren in der dortigen radikalen islamischen Gemeinschaft.

Derweil konvertiert eine wachsende Zahl von Norwegern zum Islam, offenbar aufgrund einer empfundenen Notwendigkeit strengerer Regeln in Norwegens liberaler Gesellschaft. „Zum Islam zu konvertieren ist vielleicht heutzutage die extremste Form der Jugendrebellion“, sagt die muslimische Konvertitin und Religionsprofessorin Anne Sofie Roald der Tageszeitung Aftenposten. Sie glaube, dass der konservative Islam klare Grenzen ziehe und für Norwegens „Anything goes“-Gesellschaft eine neue Form der Sicherheit biete, sagt sie.

In Spanienverhaftet die Polizei drei junge Franzosen, nachdem sie dabei erwischt wurden, wie sie auf der Autobahn AP-7 in der südlichen Provinz Valencia mit ihrem Mercedes 235 km/h fuhren, fast doppelt so schnell, wie es die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h erlaubt. Im Kofferraum des Wagens findet die Polizei eine Tasche mit 200.000 Euro Bargeld; keiner der drei Männer kann die Herkunft des Geldes erklären. Die eingeleitete Ermittlung ergibt, dass einer der drei Männer von den französischen Behörden beobachtet wird, weil er im Verdacht steht, Rekruten für den Islamischen Staat angeworben zu haben und seine Ausreise nach Syrien vorzubereiten.

Am 22. Juni beginnt vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid das Verfahren gegen Nabil Benkaddour, einen Marokkaner, der versucht hat, sich dem Islamischen Staat in Syrien anzuschließen. Benkaddour wurde im November 2014 in der südspanischen Region Murcia verhaftet, nachdem er versucht hatte, über die Türkei nach Syrien zu reisen. Ihm wurde nicht erlaubt, an Bord zu gehen, weil er kein Rückflugticket besaß. Wie die spanische Polizei später herausfand, war Benkaddour „sehr aktiv in radikalen dschihadistischen Internetforen“ und hatte Videos gesendet, die von Dschihadisten zur Indoktrination und Rekrutierung benutzt wurden. Auch ein Foto seines dreijährigen Sohne mit einem Spielzeuggewehr und Fotos verschiedener Terroristenführer hatte er gepostet, dazu die Botschaft: „Du hast den Weg des Dschihad gewählt und wir werden ihm folgen.“ Sollte das Gericht ihn der „Verherrlichung von Terrorismus“ für schuldig befinden, drohen Benkaddour zwei Jahre Gefängnis.

In Schwedenverhaftet die Polizei bei Razzien in Stockholm und der Provinzstadt Orebro am 1. Juni zwei Personen. Die Razzien sind Teil des Vorgehens gegen die Rekrutierung junger Männer für den bewaffneten dschihadistischen Kampf im Ausland. Laut der schwedischen Sicherheitspolizei (SAPO) ist Orebro, eine Stadt mit 140.000 Einwohnern, für dschihadistische Gruppen die viertgrößte Rekrutierungsquelle nach Malmö, Göteborg und Stockholm. Wie die SAPO berichtet, sollen sich etwa 300 schwedische Bürger oder in Schweden dauerhaft lebende Personen dem Islamischen Staat in Syrien und dem Irak angeschlossen haben. Etwa 35 von ihnen wurden getötet, 80 sind nach Schweden zurückgekehrt.

Am 17. Juni verkündet die schwedische Regierung, dass sie über eine Gesetzesvorlage berät, die es ihren Bürgern verbieten würde, für dschihadistische Gruppen wie den Islamischen Staat zu kämpfen. „Es ist inakzeptabel, dass schwedische Bürger reisen, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen, die Gruppe finanzieren oder für sie kämpfen“, schreiben Justizminister Morgan Johansson und Innenminister Anders Ygeman in einem von der Tageszeitung Dagens Nyheter veröffentlichten Beitrag.

Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New YorkerGatestone Institute und Senior Fellow for European Politics der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Gruppe Strategische Studien. Besuchen Sie ihn aufFacebook und folgen ihm aufTwitter.

http://de.gatestoneinstitute.org/6344/sexsklaven-enthauptungen-twitter-terrorismus

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Ursache für die Ausschreitungen war laut Polizei ein Streit zwischen etwa 20 Bewohnern des Heimes. Dabei sei es um Religionsfragen gegangen. Ein Bewohner soll Seiten aus dem Koran gerissen haben. Nach MDR-Informationen wollte eine Gruppe von Flüchtlingen den Heimbewohner attackieren, weshalb dieser sich in die Wache der Einrichtung rettete. Von da an eskalierte die Lage. Die Angreifer-Gruppe versuchte gegen 21 Uhr, die Wache zu stürmen und die Tür des Wachlokals einzutreten. Die dortigen Sicherheitsdienst-Mitarbeiter setzten gegen die Angreifer Tränengas ein. Polizeibeamte, die in eines der Gebäude hineingingen, wurden dort “belagert”, am Verlassen des Hauses gehindert und mit Steinen und Betonteilen beworfen. Schließlich legten die Angreifer auch Feuer. Mehr  Fotos

Nach den Ausschreitungen in einer Suhler Flüchtlingsunterkunft hat die Polizei einen Mann in Schutzgewahrsam genommen. Wie die Thüringer Polizei am Donnerstagmorgen mitteilte, wurde der Asylbewerber zu Beginn des Streits am Mittwochabend von rund 20 anderen Heimbewohnern verfolgt, weil er mit dem Koran unflätig umgegangen sei. Später beteiligten sich etwa 50 Flüchtlinge an dem Streit, weitere 50 sollen zugeschaut haben. Mehr

Das „Freie Wort“ beschreibt die weiteren Geschehnisse so: „Vor dem Heim selbst spielten sich zwischenzeitlich bürgerkriegsähnliche Szenen ab: Menschen, die offenbar durch Messerstiche und Eisenstangen verletzt worden waren, lagen auf den umliegenden Rasenflächen und Gehwegen; Möbel flogen aus den Fenster der Unterkunft; Polizeiautos wurden angegriffen und beschädigt; Fensterscheiben gingen zu Bruch, Steine wurden auf Beamte geworfen.“ Mehr

Der Ministerpräsident zeigte Verständnis für die Flüchtlinge. Es handele sich um hochtraumatisierte Menschen, die aus Kriegssituationen kämen. “Sie sind alle Opfer”, so Ramelow. Er könne verstehen, dass die Emotionen hochkochten, wenn verschiedene Ethnien und religiöse Gruppen aufeinanderträfen. Er toleriere aber überhaupt nicht, “dass man einen Koran zerreißt und in eine Toilette schmeißt”… Die Polizei war mit 125 Beamten im Einsatz. Ein massiver Sachschaden entstand. Sechs Polizeiautos, Fensterscheiben und Möbel wurden beschädigt. Die Zentrale des privaten Wachdienstes wurde völlig demoliert. Mehr

Die Pauschale je Flüchtling an die Landkreise beträgt in Baden-Württemberg derzeit 13.260 Euro. In Berlin liegt die Pauschale bei etwa 12.000 Euro, in Bremen bei 12.500 Euro. Andere Länder verfügen über Mischsysteme. Geht man von den Pauschalen von 12.000 bis 13.000 Euro und den nun erwarteten bis zu 800.000 Flüchtlingen aus, kommt man auf Kosten von mehr als 9 bis 10,5 Milliarden Euro, mit denen die Länder rechnen müssen, wenn sie die Flüchtlinge ein Jahr lang versorgen müssen…Besonders hohe Kosten verursacht die Betreuung und Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge… Rund 60.000 Euro im Jahr koste ein Heimplatz für einen minderjährigen Flüchtling, sagt der Präsident des bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter. Andere Behördenschätzungen liegen darunter, bei durchschnittlich 40.000 Euro. Bernreiter spricht von einem „explosionsartigen Anstieg“ der Kosten. Mehr

“Wir erleben eine neuzeitliche Völkerwanderung”, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der Nachrichtenagentur dpa. Die EU müsse sich deshalb “mit höchster Priorität” um die Asylpolitik kümmern. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Mittwoch die neue Prognose für das laufende Jahr mit der Rekordzahl von 800.000 Flüchtlingen in Deutschland vorgelegt. Das wären fast doppelt so viele wie beim Höchststand Anfang der 1990er Jahre. Auch de Maizière appellierte an die EU-Staaten, Deutschland allein könne nicht 40 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, die nach Europa kommen. Sollten die Partner ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, stehe die Freizügigkeit in Europa auf dem Spiel. Mehr

Im Rahmen der Verteilung von Flüchtlingen auf die Staaten der EU wird die Slowakei 200 Syrer aufnehmen. Doch geht es nach der Regierung in Bratislava, dann werden darunter keine Muslime, sondern nur Christen sein. “Wir könnten 800 Muslime aufnehmen, aber wir haben keine Moscheen in der Slowakei”, sagte Ivan Metik, Sprecher des Innenministeriums, der BBC. “Wie sollen die Muslime sich integrieren, wenn sie sich hier nicht wohlfühlen?” Mehr

Das italienische Asylsystem – und das wissen die Flüchtlinge erstaunlich präzise – ist äußerst unattraktiv: Wartezeiten bis zu einer Entscheidung von bis zu anderthalb Jahren, überfüllte Sammelunterkünfte und mit 2,5 Euro pro Tag auch deutlich weniger Geld pro Person pro Tag als in Deutschland. Zudem die wirtschaftliche Situation, die hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem gutausgebildete Menschen, viele Syrer etwa, verlassen schleunigst nach ihrer Ankunft Italien. Solange nicht Leistungen, Bearbeitungszeiten der Asylanträge und Chancen auf Anerkennung für Asylbewerber europaweit gleich sind, ziehen sie weiter. Dorthin, wo sie das Beste für sich und ihre Kinder erwarten können. Mehr

Schon vor einem Tag kursierten Zahlen, nun sind sie offiziell: Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit bis zu 800.000 Asylbewerbern. Das teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin mit. Dies wäre der größte Zustrom von Flüchtlingen seit Bestehen der Bundesrepublik. “Das ist eine Herausforderung für uns alle”, sagte de Maizière. Doch: “Überfordert ist Deutschland mit dieser Entwicklung nicht”. Das Land müsse sich für einige Jahre auf hohe Flüchtlingszahlen einstellen. “Jeder Flüchtling, der nach Deutschland kommt, muss würdig, sicher und anständig aufgenommen werden”, betonte der Minister. Angriffe auf Asylbewerberheime werde man “mit aller Härte entgegen treten”. Mehr

Deutschland kann nach Ansicht von Innenminister Thomas de Maizière auf lange Sicht nicht 800.000 Asylbewerber pro Jahr aufnehmen. “In diesem Jahr müssen und werden wir das verkraften”, sagte der CDU-Politiker im ZDF-“Morgenmagazin”. Auf Dauer allerdings seien 800.000 Flüchtlinge für ein solches Land wie Deutschland zu viel – insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern… Zwar sei er selbst “ein überzeugter Europäer” und für offene Grenzen, fuhr de Maizière fort. “Aber wenn andere europäische Staaten sich nicht an Recht und Gesetz halten, dann brauchen wir ein anderes System, das funktioniert.” Sein Fazit: “Offene Grenzen gehen nur, wenn das System innerhalb des Raumes, in dem es offene Grenzen gibt, dann auch ausgeglichen funktioniert. Mehr

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/offene_anstalt_deutschland1

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20 Muslime hetzen einen „Ungläubigen“ durchs Asylbewerberheim in Suhl und drohen ihn zu erschlagen. In letzter Not rettet er sich ins Wachlokal des Wachschutzes. Die Verfolger legen Feuer vor dem Wachlokal und die Gewalt eskaliert weiter. Immer mehr Bewohner beteiligen sich. Als die Polizei erscheint, werden die Polizisten von ungefähr 50 Zuwanderern angegriffen. Vier Beamte werden verletzt, elf Asylbewerber ebenso.  Der „Ungläubige“ wird von der Polizei in „Schutzgewahrsam“ genommen. Das ist die Bilanz einer Nacht in der Asylaufnahmestelle in Suhl und immerhin wurde über diesen Vorfall auch überregional berichtet. Sonst schaffen es die alltäglichen Gewaltvorfälle und gelegentlichen Tötungen in deutschen Asylunterkünften ja allenfalls in die Regionalpresse.[1]

Der Bericht der vor Ort ansässigen Zeitung Freies Wort liefert vielleicht ein realistisches Bild dieser Nacht: „Vor dem Heim selbst spielten sich zwischenzeitlich bürgerkriegsähnliche Szenen ab: Menschen, die offenbar durch Messerstiche und Eisenstangen verletzt worden waren, lagen auf den umliegenden Rasenflächen und Gehwegen; Möbel flogen aus den Fenstern der Unterkunft; Polizeiautos wurden angegriffen und beschädigt; Fensterscheiben gingen zu Bruch, Steine wurden auf Beamte geworfen. Auch Pressefotografen sowie ein Kamerateam wurden mit Eisenstangen angegriffen. Unmittelbar vor dem Verlagsgebäude von Freies Wort bauten Katastrophenschutz und Rettungsdienste schließlich eine Verletztensammelstelle auf.“[2]

So eindrücklich das auch geschrieben ist, geht es um die Ursache dieses Vorfalls, werden alle Berichterstatter bezeichnenderweise recht einsilbig. Da wird berichtet, die Gewalttaten seien nach einem Streit „wegen Glaubensfragen“ ausgebrochen. Welchen Glauben die Gewalttäter da im deutschen Flüchtlingsheim durchsetzen wollten, wird verschämt verschwiegen. Manche Berichte deuten es immerhin an, indem sie erwähnen, einem Mann sei vorgeworfen worden, eine Seite aus dem Koran herausgerissen zu haben. Der Ton hört sich aber immer ein wenig so an, als müsse man dafür Verständnis haben, dass Muslime darauf mit Lynchjustiz reagieren.

Verstehen kann man, dass die Verantwortlichen die Erwähnung von gewalttätigen Islamisten im Asylheim möglichst vermeiden wollen, sonst müssten sie doch wieder zu dem abgenutzten Statement greifen, das habe aber nichts mit dem Islam zu tun. Die Fälle, in denen Asylbewerber Mitbewohner in ihren Unterkünften brutal für „unislamisches Verhalten“ bestraften, hatte die Politik ja auch erfolgreich ignorieren können.[3]

Deutsche Politiker machen sich mehr Sorgen um die deutsche „Willkommenskultur“. Und die hat in der Tat fatale Züge. Die Asylbewerber lernen schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen, dass der deutsche Staat seine Werte nicht durchsetzt und gegenüber den Anmaßungen islamistischer Ideologen gern beide Augen zudrückt, um Konflikte zu vermeiden. Die Asylbewerber lernen, dass diejenigen, die hierzulande im Namen des Propheten handeln, mit besonderer Vor- und Rücksicht behandelt werden. Und schließlich – das muss wirklich nichts mit dem Islam zu tun haben – lernen sie, dass Deutschland ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben selbst im Asylheim nicht schützen kann.

Was sagt es aus über ein Land, wenn ein islamistischer Lynchmob im Asylbewerberheim einen Andersgläubigen hetzt und der Staatsmacht nichts Besseres einfällt, als den Verfolgten in „Schutzgewahrsam“ zu nehmen? Wohin hat es sich entwickelt und wohin entwickelt es sich? Wenn wir den Gedanken des Asyls wirklich ernst nehmen, dann sollten wir endlich lernen, genau hinzusehen, was Schutzsuchenden in deutschen Asylunterkünften widerfährt. Und uns sollte auch bewusst werden, dass sich unter den Zuwanderern sehr wohl gefährliche Islamisten befinden, auch wenn derzeit keine IS-Kämpfer kommen. Die Gefahr beginnt schon unterhalb des potentiellen Selbstmordattentäters.

[1]http://sichtplatz.de/?p=3742

[2]http://www.insuedthueringen.de/regional/thueringen/thuefwthuedeu/Heftige-Krawalle-am-Fluechtlingsheim-in-Suhl;art83467,4285024

[3]http://sichtplatz.de/?p=1114

 

http://sichtplatz.de/?p=3775

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aargauerzeitung.ch

Soziologe spricht von einer neuen Völkerwanderung
Herr Heinsohn, ist die Migration aus Afrika nach Europa eine Völkerwanderung?

Gunnar Heinsohn: Ja, weil hinter dieser Migrationsbewegung sehr hohe Geburtenraten stehen. Sie haben die Bevölkerung in Afrika zwischen 1950 und heute von 220 Millionen auf 1,2 Milliarden Einwohner ansteigen lassen.

Gibt es Vergleiche mit der Vergangenheit?

Bei der Eroberung der Neuen Welt zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert verliessen rund zehn Millionen Europäer ihre Heimat, um vorrangig in Amerika zu siedeln. Heute wollen allein 540 Millionen aus Afrika und dem arabischen Raum auswandern. 2050 werden es bei der Fortrechnung dieser Wünsche 950 Millionen sein, also 50- oder 100-mal mehr als bei Europas Unterwerfung von 90 Prozent der Erde.

Eroberungszüge waren von Gewalt begleitet. Und die hier?

Die Eroberer siegten oder wurden geschlagen. Die Kolonisation von heute ist unblutig.

Wodurch werden Völkerwanderungen wie diese angetrieben?
Gunnar Heinsohn

Gunnar Heinsohn

Quelle: Zur Verfuegung gestellt

Vorrangig dann, wenn die Geburtenzahlen die Karrieremöglichkeiten weit übertreffen: Man darf nicht vergessen, dass Europa im 16. bis 19. Jahrhundert Geburtenraten wie heute Westafrika erreichte. Also durchschnittlich fünf oder mehr Kinder pro Frau.

Dann verlässt man seine Heimat, weil es neben all den anderen an Platz und Perspektiven mangelt?

Platz hat Afrika reichlicher als wir. Doch schauen wir noch einmal zurück. Als Europäer zwischen Alaska und Neuseeland siegten und ausmordeten, führten sie permanent auch zu Hause Krieg oder starben an Seuchen. In Europa führte man den 30-jährigen Krieg und holte sich zugleich Gebiete in Übersee. Das ist heute ähnlich: Während viele Millionen wegwollen, sind in Afrika nach Abzug der Kolonialherren rund 18 Millionen in Kriegen und Genoziden gestorben.

Nun gibt es neben den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen auch noch die an Leib und Leben bedrohten. Eine komplett verwirrende Situation.

Das 1946 eingeführte Menschenrecht auf Asyl wurde für Europäer geschaffen, die nicht in ihre nunmehr kommunistischen Heimatländer zurückwollten. Seither ist die Weltbevölkerung von damals 2,4 auf 7,4 Milliarden gewachsen. Keiner konnte sich damals vorstellen, wie gewissermassen über Nacht ungezählte Millionen asylberechtigt geworden sind.

Wie läuft das ab?

Junge Männer kommen als Wirtschaftsflüchtlinge nirgendwo unter. Sowie einige von ihnen mit Waffengewalt um die Positionen der einheimischen Eliten kämpfen, verwandelt sich die gesamte Bevölkerung ihres Landes in Bewohner von Kriegsgebieten, die nach ihrer Flucht nicht zurückgeschickt werden dürfen. Tausend tötende Jünglinge bringen zehn Millionen Mitbürger unter den Schutz des Asylrechts. Das ist historisch neu.

Können Sie diese Vorgänge theoretisch unterlegen?

Wir arbeiten dafür mit einem Kriegsindex. In der Schweiz liegt dieser bei 0,8, weil auf hundert 55- bis 59-jährige Männer, die bald eine Position räumen, nur 80 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren folgen. In Afrika und im arabischen Raum folgen auf hundert rentennahe Männer aber 300 bis 700 zornige junge Männer. Diese Länder keuchen unter Kriegsindizes zwischen 3 und 7.

Was heisst das konkret?

Selbst in einer wachsenden Wirtschaft können bei einem Kriegsindex von 5 nur ungefähr 150 von 500 jungen Männern mit akzeptablen Positionen rechnen. Die anderen 350 sind unruhig. Gibt es für ihre Beruhigung keine Öl-Milliarden und ist Auswanderung unmöglich, teilen sie sich in Kämpfer für diese oder jene «gerechte» Sache auf. Mit dem Ergebnis
von Kriegen, Vertreibungen und Völkermord.

Oder eben: Man geht. In der Hoffnung, woanders unterzukommen.

Weil Afrika jung ist und Europa vergreist, wirkt das Begehren um dortige Aufnahme nicht abwegig. Man braucht schliesslich allein in der EU bis 2050 rund 70 Millionen, um die Ungeborenen (Abstand zu einer Geburtenrate von 2,1) zu ersetzen.

Nur kommen sie nicht unter, weil sie nicht über die Qualifikationen verfügen, die Europa verlangt.

Auch das ist neu. Noch bis 1900 gingen zumeist überschüssige Bauernsöhne, die um Land kämpften. Heute wird in die Millionenstädte gedrängt, die in der globalen Konkurrenz bestehen müssen. Wer da nicht mitziehen kann, muss immer noch für den Schutz seiner Menschenwürde anständig finanziert werden.

Wie sollen wir als Normalbürger mit diesem Dilemma umgehen?

Wir beobachten zwei unterschiedliche Umgangsweisen. Wir haben eine Gruppe von Ländern (Ostasiaten sowie Kanada, Australien und Neuseeland), die ihre Grenzen militärisch sichern und nur Qualifizierte hereinlassen. Ich nenne sie Kompetenzfestungen. Auch sie haben zu wenig Geburten und brauchen Einwandererraten, wollen aber ihre ökonomischen Spitzenplätze verteidigen. Deshalb schauen sie gewissermassen erbarmungslos nur auf Könnerschaft. In Europa will jetzt Grossbritannien ebenfalls zur Kompetenzfestung werden.

Woran erkennen Sie das?

Das Land mit seinen 63 Millionen Einwohnern hat bereits 2,3 Millionen Talente an die ehemaligen Kronkolonien verloren. Also sucht London noch mehr kompetente Einwanderer als eigentlich erforderlich und macht zugleich am Kanal zu. Die Kontinentaleuropäer müssten damit entsprechend mehr Hilflose menschenwürdig versorgen.

Und das sehen Sie auf Europa zukommen? Ein Teil der Länder, der sich abriegelt, ein anderer, der Menschen aufnimmt?

Ja, zwei Ländergruppen werden weiter auseinanderdriften. Die einen nehmen nur die Besten, um wirtschaftlich vorne zu bleiben. Die anderen bekennen sich zu den Abgeschlagenen und halten die Grenzen für jeden offen, der Hilfe sucht.

Welches ist der richtige Weg?

Wir werden erst in Jahrzehnten sehen, wer weiser gewählt hat. Heute halten die bereits genannten Spitzennationen ihre Pforten zu. Zu ihnen werden sich weitere gesellen. Ich zähle zu einem gewissen Grad auch die Schweiz dazu. Andere haben keine Angst um ihre Wettbewerbsfähigkeit oder folgen anderen Werten. Frankreich, Deutschland und Schweden sind hier die Wortführer. Wer von beiden glücklicher wird, wissen wir noch nicht.

http://www.aargauerzeitung.ch/leben/forschung-technik/soziologe-spricht-von-einer-neuen-voelkerwanderung-129457555

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Boris T. Kaiser

Jennifer Weist, Frontfrau der Pop-Rockband „Jennifer Rostock“, schockte Fans und Presse dieser Tage mit einem Foto auf Facebook. Das Bild, das sie am 17.08.15 postete, zeigte die gefährliche Halswunde eines ihrer Freunde, der im Berliner Stadtteil Friedrichshain nach einem versuchten Diebstahl mit einem Messer attackiert worden war. Der gruselig aussehenden Aufnahme ihres Freundes fügte das Pop-Punk-Sternchen folgenden Kommentar hinzu:

„ich war am samstag mit freunden im astra in friedrichshain. als ich mit einem freund nach hause gehen wollte, versuchten zwei kleine jungs meine brieftasche aus meiner gürteltasche zu klauen. ich bemerkte es vorher, meine begleitung schubste ihn weg und in dieser bewegung riss einer der beiden meiner begleitung seine kette vom hals. als dieser sie wieder holen wollte, kamen noch drei andere typen von der anderen straßenseite und alles ging ziemlich schnell. ich hab nach hilfe gerufen, zwei typen versuchten uns noch zu helfen, aber es war zu spät. einer von ihnen zog ein messer und verletzte meine begleitung schwer am hals. alle arterien waren schon freigelegt. es fehlten nur ein paar millimeter und er wäre direkt auf der straße in meinen armen gestorben. mir ist gott sei dank nichts passiert.
meine begleitung war weder aggressiv, noch hatte er vor einen von ihnen zu schlagen. 
an diesem abend habe ich mit der polizei alle möglichen gassen abgesucht um die täter zu finden und dabei viele andere menschengruppen gefunden, denen auch sachen geklaut worden oder die verletzt worden sind. DESWEGEN AN ALLE BERLINER UND URLAUBER BERLINS: auf der revaler/warschauer straße ist eine große bande unterwegs. seid vorsichtig auf dem RAW gelände, geht dort am besten wenn es dunkel ist nicht alleine lang. diese leute sind wahnsinnig gefährlich und schrecken nicht davor zurück für eine beschissene kette zu töten!!! ich bin fassungslos und muss dieses ereignis erstmal verarbeiten. gerne teilen! diese wichser müssen gefasst werden!“
Nun könnte es bei der Erfassung „der Wichser“ natürlich helfen, wenn man die Täter ein bisschen beschreiben würde. Waren es zum Beispiel ein paar hochgewachsene Schweden, mit lustigem Akzent, die man in ganz Friedrichshain schon von weitem hören und sehen kann? Handelte es sich bei der „großen Bande“ vielleicht um eine Gang, bestehend aus rothaarigen, käseweißen und stets betrunkenen Iren? Waren es ein paar bierbäuchige Deutsche oder Engländer, die das Haus nie ohne Springmesser unter dem Feinrippunterhemd verlassen? Waren es Asiaten, und wenn ja, sahen sie eher indisch, chinesisch oder japanisch aus?

Nichts davon konnte man aus dem Facebookpost der jungen Dame herauslesen. Denn so geschockt sie war und so sehr sie angeblich an der Ergreifung der Fastmörder ihres Freundes interessiert war, hatte sie bei der ganzen Angelegenheit offenbar noch ein noch viel größeres Problem: Ihr ist etwas passiert, das gemäß ihrer bisherigen Weltsicht eigentlich gar nicht passieren kann. Ein Freund wurde in einem der Berliner Vorzeigeviertel der Toleranz nicht kulturell bereichert, sondern abgestochen. Eine genaue Beschreibung der Täter hätte daher zwar sicherlich zur Ergreifung der Täter/Wichser beitragen können, wäre aber politisch nicht korrekt gewesen und hätte das Weltbild ihrer Fans, nicht nur auf Facebook, arg ins Wanken gebracht. Diese waren auch so schon mit den Nerven und der eigenen Naivität am Ende. Viele, für die sonst alle Polizisten Bastarde sind, riefen auf einmal nach der sonst so verteufelten Staatsgewalt.

„Es wird höchste Zeit, dass aufgehört wird bei der Polizei zu sparen! Wir brauchen mehr und besser ausgerüstete Polizisten, die konsequent arbeiten können und durch schnelle Gerichte unterstützt wird…..eine Polizei vor dem man (im besten Sinne des Wortes) wieder Respekt hat! P.S. schickt die übergewichtigen Senioren bei der Polizei endlich mal in Ruhestand“, heißt es da zum Beispiel.

Oder auch:

„Ich finde das an der Warschauer Straße und am Alex sollte die Polizei 24 Stunden vor Ort sein auch wenn von der Warschauer Straße der Abschnitt 53 nicht weit weg ist aber dort passiert einfach zuviel..“

„Die Ecke rund um den Sbhf Warschauer Straße wird leider sowieso immer schlimmer. Offensichtlich werden dort immer mehr Drogen angeboten. Polizeipräsenz ist nicht vorhanden und das RAW Gelände sieht schon einladend für ‘Schlechtmenschen’ aus.“

Sogar Videoüberwachung wird gefordert. Eigentlich ein weiteres No Go in der „No-Go-Area“-ignorierenden Szene um die popkulturellen Light-Punker von Jennifer Rostock.

Denn diese sind, auf ihre oberflächlich-belanglose Art und Weise, durchaus tief in der linken Szene verwurzelt und fühlen sich ihr liebevoll verbunden. Auf Konzerten von „Jennifer Rostock“ dürfen die Fans zum Beispiel keine T-Shirts der „Böhsen Onkelz“ oder der Band „Frei.Wild“ tragen.

Ob die Messerstecher wohl solche Bandshirts getragen haben..?  Wir werden es nie erfahren. Denn auf eine nähere Beschreibung der Täter hat „Jennifer Rostock“ bis heute verzichtet. Die Wut über den fast tödlichen Angriff auf ihren Freund und auf die Täter ist offenbar auch nur einen Tag später schon wieder den alten Feindbildern gewichen. Denn man 18.08.15 äußerte sich die Band wie folgt auf Facebook:

„Es ist soweit, nun müssen wir doch etwas dazu sagen. Einige werden es schon mitbekommen haben, auf Jennifers Profil tobt gerade der rechte Bodensatz des Internets. Falls nicht, kurze Zusammenfassung: Ein Freund von ihr wurde mit einem Messer attackiert, sie suchte Zeugen. Es kann doch nicht sein, dass irgendwelche strunzdebilen Vollidioten so einen Vorfall dafür nutzen, auf unterstem Niveau gegen Ausländer und vermeintliche “Gutmenschen” zu hetzen. (Das OPFER ist übrigens beides) Es geht um Aufklärung eines unfassbaren Verbrechens und nicht darum, dass jetzt Kartoffel-Bürgerwehren durch Friedrichshain spazieren. Eigentlich leben wir hier, weil Berlin ein Ort der Freiheit und Toleranz ist. Wir wollen, dass die Täter gefasst werden, aber wir wollen hier auch weiterhin eine gute Zeit haben können. Das gilt übrigens auch für’s Internet, aber heute ist einer dieser Tage, da klappt man den Laptop auch gerne wieder mal zu. Ihr wisst, wie wir zu jeglichen Auswüchsen rechten Gedankenguts stehen. Wir tolerieren keine fremdenfeindliche Hetze auf unseren Profilen. Dieser Hass macht uns gerade unfassbar wütend. In Liebe, JR.“

Die Welt von Jennifer Rostock ist also wieder in Ordnung. Die größte Gefahr in diesem Land sind fiese „Kartoffel-Bürgerwehren“ die, wie wir alle wissen, ja quasi an jeder Ecke lauern und unsere Großstädte unsicher machen. Klar, wer denn auch sonst? Die Bösen sind immer die Deutschen. Abgesehen natürlich von Jennifer Rostock und ihren Freunden.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wenn_die_falschen_zum_messer_greifen

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Von Malte Fischer

Eigentlich läuft es ja in der bunten Republik. Flüchtlinge finden im Wochentakt vierstellige Geldsummen und melden sich sofort auf der nächsten Polizeidienststelle. Dort erklären sie den gerührten Beamten mit Händen und Füßen, dass sie wüssten, wie schlimm es ist, etwas Wertvolles zu verlieren. Von vier verschiedenen aber doch ähnlichen Fällen berichteten Stern, Focus und deutsche Tageszeitungen allein im Juli. Das törichte Geschwätz von der Lügenpresse dürfte dank dieser Meldungen endgültig vom Tisch sein.

Zeit und Spiegel Online rechnen unbestechlich vor, wie Migration unsere demographischen Probleme löst und die von Pleite-Ossis strapazierten Sozialsysteme saniert. Okay, es wäre vielleicht hilfreich wenn die Studenten aus Asien, Russland oder Polen, die noch etwas aus ihrem Leben machen wollen, nach dem Master nicht gleich wieder abhauen würden. Aber dank Mindestlohn und deutschem Arbeitsrecht haben bei uns zum Glück alle einen garantierten theoretischen Anspruch auf gute Arbeit zu fairen Löhnen. Wird das Geld doch mal knapp, enteignen wir eben die Superreichen und überwinden das neoliberale Scheißsystem, auf das eh keiner mehr Bock hat.

Die politisch progressiven Kräfte der Republik gehen im Zukunftslabor Berlin-Kreuzberg schon seit Jahren neue Wege in der Flüchtlingspolitik. Ein Leuchtturm-Projekt ist die so kosten- wie sozialverträgliche Selbstverwaltung der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer in der Gerhart-Hauptmann-Schule. Dank des Einsatzes engagierter Antifaschisten werden Schutzsuchende hier exklusiv von anderen Schutzsuchenden verprügelt oder abgestochen. Keine Handbreit dem Rassismus. Eine muntere Zivilgesellschaft verhindert kreativ, dass so genannte besorgte Bürger auf Versammlungen hetzen können. Junge Männer bekommen in öffentlichen Grünanlagen Raum für unternehmerische Eigeninitiative und begegnen so dem Klischee des faulen Asylanten, der uns nur auf der Tasche liegt.

Um das friedliche Miteinander aller Menschen in Deutschland zukunftsfest zu machen, fehlt eigentlich nur noch ein Blatt Papier mit Gaucks Unterschrift und dem Wort Zuwanderungsgesetz oben drauf. Wären da nur nicht die Nazis. Und die Deutschen, die nicht einsehen wollen, dass die Nazis das drängendste Problem unserer Zeit sind. Diese „Aber-Nazis“ sind eigentlich noch schlimmer als die immerhin ehrlichen NPD-Nazis. Sie tarnen sich als ganz normale Menschen aber man erkennt sie trotzdem ganz leicht. Sie benutzen das Wort „Aber“ in Zusammenhang mit Schutzsuchenden. Ich habe nichts gegen Flüchtlinge aber… Reicht. Klarer Fall. Ich habe nichts gegen Meinungsfreiheit aber zweifelsfrei nachgewiesener Rassismus ist eben keine Meinung, sondern zweifelsfrei nachgewiesener Rassismus. Diese Schande muss im Namen von Demokratie und Freiheit verboten werden. Es gibt Hoffnung, dass Herr Maas bereits an Paragraphen gegen Hate Speech feilt.

Menschenverachtung in sozialen Netzwerken ist ja sowieso eine exklusive Domäne deutscher Rechter. Linke hetzen nicht. Sie üben konstruktive Kritik und vertrauen auf die Kraft ihrer Argumente. So kommentieren zum Beispiel Taz-Leser das Ende der politischen Laufbahn von Erika Steinbach: „Eigentlich kann die sterben gehen.“ „Wenn jetzt noch Kohl, Koch und De Maiziere tot umfallen, war der Tag trotz des Scheißwetters ok.“ „Weg mit der alten Schlampe.“ „Guten Rutsch (in die Urne)“. Dem Humanismus verpflichtet. Aber mit Haltung.  Ähnliches Fingerspitzengefühl beweisen deutsche Linke regelmäßig im Umgang mit unseren jüdischen und amerikanischen Freunden. Auch werfen sie ihre Molotov-Cocktails und Pflastersteine nicht aus blindem Hass auf Gebäude und Menschen, wie es bei den Rechten der Fall ist, sondern weil sie für eine bessere Welt ohne Nazis und Bullen kämpfen.

Deshalb wäre es grob fahrlässig, einfach pauschal alle Personen zu ächten, die zu Gewalt aufrufen oder Menschen einschüchtern und attackieren, unabhängig von Absender und Adressat. Die Folge wäre eine fragwürdige Vermischung der Täterprofile von deutschen Nazis mit weltbürgerlichen Antifaschisten oder gar Jugendlichen mit Diskriminierungshintergrund. Das kann keiner wollen weil es ja wieder nur den Aber-Nazis in die Hände spielen würde.

Zum Glück gibt es die Qualitätsmedien. Sie erhellen in diesen düsteren Zeiten die Zusammenhänge und erklären dem Volk, was Menschlichkeit 2015 bedeutet. Selbst dann wenn sie wie Sibylle Berg gelegentlich daran verzweifeln, den Deppen immer wieder neu erläutern zu müssen, dass der Kapitalismus an ihrem Frust Schuld ist. Mit Engelsgeduld klären sie die Sachsen darüber auf, dass sie auch nur Deutsche dank historischer Gnade und westlichem Großmut sind. Sie ziehen die großen historischen Linien von Auschwitz bis Tröglitz, den Orten der Schande von gestern und heute.

Deutsche Dichter und Denker pfeifen regelmäßig Bluthunde wie Seehofer zurück. Sonst gebe es bei uns schon längst wieder Konzentrationslager. Ohne sich von der Hilfs- und Spendenbereitschaft einer Minderheit blenden zu lassen, schlagen kritische Journalisten Alarm. Nur ein Aufstand seiner Anständigsten kann einen Rückfall der Deutschen in die Barbarei verhindern. Dafür sprechen über 200 Anschläge auf Schutzsuchende in diesem Jahr. Nur Demagogen unterscheiden spitzfindig zwischen Gewaltdelikten (10 %) einerseits und Sachbeschädigungen und Propagandadelikten andererseits (90 %). Nur Rassisten, für die schwarze Leben nicht zählen, setzen die Zahlen in Relation zu den steigenden Flüchtlingszahlen oder stellen ihnen gar Gewaltopfer bio- und neudeutscher Herkunft gegenüber, die das Glück hatten, nicht von Nazis erwischt zu werden. Was Ausländer unter sich machen, geht uns nichts an. Was sie Deutschen antun, ist bedauerlich, sollte aber wegen der vielen Nazis nicht an die große Glocke gehängt werden. Sorry.

Höchstens ein paar moralbefreite Springerschweine bringen noch Aufmacher von Totschlägern und Terroristen, die nicht eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sind. Insgesamt bestechen die deutschen Medien durch eine beeindruckende moralische Klarheit. Und weil heute fast alle wissen, dass es Flüchtlinge gibt weil wir Waffen exportieren und rechts von der CDU Nazischland beginnt, werden sich hoffentlich noch viele Menschen dem Aufstand der Anständigen anschließen und mutig bekennen, dass sie lieber eine Flüchtlingsfamilie als einen Nazi zum Nachbarn hätten, sollte der nette Zahnarzt und seine Pianistin-Gattin irgendwann ausziehen. Nur können all die schönen Worte das Schweigen von Mutti nicht übertönen. Frau Merkel, zeigen Sie jetzt bitte Haltung.

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Flüchtlinge, Miniröcke und deutsche Willkommenskultur

Ein Streitgespräch zwischen irgendeiner Flüchtlingsbeauftragten, nennen wir sie Constanze Böse, 39 Jahre alt, parteilos und irgendeinem Querdenker, nennen wir ihn Tilman Guth, 36 Jahre alt, Mathematiker, über Willkommenskultur und Ankommenskultur.

Böse: Es gibt 50 Millionen Flüchtlinge weltweit und …
Guth: Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Zahl eine reine Kampfzahl ist, ganz unseriös, überhaupt nicht belastbar.
Böse: Hören sie auf mit solchen …
Guth: Es können viel weniger Flüchtlinge sein auf dieser Welt und es können auch viel mehr sein, das ist ja auch Definitions-und Geschmacksache, wen man Flüchtling nennt, was ein Flüchtling ist und aus welchem Grund jemand von A nach B zieht, zum Beispiel sein Heimatdorf in Afrika verlässt.
Böse: Wer vor politischer oder religiöser Verfolgung flieht ….
Guth: Die wirklich in ihren Heimatländern Verfolgten schaffen es regelmäßig nicht hierher, das war schon immer so. Und nicht jeder, der Asyl schreit, ist ein Asylant.
Böse: Zynisch!
Guth: Realität!
Böse: Es geht um eine humanitäre Katastrophe und da müssen wir die Menschen, die es unter Einsatz ihres Lebens, geschunden und entkräftet, hierher schaffen, aufnehmen!
Guth: Müssen?
Böse: Das ist eine historische, eine moralische Pflicht, die nach dem Holocaust auch eine besondere deutsche Pflicht ist. Und im Übrigen können wir froh sein, dass die Flüchtlinge zu uns kommen! Wer soll sonst den fehlenden Nachwuchs in Deutschland und Europa ersetzen? Wir brauchen jeden Flüchtling, für die Versorgung der alten Menschen, für das Erwirtschaften der Renten und als qualifizierte Nachwuchskräfte für unsere Wirtschaft.
Guth: Nach ihren Motiven für ihren „Ellerbecker Rundumschlag“, mit dem sie nichts erklären können, frage ich Sie mal nicht. Ich beschränke mich auf die Feststellung, dass die „Argumente“, die Sie anführen, nicht lauter sind. Von der sachlich durcheinander gequirlten …..
Böse: Jetzt werden Sie persönlich, noch bevor die Diskussion über die notwendige Willkommenskultur, die den Deutschen fehlt, überhaupt begonnen hat. Und wer persönlich wird, hat es wohl …
Guth: Wenn Sie mit Ihren Stereotypen die Intelligenz des Zuhörers beleidigen, dann werden Sie mir einen persönlichen Angriff sicher nachsehen.
Böse: Wollen Sie die Tatsachen bestreiten?
Guth: Sie nennen Ihre Behauptungen Tatsachen? Ich bitte Sie! Sie sagen 50 Millionen Flüchtlinge, aber außer Ihrem gefühlten Wissen haben Sie nichts auf der Pfanne.
Böse: Oho!
Guth: Sie haben so viele Flüchtlinge, wie Sie haben wollen. Je mehr “Flüchtlinge” Europa und die Bundesrepublik aufnehmen, desto mehr Flüchtlinge wachsen nach. Ich behaupte, dass jeder Ihrer Flüchtlinge, der hier Ihre Vollversorgung erlebt, von der er in seiner Heimat nicht einmal geträumt hat, nach Hause telegrafiert: Bin im Schlaraffenland angekommen. Dann wächst nicht ein neuer Flüchtling nach, es wachsen zwei, drei und vier Flüchtlinge nach.
Böse: Nun machen Sie mal halblang! Von Vollversorgung kann leider keine Rede sein. Nun gut, manche bekommen eine, meist fast menschenunwürdige, Unterkunft gestellt, etwas zu essen und zu trinken, vielleicht freie Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenversicherung und ein Taschengeld und vielleicht demnächst freien Internetzugang, aber sie werden von einer bösen deutschen Volksseele, von üblen Populisten verfolgt und gejagt. Sie dürfen nicht arbeiten, sie fühlen sich fremd, fern ab der Heimat, mussten womöglich Frau und Kind zurück lassen, mussten ihren Beruf aufgeben, sehen sich einer rassistisch basierten Aberkennung ihrer Schul- und Universitätsabschlüsse ausgesetzt.
Guth: Naja, 100.000ende Nobelpreisträger, auch wenn sie Flüchtlinge sind, will eben keiner nach Deutschland importieren.
Böse: Das ist ja ein widerwärtiger Sarkasmus.
Guth: Wenn sie falsche Tatsachen behaupten und die Leute für dumm verkaufen, dann gilt der Sarkasmus, den Sie ausgemacht haben wollen, allein Ihrer Person. Viele Flüchtlinge sind Analphabeten und haben in ihrer eigenen Muttersprache, die ihrerseits oft nicht auf dem Stand der Zeit ist, in dem die Sprache, die Tools, die für Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, komplexe Rechtsgebiete benötigt werden, gar nicht zur Verfügung stehen, eher nicht den höchsten Level erreicht. Und dann sollen Sie mal eben, wie aus Ihren Kreisen zu hören ist, ein akademisches Deutsch lernen und sofort an den Universitäten studieren.
Böse: Das wäre das Beste.
Guth: Mit dem Wort „wäre“ bringen Sie jetzt selber den Irrealis. Wollen wir uns angesichts der Not, die es auf dieser Welt gibt, über ideologischen Quatsch unterhalten?
Böse: Sie sind doch in Wahrheit ein verkappter Populist.
Guth: Nee, Sie sind Mainstream-Populistin!
Böse: Der Rassismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ich meine den alltäglichen Rassismus – und gegen den kämpfe ich tatsächlich. Check your Privilege! Und deswegen bin ich, obwohl verbeamtet, eigentlich in der Position eines Widerstandskämpfers gegen eine dumpfe Volksseele.
Guth: Heute haben Sie vergessen Ihre Fieberkurve zu messen. Vermutlich deswegen fallen Sie auf den Unsinn, den Sie hier stramm verkünden, rein und glauben zu allem Überfluss auch noch an das, was Sie sagen.
Böse: Sie sind, ehrlich gesagt, ein ganz schön abgewichster Typ.
Guth: Wenn einer in Afrika sein Dorf verlässt, nachdem seine ganze große Familie das Vermögen zusammen gebracht hat, das der Flüchtling den Schlepperbanden bezahlen muss, wenn er die nordafrikanischen Staaten mit den dortigen sehr speziellen Verhältnissen durchquert hat, und immer noch Bargeld (?) bei sich hat und einen Koffer(?), um sich zu ernähren, zu kleiden und die Bootspassage übers Mittelmeer zu bezahlen…
Böse: Ja, was dann??
Guth: Dann kommen wir endlich zum Thema der von Ihnen notorisch verlangten Empfangskultur, die Sie den Deutschen – frei aus dem Nichts – abnötigen. Und in dem Zusammenhang meinen sie mit den Deutschen die eingeborenen Deutschen – leicht rassistischer Anflug, merken sie noch was? – die Sie endgültig und für immer erziehen oder wie manche sagen, umerziehen wollen. Oder wie andere sagen, denen sie das Deutschsein austreiben wollen.
Böse: Jetzt werden Sie aber paranoid!
Guth: Na, klar, Paranoia muss wohl im Spiel sein. Und Sie vergessen das beliebte Wort “Verschwörungstheorie”. Doch schon etwas Schaum vor dem Mund, Frau Böse?
Böse: So können wir nicht weiter diskutieren, beim besten Willen nicht.
Guth: Sie haben den Begriff “Paranoia” nicht verstanden. Wenn sich eine kleine Minderheit hinstellt und sich als politisch links, grün, korrekt anheischig macht hinter jedem deutschen Busch in diesem unserem Lande einen eingeborenen deutschen Rassisten auszumachen, dann ist genau das die “Paranoia”, die zum Gesellschaftsspiel geworden ist. Sie werden ihre Paranoia nicht los, in dem sie diese, ihre Paranoia, versuchen anderen anzukleben. Das Wort “Willkommenskultur”…

Böse: Schön, dass Sie zum Thema zurückfinden.
Guth: Das Wort “Willkommenskultur” ist ein ideologischer Kampfbegriff, in dem die Schizophrenie der Gesellschaft oder das verdrehte Koordinatenkreuz perfekt, wenn auch verkannt, sichtbar wird.
Böse: Wie meinen?
Guth: Falls Sie es nicht verstanden haben, wiederhole ich es gern.
Böse: Um Gottes Willen, tun Sie das Niemandem an!
Guth: Willkommenskultur, Gastfreundschaft. Das ist einfach toll! Eine Verpflichtung, dass sich irgendjemand willkommenskulturell oder gastfreundschaftlich verhält, lässt sich dagegen beim besten Willen aus keinem Recht dieser Welt konstruieren. Es ist das Wesen von Altruismus, das er freiwillig ist.
Böse: Doch! Es gibt eine historische Begründung…
Guth: Immer erst nachdenken, bevor sie solche mainstreamigen Kampfbegriffe kritiklos nachplappern!
Böse: Wir brauchen die Willkommenskultur. Das ist eine Bringschuld.
Guth: Ach, der Deutschen, der Eingeborenen. Und woher haben sie das?
Böse: Ihr süffisantes Grinsen macht das, was Sie sagen, nicht besser. Sie sind eine Schande für Deutschland!
Guth: Seit einigen Jahren ist die Willkommenskultur der besseren Deutschen, die diese den schlechteren Deutschen oktroyieren wollen, mächtig en vogue.
Böse: Zu recht, wir müssen die Menschen…
Guth: Welche Menschen??
Böse: … moralisch verpflichten und sie so verstehen machen, dass wir alle Flüchtlinge, die hier kommen, aufnehmen müssen und sie integrieren müssen und dass das notwendigerweise bedeutet, dass die Deutschen….
Guth: Schon wieder die Deutschen!
Böse:Jawohl, Opfer bringen müssen.
Guth: Von „müssen“ kann keine Rede sein. Welche Opfer meinen Sie überhaupt genau?
Böse: Sie kennen ja die Klischees: erhöhte Kriminalität, Vergewaltigungen, Verslumung, Beschwerden von Anwohnern in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften, Entwertungen benachbarter Grundstücke. Ängste, die eigenen Kinder auf die Straße zu lassen, wo sich Flüchtlinge aufhalten usw. Und dann immer das Argument, die Flüchtlinge kosteten zuviel Geld. Ich sage nicht, dass es einfach ist, aber all diese „diffusen Ängste“ bringen uns nicht weiter.
Guth: Eine Verpflichtung zur Selbstaufgabe gibt es bereits naturrechtlich nicht. Im Gegenteil, jeder und jedes Volk hat das Recht und die Pflicht zur Selbstbehauptung.
Böse: Das Gespräch mit Ihnen wird unfruchtbar.
Guth: Also nochmal, welche Opfer konkret verlangen sie von Ihren Deutschen?
Böse: Es sind nicht meine Deutschen.
Guth: Einmal angenommen, eine einzige Ihrer deutschen Frauen wird von einem einzigen Flüchtling vergewaltigt, das kommt ja in Ihrem Kosmos kein einziges Mal vor, deshalb frage ich also nur hypothetisch: muss diese einzige deutsche Frau ihr Opfer für die Flüchtlingspolitik tragen, ertragen? Oder fällt diese Frage unter die große Omerta über katastrophale Fehlentwicklungen in der Integrations- und Flüchtlingspolitik?
Böse: Unerhört, man kann es nicht fassen!
Guth: Naja, wenn Bio-Deutsche bio-ausländische Deutsche verletzten, beleidigen, was schon bei einem falschen Blick der Fall sein kann, dann ist das Rassismusgeschrei sicher, während der umgekehrte Fall routiniert unterdrückt wird, um den Rechten, wie es heißt, nicht in die Hände zu spielen. Und um keine „diffusen Ängste“ zu schüren, die sie eben schon sehr schön präsentiert haben.
Böse: Warum thematisieren sie Ausländerkriminalität, die von Niemandem geleugnet wird, überhaupt? Schließlich unterscheidet sich Ausländerkriminalität nach allen vorliegenden Erkenntnissen doch gar nicht von…
Guth: ….Eingeborenen-Kriminalität? Bei einer vermuteten Tatbeteiligung von Menschen mit ausländischen Wurzeln, ein toller Terminus, werden die Polizeibehörden gar nicht erst tätig, jedenfalls, wenn’s sich irgendwie vermeiden lässt, das ist die erste Manipulation der Kriminalstatistik. Und die zweite gängige offizielle, besser offiziöse Manipulation aller Kriminalstatistiken liegt in der Tatsache, dass Migranten mit deutschem Pass als deutsche Täter geführt werden, also in der Statistik nicht gesondert auftauchen. Nur, wenn auf der Opferseite ein Migrant mit deutschem Pass steht, wird zur Generierung einer rassistischen Tat die Herkunft des Opfers herangezogen.
Böse: Alles Unsinn! Ein großer Unfug!
Guth: ….und wenn die Täter Menschen mit ausländischen Wurzeln ohne deutschen Pass sind, dann gibt es gar keine Zeitungsmeldung oder nur eine ganz kleine Zeitungsmeldung und überhaupt keine Statistik. Von einigen krassen Fällen, die es ausnahmsweise in die Medien schaffen, abgesehen.
Böse: Damit müssen wir leben…
Guth: Das sagen Bundespräsident und Bundesregierung auch, allerdings meinen die nicht, wir, sondern sie meinen, dass die Opfer damit leben müssen. Und das nenne ich zynisch.
Böse: Einzelfälle sind ungeeignet, dass man sie hochrechnet.
Guth: Was ein Einzelfall ist, muss man im Kontext offenbar noch definieren.
Böse: Hören sie auf!
Guth: Einzelfälle eingeborener Kriminalität gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln werden von Politik, Medien und Justiz immer aufgegriffen, hochgerechnet und als mindestens latent rassistisch lautstark gegeißelt.
Böse: Kriminalität ist immer die individuelle Tat. Sie sind ein unangenehmer Diskutant!
Guth: Auf welchem Schwachmatenniveau die Kulturnation Deutschland die Themen Migration und jetzt Flüchtlingsaufnahme routiniert diskutiert, nervt.
Böse: Sie wollen doch in Wahrheit behaupten, dass die Menschen Angst hätten, ihre wahre Meinung gegen irgendeinen bösen Mainstream zu sagen!
Guth: Das haben Sie jetzt gesagt. Mich nerven Ängste und Verlogenheiten viel weniger als Dummheit und intellektueller Flachsinn. Und mich nerven jammernde Feiglinge!
Böse: Wollen Sie mir Dummheit unterstellen?
Guth: Achso (grinst)… Bis jetzt ist die Migrationspolitik in Deutschland und überall in Europa gescheitert, von punktuellen positiven Entwicklungen abgesehen. Die Migration kostet mehr Geld, als sie einbringt. Und das Anwerben der dringend benötigten ausländischen Fachkräfte funktioniert so auch nicht. Und dem Fachkräftemangel könnte man auch durch bessere Bildung hierzulande begegnen, aber die Bildung wird derzeit breit getreten, flach gemacht und ins Bodenlose nivelliert. Und es werden ideologisierte Klugscheißer erzeugt, die alles über Willkommensunkulturen wissen. Und die frei von Sachkenntnis immer genau wissen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Schauen Sie sich mal die hochideologisierte und auf Indoktrination angelegten Kinderkanal-Sendungen oder Kinder-Nachrichten oder Nachrichten von Kindern für Kinder an.
Böse: Pädagogisch wertvolle Weichenstellungen für das ganze Leben! Ich werde Sie als den Bösen entlarven, über den Sie sich hier so lustig machen. Sagen Sie doch mal konkret, wie Sie die deutsche Bevölkerung zur Einsicht und zur aktiven Hilfe für die Flüchtlinge bringen wollen. Politiker müssen den Mut aufbringen sich „auch mal gegen Stimmungen“ zu stellen.
Guth: Ja, wenn Politiker das Faktenwissen, die Weisheit und die Moral mit Löffeln gefressen haben und das Volk eine verderbte, amorphe Masse ist, dann mag es eine höhere Form von Demokratie sein, wenn diese Politiker das Volk auch mal zwingen, zum Beispiel “Opfer zu bringen.” Von diesem Politikertypus ist zurzeit nichts in Sicht und dann halten wir uns doch lieber an die Verfassung und die sieht vor, dass die Menschen, auch sie und ich, der oberste Souverän sind.
Böse: Ja, aber nun machen Sie doch Ihren konkreten Vorschlag, wie das Flüchtlingsproblem ….
Guth: Problem?
Böse: ….gelöst werden kann.

Guth:Der australische Regierungschef rät Europa gerade, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen und keine weiteren Begehrlichkeiten in den Herkunftsländern zu wecken.
Böse: Empörend, der pure Rassismus. Menschenrechtsverletzung.
Guth: Der australische Vorschlag ist ein eigenes Thema, aber Sie fragen mich nach meinem konkreten Vorschlag, die unbefriedigende Situation der Flüchtlingspolitik zu verbessern, und ich sage Ihnen, es muss eine Ankommenskultur, eine Kultur des Ankommenwollens her. Das Muss, das einseitige Muss, was die eingeborenen Deutschen, die zur kleineren Parallelgesellschaft in dieser Gesellschaft werden, alles müssen, das ist der Kardinalfehler der gescheiterten Migrationspolitik und jetzt der Flüchtlingspolitik.
Böse: Das ist ja …
Guth: Wenn ein Flüchtling nicht nach Deutschland will, sich nicht integrieren will oder kann…..
Böse: Dann hat er wohl nach ihrer Meinung keinen Anspruch auf unsere Willkommenskultur haben? Aber was für ein Unsinn! Die Flüchtlinge, die hierher kommen beweisen doch durch ihr Herkommen, dass sie hier aufgenommen werden und hier leben wollen.
Guth: Tja, jetzt wird’s etwas komplexer, das ist etwas für Durchblicker.
Böse: Wollen Sie mir den Durchblick abstreiten?
Guth: Wer keinen Durchblick hat, dem kann man den Durchblick nicht abstreiten.
Böse: Bleiben Sie sachlich!
Guth: Allein aus der Tatsache, dass ein Flüchtling hierher kommt, lässt sich sein positiver Wille, sich hier in die Gesellschaft positiv einzufügen, mitnichten entnehmen. Klar, hier Big Kohle empfangen, nach kurzer Zeit perfekt angezogen aus dem Sporthaus heraus zu spazieren und ein Smartphone neueste Generation, das man noch nicht bedienen kann, sein eigen nennen, ist eine feine Sache.
Böse: Sie phantasieren!
Guth: Gehen Sie einfach zu Fuß durch die Innenstädte des Landes und hören Sie auf selektiv zu sehen!
Böse: Ich kann es nicht fassen, ich habe es nicht für möglich gehalten, bis ich Sie jetzt reden höre, dass es so etwas in Deutschland gibt….
Guth: Kriegen Sie sich wieder ein! Mit dieser an allen Ecken und Enden neuerdings geheuchelten Empörung, wie schlimm alle seien, die den Flüchtlingen nicht entgegengingen, offenbaren Sie den ideologischen Ansatz Ihrer Kaste und die pure Mainstreamkompatibilität, die das wahre ungute Motiv ist.
Böse: Mein Einsatz ist Hilfe für die verängstigten Menschen, die hierher kommen. Mit dem Ansatz muss ich mich nicht verstecken. Das sind Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, die traumatisiert sind, und da ist bedingungslose Hilfe, hier und sofort, angesagt.
Guth: Was Sie alles so wissen…Seltsam, dass Sie bei so viel Wissen die Realität nicht kennen oder, wie ich in Ansehung Ihrer Motive vermute, verdrängen! Ein Mensch, der hierher kommt und sagt, ich bin Flüchtling, muss sein persönliches Angebot an diese Gesellschaft machen. Einbahnstraßen sieht das Leben nicht vor. Kurzfristig muss man gelegentlich auch Einbahnstraßen befahren, aber die sind kurz. Ein Flüchtling, der hierher kommt, muss seinen Angebotswillen mitbringen und in die Tat umsetzen! Da ist die Bringeschuld, von der Sie eben sprachen, richtig. Oder im wahrsten Sinne des Wortes Mitbringeschuld desjenigen, der hierher kommt.
Böse: Hört, hört!
Guth: Das Pendant zur höchst freiwilligen Willkommenskultur ist die Bringeschuld hier auch wirklich aktiv und integrativ leben zu wollen. Diese Verpflichtung der Flüchtlinge ist in der deutschen Flüchtlingspolitik schlechterdings nicht existent. Da wird den Menschen von Oben gesagt, jaja, ihr habt eure Ängste ihr Dummerchen, aber diese Ängste sind Rassismus und jetzt Maul halten und Willkommenskultur machen!
Böse: Ich bin sprachlos.
Guth: Ihr willkommenskulturelles Konstrukt hat mit Logik nichts zu tun und ist wenig hilfreich. Flüchtlinge, die oft aus regelrecht anderen Jahrhunderten plötzlich hierher kommen und auf lange Sicht ein Kostenfaktor für die Gesellschaft sind, werden an jeder Integration und jedem Integrationswillen gehindert. Die Flüchtlinge permanent mit dem Gefühl zu versorgen, dass sie unterversorgt seien und dass die bösen Deutschen, die Eingeborenen, ihnen feindselig gegenüber stünden und denen einzureden, dass sie vor diesen Deutschen geschützt werden müssten, und dass die Deutschen sich den kulturellen und sonstigen Besonderheiten der Flüchtlinge anzupassen hätten, ist eine Politik, die auf Vernichtung jedes Integrationswillens der Flüchtlinge angelegt ist. So ist es ja auch kein Wunder, dass man die Flüchtlinge den gesellschaftszerstörerischen, linksradikalen Kräften überlässt, die aus Analphabeten noch am Tag ihrer Ankunft hier bestinformierte „Demonstranten“, Schulbesetzer, Verlanger usw. macht, mit den teuersten Anwälten, die die Flüchtlinge nicht bezahlen müssen, ausgestattet.
Böse: Ja, aber …
Guth: Nix, aber..
Böse: Die Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen aus der Mitte der Gesellschaft, eben der alltägliche Rassismus ist evident.
Guth: Über bloß behauptete Evidenzen unterhalte ich mich nicht.
Böse: Nochmal, wir brauchen eine Willkommenskultur. Das ist die Basis und in der Tat wird es eine Epoche geben, in der wir noch sehr viele Flüchtlinge werden aufnehmen müssen. Und angesichts dieser Tatsache sind wir zum Erfolg verdonnert, und nach dem zweiten Weltkrieg haben wir in der Bundesrepublik…
Guth: Wir? Meinen Sie sich selbst?
Böse: … 12 Millionen Flüchtlinge aus dem Osten aufgenommen.
Guth: Mit der Nummer ist der famose Bundespräsident Gauck schon gekommen. Das war sehr undurchdacht.
Böse: Nein, das war genau das richtige Beispiel.
Guth: Das war genau das Beispiel, das bei vernünftiger Betrachtung belegt, dass die derzeitige Flüchtlingsideologie auf dem Holzweg ist.
Böse: Ihr Ansatz den Flüchtlingen ein Ankommenwollen abzuverlangen, ist menschenverachtend, zumal die Flüchtlinge nichts sehnlicher wollen, als hier zu sein und dabei zu sein. Die Flüchtlinge brauchen uns und wir werden uns nicht verweigern. Sie müssen umdenken, wir alle müssen umdenken. Es werden noch viele Millionen Flüchtlinge kommen.
Guth: Umso wichtiger ist die Kultur des Ankommenwollens der Flüchtlinge. Nicht physisch, sondern gesellschaftlich, wirtschaftlich und menschlich. Migranten und Flüchtlinge nicht herausfordern, nicht provozieren, sie zu tolerieren, sie zu akzeptieren, sie zu finanzieren, ihnen nicht die eigene Kultur aufzuzwingen. Die Armut der eigenen Kultur und den Reichtum der fremden Kulturen, die es zu erhalten und die es auch noch in nachfolgenden Generationen zu fördern gilt, siehe Doppelpass, zu erkennen. Diese antideutsche Perversion der herrschenden Klasse hat sich verselbständigt. Darin liegt der Grundfehler, dass die Integrationspolitik nicht funktioniert.
Böse: Hören Sie auf mit dem Gelaber! Die Deutschen müssen zurückschrauben, Sie müssen Opfer bringen, wie es jüngst Ministerpräsident Thorsten Albig aus Schleswig Holstein gesagt hat, das liegt nunmal in der Natur der Sache. Da gibt es keinen Platz für dumpfe Ängste in der Bevölkerung. Da kommen schließlich keine Kriminellen, sondern verängstigte Flüchtlinge.
Guth: Das Thema Kriminalität klammern wir doch jetzt wohl besser aus.
Böse: Sitzen wir hier am Stammtisch?
Guth: Sie machen mir so den Eindruck! Der große Stammtisch heißt „politische Korrektheit“ und der zwingt die Leute, sich selber zu verbiegen und zu verrenken, und belohnt die Leute dafür mit besten Karrierechancen.
Böse: Die Willkommenskultur ist alternativlos!

 

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/fluechtlinge-miniroecke-und-deutsche-willkommenskultur/

 

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Ich danke Ihnen, dass sie heute hergekommen sind, um mit mir zu feiern. Wie Sie sich denken können, ist die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an mich nur ein kleiner Schritt vorwärts für die Menschheit, aber ein großer Schritt für mich in Richtung der Hall of Fame der großen Geister. Ich sage das in aller Unbescheidenheit und im vollen Bewusstsein, dass es zum guten Ton und zum Ritual solcher Feiern gehört, sich verwundert und überrascht zu zeigen, dass es nicht einen anderen erwischt hat, einen, der es viel mehr verdient hätte.

SPIEGEL- und SPIEGEL-ONLINE-Autor Broder: "Ich weiß, ich bin ein Glückskind"

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SPIEGEL- und SPIEGEL-ONLINE-Autor Broder: „Ich weiß, ich bin ein Glückskind“

Sogar Kardinal Ratzinger hatte vor seiner Wahl zum Papst den Allmächtigen angefleht, er möge den Kelch an ihm vorbeigehen lassen. Nein, ich finde, Helmut Markwort hat die richtige Wahl getroffen.

Je länger ich darüber nachdachte, worüber ich heute reden sollte, umso klarer wurde mir, dass es umso besser wäre, je weniger ich sagen würde. Ich könnte, wie vor kurzem beim Münchener Amtsgericht, vor sie hintreten, ein paar Angaben zur Person machen, ansonsten die Aussage verweigern und den Rest meinen Anwälten überlassen, die heute hergekommen sind, um mich vor Dummheiten zu bewahren.

Grüß Gott, Herr Gelbart; schön, dass Sie da sind, Herr Hegemann. Aber das wäre langweilig, und Dummheiten zu begehen macht viel mehr Spaß, als Dummheiten aus dem Weg zu gehen. Und deswegen möchte ich doch die Gelegenheit nutzen und etwas sagen, auch auf die Gefahr hin, mir eine Blöße zu geben und unsouverän zu erscheinen.

Ich werde in zwei Monaten einundsechzig. Ich kam vor fünfzig Jahren mit meinen Eltern nach Deutschland, ich schreibe seit vierzig Jahren. Ich bin ein Bundesbürger mit Migrationshintergrund, ein Beutedeutscher. Meine Eltern haben den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust überlebt; als ich 1990 nach Berlin kam, war die Mauer schon gefallen, die Glienicker Brücke frei begehbar und der Potsdamer Platz noch eine Brache.

Ich weiß, ich bin ein Glückskind. Ich habe noch jeden Charterflug überlebt, letztes Jahr einen Bestseller geschrieben und eine Tochter, die soeben das Abitur gemacht hat – mit einer Note, die mich an meiner Vaterschaft zweifeln lässt.

Und doch verspüre ich immer öfter ein leises Unbehagen, sobald ich mein Arbeitszimmer verlasse und mich in die Welt begebe, und sei es nur zum Zeitunglesen ins Café Einstein. Es ist kein Katzenjammer, der aus dem Überfluss resultiert, kein Weltschmerz, der sich sich selbst genügt, es ist das Gefühl: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?

Von Oskar Panizza stammt der Satz: Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft. Und diese Art von irrer Vernunft scheint allgegenwärtig. Wie finden Sie es, dass der Umweltminister Sigmar Gabriel demonstrativ Bahn fährt – nur um seinen Fahrer samt Dienstwagen zum Einsatzort nachreisen zu lassen? So kreuzen der Minister und sein Dienstwagen kreuz und quer durch die Republik, jeder für sich und doch vereint in dem Bemühen, die Umwelt zu schonen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Und keiner lacht.

Ist es nicht seltsam, mit welcher Heftigkeit das Für und Wider der neuen Frisur von Ursula von der Leyen debattiert wurde? Und wenn man die Diskussionen um die Nachfolge von Sabine Christiansen und Anne Will verfolgte, musste man zu dem Schluss kommen, dass es nicht um die Besetzung zweier Fernsehsendungen, sondern eine Neuregelung der Erbfolge im Hause Habsburg ging.

Ich versuche zu verstehen, warum eine Raketenabfanganlage, die von den Amerikanern in Tschechien gebaut werden soll, den Menschen Angst macht und die Politiker von einer Wiederbelebung des Kalten Krieges phantasieren lässt, während die Tatsache, dass Iran sich zur Atommacht erklärt hat, so gelassen wie ein unvermeidliches Naturereignis hingenommen wird. Es gab keinen Aufschrei der Empörung, als der Direktor des Hamburger Orient-Instituts vor kurzem erklärte, falls Iran wirklich nach Atomwaffen strebe, dann nur deshalb, um mit dem Westen auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können. Teheran gehe es darum, endlich respektiert zu werden.

Europa müsse keine Angst haben, sagte der bekannte Nahost-Experte, Europa wäre „sicher das letzte Ziel, das Iran einfallen würde, falls es wirklich aggressive Absichten verfolgen sollte“. Eine Atommacht Iran wäre nur „für seine Nachbarn“ ein Problem, „für eine säkulare Türkei und natürlich für Israel“, aber Europa, das gute alte Europa, müsse sich „von Iran in keiner Weise bedroht fühlen“.

Vermutlich geht der Mann davon aus, im Falle eines iranischen Atomangriffs auf die Türkei oder auf Israel würde sein Orient-Institut vom atomaren Fallout verschont bleiben, weil er immer so nett und respektvoll über die Mullahs und deren Politik gesprochen hat. Diese Art von Entgegenkommen scheint effektiver und preiswerter zu sein als jeder Raketenschutzschild. Alternativ dazu könnte man auch den Experten selbst als Abwehrwaffe aufbauen, auf einem freien Feld irgendwo in der Lüneburger Heide oder in der Mark Brandenburg, wo er sich dann mit weit ausgebreiteten Armen den anfliegenden iranischen Raketen entgegenstellen und rufen würde: „Verschont uns! Wir sind die Guten!“

Das sind die Momente, in denen ich mich wirklich frage: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen? Und wenn es dann auch noch heißt, das Existenzrecht Israels sei nicht verhandelbar, es stehe nicht zur Disposition, höre ich aus solchen Zusicherungen das Gegenteil heraus.

Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Nachbar Ihnen jeden Tag versichern würde, er habe nicht vor, Sie umzubringen, Ihre Frau zu vergewaltigen und hinterher Ihr Haus abzufackeln? Die meisten von Ihnen würden das Problem vermutlich ignorieren, einige besonders Mutige würden den Nachbarn zu einem therapeutischen Gespräch einladen, sich von seiner schweren Kindheit berichten lassen und ihn davon zu überzeugen versuchen, dass man mit Gewalt keine Probleme lösen könne.

Und genau das ist es, was derzeit in Europa passiert. Alle wissen, es gibt ein Problem. Keiner weiß, wie man es lösen könnte. Also wird es entweder ignoriert, oder man sucht nach einem therapeutischen Ansatz, um wenigstens etwas Zeit zu gewinnen. Der Mann in Teheran, der sich eine „World without Zionism“ wünscht, der den letzten Holocaust leugnet und den nächsten plant, der sei doch nur ein Angeber und Wichtigtuer, ein Verbalradikaler, der sich mit markigen Sprüchen gegen seine Konkurrenten daheim zu profilieren versuche. Er meine es nicht so, und falls er doch an einer Atombombe baue, werde diese frühestens in drei bis fünf Jahren fertig sein. Kein Grund also, beunruhigt zu sein, zumal im schlimmsten aller Fälle es nur die säkulare Türkei und „natürlich Israel“ erwischen würde.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/henryk-m-broder-toleranz-hilft-nur-den-ruecksichtslosen-a-490497.html

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Es war abzusehen, dass die Bereitschaft, Flüchtlinge willkommen zu heißen, sich umgekehrt proportional zu der Zahl derjenigen entwickeln würde, die darauf hoffen, in Deutschland aufgenommen zu werden. Angesichts der jüngsten Prognosen des Innenministers, der mit 800.000 Antragstellern in diesem Jahr rechnet, klingen die Zusicherungen, wir wären „gefordert, aber nicht überfordert“, zunehmend hohl.

Da ist ein Bürgermeister, der leer stehende Gebäude beschlagnahmen will, um sie zu Flüchtlingsheimen umzubauen, auch gegen den Widerstand der Besitzer. Ein Ministerpräsident möchte die Flüchtlinge im verödeten Osten ansiedeln, ein anderer schlägt vor, die Schutzsuchenden nach „Ethnien“ zu separieren, um Konflikte in den „Aufnahmeeinrichtungen“ zu vermeiden. Sunniten und Schiiten, Kurden und Jesiden, Afghanen und Iraker, Äthiopier und Eritreer. Eine Aufgabe, an der auch Experten, die immer wieder behaupten, den „einen Islam“ gebe es nicht, scheitern müssten.

Dann sind da noch diejenigen, die Albanien, Montenegro und das Kosovo zu „sicheren“ Herkunftsländern erklären wollen, wohl wissend, dass sie damit keinen Albaner, keinen Montenegriner und keinen Kosovaren von der Flucht abhalten würden. Es geht nur darum, die Abschiebeverfahren zu vereinfachen.

Die neue Fremdenfreundlichkeit

Den Bürokraten, die glauben, jedes Problem auf dem Verwaltungsweg lösen zu können, stehen die Gutwilligen gegenüber, die jedem Flüchtling erlauben würden, sofort nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik eine Arbeit anzunehmen. Integration durch Beschäftigung mag in der Theorie eine gute Idee sein, in der Praxis taugt sie so viel wie die Verteilung von „Bildungsgutscheinen“ an die Angehörigen bildungsferner Schichten. Welche Arbeit sollen die Flüchtlinge, bitte schön, denn annehmen?

Als Tellerwäscher bei McDonald’s, Fremdenführer in Neukölln, Türsteher in Duisburg-Marxloh? Unqualifizierte Arbeitslose haben es jetzt schon schwer, irgendeinen Job zu finden, der ihnen ein Existenzminimum garantiert, und der Arzt aus Syrien, der uns immer wieder in den „Tagesthemen“ und dem „Heute Journal“ als Vorbild präsentiert wird, müsste erst einmal eine Weile nachsitzen, bevor er in einem Krankenhaus Patienten behandeln darf. Kein Mensch wird sich, nur um seine Fremdenfreundlichkeit zu demonstrieren, den Blinddarm oder die Mandeln von einem Arzt rausnehmen lassen, mit dem er sich nicht in einer Sprache unterhalten kann, die beiden geläufig ist.

Was wir derzeit importieren, sind nicht nur „ethnische“, also kulturelle und religiöse Konflikte, sondern, um mit Marx zu reden, auch eine „industrielle Reservearmee“, für die es keine Beschäftigung gibt und keine geben wird, das Lumpenproletariat von morgen und übermorgen. Was unser Urteilsvermögen trübt, sind die Bilder, die wir täglich sehen: von der griechisch-mazedonischen Grenze, aus Calais am Ärmelkanal, aus Freital und Heidenau in Sachsen.

Wer angesichts solcher Bilder kein Mitleid empfindet, der hat kein Herz, wer aber nur Mitleid empfindet, von dem er sich mit einer Spende befreit, der hat keinen Verstand.

Was Flüchtlinge kosten

Wir brauchen Einwanderung, so tönt es von allen Seiten, weil wir nicht genug Facharbeiter haben. Und weil die demografische Entwicklung nichts Gutes verheißt. Was aber verheißt eine demografische Entwicklung, deren Folgen wir heute schon in den „sozialen Brennpunkten“ und No-go-Vierteln der Städte studieren können?

Leider hat das Argument, die Einwanderer würden uns „bereichern“, inzwischen ausgedient. Bund, Länder und Gemeinden streiten darüber, wer und in welchem Umfang für die Kosten der Einwanderung aufkommen soll. Allein in diesem Jahr könnten es rund zehn Milliarden Euro werden. Peanuts, verglichen mit den Summen, die in Griechenland versenkt wurden. Man sollte nur wissen, dass die Betreuung eines minderjährigen Zuwanderers 60.000 Euro pro Jahr kostet, das ist mehr, als ein Facharbeiter im Jahr verdient.

Der Jugendliche bekommt nur ein Taschengeld, von dem er Zigaretten und Prepaid-Karten für sein Mobiltelefon kaufen kann. Der Rest verteilt sich auf den Ankauf von Wohncontainern, die Anmietung von Wohnungen und Häusern, den Unterhalt sozialer Netzwerke, die sich um die alleinstehenden Jugendlichen kümmern.

Ein deutsches Paradies?

Rund um die Bedürfnisse und Nöte der Migranten ist eine Industrie entstanden, die kaum in der Lage ist, die Nachfrage zu befriedigen. Die Hersteller von Zelten und Schlafsäcken kommen mit der Produktion nicht nach, pensionierte Beamte müssen reaktiviert werden, private Wachdienste suchen neue Mitarbeiter, gemeinnützige Vereine übernehmen die Aufgaben der Sozialämter.

Wer eine heruntergekommene Bruchbude sein Eigen nennt, bietet sie der Stadtverwaltung als Notunterkunft an. Praktizierte Nächstenliebe hat ihren Preis.

Und weil all das nicht reicht, lassen die Medien immer öfter Migranten zu Wort kommen, die nicht dankbar, sondern enttäuscht sind. So habe er sich Deutschland nicht vorgestellt, klagte vor Kurzem ein Syrer bei der „Welt“, der kein Wort Deutsch und nur sehr gebrochen Englisch sprach. Wie dann, ist man versucht zu fragen, wie dann? Ein Paradies, in dem Milch und Honig fließen, die Menschen ihr Geld im Schlaf verdienen und nur darauf warten, ihren Wohlstand mit Millionen von Flüchtlingen zu teilen?

Freundliche Helfer allerorten

Daran, dass ein solcher Eindruck überhaupt entstehen konnte, sind „wir“ nicht unschuldig. Spätestens seit dem „Sommermärchen“ von 2006 präsentiert sich Deutschland gerne als ein Land, in dem mehr gefeiert als gearbeitet wird. Gastfreundlich, tolerant, weltoffen und – reich. Ein Tischleindeckdich mit angeschlossenem Cateringservice.

Es ist noch nicht lange her, da hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen 17 Minuten langen Infofilm über „Das deutsche Asylverfahren“ produziert und auf seiner Homepage online gestellt. Der Protagonist ist ein junger Iraker, der in Deutschland Asyl beantragen möchte, weil er in seiner Heimat verfolgt wurde.

Wie und warum, bleibt ungesagt. Mit einem Koffer in der Hand steht er eines Tages vor einer „Aufnahmeeinrichtung“ für Flüchtlinge, allein auf weiter Flur. „Endlich angekommen“, sagt er, „ich bin gespannt, was mich hier erwartet.“ Eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration geht auf ihn zu und sagt: „Guten Morgen, wie kann ich Ihnen helfen?“ Und so geht es weiter. Überall, wo der junge Mann hinkommt, wird er von freundlichen Helfern im Empfang genommen, die ihn individuell und liebevoll betreuen. Eine Geschichte, die Claus Kleber garantiert zu Tränen rühren würde.

Der aufwendig hergestellte Film wurde in neun Sprachen synchronisiert, unter anderem Albanisch, Arabisch, Serbisch und Paschtu, und mit Mitteln aus einem EU-Fonds gefördert.

Wer das Werk gesehen hat, der kann gar nicht anders, als sich sofort auf den Weg nach Deutschland zu machen. Wo ihn eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit dem Satz begrüßen wird: „Es tut uns sehr leid, wir haben wegen Überfüllung geschlossen.“

http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article145576852/Wer-nur-Mitleid-empfindet-der-hat-keinen-Verstand.html

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Eine Welle der Wut ist über das sonst so gutmütige Schweden hereingebrochen. Nach einem Doppelmord in einem IKEA-Möbelhaus in Västerås, bei dem ein illegaler Einwanderer zwei zufällig anwesende Schweden erstach, stellen immer mehr Leute die Frage, warum die Regierung die schwedischen Bürger Mördern aus aller Welt aussetzt.

Es war am 10. August, als die Nachricht von den IKEA-Morden Schweden schockierte. Zwei Asylbewerber aus Eritrea (dem zweithäufigsten Herkunftsland von Asylbewerbern, die nach Schweden kommen) werden beschuldigt, sich in der Küchenabteilung von IKEA Messer genommen und damit zwei zufällig anwesende Schweden angegriffen zu haben. Die Opfer sind die 55 Jahre alte Carola Herlin und ihr 28-jähriger Sohn Emil.

Carola Herlin, Leiterin des Gesundheitszentrums der Stadt Morö Backe, wurde am 10. August zusammen mit ihrem Sohn im IKEA-Möbelhaus in Västerås, Schweden, ermordet.

Dem älteren der beiden Asylbewerber, einem 36 Jahre alten Mann, war in Schweden zweimal die Aufenthaltsgenehmigung verweigert worden – weil er schon eine für Italien besitzt –, doch war er noch nicht abgeschoben worden. (Eritreer, die in keinem anderen EU-Land eine Aufenthaltsgenehmigung haben, erhalten diese in Schweden automatisch.)

Auch sich selbst fügte der Täter lebensbedrohliche Verletzungen zu und musste mehrmals operiert werden, bevor die Polizei ihn befragen konnte. Am 14. August gestand er. Sein 23 Jahre alter Landsmann wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, weil die Polizei nicht mehr annimmt, dass er irgendetwas mit den Morden zu tun hatte oder wusste, was sein Freund geplant hatte.

Jetzt hat Angst die Schweden erfasst. Selbst jene, die Kritiker der Einwanderung und des Multikulturalismus stets als Rassisten gebrandmarkt hatten, sind zutiefst erschüttert. Eine Welle von Fragen schwappt in die sozialen Medien: Wer sind diese Leute, die man nach Schweden hineinlässt? Wie viele von ihnen sind keine unschuldigen Kriegsopfer, sondern in Wahrheit Kriegsverbrecher und andere Kriminelle, die sich unter den Flüchtlingen verstecken? Und sollten wir Milliarden an Steuern zahlen, um Bürger anderer Länder zu unterstützen und zu beherbergen, während einige von ihnen versuchen, uns umzubringen?

Dass die Polizei sich weigert, das hartnäckige Gerücht zu dementieren, wonach eines der IKEA-Opfer enthauptet wurde, schürt die Ängste noch weiter.

So viele Fragen und keine Antworten. Kein Regierungsmitglied hielt es für nötig, eine Erklärung zu dem schrecklichen Doppelmord abzugeben. Kein Organ der Mainstreammedien hat die Regierung mit den von Asylsuchenden an Schweden verübten Gewaltverbrechen konfrontiert. Im Gegenteil haben die Medien alles ihnen Mögliche getan, um die Schweden davon zu überzeugen, dass in Schweden alles gut und sicher sei – besser denn je. Am Tag nach dem Doppelmord veröffentlichte Schwedens größte Morgenzeitung, Dagens Nyheter, einen Artikel mit der Überschrift „Trotz allem – tödliche Gewalt rückläufig„. Der Beitrag fängt so an:

„In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche brutale Morde verübt, und viele Leute fragen sich, in welche Richtung sich diese Gesellschaft bewegt. Die Antwort ist, dass Schweden trotz allem zu einem sichereren Ort geworden ist. Schon seit einiger Zeit geht die tödliche Gewalt zurück.“

An keiner Stelle erklärt der Artikel, dass der Grund, weshalb tödliche Gewalt rückläufig ist, der ist, dass die Notfallmedizin heutzutage in der Lage ist, die Leben von viel mehr Opfern zu retten, die mit Stich- und Schusswunden eingeliefert werden. Nehmen wir das Beispiel des sogenannten „Lasermanns„, der in den 1990er Jahren in Schweden mit einer Schusswaffe auf Einwanderer feuerte. Der Gerichtspathologe Jovan Rajs sagt: „Der Lasermann schoss auf elf Menschen, von denen einer starb. In den 1930er Jahren wären acht oder neun gestorben, in den 1970er Jahren etwa fünf und heute wahrscheinlich keiner von ihnen.“

Es ist also Schwedens verbessertem Gesundheitssystem zu verdanken, dass die tödliche Gewalt konstant bleibt – alle anderen Arten von Gewaltverbrechen (versuchter Mord inbegriffen) sind hingegen explodiert. Seit 1975, als das schwedische Parlament beschloss, das vormals homogene Schweden in ein multikulturelles Land umzuwandeln, haben Gewaltverbrechen um 300 Prozent zugenommen, Vergewaltigungen um 1.472 Prozent.

Neunzig Prozent der Asylsuchenden in Schweden haben keine gültigen Ausweise, so dass niemand weiß, wie viele Mörder, Vergewaltiger und sonstigen Gewaltverbrecher sich unter den gut hunderttausend Menschen verstecken, denen pro Jahr in Schweden Asyl gewährt wird.

Ohnmächtig brüllen frustrierte Schweden nun in alternativen Medien ihren Zorn heraus. Die normale demokratische Ordnung, in der Bürger sich an Politiker oder die Medien wenden können, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen, ist in Schweden fast völlig verschwunden. Die Websites von Zeitungen haben die Leserkommentarspalten entfernt, und die Politiker verschanzen sich hinter einer Mauer von Mitarbeitern, die Anrufer, die ihre Sorgen zum Ausdruck bringen, als „Rassisten“ brandmarken und dann auflegen. Tausende beschreiben diese Erfahrung auf Facebook. Eine Person, der es tatsächlich gelungen ist, über ihre Sorgen zu sprechen, ist Ewa, die auf Facebook davon berichtet, wie sie die Einwanderungsbehörde angerufen hat:

„So, nun habe ich das Höllentor aufgemacht. Ich habe die Einwanderungsbehörde angerufen und verlangt, mit dem Leiter zu sprechen. … Ich habe lang und breit von jeder Ungerechtigkeit erzählt, die mir in den Sinn gekommen ist, etwa davon, wie schlecht wir unsere alten Menschen behandeln und wie wir ihnen ihre Häuser wegnehmen, um sie Asylbewerbern zu geben. Ich habe ihm auch erzählt, wie unsicher sich schwedische Frauen angesichts all der von Asylbewerbern und anderen Ausländern verübten Gruppenvergewaltigungen fühlen. Habe ihn auch gefragt, ob wir erst alle enthauptet werden müssen, bevor sie aufhören, diese Art von Leuten aufzunehmen. … Jetzt sitze ich hier und fühle mich völlig leer nach all dem Weinen, Schreien, Diskutieren, Schimpfen und nachdem ich all die Frustration aus mir rausgelassen habe. Habe ihm erzählt, dass es viele von uns gibt, die sich depressiv fühlen wegen all dessen, was die Einwanderung anrichtet. Es hat ihm sehr leid getan, dass es mir so geht. Ja, habe ich zu ihm gesagt, eine Menge Leute fühlen sich so, aber haben Angst davor, den Mund aufzumachen, weil sie dann als Rassisten bezeichnet werden. Man muss kein Schwedendemokrat sein, um zu sehen, dass unser Land Tag für Tag mehr auseinanderfällt. Etwas, für das Sie und all die anderen Leute in der Einwanderungsbehörde verantwortlich sind. Wo werde ich Asyl beantragen, fragte ich ihn, wenn der Tag kommt, an dem ich hier nicht mehr länger leben kann? Unser Land ist wirtschaftlich und gesellschaftlich ruiniert, und Sie sind verantwortlich. Er antwortete, dass es die Politiker sind, die darüber entscheiden, dass sie aber alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um es besser zu machen.“

Eine andere Frau, Amanda, schreibt auf Facebook, dass sie eine E-Mail an Ministerpräsident Stefan Löfven geschrieben hat. Sie merkt an: „Nichts wird sich wohl ändern, aber zumindest habe ich meine Stimme hörbar gemacht.“ In ihrer E-Mail schreibt sie:

„Hallo, warum meinte der Ministerpräsident, dass es wichtig und dringend wäre, dass er über den Brand in der Moschee in Eskilstuna spricht, wo zum Zeitpunkt seiner Rede noch nicht einmal der Auslöser des Brands bekannt war? Aber jetzt schweigt er wie ein Grab. Warum? Es ist seine/Ihre uneingeschränkte und laxe Einwanderungspolitik, die es dem Täter erlaubte, sich frei in der Gesellschaft zu bewegen, obwohl er einen Ausreisebefehl erhalten hatte, nicht nur einmal, sondern zweimal. Können Sie mir sagen, ob das etwas ist, an das sich die Bürger dieses Landes gewöhnen sollten – dass Einwanderer, nachdem sie Ausreisebefehle erhalten haben, Menschen töten, damit sie einen lebenslangen Vertrag mit dem schwedischen Staat bekommen? Jedes Mal, wenn das passiert, sind Sie dafür verantwortlich, ich hoffe, Sie wissen das. Denn hier geht es um nichts anderes als um die Einwanderungspolitik und ihre massiven Folgen für eine ganze Nation.“

Der Brand in der Moschee in Eskilstuna, auf den Amanda sich hier bezieht, ereignete sich am 25. Dezember 2014 und ist einer der vielen Fälle, bei denen etwas, das Muslime und andere Immigranten betrifft, große Aufmerksamkeit erfährt, während die Vergewaltigungswelle, die es in Schweden gibt, weithin ignoriert wird. Nach dem Brand beeilte sich der Ministerpräsident, eine Erklärung abzugeben:

„Es ist abscheulich, eine abscheuliche Tat. Wir werden diese Art von Verbrechen niemals tolerieren. Menschen, die ihre Religion ausüben wollen, sollten das Recht haben, dies zu tun. Ich empfinde heute große Sympathie und Mitgefühl für die Betroffenen.“

Drei Monate später stellte sich heraus, dass kein Verbrechen hinter dem Brand in der Moschee steckte, die Polizei stellte die Ermittlungen ein. Der Brand ist wahrscheinlich von einem Kurzschluss ausgelöst worden oder von mit Feuer spielenden Kindern.

Wenn aber eine schwedische Frau und ihr Sohn im schwedischsten aller Orte – einem IKEA-Möbelhaus – brutal erstochen werden, hat der Ministerpräsident nichts dazu zu sagen.

Die Schweden neigen nicht zur Rebellion. Um einen Bürger zu finden, der zu den Waffen griff und sich gegen die Zitadellen der Macht wandte, muss man bis in die Zeit von Gustav Wasa zurückgehen – dem König, der während seiner von 1523 bis 1560 währenden Regentschaft den Nationalstaat Schweden gründete.

Obwohl das heutige Schweden kein besetztes Gebiet ist, wird es von einer Macht beherrscht, die den demokratischen Prozess durch das „Dezemberabkommen“ von 2014 außer Kraft gesetzt hat. Bei den Parlamentswahlen, die im letzten Jahr stattfanden, wurde die einzige Partei, die der Masseneinwanderung kritisch gegenübersteht – die Schwedendemokraten (SD) –, drittstärkste Kraft im Parlament. Der sozialistische und der bürgerliche Block verständigten sich daraufhin darauf, die SD von der politischen Macht auszuschließen, doch die SD ließ sich nicht mundtot machen. Als die rote Minderheitsregierung einen Monat nach der Wahl einen Haushalt vorlegte, stimmte die SD für den Haushaltsentwurf der Opposition – im schwedischen Parlament ein beispielloser und schockierender Vorgang. Hier in Schweden zählt es nämlich zu den „guten Manieren“, dass eine Oppositionspartei nur in der ersten Abstimmung für ihren eigenen Haushaltsentwurf stimmt, sich danach aber enthält und so die Regierung gewinnen lässt. Doch nach dem „Putsch“ der Schwedendemokraten war Ministerpräsident Stefan Löfven (der der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angehört) gezwungen, im ersten Jahr seiner Amtszeit mit einem Haushalt der Bürgerlichen zu regieren.

Man könnte meinen, dass dies für die bürgerliche Opposition eine freudige Überraschung gewesen sein müsste, doch das war nicht der Fall. Niemand möchte die Unterstützung der „rassistischen“ Schwedendemokraten. Statt vorgezogene Neuwahlen abzuhalten, trafen die beiden Blöcke eine Vereinbarung, wonach die bürgerliche Opposition gelobte, sich bei wichtigen Fragen wie dem Haushalt der Stimme zu enthalten. Das Dezemberabkommen ist also in Wirklichkeit eine Art „Ablösungsdiktatur“: Für die nächsten vier Jahre bekommt die rote Regierung, was sie will, in den darauf folgenden vier Jahren (falls es einen Machtwechsel gibt) ist die blaue Regierung an der Reihe. Das bedeutet, dass es den beiden Parteien freisteht, die 58 Prozent der Schweden zu ignorieren, die finden, dass die Einwanderung zu hoch ist, und von denen einige bei der nächsten Wahl für die Schwedendemorkaten stimmen könnten.

Als die Schweden von dem Dezemberabkommen erfuhren, taten sie, was sie meistens tun: Sie ballten die Fäuste in den Taschen, bildeten Facebookgruppen und schrieben wütende Kommentare auf Twitter und Facebook. Die Politiker hingegen beglückwünschten sich gegenseitig dazu, die Ordnung wiederhergestellt zu haben; über die Sorge der Menschen darüber, dass die Demokratie nun noch weiter ausgehöhlt wurde, sahen sie hinweg.

Der bekannte Bühnenkomiker Magnus Betnér hielt es für einen guten Einfall, sich in einem YouTube-Clip über die Angst der Schweden lustig zu machen:

„Ja, es ist wirklich tragisch, dass zwei Menschen in einem IKEA ermordet wurden … aber … es ist nicht gefährlich. Schweden war nie sicherer als heute. … Nur sehr wenige von euch Zuschauern werden ermordet werden. Und diejenigen, die ermordet werden, werden in ihren Häusern ermordet.“

Wenn das Establishment sich weigert, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, verbreiten sich rasch Gerüchte in den sozialen Medien. Ein hartnäckiges Gerücht besagt, dass Carola Herlin von ihrem eritreischen Mörder enthauptet wurde. Laut Quellen, die von Gatestone aufgesucht wurden, wurde der Frau die Kehle aufgeschlitzt und in den Bauch gestochen. Ihr Sohn versuchte, sich zu verteidigen, erhielt aber eine tödliche Stichwunde in den Magen.

Als Dispatch International den für den Fall zuständigen Ermittler der Polizei, Per Ågren, anrief, sagte dieser: „Ich werde nichts bestätigen … oder irgendetwas von dem, was passiert ist, beschreiben, außer dass ich sage, dass zwei Menschen ermordet wurden. Sie werden von mir nicht erfahren, auf welche Weise.“

Eine der ersten Maßnahmen, die die Polizei nach den IKEA-Morden ergriff, war, alle Gebäude im Land zu bewachen, die Asylbewerber beherbergen. Es gebe eine „dunkle Kräfte“ betreffende Furcht, behauptete die Polizei, ohne zu spezifizieren, wer die „dunklen Kräfte“ sind. In der Nacht des 15. August musste eine Asylunterkunft in Arboga evakuiert werden, nachdem jemand etwas von einer angeblichen Bombe vor dem Haus gesagt hatte. Daraufhin kam die Medienmaschinerie, für die Carola und Emil Herlin einfach „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen waren, richtig in Gang.

Die Tageszeitung Aftonbladet interviewte eine anonyme Frau, die sagte: „Mein Cousin lebt hier seit über einem Jahr. Er sagte mir, die Schweden wären die nettesten Menschen Europas. Und dann passiert so etwas. Das hätte ich mir nie vorstellen können.“

Wieder einmal wird angenommen, dass es die Schweden sind, die ihren Kopf in Scham versenken sollen. Wir sollen nicht trauern; wir haben nicht das Recht, uns zu Tode zu fürchten angesichts der von unseren Machthabern betriebenen Einwanderungspolitik – es sind die Asylsuchenden, die die Opfer sind, selbst dann, wenn sie töten, vergewaltigen, rauben und prügeln.

Die brennende Frage ist, was ein Volk tun kann, dem niemand zuhört? In Ostdeutschland gingen die Leute 1989 auf die Straße, kletterten auf die Berliner Mauer und zwangen die Regierung zum Rücktritt. Die anderen kommunistischen Diktaturen Osteuropas stürzten auf gleiche Weise. Der zweite Zusatz der amerikanischen Verfassung – das Recht, Waffen zu tragen – ist dazu da, um sicherzustellen, dass die Bürger in der Lage sind, sich die Macht von einem tyrannischen Regime zurückzuholen.

Wenn Ohnmacht Menschen dazu treibt, auf Gewalt mit Gewalt zu antworten, sollte man nicht fragen, warum Schweden „Rassisten“ sind, wenn sie nicht die bei weitem größte Einwanderung aller Länder Europas haben wollen.

Die wichtigste Frage ist, warum eine Regierung nach der anderen entschieden hat, das Geld der schwedischen Steuerzahler für Bürger anderer Länder auszugeben – was zu einem Absturz der schwedischen Schüler im PISA-Test geführt hat; dazu, dass 60 Prozent der Sozialleistungen Einwanderern zugute kommen, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen; dazu, dass immer mehr Schweden über Verschlechterungen des Gesundheitssystems und des Sozialstaats klagen – und zu der exponentiell wachsenden Gewalt. Wenn immer mehr Schweden das Gefühl haben, dass sie in ihrem eigenen Land schlecht behandelt werden, haben die Politiker ein Pulverfass geschaffen, das jederzeit explodieren kann.

Die Wahrheit ist, dass selbst die gutmütigen Schweden eine Grenze haben. Wenn diejenigen, die die Macht haben, uns einem Blutbad aussetzen – sei es auf dem Großen Platz von Stockholm 1520 [Stockholmer Blutbad ist die Bezeichnung für die Hinrichtungen, die König Christian II. bei seinen Krönungsfeierlichkeiten in Stockholm am 8. und 9. November 1520 durchführen ließ. Es führte zum Aufstand Gustav Wasas; Anm. d. Übers.] oder bei IKEA in Västerås 2015 –, dann wird es immer welche geben, die bereit sind, die Machthaber zu stürzen. Wie zu Zeiten Gustav Wasas besitzen viele Schweden Schusswaffen. Man bekommt sie nicht so leicht wie in den Vereinigten Staaten, doch immer mehr Schweden erwerben Jagdscheine und dürfen von da an legal Gewehre kaufen. Rechnen Sie damit, dass in Schweden schon bald alles passieren kann.

Ingrid Carlqvist ist Chefredakteurin von Dispatch International.

http://de.gatestoneinstitute.org/6399/ikea-morde-schweden

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achgut.com

Lauter Fragen und keine Antworten

  25.08.2015

Selbst den gelassensten Zeitgenossen beschleicht dieser Tage ein mulmiges Gefühl angesichts der täglichen Hiobsbotschaften. Mit 800.000 Migranten hat Deutschland alleine dieses Jahr zu rechnen, wahrscheinlich aber mehr. Niemand hat nur den Schimmer einer Ahnung, wie diese Menschen untergebracht, ernährt, gebildet, krankenversorgt und integriert werden sollen. Keiner kann verlässliche Zahlen nennen, was uns das kosten wird, niemand weiß, wie viele nächstes Jahr, übernächstes Jahr und überübernächstes Jahr kommen könnten. Werden es zwei Millionen, drei Millionen oder gar zehn Millionen werden? Es steht wohl in den Sternen. Viele sind Flüchtlinge, die Schutz vor Verfolgung, Folter und Mord suchen. Und angesichts der Bilder der vor Angst und Schmerz schreienden Kinder, die von Menschenmassen in mazedonischen Zügen zerquetscht werden, zerreißt es einem das Herz.

Seit publik wurde, dass ein muslimischer Lynchmob einen Mitbewohner des Asylheimes im thüringischen Suhl erschlagen wollte, da dieser angeblich eine Seite aus einem Koran gerissen hatte, wissen wir aber, dass nicht nur Flüchtlinge zu uns kommen, sondern auch deren Verfolger. Männer, die die Verletzung einer gedruckten Ausgabe ihres heiligen Buches mit sofortigem Mord im Rudel beantworten, die sich in der Überzahl der Vielen auf einen einzelnen Schwachen stürzen, um ihn zu vernichten. Menschen, die keine Ahnung vom Recht auf körperliche Unversehrtheit haben oder der Gleichheit von Mann und Frau, denen Religionsfreiheit, der Schutz von Kindern oder das Recht auf freie Meinungsäußerung nichts bedeutet. Wird man sie schnell in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren können? Und wird man Vorkommnisse dieser Art künftig verhindern, indem man sie anlügt, wie der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, als er vollmundig behauptete, das Schänden eines Korans würde in Deutschland nicht geduldet?

Oder soll man ihnen lieber gleich reinen Wein einschenken und sie wissen lassen, dass das Schänden von Menschenkörpern in unserem Land nicht geduldet wird, das Schänden heiliger Bücher aber geradezu zum guten Ton gehört? Dass Muslime durchaus zu Deutschland gehören, aber niemals das Kalifat? Wie werden sie reagieren? Enttäuscht? Dies alles sind Fragen, die man besser nicht stellen sollte.

Zum einen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, ein übler Rassist zu sein. Zum anderen, weil niemand eine Antwort hat. Konzept? Plan? Finanzierung? Alles Menschen verachtende Ansinnen. „Wenn es einer schaffen kann, wer, wenn nicht wir!“ ruft Innenminister De Maiziere ins Volk und macht deutlich, dass er außer Durchhalteparolen nichts zu bieten hat. Emsig wie die Bienen suchen die politischen Eliten des Landes inzwischen die Asylbewerberunterkünfte heim, simulieren Geschäftigkeit und stoßen vor Kameras Drohungen gegen das zunehmend murrende Volk aus.

Wen meint Vizekanzler Gabriel mit ‚rechtem Pack‘? Die besoffenen Neonazis aus Heidenau? Sind sie die Wortwahl, den Aufwand, das Poltern und Drohen wert? Niemand verfällt in Panik, wenn linksradikales besoffenes Pack Jahr für Jahr zum 1. Mai durch Hamburg und Berlin tobt. Betreibt Gabriel Wahlkampf? Hat er Angst vor der Zukunft? Oder will er die Scharen freiwilliger Helfer und vor Schreck gelähmter Steuerzahler ermahnen, nur ja nicht abzulassen, niemals zu zweifeln oder gar Fragen zu stellen? Bis auf weiteres? Bis eventuell irgendjemandem ein Plan, ein Konzept, ein Finanzierungsmodell einfällt? Vielleicht?

Kanzlerin Merkel hat heute das einst multikulturelle Vorzeigeprojekt und den heutigen sozialen Brennpunkt Duisburg-Marxloh besucht. Die Polizei spricht von einer No-Go Area. Sie sei nicht gekommen, um Marxloh in die Abwärtsspirale zu treiben, sagt sie. “Ich werde viel mehr darüber erzählen, was klappt, als über das, was nicht klappt.”

Na dann. Viel Erfolg.

Leserkommentare** zu  Lauter Fragen und keine Antworten

Klaus Jürgen Bremm   

 

Wenn man Männer, die mehrere Tausend USD an Schlepper gezahlt haben, um hierher zu kommen, wochen- oder gar monatelang in Turnhallen oder Zeltstädten bei Käsestullen und Kamillentee zusammenpfercht, dann lägen wohl auch bei Europäern die Nerven bald blank. Secondhand-Klamotten und sonstige Liebesgaben von anwohnenden Guttis helfen da auch nicht weiter. Die Bilanz nach drei oder vier Monaten Deutschland wird für die meisten Afrikaner ernüchternd sein und die Ungeduld oder gar die Wut werden wachsen.
Ich stelle mir eine 10 000 oder 20 000 Seelen-Gemeinde vor, mit netten Eigenheimen und schönen Autos, in unmittelbarer Nähe eines Lagers von vielleicht 2000 unzufriedenen Männern aus Afrika, die immerhin so waghalsig waren, sich in einem engbesetzten Boot aufs Mittelmeer zu trauen. Es kann gut gehen, muss aber nicht. Und die Polizei? Naja….

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/lauter_fragen_und_keine_antworten

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Gärtner Daham (26), Rechtsanwalt Nejim (25) und Fahrer Safuan (26) aus Syrien freuen sich. Nach einer anstrengenden Flucht in einem geschlossenen Lkw sind sie über die Türkei und Griechenland in einem Schlösschen in Kaulsdorf gelandet. Am Berliner Stadtrand. Hier können sie in ruhigen Zimmern ihre Kriegsverletzungen auskurieren, die sie durch Fassbomben des Assad-Regimes erlitten. Daham und Safuan zeigen dicke Narben. Mit einer App auf dem Smartphone können sie auch schon „Deutsch sprechen“. Sie reden auf Arabisch in das Mikrofon und eine Software-Stimme schafft eine überraschend gute Übersetzung.

2001 war es fertig: Ein Schlosshotel im Stil des Klassizismus, gebaut auf einem ehemaligen Zuckerrübenfeld. 60 Zimmer, mit Löwen-Statuen am Eingang, Veranstaltungshalle und einem eigens entworfenen etwas kitschigen Siegel in Form einer Biene. Brigitta Weinschneider, eine Ex-Lehrerin Mitte 70, und ihre Tochter Berit Theilig, Ex-Charité-Ärztin, hatten es hauptsächlich auf Pump planen und errichten lassen.

Vor der geschlossenen Rezeption wachen Löwen-Statuen, am Giebel prangt das Siegel der Erbauer (Foto: Til Biermann)
Vor der geschlossenen Rezeption wachen Löwen-Statuen, am Giebel prangt das Siegel der Erbauer (Foto: Til Biermann)

Aber das „1a Park-Hotels Kaulsdorf“, das sie dort am Stadtrand führten, lief sehr schleppend, die Damen waren letztlich zahlungsunfähig. So dass im April dieses Jahres ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden musste. Der Betrieb der „Berit Theilig & Brigitta Weinschneider GbR“ wurde damit eingestellt.

Eine Zwangsversteigerung droht

Die Anwohner staunten, als Anfang Juni plötzlich neue Gäste kamen, Fremde. Manche Rechte versuchten, Stimmung zu machen, verteilten Flyer. 40 bis 60 Flüchtlinge, hauptsächlich junge Syrer, die mit Kostenübernahme-Scheinen des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) kamen, leben seitdem in dem Anwesen. 50 Euro pro Nacht pro Flüchtling kann die Anfang Juli von Brigitta Weinschneiders Ehemann Erwin (79) gegründete „Magara UG“ so vom Senat bekommen. Also rund 60.000 Euro pro Monat. Hintergrund: Etwa 1500 Flüchtlinge kommen zur Zeit mit Hilfe von Kostenübernahme-Scheinen in Berlins privaten Hotel-Betrieben unter. Dazu gibt es 15.000 Flüchtlinge, die in den 63 landeseigenen Unterkünften Obdach finden.

Kann die Geldspritze durch die Flüchtlinge das Hotel in Kaulsdorf retten? Unklar. Denn für die prunkvolle Immobilie wurde bereits durch den Kreditgeber Berliner Sparkasse ein Zwangsverwalter eingesetzt. Ein Vorgang, der üblicherweise auf eine Zwangsversteigerung hinausläuft.

Jetzt sind Flüchtlinge wie Daham (26, v. l.), Nejim (25) und Safuan (26) aus Syrien hier untergekommen (Foto: Sven Meissner)
Jetzt sind Flüchtlinge wie Daham (26, v. l.), Nejim (25) und Safuan (26) aus Syrien hier untergekommen (Foto: Sven Meissner)

„Wir wollen die Flüchtlingsnot lindern, verdienen weniger Geld, als wenn wir die Zimmer normal vermieten würden“, meint Brigitta Weinschneider. „Damit entlasten wir die Stadt.“ Sie sei selbst mal Flüchtling gewesen und wisse, was solche Not bedeute. Die Insolvenz und Neugründung durch den Ehemann nennt sie eine „Umstrukturierung“. Auch „normale Gäste“ könnten noch Zimmer buchen, aber „nur per Telefon.“ Die geschlossene Rezeption hinter den Löwen-Statuen würde nur öffnen, wenn die Gäste kommen. Solche “normalen Gäste” sind aber an dem Tag, an dem die B.Z. vor Ort ist, nicht zu sehen.

Das Ordnungsamt Marzahn-Hellersdorf und das Lageso prüften bereits, ob die Flüchtlingsunterbringung korrekt vonstatten geht. Sie habe den „Behördengang mit bestem Lob bestanden“, sagt Weinschneider. Es gibt nur eine Einschränkung. Aufgrund von Brandschutzbestimmungen dürfen dort maximal 60 Flüchtlinge untergebracht werden.

Zur Untätigkeit verdammt

Tatsächlich können die Flüchtlinge froh sein, hier im Luxus gelandet zu sein. Der Rasen ist etwas braun, aber gepflegt, die Fassaden sind gestrichen. In anderen Immobilien, die Geschäftemacher in ganz Berlin an notleidende Flüchtlinge vermieten, sieht es oft anders aus. So hatte ein Neuköllner Hostel-Betreiber Bruchbuden extrem überbelegt und so für eine Zweizimmer-Wohnung monatlich 9000 Euro vom Senat kassieren können (B.Z. berichtete).

Den Flüchtling Abdul (23), der im syrischen Aleppo Ingenieurwesen studierte, stört an seinem Leben im Schloss-Hotel nur eines. „Mir geht es gut, aber mir ist langweilig“, sagt er. Seit 25 Tagen lebt er in einem Zimmer im Erdgeschoss und ist als Asylsuchender zu Untätigkeit verdammt. Manchmal geht er zum nahen Discounter, wo er sich mit den rund 300 Euro, die er monatlich vom Lageso bekommt, Essen kauft. Dabei würde er gerne sein Studium fortführen. Abdul versucht jetzt, seine Zeit zu nutzen und über das Internet Deutsch zu lernen. W-Lan ist in den Zimmern des Flüchtling-Hotels inklusive.

http://www.bz-berlin.de/berlin/marzahn-hellersdorf/fluechtlinge-sollen-pleite-hotel-in-kaulsdorf-retten

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Thilo Sarrazin

 

Die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn ist zu einer Hochburg der radikalen Salafisten geworden. Etwa 10 Prozent der aus Deutschland nach Syrien ausgereisten radikalen Islamisten kommen aus Bonn, wo sie sich im Stadtteil Bad Godesberg konzentrieren. Mittlerweile ist Arabisch in Bonn die am zweithäufigsten gesprochene Sprache. Anknüpfungspunkt ist die König-Fahd-Akademie, eine saudi-arabische Auslandsschule, die über Jahrzehnte stark religiös ausgerichtete Familien aus ganz Deutschland anzog. 2003 hatte es einen Skandal um ihre radikal-islamistischen Schulbücher gegeben. Seitdem handhabt die Schulbehörde die Befreiung der Schüler von der deutschen Schulpflicht restriktiver. Aber die demografische Ballung islamistischer Araber in Bonn – Bad Godesberg ist nicht mehr umkehrbar und hat das Stadtbild nachhaltig verändert.

Die Stadt Bonn leugnet die Probleme nicht, aber sie spricht auch nicht gern darüber. Die Integrationsbeauftragte Coletta Manemann macht sich Sorgen über eine drohende Is-lamfeindlichkeit.

Die größte evangelische Gemeinde in Bonn – Bad Godesberg ist die Erlösergemeinde. Am 11. Dezember 2014 fand sich in ihrer Post ein anonymer Drohbrief mit Briefkopf und Unterschrift in arabischen Schriftzeichen. Er hatte folgenden Text:

„An den Vorbeter der Versammlung von Ungläubigen, die ihr evangelische Gemeinde nennt: Islam ist die einzig wahre Religion. Ihr bekommt die Gelegenheit zum Annehmen des Islam in den nächsten drei Monaten von jetzt an. Lest Al-Q´ran und nehmt den Islam an! Macht von Eurem Haus eine Moschee, die nur den Muslimen offen steht! Ihr müsst in den nächsten drei Monaten erklären, dass ihr Islam freiwillig angenommen und von Eurem Versammlungshaus eine Moschee gemacht hat. Das müsst ihr im TV und Internet machen, so dass alle Menschen davon hören und sehen. Wenn ihr euch aber Islam ver-weigert: Wir werden zuerst Dich finden. Wir werden dich strafen im Namen von ALLAH, welchen du verleugnest! Wir werden deine Brut finden und strafen! Wir werden das Haus für eine Moschee einfach nehmen und alle strafen, die Islam nicht freiwillig ange-nommen haben!“

Das Presbyterium der Gemeinde entschied nach einer Beratung mehrheitlich, den Brief nicht zu veröffentlichen und auch die Gemeindemitglieder nicht zu informieren. Man fürchtete offenbar einerseits Repressalien, andererseits den Ruf der Islamfeindlichkeit. Nur durch eine Indiskretion kam es zu einer Weitergabe des Briefes, und nur auf Umwegen geriet er von da in meine Hände.

Offenbar wurde der Brief von einem verrückten Fanatiker geschrieben. Inhaltlich ernst zu nehmen ist er natürlich nicht. Aber verrückte Fanatiker steuerten vor 14 Jahren zwei Flugzeuge ins World-Trade-Center. Und verrückte Fanatiker, die in Europa aufgewachsen sind, kämpfen heute zu Tausenden beim IS. Nur: Wie geht man mit der Verrücktheit um? Ihre Gefahren soll man offenbar erst ansprechen, wenn das Schlimmste eingetreten ist. Und einen ideologischen oder religiösen Zusammenhang mit dem Islam soll man möglichst gar nicht herstellen, denn spätestens, seitdem Bundespräsident und Bundeskanzlerin es sagten, wissen doch alle: „Der Islam gehört zu Deutschland“.

Aufschlussreich ist der Vergleich der Ereignisse im äußersten Osten und im äußersten Westen Deutschlands.

– Als der Drohbrief der Salafisten in den Briefkasten der Godesberger Erlösergemeinde wanderte, warnte Pegida gerade in Dresden vor der Islamisierung Deutschlands. Das wurde den demonstrierenden Bürgern sehr übel genommen, Mindestens fand man ihre Befürchtungen lächerlich, weil es doch praktisch keine Muslime in Dresden gebe.

– Von Bonn kann man das wahrhaftig nicht mehr sagen. Dort, wo radikale Islamisten Drohungen aufs Papier bringen (oder nach Syrien ausreisen, wenn sie mehr tun wollen) schweigen die Bedrohten konsequent, vielleicht in der Hoffnung, so die Gefährdung abzuwenden, vielleicht aber auch beherrscht von der noch größeren Angst, sie könnten als islamfeindlich gelten.

Islamfeindlichkeit wird in der veröffentlichten Meinung gleich neben Ausländerfeindlichkeit angesiedelt, von da ist es in zum Rechtspopulismus und gar zu rechtsradikalen Umtrieben nicht weit. Der gute Deutsche, der nicht in diese Ecke möchte, hält lieber den Mund, um nicht anzuecken, egal ob er in Bonn oder Dresden wohnt. Ganz unaussprechlich ist da die Befürchtung, unter den großenteils muslimischen Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika könne es Nachschub für radikale Ausprägungen des Islam in Deutschland und Europa geben. Wer soll sich auch schon äußern, wenn die Politiker es nicht tun, die Medien jeden bestrafen, der es tut, und die Kirchen sich so wegducken wie die Erlösergemeinde in Bad Godesberg.

Auf dem Höhepunkt der Achtundsechziger-Bewegung war das Schimpfwort “Kommunistenfeind” inhaltsgleich mit der Abstempelung als rechts und reaktionär. Mit Untergang des kommunistischen Ostbocks ist das Feindbild Kommunistenfeind zwangsläufig mit verschwunden. Natürlich zerbrach das System nicht an den Kommunistenfeinden, sondern an seinen eigenen Widersprüchen. Genauso wird der Islamismus nicht an den Islamfeinden, sondern seinen eigenen Widersprüchen zugrunde gehen.

Man kann nur hoffen, dass bis dahin weniger Blut geflossen ist als im Falle des Kommunismus. Neugierig darf man sein, welches neue Tabu dann die Islamfeindlichkeit ablösen wird.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

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Was ­Vizekanzler Sigmar Gabriel für das «wahre Deutschland» hält.

Nachdem in Heidenau bei Dresden ein entfesselter Mob eine Flüchtlingsunterkunft angegriffen, sich eine Strassenschlacht mit der Polizei geliefert und dabei 31 Polizeibeamte verletzt hatte, ohne dass auch nur einer der Randalierer festgenommen worden wäre, machte sich Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf den Weg in die sächsische Kleinstadt. Dort stellte er sich in einer improvisierten Pressekonferenz den vielen Reportern, die ihm gefolgt waren. Er sei «gerne hergekommen», um den Bürgermeister des ­Ortes zu unterstützen, «der keine einfache Aufgabe hat», und um sich bei ihm zu bedanken, «dass er das macht und keinen Millimeter zurückgewichen ist». Es werde, versprach Gabriel, «Geld und moralische Unterstützung» geben, um den Kommunen bei der Aufnahme der vielen Flüchtlinge zu helfen. Diejenigen, die sich dagegen sperrten, seien «Leute, die haben mit Deutschland nichts zu tun», das sei «nicht das Deutschland, das wir in diesem Land haben wollen». Und: «Die halten sich für die Vertreter des wahren Deutschland, in Wahrheit sind es die undeutschesten ­Typen, die ich mir vorstellen kann.»

Nun hat der deutsche Wirtschaftsminister viele Aufgaben, um die er sich kümmern muss. Erst vor kurzem hat er dem Präsidenten des Iran seine Aufwartung gemacht, ohne zu fragen, ob dieser den «wahren Iran» vertritt. Zu ­sagen, die fremdenfeindlichen Randalierer seien «die undeutschesten Typen», die er sich vorstellen könne, ist keine Distanzierung, es ist ein Akt der Verharmlosung. Auch die Nazis waren, retrospektiv betrachtet, sehr «undeutsch», ­Aliens, die das «wahre Deutschland» überfallen hatten. Heute gehört diese Argumentation zum Repertoire der Islam-Versteher und Verharmloser. Alles, was die Islamisten machen, habe mit dem «wahren» Islam nichts zu tun. So macht sich jeder etwas vor, um der Rea­lität aus dem Weg gehen zu können. Gabriels Deutschland mag von lauter edlen Seelen bewohnt sein, die bereit sind, Haus und Hof mit den Flüchtlingen zu teilen. Aber es gibt auch andere Deutsche, die weniger nobel und selbstlos sind. Die lieber unter sich bleiben möchten. Man muss sie nicht mögen, aber man kann sie nicht ausbürgern. Sie sind genauso deutsch wie Sigmar Gabriel.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-35/die-deutschen-undeutsch-die-weltwoche-ausgabe-352015.html

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Am Ortseingang von Amuda stehen riesige Getreidesilos. Wir befinden uns in der fruchtbaren Euphrat-Ebene im äussersten Nordosten Sy­riens, der Kornkammer des Landes. Amuda ist ein staubiges Nest mit vielen einstöckigen Gebäuden. Abgesehen von den überall aufgehängten Fotos von Märtyrern, die im Kampf gegen die Terroristen des Islamischen Staats (IS) ge­fallen sind, erinnert hier fast nichts an den Krieg – keine zerbombten Häuser, keine mit Einschuss­löchern übersäten Fassaden, keine ausgebrannten Fensterhöhlen. Die Front, an der die kurdischen Volksverteidigungsein­heiten (YPG) die Steinzeitislamisten des IS mit Hilfe der amerikanischen Luftwaffe immer weiter in die Euphrat-Ebene zurückdrängen, verläuft nun etwa siebzig Kilometer südlich.

Das Hauptquartier der kurdischen Polizei im Stadtzentrum ist mit Barrikaden weitläufig abgesperrt, damit Selbstmordattentäter mit ihren zu fahrenden Bomben umgebauten Autos nicht zu nahe kommen können. Davon abgesehen ist Amuda eine langweilige, aber friedliche Stadt mit rund 50 000 Einwohnern. Die Mehrheit der kurdischen Muslime lebt hier problemlos mit Jesiden und Christen zusammen. Unter den Christen hat es nicht nur Aramäer, sondern auch Nachfahren jener armenischen Flüchtlinge, die vor hundert Jahren aus der Türkei nach Süden flüchteten, vor dem Genozid, den man in der Türkei nicht so nennen darf. Christen und Muslime wohnen in Amuda in denselben Quartieren, in denselben Strassenzügen. Nur ein paar Getreidefelder trennen das Stadtgebiet im Norden vom Todesstreifen an der türkischen Grenze mit ihren Befestigungen, Gräben, Zäunen, Wachtürmen und Minenfeldern.

Diesen Todesstreifen hat Ferhad Hiso*, ein junger Kurde mit schütterem Bartwuchs und Pickeln auf der Wange, vor rund einem Monat überwunden, zusammen mit Freunden, die sich wie er ein besseres Leben, eine bessere ­Zukunft wünschen. Um die Schlepper zu bezahlen, musste Ferhads Familie, die mehrheitlich in der Schweiz und zum Teil von Sozial­hilfe lebt, viel Geld zusammenkratzen. Die Mutter in Amuda verkaufte ihren gesamten Goldschmuck, so dass der Vater den Schleusern am Schluss die verlangten vier Millionen syrische Pfund (knapp 13 000 Franken) für die Reise ­bezahlen konnte.

Erst schiessen, dann nachschauen

Hauptgrund für Ferhads Flucht war die bevorstehende Einberufung zum Wehrdienst in die YPG. Ferhad ist siebzehn Jahre alt und hätte schon bald ins Ausbildungslager und danach in den Krieg gegen den IS ziehen müssen. Doch das wollen er und seine Familie nicht. Es sei zu gefährlich, meint der Vater und blendet dabei aus, dass er und seine engsten Angehörigen nur deshalb ein vergleichsweise unbeschwertes ­Leben führen können, weil die YPG die kurdischen Siedlungsgebiete erfolgreich gegen den IS verteidigen. Profitieren will die Familie Hiso von diesem Schutz, aber nicht dazu beitragen. Wehrdienstverweigerung ist in der Schweiz kein Asylgrund, doch als Minderjähriger hat Ferhad trotzdem gute Chancen auf Aufnahme. Das wissen natürlich auch die Schlepper und der Anwalt der Familie Hiso in St. Gallen.

Das Haus der Hisos befindet sich am nördlichen Stadtrand von Amuda. Es sticht wegen seiner Grösse und der verzierten Säulen aus der Masse der eher einfachen Wohnhäuser heraus. Es hat zwei Stockwerke und überragt damit die Gebäude in der Nachbarschaft deutlich. Auf dem Flachdach, das von einer hüfthohen Mauer umgeben ist, stehen drei metallene Bettgestelle. Die Eltern und Delal, die einzige noch in Amuda verbliebene Tochter, schlafen in der Sommerhitze am liebsten hier oben, wo ein kühlender Luftzug die Hitze etwas erträglicher macht. Unten im Haus ist es dagegen stickig und brütend heiss, vor allem wenn bei den häufigen Stromausfällen weder Klimaanlage noch Ventilatoren funktionieren.

Vom Dach der Hisos hat man eine gute Sicht auf die Gebirgszüge, die jenseits der türkischen Grenze die Euphrat-Ebene im Norden abschlies­sen. Auch dort ist die Bevölkerung mehrheitlich kurdisch, und weil Guerilleros der mit den YPG verbündeten kurdischen Arbeiterpartei PKK seit Jahrzehnten über die syrische Grenze in die Türkei einsickern, hat Ankara die von den ehemaligen Kolonialmächten Grossbritannien und Frankreich schnurgerade durch das Flachland gezogene Trennlinie befestigen lassen. Die Wachttürme und Panzer der türkischen Streitkräfte lassen sich vom Hausdach durch das Fernglas gut beobachten. Wehe dem, der sich den Befestigungen ungebeten nähert, egal von welcher Seite. Seit die offizielle Türkei und die PKK ihren Waffenstillstand vor kurzem aufgekündigt haben, wird die Grenze noch besser bewacht als vorher. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Grenzsoldaten nicht auf Menschen schiessen. Ob es sich dabei um Flüchtlinge, Schmuggler oder PKK-Kämpfer handelt, wird erst im Nachhinein überprüft, wenn überhaupt. «Zuerst schiessen, dann nachschauen», lautet offenbar das Motto.

Die Hisos gehören zur kleinen wohlhabenden Schicht von Amuda. Ihr Salon, das Prunkstück des Hauses, ist reich verziert. Am schmalen Ende befindet sich eine grosse verglaste Bücherwand. Bei meinem ersten Besuch hing dort noch ein Wimpel der Baath-Partei, des Machtvehikels von Diktator Baschar al-Assad. Auf meine Frage, ob der Vater vor der Revolu­tion Parteimitglied gewesen sei, erhielt ich eine negative Antwort. Kurden wie er hätten der ­Partei nicht beitreten dürfen. Doch das entspricht nicht der Wahrheit, denn Kurden, die sich in ­Assads Syrien einen arabischen Namen geben mussten, konnten sehr wohl in der verhassten Baath-Partei mitmischen.

Als ich das nächste Mal in Amuda auftauchte, hatte jemand den schwarzweissgrünroten Parteiwimpel aus der Bücherwand entfernt. Bleiben durfte dafür das grosse Familienporträt, das die Eltern im Kreis ihrer Kinder zeigt, drei Buben und drei Mädchen. Fünf von ihnen ­leben inzwischen in der Schweiz, sie haben alle Asyl erhalten, obwohl sie aus einer vom Krieg unversehrten Region kommen und weder politisch noch religiös verfolgt oder sonst irgendwie bedroht waren. Nur Delal lebt noch zu Hause, eine hübsche junge Frau, die die Zeit mit Chats auf ihrem Smartphone totschlägt. Aber für sie ist klar: Hätte sie das nötige Kleingeld, würde auch sie sich sofort in die Schweiz schleusen lassen.

Flucht aus einem sicheren Drittstaat

Ohne Zweifel sind viele Syrer, die via die Türkei oder Libyen als Bootsflüchtlinge nach Europa kommen, echte Kriegsflüchtlinge oder politisch Verfolgte. Doch das trifft offenbar nicht auf alle zu, wie die Geschichte der Familie Hiso belegt. Es wäre darum angebracht, wenn unser Staatssekretariat für Migration (SEM), die oberste Asylbehörde, etwas genauer auf die Herkunft syrischer Migranten und ihre genauen Fluchtumstände achtete und nicht jedem ­syrischen Flüchtling reflexartig das Bleiberecht einräumte. Denn dass die grosszügige Asyl­praxis in Ländern wie der Schweiz, Schweden oder Deutschland – zusammen mit dem hohen Lebensstandard – auf Syrer wie ein Magnet wirkt, konnte ich bisher auf jeder meiner vielen Reisen nach Syrien beobachten. Es verging kein Tag, an dem mich Begleiter oder ­Bekannte nicht fragten, ob ich ihnen nicht zu einem Aufenthalt in der Schweiz verhelfen könnte. Als Grund gaben sie an, dass sie in Syrien doch ­keine Zukunft hätten. Doch gerade in den kurdisch dominierten, weitgehend autonomen Kantonen im Norden des Landes stimmt das so nicht. Wenn in Syrien Regionen eine Chance ­haben, aus dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt auszubrechen, dann sind es ­genau die drei kurdischen Kantone Cizire, ­Kobane und Afrin, alle an der türkischen Grenze gelegen und mit Ausnahme von Kobane vom Krieg weitgehend verschont.

In diesem Jahr sind 160 000 Migranten von der Türkei nach Griechenland gereist, die meisten auf dem Seeweg. Bei knapp zwei Dritteln handelte es sich um Syrer, wie das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) verlauten liess. Danach folgen Afghanen und Iraker. Allerdings beantragen nur 8 Prozent in Griechenland Asyl, obwohl sie dort sicher ­wären. Bei den Syrern sind es sogar nur 4 Prozent. Das ist ein Hinweis darauf, dass die ­Motive für die Weiterreise wirtschaftlicher ­Natur sind.

Das UNHCR führte auch eine Umfrage unter den syrischen Ankömmlingen in Griechenland durch. Die Ergebnisse haben es in sich: 60 Prozent der Syrer gaben an, vor ihrer Reise nach Griechenland eine Zeitlang in der Türkei gelebt zu haben, also in einem sicheren Drittstaat. Als Grund, weshalb sie der Türkei den Rücken kehrten, gab eine Mehrheit Arbeitslosigkeit und Mangel an finanzieller Unterstützung an. Auch hier dominieren also wirtschaftliche Gründe, weshalb die Syrer die sichere Türkei, die zwei Millionen Menschen aufgenommen hat und ihnen unter anderem kostenlose Spitalaufenthalte gewährt, am Ende verlassen, um in Europa ein besseres Leben zu suchen. Diese Entscheidung – so verständlich sie auch ist – hat nichts mit Asylgründen wie Bedrohung durch Krieg oder politischer Verfolgung zu tun.

Ferhad, der jüngste Sohn der Familie Hiso, sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner Schwester Cihan. Die Dreizimmerwohnung, von der Sozialhilfe bezahlt, befindet sich im obersten Stock eines Mietshauses, etwa fünf Gehminuten vom Bahnhof St. Gallen entfernt. Neben Ferhad und Cihan leben noch zwei weitere Geschwister hier. Der fünfte Spross der ­Familie wohnt und studiert in Basel. Weil ­Cihan am besten Deutsch kann, übersetzt die zierliche Frau, was der von der Reise traumatisierte Ferhad zu erzählen hat. Als Erstes weist sie ihn auf Kurdisch an, dass er sein Alter mit sechzehn angeben soll. Das tut Ferhad auch, ­obwohl er in Wirklichkeit ein Jahr älter ist.

Am helllichten Tag durch den Todesstreifen

«Mein Problem in Syrien war, dass mein Vater ein Politiker und gegen das Assad-Regime eingestellt war», sagt Ferhad. Das Regime – und nicht etwa die kurdischen YPG – habe ihn zum Wehrdienst einziehen wollen. Deshalb habe ihn sein Vater angewiesen, sich in der Schweiz in Sicherheit zu bringen. Die Realität sieht anders aus: Das Regime hat in Amuda gar keine Macht, die Stadt befindet sich vollkommen unter Kontrolle der kurdischen YPG. Nur wenn Ferhad Regionen aufgesucht hätte, die von ­Assads Truppen kontrolliert werden, hätte ihm der zwangsweise Einzug in die syrische Armee gedroht. Doch davon erzählen weder er noch seine Schwester etwas – mit gutem Grund.

Weil die Schlepper die türkischen Grenzsoldaten bestochen hatten, konnte Ferhads Gruppe den Todesstreifen am helllichten Tag durchqueren. Mit dem Auto wurden die Syrer zur türkischen Mittelmeerküste gebracht. An den Namen der griechischen Insel, auf die sie alleine mit dem Schlauchboot fuhren, erinnert sich Ferhad nicht, aber daran, dass das Boot nach ­ihnen gesunken und alle Insassen umgekommen seien. Das viele Geld, das sein Vater den Schleusern gegeben hatte, war gut angelegt. Die Reise ging relativ zügig vonstatten, von Amuda bis zur Schweizer Grenze vergingen nur drei Wochen. Ausserdem konnten die Schlepper auf dem Balkan etwas Arabisch. Nur wenn es um Grenzübertritte ging, machten sie sich jeweils rechtzeitig aus dem Staub. Sie gaben den Migranten Anweisungen, und dann mussten diese in Gruppen und zu Fuss durchs Niemandsland. Auf der anderen Seite warteten jeweils andere Menschenschmuggler mit Fahrzeugen.

«Am schlimmsten war es an der Grenze zwischen Mazedonien und Serbien», erzählt Ferhad. «Dort sahen wir mehrere Leichen von Flüchtlingen, mit aufgeschlitzten Bäuchen. ­Einige waren Schwarze, bei anderen waren die Gesichter so verunstaltet, dass ich sie nicht ­erkennen konnte.» Die Schlepper hatten die Migranten zuvor vor Banden gewarnt, die das Niemandsland unsicher machten.

* Einige Namen und Ortsnamen wurden zum Schutz der betroffenen Personen geändert.

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Sie kommen aus der halben Welt, aus Afghanistan, Nigeria, Somalia und Serbien. Aber die meisten kennen nur ein Ziel: Almanija, Germania, Deutschland. Auf dem Wiener Westbahnhof kaufen sie sich, wie Spiegel online berich­tete, der Einfachheit halber ein Billett nach «Germany, please».

Europa als Sehnsuchtsort der Migranten? Das glaubt kaum jemand mehr. Machtvoller Magnet ist der Staat in Europas Mitte: Deutschland, es folgen Österreich, Schweden und die Schweiz. Doch allmählich spricht sich herum, dass die Schweizer recht flott ausschaffen, österreichische Lager nicht viel besser sind als jene in Kos und sich auch in Schweden der Wind dreht: Würde dort gewählt, wären die ausländerkritischen «Schwedendemokraten» stärkste politische Kraft.

Nur Deutschland ist wegen der schieren Grösse imstande, diesen Sog zu erzeugen. Kein Flüchtling will in Griechenland bleiben, in Italien, Spanien oder Ungarn. Auch wer es nach Frankreich geschafft hat, will weg: nach Grossbritannien. Doch die Zahl der blinden Passagiere, die durch den Eurotunnel auf die Insel wollen, verblasst vor den Massen, die in der Bundesrepublik einfallen.

Mehr als 800 000 Asylsuchende erwartet man bis Ende dieses Jahres; 43 Prozent aller in der EU gestellten Asylanträge werden in der Bundesrepublik angenommen. Unter der Hand geht man davon aus, dass eine Million Menschen kommen werden. Total unrealistisch schwingt die Hoffnung mit, dass es im Dezember ein Ende haben werde mit dem Zustrom. Purer Selbstbetrug – natürlich wird es nach dem 1. Januar 2016 weitergehen, mit Hunderttausenden, ja Millionen von Migranten.

150 Euro Taschengeld

Warum auch nicht? Kein anderer Staat Europas breitet Arme, Herzen und Kassen weiter aus als Deutschland. Hier backen Freiwillige Kuchen und geben Sprachunterricht, hier kriegen Flüchtlinge Freikarten für Fussball und Konzert, hier rühmt sich Tübingens Bürgermeister, dass er seine Ferien für die Migranten opfert. Nur hier verwenden Politik und Medien ausschliesslich den irreführenden Begriff «Flüchtlinge» für illegale Einwanderer. Hier erhält ­jeder Ankömmling vom ersten Tag an aus ­Steuergeldern knapp 150 Euro Taschengeld pro Person und Monat – und damit leicht die Hälfte eines balkanischen Durchschnittslohnes. Seit Einführung dieses Zustupfs hat sich die Zahl der Asylanträge verzehnfacht. Gute Nachrichten sprechen sich schnell herum.

Berlin klagt, dass sich die anderen EU-Mitglieder nicht an die Regeln des Dublin-Verfahrens halten. Aber auch Deutschland hat sie ausgehebelt. Nach Italien, Griechenland und neuerdings nach Ungarn darf kein Asylant mehr zurückgeschickt werden, auch wenn er dort registriert wurde – weil die Zustände dort unzumutbar seien. Entsprechend ungehemmt winkt der Süden alle nach Norden durch.

Ungarn hat 60 000 Flüchtlinge registriert und 73 behalten. Frankreich hat seit Januar ­läppische 20 000 Asylbewerber aufgenommen. Spanien hat seine Grenzzäune in den Exklaven Ceuta und Melilla unüberwindbar gemacht. Mit Marokko wurde ein Kooperationsabkommen, mit Senegal, Nigeria und Mauretanien wurden Rückführungsvereinbarungen geschlossen. Osteuropäer schotten sich völlig ab oder wollen, wenn überhaupt, nur Christen aufnehmen. Ein Versprecher der slowakischen Regierung deckte dieses Prinzip zufällig auf.

Jeder schützt sich, wie er kann, doch Deutschland hält Tür und Tor weit offen – teils aus ­einer blauäugigen Solidarität heraus, teils aus schlechtem Gewissen wegen der historischen Schuld. Eine «gerechte» Verteilung der Mi­granten auf alle Mitgliedsstaaten der Union, wie sie deutsche Politiker gebetsmühlenartig fordern, kann man unter diesen Umständen vergessen. Von den anderen wird Deutschland als Problem gesehen, nicht als Teil der Lösung. In Osteuropa kursieren sarkastische Vorschläge, Bundeswehrmaschinen sollten Flüchtlinge doch gleich aus Lagern an der türkisch-syrischen Grenze holen und nach Deutschland fliegen. Damit erspare man den Menschen und den Transitländern viel Mühe, Not und Elend.

Noch hält der gesellschaftliche Konsens in Deutschland, gemäss dem man eine Verantwortung gegenüber den Flüchtigen habe. In Umfragen bekräftigen 60 Prozent, dass man den Ansturm verkraften könne. Immerhin 37 Prozent glauben das nicht. Sie werden ignoriert, dabei sind das so viele Menschen, wie derzeit SPD und Grünen ihre Stimme geben würden.

Rede-, Sprech- und Denkverbote

Aufrechterhalten wird der Konsens durch Rede-, Sprech- und Denkverbote. Zu Fernsehbildern einer Demonstration gegen ein Asylantenheim im sächsischen Ort Heidenau, auf ­denen Rentner, Mütter mit Kinderwagen und andere Durchschnittsbürger zu sehen sind, heisst es aus dem Off, dass hier der «rechte Mob» marschiert. Berechtigte und beklommene Fragen, wie sich die grosse Zahl schwerintegrierbarer Ausländer auf den sozialen Frieden auswirken möge, werden nicht ­zugelassen oder als rechtsradikal verunglimpft.

Die Frage wird sich freilich schon recht bald stellen, wenn dieser aussergewöhnlich lange, heisse Sommer zu Ende geht: Sobald der Sommer vorbei ist, brauchen die Schulen die Sporthallen, in denen jetzt Asylanten schlafen. ­Sobald die Nächte kälter werden und die Herbststürme einsetzen, sind die Zeltstädte, in denen Migranten hausen, keine Option mehr. Was geschieht, wenn man Fremden ­Sozialwohnungen zuteilt – vorbei an der Warteschlange anspruchsberechtigter Deutscher?Die Deutschen neigen dazu, in der heissen Jahreszeit Abschied von ihrem Verstand zu nehmen und in romantischen Sommermärchen zu schwelgen. Mal ist es Fussball, mal ist es Flüchtlingshilfe. Die Erfahrung lehrt, dass der darauffolgende Herbst oft heisser wird als der Traumsommer.

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  14.08.2015

Von 1977 bis 1995 ist Jacques Chirac Bürgermeister von Paris und regiert dann bis 2007 Frankreich. Schon im Juni 1991 beklagt er das Schicksal seiner Nation, die – wie Nicolas Sarkozy 2007 ergänzt – die Immigration wie eine Invasion „erleide“ und deshalb auf eine „selektive Einwanderung“ (immigration choisie ) umschalten müsse:

„Nicht Ausländer sind unser Problem, sondern ihre Überdosierung. […] Es macht einfach weniger Probleme, Arbeiter aus Spanien, Polen und Portugal bei uns zu haben, als Muslime und Schwarze. […] Ein französischer Arbeiter mit seiner erwerbstätigen Frau hat 15.000 Franc […] und sieht im Treppenhaus […] eine Familie mit Vater, drei bis vier Frauen und zwanzig Sprösslingen, die zusammen 50.000 Francs als Sozialhilfe beziehen. Wenn man dann noch den Lärm und den Geruch hinzunimmt, muss der französische Arbeiter einfach ausrasten. […] Es ist keineswegs Rassismus, das anzusprechen. Wir haben einfach nicht mehr die Mittel, um die Familienzusammenführungen zu bezahlen“ .

Europaweit empören diese Sätze und Frankreich zahlt weiter. Allerdings springen von 1991 bis 2015 auch die Staatschulden von 35% auf 95% des Bruttoinlandsprodukts und viele der Sprösslinge von damals leben von Hilfe oder kämpfen gar für das Kalifat. Am 9. August 2015 liefert Großbritanniens Außenminister Philip Hammond aus Singapur ein Interview, das im Duktus eigenständig ist, in der Sache aber eng bei Chiracs Drehbuch bleibt:

„So lange zu allem entschlossene Migranten dort [in Calais] marodieren, ist der Tunnel bedroht. […] Diese Situation halten wir nicht durch. Europa kann sich nicht schützen. Es kann seinen Lebensstandard und seine sozialen Errungenschaften nicht bewahren, wenn es Millionen afrikanische Migranten absorbieren muss“ .

Vor einem Vierteljahrhundert, als der Konservative Chirac spricht, treibt Margareth Thatcher die britische Staatsverschuldung auf 32 Prozent herunter. Heute wird Frankreich sozialistisch geführt und ist moralisch zutiefst erschüttert über das einmal mehr konservativ regierte London, wo Premier David Cameron Migranten sogar mit dem Skandalwort „Schwarm“ belegt. Der schlage in Form von Meteoriten doch von oben zu und reise – wie Kommentatoren spotten – nicht aus dem Untergrund an. Als Heuschreckenwolke, die alles Lebenswichtige rastlos verzehre, sei das Wort noch widerwärtiger und ebenfalls unzutreffend, weil man doch immer noch in Saus und Braus lebe. Doch ächzt bei allem Groll zwischen den Hauptstädten jetzt auch London unter einer Staatsverschuldung von 93 Prozent.

Als schändlich gelten Camerons Sorgen auch in Deutschland, wo man allein 2015 eine halbe Million Flüchtlinge erwartet . Was seien dagegen die 24.000 Asylanten, die 2014 England erreichen? In Calais strebten lediglich 3.000 Mann in den Kanaltunnel, während man zwischen Rhein und Oder alle sieben Tage 10.000 Fremde zusätzlich aufnehme. Leicht reden habe Berlin, mögen die Verbündeten denken. Schließlich steigt die bundesdeutsche Staatsverschuldung zwischen 1990 und 2015 „nur“ von 536 Milliarden auf 2,2 Billionen €uro (48% auf 71 % BIP).

Sind die ehemaligen Kolonialherren womöglich besser informiert über den Schwarzen Kontinent als Berlin? Schnellt auch im gefürchteten Afrika etwas nach oben, während die Schulden der 500 Millionen EU-Europäer explodieren? Durchaus! So klettert die Bevölkerung von gut 600 Millionen seit Chiracs Einlassungen auf knapp 1,17 Milliarden bis zu Hammonds Interview. 2050 sollen es 2,4 Milliarden sein. Möchten heute aus dem afrikanisch-arabischen Raum rund 540 Millionen Menschen auswandern, wollen dann 950 Millionen weg, falls die für 2009 erhobenen Wanderungswünsche (Subsahara 38%; arabischer Bogen 23% ) nicht weiter ansteigen. Wahrscheinlich ist das bei Kriegsindex-Werten zwischen 3 und 7 nicht. Auf 100 Alte (55-59 Jahre) folgen dabei nicht 70 oder 80 Pazifisten (15-19 Jahre) wie in Deutschland oder Österreich, sondern 300 bis 700 wütende Jünglinge. Sowie die zur Gewalt greifen, transformieren sich ihre Mitbürger aus potentiellen Wirtschaftsflüchtlingen zu völkerrechtlich geschützten Asylberechtigten aus Kriegsgebieten.

Aufschlussreicher für die Prognose zukünftiger Wanderungen ist die Jugend unter 18 Jahren, die den Lebenskampf noch vor sich hat. Allein im Subsahara-Raum umfasst sie heute 540 Millionen (24% Weltanteil), während für 2050 eine Milliarde erwartet wird (37%). Bei den Kindern unter 5 Jahren sollen 2050 bereits zwei Fünftel der Menschheit afrikanisch sein . Das liegt nicht allein an Geburtenraten von (2015) immer noch 4,7 pro Frauenleben (D: 1,4), sondern auch an der fallenden Kindersterblichkeit. Die stetig verbesserte medizinische Versorgung soll das Durchschnittsalter von 45 Jahren (1970) über 60 (heute) auf 70 gegen 2050 heben .

2007 – Sub-Sahara-Afrika hat 790 Millionen Einwohner – will Sarkozy die Europäische Union auf einen gemeinsamen Kurs zur Abschottung ihrer Außengrenzen einschwören. Er scheitert. 2015 steht Sub-Sahara-Afrika bei 910 Millionen Einwohnern. Das sind seit 2007 sieben Niederlande zusätzlich. Die Subsahara-Staaten exportieren – zumeist mit Fremdhilfe abgebaute Rohstoffe – im Preis von 350 Milliarden Dollar (2014 ) und schaffen damit nur gut die Hälfte der 17 Millionen Niederländer (670 Mrd. Dollar ). London ahnt, dass niemals weniger, sondern immer nur mehr Afrikaner von Europa träumen und Cameron kappt die Zugänge auf die Britischen Inseln. Er will nicht scheitern, weil er die 2016er Volksabstimmung über ein Verbleiben seines Landes in der EU gewinnen möchte.

England kann aufgrund seiner Insellage Illegale durch Einsatz der Staatsgewalt zurückhalten und zugleich Gegendruck ins Leere laufen lassen. Das dürfte vor allem osteuropäische EU-Mitglieder weiter ermutigen, sich ebenfalls gegen die ihnen zugedachten Aufnahmequoten zu wehren. Für die verbleibenden Westeuropäer müssen die Quoten entsprechend hochgefahren werden. Ob dann in Angriff genommen wird, was man Sarkozy vor acht Jahren verwehrt?

Wer auf ein Einknicken Londons hofft, übersieht den dort heiß im Nacken verspürten Atem aus Übersee. Denn kein westeuropäisches Land verliert mehr Kompetenz als Großbritannien mit seinen 64 Millionen Einwohnern. Dabei geht es nicht um die gut 600.000 Pensionisten in Südeuropa. Schmerzhafter wirken die 2,3 Millionen in den ehemaligen Kronkolonien Australien, Kanada und Neuseeland. Diese Kompetenzfestungen (Grenzen offen nur für Könner und militärisch gesichert) suchen bis 2050 rund 25 Millionen Neubürger und lassen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Afrika nur Leute herein, die mit ihrer “Kreativität, Energie und Produktivität das Wirtschaftswachstum”  vorantreiben können. Aus seiner Pigmentierung soll niemand Vorteile ziehen dürfen. Am kühnsten träumt Australien, das– bei einer ungenügenden Geburtenrate von 1,77 (2014) – von 24 auf 35 Millionen zulegen will . Kanada (1,59 Kinder pro Frauenleben) – strebt von 36 auf 50, Neuseeland (2,05) von 4,5 auf 5 Millionen.

Kann das alte Mutterland seinen Lebensstandard und den Frieden seiner Städte nicht bewahren, braucht es lediglich einen etwas längeren Umzug für das Erreichen sicherer Häfen. Hoffen können darauf allerdings nur Qualifizierte, vor deren Abwanderung London mit allem Recht zittert. Eben deshalb will es jetzt selbst Kompetenzfestung werden. Falls die Inseln ihre Attraktivität für die eigenen Leistungsträger zurückgewinnen, werden sie auch für Suchende auf dem Kontinent interessant. Dort dürfte das Auseinanderdriften der Unbeweglichen und der Zukunftsverteidiger erst richtig Fahrt aufnehmen.

 

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/afrikanerpolitik_wie_waere_es_mit_ein_paar_nuechternen_zahlen_und_fakten

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preussische-allgemeine.de

Die Geister, die sie riefen

Norman Hanert, 30.08.15

Anziehungspunkt für die alternative Szene – und für aggressive Räuberbanden: Das „RAW“ in Berlin Bild: Ullstein

Während Araber-Banden, afrikanische Drogenhändler und südosteuropäische Taschendiebe eine der bekanntesten Party-Meilen Berlins in einen großflächigen Kriminalitätsschwerpunkt verwandeln, herrscht in der ansässigen links-alternativen Szene das große Schweigen.

Zwei brutale Gewalttaten innerhalb weniger Stunden haben dafür gesorgt, dass das sogenannte RAW-Gelände im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bundesweit in die Schlagzeilen geriet. Bereits Mitte August waren in der Gegend zwei Touristen aus den Niederlanden angegriffen worden. Vorangegangen war der Versuch, einem der beiden Berlin-Besucher das Portemonnaie zu stehlen.
Ertappt, rief einer der Taschendiebe Verstärkung: Am Ende schlug ein Mob von 15 Tätern die Holländer krankenhausreif und verschwand. Nur anderthalb Stunden später wurde ein Begleiter von Jennifer Weist, der Sängerin der Rockband „Jennifer Rostock“, zum Opfer eines gefährlichen Messerangriffs auf dem Gelände. Wie von Weist über Facebook publik gemacht wurde, hat es sich offenbar auch hierbei um den missglückten Versuch eines Taschendiebstahls gehandelt, der gefährlich eskalierte.
„Zwei kleine Jungs“ sollen zunächst versucht haben, die Brieftasche der jungen Sängerin zu entwenden. Auch hier bekamen die ertappten Täter schnell Verstärkung. Plötzlich umringt von fünf Angreifern, wurde dem Begleiter von Jennifer Weist mit einem Messer oder einer Rasierklinge eine Wunde nahe der Halsschlagader zugefügt. „Es fehlten nur ein paar Millimeter, und er wäre direkt auf der Straße in meinen Armen gestorben“, schilderte die Sängerin die Folgen der Attacke.
Vor allem im Internet war nach dem brutalen Angriff sogar Schadenfreude aufgekommen, dass in dem konkreten Fall ein „Gutmensch mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontiert worden ist“. Angespielt wurde damit auf die Tatsache, dass sich die Musikgruppe „Jennifer Rostock“ in der Vergangenheit stark in der Pro-Asyl-Bewegung engagiert hat. „Jennifer Rostock treten ein für Flüchtlingsschutz und gegen Abschiebungen in Haft und Obdachlosigkeit“, so ein Eintrag auf der Facebook-Seite der Musikgruppe.
Kritisch bemerkt wurde von Internetnutzern zudem, dass auch die in ersten Medienmeldungen bekannt gewordene Täterbeschreibung merkwürdig nichtssagend wirkte. Geht man von dem aus, was an Erfahrungen der Polizei zur Kriminalität auf dem RAW-Gelände vorliegt, dann hat es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nämlich um nicht-deutsche Täter gehandelt.
So gehen aus Sicht eines Zivilfahnders die Raubtaten und Körperverletzungen auf dem RAW-Gelände häufig auf das Konto von Jugendbanden aus Neukölln, Wedding und Kreuzberg. Dabei seien diejenigen, die rauben, prügeln und zustechen, eher Männer aus arabischen Familien, bei den Kleindealern von Drogen handele es sich wiederum um Schwarzafrikaner.
In Berliner Medien werden zudem Gewerbetreibende zitiert die auf dem Gelände ansässig sind, und die auch von einer Roma-Sippen sprechen, die durch Kriminalität auffalle. Zugute kommt den Tätern, dass das Gelände mit seinen Bars und Clubs über 70000 Quadratmeter groß, unübersichtlich und nachts schlecht beleuchtet ist. Ihre Aggressivität und Hemmungslosigkeit entfaltet diese Klientel vor einem sehr speziellen Hintergrund: Die Erschließung des RAW-Geländes – benannt nach dem einst hier ansässigen Reichsbahnausbesserungswerk – ist von alternativen, linken Kulturmachern angestoßen worden. Bis heute hängen auf dem Areal gut sichtbar Plakate linker Gruppen und sogenannter Flüchtlingsinitiativen.
Dass nun ausgerechnet Angehörige jener ethnischen Gruppen, die hier stets in der Opferrolle gesehen werden, sich als schwerkriminell entpuppen, hat zu einer sonderbaren Situation geführt: „Die meisten Frauen und Männer, die auf dem Gelände arbeiten, bezeichnen sich als links, antirassistisch, sozialkritisch. Dass die Halbstarken aus Familien stammen, die einst aus dem Nahen Osten und Nordafrika gekommen sind, sagen zwar alle. Nur tun sie das eben anonym. Sie wollen nicht ris­kieren, dass ihnen einer Rassismus vorwirft“, so eine Einschätzung, die im Berliner „Tagesspiegel“ nach dem Bekanntwerden der brutalen Überfälle zu lesen war. Unübersehbar ist mit der Entwicklung, dass dem Bezirk Fried­richshain-Kreuzberg nach dem Görlitzer Park nun einen zweiten großflächigen Kriminalitätsschwerpunkt erwachsen ist. Entlang der Revaler Straße, die an das frühere Bahngelände angrenzt, werden nach Beobachtungen eines szenekundigen Polizeibeamten inzwischen sogar deutlich mehr Drogen verkauft als im einschlägig bekannten „Görli“.
Die Gründe, warum bei der Polizei trotz der gesammelten Erkenntnisse beim RAW-Gelände nachhaltige Erfolge ausbleiben, sind bereits vom Görlitzer Park bekannt: Selbst Serien- und Wiederholungstäter werden von der Justiz innerhalb kürzester Zeit wieder laufen gelassen. Als Folge müssen die Beamten regelmäßig erleben, dass Drogenhändler, Taschendiebe oder Schläger nach der Feststellung ihrer Personalien nach wenigen Stunden wieder vor Ort auftauchen.
Nicht sonderlich ermutigend auch die Erfahrungen, welche die Beamten mit einem Teil der Anwohner machen müssen. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gehört zu den Gegenden Berlins, in der Festnahmen mutmaßlicher Täter mit Regelmäßigkeit zu einem Menschenauflauf führen, aus dem die Polizisten beschimpft und bedrängt werden.

Norman Hanert

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Am 1. Juli deckte die schwedische Tageszeitung Gefle Dagblad auf, dass ein Imam aus der Stadt Gävle im Norden derjenige war, der hinter der jetzt geschlossenen Internetseite http://www.muslim.se steckte, auf der unter anderem erklärt wurde, dass Homosexualität mit dem Tod zu bestrafen ist. Der Imam Abo Raab ist eine herausragende Persönlichkeit der Schwedischen Imam-Vereinigung, die mehr als 400.000 Kronen (gut €42.000) von der Regierung „zur Bekämpfung von Islamophobie und Rassismus in der Gesellschaft“ erhielt. Als ihre Funktionäre das Geld beantragten, behauptete die Vereinigung eine professionellen Internetseite schaffen zu wollen, die „faktische und sachdienliche Informationen über den Islam“ beinhaltet und „Brücken zwischen Muslimen und Nichtmuslimen baut“. Solche Brücken wurden allerdings nicht gebaut. Die aus unbekannten Gründen im Januar stillgelegte Internetseite führte Folgendes als für schwedische Muslime verboten an:

  • Homosexuell zu sein (mit dem Tode zu bestrafen)
  • sich mit Ungläubigen anzufreunden und sie zu mögen
  • sich den Gemeinschaften der Ungläubigen anzuschließen, ihren politischen Parteien beizutreten, ihre Zahl zu vergrößern, ihre Nationalitäten anzunehmen (außer es ist absolut notwendig), in ihre Armeen einzutreten oder ihnen zu helfen Waffen zu entwickeln
  • ihre Kleidung, ihre Erscheinung, ihr Reden usw. nachzuahmen, weil das Liebe zu der Person oder dem Volk signalisiert

Am 9. Juli entschied der Oberste Gerichtshof Schwedens, dass der 41-jährige Muslim Ekrem Bregaj in sein Heimatland Serbien abgeschoben wird. Herr Bregaj wurde in Abwesenheit für ein Verbrechen verurteilt, das er 2006 beging: Er schoss mit seinem Gewehr in die Luft. Bregaj, der in dem kleinen Dorf Skurup im südlichen Schweden wohnt, lehnte das Urteil ab, weil er behauptet, als Muslim riskiere er in Serbien „diskriminiert zu werden“. Eine Auslieferung, machte er geltend, wäre eine Verletzung seiner Menschenrechte. Das Gericht war nicht überzeugt und entschied, dass er in Gewahrsam behalten werden sollte, bis die Abschiebung ausgeführt werden kann.

Ebenfalls am 9. Juli entschied das Verwaltungsgericht in Härnösand, dass einem 39-jährigen Somali die Flugtickets erstattet werden, die er für seine zehn Kinder kaufte, damit diese von Äthiopien nach Schweden reisen konnten. Der Mann kam 2009 nach Schweden und blieb „langfristig von wirtschaftlicher Hilfe abhängig“, hieß es in dem Gerichtsurteil. Als die Einreisebehörde den Antrag auf Erstattung des Flugpreises für seine zehn Kinder ablehnte, nahm der Somali einen Kredit auf und forderte vom Sozialamt ihm die Auslagen zu erstatten. Als dieses Nein sagte, legte er beim Verwaltungsgericht Berufung ein; dieses entschied jetzt, dass die schwedischen Steuerzahler für die Flugtickets aufkommen müssen. Insgesamt beläuft sich die Rechnung auf 45.000 Kronen (€4.750). Die Regierung ist gegen das Urteil in Berufung gegangen.

„Immer mehr Anträge auf finanzielle Hilfe kommen aus allen Teilen des Landes. In der Untersuchung betreffs des Antrags von XX [der Name des Mannes] auf wirtschaftliche Hilfe für Reisekosten kontaktierten wir mehrere andere Landkreise im ganzen Land. Über diese Kontakte erfuhren wir, dass ähnliche Anträge abgelehnt werden, weil es nicht als vertretbar betrachtet wird, dass der Staat für Reisen und Wiedervereinigung mit Verwandten aus anderen Ländern zahlt. Wir sehen die Notwendigkeit eines zeitgemäßen Urteils, bei dem berücksichtigt wird, wie die aktuellen Einwanderungsbedingungen aussehen und wie Zusammenführungen mit Familien/Kindern heute ablaufen.“

Am 10. Juli berichtete alternative media, dass Samiyah M. Warsame, eine Sachbearbeiterin in der Zuwanderungsbehörde, „schwedische“ Jihadisten mag. Ihre Arbeit besteht darin Asylanträgen zuzustimmen oder sie abzulehnen (Islamisten sollte aus offensichtlichen Gründen wohl kein Asyl gewährt werden). Alldieweil hat sie auf Facebook über schwedische Jihadisten aus Örebro geschrieben: „Oh, Mascha Allah, wie großartig.“

Der schwedische öffentliche Dienst und örtliche Behörden versuchen allem Anschein nach dieser Tage ihr Bestes so viele Menschen nicht schwedischer Herkunft wie möglich einzustellen. Sie sagen das jedes Mal, wenn sie neue Mitarbeiter suchen. Das tun sie, sagen sie, weil sie mehr Vielfalt haben und „die Gesellschaft spiegeln“ wollen.

Diese Menschen handeln nicht immer in Übereinstimmung mit der schwedischen bürokratischen Tradition, die darin besteht, dass man sehr formal ist und z.B. Freunden und Verwandten keine bessere Behandlung zukommen lässt. Dieser Bruch mit der Tradition wurde 2013 offensichtlich, als die Polizei zwei Männer der Zuwanderungsbehörde in Malmö festnahm, die unter Verdacht standen Aufenthaltsgenehmigungen verkauft zu haben. Die Männer wurden im Mai verurteilt und erhielten Strafen.

Talal Abdelrahman, ein Palästinenser, wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, während der andere Mann, ein 47-jähriger aus der Elfenbeinküste, infolge einiger Zweifel bezüglich der Daten freigesprochen wurde. Man glaubt, dass Abdelrahman mit seinen illegalen Aktivitäten mindestens eine halbe Million Kronen (€53.000) einnahm. Amer Ahmed Iskandar, der in Malmö ein Restaurant betrieb, das ein bekannter Treffpunkt für Immigranten war, die falsche Papiere suchten, wurde zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Urteile zeigen, dass Beschäftigte in der Zuwanderungsbehörde manchmal die Regeln für Leute beiseite schieben, die in ethnischen Parallelgesellschaften in Schweden leben. Der verurteilte Rädelsführer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Am 14. Juli schrieb die schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter, dass die schwedische Einreisebehörde während der ersten sechs Monate des Jahres 2015 dem Sicherheitsdienst 130 Asylsuchende meldete, weil diese als Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachtet wurden. Diese Zahl liegt höher als die für das gesamte Jahr 2014.

Gefragt, ob es Terroristen und Kriegsverbrecher gibt, die bereits in Schweden Asyl erhalten haben, sagte Mikael Ribbenvik, Generaldirektor der Zuwanderungsbehörde: „Ja, das ist leider der Fall. Wir entwickeln unsere Methodik, aber natürlich ist nichts narrensicher. Es gibt Beispiele dafür, dass Kriegsverbrecher nach der Asylgewährung entdeckt wurden.“

Da mehr und mehr Jihadisten nach Schweden kommen, nimmt die Zahl der als solche entlarvten, die aber nicht abgeschoben werden können, zu – weil ihnen in ihren Heimatländern Tod oder Folter droht. Bisher ist 41 Asylsuchenden aus diesem Grund eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung gewährt worden; letztes Jahr waren es 20. Die meisten von ihnen sind nicht in Haft und können sich frei in der Gesellschaft bewegen; einige werden nie abgeschoben werden.

Das offensichtliche Risiko, dass sie Terroranschläge verüben können, bei denen Hunderte Schweden getötet werden, macht offenbar keinen Unterschied. „Wir schicken Menschen nicht in den Tod“, sagt Mikael Ribbenvik.

Am 14. Juli stellten drei Ärzte und ein ehemaliger Polizeichef von Götheborg in Läkartidningen, dem Magazin der schwedischen Ärztevereinigung, eine Studie vor. Diese wirft einen Blick auf die zunehmende Zahl der in schwedischen Krankenhäusern behandelten Schusswunden – etwas, das in Schweden recht selten auftrat, aber heute zur Routine der Notfallmedizin gehört:

„Diese Patienten zu versorgen stellt an jeden Beteiligten hohe Anforderungen bezüglich Erfahrung und Kompetenz. Typischerweise müssen unter immensem Zeitdruck schwierige Entscheidungen getroffen werden. Der Ablauf und die Notwendigkeit der Aufnahme von Traumapatienten hat enormen Einfluss darauf, wie die Notaufnahme organisiert ist. Die Begutachtung der Fälle, der Besonderheiten der Verletzungen, die Verwaltung und Kosten sind von entscheidender Bedeutung, um sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen, wenn es darum geht Ressourcen zuzuweisen und Traumaversorgung zu entwickeln.“

Vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2014 wurden in Götheborg 58 Menschen angeschossen. Siebenundfünfzig waren Männer; sie waren im Mittel 26 Jahre alt. Die meisten Verletzungen hatten sie an den Armen und Beinen. Zehn der Patienten starben. Die Gesamtversorungszeit für die 47 aufgenommenen überlebenden Patienten betrug 316 Tage, wodurch die Nettokosten der Gesundheitsversorgung auf 6,2 Millionen Kronen (€655.000) betrugen.

Seit die Studie abgeschlossen wurde, haben kriminelle Banden in Götheborg weiter auf einander geschossen (Karte). Es gab während der ersten fünf Monate dieses Jahres zwölf Schießereien. Fünf junge Männer starben und 16 Menschen wurden verletzt.

Am 14. Juli wurde ein 22-jähiger Somali wegen einer brutalen Vergewaltigung in Uppsala Anfang des Sommers verurteilt. Der Mann fand sein Opfer, eine Frau in den Zwanzigern, um fünf Uhr morgens auf der Straße. Wer rang sie zu Boden, setzte sich auf sie, hielt ihre Arme nieder und sagte: „Willst du leben oder sterben?“ Während der Vergewaltigung wiederholte die Frage mehrmals. Hinterher floh er, aber Dank der Beschreibung durch das Opfer wurde er ein paar Stunden später gefasst. Zur Zeit seiner Verhaftung hatte er ihr Handy dabei. Der 22-jährige war früher schon mehrfach wegen gesetzwidriger Äußerungen, Tätlichkeit, Körperverletzung und sexueller Belästigung verurteilt worden. Das hielt ihn aber nicht davon ab auf Facebook zu schreiben, er glaube, Menschen, die die Gesellschaft schädigen, sollten aus Schweden abgeschoben werden.

Am 15. Juli stand ein 30-jähriger Kurde aus dem Irak wegen versuchten Mordes an einer 40-jährigen Frau in Stockholm vor Gericht. Der Mann wollte eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben; um das zu erreichen, versuchte er die Frau dazu zu zwingen ihn zu heiraten. Als sie das ablehnte, stach er achtmal auf ihr Gesicht und ihre Brust ein. Der Angriff mit dem Messer fand auf einem Fußweg in einem Wohngebiet statt. Die Frau erlitt lebensbedrohende Verletzungen.

Am 16. Juli wurden zwei Kurden im Alter von 21 und 30 Jahren für schuldig befunden in eine Explosion am 2. März in Nyköping verwickelt zu sein. Zwei Menschen wurden getötet. Die Polizei glaubt, dass die Männer ein halbes Kilogramm Sprengstoff in eine Metallkiste packten, der dann plötzlich explodierte. Es ist nicht bekannt, wofür die Bombe genutzt werden sollte, aber das Bezirksgericht kam zu dem Schluss, dass die Vorrichtung „keinen anderen sinnvollen Gebrauch hatte als Menschen Schaden zuzufügen.“ Ein Sprengstoffexperte sagte als Zeuge im Verfahren, er habe nie zuvor eine solches Gerät gesehen und die sehr starke Bombe hätte Menschen noch bis in 600m Entfernung töten oder verletzen können.

Einer der beiden Verturteilten ist kein schwedischer Staatsbürger; und obwohl dies seine achte Verurteilung wegen eines Gewaltverbrechens in Schweden ist, wird er nicht in seine Heimat Iran abgeschoben werden. Er wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, sein Partner zu einem Jahr und zehn Monaten.

Am 17. Juli enthüllte der Schwedische Sicherheitsdienst (Säpo), dass bis heute zwischen 30 und 40 Frauen aus Schweden nach Syrien gereist sind, um sich dem Islamischen Staat (ISIS) anzuschließen. In einer E-Mail an den öffentlich-rechtlichen Radiosender Dagens Eko schreib Säpo, dies sei eine „ernste und beunruhigende Wende der Ereignisse“. Hinzugefügt wurde: „Es gibt keine bestätigten Berichte, dass diese Frauen aktiv an Kämpfen oder Ausbildung zu Kämpfen teilnehmen.“

Peder Hyllengren von der Nationalen Verteidigungsakademie sagte Dagens Eko, dass der ISIS bei Frauen in Schweden eine recht große Sympathisantengruppe hat. „Im Vergleich mit denen, die hingegangen sind, gibt es mindestens zehnmal so viele, die sympathisieren“, sagte Hyllengren. „Es geht um den Aufbau des Kalifats, Ehefrauen zu werden und eine neue Generation Jihadisten zu gebären. Sie werden Hausfrauen, aber viele sind aktiv an der Verbreitung von Propaganda beteiligt.“

Am 18. Juli schrieb die Lokalzeitung Östra Småland, dass eine Gruppe christlicher Asylsuchender in der Stadt Kalmar, nachdem sie von Muslimen schikaniert und bedroht wurde, gezwungen gewesen war aus der Unterkunft der Zuwanderungsbehörde auszuziehen, in der sie wohnten. Die Muslime forderten, dass sie aufhören Kreuze und andere christliche Symbole zu tragen und erlaubten ihnen nicht gemeinsame Einrichtungen wie die Küche zu benutzen, wenn sich Muslime darin aufhielten.

Mikael Lönngren, der örtliche Manager der Zuwanderungsbehörde, sagte der Zeitung, dass es die Christen selbst waren, die sich entschieden auszuziehen. Die Zuwanderungsbehörde teilt Menschen nicht auf Grund von Religion oder Ethnie in Gruppen ein, was bedeutet, dass es vorkommen kann, dass Menschen aus verschiedenen Seiten eines Konflikts zusammen leben müssen. Als Grund wird knapper Wohnraum angeführt: „Wir gehen davon aus, dass diejenigen, die fliehen, um in unserem Land einen sicheren Hafen zu finden, die Gesetze des Landes einhalten werden, sobald sie hier ankommen“, sagte Lönngren.

Asylsuchende in der schwedischen Stadt Kalmar, wo christliche Flüchtlinge gezwungen waren aus einer öffentlichen Wohngebäude auszuziehen, nachdem sie von Muslimen schikaniert und bedroht wurden.

Am 23. Juli nahmen der Sicherheitsdienst und die Nationale Task Force in Götheborg zwei Männer fest, die des Terrorismus und Mordes in Syrien verdächtigt wurden; ein dritter Mann wird in Abwesenheit angeklagt. Es ist das erste Mal, dass ein solch schweres Verbrechen in Übereinstimmung mit dem Terrorismusgesetz vor Gericht verhandelt wird. Die drei Verdächtigen sind schwedische Staatsbürger – Yassir Sadek (26, von Interpol gesucht), der im Irak geborene Hassan Al-Mandlawi (32) und der in Äthiopien geborene Al Amin Sultan (30). Eine Woche später entließ das Appellationsgericht Al-Mandlawi, der auch als „Mark Abu Osama al-Suwaidi“ bekannt ist; sei Verfahren steht noch aus.

Nach Angaben des Gerichts gibt es nur ein geringes Risiko, dass Al-Madlawi die Ermittlungen behindert, denn er sitzt im Rollstuhl und hat Probleme zu sprechen. Der Bezirksstaatsanwalt war von der Entlassung „überrascht“ und sagte der Tageszeitung Dagens Nyheter, obwohl dem Mann sein Reisepass abgenommen wurde, könnte er offensichtlich immer noch das Land verlassen: „Er erkennt natürlich, dass er letztlich eine sehr lange Gefängnisstrafe riskiert und alles ihm Mögliche tun sollte, um das zu vermeiden, zum Beispiel sich in ein Auto zu setzen und durch Europa zu reisen. Das ist eine recht sichere Sache, bedenkt man die offenen Grenzen. Außerdem gibt es immer die Option einen falschen Reisepass zu bekommen, dann bist du endgültig weg“, sagte Bezirksstaatsanwalt Ronnie Jacobsson.

Vor kurzem kam ans Tageslicht, dass der Vater des behinderten ISIS-Terroristen al-Mandlawi, ebenfalls eine kriminelle Vergangenheit hat. Sobald er 2003 seinen schwedischen Reisepass erhielt, vergewaltigte er eine 24-jährige Frau – als Rache dafür, dass sie zweien seiner Töchter der „Ehrenkultur“ zu entkommen half, die er ihnen aufgezwungen hatte. Er zwang die Frau unter vorgehaltener Waffe in sein Auto einzusteigen. Er brachte sie in seine Wohnung, wo er sie vergewaltigte und prahlte damit, dass er zehn Menschen getötet habe. Er erklärte auch, da er schwedischer Staatsbürger war, habe er jetzt die Freiheit sie zu vergewaltigen, denn er könne nicht abgeschoben werden. Der Mann wurde wegen Vergewaltigung und rechtswidriger Bedrohung zu bescheidenen dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Es wird zudem berichtet, dass Al-Mandlawis Vater seine Frau mit Feuerzeugbenzin übergoss und ein Streichholz anzündete. Einer seiner Töchter wurde ein „geschützte Identität“ gewährt, um ihrem Vater zu entkommen.

Am 23. Juli berichtete die Tageszeitung Sydsenskan, dass Malmö die Stadt mit der größten Häufigkeit an Bombenanschlägen in ganz Skandinavien ist. Göran Månsson, Leiter des Bombenentschärfungskommandos in Malmö, sprach über diesen wenig schmeichelhaften Rekord der drittgrößten Stadt Schwedens. Achtzehn Explosionen hat es 2015 bisher gegeben. „Das war früher nicht so. Es ist beängstigend und sehr ernst und stellt außerdem eine große Gefahr für die allgemeine Öffentlichkeit dar. Ist eine Granate erst einmal geworfen, ist sie nicht mehr kontrollierbar.“

Ebenfalls am 23. Juli berichtete die Tageszeitung Göteborgs-Posten: „Schweden ist als Asylland nicht länger attraktiv.“ Die Zuwanderungsbehörden, die normalerweise ihre Vorhersagen aufblähen, sagen inzwischen einen leichten Rückgang bei der Zahl der Asylsuchenden für 2015 voraus – von 80.000 auf 74.000. Ein Grund sollen Schwedens im Vergleich zu Deutschland mit seinem Schnellverfahren lange Wartezeiten sein, außerdem die schwachen Integrationsverfahren in Schweden. „Es ist schwer Wohnung und Arbeit zu finden und das beeinflusst die Zielwahl der Menschen“, sagte Anders Danielsson, Generaldirektor der Zuwanderungsbehörde.

Ein weiterer Grund ist, dass es schwieriger geworden ist durch Europa nach Norden zu reisen. Frankreich z.B. hat Kontrollen an der italienischen Grenze eingerichtet. Die Schweiz überlegt dasselbe zu tun und Ungarn baut einen Zaun entlang seiner Grenze mit Serbien.

Wenn es um die Gruppe geht, die als „unbegleitete Flüchtlingskinder“ bezeichnet wird, erhöht die Zuwanderungsbehörde ihre Vorhersage von 8.000 auf 12.000 Ankömmlinge. Diese Schätzung lässt Schweden stetig das Ziel Nummer eins in der EU bleiben, was die Aufnahme sogenannter unbegleiteter Flüchtlingskinder angeht.

Am 29. Juli marschierte eine kleine Pride-Parade durch einige mehrheitlich muslimische Vororte von Stockholm. Es gab enorme Berichterstattung in den Medien, selbst im Ausland. Die britische Zeitung The Independent zum Beispiel schrieb einen Artikel mit der Schlagzeile „Sweden right-wingers plan LGBT march through Stockholm’s Muslim-majority neighbourhoods“ (Schwedische Rechte planen LGBT-Marsch durch Stockholms mehrheitlich muslimische Viertel).

Die schwedischen Mainstream-Medien waren schnell dabei die Initiative zu verurteilen, ebenso die Nationale Koalition für Lebsen-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-Rechte (RFSL). Es wurde von „Pinkwashing“ geredet, um Wohlwollen für sexuelle Präferenzrechte zu fördern und dass die Parade ein Versuch sei Muslime zu „provozieren“. Anscheinend war es für die Mitglieder der RFSL inakzeptabel der Ansicht des Islam entgegenzutreten, dass Homosexuelle Parias sind, die die Todesstrafe verdienen. Sie sind offenbar zufrieden damit, Pride-Paraden nur in Stockholms Zentrum zu veranstalten, wo es keine Probleme mehr mit Homosexuellenrechten gibt.

Die Järva Pride-Parade lief ohne Zwischenfall ab, auch wenn einige Muslime in der Gegend „Allahu Akbar“ [Allah ist größer] und „Wir sind Muslime, was wollt ihr hier, Schwuchteln?“ brüllten. Die sogenannten „Antirassisten“ aber, die in das Viertel gegangen waren, um gegen die angeblich „provozierende“ Parade zu protestieren, wurden von Maskierten angegriffen und geschlagen.

Am 30. Juli deckte die Tageszeitung Dagens Nyheter auf, dass fast 25% der im Ausland geborenen Bewerber bei den schwedischen Streitkräften nicht in der Lage sind den Einstellungstest zu bestehen. Das extrem abgespeckte schwedische Militär sucht dringend Soldaten mit Kenntnissen in fremden Sprachen und Kulturen, aber qualifizierte Bewerber sind schwer zu bekommen.

Nach Angaben einer von der Verteidigungshochschule in Karlstad durchgeführten Umfrage, wo 2013 die Anträge für militärische Grundausbildung ausgewertet wurden, scheiterten 7,3% der schwedisch geborenen Männer und 8,1% der schwedisch geborenen Frauen bei dem Test; im Vergleich dazu scheiterten 24,2% der im Ausland geborenen Männer und 24,7% der im Ausland geborenen Frauen.

Die Fragen des Tests deckten Fähigkeiten in Technik, räumlicher Koordination, Sprachgebrauch und Logik ab; sie sind seit den 1990-er Jahren gleich geblieben, als in Schweden noch die Wehrpflicht galt und sie an eine 18 Jahre alte männliche Bevölkerung angepasst waren. Das Militär will jetzt untersuchen, ob die Probleme der im Ausland geborenen Bewerber auf Diskriminierung (!) zurückzuführen sind.

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Boris T. Kaiser, 30.08.15

 

Es scheint ein gutes Gefühl zu sein, sich zu schämen. Vor allem für Dinge, für die man selbst eigentlich gar nichts kann. Zumindest ist die Scham für das, was Andere in Heidenau, Freital und anderswo anstellen, in Deutschland gerade die Trend-Emotion überhaupt. Die Logik dahinter verschließt sich mir. Zumal jene, die sich da für Andere so sehr schämen, in der Regel die gleichen Leute sind, die uns bisher immer erklärt haben, man könne nicht stolz darauf sein Deutscher zu sein, weil man dazu ja nicht durch eigene Leistung beigetragen habe.

Ja was denn nun? Entweder kann ich auf etwas, für das ich nichts kann, nicht stolz sein, dann kann ich mich aber auch nicht dafür schämen, oder ich kann mich dafür schämen, dann könnte ich aber, so mir danach ist, auch auf so ziemlich alles stolz sein. Vielleicht wäre ein explizit schwarz/rot/goldener Patriotismus und ein damit verbundenes republikanisches Selbstbewusstsein ein deutlich besseres Rüstzeug gegen dumpfen Nazihass und feucht-braune Träumereien von der Auferstehung eines reinrassigen Deutschen Reichs als der Hass auf diesen Staat und seine Werte, wie er von Rechtsradikalen und Linken gleichermaßen gelebt wird.

Schon in den 1930er Jahren wurde der Aufstieg der Faschisten nicht in erster Linie durch ein Übermaß an Patriotismus möglich, sondern durch mangelndes Vertrauen eines Großteils der Bürger in die Weimarer Republik und die Demokratie. Auch heute würde man für ein klares Bekenntnis zur Bundesrepublik Deutschland und dem Grundgesetz wohl wenig Zuspruch bekommen. Die heute so begehrten Facebook-Likes und Twitter-Sternchen ergattert man anders. Egal, ob man Privatperson, Journalist, Politiker oder eine Person des öffentlichen Lebens ist: Man muss das Herz auf der Zunge tragen und dies heißt im digitalen Zeitalter: Ohne Sinn und Verstand auf die Computer-Tastatur eindreschen und so emotional wie möglich daherschwafeln.

Wann immer ich mich dieser Tage in meine Social-Network-Accounts einlogge, werde ich geradezu überrollt von der Welle der feelgood und moralischen Bekenntniskommentare. Kaum jemand, der sich nicht – und sei es auch in noch so banaler Form – für Flüchtlinge und gegen Rassismus positionieren will. Ich frage mich dann, wo all die Antirassismus-Kämpfer waren, als vor nicht allzu langer Zeit in den Medien über antisemitische Demonstrationen hier lebender Moslems in deutschen Großstädten berichtet wurde. Empfand man „Juden-ins-Gas“-Sprechchöre etwa als weniger schlimm als Beschimpfungen gegenüber Asylanten und der Bundeskanzlerin?

Oder bezieht man als weltoffener, moderner, westdeutscher Großstädter einfach lieber Stellung gegen doofe Ossis vom Dorf als gegen den eigenen Nachbarn und seine Großfamilie? War es allein die Angst vor dem Antisemiten von nebenan, die all die Facebook-Gutmenschen damals vor einem klaren Bekenntnis gegen das offenkundig Böse abgehalten hat oder ist muslimischer Antisemitismus einfach kein so populäres Thema wie Rassismus gegen Flüchtlinge? Oder anders gefragt: Müssen die Juden erst wieder verstärkt fliehen, bevor sie auf die Solidarität von Til Schweiger und Co zählen können?

Bei Protesten gegen Asylbewerberheime fällt es nicht nur dem gemeinen Social-Networker, sondern auch den stets auf Quote und ihr Bild in der Öffentlichkeit bemühten Künstlern und Medienschaffenden deutlich leichter, sich zu äußern.

Farin Urlaub von den Ärzten schämt sich natürlich auch, wie es sich in seinen Kreisen gehört und eigentlich schon immer üblich war, Deutscher zu sein und betont, dass er „jegliche Geduld mit diesen Arschgeigen verloren” habe. Außerdem sagt er: „Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben.“

Der Satz könnte vom Wortlaut her übrigens auch als Kritik an der Prekariats-Asylflut verstanden werden, aber dies nur nebenbei. Natürlich betont auch er brav, dass es keinerlei eigener Leistung benötigt, um Deutscher zu sein. Der gesamte Kommentar klingt wie ein auswendig gelernter Text von der Klotür irgendeines autonomen Jugendzentrums, wie aus der Kitschkiste des 80er-Jahre Punks. Dennoch wurde er sozial-medial abgefeiert, als wäre Johann Wolfgang von Goethe persönlich aus dem Grabe auferstanden, um sich, im Sinne des Humanismus, so feingeistig wie deutlich zu den aktuellen Zuständen in Deutschland zu äußern.

In diesem Deutschland ist nichts einfacher, als ein guter Mensch zu sein. Es bedarf dazu fast so wenig eigener Leistung wie zum Deutschsein selbst. Joko und Klaas drehen ein Video gegen, wie sie es nennen, „Ich-bin-zwar-kein-Nazi-aber-Idioten“, sie tun es mit der gleichen Selbstverständlichkeit, als würden sie gerade einen neuen Werbespot für Fanta oder McDonalds drehen.

Der so häufig verwendet wie kritisierte Satzeinstieg „Ich bin kein Nazi, aber…“, sagt übrigens in vielen Fällen weit mehr über seine Kritiker aus als über jene, die ihn sagen.

Denn offenbar haben viele Leute in Deutschland den Eindruck, sie müssten sich für ihre Meinung oder dafür, dass sie gewisse Wahrheiten und Selbstverständlichkeiten aussprechen,vorsorglich entschuldigen. Dies liegt nicht zuletzt an jenen, die diesen Satzeinstieg dann gerne aufgreifen, um zu „beweisen“ dass jeder, der sich kritisch zu Islam, Ausländerkriminalität oder einfach zu den finanziellen und gesellschaftlichen Belastungen durch die Flüchtlingsflut äußert, eben doch ein Nazi sein muss.

Auf eine konstruktiv-kritische Beschäftigung mit diesen Themen von Seiten der Social-Network-Gutmenschen wird man wohl noch lange warten dürfen. Genau wie auf konkrete Vorschläge, wer ihre „Refugees Welcome“-Philosophie auf Dauer bezahlen soll. Am Recht auf Asyl für echte Kriegsflüchtlinge ist genauso wenig zu rütteln wie an der Tatsache, dass all dies irgendwie und von irgendwem gesellschaftsverträglich gestemmt und bezahlt werden muss.

Politischer Pragmatismus würde zwar bei der Lösung der Probleme weit mehr helfen als gefühlsduseliges, aber wenig überlegtes „Kein-Mensch-ist-illegal“-Geschwafel, macht aber natürlich nicht so ein wohlig warmes Gefühl im Bauch wie die Gewissheit der eigenen moralischen Überlegenheit. Politik und Journalismus sollten sich davon dennoch nicht länger beeinflussen lassen und die Meinungshoheit bei einem so wichtigen Thema nicht länger den Radikalen und den Schwätzern überlassen.

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Die Achse des Guten: Pack & Mob

 

  30.08.2015

Was war das für eine Woche! Selten ist es moralisch so hoch hergegangen wie in diesen letzten Sommertagen, so verlogen, so scheinheilig, so anmaßend selbstgerecht, so theatralisch. Dass Joachim Gauck mit seinem Geschwurbel über „ein helles Deutschland“, dem ein „Dunkeldeutschland“ gegenüber stehe, unversehens in die schwülstige Rhetorik derer geriet, die früher schon die guten gegen die schlechten Deutschen ausspielten, bis das ganze Land in Scherben lag, dieser metaphorische Fehltritt mag ja noch hingehen. Schließlich entstammt der befristet amtierende Bundespräsident der Zunft der Pastoren. Und die wiederum neigen seit jeher zu blumiger Rede. Nicht zuletzt darin beweist sich ihre Professionalität. Wer jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen wollte, geriete schnell in Teufels Küche. Ihre Gleichnisse, die bösen zumal, sollen die Gemeinde aufrütteln, in Gottes Namen. Einstehen muss dafür niemand, nicht einmal der Pastor selbst, wenigstens nicht hienieden.

Ganz anders verhält es sich dagegen bei den regierenden Politikern, da sie vorgeben, im Namen ihrer Arbeitgeber, der Bürger, zu sprechen und zu handeln. Dazu verpflichtet sie das Grundgesetz, das haben sie geschworen. Gleichwohl können sie natürlich für sich, daheim im stillen Kämmerlein, über „die Menschen draußen im Lande“ urteilen wie sie wollen. Die Gedanken sind frei – die öffentliche Rede unserer angestellten Politiker ist es nicht. Das gilt für die Bundeskanzlerin ebenso wie für ihren Stellvertreter. Weder ihm noch ihr steht es zu, den Bürgern moralisch die Leviten zu lesen.

Wo es nötig ist, können, sollen und müssen sie politisch handelnd gegen jene vorgehen, die die Sicherheit und die Rechte anderer bedrohen. Deshalb sind dem Staat die Polizei und die Sicherheitsdienste unterstellt, deshalb gibt es eine Staatsanwaltschaft. Wenn dagegen der Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland verbale Verleumdungen protestierender Bürger – aus welcher Ecke auch immer sie kommen mögen – in die Mikrophone bellt, vergreift er sich nicht nur im Ton: Er missbraucht das Ansehen seiner Position, um seinerseits, sozusagen regierungsamtlich, Hass zu schüren.

In totalitär beherrschten Ländern ist das gang und gäbe. In einer Demokratie wie der deutschen indes disqualifiziert sich jeder Politiker, der sich so vergisst wie Sigmar Gabriel, als er dieser Tage von deutschen Bürgern als „Pack und Mob“ sprach. Solche Pauschalurteile erfassen immer mehr Menschen, als unter Umständen gemeint gewesen sein mögen. Mit ihnen wird Stimmung gemacht, mehr nicht. Wer sich darin gefällt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, das Flüchtlingsproblem zur eigenen Profilierung zu missbrauchen.

Tatsächlich haben wir in der abgelaufenen Woche einen Asylantenheim-Tourismus erlebt, bei dem die der Gefahr und der Not Entflohenen vorgeführten wurden wie die „Schwarzen“ und die Indianer in den „Völkerschauen“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts, bei Hagenbeck in Hamburg oder im Zirkus Sarrasani zum Beispiel.  Als Statisten mussten sie den Politikern Gelegenheit geben, sich als Sachwalter menschlicher Würde in Szene zu setzen.

Wortwörtlich sagte Angela Merkel bei ihrem Auftritt in Heidenau: „Es gibt keine Toleranz für die, die die Würde anderer Menschen in Frage stellen.“ Richtig, so ist es! Oder sollten wir besser sagen, so müsste es sein? Schließlich liegt es erst wenige Wochen zurück, dass der Vizekanzler den Mullahs im Iran seine katzbuckelnde Aufwartung machte, um Geschäfte mit einem Land anzubahnen, in dem die Menschenrechte keinen Pfifferling wert sind, in dem verfolgt, gefoltert, eingesperrt und hingerichtet wird, wer versucht, seine Würde als Andersdenkender zu bewahren. Hat Sigmar Gabriel damals auch von Mob und Pack gesprochen?

Und wie verhält es sich mit dem unerbittlichen Eintreten der Bundeskanzlerin für „die Würde anderer Menschen“, wenn sie die Genossen aus China mit allem Pomp empfängt, sofern sie sie nicht gleich mit ihrem ganzen Kabinett in Peking besucht, obwohl dort, in China, Jahr für Jahr Tausende hingerichtet werden? Gibt es die menschliche Würde in verschiedner Ausfertigung, je nachdem wie es die politischen Geschäfte verlangen? Haben die heute ach so betroffenen Politiker der Groko vergessen, dass sie das anschwellende Flüchtlingselend mit heraufbeschworen, indem sie die Mär vom reichen Deutschland in die Welt trugen, um sich selbst Bedeutung zu geben?

Es mag ja sein, dass das alles unvermeidlich ist, dass man es mit der Würde des Menschen in der globalisierten Welt so genau nicht nehmen darf. Aber dann soll man uns auch kein X für ein U vormachen. Denn auch die Schamlosigkeit, mit der die Regierung das Flüchtlingselend nutzt, um sich medial aufzuplustern, verletzt die Würde. Die inszenierte Betroffenheit gleicht einem Offenbarungseid. Wer nicht mehr weiter weiß, schwingt sich zur moralischen Instanz auf und diffamiert dann gern jene, die ihm das nicht abnehmen wollen. Dass der eine oder andere dabei selbst an das glauben mag, was er uns vormacht, dass er sich selbst für dumm verkauft, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil, es beweist nur, dass die Zeit reif ist, die Regierung von ihren Aufgaben zu entbinden.

Das haben die letzten Tage wie selten zuvor gezeigt. Sie haben aber auch gezeigt, dass die Bürgergesellschaft Manns genug ist, sich den Probleme ohne parteipolitisch moralisierende Bevormundung zu stellen. Überall im Land entstehen Sammelstellen, um die mit haltlosen Versprechen ins Land gelockten Menschen wenigstens mit dem Nötigsten zu versorgen. Das wird am Ende nicht reichen, zumal der Winter bald vor der Tür steht. Es ist aber allemal mehr wert als die Scheinheiligkeit, mit der sich die Verantwortlichen in Büsche zu schlagen suchen, mehr auch als das Brusttrommeln des kleinen Versagers im großen Wirtschaftsministerium.

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Deutschland führt ja bekanntlich gerade eine hitzige Debatte über Flüchtlinge. Unklar ist nur, wo genau die überhaupt stattfindet. Natürlich, es wird viel doziert, gesagt und gesprochen. Hier das Team „Alle raus!“, dort die „Alle rein!“-Fraktion. Dazwischen Til Schweiger, ein Busfahrer und ein paar Inhaber bekannter Positionen, die zwischen Taschengeld und europäischer Solidarität oszillieren. Das alles wäre zweifellos brillanter Stoff für ein Woody-Allen-Drehbuch, vielleicht noch ein Fall für Sigmund Freud. Aber das Label „Debatte“ mutet dann doch etwas euphemistisch an.

Derweil tauchen die immer gleichen Bilder am Horizont auf. Flüchtlinge, die sich in mazedonische Züge drängen. Weinende Kinder auf Kos. Dann wieder Flüchtlinge an der ungarischen Grenze. Dazwischen dunkle Deutsche in Heidenau und helle Deutsche, die Kuchen vorbeibringen. Wer daneben gerne wissen möchte, wie es nun angesichts von 800.000 Neuankömmlingen weitergeht, wo sie wohnen und arbeiten sollen, wird rasch auf den „Kampf gegen rechts“ und das Leid der Flüchtlinge verwiesen. Das eine ist zwar nicht falsch, das andere zweifellos tragisch, nur eben nicht die Antwort auf die Frage.

In einer besseren Welt gäbe es Wege, dieser Möchtegern-Debatte zu entgehen. In Deutschland existieren dafür jede Menge Neurosen. Dabei würde es schon reichen, nochmal zwei Monate zurück in glücklichere Zeiten zu spulen, als die einzige Person, über die man sich aufregen konnte, Martin Schulz hieß.

Indes gibt es nun ein „wir“, dem magische Kräfte nachgesagt werden. „Wir schaffen das!“ ist die Formel für Anfänger. Fortgeschrittene dagegen fragen lieber nach: „Wenn nicht wir, wer dann?“  Schade nur, dass nie geklärt wird, wer dieses „wir“ eigentlich ist.

Einigkeit herrscht hingegen insoweit, als Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das ist so sicher wie Norbert Blüms Rente und die Alternativlosigkeit der Energiewende. Allein: Diese These klingt nicht wirklich überzeugend. Denn Einwanderungsländer erkennt man in erster Linie daran, dass sie Zuwanderer nicht kollektiv wie Mündel, sondern wie erwachsene Menschen behandeln und ihnen zugesteht, in Freiheit und mit Eigenverantwortung ein neues Leben zu beginnen.

Deutschland dagegen ist ein Land für Menschen, die ohne Murren einen beträchtlichen Anteil ihres Einkommens und ihrer Würde abgeben, um sich danach vorschreiben zu lassen, wie man den Müll trennt. Ein Land, in dem man zwar gerne die soziale Kälte beklagt, aber gleichzeitig ein Markt für eine App existiert, die es jedem ermöglicht, Falschparker mühelos beim Ordnungsamt zu verpetzen. Ein Ort, an dem der Staat in Begleitung der parlierenden Klasse alles daran setzt, „Gerechtigkeitslücken“ zuzubetonieren und sich ansonsten der Dampfwalze bedient, um vorhandene Ungleichheiten plattzumachen. Denn unter der Gleichheit, die einst neben Freiheit und Brüderlichkeit rangierte, versteht man hier nicht Gleichheit vor dem Gesetz, sondern harmonische Ergebnisgleichheit in allen Lebenslagen.

Deutschland ist ein Land, das keine Unterschiede erträgt. Es debattiert lieber über eine höhere Erbschaftssteuer, um so endlich etwas gegen die Ungerechtigkeit zu unternehmen, die sich durch die Co-Existenz reicher und armer Familie breitmache. Derweil begnügt sich NRW mit einer „Hausaufgabenbremse“, um wenigstens auf diese Weise den Abstand zwischen Kindern aus sozial schwachen und jenen aus bildungsnahen Elternhäusern zu verringern. Und wenn eine grüne Politikern die Forderung erhebt, auch weniger schlanke Damen bei Misswahlen ins Rennen zu schicken, weil diese sonst durch 90-60-90-Vorgaben ausgegrenzt werden, dann gilt das nicht etwa als Beleg von geistiger Umnachtung, sondern als legitime Antidiskriminierungsmaßnahme.

Wie soll man also sichere von unsicheren Herkunftsländern abgrenzen, wenn man schon mit dem real existierenden Unterschied zwischen arm und reich völlig überfordert ist? Und wann wird in Bezug auf das Asylrecht wenigstens sprachlich zwischen Kriegsflüchtlingen, die gerade noch dem Islamischen Staat entkommen sind, und Wirtschaftszuwanderern vom Balkan, die schlicht ein besseres Leben führen möchten, differenziert? Wenn es an allen Universitäten nur noch „Studierende“ gibt, oder erst sobald jede Chefetage zu 50% weiblich besetzt ist?
Stattdessen muss es die überraschende Erkenntnis tun, dass Flüchtlinge Menschen (und nicht etwa Pferde, Katzen oder Wühlmäuse) sind. Dass es tüchtige und faule, anpassungsbereite und integrationsunwillige, gut und schlecht ausgebildete Menschen gibt, hat sich dagegen noch nicht herumgesprochen. Der syrische Arzt, der gut gefüllte Portemonnaies zur Polizei trägt, ist demnach genauso ein Mensch wie der ein oder andere Islamist in Suhl, der einen zerfledderten Koran mit der Faust rächt und dafür mit Schützenhilfe von Bodo Ramelow belohnt wird. Auch das ist nur konsequent in einem Land, das immer dann zuverlässig gegen Islamophobie vorgeht, sobald irgendwo ein Jüngling unter Berufung auf Allah ein Blutbad nimmt.

Vor allem aber: Wie soll man Flüchtlinge in einen Arbeitsmarkt integrieren, auf dem ungefähr genauso viele Verordnungen, Richtlinien und Gesetze gelten wie es Arbeitnehmer gibt? Deutschland agiert zwar vorbildlich, wenn es darum geht, hochqualifizierte Frauen per Quote in die Führungsetage zu manövrieren. Der Unterschied zwischen „gleichen Rechten“ und „Grundrecht auf Chefsessel“ interessiert uns nicht.

Aber wie sieht es mit bildungsfernen Zuwanderern und deren Jobchancen aus, solange ein Mindestlohn existiert? In jedem Land der Welt gibt es einen Berufsstand, in dem traditionell viele Zuwanderer – zumindest die erste Generation – vertreten sind: den des Taxifahrers. In Deutschland dagegen gibt es nicht nur Andrea Nahles, deren schützende Hand solche Einwanderer vor diesem Schicksal bewahrt. Daneben existieren auch noch Gerichtsurteile, die die Mindestlohn-freie Alternative namens Uber gleich mit verbieten.

Natürlich wäre Taxifahren für wenig Geld nicht schön. Aber ein kleines Einkommen ist besser als gar keines. Zudem ist es würdevoller wie auch integrationsfördernder als Arbeitslosengeld. Als vor mehr als hundert Jahren Tausende von Iren und Italienern die erbärmlichsten Bauten New Yorks bezogen, besaßen sie nicht viel mehr als der Flüchtling aus Eritrea von heute. Es gab auch keine Integrationsexperten und kein Taschengeld, dafür nur Freiheit, miese Jobs und die wage Aussicht auf ein besseres Leben. Das reichte, um sich durchzuwurschteln und motivierte vor allem die Kinder der Einwanderer, es mal besser zu machen. Angenehm war das sicher nicht, aber es war möglich. Einwanderung und Flucht aus Armut sind nur selten erbaulich und fast immer eine Herausforderung, die sich nicht gleich morgen auszahlt.

Das Einwanderungsland Deutschland hingegen wird voraussichtlich das tun, was es am besten kann: verwalten und bevormunden. Flüchtlinge fungieren primär als schutzbedürftige Mündel, weil das die Rolle ist, die sich am leichtesten handhaben lässt. Wenn sie keinen Job finden, sollen sie halt vom Staat leben. Und wenn sie besonders viel Pech haben, werden sie von Angela Merkel gestreichelt.

Individualismus dagegen nervt. Keiner mag ihn, wir können auch nicht mit ihm umgehen – weder mental, noch praktisch. Und wer schon die autochthone Bevölkerung für intellektuell unauffällige Wesen hält, die erst dann das Zündeln sein lassen, wenn Udo Lindenberg es ihnen im Rahmen eines „Aufstands der Anständigen Deluxe“ vorsingt, wird mit neuen Gästen nicht anders verfahren.

Wo 1600 Zöllner zwecks Kontrolle des Mindestlohns eingestellt werden, dürften mittelfristig auch anderweitig Arbeitsplätze entstehen. Gebraucht werden Kindergärtner, Lehrer, Polizisten, Beamte im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Richter für Asylverfahren sowie JVA-Beamte, Staatsanwälte und Richter ob inhaftierter Schleuser. Zu den Psychologen gesellen sich dann Streetworker und Integrationsexperten. Nicht wenige davon haben ein Interesse daran, ihren Kundenstamm nachhaltig zu erweitern, zumindest aber zu erhalten. Und natürlich bedarf es zusätzlicher Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen. Die werden sich darüber wundern, dass die meisten Arbeitgeber außerhalb des Fachkräftemangel-Universums lieber einen Bewerber mit perfekten statt ausbaufähigen Deutschkenntnissen einstellen werden, wenn sie schon 8,50€ die Stunde zahlen müssen. Spätestens dann dürften all die neu eingestellten Sozialarbeiter zum Einsatz kommen, die den völlig desillusionierten und zu recht deprimierten Einwanderern in ihren Sozialwohnungen höflich mitteilen, dass der Handel mit Rauschgift hierzulande strafbar ist.

Zumindest kurzfristig dürfte all das noch günstiger als die Rettung Griechenlands sein. Mittelfristig wird Wolfgang Schäuble die schwarze Null wohl neu interpretieren müssen. Insoweit ist es nicht einmal völlig falsch, wenn Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und Thomas de Maizière nun „Wir schaffen das!“ rufen. Die Frage ist nur, ob die Flüchtlinge das in naher Zukunft genau so sehen werden.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/vater_staat_und_die_800.000_muendel

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Vorsicht, dies ist kein Artikel über „die Flüchtlinge“. Bei den massiven Bevölkerungsbewegungen, die sich jetzt auf Deutschland, Europa und andere Wohlstandsregionen der Welt richten, ist „Flucht“ nicht der angemessene Oberbegriff. Hier sind nicht nur Hilflose und Getriebene unterwegs, die aus einer Notlage gerettet werden müssen. Die Vorgeschichte dieser Welle ist keine allgemeine Verelendung, kein Weltkrieg, keine globale Naturkatastrophe. Gewiss gibt es Notlagen, Katastrophen und Kriege, doch generell ist die Versorgung mit Nahrung, Gesundheit, Information in den ärmeren Regionen in den vergangenen Jahrzehnten besser statt schlechter geworden. Deshalb sind es oft nicht extreme Notlagen, sondern neue Wünsche und Ansprüche, die die Menschen in Bewegung setzen, die Staaten auseinanderbrechen lassen und die dann im Gefolge tatsächlich auch zu Krieg, Gewalt, Hunger, Krankheit führen. Auch die Todesfälle auf den Migrationsrouten gehören zu diesen Folgen.

Das macht diese Opfer nicht weniger erschreckend und unsere Anteilnahme nicht geringer. Aber es gibt hier noch eine andere moralische und politische Pflicht: Wir müssen fragen, ob diese globale soziale Mobilisierung sinnvoll ist, ob sie zum Besseren führt. Oder ob sie ein Irrweg ist, der immer größeres Unglück heraufbeschwört. Weil hier nicht einfach ein höherer Zwang regiert, sondern von Menschen eine Wahl getroffen wird, muss nach der Vernünftigkeit dieser Wahl gefragt werden. Diese Frage muss als soziale Frage gestellt werden, als Frage der gesellschaftlichen Entwicklung, nicht als Frage individueller Biographien. Wir müssen nach einer verallgemeinerungsfähigen Antwort suchen. Dabei wiederum geht es nicht nur um eine verbale Antwort, sondern um den Einsatz unserer Handlungsmöglichkeiten: Sollen wir die neuen Bevölkerungsbewegungen unterstützen und fördern oder sollen wir sie bremsen und einhegen?

Der Oberbegriff dieser Artikelserie ist deshalb die Migration und „Flüchtling“ ist nur eine Teilmenge. Deshalb ist auch „Rettung“ hier nur ein Teil der moralischen und politischen Gesamtantwort.

Die generelle Rede von „den Flüchtlingen“ hat etwas Drängendes. Sie duldet keinen Verzug und keine prüfende Distanz. Damit steht diese Rede im Grunde auf Kriegsfuß mit den Grundlagen des Asylrechts und erweckt den Eindruck, dass das Asylverfahren (die Prüfung der Anliegen vor der Öffnung des Landes)  kleinlich und unmoralisch ist. In dieser Rede ist die Unterscheidung zwischen den Arbeitsmigranten, den (kurzfristigen) Flüchtlingen und den (langfristigen) Asylsuchenden eingeebnet. Im Grunde macht sie die Möglichkeit, Menschen überhaupt die Zuwanderung zu verweigern, zum Tabu. Jeder, der für diese Möglichkeit eintritt, gilt sot als moralisch und politisch verdächtig. Unverdächtig ist hingegen jedes pauschale „Ja“ zur Migration. Doch ist dies pauschale „Ja“ moralisch viel fragwürdiger. Denn die kritische Prüfung der Migrationsgründe nimmt die schwerwiegenden Folgen des Migrierens ernst – die Lösung der Menschen aus ihren sozialen Bindungen; der Verlust von Talenten und Fähigkeiten für das Herkunftsland; die Zusatzlasten für das Empfängerland und die Übernutzung seiner Gemeingüter. Die kritische Haltung hält diese Folgen für so gravierend, dass sie das Migrieren nicht per se als positiven Akt ansieht. In ihrer Moral zählt nicht nur das dramatisch-auffällige Hier und Jetzt, sondern die Gesamtlage der Völkergemeinschaft und die langfristigen Folgen einer großen Wanderungsbewegung.

Wo hingegen alles unter dem Gebot des unmittelbaren Rettens steht, gibt es auch politisch im Grunde nichts zu entscheiden. Jede allgemein-verbindliche Regelung, jedes Gesetz erscheint unmenschlich. Jede Einschränkung im Namen der Gesamtbürgerschaft eines Landes erscheint als Übergriff. So kommt es zu einem unpolitischen permanenten Ausnahmezustand, zu einer Diktatur des Rettens. Dieser unpolitische Zustand hat sich in Deutschland stärker ausgebreitet als in jedem anderen europäischen Land. Nicht, dass das Diktatorische in besonders drastischen Eingriffen bestehen würde – nein, es ist ein Verweigern von politischem Handeln und seine Ersetzung durch die Steuerung der öffentlichen Meinung. Das „Retten“ soll die Bevölkerung mobilisieren und sie zugleich auf ferne globale Lösungen vertrösten. Gemessen an ihrem vollmundigen „Wir schaffen das“ hält sich die Bundesregierung beim wirklichen Eingreifen auffällig zurück.

Diese Form der ideologischen Steuerung unter der Flagge des Rettens ist hierzulande inzwischen wohlbekannt. Da gibt es die „Eurorettung“, mit dem der Marsch in die europäische Transferunion gelenkt wurde. Dazu gehört die „Griechenland-Rettung“, bei der ein Staat, der völlig über seine Verhältnisse lebt, endlos alimentiert wird. Und es gibt natürlich die „Klimarettung“, in deren Namen man das deutsche gemischte Energiesystem zerstört hat (und gleiches im Verkehrs- und Bauwesen vorbereitet). Überall wird gerettet. Dieser Begriff ist zum universellen Politikersatz geworden. Das „Retten“ ist das Meisterwort des Merkelismus.

Mit der „Flüchtlingsrettung“ bekommt diese Entwicklung nun eine neue Dimension. Das liegt zum einen an der Größe der Bevölkerungswelle, die auf Europa zurollt. Es liegt zum anderen daran, dass diese Rettung viel stärker das Innenleben Deutschlands berührt. Sie greift in das gesellschaftliche Leben ein, sie verändert die Art des zivilen Zusammenhalts. Das stellen in diesen Wochen viele Menschen beim Blick in ihre Stadt oder in ihre Ortschaft fest. Sie befinden sich „in neuer Gesellschaft“. Die eingespielten zivilen Mechanismen, auf deren Gültigkeit man fraglos vertrauen konnte, gelten nicht mehr. Und hier steht nicht irgendein altes, engstirniges Reichsdeutschland auf der Kippe, sondern die durchaus moderne Bundesrepublik mit ihren Institutionen und ihren zivilen Formen des Zusammenhalts. Die neue Migrationsbewegung bringt die mühsam erreichten Gleichgewichte der Integration aus dem Lot. Sie setzt an die Stelle der bisherigen, regulierten Offenheit eine anarchische und völlig intransparente Offenheit.

Es gibt also gute Gründe, dieser Bewegung skeptisch gegenüberzustehen und sie erstmal zu bremsen, bevor sie die Republik umkrempelt. Diese Skepsis ist längst da, und zwar in der gesellschaftlichen Mitte Deutschlands (und anderer europäischer Länder). Oft kommt sie in sehr vorsichtigen Formulierungen zum Ausdruck. Statt der nassforschen Sprachregelung der Bundesregierung, Deutschland sei „herausgefordert, aber nicht überfordert“, sagen die Leute, dass man im Grunde „ratlos“ ist. Oder „bedrückt“, wie Klaus-Dieter Frankenberger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.August schrieb: „Doch machen wir uns nichts vor: Die Vorstellung, der halbe Nahe Osten und Teile Afrikas siedeln Um nach Westeuropa, lässt schon ein Gefühl der Bedrückung zurück. In jeder Hinsicht“. In so einer Situation könnte man eigentlich von den politisch Verantwortlichen erwarten, dass sie eine rationale und offene Diskussion anregen – über den Charakter dieser neuartigen Migrationswelle und über die Handlungsmöglichkeiten des Staates. Und dass der Pluralismus der politischen Parteien und aller Meinungsäußerungen gerade jetzt geschätzt und geschützt wird.  .

Doch stattdessen geschieht in Deutschland nun etwas ganz Anderes, etwas geradezu Irrsinniges. Im Angesicht eines neuen Migrationsschubes, der in diesen Tagen über die Balkanroute auf Deutschland zuläuft, wird eine Debatte über „Ausländerhass“ und „rechtsradikale Gefahren“ inszeniert. Und das Stigma „rechts“ wird bewusst so weit gedehnt, dass es jene Mitte der Bürger trifft, die nicht begeistert in den Chor der Flüchtlingsretter einstimmt, sondern mit Sorge auf die überhitzte Migrationswelle blickt. Dass sich diese Mitte eigenständig und öffentlich äußert, soll offenbar verhindert werden. Darauf zielt der Satz der Bundeskanzlerin: „Und es ist genauso beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen.“  Im gleichen Sinn hat der Vizekanzler die Losung ausgegeben, es käme nun darauf an, überall auf der Arbeit, im Verein und in der Familie aufmerksam jedes Zeichen von Migrationsskepsis zu beobachten. Und dann kam der Bundespräsident und sprach den Satz: „Es gibt ein helles Deutschland, das sich hier leuchtend darstellt, gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindliche Aktionen gegen Menschen hören.“ Die Mitte kommt hier nicht mehr vor. Der Satz von den zwei Deutschlands, dem guten und dem bösen, verurteilt nicht einfach die Gewaltakte, sondern er zieht einen Strich mitten durch das Land. Und das im Angesicht einer täglichen Zuwanderung, bei der nichts, aber auch gar nichts nachhaltig geregelt ist. Mit diesem Spaltersatz, noch dazu mit der primitiv-demagogischen Scheidung des „Hellen“ und des „Dunklen“, wird Herr Gauck vielleicht einmal in die Geschichtsbücher eingehen. Hier spricht einer, dem die demokratische Kultur der Bundesrepublik zutiefst fremd ist. Und der sich offenbar zu einer Art Neugründung unseres Gemeinwesens berufen fühlt.

Das neue „helle Deutschland“ wäre ein Gesinnungsstaat. In ihm wären nur diejenigen Vollbürger, die sich vorbehaltlos zum Retten bekennen und überhaupt „positiv“ auftreten. Am Wochenende fanden sich schon zahlreiche Prominente, die dies Bekenntnis auf den Titelseiten einer Boulevard-Zeitung ablegten. Die öffentlich-rechtlichen Sender senden nur noch „positive Beispiele“, auch die „Tatort“-Krimis sind sicher schon auf Linie gebracht. Der nächste Schritt wäre es dann, jegliche öffentliche Kundgebung von Migrationsskepsis zu untersagen – mit der Begründung, dass es in ihrem Umfeld eine „erhöhte Wahrscheinlichkeit“ von Gewalttaten gibt. Glücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht dem Versuch, eine Demonstrationszensur in Heidenau zu errichten, widersprochen. Noch leben wir nicht in einem Gesinnungsstaat. Doch ein weiterer Satz der Bundeskanzlerin lässt aufhorchen. „Wer so handelt wie die Gewalttäter von Heidenau, der stellt sich weit außerhalb unserer Werteordnung“, sagte sie (zit. aus der FAZ vom 25.8.2015). Es hätte völlig genügt, wenn Merkel sich auf die Rechtsordnung der Bundesrepublik berufen hätte. Indem sie aber unsere Rechtsordnung durch „unsere Werteordnung“ ersetzt, wechselt sie das Register. Nun kann sie auch die Migrations-Skeptiker und Rettungspolitik-Kritiker ausbürgern und nach Dunkeldeutschland verbannen.

Diese Affäre hat auch eine europäische Dimension. Da gibt es die Grenzsicherungen, die jetzt die ungarische Regierung vornimmt. Oder die Ablehnung einer europaweiten Quotenverteilung der Migranten, wie sie von vielen osteuropäischen Regierungen geäußert wurde. Oder das englisch-französische Sperrabkommen am Ärmelkanal-Tunnel. Sind das nicht alles „rechtsextreme“ Maßnahmen? Spricht daraus nicht ein „Dunkeleuropa“? Und wäre, andersherum betrachtet, nicht das „helle Europa“ ein sehr deutsches Europa? Der infame Spaltungsstrich des Herrn Gauck ist ein Spaltungsstrich durch Europa.

Genug mit diesen Betrachtungen des Irrsinns. Am wichtigsten ist, jetzt einen klaren Kopf über das eigentliche Problem behalten: Es geht überhaupt nicht um die Ausländerfrage, sondern um die Migrationsfrage. Nicht die Zugehörigkeit von Menschen zu einem anderen Volk, zu einer anderen Religion oder zu einem anderen Kulturkreis ist das Problem – sondern die Wanderungsbewegung, in die sich Menschen begeben haben und die als Zuwanderung dann auch Deutschland betrifft. Das Problem ist nicht die Bindung von Menschen, sondern die Auflösung von Bindungen. Es geht um die Entwurzelung, die mit der Wanderung verbunden ist.

Der Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit hat mit den tatsächlichen Einwänden der Menschen nichts zu tun. Man kann mit Kollegen, Nachbarn, Mitschülern und Vereinskameraden fremder Herkunft eng vertraut und befreundet sein, man kann jahrelang Integrationsarbeit in einem Stadtteil gemacht haben – und man kann trotzdem jetzt gegen diese überhitzte, globale Massenmigration sein. Man kann es sogar gerade deshalb sein. Weil man weiß, wie echte Integration sich anfühlt und wo ihre Grenzen sind. Deshalb ist es wichtig, sich jetzt nicht in der dummen Diskussion um „Fremdenfeindlichkeit“ zu verhaken, sondern einfach weiter daran zu arbeiten, das neue Phänomen der globalen Massenmigration besser zu verstehen und die Fähigkeit der Staaten, diese Bewegung einzuhegen, zu verbessern. Die Wirklichkeit, dieser brave, unermüdliche, brave Maulwurf, arbeitet auf unserer Seite.

Die „Abendschau“ des RBB (der Berlin-Brandenburgische Landessender) befasste sich am 31.8. mit der Abschiebung von Migranten, deren Asylantrag als unberechtigt abgelehnt wurde. Für Berlin nannte er folgende Zahlen:

• 2012: 4200 Abgelehnte, davon 360 durchgeführte Abschiebungen
• 2013: 4600 Abgelehnte, davon 500 durchgeführte Abschiebungen
• 2014: 9600 Abgelehnte, davon 600 durchgeführte Abschiebungen

Diese Zahlen sind kein Sonderfall in Deutschland, Berlin steht damit an fünft“bester“ Stelle im Vergleich der Bundesländer. Peter Carstens rechnet vor, dass man angesichts des rasanten Anstiegs der Asylanträge (und der Zunahme von Ablehnungen) für 2015 in Deutschland mit „mehreren Hunderttausend“ Personen rechnen muss, die sich der Abschiebung entziehen und frei im Land zirkulieren (in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 23.8.).

Das sind verheerende Zahlen. Sie zeigen nicht nur, dass sich unter denjenigen, die in Deutschland als „Flüchtlinge“ unterwegs sind, eine wachsende Gruppe befindet, die kein Bleiberecht hat. Sie zeigen auch, dass es der Regierung nicht gelingt, diese Gruppe tatsächlich aus dem Land bringen. Mehr noch, es gibt seit einigen Jahren deutliche Zeichen einer Resignation des Staates.

Noch vor wenigen Tagen hat Frau Merkel das Wort „Wer nicht in Not ist, kann nicht bei uns bleiben“ gesprochen. Sie hat allerdings in der ihr eigenen Art mit dem „kann nicht bei uns bleiben“ den praktisch-politischen Teil der Angelegenheit umschifft: Es muss zu Abschiebungen in großem Maßstab kommen. Eine so schmerzvolle Aufgabe kann man nicht den einzelnen Ausländerbehörden anhängen, sondern man muss sie als Bundeskanzlerin auf sich nehmen. Jetzt, unverzüglich.

Man sollte sich zur Begründung der Abschiebungen sollte man sich nicht mit dem formalen Argument begnügen, dass „Recht vollzogen werden muss“. Vielmehr muss man daran erinnern, dass es beim Asyl um den Zusammenhalt der Gesellschaft eines Landes geht. „Asyl“ ist kein Werbewort wie „Gastfreundschaft“ oder „Willkommenskultur“, mit dem ein Land seine Offenheit bekundet. Es ist ein Element des Staatsrechts, und zwar ein Element, das einen Sonderweg zur Aufnahme in ein Staatswesen definiert. Das Asylrecht gewährt Fremden einen dauerhaften Anteil an den Gemeingütern eines Landes. Es ist klar, dass das nur in begrenztem Maß und unter restriktiven, überprüfbaren Voraussetzungen geschehen kann. Es ist ebenso klar, dass ein Missbrauch des Asylrechts ein Vergehen ist, das die Bürger zu Recht empört: „Warum gilt für uns die Ausweis- und Meldepflicht, während andere, die ihre Identität und Herkunft nicht angeben, ungestraft im Land geduldet werden?“ Im Asylrecht muss – gerade weil hier ein Sondertor geöffnet wird – besonders strikt auf die Erfüllung der Bedingungen geachtet werden. Eine Duldung wirkt zerstörerisch auf das Grundvertrauen der Bürger in die Verbindlichkeit der Gesetze. Deshalb ist die tatsächliche Abschiebung ein zentraler Prüfstein der gesamten Migrationspolitik.

Indem wir die Abschiebung in den Vordergrund stellen, verlassen wir den Bereich, wo die Migration nur „Thema“ ist und nur einen Gegenstand der „politischen Kommunikation“ bildet. Stattdessen sind hier die Exekutivmittel gefragt, die einer Regierung (der Exekutive) zur Verfügung stehen, um ein Gesetz oder eine Norm allgemeinverbindlich durchzusetzen. Hier zählen nicht nur Worte. Auch das Verteilen von Geld ist nicht der Maßstab, an dem das Politische an der Migrationspolitik zu messen wäre. Es geht um die Zwangsmittel des Staates.

Wie sieht der Einsatz dieser Zwangsmittel bei der Abschiebung gegenwärtig aus? In der „Abendschau“ wurde berichtet, dass 80% des Zeitaufwands bei den Abschiebungen darin besteht, den abgelehnten Asylbewerber „aufzufinden“. Das ist merkwürdig. Als Normalmensch hätte man erwartet, dass ein Asylbewerber unter enger Aufsicht steht – besonders, sobald er seine definitive Ablehnung erhalten hat. Aber ein Artikel aus der FAZ (28.8.) belehrt uns eines Besseren: Ausreisepflichtige Personen würden „mindestens temporär untertauchen“, wird dort ein Innenminister zitiert. Und sein Pressesprecher sagt,  dass es den Betroffenen schon genügen würde, „am Tag ihrer angekündigten Abschiebung nicht auffindbar zu sein.“ Wenn der gebuchte Abschiebeflug dann verpasst sei, könnten sie sich schon am nächsten Tag „wieder in ihrer Unterkunft blicken lassen“. Unglaubliche Zustände. Unglaublich ist vor allem die goldige Naivität der Staatsmacht: Man bestellt ein Flugzeug, lädt die Abzuschiebenden vor und schaut, was passiert. Man fordert die abgelehnte Person sozusagen auf, sich selbst abzuschieben – damit es nur ja nicht nach Zwang aussieht!

In dem bereits zitierten FAS-Artikel weist Peter Carstens darauf hin, dass die Ausländerbehörden sich einer Front von Gegenspielern gegenübersehen: „Gerichte verfolgen Rechtsbrüche durch Bewerber im Asylverfahren fast nie, Ärzte wurden von ihren Standesorganisationen dazu aufgefordert, bei Abschiebungen nicht mitzumachen, Kirchen bieten rechtsfreie Rückzugräume.“ Es gibt also ein ganzes Bündnis von Kräften in Deutschland, die es sich zum Ziel gemacht haben, die Anwendung des Asylrechts zu hintertreiben, durch Untätigkeit oder sogar durch strafbare Handlungen.

Hinzu kommt die Komplexität des Asylrechts, der Aufwand der Übersetzungen und vor allem das widerspenstige, oft sogar feindselige Verhalten vieler Asylbewerber, mit dem die Väter des Asylrechts nie gerechnet hatten. Noch einmal Peter Carstens: „Inzwischen sagen mehr als drei Viertel aller Antragsteller, sie hätten keine Pässe, Urkunden, nichts. Manchmal tauchen die dann doch wieder auf, etwa, wenn sie in Deutschland heiraten. Viele aber widerstehen allen Bemühungen, ihre Personalien und ihr Herkunftsland zu klären. Das ist strafbar. Aber in der Praxis werden fast alle Verfahren eingestellt, sodass immer weniger Ausländerbehörden überhaupt Strafanzeigen stellen.“ (FAS 23.8.)

Beim Lesen solcher Berichte fällt ein eigenartiges, befremdendes Merkmal auf: In der Migration der Gegenwart ist ein beträchtliches Maß an Taktik, an Anspruchsdenken, an innerem Vorbehalt und sogar eine gewisse Feindseligkeit gegenüber dem aufnehmenden Staat spürbar. Das romantische Bild von Not, Hilfe und Dankbarkeit trügt. Auch auf eine neue „Liebe zu Deutschland“ sollte man nicht allzu sehr bauen. Gibt es wirklich eine belastbare Loyalität zum neuen Land, zu seinen Gesetzen und zu seinen sozialen Verhaltensnormen? Das Misstrauen und der Widerstand, mit denen man den Restriktionen des Asylverfahrens gegenübersteht, spricht eine andere Sprache.

Und auch die „Willkommenskultur“ auf deutscher Seite erscheint in einem weniger hellen Licht. Hier mischt sich in das Helfen oft ebenfalls ein feindseliger Zug – gegen den eigenen Staat und gegen alle Restriktionen, die das Asylrecht beinhaltet. Schnell ist man mit Vorwürfen gegen Behörden und Polizei zur Hand. Man hat eine ganze Einspruchsindustrie im Asylverfahren aufgebaut. Und auch das Untertauchen von abgelehnten Asylbewerbern wäre ohne die Zuarbeit von deutschen Helfern nicht möglich. Von einigen Milieus der Helferszene sind Migranten ein willkommenes Mittel, um damit einen anderen Staat zu erreichen. Oder gar keinen, sondern eine anarchische Weltmobilität.

Das Bild eines in Hilfe und Dankbarkeit vereinten und sich erweiternden Deutschland ist also eine (Selbst-)Täuschung. Es täuscht darüber hinweg, dass hier Kräfte mitmischen, deren Ziele mit diesem Land nichts im Sinn haben.

Die Gefechtslage zur Lösung des Abschiebeproblems ist also schwierig. Es wäre ganz falsch, hier den Ausländerbehörden oder den Kommunen den schwarzen Peter zuzuschieben. überfordert. Ordnung kann hier nur von der politischen Führung des Landes geschaffen werden. Der Bund ist gefragt, die Bundesregierung, die Kanzlerin. Nur von dort kann den vielfältigen Hindernissen und dem Sperrfeuer begegnet werden. Konkret: Mehr noch: Nur in zentralen Einrichtungen in Grenznähe können hinreichend Fachleute, Sicherheitskräfte, Ärzte, Juristen, Dolmetscher usw. usw. zusammengebracht werden, um die Erstaufnahme (oder Zurückweisung) von Migranten zu bewerkstelligen. Nur in solchen zentralen Sammelstellen kann kontrolliert werden, dass nicht Migranten ohne geklärte Identität und Status durch das Land zirkulieren. Die Kommunen sind mit den Aufgaben personell überfordert und es wäre ein völlig irrationaler Plan, nun an zig Stellen in Deutschland allseitig gerüstete Aufnahmestellen aufzubauen.

Es war eine verheerende Fehlentscheidung, die auf Deutschland gerichtete Migrationswelle sogleich über die Bundesländer an die Kommunen weiterzuleiten (und von dort an ehrenamtliche Helfer). Erst diese Entscheidung hat zu den anarchischen Zuständen geführt, die mit dem anwachsenden Migrationsdruck immer weiter um sich greifen. Es ist diese Entscheidung hat dazu geführt, dass Migranten, die ganz offenkundig nicht als Asylberechtigte anerkannt werden können, quer durchs ganze Land verteilt wurden und weiterhin verteilt werden– genau dorthin, wo die Abschiebung durch vielfältige Gegenkräfte am leichtesten zu blockieren ist und wo ein Versteckspiel mit den Behörden leicht fällt.

Von einer Korrektur dieser Entscheidung ist nichts zu hören. Das Merkel-Wort der Woche lautet „Deutschland schafft es“. Es legt sich wie eine große Zudecke über das Chaos im Lande.

Doch sieht es nicht so aus, als würden nun alle unter diese Decke kriechen. Vor einigen Tagen ist der „Deutsche Landkreistag“ (Zusammenschluss der Landkreise in der Bundesrepublik) mit einer bemerkenswerten Stellungnahme an die Öffentlichkeit getreten: „In Grenznähe müssten von den Ländern ausreichend dimensionierte Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden, in denen Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Ausländerbehörden und der Verwaltungsgerichte anzusiedeln wären“ erklärte der Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke am 21.8.. Er spricht sich gegen die Verteilung von Asylbewerbern auf die Kommunen aus und für die Aussetzung des Schengen-Abkommens, um wieder eine Konzentrationen der Kontrollen an den Außengrenzen der Bundesrepublik zu ermöglichen (vgl. FAZ vom 22.8.).

Teil 1 dieser Serie lesen Sie hier.

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Von Hermann Detering, 03.09.2015

Schweren Herzens folge ich einer Mode, die mich bisher immer abgestoßen hat: Ich will mich entschuldigen, ein wenig fremdschämen für meine Landsleute. Beschämt hat mich ein BILDungserlebnis gestern am Kiosk: „Die Drückeberger Europas“ las ich, und weiter: „Sie nehmen weniger auf als sie könnten. Während Deutschland dieses Jahr mit 800 000 bis eine Million Flüchtlingen weltgrößtes Einwanderungsland wird (vor USA), wehren sich viele EU-Staaten gegen die Aufnahme neuer Flüchtlinge.“ Dazu gab es hübsche, große Porträts von Cameron, Hollande, Renzi und anderen. Die waren aber anders gemeint.  Das Anprangern ist ja in Deutschland neuerdings wieder sehr in Mode gekommen.

Ich kann und mag nicht entscheiden, ob die besagten Länder mehr Asylanten aufnehmen könnten oder nicht. Ich weiß auch nicht, ob unser Land unbeschadet 800 000 aufnehmen kann. In jedem Fall handelt es sich um souveräne Entscheidungen der jeweiligen Regierungen, die zu respektieren sind. Auf dem Gebiet der Moral sollte Freiwilligkeit oberstes Gebot sein.  Wer Gutes tun will, soll es, ohne viel darüber zu reden, in Gottes Namen tun, aber nicht andere nerven, die in seinen Augen weniger Gutes tun.
In diesem Zusammenhang nun, beim Lesen dieser Schlagzeilen, beschlich mich ein beklemmender Verdacht: Ist Deutschland wieder einmal in seiner Lieblingsrolle, der des europäischen Schulmeisters? Ruft es eine Art neuer olympischer Disziplin aus, eine Asyl-Olympiade, bei der derjenige ganz oben auf dem Treppchen steht, der am meisten aufgenommen hat?  Hat sich da der alte Wilhelminismus wieder zurückgeschlichen, um von Schlimmerem ganz zu schweigen („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“). Könnte es sein, dass die Guten so gut gar nicht sind und dass es bei der Reaktion unserer Politiker auf die 800 000 weniger um die vielbeschworenen „Menschen“ geht als – um sie selbst, um ihr eigenes Renommee?

Auszuschließen ist das nicht. Schon bei der sogenannten Energiewende, dem Ausstieg aus der Atomkraft war ja viel vom Vorbild Deutschlands die Rede. Deutschland zeigt, wie’s geht. Und nun auch hier: „Ausländische Presse zur Flüchtlingskrise: Vorbild Deutschland“ (SPON,  1.9.). Zwar gilt die Kanzlerin allgemein als schnörkellos und unprätentiös. Wie aber, wenn auch dies nur eine Täuschung wäre und sie die eigenen Eitelkeiten in Wahrheit wichtiger nähme als ihre politische Verantwortung? Dass sie ihr Herz vor allem deswegen für die Flüchtlinge entdeckt hätte, weil ihr die „Merkel-Merkel“-Rufe schmeicheln und weil doch alle in ihr starkes reiches Deutschland wollen?

Ich muss ins Anekdotenhafte abgleiten. In einer mir gut bekannten deutschen Familie gab es auch so einen. Ich meine, einen, der immer den dicken Maxen spielte, alle Welt zu sich ins Haus einlud – und dann seine Frau machen ließ. Die durfte beim Eintreffen der Gäste dafür sorgen, dass Essen und Trinken rechtzeitig auf dem Tisch standen, dass jeder sein gemachtes Bett vorfand und zum Schluss durfte sie sogar noch ein Unterhaltungsprogramm auflegen, weil der Herr des Hauses außer seinem Hobby, Leute einzuladen, noch ein anderes hatte. Weltoffen, wie er war, plante er eine Weltreise mit seinem Segelschiff. Wenn es der Hausfrau zuviel und den Kindern zu zugig wurde, nannte er das egoistisch, außerdem fehle es ihnen an dem Begriff echter Gastfreundschaft (lebte er noch, würde er sicher sagen: Willkommenskultur).

Auch unsere Politiker gehen gern mal auf die große Weltreise, sitzen in Brüssel und Straßburg, in Paris, London, Washington und anderswo an Konferenztischen, geben sich dort Küsschen auf die Wange, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und finden sich großartig. Und auch sie ziehen gern die Spendierhosen an, sprechen viel von Willkommenskultur und lassen viel davon sprechen. Von Humanität zu reden macht immer etwas her, das schafft Renommee. Wer wollte das kritisieren? Welcher empathielose Kleingeist fragte da nach den Kosten? Wir stemmen das schon. Außerdem ist’s ja auch nicht das eigene Geld.

Liebes Helldeutschland, wärest du so hell und so gut, wie du zu sein vorgibst, müsstet du etwas verständnisvoller, etwas gnädiger mit den Deinen sein und mit den anderen auch. Es ist nicht alles kleingeistiges Dreckspack, was deinen politischen Höhenflügen nicht mehr folgen kann, was sich Sorgen macht oder friedlich auf der Straße demonstriert.  Und „Drückeberger“ sind die auch nicht, die der von dir ausgerufenen neuen politisch-olympischen Disziplin eine Absage erteilen. Vielleicht sind es nur Politiker, die sich, anders als du, ein Fünklein Vernunft bewahrt haben?!

Ach Deutschland, du helles Licht der Welt, vor dem die Völker geblendet niederfallen – warum immer gleich zu den Sternen greifen? Warum immer nur Rekorde? Warum immer gleich das Siegertreppchen? Genügt nicht manchmal eine einfache Teilnahmeurkunde?

Dr. Hermann Detering ist evangelischer Theologe und war von 1982 bis 2009 Pfarrer in Berlin. Lebt heute in der Altmark. Website hier. Veröffentlichungen unter anderem: “Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung“, Gütersloher Verlagshaus 2013. „O du lieber Augustin – Falsche Bekenntnisse“, Alibri, Herbst 2014

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Nach nur 25 Jahren können die Gegner der deutschen Vereinigung aufatmen: das Land ist wieder gespalten, in Hell- und Dunkeldeutschland. Da man, wie ein deutscher Dichter richtig gesagt hat, „die im Dunklen“ nicht sieht, können wir unseren Blick unbesorgt auf die Helldeutschen richten.

Helldeutschland gab es natürlich schon lange, nur ist es Dank unseres Bundespräsidenten endlich ins rechte, oh, Verzeihung, richtige, Licht gerückt worden. Um einen weiteren Dichter, etwas abgewandelt zu Wort kommen zu lassen: an Helldeutschland hängt, nach Helldeutschland drängt doch alles, ach, wir Armen. Arm dran sind wir Normalbürger wirklich, denn es ist schwierig, dem „Wertekonsens“, den sich Helldeutschland statt einer Rechtsordnung gegeben hat, zu genügen. Schon kleine Abweichungen und Verstöße können drastische Konsequenzen haben.

Während man sich im DDR- Original ein Berufsverbot durch längere hartnäckige Opposition redlich verdienen musste, genügt in Helldeutschland ein falscher Satz auf Twitter und man ist seinen Moderatoren-Job beim Radio los. Ein als falsch angesehener Ratschlag

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/willkommen_in_helldeutschland

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Fassungslos verfolgen wir die Nachrichten. Immer mehr Migranten, immer mehr ­Tote. An den Aussengrenzen der EU stauen sich die Flüchtenden.

Anfang Jahr begann die Weltwoche, intensiv und besorgt über die anschwellenden Migrantenströme aus dem Süden zu berichten. Die Zahlenprognosen von damals müssen laufend nach oben korrigiert werden. Noch im Frühling rechnete Deutschland mit einer Verdoppelung der Asylzahlen auf rund 500 000 Personen bis Ende Dezember. Inzwischen wurden die entsprechenden Werte auf 850 000 hoch­geschraubt, fast viermal mehr als letztes Jahr.

Spitze des Eisbergs

Unter dem Druck der Völkerwanderung und der sie begleitenden, schriller werdenden ­politischen Korrektheit wird die europäische Rechtsordnung ausgehöhlt. Die gesetzlich verankerte Unterscheidung zwischen echten Flüchtlingen nach Genfer Konvention und ­illegalen Wirtschaftsmigranten verfliesst. Wer auf die Gesetze hinweist, gilt als unanständig. Stillschweigend dehnen die Behörden den Asyl­begriff auf alle Ankommenden aus. Übers Recht erhebt sich tyrannisch die Moral.

Die europäischen Grenzen sind offen, und das Angebot vergrössert laufend die Nachfrage. Allein in Libyen warten derzeit 600 000 bis eine Million Menschen auf die Überfahrt. Sie folgen den politischen Signalen aus dem Norden.

Es ist nur die Spitze des Eisbergs. In Afrika lebt rund eine Milliarde Menschen. Das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd wird trotz jahrzehntelanger Entwicklungshilfe immer grösser. Die Migrationskosten sind nicht hoch genug, um Abwanderungswillige abzuschrecken. Weil ausserdem die europäischen Grenzen durchlässig geworden sind, hat sich eine Art Schneeballsystem ergeben, ein sich selbst verstärkender Zustrom an Menschen, der vor allem deshalb immer grösser wird, weil ihn die Zielstaaten nicht verhindern.

Erschreckend ist ein Blick in die Statistik. Die aktuellen Uno-Zahlen beleuchten das Jahr 2014; der aktuelle Andrang ist noch nicht einmal erfasst. Die Zuwachsraten sind enorm. Es geht längst nicht nur um Syrer. Die zweitgrösste Gruppe in Europa sind die aus ihrer friedlichen Heimat abwandernden Serben, mit einem Zuwachs von 65 Prozent im letzten Jahr. Der halbe Balkan setzt sich gegenwärtig in Richtung Ungarn in Bewegung. Alles Verfolgte? ­Afrikanische Staaten wie Nigeria, Ghana, Mali, Sudan oder Senegal produzieren Flüchtlinge mit jährlichen Zuwachsraten im dreistelligen Prozentbereich. Eritrea verzeichnet einen Exodus an Asylanten, obschon im Land kein Krieg mehr herrscht.

Differenzierter Blick auf die Syrer

Wir müssen aufhören, die Situation romantisch zu verklären. Natürlich sind unter den Migranten auch politische Verfolgte nach Genfer Konvention dabei. Aber selbst bei den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien muss die Situation differenziert beurteilt werden. Sehr viele Syrer sind längst der politischen Verfolgung entronnen, wenn sie, vom sicheren Drittstaat Türkei herkommend, in Griechenland europäischen Boden betreten. Im ersten Halbjahr 2015 haben nur gerade 4 Prozent aller Syrer in Griechenland einen Asylantrag gestellt. Über 90 Prozent reisten nach Deutschland oder Schweden weiter. Die humanitären Motive werden von wirtschaftlichen Migrationsmotiven überlagert, ja verdrängt.

Es bringt nichts, die Überbringer solcher Fakten als moralfreie Untermenschen oder Finster­linge anzuschwärzen. Die Migranten kommen trotzdem. Während die Politiker vernebeln und beschwichtigen, sehen die Leute längst, dass etwas nicht mehr stimmt. Mehr noch als die schiere Zahl der Wandernden beunruhigt sie das Gefühl, dass den Behörden die Kontrolle zu entgleiten droht, wenn nicht längst entglitten ist.

Das ist im Übrigen auch der grosse Unterschied zum Jugoslawienkrieg Mitte der neunziger Jahre, als ebenfalls erhebliche, wenn auch bedeutend geringere Flüchtlingsbewegungen als heute zu bewältigen waren. Damals wussten die Europäer, dass die aus Jugoslawien Vertriebenen oder Geflohenen nach Beendigung des Konflikts realistischerweise wieder nach Hause gehen würden. Auch dies erwies sich zum Teil als Illusion, aber zumindest herrschte noch der Eindruck, als habe man die Situation im Griff. Diese Hoffnung ist verschwunden.

Untergang des Sozialstaats

Auch die selbstgerechtesten Moralprediger ­ahnen es doch inzwischen: Wir können nicht ganz Afrika aufnehmen. Unser Asylrecht wurde nicht für einen millionenfachen Exodus gebaut. Die Politiker reden am Volk vorbei, wenn sie beteuern, dass alles bestens und es daher herzlos sei, über Höchstgrenzen für Flüchtlingszahlen nur schon nachzudenken.

Besonders giftig gibt sich gegenwärtig die Linke. Die Sozialisten zerreisst es fast. Einerseits sind sie für die möglichst ungehemmte Migration. ­Anderseits wissen sie, dass mit dieser Politik der von ihnen zu verteidigende Sozialstaat untergehen wird. Freie Zuwanderung und Erhalt der sozialen Errungenschaften sind unvereinbar. Anstatt den Zielkonflikt zu lösen, verdrängen sie ihn und verlieren die Fassung, wenn man sie daran erinnert.

Es wäre schon viel gewonnen durch die Einsicht: Die europäische Asylmisere ist haus­gemacht. Nicht nur das objektive Elend auf der Welt, sondern vor allem die Weigerung der ­europäischen Regierungen, ihre Landesgrenzen gegen die illegale Migration zu schlies­sen, setzt die Völkermassen in Bewegung. Nicht die Ärmsten und Verfolgten kommen, sondern Leute, die langfristig viel Geld gespart und weitblickend investiert haben, um in Europa ein besseres Leben zu finden. Das ist menschlich und verständlich, aber es hat nichts mit dem Recht auf Asyl und mit unseren Migrationsgesetzen zu tun. Missbrauch bleibt Missbrauch, auch wenn er aus besten Motiven erfolgt.

Die politischen Signale aus Europa sind nicht ermutigend. Denk- und Sprechverbote verhindern eine offene Debatte. Den Ton setzen Politiker, Journalisten und Intellektuelle, die sich an ihrer eigenen, medial inszenierten Gutmenschlichkeit berauschen. Das Widerliche besteht hier darin, dass die selbsterklärten Moralisten die Flüchtlingsdramen dazu benutzen, um sich dröhnend über ihre politischen Gegner zu erheben. Die Schweiz hat den Vorteil, dass dank der direkten Demokratie offener und wirklichkeitsnäher diskutiert werden kann als etwa in Deutschland, wo ein falsches Wort Ausgrenzung oder Gefängnis bedeutet. Allerdings sind auch bei uns die linken Inquisitoren auf dem Vormarsch.

Brüssel streicht die Segel

Die Situation wird sich absehbar verschlimmern. Die europäische Politik wird noch mehr Nachfrage nach Asyl erzeugen. Chefkommissar Jean-Claude Juncker wird nicht müde, mehr Offenheit und Solidarität zu fordern. Die ­Euro-Elite bleibt gefangen im Selbstbild der «Wertegemeinschaft», die die Wirklichkeit nicht an sich heranlässt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat eben erklärt, dass das Dubliner Flüchtlingsabkommen gescheitert sei. Es gehe nun darum, die «Flüchtlinge» nicht mehr lokal zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuweisen, sondern sie nach fixen Quoten auf die Mitgliedstaaten zu verteilen.

Das ist die Kapitulation. Bisher mussten die Flüchtlinge, theoretisch, an den EU-Aussengrenzen von den entsprechenden Staatsbehörden erfasst und registriert werden. Fortan wird auch im Asylbereich niemand mehr konkret für etwas verantwortlich sein, sondern alle für nichts.

Die Schweizer Politik bildet ­keine Ausnahme. Im Fahrwasser der EU wird der Willkommensstaat ausgebaut. Bundespräsidentin Sommaruga gab die Devise aus, dass niemand nach Hause geschickt werde, der unter diktatorischen Verhältnissen leide. Gegenwärtig leben schätzungsweise rund drei Viertel der Menschheit aus Schweizer Sicht in Diktaturen. Sollen sie alle kommen dürfen?

Erhellend war auch der Hinweis der Bundespräsidentin letzte Woche, dass unter dem Eindruck der Lastwagentragödie in Österreich die «direkte Einreise» nach Europa für Flücht­linge anzustreben sei. «Direkte Einreise»: Damit kann nur die Einrichtung eines regelmässigen Fährbetriebs übers Mittelmeer oder die Installierung von Luftbrücken für Auswanderungswillige aus dem Nahen Osten oder Afrika gemeint sein. Es wäre ein Freibrief für noch mehr illegale Wirtschaftsmigration.

Eine gute Lösung

Natürlich kann die humanitäre Tradition auch unter den derzeitigen Bedingungen vernünftig gelebt werden. Man muss sich einfach am Selbstverständlichen orientieren: Wer am Asyl festhalten will, muss seinen Missbrauch bekämpfen. Wie ist das möglich?

Erstens: Die Schweiz soll sich humanitär in den Kriegs- und Krisenregionen engagieren. Es gibt dort Infrastrukturen, die mit gezielt umgelenkten Schweizer Entwicklungsgeldern auszubauen wären. So kann den wirklich Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen vor Ort geholfen werden, ohne dass sie Tau­sende von Kilometern reisen müssen.

Zweitens: In diesen Lagern vor Ort kann dann auch der verschwindend kleine Anteil an wirklich Verfolgten nach Genfer Konvention ermittelt werden. Diese Personen könnte die Schweiz mühelos aufnehmen.

Drittens: An den Schweizer Grenzen sind wieder Personenkontrollen einzuführen.

Viertens: Jeder illegal Einreisende wird um­gehend ausser Landes gebracht.

Die EU ist ein riesiger Magnet für illegale Migration geworden. Die Schweiz sollte den Mut aufbringen, zu einer vernünftigen, selbstbestimmten und massgeschneiderten Asylpolitik zurückzukehren.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-36/editorial-wir-koennen-nicht-ganz-afrika-aufnehmen-die-weltwoche-ausgabe-362015.html

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weltwoche.ch  Donnerstag, 3. September 2015

Schlepperkönigin Merkel
Von Wolfgang Koydl

Ob sie bei ihrem bevorstehenden Besuch in Bern etwas lernen könne über den Schweizer Umgang mit Flüchtlingen, wurde Angela Merkel auf ihrer jüngsten Pressekonferenz gefragt. «Ja, schon», man werde über diese Frage reden, murmelte sie verdrossen. Was sie wirklich meinte, konnte man an ihrer missmutigen Miene ablesen: Von der Schweiz lernen? Ausgerechnet von diesen Abschottern und Ausschaffern? Ich muss doch bitten!

Nein, Deutschland will sich keine Lektio­nen gefallen lassen, nicht von der Schweiz und auch von keinem anderen Land. Denn Deutschland ist gleichsam der neue globale Goldstandard im Umgang mit all den Verfolgten, Mühseligen und Beladenen dieser Welt. Niemand versteht sich besser auf Nächsten­liebe, zumal wenn sie sich mit sprichwört­lichem deutschem Organisationstalent paart. Eine wohlige Welle der Solidarität und des Mitgefühls wogt durchs Land. Millionen Deutsche fühlen sich so wohl in ihrer Haut 
wie nicht mehr seit dem Gewinn der Fussball-WM. Ein «patriotisches Gefühl» diagnostizierte Focus-Chefredaktor Ulrich Reitz bei sich selbst. «Wir können stolz auf uns sein», tönt es durch Talkshows auf allen Kanälen.Deutschland tut mal wieder, was es am besten kann: Sich zufrieden auf die eigene Schulter klopfen. Seht her, wir kaufen Windeln für die Flüchtlingskinder und schmieren ­ihnen Butterbrote, wir bringen den Migranten Deutsch bei und beziehen ihre Betten. Die paar Leute, die anders denken, sind braunes Pack. Solche Leute, philosophierte kürzlich SPD-Chef Sigmar Gabriel, gehörten strenggenommen viel weniger zu Deutschland als ein somalischer Fischer oder ein syrischer Arzt.

Nachfrage angeheizt

Ja, richtig nett ist er geworden, der hässliche Deutsche, ein echter Menschenfreund. Doch leider wird er in weiten Teilen des übrigen ­Europa in einem weniger freundlichen Licht gesehen. Hier ist längst klar, dass Deutschland ursächlich mitverantwortlich ist für die Krise, deren Folgen ausser Kontrolle geraten. «Alles spricht dafür, dass wir ein Land sind, 
in das man gerne einwandert», kokettierte 
die Kanzlerin vor der Hauptstadtpresse – und fügte mit gespieltem Erstaunen hinzu: «aus welchen Gründen auch immer.» Natürlich kennt sie diese Gründe. Der Koloss in Europas Mitte hat die Nachfrage ja erst angeheizt – mit Willkommenskultur, finanziellen An­reizen und wohl auch mit Mutti Merkel. So ­eine herzensgute Frau, glaubt man mittlerweile überall zwischen Lagos und Lahore, weist niemandem die Türe.Den Offenbarungseid leistete die Bundesre­gie­rung, als sie vor wenigen Tagen allen Syrern bedingungslos die Einreise gestattete. Damit versetzte Berlin dem siechen Dublin-System, das die Flüchtlingsströme europäisch regeln sollte, den Gnadenstoss und kapitulierte vor dem Ansturm. Von nun an können Schlepper jedem, der ein wenig Arabisch spricht 
und ­levantinisch aussieht, als echtem oder vermeintlichem Syrer ein Einfach-Ticket nach ­Almanija verkaufen – und Merkel wird end­gültig zur Schleuser-Mutti Europas.

«Wir schaffen das», rief sie ihren Lands­leuten gleichwohl ermutigend zu, auch wenn Hunderttausende von Menschen ins Land strömen, die Wohnraum, Arbeit, Lehrer und Ärzte brauchen. Woher das Geld kommen soll für all diese Leistungen, liess Merkel offen. Stattdessen will sie die Kosten dieser Völkerwanderung «gerecht» auf die anderen Europäer, die Schweiz eingeschlossen, verteilen – und ist entrüstet, wenn die nicht mitspielen wollen. «Rechtes Pack» sind sie zwar – noch – nicht, die Polen, Tschechen, Dänen, Ungarn oder Briten, denen ihre nationalen Interessen und der Zusammenhalt ihrer Gesellschaften wichtiger sind als die Aufnahme von unqualifizierten und nicht integrierbaren Fremden. Aber als «Drückeberger» standen sie bereits am Pranger der Bild-Zeitung, die übrigens gemeinsam mit den anderen deutschen Medien von der Kanzlerin für ihre «wunderbaren Berichte» gelobt wurde.Berlin setzt seine Partner mit der schon aus der Euro-Krise bekannten Brachialmethode un­ter Druck: Der stärkste Staat der EU setzt seinen Willen durch. Widerspruch ist zwecklos. Deutschland wollte Austerität für Griechen­land. Europa schluckte einmal trocken. Dann bekam Deutschland Austerität für Griechenland. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass man die bewährte Methode beibehalten will: Elmar Brok, Merkels Mann in Brüssel, drohte bereits damit, all jenen EU-Staaten EU-Gelder zu kürzen, die keine Migranten aufnehmen wollten. Berlins zweite Methode ist subtiler und perfider. Psychologen kennen sie unter dem Begriff der «emotionalen Erpressung»: Man erzeugt Schuldgefühle, um andere gefügig zu machen. Besser lässt sich Berlins Taktik nicht umschreiben. Wer gegen «Flüchtlinge» ist, der ist ein schlechter Mensch. Ausserdem werden ständig die Vokabeln «fair» und «Flüchtling» aneinandergereiht, als ob es um Gerechtigkeit für verfolgte Menschen ginge. Wie fair ist es, wenn ein Syrer, der unbedingt nach Deutschland wollte, nun doch per Quote in Ungarn landet? Aber fair soll die Quote nur für Deutschland sein, das all die Menschen ringsum verteilen will, die es selbst angelockt hat. Auch die Schweiz wird ihren «gerechten» Anteil von ihnen bekommen. Darüber wird Angela Merkel sprechen, wenn sie nach Bern kommt.

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weltwoche.ch Die Weltwoche, Ausgabe 36/2015

Die Deutschen: Abstand halten!
Von Henryk M. Broder

Wenn 
es darauf ankommt, richten sich alle Blicke auf die Kanzlerin.

Die Bundesrepublik ist ein ­komplexes föderales System. Es gibt sechzehn Länder mit ebenso vie­len Parlamenten, Regierungen und Ministerpräsidenten. Es gibt den Bundestag und den Bundesrat, den Bundespräsidenten, die Bundesregierung mit einem Kanzler beziehungsweise einer Kanzlerin an der Spitze. Die Gewaltenteilung zwischen der Legis­lative, der Exekutive und der Judikative funktioniert. Das Bundesverfassungsgericht hat keine Hemmungen, Gesetze, die von der Regierung und dem Parlament verabschiedet wurden, wenn nötig für verfassungswidrig zu erklären. Das kommt, zum Verdruss der Politiker, öfter vor. Dann gibt es noch die ständigen Konferenzen der Innenminister, Justizminister und Kultusminister der Länder, um «grenzüberschreitende» Massnahmen zu koordinieren, zum Beispiel die polizeiliche Zusammenarbeit von Ulm mit Neu-Ulm. Die eine Stadt liegt in ­Baden-Württemberg, die andere in Bayern, ­dazwischen fliesst die Donau.

Wenn es aber darauf ankommt, wenn etwas wirklich Relevantes gesagt, getan oder angeordnet werden muss, dann richten sich alle Blicke auf die Kanzlerin. Angela Merkel, obwohl von Natur aus eher sanft und zurückhaltend, ent­wickelt sich immer mehr zu einer Patri­archin, die im Notfall das Land auch ­allein ­regieren könnte. Nicht dass sie es möchte, aber man würde es ihr zutrauen. Sie hat die Energiewende durchgesetzt und dem Klimawandel den Kampf angesagt, Griechenland vor dem Zusammenbruch gerettet und auch sonst vieles zur Chefsache erklärt, was in einer Marktwirtschaft nicht einfach verordnet werden kann. Dazu gehört auch ihr Versprechen, dass bis 2020 eine Million Elektro­autos in Deutschland unterwegs sein würden; derzeit sind es gerade 25 000. Und seit sich die fremdenfeindlichen Kundgebungen vor Flüchtlingsheimen häufen, fragt sich ganz Deutschland: «Wann wird die Kanzlerin endlich etwas dazu sagen?» Nun hat sie es getan. Sie gab den Deutschen einen Rat: «Folgen Sie denen nicht, die zu solchen Demonstrationen aufrufen. Zu oft sind Vorurteile, zu oft ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen. Halten Sie ­Abstand!»Da ging ein Seufzer der Erleichterung durch das Land. Jetzt können die Flüchtlinge kommen. Und alles wird gut.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-36/die-deutschen-abstand-halten-die-weltwoche-ausgabe-362015.html

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Die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli warnte vor kurzem vor eritreischen Paral­lelgesellschaften in den Gemeinden ihres Kantons. Dass eine führende grüne Politikerin die Integrationsprobleme vormaliger Asylbewerber offen ansprach, war ein Novum. Hochuli forderte eine deutlich höhere Inte­grationspauschale. Heute richtet der Bund pro anerkanntem Flüchtling oder vorläufig Aufgenommenem 6100 Franken aus. Hochuli verlangte 24 000 Franken, fast viermal mehr.

Das erstaunt nicht. Die Integration von Asylbewerbern in Gesellschaft und Arbeitswelt ist für Kantone und Gemeinden eine oft kaum zu bewältigende Aufgabe. Besonders gross sind die Mühen mit afrikanischen Migranten. Die Kosten für den Einsatz von Betreuern und Therapeuten zugunsten von Einzelpersonen und Familien summieren sich oft auf Zehntausende oder gar Hunderttausende Franken.

1 — Eine Familie aus Eritrea

Die Familie Kinte* kommt angeblich aus Eri­trea. Trotz abgelehntem Asylgesuch erhielt die Mutter mit drei Kindern ein Bleiberecht als «vorläufig Aufgenommene». Sie hat grosse Integrations- und Erziehungsschwierigkeiten. Die dreizehnjährige Tochter Sarama ist schon fremdplatziert. Mutter Madihah, die kein Deutsch spricht, lebt mit dem fünfzehnjährigen Abush und dem achtjährigen Nasih in ­einer engen Asylunterkunft. Der Familie wurde ein Beistand zur Seite gestellt. Zudem hat sie einen öffentlich finanzierten Coach, der sie regelmässig besucht und berät.

Die Mutter gebe sich zwar Mühe, den Alltag zu meistern, steht in einem Bericht des ­Familiencoachs. Aber: «Bedingt durch ihre Persönlichkeit, ihren kulturellen Hintergrund und Analphabetismus sind ihre Möglichkeiten bescheiden.» Umgekehrt habe sich die Fremdplatzierung positiv auf Tochter Sarama ausgewirkt, sie sei nun «meist freundlich» gegenüber ihrer Mutter. Wegen einer anstehenden Neuplatzierung in ein anderes Heim verhalte Sarama sich allerdings «in letzter Zeit eher wieder weniger kooperativ».

Gross seien die Probleme mit Nasih. Der Achtjährige sei «mehrmals negativ aufgefallen», habe die Schule geschwänzt und gelogen, schreibt der Coach. Seine Lehrerin bemühe sich sehr um ihn; «zu Hause fehlt es ihm aber an Struktur». Nasih brauche «zwingend ­klare Anweisungen». Der Coach formuliert Ziele. Die Familie müsse «ein Ritual» einführen, wenn Sarama nach Hause komme. Jedes Kind solle zudem «ein Ämtli» ausführen. Auch müssten regelmässig «Familiensitzungen» stattfinden.

Die Etablierung von Erziehungsstrukturen nach Schweizer Idealvorstellungen stösst aber auf Hindernisse. Jedenfalls verlängert die Wohngemeinde die Begleitung durch den Coach für Familie Kinte immer wieder, auf Antrag der kantonalen Jugend- und Familien­beratung. In einem Protokoll der kommu­nalen Sozialbehörde wird für die Schwierigkeiten unter anderem eine somalische Familie mit vielen Kindern geltend gemacht. Sie wohne ebenfalls in der Asylunterkunft und sorge für «starke Unruhe, Verunsicherung und Angst». Diese Somalier stellten «eine ständige Bedrohung» für Familie Kinte dar, weil sie Kinder schlügen, klauten und sogar Feuer legten.

Nach zwei Jahren Dauer liegt der Gemeinde erneut ein Antrag auf Verlängerung der Familienbegleitung vor. Dieser Antrag wartet mit einer schlechten Nachricht zu Tochter Sarama auf. Das Heim, wo die nun Fünfzehnjährige wohnte, habe das Betreuungsverhältnis aufgelöst. Zu vermuten ist, dass sich das Mädchen nicht so positiv entwickelt hat, wie in früheren Berichten suggeriert wurde. Empfohlen wird nun, «im Sinne einer Krisenintervention/Time-outs», die Platzierung von Sarama bei einer Gastfamilie statt in einem Heim. Vorgesehen ist ein zwanzigwöchiger Aufenthalt zu Kosten von rund 30 000 Franken. Notgedrungen ist die Wohngemeinde bereit, nebst der Sozialhilfe und der Familienbegleitung auch diese Massnahme zu finanzieren. Insgesamt belaufen sich die Kosten allein für die Gemeinde wohl auf weit über 100 000 Franken. Seltsam: In einem offiziellen Protokoll der Wohngemeinde ist bei Tochter Sarama «Sudan» als Herkunftsland angegeben. Offenbar ist nicht klar, ob die Familie wirklich aus Eritrea kommt.

2 — Ein Jugendlicher aus Côte d’Ivoire

Der neunzehnjährige Serey Koné stammt aus Côte d’Ivoire. Sein Asylgesuch wird abgelehnt, aber er kann als vorläufig Aufgenommener in der Schweiz bleiben – warum, ist nicht ersichtlich. Der Afrikaner lebt von der Sozialhilfe und hat grosse Mühe mit der Integra­tion. Die Wohngemeinde stimmt dem Antrag einer Sozialarbeiterin auf eine «Familienbegleitung» für den Alleinstehenden zu. Vorgesehen ist ­eine Dauer von einem halben Jahr – zu Kosten von 1600 Franken pro Monat. Laut einem Protokoll der Gemeinde soll Koné dabei unter anderem den «Umgang mit Geld» und «Haushaltführung» lernen sowie «tieferliegende Problematiken» und «Lebensthemen» angehen. Ein konkretes Ziel heisst «Abarbeitung und Vermeidung neuer Bussen».

Nach einem halben Jahr wird die Familienbegleitung verlängert – denn laut einem Bericht ist diese erfolgreich. Koné habe ein Pflegepraktikum beim Schweizerischen Roten Kreuz in Angriff genommen, liest man. Was nicht erwähnt ist: Der Steuerzahler finanziert dieses Praktikum. Beim jungen Mann aber ­hapert es bei der Zuverlässigkeit. Koné habe sich vorübergehend nicht gemeldet und sei nicht erreichbar gewesen sei. Laut dem Bericht mangelt es bei ihm an «Offenheit und Koopera­tionsbereitschaft».

Die Wohngemeinde verlängert die Familienbegleitung für den Afrikaner mehrmals. Regelmässig werden in den Verlängerungsanträgen Erfolge angeführt. Gleichzeitig heisst es jedes Mal, es gebe noch Probleme, weshalb die Fortführung der Begleitung «gerade jetzt besonders wichtig» sei. Ohne Verlängerung sei die Integration des Afrikaners gefährdet.

Es sei dem jungen Mann gelungen, «eine ­gute Vertrauensbasis zur sozialpädagogischen Begleiterin» aufzubauen, ist in einem Antrag vermerkt, nachdem diese Begleiterin schon über ein Jahr gewirkt hat – für 120 Franken Honorar pro Stunde. «Sie hilft ihm, mit besonders belastenden Lebensmomenten besser umzugehen und diese konstruktiv anzupacken.» Ein «schwieriger Moment» sei gewesen, als Koné am Arbeitsplatz «zum dritten Mal unschuldig des Diebstahls verdächtigt worden» sei, «nicht zuletzt aufgrund seiner Herkunft». Wegen dieses «einschneidenden Vertrauensbruchs seitens des Arbeitgebers», ist weiter zu lesen, sei Koné «verständlicherweise ausserstande» gewesen, das Praktikum weiterzuführen. Aber er habe einen neuen Einsatzort in Aussicht. Wie dem Antrag zu entnehmen ist, nimmt der Mann auch an einem Arbeitsintegrationsprogramm teil. Zudem bekommt er psychologische Hilfe – was das kostet, ist nicht bekannt.

In einem weiteren Bericht ein halbes Jahr später tönt es erfreulich. Koné habe das ­Pflegepraktikum abgeschlossen und sei auf Stellensuche. So problemlos kann die Situation allerdings nicht sein – denn es folgt postwendend der Antrag, die Begleitung zu verlängern. Begründung: Der Mann benötige eine «Stabilisierung der Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit im Umgang mit seinem Budget und weiteren administrativen Aufgaben».

Bis dahin haben die Begleitungen und Therapien seine Wohngemeinde nebst der Sozialhilfe mehrere zehntausend Franken gekostet. Wie es mit dem Mann weitergegangen ist, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Im besten Fall hat er die Arbeitsintegration geschafft und kommt ohne Unterstützung aus. Möglicherweise ist er aber nur in eine andere Gemeinde umgezogen.

3 — Eine Familie aus Angola

Ziemlich verfahren ist die Situation bei Familie Ernesto – Vater, Mutter, drei Kinder. Die Familie stammt angeblich aus dem afrikanischen Angola. Ihr Asylgesuch ist abgelehnt worden, aber sie wurde «vorläufig aufgenommen» – ­warum, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.

Vater und Mutter Ernesto arbeiten zwar zeitweise, sind aber ergänzend immer wieder auf Sozialhilfe angewiesen. Die Eltern haben beträchtliche Erziehungsschwierigkeiten. Die älteste Tochter May lebt schon seit zwei Jahren in einem Schulheim. Nun häufen sich die Probleme auch mit dem jüngsten Kind, Nelson. In einem Protokoll steht, der Neunjährige, der eine Kleinklasse besucht, zeige in der Schule «Störungen im Sozialverhalten» und eine «Tendenz zur depressiven Entwicklung». Oft reagiere er mit «langandauernden emotionalen Ausbrüchen». Das «abwei­chende Verhalten» von Nelson übersteige die Möglichkeiten der Schule «bei weitem», steht im Protokoll. Kurz gesagt: Der Neunjährige terrorisiert Lehrer und Mitschüler. Es droht die Platzierung in einem Heim. Seine Eltern können das offenbar nicht nachvollziehen. Sie haben, laut Protokoll, «grösste Mühe zu verstehen, was die Schule bei ihren Rückmeldungen genau meint».

Nelson kommt in Behandlung bei einem Psychotherapeuten. Auf Druck von Fachleuten heisst die Wohngemeinde zusätzlich eine engmaschige Begleitung für Familie Ernesto gut. Eine Privatfirma, die auf Familienberatung spezialisiert ist, bekommt den Auftrag. Die Begleitung ist vorerst auf ein halbes Jahr begrenzt. Das kostet die Wohngemeinde laut Gutsprache 16 000 Franken.

In einem Zwischenbericht der Beratungsfirma tönt es vier Monate nach Beginn der Familienbegleitung positiv. Nelson wird als «freundlicher Neunjähriger» beschrieben, der viel lese und seine Hausaufgaben gewissenhaft erle­dige. Die Familie berichte, es gehe Nelson «emotional besser», steht im Bericht.

Der Bub habe allerdings «grosse Probleme» in der Schule, liest man weiter. Laut Rückmeldungen seiner Lehrer «suche er die Aufmerksamkeit der Lehrpersonen öfter über unangebrachtes Verhalten». Laut dem Bericht wüssten seine Eltern angesichts der «häufigen Reklamationen» von Nelsons Lehrern nicht, wie sie ihren Sohn zu Hause unterstützen könnten. Aber es scheint Hoffnung zu geben: «Die Eltern möchten verstehen, welche Anliegen die Schule an sie hat.»

Der Familienberater scheint intensiv zu wirken. Er habe «mit den Eltern ihren Erziehungsstil reflektiert», so der Bericht. Mit ihnen sei besprochen worden, «dass sich beide bewusst Zeit für Nelson nehmen und Raum geben für ein positives Miteinander». Insbesondere habe der Familienbegleiter «mit Frau Ernesto die Auf­gabe entwickelt, Nelson täglich explizit ­positives Feedback zu geben».

Laut einer Ergänzung zum Standortbericht sieht es nur anderthalb Monate später plötzlich düster aus. Der Familie Ernesto wurde die Wohnung gekündigt. Und aufgrund «massiver Konflikte» stehen Vater und Mutter Er­nesto vor der Trennung. Die Mutter braucht nun ebenfalls Unterstützung durch einen Psychotherapeuten. Nelson scheint es noch schlechter zu gehen. Er habe geäussert, so liest man, «dass das Leben für ihn keinen Sinn mehr machen würde und dass es am besten sei, er würde sterben».

Zudem verstärken sich die Konflikte der Eltern mit den beiden Töchtern. May lebt zwar noch immer im Heim, kehrt aber jeweils über das Wochenende nach Hause zurück. Dabei kommt es zu «Streitigkeiten» und sogar zu einer «tätlichen Auseinandersetzung». Die jüngere Zulaika hat indes begonnen, «von zu ­Hause wegzulaufen und tagelang nicht mehr nach Hause zu kommen», heisst es. Die Mutter habe deswegen sogar die Polizei eingeschaltet. Auch schwänze Zulaika die Schule.

Die Erfolge der Familienbegleitung sind wegen all dieser Probleme in Frage gestellt. «Aufgrund der derzeit notwendigen Krisenbewältigung kann an den im Zwischenbericht genannten Zielen nur punktuell gearbeitet werden», liest man in der Ergänzung zum Bericht. Die Beratungsbesuche sollen deswegen aber nicht gestoppt, sondern – so die Empfehlung der Sozialfirma – noch verstärkt werden. Nötig seien nun zwei Einsätze pro Woche statt nur eines. Es gelte, «die bereits erzielten Fortschritte hinsichtlich Nelson zu stabilisieren».

Einige Tage später heisst die Wohnge­meinde die Verlängerung der Familienbegleitung gut und spricht weitere 20 000 Franken. Fast gleichzeitig segnet sie auch die Finanzierung des Heimaufenthalts für Tochter May für ein weiteres Jahr ab – das macht weitere 112 000 Franken. Insgesamt dürften die Fremdplatzierung, die Therapien und die Begleitungen allein die Wohngemeinde mehrere hunderttausend Franken gekostet haben.

Hohe Zahl «unglaublicher Geschichten»

Die drei Beispiele sind nicht etwa seltene Ausnahmen. Wie Vertreter von Migrationsbehörden bestätigen, häufen sich solche Fälle schon in mittelgrossen Gemeinden stark. Sie sprechen von einer hohen Zahl «unglaublicher Geschichten», was das Verhalten vormaliger Asylbewerber angeht. Über konkrete Fälle reden dürfen Behördenmitglieder aber nicht – das Amtsgeheimnis hindert sie daran.

Die unzähligen Begleitungen und Thera­pien, mit denen die Behörden fremdländische Migranten zu integrieren versuchen, werden häufig von spezialisierten Privatfirmen erbracht. Deren Personal erweckt in den Berichten fast immer den Anschein, seine Leistungen seien gerade im Begriff zu wirken. Regelmässig wird betont, die Massnahmen müssten unbedingt weitergeführt werden – ansonsten drohten grosse Schwierigkeiten. Müssen Rückschläge eingeräumt werden, ist das Anlass, nach noch umfangreicherer Begleitung zu rufen. Kein Wunder: Die «Sozialindustrie» hat jegliches Interesse, möglichst ausufernd zu beraten und zu therapieren. Die Rechnungen begleichen die Steuerzahler.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-36/goldgrube-fuer-die-sozialindustrie-die-weltwoche-ausgabe-362015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 36/2015

Sozialhilfe

Wie viel bekommt ein Asylant?

Die meisten abgelehnten Asylbewerber dürfen als vorläufig Aufgenommene bleiben. Mit Zugang zu Sozialhilfe ab dem 
ersten Tag. Oft fahren sie besser als AHV-Rentner.

Von Florian Schwab

Gewisse Leistungen f ̈ür Asylanten gehen über die Ansprüche der AHV-Rentner hinaus.Infografik: TNT – Graphics AG

Sozialvorsteher in mehreren Schweizer Gemeinden sind alarmiert. Sie sehen durch die Flüchtlingsströme ein finanzielles «Fass ohne Boden» auf sich zukommen, wie es in vertraulichen Gesprächen heisst. Erste Politiker prangern im Wahlkampf an, es könne nicht sein, dass abgewiesene Asylbewerber am Ende des Monats mehr staatliche Leistungen beziehen als ein Pensionär, der sein Leben lang in die AHV einbezahlt hat. Ist es tatsächlich so, dass ein abgewiesener Asyl­bewerber, beispielsweise aus Eritrea, finanziell bessergestellt ist als ein AHV-Rentner?

Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht – die kantonale Behandlung abgewiesener Asylbewerber unterscheidet sich ebenso wie die geltenden Ansätze, beispielsweise die maximal zulässigen Wohnkosten. Wir wollen uns also mit einem realistischen Vergleich für die Stadt Zürich begnügen: drei Einzelpersonen, drei unterschiedliche sozialstaatliche Modelle. Die obige Tabelle illustriert diesen Vergleich: Die linke Spalte stellt die Leistungen an einen AHV-Rentner dar, der ausschliesslich von einer (maximalen) AHV-Rente lebt, die mittlere Spalte die an einen abgewiesenen Asylbewerber und die rechte Spalte jene an einen AHV-Rentner, der seine Rente mit Ergänzungsleistungen aufbessert. Der Übersicht halber betrachten wir nur Einzelpersonen im Einpersonenhaushalt und blenden die umfangreichen Leistungen an Familien aus.

Zunächst zum reinen AHV-Rentner (linke Spalte). Eine Einzelperson, die vierzig Jahre lang ihre Beiträge entrichtet hat, erhält pro Jahr eine maximale Rente von 28 200 Franken. Gemäss einer Studie des Bundesamts für Statistik (BfS) aus dem Jahr 2014 sind mehr als fünfzehn Prozent der Personen im AHV-Alter ganz auf die AHV angewiesen – sie stellt deren einzige Einkommensquelle dar. AHV-Renten, so bescheiden sie auch ausfallen, müssen allerdings als Einkommen versteuert werden. Geht man von steuerlichen Abzügen von 5000 Franken aus, so bleiben nach Steuern 27 000 Franken im Jahr zum Leben. Ist das überhaupt realistisch? Ja, denn laut BfS gibt es schweizweit zwischen 70 000 und 80 000 Personen, die ausschliesslich von einer AHV-Rente leben, keine weiteren Einkommensquellen haben und keine Ergänzungsleistungen bekommen.

Im Vergleich dazu – mittlere Spalte – hat ein vorläufig aufgenommener Asylant, dessen Asylgesuch abgewiesen wurde, in der Stadt Zürich Anrecht auf Sozialhilfe. Es gelten dieselben Regeln wie für einheimische Bezüger. Wichtigster Bestandteil der Sozialhilfe ist eine sogenannte «materielle Grundsicherung». Diese umfasst jährlich einen Beitrag für den Grundbedarf in der Höhe von 11 832 Franken, ausbezahlt an den Unterstützungsberechtigten in monatlichen Raten. Dazu kommen Wohnkosten von maximal 13 200 Franken im Jahr und die Bezahlung der Krankenkassenprämien von rund 4300 Franken jährlich. Alles zusammengezählt, kommt der Asylant somit auf 29 352 Franken im Jahr, die er nicht versteuern muss. In einem Nach-Steuer-Vergleich steht er somit jährlich um 2352 Franken besser da als der AHV-Rentner.

Ein AHV-Rentner in bescheidenen Verhältnissen (rechte Spalte) kann zusätzlich zu seiner normalen Rente Ergänzungsleistungen beantragen, sofern die AHV-Rente nicht zur Deckung seiner Ausgaben genügt und sofern er kein grösseres Vermögen besitzt, etwa ein selbstbewohntes Haus. Auch bei den Ergänzungsleistungen gibt es Maximalwerte für den Grundbedarf, die Wohnkosten und die Krankenkassenprämien. Der Maximalbeitrag für die Wohnkosten unterscheidet sich nicht von dem des Asylanten, ebenso sind die Krankenkassenprämien gedeckt. Allerdings übersteigt der erlaubte Grundbedarf mit 19 290 Franken jährlich denjenigen des Asylanten um den Faktor 1,7. Der AHV-Rentner mit Ergänzungsleistungen «überholt» damit den abgewiesenen Asylbewerber auf der Stufe der materiellen Grundsicherung, also bei den Ansprüchen auf einen in bar bezahlten Grundbedarf, Wohn- und Krankheitskosten. Er liegt (nach Steuern) um gut 6000 Franken vorne.

In den drei Beispielen hat der AHV-Rentner ohne Ergänzungsleistungen netto am wenigsten zur Verfügung. Nach Steuern (Annahme: Abzüge von 5000 Fr.) bleiben ihm 27 000 Franken. Bei Rente plus Ergänzungsleistungen kommt ein AHV-Rentner maximal auf 
35 610 Franken nach Steuern. Dazwischen liegen die finanziellen Ansprüche des Asylanten.Betrachtet man nur die Unterstützungsleistungen in der materiellen Grundsicherung, so steht der AHV-Rentner mit Ergänzungsleistungen etwas besser da als ein Sozialhilfeempfänger im Asylbereich. Doch in beiden Fällen kommen zusätzlich zur materiellen Grund­sicherung noch weitere bedarfs- und situ­ationsabhängigen Beiträge dazu. Beiden gemeinsam ist die Übernahme von krankheits- und behinderungsbedingten Kosten, die nicht durch eine andere Versicherung abgedeckt sind: insbesondere, aber nicht ausschliesslich Kosten für Zahnbehandlungen und Selbstbehalte. Diese Beiträge sind im Bereich der Ergänzungsleistungen bei 90 000 Franken gedeckelt, in der Sozialhilfe (theoretisch) nach oben unbegrenzt.

Hier enden die Ansprüche im Bereich der Ergänzungsleistungen. Nicht so jene in der Sozialhilfe, die der abgewiesene Asylbewerber erhält. Zahlenmässig bestimmbare weitere Beiträge, die bei der Sozialhilfe im Gegensatz zu den EL vergütet werden können, sind:

1 — Sprachkurse in Deutsch als Fremdsprache. Die Asyl-Organisation Zürich (AOZ), ein mit der Asylantenbetreuung befasstes Unternehmen der Stadt, gibt die monatlichen Kosten eines solchen Kurses auf seiner Website mit 880 Franken pro Person an – ergibt 10 560 Franken im Jahr. Einwanderer ohne ­Sozialhilfe müssen solche Ausbildungen selbst berappen.

2 — Zeigt ein Sozialhilfeempfänger Engagement bei der Eingliederung in den ­Arbeitsmarkt, so erhält er eine Integrationszulage von maximal 300 Franken pro Monat ausbezahlt.

3 — Für Nichterwerbstätige übernimmt das Sozialamt den jährlichen Minimalbeitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in der Höhe von 480 Franken. Anders als bei Schweizern, die nach Beitragszahlungen an die AHV über 10 Jahre hinweg das Recht auf eine Altersrente erhalten, beträgt die Mindestbeitragsdauer für Personen im Asylbereich nur fünf Jahre. Ein heute sechzigjähriger Asylant kann also in fünf Jahren in die AHV wechseln, mit Anspruch auf Ergänzungsleistungen.

4 — Die Kosten für eine Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung werden übernommen (ca. 200 Fr. im Jahr).

Die Kosten dieser vier Leistungen summieren sich auf 14 840 Franken _ zählt man sie zu den 29 352 Franken aus dem Bereich der materiellen Grundsicherung hinzu, so übertreffen die finanziellen Beiträge an den Asylanten bei weitem das, was ein Bezüger von Ergänzungsleistungen normalerweise geltend machen kann (es sei denn, er sei schwerkrank und pflegebedürftig).

Dazu kommen beim Asylanten individuell verschiedene und daher nur schwer zu beziffernde Bestandteile der Sozialhilfe. Bezahlt wird etwa die Wohnungseinrichtung. Zieht ein Sozialhilfeempfänger um, so bezahlt ihm die bisherige Wohngemeinde den Umzug, eine Monatsmiete am neuen Wohnort sowie die Mietkaution.

Im Ermessen der Sozialbehörde können weitere «situationsbedingte Leistungen» ausgerichtet werden. Diese ­weitläufige und schwer fassbare Kategorie liegt im Ermessen der Sozialbehörde und umfasst etwa die Übernahme von Reisekosten bei Arztbesuchen oder besondere Telekommunikationskosten zur Pflege «persönlicher oder verwandtschaftlicher Beziehungen». Solche All-inclusive-Pakete finanzieren auch AHV-Rentner in bescheideneren Verhältnissen mit ihren Steuern.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-36/sozialhilfe-wie-viel-bekommt-ein-asylant-die-weltwoche-ausgabe-362015.html

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Vor einigen Tagen veröffentlichten die beiden Schwergewichte in der SPD, der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier, einen Zehn-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik. Dem sorgfältig formulierten Papier sieht man den Feinschliff durch die Diplomaten des Auswärtigen Amtes an. Der glatte Text geht runter wie Öl. Erst wenn man ihn Satz für Satz auf ­seine Aussagen abklopft, offenbaren sich die Fallen, die ins Bodenlose führen:

— «Europa steht vor einer Generationenaufgabe.» Was ist damit gemeint? Es ist nicht Europas Aufgabe, die politischen Verhält­nisse im Rest der Welt oder auch nur im Nahen ­Osten zu ordnen. Oder prognostizieren die Autoren, dass die gegenwärtigen Flüchtlingsströme noch eine Generation anhalten? Dann hätte Deutschland – auf der Basis der gegenwärtigen Prognose für 2015 – noch mit dreissig Millionen und ganz Europa mit siebzig Mil­lionen Asylbewerbern zu rechnen.

— «Nie zuvor waren so viele Menschen auf der Flucht vor politischer Verfolgung und Krieg wie heute.» Das ist historischer Unfug. Die Welt war noch nie so friedlich wie heute. Aber die Grenzen sind durchlässiger geworden, die Kommunikationsmittel besser und die Transportmöglichkeiten billiger. Heute machen sich Millionen Menschen auf den Weg in reichere Länder, die noch vor wenigen Jahrzehnten die örtlichen Verhältnisse erduldet hätten oder versucht hätten, sie zu verbessern.

— «Viele von ihnen suchen Schutz bei uns in Europa.» Schief und irreführend. Nur zwanzig Prozent der deutschen Asylbewerber sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Afrikaner, Albaner und die meisten anderen kommen aus wirtschaftlichen Gründen.

— «Wir müssen damit rechnen, dass das angesichts der Krisen in unserer Nachbarschaft auf Jahre so bleibt.» Was sind «Krisen», und was gehört zu unserer «Nachbarschaft»? Reicht sie bis Algerien, bis zum Sudan oder bis nach Somalia? Und seit wann entscheidet Nachbarschaft über die Asylberechtigung oder den Bewerber-Andrang? Tatsächlich beobachten wir doch, dass es immer mehr Fernrei­sende unter den Flüchtlingen gibt.

— «Wir Europäer sind es uns selber und der Welt schuldig, der grossen Herausforderung dieser Hilfe suchenden Menschen gerecht zu werden.» Was ist damit gemeint? Dass wir jeden aufnehmen, der an unsere Tür klopft, unabhängig von Gründen und Zahlen? Das wäre verantwortungslos. Oder ist damit gemeint, dass wir die Verantwortung haben für die Verbesserung der Verhältnisse in den Herkunftsländern? Das wäre anmassend und illusionär.

— «Klar ist: Die bisherige Reaktion entspricht nicht dem Anspruch, den Europa an sich selbst haben muss.» Das ist der erste richtige Satz. Aber er bedeutet offenbar nicht, die Grenzen besser zu schliessen. Im Sinne der Autoren bedeutet er offenbar eher das Gegenteil.

— «Europa darf nicht länger zögern, die EU muss jetzt handeln.» Vor dem Handeln kommen die Analyse und die Entscheidung über die Handlungsrichtung. Beides fehlt.

—  «Deshalb müssen wir eine europäische Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik verfolgen, die auf dem Prinzip der Solidarität und den gemeinsamen Werten der Menschlichkeit gründet.» Hier wird durcheinandergeworfen, was einer Trennung bedarf. Erstens: Einwanderungspolitik muss den Interessen des jeweiligen Einwanderungslandes folgen. Diese Interessen sind von Land zu Land unterschiedlich. Zweitens: Asylpolitik ergibt sich aus der Formulierung und Auslegung des Asylrechts. Gegenwärtig sind zirka achtzig Prozent der auf der Erde lebenden Menschen aufgrund der Verhältnisse in ihren Herkunftsländern grundsätzlich in Deutschland asylberechtigt, wenn sie die deutschen Grenzen erreichen. Sollen unsere «Solidarität» und die «gemeinsamen Werte der Menschlichkeit» wirklich so weit gesteckt sein? Und drittens: Flüchtlingspolitik für die Welt muss sich nicht in Europa vollziehen. Kriegsflüchtlinge werden am besten in ihrem Heimatland oder nah an dessen Grenzen untergebracht.

So weit der Vorspann des Zehn-Punkte-Programms, von dem kein einziger Satz richtig oder auch nur ausreichend klar ist. In den zehn Punkten selber wird Richtiges mit Falschem unauflösbar vermischt:

1 — Richtig sind verbindliche Aufnahmequoten für alle EU-Mitgliedstaaten. Falsch ist der Massstab der «Leistungsfähigkeit». Es kann nur einen vernünftigen Massstab geben, das ist die Bevölkerungsgrösse des Aufnahmelandes.

2 — Richtig ist die Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Grenzmanagement. Dreissig Jahre nach dem ersten Schengen-Abkommen ist diese Forderung aber auch ein geistiger und politischer Offenbarungseid.

3 —  Richtig ist die Rückkehr der Flüchtlinge ohne Schutzanspruch in ihre Heimatländer. Kaum ausreichend und fast schon erheiternd ist der einzige Vorschlag dazu, nämlich technische und finanzielle Unterstützung für diese Staaten von einer konstruktiven Zusammen­arbeit abhängig zu machen.

4 — Richtig ist es, sichere Herkunftsstaaten zu definieren. Falsch ist es, diesen Status auf EU-Beitrittskandidaten zu beschränken. Damit besteht der Rest der Welt quasi automatisch aus potenziellen Verfolgerstaaten, in denen achtzig Prozent der Menschheit leben.

5 — Verheerend in ihrer Konsequenz ist die Forderung, die Seenotrettung im Mittelmeer langfristig europäisch zu verstetigen und die EU mit entsprechenden Kapazitäten auszustatten. Solange nicht die Rettung aus Seenot unverzüglich in eine Rückführung zum Startpunkt mündet, betreibt solch eine Politik das Geschäft der Schleuser, indem sie die Zuständigkeit für den gefahrvollsten und aufwendigsten Teil der Reise in europäische Hände legt.

Man muss hoffen, dass die beiden Autoren klüger sind und weiter blicken, als ihr Zehn-Punkte-Programm es vermuten lässt. Meist wird die Wirklichkeit schlimmer, als die Papiere mit den guten Absichten es vermuten lassen. Hier sollte es einmal umgekehrt sein.

Thilo Sarrazin ist ehemaliger deutscher Bundesbanker und Bestsellerautor. Er schreibt einmal pro Monat 
exklusiv für die Weltwoche über die deutsche Politik.

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weltwoche.chDie Weltwoche, Ausgabe 36/2015

Essay: «Gerade wir als Deutsche…»
Von Christian Huber

Seit zehn Jahren mit dem Schiff in Europa unterwegs, sind wir nach einigen Monaten in Berlin weiter östlich gefahren, tief in die ehemalige DDR. Das wald- und seenreiche Gebiet des Schenkenlandes und der Niederlausitz ist dünn besiedelt, strukturschwach und teilweise sehr ärmlich. Viele Häuser sind zerfallen, die Stras­sen holperig. Wir kamen mit den Einheimischen ins Gespräch, lasen die Lokalpresse und hörten die Lokalsender. Wir erlebten eine Bevölkerung, die nur schwer damit umgehen kann, dass alle denkbaren Unterkünfte – vom stillgelegten Baumarkt über ehemalige Kasernen der Sowjetarmee bis zu Hotels – mit Tausenden von Flüchtlingen, zumeist jungen Männern, gefüllt werden.

Zurück vom Einkaufen in Königs Wusterhausen, mussten wir in Gross Köris von der Regionalbahn in den Bus umsteigen. Auf dem Weg zur Bushaltestelle kam uns eine Gruppe von etwa zehn jüngeren Männern entgegen. «Shopping-Mall?», fragen sie. «Aldi?» Wir wiesen ihnen den Weg. Aus dem Bus sahen wir weitere Männergruppen durch das Dorf schlendern. «Die wohnen alle oben im Wald, in einer alten Ferienkolonie aus DDR-­Zeiten», erklärte uns der Busfahrer. Gross ­Köris, dies zum Verständnis, ist nicht gross. Es heisst nur so, damit man es von Klein Köris unterscheiden kann.

Was hätte Honecker gemacht?

Sonntagsausflug in den Spreewald. Am Nebentisch im Biergarten sassen vier gepflegte Männer, unterwegs auf einer Radtour. Sie diskutierten darüber, dass die leerstehenden Gebäude des seit Ende der Berliner Luftbrücke stillgelegten Flughafens Tempelhof reaktiviert und für Flüchtlinge hergerichtet werden sollen. «Ist doch super!», meinte einer von ­ihnen. «Einen neuen Flughafen für Flugzeuge bauen können sie nicht, aber einen alten für Flüchtlinge einrichten, das geht ruck, zuck.» Als vor zwei Jahren bekanntwurde, dass auf dem Tempelhofer Flughafenareal (nicht ganz billige) Wohnungen gebaut werden sollten, gab es ­einen veritablen Volksaufstand.

$Ein älterer Mann am Nebentisch, seinerzeit in der DDR Inhaber eines Familienbetriebes, blickte sich zuerst nach links und rechts um – alte DDR-Überlebensstrategie –, bevor er zu uns sagte: «Unter Honecker hätte es so was nicht gegeben.» Einzig die Ungarn hätten begriffen, was Schengen und was EU-Aussengrenze bedeuteten.

Auch die Marktfrau, die im kleinen Dorf, in dessen Nähe wir mit unserem Hausboot liegen, selbstgezogenes Gemüse verkauft, er­eifert sich: «Soll mir mal doch jemand erklären, warum hier Tausende von Fremden untergebracht werden, während die Kommunen finanziell derart klamm sind, dass es nicht für anständige Löhne des Krippenpersonals reicht!»

Für die Medien und die Politiker hingegen sind alle, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte aussprechen, umgehend «Rechtsextreme» und «Neonazis». Dass vielfach ganze Familien auf die Strasse gehen, denen es angesichts dieser veritablen Invasion mulmig wird, wird einfach ausgeblendet. Endlich kann man die Welt in Gut und Böse einteilen: Die Guten engagieren sich in Freiwilligengruppen, Ad-hoc-Aktionen wie «Dresden nazifrei» und veranstalten bunte Willkommensfeste. Die wirklich Bösen fackeln als Flüchtlingsunterkünfte vorgesehene Gebäude ab und veranstalten Protestmärsche – in der Sprache des ZDF-Nachrichtenmoderators Claus Kleber «schlurfen sie dumpf durch Heidenau».

Endlich kann Mainstream-Deutschland der Welt beweisen, wie gut und solidarisch es ist, wie es alle Fremden umarmt und mit den ­Nazis nichts mehr am Hut hat. Eine rationale Flüchtlingspolitik wird durch das deutsche Nachkriegstrauma, das erdrückende Gefühl der Erbsünde, völlig verunmöglicht. «Gerade wir als Deutsche . . .» heisst es immer wieder. Wenn eine Gruppe von Flüchtlingen in einem geschlossenen Lastwagen an Autoabgasen erstickt: Wie soll bei der sich aufdrängenden Assoziation zu Auschwitz eine nüchterne Diskussion überhaupt noch möglich sein?

Ein Rentner, mit dem wir ins Gespräch kommen, eröffnet eine andere Perspektive. Als Natur­wissenschaftler war er viele Jahre lang in ­Syrien und im Irak unterwegs, später in Afrika. «Dort sind mehrere hundert Millionen Menschen auf dem Sprung nach Europa», sagt er nachdenklich. «Jetzt feiern wir noch Willkommensfeste. Aber was wird sein, wenn wir begreifen, dass dies hier erst der Anfang ist?»

Es ist nicht Fremdenhass, den wir hier in der ehemaligen DDR spüren – wobei wir einräumen müssen, dass wir keinen Kontakt zu Neonazis haben. Es ist vielmehr eine tiefe Verunsicherung angesichts einer Politik, die als strategie-, konzept- und orientierungslos empfunden wird. «Es kann doch nicht sein,» sagte der ehemalige Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) im Berliner Rundfunk, «dass wir der ganzen Welt verkünden: ‹Kommet alle her in unser Land, die ihr mühselig und beladen seid!›» Zurzeit läuft es allerdings ganz anders.

In Berlin-Reinickendorf brannte letzte Woche eine Turnhalle neben einer Flüchtlingsunterkunft bis auf die Grundmauern nieder. Wieder wussten die Medien sofort, wo die Täter zu suchen waren. In der rechten Szene natürlich, und da die Linken auch hier die mediale Lufthoheit ­haben, ist «rechts» gleichbedeutend mit «rechtsextrem». Mit grosser Erleichterung meldeten dieselben Medien vor ein paar Tagen, die Flüchtlingskinder, welche zugegeben hätten, gekokelt (gezeuselt) zu haben, seien noch nicht strafmündig.

Christian Huber ist promovierter Jurist. Von 1999 bis 2005 war er für die SVP Zürcher Regierungsrat sowie ­Finanzdirektor. Seit 2005 ist er Besitzer und Kapitän des Hausboots «Kinette».

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Mitleid ist die eleganteste Form des Leidens. Risikolos und wohlfeil. Das Leiden der Anderen ist der Rohstoff für das eigene Wohlbefinden. Am Jüdisches Museum in Berlin gibt es einen „Holocaust-Tower“, eine dunkle, enge Kammer. Es gibt Besucher, die halten das nicht lange aus, sie bekommen Panikattacken. Was bleibt, ist das Gefühl, die – Sie wissen schon! – von Auschwitz hautnah erlebt und überlebt zu haben.

Der Kannibalismus der Emotionen gehört zu den Folgen der Wohlfahrt. Wenn der Ausfall der Klimaanlage in einem ICE bereits als Katastrophe gilt, wenn sich immer mehr Menschen sorgen, was sie überhaupt noch essen können, ohne ihre Gesundheit zu gefährden, wenn die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger belehren muss, wie sie sich bei Hitze verhalten sollten – es sei wichtig, „sich nicht nur an extrem heiße Tage anzupassen, sondern auch an die zunehmende Variabilität des Wetters“, dann lauern nicht überall Gefahren, denen man ausweichen muss, dann leiden die Menschen unter einem Übermaß an Sicherheit und an einem Mangel bedrohlicher Situationen.

Sie würden gerne etwas empfinden, das geiler als geil und krasser als krass ist. Allein, es ist in ihrem Leben nichts da, das eine Grenzerfahrung verspricht. Nicht jeder und nicht jede kann bei DSDS und GNTM teilnehmen.

Also wildern sie in anderer Leute Nöten. In Bochum gab es vor dem Schauspielhaus eine „Aktion“, bei der Passanten, die zufällig vorbeikamen, in einem Kleinlaster eingeschlossen wurden, als wären sie auf dem Weg von Budapest nach Wien Schleppern in die Hände gefallen. Der leitende Dramaturg des Schauspielhauses betonte, es ginge dabei nicht wirklich um Kunst. Die Aktion sei nur „ein kleiner Versuch, mal etwas zu versinnlichen, was wir im Moment ständig auf dem Tisch liegen haben“.

Versinnlichen. Als ob der grausame Tod von 71 Menschen, die erstickt sind, nicht schon „sinnlich“ genug wäre. Aber um seine volle sinnliche Wirkung zu entfalten, muss er noch einmal inszeniert werden. Damit „das Unvorstellbare konkret“ wird, so der Spediteur, der den Kleinlaster dem Theater zur Verfügung gestellt hat. Und nun wird ein Kind zweitverwertet, ein Junge, der vor der türkischen Küste ertrunken ist.

„Wir ertrinken im Wohlstand. Syrische Kinder, auf der Flucht vor Krieg und Elend, ertrinken im Mittelmeer“, klagt ein Kollege, der was von Metaphern versteht. Dem Jungen sei das „Recht auf Leben“ genommen worden. „Dann hat er zumindest das Recht, noch einmal gesehen zu werden.“ Und eine Leserin kommentiert: „Wenn dieses Bild die Welt nicht verändert, haben wir alle versagt.“

Was ist es, das solche Sätze hervorbringt? Mitgefühl oder Kalkül? Ein Zukunftsforscher, der sich damit rühmt, den Kilimandscharo bestiegen zu haben, hält die derzeitige Flüchtlingswelle für „ein unerwartetes Geschenk“, das uns „vor dem Rückgang unseres Lebensniveaus bewahren wird“, eine „riesige Chance für Deutschland“. Er verspricht: „All jene Deutschen, die heute Angst und Vorbehalte haben, werden schon in zehn Jahren von der Leistung dieser Flüchtlinge leben.“ Und: „Die jüngeren Deutschen werden erheblich weniger Steuern und Rentenversicherungsbeiträge zahlen müssen, als ohne Flüchtlinge.“

Wirklich schrecklich, dass nicht alle Flüchtlinge die Anfahrt zum Arbeitsplatz schaffen.

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Nach mehreren hunderttausend Opfern des syrischen Bürgerkrieges, vergast, verstümmelt, gefoltert, geschlachtet, ist der Westen angesichts des Bildes eines zwei- oder dreijährigen syrischen Jungen aus Kobane jetzt erstmals erschüttert. Die Flucht des Kindes endete an der türkischen Küste, wo seine Leiche, in der Brandung dümpelnd, gefunden wurde. Manchmal bewirken solche ins Mark treffend Bilder etwas. So wie die Aufnahmen der Ermordung Neda Soltans bei den Aufständen im Iran 2009 für kurzzeitiges Unwohlsein sorgten, bis der deutsche Pazifist zur Tagesordnung (€-Rettung, Energiewende, soziale Gerechtigkeit, Klimawandel, schwule Ampelmännchen, gendergerechte Toiletten) zurückkehrte.

Da es die sog. „Völkergemeinschaft“ nur in dem von Nachrichtensendungen vermittelten Trugbild gibt, stellt sich die Frage: Wie soll der Westen reagieren? Soll er überhaupt handeln?

Sollte Bundeskanzlerin Merkel ihren Außenminister Steinmeier nach Syrien und in den Irak schicken? Damit Deutschland seiner politischen, moralischen und geschichtlichen Verantwortung gerecht werden kann? Und das Morden, Verstümmeln, Foltern und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen endet? Damit Steinmeier ISIS, Assad, al-Nusra und deren Gesinnungsgenossen mahnend ins Gewissen redet? Um einen “ersten und wichtigen Schritt hin zur Entschärfung des Konflikts, hoffentlich zum Schweigen der Waffen”, zu gehen.

Steinmeier selbst hat sicher keinen Zweifel daran, dass seine diplomatischen Fähigkeiten auch Adolf Hitler gebremst und bekehrt hätten. Nach Syrien oder in den Irak möchte der Herr Außenminister aber augenscheinlich nicht. Weil er lieber, ein Menschenleben zu spät, mit seiner ebenso grandiosen wie floskelhaften und zuverlässig folgenlos bleibenden Rhetorik an die Gräuel der Naziherrschaft erinnert. Und mahnt. Wäre es nicht grandios, wenn wir ein Mitglied der Bundesregierung hätten, das seinen Gegnern, wie einst US-General James Mattis, vor Gesprächsbeginn eine Botschaft wie diese schickt:

„I come in peace. I didn’t bring artillery. But I’m pleading with you, with tears in my eyes: If you fuck with me, I’ll kill you all.“

Bei ISIS könnte man, ohne langes Gerede, gleich mit der zweiten Option anfangen. Über die Glaubwürdigkeit einer solchen Mitteilung muss angesichts der Schlagkräftigkeit einer Armee, deren zivile Spitze Ursula von der Leyen bildet, noch einmal nachgedacht werden. Eine Truppe, deren Sturmgewehre überhitzen und die statt IS-Kämpfer zu töten, über eine Kinderkrippen-Offensive nachdenkt. Das mit den Gewehren macht übrigens nichts. Die werden sie sowieso nie einsetzen.

Ein hierzulande nicht sonderlich populärer US-Präsident hat zum 60. Jahrestag Israels in der Knesset eine Rede gehalten. Er war Realist und kein Anhänger der Steinmeierschen Verhandlungen-Über-Alles-Schule:

„Einige treten dafür ein, dass wir mit den Terroristen und Radikalen verhandeln sollten, als ob ein geniales Argument sie davon überzeugen könnte, dass sie die ganze Zeit Unrecht hatten. Wir haben diesen törichten Irrglauben bereits früher gehört. Als die Panzer der Nazis 1939 nach Polen vorstießen, erklärte ein amerikanischer Senator: ‚Oh Gott, hätte ich nur mit Hitler sprechen können, all dies hätte vermieden werden können.’ Wir haben die Pflicht, dies als das zu bezeichnen, was es ist: der falsche Trost des Appeasement, der wiederholt von der Geschichte diskreditiert worden ist.“

Die einzige Alternative, die Steinmeier zu seinem in der Regel ergebnislosem Verhandeln einfällt, ist die Kapitulation. Steinmeier kapituliert aber auch, wenn er (mit-) verhandelt, wie das Iran-Atom-Fiasko sehr schön zeigt. Und die Alternative, die es zu erwägen gilt, wenn Verhandeln wie bei ISIS und Assad keine Option ist, kommt in der Steinmeierschen Denkschule nicht vor. Da gilt hierzulande ein Denkverbot. Dann bleibt halt nur das Mahnen. Und das kann er wie kein Zweiter.

Dennoch sollte man darüber nachdenken, ob man dies Steinmeier tatsächlich zum Vorwurf machen kann. Er verkörpert ja eigentlich nur die eskapistische und pazifistische Grundhaltung der Deutschen. Er gibt der moralischen Verwahrlosung ein Gesicht.

Die westlichen Demokratien hatten Gelegenheit, das traurige Ende des syrischen Jungen zu verhindern. Und das Massensterben in Syrien, das Morden und Schänden im Irak ebenso. Irak war zum Höhepunkt des Bürgerkrieges, etwa 2005-2007, eine Oase des Friedens, zieht man Vergleiche mit der Situation in Syrien/Irak von heute. Der Hauptverantwortliche hierfür sitzt im Weissen Haus. Er zog die US-Truppen 2011 aus dem Irak ab, der leidlich stabil und friedlich war. Um pünktlich zu den Zwischenwahlen 2012 als der Friedensnobelpreisträger da zu stehen, der zwei Kriege beendete. Dafür hat er ISIS und dem Iran den Irak überlassen.

Es war auch Obama, der den Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten in Syrien als „rote Linie“ bezeichnete. Und es war Obama, der zurückwich, als das Assad-Regime seine Warnung ignorierte. Als Bilder von entstellten Körpern, von gewundenen Kinderleichen mit Schaum vor dem Mund in der Presse auftauchten. Das grausame Schicksal des kleinen Jungen aus Kobane hat sich, noch fürchterlicher, schon viele Male zuvor abgespielt.

Der Westen hätte handeln müssen. Er tat es nicht. Deutschland hätte handeln müssen. Wir taten nichts. Es war mir von jeher ein Rätsel, wie man mit dem unglaublichen Zynismus leben kann, Sonntagsreden zur Shoa, zu Auschwitz zu halten und gleichzeitig beim Giftgaseinsatz in Syrien zuzuschauen und den Mullahs die geschäftstüchtige Hand zu schütteln.

“Ich glaube, dass der Iran sehr viel Einfluss auf das hat, was in Syrien stattfindet.”, sagt Angela Merkel.

Wenn Merkel und Steinmeier schon jegliche moralischen Kategorien abgehen, wie wäre es dann wenigstens mit kaltschnäuziger Realpolitik. Denn die mangelnde Bereitschaft, in Syrien einzugreifen, hat jeden Tag ganz konkrete Folgen für Deutschland und Europa. Zwei Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei, eine Million im Libanon, weitere Millionen sind unterwegs. Viele davon auf dem Weg nach Deutschland. Wie man täglich durch das propagandistische Trommelfeuer der Medien lernen darf, ist das ein grosser Segen für Deutschland, weil wir Zuwanderung brauchen.  Da darf man sich dann ja bei den Akteuren des syrischen Bürgerkrieges noch brav bedanken, statt ihnen das Licht auszuknipsen.

Es ist nicht die Moral, die Merkel und Steinmeier bremst. Es liegt nicht an grundsätzlichen, pazifistischen Erwägungen. Die Regierung ist gleichzeitig bereit, Panzer an Saudi-Arabien zu liefern, ein autoritäres Regime, das im Nachbarland Bahrain Proteste niederwalzt. Und macht Geschäfte mit dem Terrorregime in Teheran. Merkel überträgt schlicht jenes politische Defensivspiel,– abwarten, beobachten, moderieren -, das sie in der Innenpolitik betreibt, auch auf die Außenpolitik. Sie meidet den Krieg, weil er ein strategisches Risiko ist – und weil sie Unberechenbares generell meidet, um ihre Wiederwahl nicht zu gefährden. Kinderleichen mit Schaum vor dem Mund werden dann mit   akustischen Seifenblasen, die Betroffenheit simulieren, wegerklärt.

Niemals wird Deutschland Soldaten nach Syrien schicken, um dabei mitzuhelfen, das Übel des IS auszumerzen oder wenigstens Schutzzonen für die geschändete Bevölkerung einzurichten. Weshalb man die faktisch kampfunfähige Bundeswehr auch gleich auflösen kann. Dann gäbe es in den Kasernen wenigstens Platz für die Flüchtlinge. Die Flüchtlingskrise ist direktes Ergebnis der Feigheit des Westens, der Weigerung, das Böse in Nahen und Mittleren Osten zu konfrontieren.

Die USA, Deutschland, der Westen tragen einen grossen Teil der Verantwortung für die Pein des kleinen kurdischen Jungen, für das grauenhafte Ende der vergasten Kinder in Syrien. Bequem am ersten Latte des Tages schlürfend, haben wir dem Krebsgeschwür in Syrien beim Wuchern zugesehen. Europa, das sich selber als „Wertegemeinschaft“ preist, kollidiert gerade mit der Wirklichkeit. Schulden wir dem kleinen Jungen irgend etwas? Ich habe keine Hoffung, dass unser Land darauf je die richtige Antwort geben wird. Die zivilisatorische Ermüdung Deutschlands und die Krise Europas scheinen endgültig. Beide Säulen der europäischen Integration, der € und Schengen, kollabieren in der ersten Krise.

“‘Wir zitterten jeden Tag vor der SS. Wir hatten keinen Zweifel, dass sie uns am Ende als Zeugen ihrer Taten umbringen würden.’ Meine Damen und Herren, Es ist ein Kind, das seine Angst so schildert. Eine Angst, die es erzittern ließ. Jeden Tag aufs Neue.” Frank-Walter Steinmeier zum 70. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen.

Lass gut sein, Frank-Walter!

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Die muslimische Bevölkerung in Deutschland wird 2015 um mehr als 700.000 in die Höhe schnellen, so dass die Gesamtzahl der im Land lebenden Muslime zum ersten Mal an die Sechs-Millionen-Marke stößt.

Das Anwachsen von Deutschlands muslimischer Bevölkerung – angetrieben von einer Einwanderungswelle, die in der Nachkriegsgeschichte ohne Beispiel ist – bedeutet einen demografischen Wandel epischen Ausmaßes, von dem Kritiker der Einwanderungspolitik der offenen Tür sagen, dass er Deutschlands Gesicht für immer verändern werde.

Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf einer Pressekonferenz am 19. August offenlegte, ist zu erwarten, dass 2015 die Rekordzahl von 800.000 Migranten und Flüchtlingen – das Äquivalent von einem Prozent der deutschen Bevölkerung –nach Deutschland kommen wird, viermal so viele wie im Jahr 2014. Nach Angaben des Ministers kamen allein im Juli 83.000 Migranten, und die Zahl für August werde noch höher ausfallen.

Viele dieser Menschen kämen aus dem Nahen Osten und Nordafrika, doch eine große Zahl (40 Prozent) stamme auch aus den Balkanstaaten, darunter Albanien und der Kosovo. Demnach wären fast die Hälfte derer, die in Deutschland ankommen, keine Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, sondern Wirtschaftsflüchtlinge.

Laut einem Bericht der Deutschen Welle werden in dem hier gezeigten Berliner Aufnahmezentrum täglich 2.000 Asylanträge gestellt. (Foto: Screenshot Deutsche Welle TV)

Laut einer neuen Schätzung des Zentralrats der Muslime in Deutschland sind mindestens 80 Prozent (640.000) der 800.000 Migranten und Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland kommen, Muslime. Diese Zahlen werden von niemandem angezweifelt.

Zu den Neuankömmlingen kommt das natürliche Wachstum der bereits in Deutschland lebenden muslimischen Gemeinde hinzu, das Zahlen zufolge, welches sich aus einer aktuellen Studie – die das Pew Research Center über das Wachstum der muslimischen Bevölkerung in Europa vorgelegt hat – errechnen lassen, bei etwa 1,6 Prozent pro Jahr (77.000) liegt.

Laut der Kalkulation von Pew gab es in Deutschland Ende 2014 etwa 5,068 Millionen Muslime. Durch die 640.000 muslimischen Migranten, die 2015 nach Deutschland kommen und das natürliche Wachstum von 77.000 wird die muslimische Bevölkerung in Deutschland bis Ende 2015 sprunghaft um 717.000 anwachsen, auf schätzungsweise 5,785 Millionen. Damit hätte Deutschland die größte muslimische Bevölkerung aller Länder Westeuropas.

Zum Vergleich: Auf die Vereinigten Staaten bezogen entspräche das Wachstum von Deutschlands muslimischer Bevölkerung einem Zuwachs von drei Millionen in nur einem Jahr.

Kritiker sagen, die deutsche Regierung – unter dem Druck, Europas Migrationskrise zu lösen – ignoriere die langfristigen Folgen einer so großen Zuwanderung von Migranten aus dem Nahen Osten und Nordafrika.

Zusätzlich zu den Sicherheitsbedenken – es ist in höchstem Maße wahrscheinlich, dass islamische Radikale versuchen, als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland einzureisen –, so sagen sie, werde die anschwellende muslimische Einwanderung auch die Islamisierung Deutschlands beschleunigen, ein Prozess, der schon lebhaft im Gange ist.

Der Islam ist die am schnellsten wachsende Religion im nachchristlichen Deutschland. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass immer mehr Kirchen in Deutschland zu Moscheen umgewidmet werden, von denen einige öffentlich den Gebetsruf (den adhan) über außen angebrachte Lautsprecher ausstrahlen. Das nimmt so sehr zu, dass einige Viertel Deutschlands inzwischen optisch und akustisch an den muslimischen Nahen Osten erinnern.

Mit großer Geschwindigkeit breitet sich das islamische Schariarecht überall in Deutschland aus; Schariagerichte sind mittlerweile in jeder großen deutschen Stadt aktiv. Diese „Schattenjustiz“ untergrabe den deutschen Rechtsstaat, warnen Experten, doch der deutsche Staat sei dagegen „machtlos“. Gleichzeitig beziehen sich auch Richter ordentlicher deutscher Gerichte immer häufiger auf das Schariarecht.

Die Vielehe, obgleich nach deutschem Recht illegal, ist unter Muslimen in den großen deutschen Städten gang und gäbe. So wird etwa geschätzt, dass sage und schreibe ein Drittel der muslimischen Männer, die in Berlin-Neukölln leben, zwei oder mehr Frauen haben.

Laut einer Dokumentation von RTL nutzen in Deutschland lebende muslimische Männer häufig die Sozialsysteme aus, indem sie zwei, drei oder vier Frauen aus der muslimischen Welt nach Deutschland bringen und sie dann in Anwesenheit eines Imams heiraten. Sobald sie in Deutschland sind, beantragen die Frauen Sozialleistungen, darunter die Übernahme der Kosten einer eigenen Wohnung für sich und ihre Kinder, wobei sie behaupten, „Alleinerziehende mit Kindern“ zu sein.

Obgleich der von muslimischen Einwanderern begangene Sozialbetrug ein „offenes Geheimnis“ sei und die deutschen Steuerzahler Jahr für Jahr Millionen koste, wagten die deutschen Behörden es aus Gründen der politischen Korrektheit nicht, Maßnahmen dagegen zu ergreifen, so der RTL-Bericht.

Immer mehr Gewaltkriminalität, die von gelangweilten Einwanderern aus dem Nahen Osten und dem Balkan verübt wird, hat manche Teile einiger deutscher Städte zu „rechtsfreien Zonen“ gemacht, die für die Polizei de facto „No-Go“-Zonen sind.

In Wuppertal versuchten bärtige muslimische Radikale, die sich selbst als „Schariapolizei“ bezeichneten, auf den Straßen islamisches Recht durchzusetzen, indem sie gelbe Zettel verteilten, auf denen die islamischen Verhaltensnormen in den Schariazonen der Stadt erklärt wurden. In Hamburg haben muslimische Radikale Dutzende von Grund- und weiterführenden Schulen infiltriert, wo sie nichtmuslimischen Schülern und Lehrern Schariaregeln und -Werte aufzwingen.

In Berlin haben Kommunalbeamte eine Regel außer Kraft gesetzt, die Angestellten in Behörden religiöse Kleidung verbietet, um einer Muslimin das Tragen eines Kopftuchs zu ermöglichen. In Bayern wird erwogen, muslimische Kinder von verpflichtenden Klassenfahrten zu Holocaustgedenkstätten zu befreien.

Das Land Bremen hat einen Staatsvertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet. Das Abkommen garantiert den Schutz von muslimischem Gemeindeeigentum, die Genehmigung des Baus von Moscheen mit Minaretten und Kuppeln, die Bereitstellung von Grundstücken für muslimische Friedhöfe, das Angebot von halal-Essen in Gefängnissen und Krankenhäusern, die Anerkennung dreier muslimischer Feiertage, die muslimische Vertretung in staatlichen Institutionen und eine Reihe von anderen Rechten und Privilegien.

Mehr als 700 deutsche Muslime sind nach Syrien und in den Irak gereist, um sich dort dem Islamischen Staat anzuschließen – einige von ihnen beziehen weiterhin Sozialleistungen vom deutschen Staat, während sie auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens kämpfen. Auch Dschihadisten, die zurückgekehrt sind und eine akute Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen, können dessen ungeachtet weiterhin Sozialleistungen erhalten.

Deutschland beherbergt über 7.000 Salafisten, die einem Zweig des radikalen Islam anhängen, der Deutschlands demokratische Ordnung völlig ablehnt. Laut deutschen Behörden sind tausend von ihnen besonders gefährlich (einige sollen sich Schläferzellen angeschlossen haben) und könnten jederzeit Anschläge verüben.

Während all dies passiert, wird Salafisten erlaubt, offen auf deutschen Straßen zu missionieren und neue Rekruten zu werben und so ihre Zahl zu erhöhen. Eine dieser Rekrutierungsinitiativen ist die beispiellose landesweite Kampagne „Ein Koran in jedem deutschen Haushalt“, bei der 25 Millionen Exemplare des Koran in deutscher Übersetzung an alle Haushalte verteilt werden sollen.

Trotzdem machen die Wächter des deutschen Multikulturalismus Überstunden, um diejenigen, die sich kritisch über den Aufstieg des Islam äußern, zum Schweigen zu bringen. In Bayern etwa werden Aktivisten, die gegen den Bau einer Megamoschee in München sind, als „Extremisten“ eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wer den Aufstieg des Islam kommentiert, wird von den deutschen Medien beschuldigt, Hass zu verbreiten – ein hinterhältiger Versuch, solche Leute so einzuschüchtern, dass sie nichts mehr sagen. Besonderen Zorn trifft eine sehr populäre deutschsprachige Website, die sich Politically Incorrect (PI) nennt und die über die Jahre zu einem wichtigen Informationsportal für Leute geworden ist, die über die Ausbreitung des Islam in Deutschland besorgt sind. Das Motto von PI lautet: „Gegen den Mainstream, proamerikanisch, proisraelisch, gegen die Islamisierung Europas.“ Es ist nicht überraschend, dass die deutsche Medienelite PI abschalten möchte.

Gut möglich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel – die kürzlich zugab, dass der deutsche Multikulturalismus gescheitert ist – in der Masseneinwanderung aus der muslimischen Welt die Lösung für das Problem der kollabierenden Geburtenrate in Deutschland sieht, die eine der niedrigsten weltweit ist.

Die deutsche Regierung erwartet, dass die Bevölkerung bis 2060 von etwa 81 Millionen auf 67 Millionen sinken wird, während das Statistische Bundesamt kürzlich meldete, dass eine hohe Zahl von Zuwanderern dazu führen werde, dass die Einwohnerzahl weniger stark sinkt als erwartet.

Eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) warnt davor, dass niedrige Geburtenraten die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gefährden könnten. In keinem anderen Industrieland verschärfe sich dieser Trend trotz des Zustroms an jungen Arbeitsmigranten so stark wie in Deutschland, schreibt das HWWI. „Ohne einen starken Arbeitsmarkt kann Deutschland langfristig kein dynamisches Wirtschaftszentrum bleiben.“

Doch wenn Einwanderer ein Gewinn für die deutsche Wirtschaft sein sollen, muss Deutschland bei ihrer Integration weitaus bessere Ergebnisse erzielen als dies bislang der Fall ist. Wie eine neuere Studie des Kölner Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie arbeitslos sind und von Sozialleistungen leben, bei muslimischen Migranten höher als bei jeder anderen Gruppe. Die Ursache dieser hohen Arbeitslosigkeit sei ein Mangel an Ausbildungsleistungen und Jobqualifikationen, so der Bericht.

Unterdessen zeigt die Migrationskrise keine Anzeichen des Nachlassens. Auf einem Treffen in Wien, bei dem am 27. August über Einwanderung beraten wurde, sagte Johannes Hahn, der EU-Kommissar für Nachbarschaftshilfe und Erweiterung: „20 Millionen Flüchtlinge warten an der Schwelle Europas. Zehn bis zwölf Millionen in Syrien, fünf Millionen Palästinenser, zwei Millionen Ukrainer und etwa eine Million im Südkaukasus.“

Am 21. August setzte Deutschland das sogenannte Dubliner Abkommen – einen Vertrag, der von Menschen, die Zuflucht in der EU suchen, verlangt, dies in dem ersten europäischen Land zu tun, das sie erreichen – für Asylsuchende aus Syrien außer Kraft. Das bedeutet, dass Syrern, die nach Deutschland kommen, erlaubt wird, solange zu bleiben, bis ihr Antrag bearbeitet ist. Kritiker sagen, dies werde noch mehr Migranten Anreiz geben, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.

Die meisten Deutschen scheinen unbeeindruckt von dem zu sein, was in ihrem Land passiert. Einer am 21. August vom ZDF veröffentlichten Umfrage nach meinen 60 Prozent der Deutschen, dass ihr Land die hohe Zahl von Flüchtlingen verkraften könne, 86 Prozent sagen, Deutschland sei ein Einwanderungsland.

In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagt Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, die Welle der ins Land kommenden Muslime sei so groß, dass viele Moscheegemeinden allein im letzten Monat aufs Doppelte angewachsen seien. Sein Kommentar zu der über Deutschland hereinbrechenden demografischen Revolution: „Die Zahl der Muslime in Deutschland wird signifikant wachsen.“

Der ungarische Präsident Viktor Orban ist derweil einer der wenigen europäischen Staatschefs, die Alarm schlagen: „Vor einem Jahr sagte ich, dass wir in Zeiten leben, wo alles passieren kann, und das sage ich immer noch“, sagte er kürzlich. „Wer hätte gedacht, dass Europa nicht dazu in der Lage sein würde, seine Grenzen gegen unbewaffnete Flüchtlinge zu schützen?“ Er fügte hinzu:

„Was für uns heute in Europa auf dem Spiel steht, ist die Lebensart der europäischen Bürger, europäische Werte, das Überleben oder Verschwinden europäischer Nationen und, genauer formuliert, deren Transformation zur Unkenntlichkeit. Heute geht es nicht nur um die Frage, in welchem Europa wir leben wollen, sondern darum, ob das, was wir als Europa begreifen, in Zukunft überhaupt noch existieren wird.“

Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute und Senior Fellow for European Politics der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Gruppe Strategische Studien. Besuchen Sie ihn auf Facebook und folgen ihm auf Twitter.

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welt.de

Die deutsche Hilfe läuft im Katastrophenmodus
Wolfgang Büscher und Michael Ginsburg

In Berlin stehen 300 Bürger bereit, um Vormund zu werden für unbegleitete junge Flüchtlinge – ein kleines Drama im großen. 165 solcher Jugendlichen kamen im Juni, 326 im Juli, im August 400 weitere allein nach Berlin. In Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt nimmt der Traktor-Hersteller Agco auf dem Werksgelände 58 Flüchtlinge auf. Vorstand Hans-Bernd Veltmaat sieht in den Flüchtlingen künftige Gabelstaplerfahrer und Schweißer für sein Werk. Doch laut deutschem Asylrecht darf er sie weder ausbilden noch beschäftigen. Sein Angebot einer Bleibe für weitere 90 Flüchtlinge plus Ausbildungswerkstatt liegt auf Eis. „Sobald die Behörden mitspielen, investieren wir in die nächste Unterkunft“, sagt er. „Vorher nicht.“

Zwei Beispiele für das Sommermärchen weltweit bestaunter deutscher Barmherzigkeit, sie stehen für viele. Doch nun werden die Tage kühler. Der Winter steht bevor – was nun? Wohin mit den Tausenden aus den Zeltstädten überall im Land? Verkraftet unser Sozialsystem so einen Zuzug, wie bewältigen unsere Schulen Zigtausende Kinder, die kein Wort Deutsch reden? Erst hieß es Flüchtlingswelle, jetzt heißt es Flüchtlingskrise – wie wird es im Winter heißen: Flüchtlingskatastrophe?

Jetzt sind große Entscheidungen gefragt. Jetzt ist die Bundespolitik dran. Sie hat sich lange vornehm zurückgehalten. Wäre es um eine Flut- statt um eine Fluchtwelle gegangen, unsere Spitzenpolitiker wären wie einst Gerhard Schröder in die Gummistiefel gesprungen, um sich als Deichgrafen filmen zu lassen. Doch obwohl die Dämme unserer Hilfskapazitäten gefährlich ächzen, wurde lange niemand aus Berlins Regierungsviertel vor Ort gesichtet.

Immer wenn eine Notlage da ist, heißt es in den Nachrichten: Ein Krisenstab wurde gebildet. Ach so. Der Krisenstab zum Flüchtlingsdrama tagte erstmals vorige Woche. Es gibt ihn seit Juni, aber mehr als ein paar Telefonkonferenzen brachte er nicht zuwege. Das änderte sich, als die NPD ins Spiel kam. Als in Heidenau rechtsradikale Parolen und Feuerwerkskörper flogen. Da begriffen Vizekanzler und Kanzlerin, dass es Zeit war, auf dem Deich zu stehen. Sich vor die Flüchtlinge zu stellen und vor den tapferen Bürgermeister von Heidenau.

Der erste Akt des Fluchtdramas heißt Erstversorgung. Die wird geleistet, Hals über Kopf improvisiert, aber mit Herz und Tatkraft. In die Bewunderung der Welt dafür mischt sich aber auch die Erleichterung darüber, dass alles zu uns drängt. Andere Staaten winken die Massen durch und hoffen oder nehmen ein paar symbolische Tausend auf wie jetzt England, hoffend, der ganz große Kelch möge an ihnen vorübergehen. EU – die Egoistische Union.

Deutschland stemmt das Gros der Hilfe allein. Jeder Flüchtling findet bei uns ein Feldbett, kriegt dreimal täglich zu essen, wird ärztlich versorgt. Viele Ehrenamtliche arbeiten am Rande der Erschöpfung. Tausende Deutsche spenden oder leisten tätige Hilfe. Bürgersinn ersetzt fehlende staatliche Hilfsstrukturen. Ein reißfestes Netz der Katastrophenhilfe rettet die Lage. Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, Caritas, Diakonie – dies ist ihre „finest hour“. Ihr heroischer Moment, in dem sie zeigen, was sie können.

Notfalls können sie Wunder wirken. Wie in Leipzig. „Die Baubürgermeisterin“, berichtet Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), „wird am Mittwochabend von der Landesdirektion angerufen und davon in Kenntnis gesetzt, dass am Freitag über 400 Asylbewerber in der Universitäts-Sporthalle untergebracht werden müssen.“ Die Landesdirektion ist, was woanders das Regierungspräsidium ist: die mittlere Ebene im Bundesland. So ist der Dienstweg. In den Worten von Sonja Brogiato vom Leipziger Flüchtlingsrat: „Das Land teilt die Flüchtlinge zur Erstaufnahme zu, die Kommune muss springen.“ Aber – und das ist die Kritik des Leipziger OBs – dieser Dienstweg wird nicht ruhigen Fußes beschritten. Es wird auf ihm holterdiepolter von oben nach unten gestolpert.

„Die Stadt und ihre Einwohner“, sagt Jung, „werden davon überrascht. Die Universität wird überrascht. Die Sportwissenschaftliche Fakultät hat Riesenprobleme, der Vereinssport, der in der Halle stattfindet, ist nicht informiert – und da bestehen Verträge.“ Und das Schlimmste: „Es stand nicht mal ein Betreiber der improvisierten Asylunterkunft fest.“ Mit einem Wort, der Freistaat stellt dem Leipziger OB 400 Flüchtlinge vor die Tür und sagt: Sieh zu, wie du klarkommst.

Die Johanniter springen ein

Es beginnt ein hektisches Herumtelefonieren. Man ruft die Freiwillige Feuerwehr an, das Sozialamt: Habt ihr eine Idee, wer in der Sporthalle der Uni eine Unterkunft für gut 400 Leute bis übermorgen aufbauen und betreuen könnte? Irgendwem fallen die Johanniter ein, die können so was, die trainieren Notlagen. „Sehr kurzfristig“, erzählt Sonja Brogiato, „konnten diese katastrophenschutzerfahrenen Ehrenamtlichen gefunden werden. Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wären die Johanniter nicht eingesprungen.“

Sie stellten Campingpritschen in die Halle, im Abstand von 50 Zentimetern, wie sie es trainiert hatten für Katastrophen. Man muss es sich klarmachen: Das ist der Stand der Flüchtlingshilfe im Land – sie läuft im Katastrophenmodus ab. Wie bei einer Flutkatastrophe. Mittlerweile haben die Johanniter Sichtblenden zwischen die Pritschen stellen und drei Zelte in der Halle errichten können. Eines für stillende Mütter, ein Spiel- und ein Gebetszelt. Getragen wird das alles von freiwilligen Helfern. Ohne sie würde es zusammenbrechen.

Was Jung nicht versteht: „Die Flüchtlingszahlen sind immer nur geklettert. Schon vor zwei Jahren sah man das kommen, wenn man es sehen wollte. Alles wäre sehr viel besser, sehr viel entspannter, hätte man sich frühzeitig vorbereitet.“ Jung hatte beizeiten die Sanierung eines früheren Kinderkrankenhauses angeregt, um sich auf die Fluchtwelle vorzubereiten. Das Land lehnte ab. Warum? „Ich weiß es auch nur aus den Zeitungen – die Umbaukosten waren dem Land wohl zu hoch.“ Will sagen, man redete nicht mit ihm. Jung: „Das finde ich indiskutabel. Man muss planen und zugleich akut handeln, wenn es passiert, nur das ist eine fürsorgliche Politik.“

Die Bürger müssten eingebunden sein. „Sie haben ein Recht darauf zu verstehen, was vorgeht.“ Kommt alles über Nacht über sie, fühlen sie sich überrollt. Für jeden Radweg gibt es ein monatelanges Bürgerbeteiligungsverfahren – aber wenn 40.000 Flüchtlinge kommen, wird durchdekretiert. „So viele erwarten wir jetzt in Sachsen“, sagt Jung. „Vorher war von 20.000 die Rede.“

Die Kurve ist steil und eindeutig

Was soll der Freistaat tun? „Ich möchte hundertprozentige Kommunikation, hundertprozentige Transparenz, hundertprozentige Kostenübernahme durch das Land.“ Diesen Zielen ist der Leipziger OB seit Mittwoch einen Schritt näher. Das Gespräch mit der Landesregierung fand nun endlich statt. „Der Freistaat hat die Signale verstanden, es gibt jetzt erste Kooperationsgespräche auf Augenhöhe und höchster Ebene. So lassen sich die Herausforderungen deutlich besser angehen.“

Niemand konnte diesen Ansturm vorausahnen – das hört man jetzt oft. Es trifft nicht zu. Kaum einer, der an dem Thema dicht dran ist, war ahnungslos. Stift, Lineal und drei Sekunden Überlegen hätten gereicht, um den Anstieg der Asylanträge vorauszusehen und die Engpässe zu verhindern. Seit Jahren geht die Kurve der Asylbewerberzahl nach oben. 2011: etwa 50.000 Anträge. 2012: fast 80.000. 2013: 130.000. 2014: über 200.000. Für dieses Jahr nun rechnet die Bundesregierung mit 800.000. Die stellen zwar längst nicht alle einen Asylantrag, klar ist aber: Die Kurve ist steil, ihr Verlauf zeichnete sich ab.

2009 und 2010 wurde die Visumpflicht für mehrere Staaten des Westbalkans aufgehoben. Seither nimmt die Zahl der Asylerstanträge von dort stark zu. 2012 warnte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor dem Missbrauch der Visumfreiheit. Er setzte sogar durch, dass im Notfall der Visumzwang wieder eingeführt werden kann.

Nicht nur der Zuzug vom Westbalkan, der teils über die Hälfte der Asylanträge ausmachte, legte zu. Kriegsflüchtlinge kommen aus aller Welt. Aus Afghanistan. Seit 2011 aus Syrien. Aus jenen Staaten, in denen der „arabische Frühling“ in Trümmern liegt. Alle zieht es ins sichere Mitteleuropa, vor allem nach Deutschland. Kaum eine Kriegsregion beruhigte sich. Nichts sprach dafür, dass der Anstieg der Asylanträge gebremst würde. Doch genau davon ging der Bund lange Zeit aus. Die Folgen sehen wir heute.

Die Zahlen stimmen nicht überein

Meist mehrmals im Jahr erstellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Prognose zur Zahl der Asylanträge. Nach ihr richten sich Länder und Kommunen, wenn sie ihre Kapazitäten planen. Liegt das BAMF daneben, können die Folgen dramatisch sein. Seit Jahren sind die Schätzungen des BAMF zu niedrig. Die Behörde musste ihre Zahl oft nach oben korrigieren – ein Grund, warum vor Ort immer wieder Betten fehlen. Seit einem Jahr sorgt das für Krach zwischen Bund, Ländern, Kommunen. Denn der Bund ist nur für die Prüfung der Anträge zuständig. Unterbringung und Versorgung obliegen den Ländern und Kommunen.

Hier aber stellte man fest, dass die Prognosen des BAMF und die Zahlen vor Ort weit auseinanderklafften. Mehrmals appellierten die Länder: Setzt die Prognose herauf, denn wir müssen die nötigen Kapazitäten bereitstellen. Im Frühjahr gab das BAMF nach. Statt von 300.000 erwarteten Anträgen für 2015 sprach man nun von 450.000. Doch auch diese Zahl war damals aus Sicht vieler Länder zu niedrig angesetzt.

Im Bund verwies man lieber auf „Sondereffekte“, die bald wieder ausbleiben würden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Sondereffekt ist der Normalfall geworden. So ging im vorigen Winter die Zahl der Flüchtlinge, die den Weg übers Mittelmeer nahmen, nicht etwa zurück, sie stieg weiter an, trotz des stürmischen Wetters. Ein Alarmsignal. Gehört wurde es nicht.

Anfang 2015 kamen täglich fast 1500 Kosovaren nach Deutschland. Und als dieser Strom abebbte, stieg die Zahl der Albaner. Nun erleben wir, dass viele Syrer die Hoffnung aufgegeben haben, je wieder in ihr Land heimzukehren. Sie verlassen die trostlosen Lager in den Nachbarstaaten und kommen zu uns. Erst jetzt entschloss sich der Bund, seine Prognose zu überdenken.

Mitte August präsentierte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) endlich jene Zahl, die das Ausmaß der Krise benennt: 800.000. Mit so vielen registrierten Flüchtlingen rechnet er für 2015. Länder und Kommunen können nun planen. Aber musste es so lange dauern? Schon voriges Jahr waren die Erstaufnahmestellen vielerorts überlaufen. Diese Zeitung schrieb damals: „Bilder, die man sonst nur aus Katastrophengebieten kennt, sind auch in Deutschland alltäglich geworden.“ Vom „Ausnahmezustand“ war die Rede.

Auch in Regierungskreisen hieß es, die hohe Flüchtlingszahl bereite große Sorgen. Eilig trafen sich Bund und Länder zum Flüchtlingsgipfel. Ergebnis: eine ordentliche, aber viel zu geringe Finanzspritze von 500 Millionen Euro, deutlich mehr Stellen beim BAMF – aber sonst kaum Konkretes. Bund und Länder, Union und SPD dachten mehr an sich, statt an einem Strang zu ziehen. Die Krise wurde weggegipfelt, nicht gelöst, auch nicht, als dann das BAMF seine Prognose auf 450.000 erhöhte.

Flüchtlingspolitik blieb unattraktiv für Politiker. Strategen sahen darin kein Thema, mit dem man glänzen könnte. Derweil stiegen die Kosten dafür immens. Offenbar musste die Lage erst explodieren. Brennende Flüchtlingsunterkünfte. Schockfotos toter Kinder.

Nun überschlagen sich die Ideen. Erstmals trifft sich der Bund-Länder-Krisenstab. Mit Hochdruck wird an Gesetzesänderungen gearbeitet. Parteipolitik rückt in den Hintergrund. Auch gegenseitige Schuldzuweisungen von Bund und Ländern vernimmt man kaum. Dabei ist klar, der Bund hat die Wucht des Andrangs zu spät erkannt. Er hätte früher mehr Geld geben müssen.

Die Kanzlerin musste erst überzeugt werden

Und die Bundesländer haben es versäumt, ausreichend zentrale Erstaufnahmeplätze bereitzustellen. 150.000 sind nötig, aber nur 45.000 gibt es. Sie werden gebraucht, um schnell über Asylanträge zu entscheiden und den Antragsstau abzubauen. Manches Land fordert mehr Geld vom Bund, reicht aber nur einen Bruchteil an die Kommunen weiter. Vor Ort wird die Krise bislang gemeistert, doch der Bund darf den Kommunen finanziell nicht helfen. Hier muss eine Lösung her.

Die Kanzlerin hat dieses Politikfeld lange gemieden. Im Gespräch mit Vertrauten fragte sie noch nach der Sommerpause, warum ausgerechnet sie ein Flüchtlingslager besuchen solle. Dies sei nicht ihre Aufgabe, sie wolle sich auf das Lösen von Problemen konzentrieren. Als ihr Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) das Thema öffentlichkeitswirksam entdeckte, dachte sie um. Nachdem er Heidenau besucht hatte, eilte auch Merkel hin. Ihren Auftritt vor der Bundespressekonferenz nutzte sie für eine Art Grundsatzerklärung. Kernsatz: „Wir schaffen das!“

Hinter den Kulissen wird in der Union wohl auch darüber nachgedacht, wie man weniger Flüchtlinge aufnehmen könnte. In der mächtigen CDU-Landesgruppe NRW dachte der Bezirksvorsitzende Steffen Kampeter, aber auch der Landesgruppenvorsitzende Peter Hintze über eine Grundgesetzänderung nach. Hintze, der als Merkel-Vertrauter gilt, soll das an die Kanzlerin herangetragen haben. Und diese Woche brachte ausgerechnet Berlins frühere Ausländerbeauftragte Barbara John, die angesehenste Flüchtlingspolitikerin der Union, eine Grundgesetzänderung in Spiel. Ein typisch merkelscher Testballon.

Die Kanzlerin spricht jetzt von einer „nationalen Aufgabe“. Nun sollen Gesetze umgeschrieben und Maßnahmen ergriffen werden. Vielleicht kommt der Kraftakt gerade noch rechtzeitig. Jetzt entscheidet sich, ob ein Winter der Katastrophen vor uns liegt. Oder einer, in dem die deutsche Politik aufhört, sich zu sagen: Das Volk wird’s schon richten.

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Was eben in Deutschland geschieht, erfüllt den Tatbestand der kollektiven Anstiftung zur illegalen Einwanderung. Beteiligt sind daran zuvorderst die Bundesregierung, dann das öffentlich rechtliche Fernsehen und schließlich alle anderen Wortführer einer weitestgehend gleichgeschalteten öffentlichen Meinung. Seit Wochen betreiben die Politiker und ihr medialer Tross eine Deutschland-Propaganda, der hilflos ausgeliefert ist, wer in der Ferne, in Afrika, im arabischen Raum und selbst noch auf dem Balkan nicht durchschauen kann, was hier gespielt wird.

Da viele von denen, die sich davon verführen lassen, nur schlecht, wenn überhaupt lesen und schreiben können – zwanzig Prozent derer, die jetzt gutgläubig nach Deutschland kommen, sind Analphabeten; die wenigsten sprechen englisch; fast keiner versteht ein Wort Deutsch -, da sie alle kaum eine Chance haben, sich zu informieren, müssen sie für bare Münze nehmen, was in der Gerüchteküche brodelt.

Nicht umsonst haben die Deutschen mit ihrem Reichtum angegeben wie Bolle. Das eröffnete die Aussicht, auf der weltpolitischen Bühne mitspielen zu können, führte aber zugleich dazu, dass das Deutschlandbild in den ärmeren Teilen der Welt paradiesische Züge annahm. Peinlich war das kaum einem, schon gar nicht dem politischen Establishment. Seine Vertreter sonnten sich nur zu gern in dem Schulden-finanzierten Glanz eines Sozialstaates, der über kurz oder lang Begehrlichkeiten über die Grenzen hinaus wecken musste. Erst vor wenigen Tagen, als bereits Hunderttausende vor der Tür standen, erklärte Wolfgang Schäuble selbstbewusst einladend, dass die Kosten einer massenhaften Einwanderung durchaus „verkraftbar“ seien.

So etwas spricht in den Zeiten sozialer Netzwerke schnell herum. Am letzten Freitag schon sagte ein noch in Budapest befragter Mann, der mit Smartphone und Laptop auf der Flucht war: „Deutschland will und kann uns alle aufnehmen.“  Ein Kompliment, auf das die Kanzlerin dann wiederum umgehend reagierte, indem sie am Samstag die Grenzen gleich für alle aufmachte. Jeder, versprach sie, werde „ein Dach über den Kopf“ bekommen.

Dass dieses Dach auch eine Zeltplane sein kann, fiel in der Hitze des Gefechts unter den Tisch. Geglaubt hätte es ohnehin kaum einer der Ankommenden. Wie auch, da sie auf den Bahnhöfen, unter anderem in München und Frankfurt, mit „tosendem Jubel“ begrüßt wurden.

Die staatlich proklamierte „Willkommenskultur“ hat sich längst zu einer Hysterie gesteigert, die keinen klaren Gedanken mehr zulässt. Menschen stehen Schlange, um helfen zu können, obwohl längst bekannt ist, dass sich die Helfer gegenseitig auf die Füße treten. Selbst der FC Bayern möchte sich inzwischen unter die Samariter einreihen.

Kaum einer mag sich das Ereignis der Rettung entgehen lassen. Endlich mal etwas Neues, ein Event, bei dem man menschlich so richtig aus sich herausgehen kann. Um diese „spontane Hilfsbereitschaft der Bevölkerung“ nicht „zu stören“, sollte nun auch nicht weiter über die eine oder andere Milliarde, die das Ganze kosten wird, geredet werden, befand Wolfgang Schäuble gestern in einem Interview.

Überhaupt sind kritische Einwände jetzt nicht eben willkommen. Wer sich Sorgen macht, weil er wie Heinz Buschkowsky, der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, etwa befürchtet, dass es schwer werden könnte, Asylanten ohne Schulabschluss in Lohn und Brot zu bringen, läuft schnell Gefahr, in die Ecke unbelehrbarer Nationalisten gestellt zu werden.

Da malt sich sogar Joachim Gauck im Gespräch mit dem Bonner General-Anzeiger lieber eine Zukunft aus, in der „sich noch mehr Menschen als bisher von dem Bild einer Nation lösen, die sehr homogen ist, in der fast alle Menschen Deutsch als Muttersprache haben, überwiegend christlich sind und hellhäutig“. Immerhin die Worte eines deutschen Bundespräsident, dem unter anderem die Bewahrung der deutschen Sprache und Kultur am Herzen liegen sollte.

Doch damit ist wohl kein Blumentopf mehr zu gewinnen, nicht in einem Politikbetrieb, in dem die Akteure jede Situation nutzen müssen, um sich ins rechte Licht zu rücken. Niemand versteht sich darauf besser als die Bundeskanzlerin. Auch in der Flüchtlingskrise hat sie die Herzen wieder gewonnen, indem sie Erwartungen weckte, die Hoffnung machen, wenigstens für den Moment.

Wie eine Ikone haben die Menschen auf ihrem Marsch von Budapest zur österreichischen Grenze das Bild Angela Merkels vor sich hergetragen. Manch anderem wäre dieser herausfordernde Personenkult vielleicht unangenehm gewesen, ihr nicht. Vielmehr erkennt sie darin ein Zeichen der Wertschätzung, die Deutschland und die Bundesregierung insbesondere in der Welt genießen. Auch so kann man innen- und außenpolitisch punkten, selbst wenn sich nachher herausstellen sollte, dass die Mehrheit der Verführten in der Fremde schlichtweg chancenlos und zum Schicksal von Sozialhilfeempfängern verdammt ist.

Noch die Not, die Ängste und die Hoffnungen derer, die der Gefahr entkommen wollen, vor Krieg und Terror fliehen oder größtenteils nur ein besseres Leben suchen, werden so zu machtpolitischen Zwecken missbraucht. Freilich nicht allein von den politischen Rattenfängern, die ihnen hierzulande mit ihrer Aufschneiderei das Lied vom Paradies auf Erden vorpfeifen.

Mehr noch als diese dürften unterdessen die Warlords des Islam beim schmutzigen Geschäft mit den Flüchtlingstrecks mitmischen. Um Tausende, darunter Babys, Kleinkinder und Rollstuhlfahrer, wie in der vergangenen Woche in Ungarn in Marsch zu setzen, bedarf es einer straffen Organisation. Spontan läuft so etwas nicht ab, ohne Führung käme der Zug nicht vom Fleck. Um das festzustellen, muss man kein Verschwörungstheoretiker sein. Nur wer sich bewusst dumm stellt, sofern er es nicht von Haus aus ist, kann die Gefahr übersehen, die hier droht.

Der organisierte Terrorismus wird sich die Chance dieser neuen Völkerwanderung jedenfalls nicht entgehen lassen. Er wird die geöffneten Grenzen nutzen, um seine Kämpfer unkontrolliert einzuschleusen, aus Afghanistan, der Hochburg der Taliban, ebenso wie aus den Gebieten, die der IS schon heute beherrscht. Der bereits äußerlich erkennbare Anteil der Muslime unter den Flüchtlingen wächst zusehends.

Müssen wir bei aller Hilfe, die selbstverständlich zu leisten ist, nicht auch diese Gefahren im Auge behalten? So richtig und notwendig es ist, mit immer neuen „Brennpunkten“ des Fernsehens Verständnis für das Elend derer zu wecken, die sich auf eine lebensgefährliche Reise begeben haben, so notwendig wäre es, endlich einmal danach zu fragen, wie diese riesige Fluchtbewegung überhaupt finanziert wird. Woher kommt das Geld, das die Schleuser ihren Opfern, oftmals den Ärmsten der Armen, abknöpfen, bevor sie sie in LKW pferchen oder aufs Meer hinausstoßen? Warum geht keiner der Kollegen bei ARD und ZDF, bei der ZEIT oder dem SPIEGEL diesen Fragen nach? Sind wenigstens unsere Nachrichtendienste hier wachsam genug? Oder haben sie die Bundeskanzlerin schon mit Erkenntnissen versorgt, die so beruhigend waren, dass sie die Öffnung der Grenzen getrost veranlassen konnte?

Solange wir das nicht wissen, müssen wir befürchten, dass der sichtlich überforderte Staat in der Krisensituation leichtfertiger handelt, als es die Lage erlaubt. Wo sich das politische Tun vornehmlich an einem medial befeuerten Mainstream der Gutmenschlichkeit ausrichtet, wird es zur Gefahr für alle. Diese kollektive Anstiftung zur illegalen Einwanderung mag vielleicht nicht justiziabel sein, auf einen Missbrauch der Flüchtlinge läuft es dabei aber allemal hinaus.

Ihnen wird etwas vorgemacht, für das nachher niemand einstehen kann. Der emotional aufgeheizten „Willkomenskultur“ folgt zwangsläufig die Ernüchterung des Lagerlebens in einem der reichsten Länder der Welt – hoffentlich nicht auch noch die bittere Erkenntnis, dass dabei die Sicherheit der hilfsbereiten Bürger aufs Spiel gesetzt wurde, wissentlich, leichtfertig, aus machtpolitischen Interessen oder auch nur, weil man sich fürchtet, der Realität ins Auge zu schauen.

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Von Malte Fischer, 08.09.2015

 

Wir haben keine Probleme. Flüchtlinge haben Probleme. Vielleicht noch die Griechen. Wir haben die Lösungen. Wir sind Fußballweltmeister, Exportweltmeister und jetzt sind wir auch noch Willkommensweltmeister.

Wer wenn nicht wir? Durch die Schaffung urbaner Autonomieregionen haben wir schon die letzte Generation von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten mit links integriert. Dank effizienter Selbstverwaltung und intakten Familienstrukturen muss sich der Staat dort nicht mehr blicken lassen. Junge schwarze Männer versorgen uns bundesweit mit Heilmitteln, die uns alte weiße Männer von der Pharmaindustrie vorenthalten. Viele junge Muslime haben wir trotz des epidemischen Rassismus in deutschen Kindergärten, Schulen und Betrieben so gestärkt, dass sie sich zu behaupten wissen, wenn ein deutscher Herrenmensch zu lange in ihre Richtung guckt.

Es gibt bedauerliche Einzelfälle von Einwanderern, die noch nicht kapiert haben, dass unsere Gutherzigkeit keine Grenzen duldet. Diese jämmerlichen Schoßhunde wollen bessere Nazis sein als Goebbels oder Sarrazin. Sie schreiben Hetzpamphlete wie „Der islamische Faschismus“ oder „Deutschland von Sinnen“. Andere treten extremistischen Sekten wie der AfD oder der CSU bei. Schwamm drüber. Auch die glänzendste Erfolgsgeschichte kommt nicht ohne Kratzer aus. Die Mehrheit der Menschen weiß genau, dass alles Unheil vom Kapitalismus ausgeht und der Islam die friedlichste Religion der Welt ist, so lange ihm niemand die Ehrerbietung vorenthält. Darum haben Hassprediger bei uns wenig zu melden.

Wir Deutsche wurden ja nicht umsonst unsere gesamte Schulzeit mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte konfrontiert. Wir wissen, dass wir kein normales Volk unter Völkern sein können, sondern zum Schlechtesten fähig und zum Besten berufen sind. Karma eben. Auch wenn wir zu bescheiden sind, um es an die große Glocke zu hängen, sind wir doch ein wenig stolz darauf, dass uns der Holocaust zu Weltbürgern mit einer besonderen Sensibilität gegenüber jeder Form von Menschenfeindlichkeit gemacht hat. Jedenfalls die meisten von uns. Den Rest machen wir gerade recht erfolgreich unschädlich.

Dank unseres lebendigen Antifaschismus würde Adolf Hitler heute kläglich an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Ein schöner Erfolg. Leider gibt es trotzdem immer mehr Rückfallgefährdete. Diese tickenden Zeitbomben gilt es zu entlarven und aus ihren dunklen Löchern ins gleißende Licht Helldeutschlands zu zerren. Manche erkennt man leicht daran, dass sie genüsslich lächelnd das N-Wort in den Mund nehmen. Andere tarnen sich als „besorgte Bürger“ und sind sich in ihrem Wahn oft nicht einmal der Tatsache bewusst, dass sie verklemmte Menschenverbrenner sind.

Dank des gesellschaftlichen Fortschritts können rechtsradikale Geschwüre heute zum Glück sehr viel früher erkannt und behandelt werden. Politik und Medien ziehen endlich an einem Strang, die Menschen aufzuklären, damit ihre Herzen rein bleiben mögen und sie mit ehrlicher Anteilnahme „Refugees welcome“ und ähnliche humanistische Weisheiten unter die Bilder ertrunkener Kinder schreiben. Promis promoten ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe und grüßen ihre Gemüsetürken und Lieblingsitaliener noch herzlicher als früher.

„Helfen oder Maul halten“ ist die erfrischend zupackende Losung der Stunde. Im Sinne der vielen kleinen Aylans in türkischen Flüchtlingscamps, libanesischen Elendsvierteln und albanischen Ghettos feiern wir uns selbst und unsere Willkommenskultur. Wir schicken die frohe Botschaft unserer Entschlossenheit, allen Notleidenden ein gutes Leben zu schenken, durch die Medien und sozialen Netzwerke um den Globus. So geben wir Familien die nötige gute Hoffnung, um ihre Ersparnisse und das Leben ihrer Kinder engagierten Fluchthelfern anzuvertrauen. Die multinationalen Reiseveranstalter in der Türkei, Nordafrika oder auf dem Balkan können sich dank der von uns gern zur Verfügung gestellten Hochglanzbilder des fremdenfreundlichsten Deutschlands aller Zeiten über monatelange Ausbuchung freuen. Eine klassische Win-Win-Situation. Menschenhändler und Menschenfreunde profitieren. Und manchmal sogar Flüchtlinge. Am meisten die jungen, starken und männlichen, die den nötigen Biss für die Reise ins Glück mitbringen.

Deutschlands Stern strahlt umso heller da überall sonst in Europa das Licht der Menschlichkeit verglimmt. Während wir ein Berufsverbot für Fremdenfeinde durchsetzen, tummeln sie sich in Ungarn, Polen, England oder Italien unbehelligt in den Regierungen. Selbst Schuld! So haben wir die Steuerzahler von morgen ganz für uns allein. Studien beweisen, dass selber arbeiten und Kinder kriegen stressig ist und Depressionen fördert.

Viele Deutsche haben dafür schlicht keine Zeit, zumal der Kampf gegen rechts gerade die Besten von uns ganz schön auf Trab hält. Übrigens ist dezente Zurückhaltung bei der eigenen Vermehrung immer noch das wirksamste Mittel gegen nationalistischen Größenwahn. Ohne viele kleine Arier kommt auch ein neuer Führer nicht aus.

Neben frischem Blut hilft guter Rassismus gegen Rassismus und Deutschtümelei. Deshalb sind alle in den Medien portraitierten Flüchtlinge studierte Syrer mit lieben Augen und beachtlichen Deutschkenntnissen. Deshalb bekommen verletzte oder ermordete Flüchtlinge von unserer kritischen Öffentlichkeit erst einen Namen und ein Gesicht wenn ihre Peiniger deutsche Rechte sind. Bis nach all den nicht so wichtigen Toten und Verletzten der letzten Monate doch noch ein Foto für den Aufstand der Anständigen dabei ist, halten wir Titelseiten und Talkshows frei für brennende Wohnheime (wenn Deutsche sie angezündet haben) und rassistische Facebook-Posts (wenn Deutsche sie geschrieben haben).

Mit derselben Aufrichtigkeit trauern wir um tote Palästinenser wenn der Täter ein Israeli, um tote Schwarze wenn der Täter ein weißer Polizist und um tote Flüchtlinge wenn der Täter mit kleinen argumentativen Umwegen die „Abschottungspolitik“ der EU ist. Wir stehen immer auf der Seite der Schwachen und finden die Starken immer widerlich. Das ziehen wir durch bis wir endlich in einer Welt leben, in der es keine Starken mehr gibt und keiner mehr auf jemand anderes neidisch sein muss.

Bis geniale Gesellschaftsingenieure den Sozialismus mit menschlichem Antlitz und Flachbildfernsehern installiert haben, kann es natürlich passieren, dass ein oder andere vor lauter Zukunftsbegeisterung über die Stränge schlägt und der Abschaffung des menschenverachtenden staatlichen Gewaltmonopols durch Eigeninitiative zuvorkommt. Dann wird er von freundlichen Service-Mitarbeitern der bundesdeutschen Justiz mit viel Wertschätzung auf die Vorzüge gewaltfreier Kommunikation hingewiesen. Ein vorsorgender Sozialstaat gibt gescheiterten Existenzen die nötige Zeit, ihre durch Benachteiligung erlittenen Traumata aufzuarbeiten und sich im Endkampf gegen das Scheißsystem kreativ einzubringen. Auch ein soziales Jahr im Kalifat kann Mitbürgern helfen, die Übergangszeit sinnvoll zu nutzen und neues Selbstbewusstsein zu tanken.

Dunkeldeutsche Willkommenssaboteure finden sich mit wachsender Hingabe in ihre neue Rolle als zeitgemäße Untermenschen ein. Im Rahmen einer Aufklärungskampagne der Bundesregierung dienen besonders grotesk anmutende sächsische Hassfratzen als Anschauungsmaterial in Schulen und Universitäten. So bekommen junge Menschen eine Vorstellung davon, was auf sie zukäme, würden die Deutschen unter sich bleiben.

Selbst engherzige Technokraten wie unsere affektgestörte Mutti wollen beim Völkerfest nicht mehr mürrisch an der Seite stehen. Sie überwinden ihre Phantasielosigkeit und lernen dazu. Gut ist nicht mehr, was funktioniert. Gut ist, was sich gut anfühlt. Wenn wir jetzt noch mehr auf unser Herz hören, das bedingungslose Grundeinkommen durchboxen und endlich Cannabis legalisieren, könnte das neue Deutschland richtig Spaß machen.

Malte Fischer (36) lebt in Berlin, ist seit 2000 Autor und Redakteur für RTL, Pro 7, RBB, WDR mag Bücher, Filme, Serien, Schallplatten und Spaziergänge mit seinem Hund.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/endlich_willkommensweltmeister

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Der Regierungspräsident von Oberbayern sagte gestern in der Süddeutschen Zeitung,  er habe vom Malteser Hilfsdienst vor Ort die Information, dass täglich 30.000 Menschen in Griechenland eintreffen. Sie sind auf dem Weg nach Deutschland. 30.000. Täglich.

Zusätzlich zu der knappen Million, die wir schon eingepreist haben. Sie alle werden von einer durch die deutschen Medien in die Welt getragenen Euphorie beflügelt. Sie sehen Willkommenskommittees, die sie bei der Ankunft bejubeln, sie sehen Schilder, mit der Aufschrift “Refugees Welcome”, sie hören Ihre Worte, Frau Bundeskanzlerin, die jedem ein ‚Dach über dem Kopf‘ versprechen.

Sie hören, dass Sie versprechen, keinen Syrer zurück zu schicken. Die Passfälscherbanden in der Türkei verzeichnen einen Boom, die Schlepperindustrie jubiliert. Werden es nach Ihrer Aussage, das Asylrecht habe keine ‚quantitative Grenze‘,  nun noch mehr werden? Mehr als 30.000 Menschen täglich? Als die Bewohner Bagdads diese von Ihnen in die Welt gebrachte Botschaft hörten, fingen sie gestern an zu demonstrieren. Sie hielten Deutschlandflaggen hoch, Merkelplakate und skandierten “Germany”. Nun wollen sie zu uns. Frau Bundeskanzlerin, bitte hören Sie auf!  Sie können nicht im Alleingag die Welt retten, das ist völlig ausgeschlossen. Sie haben einen Eid geleistet, dem deutschen Volk zu dienen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden.

Selbst wenn es bei 30.000 am Tag bleibt, rechnen Sie sich das aus. Bis zum Ende dieses Jahres, bis 2017, bis 2020. Hören Sie auf, Empfangskomitees an die Bahnhöfe zu schicken, hören Sie auf, den Menschen im Nahen Osten und Afrika falsche Versprechungen zu machen. Wir haben kein Dach über dem Kopf für alle Armen und Ausgebeuteten des Planeten, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind, wir werden das nicht schaffen. Was werden diese Menschen tun, wenn sie merken, dass sie kein Dach über dem Kopf bekommen, kein besseres Leben, sondern nur auf Jahre ein Feldbett in einem Auffanglager. Wie werden sie reagieren, wenn sie merken, dass sie in die Irre geführt wurden?

Wenn wir, die Bevölkerung dieses Landes, Ihnen egal sein sollten, Sie unsere Zukunft nicht interessiert, denken Sie wenigstens an unsere Kinder. Niemand wird Sie für kaltherzig halten, niemand wird Ihnen vorwerfen, Sie würden nur Hass im Herzen tragen, wenn Sie dem Spuk ein Ende bereiten. Hören Sie auf Viktor Orban, schließen Sie die Grenze und senden Sie das deutliche Signal, dass wir keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Wir können es nicht.

Dann werden die Flüchtlingsströme versiegen, dann werden auch die Bürger Griechenlands, die derzeit von dieser Völkerwanderung überrannt werden, wieder Hoffnung schöpfen können. Tun Sie es. Tun Sie es bald. Viktor Orban ist der einzige Regierungschef Europas, der uns noch beistehen will. Alle anderen haben uns bereits abgeschrieben.

Siehe:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/verteilung-von-angekommenen-leipzig-soll-drehkreuz-fuer-fluechtling-werden-1.2637245
http://www.welt.de/politik/ausland/article146132995/Iraker-drohen-mit-Ausreise-nach-Deutschland.html

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Von Manfred Haferburg, 10.09.2015

Die deutsche Kanzlerin hat davon gesprochen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in der Flüchtlingspolitik einnehmen muss. „Sonst gerät der europäische Gedanke in Gefahr“.  Nun, das klingt wie ein „deja vue“. Wir müssten die Griechen solidarisch retten, sonst gerät der europäische Gedanke in Gefahr. Und natürlich müssen wir das Weltklima retten, sonst…

Historisch gesehen waren „Vorreiter“ die Bedienstete von Adligen, die deren Kutsche voranritten und den Weg mit Hilfe einer Peitsche vom herumlungernden Pack freimachten. Im Rahmen vieler guter Absichten erhielt das Wort dann einen Bedeutungswandel und endete als Synonym für die apokalyptischen Reiter der guten Absichten.

Die erste Vorreiterrolle übernahm Deutschland lautstark bei der Energiewende, sogar mit einer Ethikkommission, die den Vorreitern noch voranritt. Leider ist bisher keiner den Deutschen hinterhergeritten, zu groß ist die finanzielle Belastung und die Unsicherheit, ob es wirklich mehr als gute Absicht ist.

Dann wurde Deutschland der Vorreiter bei der Griechenrettung. Gerettet wurde wohl eher das Vermögen der griechischen Steuermuffel mit deutschem Steuergeld, ein Vorgang, der sich schon mehrmals wiederholte und auch weiter wiederholen wird. Und jetzt wird Deutschland Vorreiter bei der Flüchtlingsrettung. In einer gigantischen Wohlfühlparty lädt die deutsche Politik alle Beladenen dieser Welt ein, am deutschen Wohlstand teilzuhaben. Und – Bürger habt Euch nicht so, „wir schaffen das“.

Wie schaffen die Deutschen das nur? Indem sich die Regierenden für den guten Zweck schlichtweg über ihre eigenen Gesetze hinwegsetzen. Wie dereinst Robin Hood , der die Gesetze brach und mit der Beute Gutes tat. Aber wenigstens hatte er die Gesetze nicht selbst gemacht.

Bei der Energiewende enteignete die Kanzlerin per Telefonanruf mal eben kalt die Energiekonzerne, indem sie die Produktion von Strom aus Kernenergie als „unethisch“ erklären ließ. Über dreißig Gerichtsverfahren der deutschen und schwedischen Energieversorger sind derzeit gegen diesen eklatanten Rechtsbruch anhängig und ihr Ausgang steht in den Sternen.

Auch bei der permanenten Griechenrettung ging es nicht nach Recht und Gesetz. Merkel setzte sich cool über alle europäischen Finanz-Vereinbarungen und Verträge hinweg und schon mutierte die Europäische Union in eine Transferunion, in der deutsche Steuerzahler lebenslang griechische Steuermuffel alimentieren.

Und auch bei der Flüchtlingsrettung glaubt die deutsche Kanzlerin nicht mehr so recht an den europäischen Geist und setzte per Telefonanruf mal eben das Dubliner Abkommen außer Kraft. Dann „öffnete sie die Grenzen“ und legte fest, dass alle Syrer Aufenthaltsrecht bekommen – wow .

Hat sie dazu den Bundestag über die Aussetzung des Asylrechtes abstimmen lassen? Oder sich mit der EU über Änderungen der Abkommen geeinigt? Natürlich nicht, wieso denn? Ist doch für das Gute!

Ein Staat legitimiert sich dadurch, dass die Legislative zum Wohle seiner Bürger Gesetze schafft und die Exekutive sie durchsetzt. Manchmal passiert es, dass ein Gesetz nicht mehr in die Zeit passt. Wenn ein Staat, statt unpassende Gesetze im demokratischen Verfahren zu ändern, sie einfach ignoriert, verliert er jede Legitimation. Auch dann, wenn der Gesetzesbruch als Party gefeiert wird. Auch sind Gesetzesbrecher in einem demokratischen Staat eigentlich strafwürdig. Wenn sich denn ein tapferer Staatsanwalt fände, der sich traut, einen „gut gemeinten Gesetzesbruch“ der Herrschenden zu verfolgen.

Ach ja, da fällt mir ein, heute ist der 10. September und meine Vorsteuererklärung wird fällig. Sollte ich das Datum auch nur einen Tag nicht einhalten, drohen mir morgen 300 Euro Verzugsgebühr, die mit Sicherheit auch eingezogen wird.

Ob ich es auch mal so mache, wie die Frau Dr. Merkel und einfach das Finanzamt anrufe und denen mitteile, dass ich die Steuergesetzgebung bis auf weiteres aussetze und das Steuergeld lieber direkt an Flüchtlinge spende?

Manfred Haferburg ist in der DDR aufgewachsen und lebt heute in Paris

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Jörg Weidlich, 10.09.2015

Wenn es noch eine Steigerung von “Ein Käfig voller Narren” gibt, dann war dies am 9. September im Bundestag der Fall. Während einen Tag vorher Baden-Württemberg die Aufnahme von Flüchlingen einstellen musste,  Bayern schon signalsiert, dass nichts mehr geht und in Berlin Turnhallen beschlagnahmt werden, feierte sich die Polit-Elite selbst.

Erst tönte SPD-Fraktionsvorsitzender Oppermann “Ich bin sicher, diese Kraft kann unser Land über die Flüchtlingsfrage hinaus verändern , dann jauchzte Katrin Göring-Eckart “Wir sind plötzlich Weltmeister der Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe”. Während man Oppermann zumindest recht geben kann, dass sich dieses Land verändern wird, allerdings anders als er meint, nämlich ödkonomisch und sozial abwärts, muss man Frau Göring-Eckardt fragen, wo denn diese Weltmeisterschaften der Nächstenliebe eigentlich ausgetragen werden. Gibt es ein “Nächstenliebe-Ranking”? Vielleicht ist aber auch unter den Politikern eine seltsame   Krankheit ausgebrochen, die zu starkem Realitätsverlust führt. Oder der Gebrauch von Haschisch ist im bundestagseigenen Coffeshop ab sofort erlaubt, ohne dass wir es wissen.

Die gleiche merkwürdige Krankheit hat übrigens auch die Medien befallen. So gleichgeschaltet und unisono klingen die Nachrichten, dass man sich eigentlich die Lektüre sparen kann. Ich weiß nicht, wie es in Russland ist, aber so stelle ich mir staatstragende Medien vor. Immer nur bunte Luftballons, Willkommenstänze und alle Flüchtlinge sind mindestens Zahnarzt oder noch besser qualifiziert und werden spätestens ab nächster Woche in die Rentenkasse einzahlen. Zudem vergeht kein Tag, ohne die Erwähnung mindestens einer guten Tat zugunsten bzw. zulasten der Flüchtlinge. Tiil Schweiger, Udo Lindenberg, Katja Riemann usw. – alle drängeln sich auf die Titelseiten, wo es langsam eng wird. Nur nicht den Anschluss verpassen! Gute Taten und Eigenwerbung passen gut zusammmen und ergeben ein politisch-korrektes Gewissen.

Beispielhaft auch der Artikel eines Journalisten in der Berliner Morgenpost, der nach eigenen Angaben am liebsten über Architektur, Design, Lifestyle schreibt. Und da wagt er es doch tatsächlich, in seiner 120 qm Designerwohnung (im Artikel betont lässig als Designer-“butze” betitelt) in Berlin-Mitte (teuerste Gegend) fünf Flüchtlinge für eine Nacht aufzunehmen. Alles per facebook organisiert, man ist ja nicht von gestern. Und natürlich ist das Ganze nicht nur edel, sondern auch richtig aufregend: “Was ist mit meinem Portemonaie? Mit dem iPad? Und den ganzen anderen Kram, an dem mein Herz hängt?”.

Gott-sei-Dank geht alles gut. Dass seine Gäste dann stundenlang die Dusche blockieren, ist trotz auch verschmerzbar: “Ehrlich gesagt: das kann ich aushalten…” Denn lässig, locker, wie man nun mal als Medienmensch aus Hell-Deutschland ist, macht man das mit links (“Kostet wenig Mühe, sammelt Karma-Punkte…”).

Die Bescheidenheit spiegelt sich auch im halbseitigen Großfoto des Autors mit seinem Hund vor gestapelten Matratzen, Blick auf den Alexanderplatz inklusive. So wird man, um mit KGE zu sprechen, eben Weltmeister der Nächstenliebe.

Leider kann ich da nicht mithalten. Ich unterstütze zwar seit Jahrzehnten Kinderhilfsprojekte in Entwicklungsländern, aber noch nie bin ich dafür in einer Zeitung erwähnt worden. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht bei facebook angemeldet bin. Dabei fällt mir auf: Eigentlich ist die Asylpoltik der Regierung wie eine face-book-Party. “Mutti” Merkel lädt ein und verspricht dem Gastgeber, dem deutschen Steuerzahler,  höchstens 100 Gäste. Wenn dann 10.000 vor der Tür stehen, werden halt Zelte im Garten aufgestellt.

Jörg Weidlich, 60, unterrichtet als Studienrat an einem Berliner Gymnasium

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achgut.com

Wir können Asyl, wie sonst keiner.

  10.09.2015

Seit die europäische Union faktisch keine Außengrenzen mehr hat, sind wir am Wochenende nicht mehr beim Auswärtsspiel oder beim Grillen, sondern stehen mit weit offenen Armen auf unseren Bahnhöfen und genießen das Drama buchstäblich in vollen Zügen. Die ultimative Stunde der Gutmenschen hat geschlagen. Die selbstlosen Bürger spenden, so ist von freiwilligen Helfern aus dem Auffanglager in den Hamburger Messehallen zu hören, so nützliche Dinge wie Hundehalsbänder, alte Kapitänsmützen, Judoanzüge in XXL und, das ist besonders bewegend, völlig verschmutzte Herrenunterwäsche. Wohlmeinende Pfarrer bitten die Bevölkerung um Zigarettenspenden, andere schlagen vor, die Flüchtlinge am besten gleich mit Prostituierten zu versorgen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann träumt bereits von der Besiedelung der deutschen Ostgebiete, Ex-Kanzler Gerhard Schröder schwärmt von dem industriell verwurstbaren Material, dass künftig die Rente sichern soll, und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt plädiert für die freiwillige Aufnahme syrischer Volksgenossen im deutschen Heim − das sei Gold wert für die Integration. Im westfälischen Mettmann wird wegen der Asylanten bereits die Grundsteuer angehoben, Thüringens Regierungschef Ramelow fordert, die Solidaritätssteuer für die Flüchtlinge einzusetzen und ist begeistert dabei, wenn es gilt, sie gleich beim Empfang mit einem herzlichen „Inschallah“ zu begrüßen, damit sie von Anfang an wissen, dass wir sie so lieben, wie sie sind. Koranschändungen, das hat er schon deutlich gemacht, werden hier auf keinen Fall geduldet. Da fühlt man sich doch gleich doppelt willkommen.

All dieser Irrsinn zeigt vor allen Dingen, dass man sich über das Ausmaß der Flüchtlingskrise und deren Bewältigung im Vorwege nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung gemacht hat.Die Lawine ist ins Rollen gekommen, und so schnell, wie man sie losgetreten hat, wird sie nicht aufzuhalten sein. Mit achthunderttausend Flüchtlingen und Kosten von rund zehn Milliarden Euro rechnet man momentan bis zum nächsten Jahr. Da sich aber in den Regionen, aus denen die Verdammten dieser Erde kommen, die Nachrichten inzwischen auch via WhatsApp und Facebook verbreiten, weiß man dort längst, dass jeder nach Deutschland kommen kann, dass kaum einer postwendend zurückgeschickt wird und dass die Deutschen sich ganz offensichtlich vor Freude über die Asylantenflut beinahe einnässen.

Leider ist nicht zu übersehen, dass die meisten Ankommenden nicht Frauen und Kinder auf der Flucht vor den Terrormilizen des IS sind, sondern junge Männer, die, man höre und staune, die Frauen und Kinder der Familie im Kriegsgebiet zurückgelassen haben, die nichts tun, um ihr Land zu verteidigen und nicht vor Scham tot umfallen, wenn sie im deutschen Fernsehen sitzen und launig behaupten, die wären halt noch in Aleppo, aber denen gehe es da gut.

Realistisch wäre es, statt mit achthunderttausend Menschen kurzfristig mit der doppelten, oder, wie der umsichtige Heinz Buschkowsky, mit mehr als der dreifachen Zahl an Flüchtlingen rechnen. Und selbstverständlich mit den doppelten und dreifachen Kosten. Und auch das ist noch zu kurz gedacht. Denn mittlerweile ist bekannt, dass man sich den Aufenthalt am leichtesten durch Heirat mit einer Europäerin sichert. So gibt es nach drei Jahren den dauernden Aufenthaltsstatus, Asyl hin oder her. Es ist zwar bitter, das als gestandene Feministin zuzugeben, aber ja, es sind sehr, sehr viele Frauen bereit, als Gegenleistung für Sex, ein paar schmalzige Liebeschwüre und einen Trauschein auf mehrere Jahre einen Asylbewerber unterzubringen, zu bekleiden und zu verköstigen, auch wenn sie danach nicht selten physisch, psychisch und finanziell ruiniert sind. Frauen sind eben so. Leider.

Nach der Scheidung geht es an den Familiennachzug. Und dann können wir weitere Millionen neuer Bundesbürger willkommen heißen. Die übrigens auch zu einem ungewissen Teil aus Analphabeten bestehen und die mit Sicherheit auf viele Jahre von Sozialleistungen leben werden oder allenfalls schlecht bezahlte Jobs im Niedriglohnsektor finden dürften.

Einer der wenigen, die wissen, was da auf Europa zukommt, ist Aiman Mayzek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, den man dieser Tage eigentlich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit herzhaft grinsen sieht, denn völlig zurecht darf er davon ausgehen, dass die Zahl der Muslime in Deutschland durch die Flüchtlingswelle signifikant wachsen wird, wie er dem Tagesspiegel verriet. Über achtzig Prozent der Flüchtlinge sind Muslime. Wissen auch die Deutschen, was sie da erwartet?

Offensichtlich nicht. Verwundert ist man immer wieder aufs Neue über diese Menschen, die nicht brav und dankbar in der Flüchtlingsunterkunft hocken und die Klappe halten, sondern schon vor ihrer Ankunft Forderungen stellen, sich über das Essen beschweren oder ständig Schlägereien oder gar Messerstechereien anzetteln. All die ehrenamtlichen Helfer, die sich zurzeit bis zu zehn Stunden täglich für die Flüchtlinge den Arsch aufreißen, wissen aus dem Alltag im Auffanglager wenig Erfreuliches zu berichten: Es gibt Feuerwehr- und Notarzteinsätze in dramatisch hoher Anzahl, die in den Medien totgeschwiegen werden, damit kein Unmut aufkommt. In den ersten sieben Monaten des Jahres hat es in den Flüchtlingsunterkünften allein in Nordrheinwestfalen 1288 Polizeieinsätze gegeben. Zahllose Brände müssen gelöscht werden, weil die Bewohner sich nicht an das Rauchverbot halten und immer wieder in Schlafräumen heimlich Kochplatten benutzen. Die hygienischen Zustände sind nicht selten katastrophal, da in den Kulturkreisen ohne Gendermainstreamingbeauftragte zum putzen ausschließlich die Frauen da. Sind keine da, wird auch nicht geputzt. Aus Hamburg wird berichtet, dass es inzwischen zum Tätigkeitsbereich des Securitypersonals gehört, die Wäsche der Insassen zu waschen. Warum sie das tun sollen, darauf hat man angeblich keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Ich helfe da gern weiter: Weil die Männer es nicht von selbst tun und darüber hinaus längst begriffen haben, dass sich genug Deppen bereithalten, ihnen diese Arbeit abzunehmen.

Dass Rassismus unter Asylbewerbern ein Grund für die vielen Gewalttätigkeiten ist, ist nichts, was in den Medien thematisiert werden darf. Es sollen um Himmels Willen keine Zweifel an der problemlosen Integrationsfähigkeit der neuen Bundesbürger aufkommen. Nicht nur Antisemitismus ist weit verbreitet, sondern Flüchtlinge aus arabischen Ländern sind in der Regel auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe alles andere als herzlich zugetan; ob sie nun Muslime sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

Man sollte nicht außer Acht lassen, dass die deutsche Hilfsbereitschaft in großem Maße von den Falschen missbraucht werden könnte. Dank wird man nur begrenzt erwarten dürfen, denn für die meisten Ankommenden ist die euphorische deutsche Hilfsbereitschaft in keiner Weise nachvollziehbar. Die testosterongesteuerten, gut genährten und mit IPhones vernetzten Jungmänner, die, notfalls mit Gewalt, ihre Rechte einfordern, bevor sie überhaupt die deutsche Grenze passiert haben, wissen genau, wie in ihrer Kultur mit einer derartigen Flüchtlingskrise verfahren werden würde: Zwar leben seit Jahrzehnten in den arabischen Anrainerstaaten palästinensische Flüchtlinge, aber außer in Jordanien werden sie überall als staatenlose Menschen zweiter Klasse behandelt. Mittlerweile suchen sogar Flüchtlinge aus dem Gazastreifen in Israel Asyl – was man ihnen wirklich nicht verdenken kann. Im reichen Saudi-Arabien weigert man sich vehement, Flüchtlinge aufzunehmen, und zwar wegen unüberwindbarer kultureller Unterschiede (!). Dafür versprechen die Saudis schon Gelder für den Bau von 200 neuen Moscheen allein in Deutschland, wie die libanesische Zeitschrift Al-Diyar berichtet.

Kurz gesagt, in den Ländern, aus denen man derzeit flieht, würden nur Bekloppte sich so aufführen, wie die Deutschen es gerade tun. Und Bekloppte verdienen natürlich alles Mögliche, nur eben keinen Respekt. Was man hier nicht hören will, ist, dass in muslimischen Ländern sozialisierte Menschen wirklich völlig anders ticken, als man es im Multikulti-Glücksbärchi-Land gern hätte. Es kann aber nicht sein, dass man diesen Umstand heute nicht einmal mehr thematisieren darf, ohne gleich die Nazi-Keule über den Schädel zu kriegen.

Ein Land wie das unsere, das seine Polizistinnen dafür auszeichnet, dass sie sich zwecks Deeskalation Ohrfeigen gefallen lassen, wird niemals begreifen können, dass Gewalt in anderen Kulturen als etwas Positives empfunden wird. Sie wird im Koran ausdrücklich zur Erziehung von Kindern und Ehefrauen empfohlen und ihre Ausübung ist grundsätzlich nichts Ehrenrühriges, nicht einmal die von einer ganzen Gruppe gegen einen wehrlosen Einzelnen. Man schämt sich der Gewalt auch nicht, wie mit dem Handy gefilmte brutale Szenen, die wie ein Hautausschlag im Netz kursieren, immer wieder belegen: Da wird in Ägypten eine wehrlose Frau von etwa zwanzig jungen Männern zusammengeschlagen und dabei gefilmt. Ein Faustschlag, ein Foto. Ein Faustschlag, ein Foto. Bis sie am Boden liegt. Dann ein kräftiger Tritt, ein Foto. Noch ein Tritt, noch ein Foto. Sie tun es, weil sie es gut heißen. Und weil es ihnen soviel Spaß macht.

Von einer nachhaltigen Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingskrise ist indessen so gut wie gar nichts mehr zu hören. Der Bürgerkrieg, mit dem die Mörderbanden aus der Hölle, die sich Islamischer Staat nennen, den nahen und mittleren Osten überziehen, ist dieser Tage kein Thema. Die ganze Welt sieht seit Jahren beinahe tatenlos dabei zu, wie eine Horde islamischer Faschisten im zwanzigsten Jahrhundert Massenhinrichtungen inszeniert, foltert, köpft, kreuzigt und Frauen und Mädchen als Sexsklavinnen verkauft. Vermutlich, weil es so schön weit weg ist, wir ja ohnehin meinen, nicht daran schuld zu sein und sich unser Aktionismus lieber im Spenden unnützen Hausmülls erschöpft. Aber möglicherweise nicht mehr allzu lange. Eine Situation wie diese, in der plötzlich jede Abschottung eines Kontinents aufgehoben wird und anrückende Flüchtlingsmassen nicht einmal mehr mit Passkontrollen und Registrierung rechnen müssen, kommt einer höflichen Einladung zur Terroreinschleusung gleich. Unter den Flüchtlingen dürften sich inzwischen auch IS-Terroristen in ungewisser Zahl befinden. Und die werden hier nicht zur Erholung hergeschickt.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/deutschland_im_glueckstaumel_wir_koennen_asyl_wie_sonst_keiner

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“Die Flüchtlinge sind (Menschen) wie du und ich”, sagt Margot Käßmann. “Flüchtlinge sind keine Last, sondern eine große Chance”, vor allem für schrumpfende Städte, sagt Oliver Junk, Oberbürgermeister der Stadt Goslar. “Es ist so, dass wir die Entwicklung bewältigen können”, die Haushalte würden durch die entstehenden Kosten nicht über Gebühr belastet, sagt Wolfgang Schäuble.

Wenn dem so ist, worüber reden wir dann? Gibt es ein Problem, oder bilden wir es uns nur ein? Für Frank-Walter Steinmeier ist alles nur eine Frage der Kommunikation. Die europäische Solidarität müsse “ausbuchstabiert” werden. “Dazu gehört auch, dass wir uns verständigen über eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa.”

Angela Merkel ist das nicht genug. “Unsere Pflicht ist es jetzt, sowohl in den entsprechenden Regionen dafür zu sorgen, dass dort Frieden auch wieder Realität wird, aber aus unserer eigenen historischen Erfahrung ist es auch wichtig, den Menschen, deren Leben bedroht ist, Schutz und Hilfe zu geben.”

Warum nicht eine Luftbrücke nach Deutschland?

Wenn es tatsächlich “unsere Pflicht” wäre, dafür zu sorgen, dass in den “entsprechenden Regionen” der Frieden ausbricht, dann müsste die Bundeswehr ausrücken. Nicht um wie in Afghanistan “die Herzen der Menschen” zu erobern, sondern um mit Waffengewalt für ein Ende des Blutvergießens in Syrien zu sorgen.

Da sie aber dazu nicht in der Lage ist, und da der Bundestag so ein Mandat nie genehmigen würde, konzentrieren wir uns darauf, “den Menschen, deren Leben bedroht ist, Schutz und Hilfe zu geben” – wenn sie nicht bereits im Meer ertrunken oder in einem Lkw erstickt sind.

Würde die Kanzlerin es wirklich so meinen, wie sie es sagt, dann hätte sie ihre Verteidigungsministerin längst angewiesen, ein paar Zeltstädte an der griechisch-mazedonischen beziehungsweise mazedonisch-serbischen Grenze zu errichten, um die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen: Essen, Medikamenten und einem temporären Dach über dem Kopf.

Noch effektiver wäre allerdings, wenn die Bundeswehr gleich eine Luftbrücke nach Deutschland einrichten würde, denn allem Gerede über eine “faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa” zum Trotz wird Deutschland die Hauptlast der Katastrophe tragen müssen. Flüchtlingsströme lassen sich ebenso wenig umleiten wie Flüsse zur Zeit der Schneeschmelze.

Und was heißt hier “faire Verteilung”? Fair für wen? Mindestens 18 der 28 EU-Länder wollen keine Flüchtlinge (Link: http://www.welt.de/145852230) aufnehmen. Sie fühlen sich dazu weder rechtlich noch moralisch verpflichtet. Wie will Steinmeier sie dazu zwingen? Denkt er daran, die Kavallerie in Marsch zu setzen, mit der schon Steinbrück der Schweiz gedroht hat?

Die Flüchtlinge ihrerseits haben nicht alles aufgegeben und ihr Leben riskiert, um am Ende des Weges nach Bulgarien, Rumänien oder Kroatien abgeschoben zu werden. Sie wissen, warum sie Deutschland, Schweden, Österreich und Holland vorziehen. Und man kann es ihnen nicht übel nehmen.

Umgekehrt sollte man die Willkommenskultur in ethnisch homogenen Ländern nicht überschätzen. Die Polen zum Beispiel sind sehr gastfreundlich, aber eben nur gegenüber Gästen. Sie haben keine Multikulti-Erfahrung und pflegen ihre Traditionen auf eine altmodische Weise, ohne sie zu hinterfragen.

Debatten, wie sie in Deutschland geführt werden, über Integration, Kopftuch tragende Lehrerinnen oder Islamunterricht an Schulen wären in Polen ebenso undenkbar wie die Einführung der “Ehe für alle”. Die baltischen Staaten ticken ähnlich. Hätte man ihnen vor dem Beitritt zur EU gesagt, dass sie ihre nationale und kulturelle Identität radikal ändern müssen, um in den Klub aufgenommen zu werden, wären sie lieber draußen vor der Tür geblieben.

Frischzellenkur für Gesellschaft und Wirtschaft

Deutschland dagegen sieht die Flüchtlingsfrage als eine Gelegenheit, sich moralisch und ökonomisch zu rehabilitieren. Eine Art Frischzellenkur für Gesellschaft und Wirtschaft. Da ist zum einen der unvermeidliche Rekurs auf “unsere eigene historische Erfahrung”, der mit schrägen Vergleichen unterlegt wird – “wir haben doch auch Millionen von Vertriebenen aus dem Osten aufgenommen!”

Zum anderen herrscht eine Kosten-Nutzen-Haltung, die so berechnend ist wie die Politik der Unternehmen, die ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern. Nur dass diesmal die Jobs nicht exportiert, sondern die Jobber importiert werden.

“Der Migrationswille der Menschen aus den Westbalkanstaaten könnte genutzt werden, um ihn in eine reguläre Einwanderung und Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu kanalisieren. Die Wirtschaft verlangt nach mehr Fachkräften, und zur Sicherung unseres Wohlstands sind wir auf – je nach Berechnung – zwischen 300.000 bis 500.000 Einwanderer pro Jahr angewiesen”, sagt die grüne Fachfrau für Integration und Migration, Katrin Göring-Eckardt.

Was sie da “ausbuchstabiert”, ist die Antithese zu der rechten Propaganda, die Ausländer würden uns die Arbeit wegnehmen. Wären wir nicht “zur Sicherung unseres Wohlstandes und unserer Renten” auf Einwanderer “angewiesen”, wie es Ex-Kanzler Gerhard Schröder gerade schrieb (Link: http://www.welt.de/145776294) , würden wir keinen Gedanken darauf vergeuden, ob sie daheim bleiben oder zu uns kommen sollten. Ist das nicht eine Art von Kolonialismus mit menschlichem Antlitz?

Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht in den Flüchtlingen ebenfalls “eine Chance für unser Land”, denn “wir sind ein Land, das verliert in den nächsten Jahren ganz viele Arbeitskräfte dadurch, dass wir Gott sei Dank alle länger leben, aber leider weniger Kinder haben”. Diese demografische Lücke sollen die Migranten füllen.

Als Fürstin Gloria von Thurn und Taxis vor mittlerweile 14 Jahren in einer Talkshow erklärte, “der Schwarze schnackselt halt gerne”, brach ein Sturm der Entrüstung über sie herein, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Bei Gabriel blieb der Shitstorm aus. Denn seine Migranten schnackseln nicht aus Spaß an der Freud, sondern um “das Land jünger und attraktiver zu machen”, also zur Sicherung unseres Wohlstands. Wir lassen arbeiten, wir lassen gebären.

Kleiderspenden allein sind keine Lösung

Schon möglich, dass die Rechnung irgendwann aufgeht. Dass Deutschland ein multikulturelles, multiethnisches Land wird, in dem Sprache, Herkunft und Hautfarbe keine Rolle spielen. Leider neigen bevölkerungspolitische Experimente eher zum Scheitern als zum Gelingen. Auch der neue Mensch, der keinen Neid und keine sozialen Unterschiede kennt und alles mit seinen Nächsten teilt, hat sich als wenig belastbar erwiesen.

Deswegen sollte man die aktuelle Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen nicht überschätzen. Willkommensfeste zu organisieren und Kleiderspenden zu verteilen ist eine Sache, auf die Dauer Verantwortung zu übernehmen eine andere.

Jetzt hat die Kanzlerin das Flüchtlingsdrama zur Chefsache erklärt. “Wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden”, sagte sie bei ihrer Sommer-Pressekonferenz. Als es vor Kurzem darum ging, Griechenland zu retten, meinte sie: “Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.” Ähnlich dezidiert äußerte sie sich über den Klimawandel, die Energiewende und die Zukunft der EU.

Alle Wege führen nach Berlin. Und sie enden im Bundeskanzleramt.

Erschienen in DIE WELT hier.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wir_lassen_arbeiten._wir_lassen_gebaeren1

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Was sich derzeit an den Grenzen Europas und innerhalb der EU abspielt, ist eine Tragödie. Umso wichtiger ist es, auch in dieser ex­trem aufwühlenden Situation das Wesent­liche nicht aus den Augen zu verlieren.

Erstens: Natürlich haben wir eine unbestrittene Asyltradition und ein Asylrecht. Die Schweiz gibt allen Menschen Asyl, die gemäss Genfer Konvention aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer politischen Haltung, ihrer Religion persönlich an Leib und Leben bedroht sind. Daran ist nicht zu rütteln.

Zweitens: Allgemeinen Bürgerkriegsflüchtlingen – wir sprechen hier von Bürgerkriegsflüchtlingen, nicht von geflüchteten Menschen, die seit Jahren in sicheren Drittstaaten leben – können wir nicht Asyl geben, aber wir gewähren ihnen vorübergehenden Schutz. Am besten ist der Schutz vor Ort, in sicheren Auffanglagern zum Beispiel der Uno, wo die Menschen Zuflucht finden, ohne dass sie vorher Tausende von Kilometern reisen müssen.

Wir können Bürgerkriegsflüchtlingen aber auch in der Schweiz Schutz bieten, ebenfalls auf Zeit. Im letzten Weltkrieg gewährten wir diesen Schutz auf Zeit über hunderttausend Polen. Die Kriegs- oder Bürgerkriegsflücht­linge müssen aber wieder nach Hause, wenn der Konflikt beendet ist. Derzeit sind in der Türkei rund zwei Millionen Syrer. Weitere sieben Millionen Syrer stehen an der türkischen Grenze. Wir können diesen Flüchtenden keine neue Heimat bieten. Das würde un­sere Kräfte überfordern, Syrien entvölkern und dem Land die Grund­lagen für den Wiederaufbau entziehen.

Drittens: Wenn wir diese Asyltradition halten wollen und ernst nehmen, dann müssen wir auch die Kraft haben, eine Aushöhlung des Asylrechts durch Missbräuche zu verhindern. Das ist nicht hartherzig, sondern im Gegenteil moralisch und rechtlich der einzige Weg, um eine Zerstörung unserer Asyltradition zu verhindern. Die fahrlässig hingenommene Duldung oder gar die Forderung, nicht mehr zwischen asylberechtigten echten Flüchtlingen, vorübergehend Schutzbedürftigen und wirtschaftlich motivierten illegalen Einwanderern zu unterscheiden, läuft auf moralischen Grös­sen­wahnsinn hinaus. Gerade die Linke müsste einsehen, dass sich unsere sozialen und humanitären Errungenschaften niemals bewahren lassen, wenn wir sie auf alle ausweiten, die kommen wollen.

Das alles ist unbestritten. Aber es gibt mittlerweile sehr viele Menschen in der EU, in der Schweiz, die sich grosse Sorgen machen. Sie haben den Eindruck, dass in der Asylpolitik etwas fundamental falsch läuft. Sie glauben nicht, dass man Hunderttausende von Zuwanderern aus ganz anderen kulturellen und politischen Sphären locker bei uns aufnehmen und integrieren kann. Sie befürchten, dass den Hunderttausenden, die bis Ende Jahr erwartet werden, absehbar Millionen an Angehörigen folgen werden. Jeder Migrant, der es geschafft hat, zieht mit seinem Handy oder seinem Facebook-Konto Freunde und Verwandte nach.

Immer mehr Menschen fragen sich daher, ob das, was wir jetzt erleben, nicht der Höhepunkt, sondern im Gegenteil erst die Vorhut einer noch viel grösseren Völkerwanderung ist, die wir noch weniger verkraften können. Vor allem aber misstrauen die immer zahl­loseren Besorgten den Beteuerungen der Politiker und der Talkshow-Intellektuellen, die im Glorienschein der Selbstgerechtigkeit behaupten, man habe alles im Griff und werde den Ansturm bewältigen, ohne selber davon überwältigt zu werden.

Schon heute ist es eine Tatsache, dass viele Europäer mit einer schlechten Ausbildung Mühe haben werden, ein gutes und sicheres Auskommen auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Wenn es uns nun aber schon schwerfällt, mit den bestehenden sozialen Herausforderungen fertig zu werden, wie wollen wir es dann schaffen, Hunderttausende, vielleicht bald Mil­lionen von Afrikanern und Muslimen ­ohne ­Ausbildung und ohne die notwendigen kulturellen und politischen Voraussetzungen in ­unsere marktwirtschaftlichen Leistungs­gesellschaften zu integrieren? Hochmut und Selbstüberschätzung beherrschen die Politik.Das merken die Leute.

Sind nun alle Menschen, die sich solche Gedanken, die sich Sorgen machen, die rechnen müssen und hart arbeiten, Rechtspopulisten und Rassisten? Sind Rentner, die seit Jahrzehnten hier arbeiten, ihre AHV einbezahlt haben und daher berechtigterweise nicht verstehen können, warum ein abgelehnter Scheinasylant aus Eritrea in der Schweiz unmittelbar nach der Einreise mindestens so ­hohe, wenn nicht höhere Sozialbezüge von unserem Staat erhält – sind das alles herzlose, engstirnige Egoisten, denen die Fähigkeit zur Solidarität mit Schwächeren abgeht? Und muss man Leuten, die solche Fragen in der ­Öffentlichkeit ansprechen, das Mikrofon wegnehmen oder anderweitig mit Zensur begegnen, wie tatsächlich auch schon in der Schweiz gefordert wurde?

Auf keinen Fall! Wir müssen diese besorgten Stimmen ernst nehmen. Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass sie sich mit den verbreiteten Nöten und Befürchtungen der Menschen auseinandersetzt, dass sie die Menschen ernst nimmt und nicht gleich zu Verbrechern erklärt, nur weil sie etwas sagen, was einem nicht passt, oder weil sie etwas, was einem nicht passt, so sagen, dass es Anstoss erregt. Es wird dieser Tage viel von Solidarität mit den Flüchtlingen gesprochen. Niemand ist gegen Solidarität mit echten Flüchtlingen, mit wirklich Verfolgten, und niemand ist gegen Schutz für Kriegsflüchtlinge. Aber eine Solidarität, die sich ausschliesslich auf die Ankommenden bezieht und die Sorgen und Befürchtungen der bereits hier Lebenden ausblendet, ja geradezu kriminalisiert, ist keine Solidarität, die unsere Zustimmung verdient.

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Im deutschen Sprachraum erlebt der Begriff Einwanderungsland dieses Jahr wahrscheinlich eine Art Sonderkonjunktur. In Deutschland werden die immer grösser werdenden Ströme von Migranten aus dem Osten und dem Süden heute auf breiter Front willkommen geheissen und von vielen bereits als künftige Mitglieder der deutschen Gesellschaft begrüsst. Die Stimmung in Deutschland, ­die auf ganz Europa ausstrahlt, erweckt zurzeit den Eindruck, Asylsuchende seien schon fast als notwendige Ergänzung einer gealterten Bevölkerung zu verstehen, die, auf sich allein gestellt, in Zukunft zu wenig fruchtbar wäre und deshalb deutlich schrumpfen würde. Bilder und Worte, wie man sie aus deutschen Städten vernimmt, wirken als starker Antrieb auf Migrationswillige und die ganze Migrations­industrie.

Die jüngsten Zahlen des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen ­(EASO) und des EU-Statistikamts Eurostat zeigen denn auch, wie sehr die Zuströme aus ­Afrika und Asien vor kurzem angeschwollen sind. Die Grafik unten rechts legt dar, dass ­allein im Juli rund 120 000 Asylsuchende in der EU eintrafen; fast 38 000 Antragsteller meldeten sich in Deutschland. Im August dürfte der Druck noch zugenommen haben. Dramatisch sind die Steigerungen seit dem Frühling, der das günstige Wetter für Überfahrten übers Meer brachte. Die Aufwärtsbewegung begann aber schon 2014, nachdem die Zuwanderungen in die EU plus die Schweiz und Norwegen vorher längere Zeit bei etwa 40 000 Personen pro Jahr gelegen hatten.

Wenig Syrien, viel Eritrea

Im bisherigen Jahresverlauf hat die Migration übers Mittelmeer laut Schätzungen gegen 370 000 Menschen an die Grenzen von EU-Ländern gebracht. Ungefähr 120 000 dieser Migranten sind über Italien auf den Kontinent gelangt, kleinere Teile über Spanien oder Malta, sehr viele über Griechenland (rund 245 000 Personen). Weitaus am gewichtigsten ist dabei die Gruppe aus Syrien, die 43 Prozent der Mittelmeer-Migranten ausmacht (siehe Grafik), also rund 160 000 Personen. Deutlich kleiner sind die Gruppen aus Afghanistan und Eritrea, die je etwa einen Zehntel der Gesamtheit darstellen.

Die Schweiz bekommt diese Migrationswelle seit Beginn der Entwicklung voll zu spüren. ­
Die jüngsten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) zeigen, dass der Zustrom in diesem Jahr bis Ende August mit fast 20 000 Asylgesuchen erheblich grösser war als im Vorjahr (15 700). Die Anerkennungsquote ist auch etwas gestiegen, nämlich von 24,5 auf 27,7 Prozent. Hinzu kommen die vorläufig Aufgenommenen. Und im Gegensatz zum Vorjahr gab es im August keinen Rückgang; mit 3900 Fällen blieben die Asylanträge auf dem hohen Stand von Juni und Juli, und diese Werte liegen alle deutlich über dem Niveau des Vorjahres, als der Juli mit 2900 Gesuchen mit grossem Abstand den Höchstwert gebracht hatte.

In Sachen Herkunft her zeigt sich bei den Asylsuchenden allerdings das traditionelle Schweizer Muster. Etwas pauschal kann man sagen: wenig Syrien und viel Eritrea. Mit gut 400 Gesuchen sind die Syrer erst im August ­etwas stärker in Erscheinung getreten, vorher registrierte man lediglich Monatswerte von 140 und 240 Personen. An der Spitze standen bis vor kurzem weiterhin die Antragsteller aus Eritrea; mit 1610 Personen war diese Gruppe jüngst ­allerdings kleiner als im Juli (2130) oder im Juni (2199). Gesunken ist auch die Anerkennungsquote für die Eritreer: Im Juni und Juli haben die prüfenden Behörden etwa in 48 Prozent der Fälle Asyl gewährt. Im August sank die Quote auf 28 Prozent. Ob diese nachgebenden Zahlen einen Trend begründen könnten, ist allerdings offen. Auch Fachleute des SEM möchten aus solchen Monatsschwankungen nicht allzu weit gehende Schlüsse ziehen.

Eine Trendwende nach unten sehen sie bei den Gesuchen aus den sicheren Ländern Ost­europas wie etwa Serbien, das Kosovo, Maze­donien, Bosnien-Herzegowina und Georgien. Entscheide für Angehörige dieser Länder werden im 48-Stunden-Verfahren getroffen; im laufenden Jahr bis August gab es 1450 solche Fälle mit minimaler Anerkennungschance. ­Alles in allem zeigt das Schweizer Asylwesen aber das alte Bild: Die Summe der anerkannten Flüchtlinge und der vorläufig Aufgenommenen macht etwa die Hälfte der Asylgesuche aus. Rund 70 000 Personen zählen zurzeit zu diesen beiden Gruppen, die in der Schweiz grossenteils vom Sozialsystem getragen werden. Ziemlich rasch nach der Registrierung bei den Asylzentren müssen die Kantone die Betreuung übernehmen und diese möglichst auf die Gemeinden verteilen, da der Bund nur Platz für etwa 3000 Asylanten zur Ver­fügung hat.

Angesichts der Afrika-Lastigkeit ist es weiterhin das Asylzentrum in Chiasso, das am stärksten unter Druck steht. Der Andrang vom Osten her ist geringer. Im Bahnhof im sankt-gallischen Buchs konnte man vor einigen ­Tagen sogar das seltsame Erlebnis haben, dass auf dem ­Perron mehr Journalisten standen als Asylanten. Die Migranten in den aus Österreich kommenden Zügen hatten nicht die Schweiz als Ziel vor Augen, sondern Deutschland, nachdem die deutsche Kanzlerin das Signal aus­gesandt ­hatte, dass alle willkommen seien und Syrer sogar ohne Bedingungen aufgenommen würden.

Verbesserung der Bevölkerungsstruktur

Es gibt überall eine grosse Koalition von Inter­essengruppen, die zumindest kurzfristig für eine möglichst grosszügige Aufnahme von Asylanten sind: die Politiker, die öffentlich mit fremdem Geld Solidarität mit den ­Armen demonstrieren können; Angehörige des öffentlichen Dienstes, die sich beruflich mit dem Asylwesen befassen und dank Zuwanderern neue Aufgaben und Mittel zum Umverteilen erhalten; Zulieferer von Immobilien und Ausrüstungen aller Art; und schliesslich werden auch die Schlepper von steigenden Migrationszahlen profitieren. ­Allerdings werden die Bürger und Steuerzahler, die für das Asylwesen und die Integra­tionskosten zwangsläufig Geld und Raum bereitstellen, früher oder später gefragt werden müssen, welche Zuwanderung sie wollen, wenn die Gesellschaft nicht zerfallen soll.

Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Zahl asylsuchender Migranten ist in Deutschland die Diskussion über ein Einwanderungsgesetz hitziger geworden – hitziger vor allem auch, weil die offene Debatte eines Einwanderungsgesetzes auch als Eingeständnis verstanden werden kann, Deutschland sei nun wirklich zum Einwanderungsland geworden. Je nach Verlauf der Debatte kann es gut sein, dass in Deutschland die Grenzen zwischen Asyl- und Zuwanderungspolitik verschwinden. Wenn heute die Ein­reise von Flüchtlingen bereits als Massnahme zur Verbesserung der Bevölkerungsstruktur gesehen werden, wird man rasch zu der Frage gelangen, ob man den Einwanderern die Integrationskosten bezahlen soll und ob sie normal arbeiten dürfen. Die Sogwirkung einer solchen Politik auf die ­armen Länder wäre ­gewaltig.

Gedehnter Asylbegriff

Die Schweiz ist schon lange ein Einwanderungsland, aber ohne Einbezug der Flüchtlingsströme. Die Zuwanderung von «normalen» Leuten – in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten primär aus dem EU-Raum – hat ja schon vor Jahren Debatten über die Kontrolle der Zuwanderung und schliesslich die Volks­initiative zur Begrenzung der Masseneinwanderung ausgelöst. In der Schweiz wird der Zustrom Asylsuchender noch nicht direkt mit einer Migrationspolitik verknüpft – vielleicht auch wegen der Wahlen. Der Asylbegriff wird aber bereits von einem grossen Teil der Politiker nicht mehr im ursprünglichen Sinn vertreten, sondern so sehr gedehnt, dass ihre Positionen nicht so weit weg von den deutschen sind.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-37/migration-versuchung-deutschland-die-weltwoche-ausgabe-372015.html

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Daniel Landolt, Gemeindepräsident in der ­Aus­serschwyzer Gemeinde Freienbach, gelangte letzte Woche mit bemerkenswerten Erkenntnissen an die Öffentlichkeit. Im March-Anzeiger schilderte er den Fall eines Eritreers, der durch seine Reisetätigkeit auffiel. Der Mann war 2006 in die Schweiz gekommen und wurde als Flüchtling anerkannt. Nachdem er einige Jahre hier gelebt hatte, reiste er 2010 in seine Heimat. Laut der Einschätzung der Schweizer Behörden wäre er dort verfolgt und an Leib und Leben bedroht. Doch der heim­gereiste Flüchtling hielt sich unbedrängt in Eritrea auf und heiratete dort sogar. Mit seiner frischvermählten Gattin kehrte er in die Schweiz zurück. 2011 bekam das Paar ein Kind.

Neun Fälle allein in Ausserschwyz

Auf Anfrage der Weltwoche gibt die betroffene Gemeinde weitere Details preis. Beim Zivilstandsamt habe man festgestellt, dass der Eritreer plötzlich über Papiere verfügte, die seine Heirat im Ausland belegten. Die Behörden wurden hellhörig. Denn Auslandsreisen von Asylbewerbern und Flüchtlingen unterliegen eigentlich strengen Auflagen. Besonders fiel den Freienbachern aber auf, dass der Mann ­offenbar unbehelligt nach Eritrea einreisen, sich dort frei bewegen und seine Eheschliessung bei den eritreischen Behörden eintragen lassen konnte. Anschliessend reiste er mit seiner Frau ebenso problemlos wieder aus.

Wie ist das möglich in einem Staat, in dem Landesflüchtlinge, Dienstverweigerer und Deserteure nach Schweizer Lesart verfolgt und eingekerkert werden? Diese Frage stellte sich auch der Gemeinderat von Freienbach – und fand ­darauf keine Antwort. «Wir haben einfach festgestellt», sagt Präsident Landolt, «dass verschiedentlich Asylbewerber aus ­Afrika nach ­Sicherung des Status hier in der Schweiz nach Afrika zurückgekehrt sind, dort geheiratet und dann die Ehefrau in die Schweiz nachgezogen haben. Wir haben in der Folge den Regierungsrat auf diesen Umstand aufmerksam gemacht, weil es uns doch eigenartig vorkam, dass Menschen, die hier in der Schweiz Schutz geniessen, weil sie in der Heimat angeblich gefährdet sind, freiwillig zurückreisen.» Was der Regierungsrat mit diesen Informationen gemacht hat, ­wisse er nicht.

Eine Nachfrage der Weltwoche bei verschiedenen Amtsstellen im Kanton Schwyz ergab keine konkrete Spur. Wie es scheint, ist Landolts Vorstoss in der Verwaltung versandet. Dabei ist das Problem durchaus relevant. Die aufsehenerregende Hochzeitsfahrt des Eritreers ist offenbar keine Ausnahme. Das ­Zivilstandsamt Ausserschwyz, zu dem die ­Bezirke March, Höfe und Einsiedeln gehören, meldet acht weitere ähnliche Fälle. Die Mehrheit seien Eritreer, aber auch Somalier seien darunter, heisst es auf Anfrage.

«Nichts Ungewöhnliches»

Beim Kanton sind zudem Fälle aus anderen Herkunftsländern bekannt. ­Fiona Elze, Abteilungsleiterin Asyl, erinnert sich etwa an einen Iraker, der via Istanbul und die Türkei heimgereist war. Bei einem vorläufig aufgenommenen Kosovar­en gelang der Nachweis, dass er ebenfalls unerlaubterweise die Heimat aufgesucht hatte, um dort zu heiraten. Die Schwyzer beantragten in Bern, den Status des Mannes zu überprüfen. Schliesslich hob das Staatssekretariat für Migration die vorläufige Aufnahme auf und wies den Kosovaren weg.

Die statistischen Daten stützen den Befund, dass Auslands- und Heimatreisen von vermeintlich Verfolgten und Schutzbedürftigen an der Tagesordnung sind («Reisen nach Absurdistan», Weltwoche Nr. 26/15). Zwischen 2010 und 2014 stellten im Kanton Zürich gegen 9000 anerkannte Flüchtlinge ein einschlägiges Gesuch. Fast alle wurden vom Staats­sekretariat für Migration bewilligt. Hinzu kamen 3281 Auslandsreisen von Asylbewerbern und vorläufig Aufgenommenen. In der ganzen Schweiz wurden zwischen 2010 und 2014 beinahe 62 000 solcher Gesuche registriert.

An der Spitze der Reisewilligen im Kanton Zürich liegen ausgerechnet die Eritreer. 2450 Begehren stammten von vermeintlich Verfolgten aus dem «autoritären Unrechtsstaat». 2402 von ihnen haben die Berner Behörden stattgegeben. Sicher sind nicht alle 2400 Eritreer in die Heimat gereist. Aber viele werden dies getan haben.

Diese Einschätzung, die sich mit den Erfahrungen in Ausserschwyz deckt, teilt auch der eritreische Honorarkonsul Toni Locher. Aus eritreischer Sicht sei es «nichts Ungewöhnliches», dass die Landsleute nach Hause reisten. Viele, die weggehen, sind junge Männer. Da sei es doch nur normal, dass sie in Eritrea ihre Freundin besuchten oder heiraten wollten, so Locher. «Es gibt in Asmara halt mehr eritreische Frauen als hier.»

Als weiteren Grund für die Heimreisen nennt der Honorarkonsul den intensiven familiären Zusammenhalt, der in der eritreischen Kultur tief verankert sei. Locher beobachtet, dass heute sogar schon 15-, 16-, 17-jährige Eritreer in die Schweiz kommen. Sie hauten oft ab, ohne die Eltern zu benachrichtigen. Am Telefon mahne sie dann die Mutter: «Alle kommen in den Sommerferien zurück, nur du nicht.» Und dann gingen sie halt auch.

Ungewöhnlich sind die Heimatreisen also nicht für die Eritreer und andere «Flücht­linge», sondern nur für uns Schweizer, da Bern offiziell davon ausgeht, dass den Heimkehrern Verfolgung oder gar Tod drohe. Unbewilligte Ausreisen können sogar zur Aberkennung des Flüchtlingsstatus führen. Toni Locher widerspricht allerdings der offiziellen Doktrin: «Ich sage seit Jahren, dass niemand an Leib und ­Leben bedroht ist. Die Jungen fliegen nach Asmara und kommen wieder. Das beweist, dass sie dort nicht gefährdet sind.» Keiner ginge dieses Risiko ein, wenn die Gefahr bestünde, verhaftet zu werden.

Anerkennungsquote von null Prozent

Aber ist Locher als Honorarkonsul wirklich ein unabhängiger Zeuge, ist er gar gekauft, wie Kritiker argwöhnen? «Ich kriege keinen roten Heller für meine Tätigkeit», sagt er. Sein Engagement für Etitrea gründe in seinem Job als Frauenarzt und Entwicklungshelfer. Im Unterschied zu andern Ländern der Region sei Eritrea kein failed state. Das ermögliche den Fortschritt im Sozial- und Gesundheits­bereich. Diese Errungenschaften gelte es zu ­erhalten und auszubauen.

Locher ist mit seiner Ansicht nicht allein. Auch andere Staaten beurteilen die Lage in Eri­trea anders als die Schweiz. Zum Beispiel Israel. Im jüdischen Staat gibt es eine Anerkennungsquote von annähernd null Prozent, während hier praktisch alle Eritreer automatisch als verfolgt und schutzbedürftig gelten. Dass dies kaum der Realität entspricht, zeigen die israelischen Erfahrungen. Die Asylsuchenden – ­offiziell «Infiltranten» genannt – kommen in ein strenges Auffanglager in der Negev-Wüste. In den letzten zweieinhalb Jahren konnte die Regierung 3039 Eritreer zum Verlassen des Lands bewegen. Sie zahlt ihnen 3500 Dollar ­sowie ein Flugticket. Mit afrikanischen Staaten wie Uganda oder Ruanda hat Israel ein ent­sprechendes Abkommen abgeschlossen. 1059 Eritreer gingen aber lieber in ihre Heimat zurück, wie Haaretz berichtete. Auch dies kann man als Hinweis darauf deuten, dass sie dort wohl nicht verfolgt werden.

Honorarkonsul Locher rät der Schweiz deshalb, eine Migrationspartnerschaft mit Eritrea anzustreben, wie sie auch mit andern Ländern praktiziert wird. «Man muss halt mit der ­Regierung reden.» Die 3500 Dollar, die Israel den Asylbewerbern schenkt, seien in Eritrea ein ansehnlicher Betrag. Manche Rückkehrer hätten überdies noch selbst etwas Geld verdient. Damit lasse sich in der Heimat ein Laden oder ein Internetcafé eröffnen, Grundlage für eine Existenz. Und vielleicht auch Basis für ­eine Heirat.

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Seine Worte sind von den Medien überhört worden. Oder man hat Peter Sloterdijk bewusst ignoriert, weil man doch Hemmungen hat, den bekanntesten lebenden Philosophen im deutschsprachigen Raum als Finsterling und Unmenschen abzutun. Im Deutschlandfunk hat sich Sloterdijk Ende Juli in bemerkenswerter Weise über die Flüchtlingsdiskussion geäussert: «Die Europäer müssen sich über ihre eigene Attraktivität [für Flüchtlinge] neue Gedanken machen.» Um den Flüchtlingsstrom einzudämmen, sei «so etwas wie eine wohltemperierte Grausamkeit» vonnöten. «Und das ist nun das Hauptproblem: Die Europäer definieren sich selbst als gutartig und nicht als grausam, und es gibt auch eine entsprechende Publizistik, die erste Ansätze zu einer defensiveren oder grausamen Grundhaltung sofort als Zivilisationsschande höchster Grössenordnung denunziert.»

Es ist nicht das erste Mal, dass Sloterdijk 
die Tyrannei der Moralisten beklagt. Als der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin 2009 sein migrationskritisches Buch «Deutschland schafft sich ab» publiziert hatte und damit ­einen Tsunami der Entrüstung auslöste, ging Sloterdijk mit dem Justemilieu hart ins Gericht. «Man möchte meinen, die deutsche Meinungs-Besitzer-Szene habe sich in einen ­Käfig voller Feiglinge verwandelt, die gegen jede Abweichung von den Käfigstandards keifen und hetzen», schrieb er in der Zeitschrift Cicero. «Sobald einmal ein scharfes Wort aus einem anderen Narrenkäfig laut wird, bricht auf der Stelle eine abgekartete Gruppendynamik los. Dabei geht es zu, als gelte es, einen Wettbewerb in Empörungsdarstellung zu gewinnen: Wer schafft es, seine Konkurrenten an Würdelosigkeit im Eifern und Geifern zu übertreffen?»

In Deutschland ist diese Gruppendynamik ausgeprägter als hier, die historische Last führt zu einem eigenartigen Kompensationsdrang, man will in allen Bereichen zu den politisch korrekten Musterschülern gehören, von der Energie- bis zur Flüchtlingspolitik. In der Schweiz sind wir noch nicht ganz so weit, hier kann man noch offener reden, die Tendenz geht aber in dieselbe Richtung. Argumentiert wird fast nur noch auf der Betroffenheitsebene; macht jemand auf die Folgen aufmerksam, die eine Grenzöffnung hat, so gilt das als «zynisch» (das neue Lieblingswort der Moralisten), «empathielos» oder «rechtsextrem». Verbreitet ein unliebsamer Poli­tiker ein Flüchtlingsfoto, um seine unbequeme Botschaft zu verbreiten, so gilt das als «Hetze», als «geschmacklos», als Missbrauch von Leid, um politisch Stimmung zu machen.

Wenn die Empörten dann selber im Grossformat das Bild eines ertrunkenen Kindes am Strand publizieren, so ist das natürlich keine Instrumentalisierung mehr, keine Stimmungsmache, sondern soll «aufrütteln».

Öffentlich Betroffenheit zeigen ist zur Pflicht geworden, vor jedem Votum zur Flüchtlingskrise muss ausdrücklich betont werden, wie schlimm man das alles finde – als bedürfe es eines Beweises, dass der Tod von 
71 Flüchtlingen in einem Lastwagen oder ein ertrunkener Junge einen nicht kaltlasse. Wer bei diesem Betroffenheitskult nicht mitmacht, macht sich bereits verdächtig.

Die einfachste Form der Empörung besteht darin, seine Entrüstung über abstossende ­Leserkommentare auf Online-Plattformen auszudrücken, eine deutsche «Tagesschau»-­Moderatorin wurde gar zur Social-Media-­Heldin erklärt, als sie zum Widerstand gegen die anonymen Schreiber aufrief. Für viele Journalisten scheint es zum höchsten der Gefühle zu gehören, bei unbedeutenden Lokalpolitikern nach vermeintlich geschmacklosen oder rassistischen Twitter- und Facebook-Nachrichten zu suchen, um dann genüsslich ihre Abscheu darüber kundtun zu können. Nirgends wird man von moralischen Wertungen verschont, auch nicht in der sonst eher nüchternen «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens. So zum Beispiel am Samstag, als sich die Sendungsmacher in einem Beitrag über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zu einer fragwürdigen Wertung hinreissen liessen: Merkel sei «grösser und ­mutiger» als Sommaruga, da Deutschland entgegen dem Dublin-Abkommen keine syrischen Flüchtlinge mehr in die Erstaufnahmeländer zurückschicke.

«Europas Schande», schreiben sich die Zeitungen jeweils gegenseitig ab, wenn wieder ­eine grössere Katastrophe passiert, oder ­«Europas Tote». Schliesslich ist der Westen für das Leid der Welt verantwortlich, weil er militärisch interveniert hat (Irak, Libyen), weil er nicht interveniert hat (Syrien) oder weil das ­böse kapitalistische System die armen Länder ausbeutet. Die Forderung ist dann immer dieselbe: Der Westen müsse seine Verantwortung wahrnehmen, was konkret heisst: die Grenzen bedingungslos öffnen, auch wenn dies meist nicht direkt so ausformuliert ist.

Alle sollen kommen

Wenn es um moralische Debatten geht, ist der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss zuverlässig als Sprachrohr der Ankläger zur Stelle. In ­einem Beitrag, der in der Schweizer Illustrierten und in der deutschen Welt publiziert wurde, schreibt er pathetisch: «Wer Flüchtlinge zurückweist, geht mit ihnen unter.» Die Schuldfrage, wie sollte es anders sein, ist für ihn auch eindeutig: «Die Menschen, die in Kühltrans­portern ersticken und im Mittelmeer ertrinken, sind letztlich Opfer dieser administrativen Grenzen. Ihnen fehlten die verlangten Papiere für eine ordentliche Einreise.» Ob jemand vor Krieg und Verfolgung flüchtet oder einfach ein besseres Leben sucht, ist für Bärfuss einerlei, alle haben für ihn ein Anrecht auf Aufnahme. «Erst ausgeglichene Lebensverhältnisse [zwischen Herkunfts- und Fluchtländern] machen eine Flucht unnötig. Bis dahin […] müssen die Flüchtlinge aufgenommen und integriert werden.»

Was aber die Folgen eines Niederlassungsrechts für alle wären, darüber schweigt sich Bärfuss aus. In der Vergangenheit gab es, wenn überhaupt, nur so lange offene Grenzen, wie es keinen Sozialstaat gab. Jede Solidargemeinschaft braucht Eingangshürden, sonst bricht sie auseinander, das bestreitet niemand. Doch ausgerechnet jene Kreise, die nach einem grosszügigen Sozialstaat rufen, fordern eine grenzenlose Einwanderung. Wie soll das gehen? Und was bedeutet es für eine Gesellschaft, plötzlich mit Zehntausenden von Menschen konfrontiert zu sein, mehrheitlich aus muslimischen Ländern, die ein völlig anderes Wertesystem haben? Bärfuss begnügt sich mit der Floskel «Grosse Aufgaben beinhalten grosse Chancen», was ähnlich hilflos tönt, wie wenn deutsche Politiker die Flüchtlingswelle plötzlich als Lösung für den Fachkräftemangel und die Überalterung der Gesellschaft umzudeuten versuchen.

Aber wie Sloterdijk schreibt: Man will um ­jeden Preis gutartig sein. Die konsequente ­Umsetzung der Flüchtlingsgesetze, Sloterdijk nennt dies «wohltemperierte Grausamkeit», wird als herzlos denunziert, selbst wenn eine harte Linie Fluchtdramen wie jene im Kühl­transporter verhindern würde. Die Tyrannei der Moral lässt nicht zu, über unbequeme Massnahmen zu sprechen. Wobei, das muss fairerweise angefügt werden, es gibt noch seltene Ausnahmen, und hier sei das Fernsehen SRF für einmal löblich erwähnt. In der Diskussionssendung «Club» von letzter Woche forderten die beiden Experten Kurt Pelda und Beat Stauffer, Europa müsse «Härte zeigen», konnten dies auch ausführlich begründen, ohne von den anderen Gästen, unter anderem vom Bund und vom Roten Kreuz, als moralisch niederträch­tige Menschen herabgestuft zu werden. Es war eine Diskussion mit Tiefgang und Offenheit, wie es sie zu diesem Thema kaum mehr gibt. Es besteht also noch Hoffnung, dass sich Sloterdijks düstere Prognose über unsere Diskussionskultur als zu schwarzmalerisch erweist: «Auf Wahrheit soll künftig die Höchststrafe stehen: Existenzvernichtung.»

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Es geschah im vergangenen Oktober. Ernst J. Merz war spätabends im Bus nach Unterägeri im Kanton Zug unterwegs – auf dem Heimweg von einem gesellschaftlichen Anlass. Kurz vor der Ankunft in seinem Wohnort wurde dem 66-Jährigen schlecht. «Ich hatte etwas Alkohol getrunken und ein Medikament eingenommen, was mir offenbar nicht gut bekam», erinnert sich Merz. Er stieg aus dem Bus und musste sich übergeben. Sogleich gesellten sich zwei Männer zu ihm, dem Aussehen nach Nordafrikaner, die ebenfalls aus dem Bus gestiegen waren. «Ich glaubte zuerst, sie wollten mir helfen», so Merz. Die Männer begleiteten ihn ein Stück weit. Dann war es vorbei mit der Freundlichkeit. «Sie nahmen mich in ­ihre Mitte», erzählt Merz, «dann schüttelten sie mich und raubten mir mein Portemonnaie.» Die Täter flohen. 260 Franken Bargeld, mehrere Ausweise und die Hausschlüssel waren weg.

Die Polizei habe nach der Tat sofort eine Fahndung eingeleitet, bestätigt Marcel Schlatter, Sprecher der Zuger Strafverfolgungsbehörde. Leider erfolglos. Dank der Videoüberwachung im Bus habe aber einer der mutmasslichen ­Täter identifiziert werden können. Es handle sich um einen abgewiesenen Asylbewerber aus Algerien, der in einer Asylunterkunft in Unterägeri gewohnt habe. Man habe diesen Mann nach der Tat in der Unterkunft allerdings nicht mehr vorfinden können, so Schlatter. «Offensichtlich ist er untergetaucht, sein Aufenthaltsort ist bis heute unbekannt.» Der Mann sei aber im schweizerischen Fahndungsregister ausgeschrieben. Der andere mutmassliche Täter, vermutlich ebenfalls ein Algerier ohne Aufenthaltsrecht, habe nicht identifiziert werden können.

«Abkommen nicht umgesetzt»

Weil die Täter nicht gefasst werden konnten, sistierte die Staatsanwaltschaft Zug im letzten Mai das Strafverfahren, das sie aufgrund der Anzeige von Ernst Merz eröffnet hatte. «Sobald die mutmassliche Täterschaft ermittelt werden kann, wird die Untersuchung wiederaufgenommen», versichert Sprecher Marcel Schlatter.

Ernst Merz ist also offenbar von zwei Algeriern überfallen worden, deren Asylgesuche zum Zeitpunkt des Überfalls längst abgelehnt worden waren – möglicherweise schon vor Jahren. Sie hatten kein Aufenthaltsrecht mehr und hätten längst ausreisen müssen. Dennoch blieben sie, zumindest bis zur Tat, im Land. Ja, sie durften sogar weiter in einer Asylunterkunft leben und Nothilfe beziehen – acht Franken pro Tag.

Beim Kanton Zug ist man sich der Vollzugsprobleme bewusst – aber offenbar machtlos dagegen. Abgewiesene Asylbewerber ohne Aufenthaltsrecht würden von den Strafverfolgungsbehörden zwar «konsequent strafrechtlich verfolgt», schreibt Sprecher Schlatter. Personen aus bestimmten Staaten wie Algerien könnten aber nicht ausgeschafft werden. «Es fehlen entsprechende Rückübernahme­abkommen des Bundes, oder diese werden nicht umgesetzt.» Generell liege die Ausschaffung abgewiesener Asylbewerber in der Verantwortung des Bundes. «Die Kantone haben hier keinen Einfluss.»

Der Überfall der Algerier auf Ernst Merz ist bei weitem nicht der einzige derartige Vorfall im Kanton Zug. Erst vor einem Monat vermel­dete der Kanton, dass letztes Jahr 158 Straftaten registriert worden sind, begangen von insgesamt 35 abgewiesenen Asyl­bewerbern. Somit wurde jede dieser Personen im Durchschnitt vier- bis fünfmal straffällig – in einem einzigen Jahr. Vermutlich waren es noch mehr kriminelle Handlungen, weil längst nicht jede Straftat aufgeklärt werden kann. Es ist anzunehmen, dass andere Kan­tone ähnliche Probleme mit Delikten ehemaliger Asylsuchender haben.

Nach der Haft abgetaucht

Laut Ernst Merz waren mehrere Hotels und Restaurants in der Umgebung seines Wohnorts schon von Diebstählen betroffen, die mutmasslich durch abgewiesene Asylbewerber aus Algerien verübt wurden. Die ­Leiterin eines Hotels in der Region Ägeri ­bestätigt einen solchen Vorfall. Drei Algerier hätten letzten Herbst ein Portemonnaie aus dem Hotel geklaut und über 2000 Franken erbeutet. Zwei der Täter seien zwar gefasst worden und hätten danach eine zweiwöchige Gefängnis­strafe abgesessen. Jetzt aber seien sie ­wieder frei und noch immer im Land, so die ­Hotelleiterin. «Wir sehen sie immer wieder.»

Der überfallene Ernst Merz ist entsetzt, «dass abgewiesene Asylbewerber ohne grosse Folgen in der Schweiz auf Beute gehen können». Erstaunliches ergibt sich auch in ­seinem Fall. Kurz nachdem der ­eine beteiligte Algerier mittels ­Kamera im Bus hatte identifiziert werden können, bekam Merz eine rätselhafte ­Information von der Polizei. Der Gesuchte sei die nächsten zehn Tage «abwesend», lautete sie. Der Aufenthaltsort des mutmasslichen Täters sei «verschiedenen Amtsstellen» bekannt, schrieb die Polizei weiter. Die Nachfrage der Weltwoche ergibt: Bei diesem «Aufenthaltsort» handelte es sich um ein Gefängnis im Kanton Graubünden. Dort sass der Algerier eine ­Strafe ab – wegen einer Tat, die er früher begangen hatte. Nach ­seiner Entlassung tauchte er dann offenbar ab.

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Von HENRYK M. BRODER, 12. September 2015

Es kommt mir ziemlich frivol vor, in diesen Tagen über Autos zu schreiben. Über Oldtimer, Youngtimer, die Preise für Gebrauchtwagen, die Formel 1 und die Neuheiten auf der bevorstehenden IAA. Ebenso frivol finde ich, darüber zu lesen, wo Elias M’Barek seinen Urlaub verbringt, warum Frauen viel öfter als Männer die Scheidung einreichen und wie das neue Riesen-iPad von Apple funktioniert. Ich will das nicht wissen. Auch das traurige Schicksal von Single-Frauen in China, die mit 27 schon als „Übriggebliebene“ gelten, ist mir derzeit ziemlich egal.

Ebenso, was Jürgen Klopp macht oder nicht macht und ob es bei ihm mit dem „Umparken im Kopf“ geklappt hat. Ich kann auch das Wort „Willkommenskultur“ nicht mehr hören und mag die glücklichen Menschen nicht mehr sehen, die „Refugees welcome!“-Plakate in die Höhe halten. Was wir derzeit in Echtzeit erleben, ist eine Katastrophe und keine Reality-Show auf RTL2, kein Event zum Mitmachen und Mitklatschen.

Ich höre, wie der Vizekanzler „Wir schaffen das!“ sagt und die Kanzlerin „Das schaffen wir!“, wenn wir uns nur richtig anstrengen. Ich sehe, wie ein Promi nach dem anderen sich zu Wort meldet und seine Hilfe anbietet, um sich dafür feiern zu lassen. Wer eine Dachkammer frei hat und einen Flüchtling bei sich aufnimmt, versäumt es nicht, darüber gleich in „RTL exclusiv“ oder bei „Aspekte“ zu berichten. Wir sind nicht die Guten, wir sind die Besten. Das soll uns erst mal einer nachmachen.

Das sind keine Kundgebungen der Nächstenliebe, das ist eine Orgie der Selbstbeweihräucherung. Tue Gutes und rede darüber, dann kommst du in die „Gala“. Ein großer deutscher Vordenker hat einmal gesagt, es gebe „kein richtiges Leben im falschen“. Heute müsste man sagen: Man kann nicht mit dem Auto zu Aldi rollen, während andere zu Fuß um ihr Leben laufen.

Ich will gar nicht so tun, als wüsste ich, was man jetzt tun müsste. Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, dass man heute nicht nachholen kann, was man gestern versäumt hat. Wir schauen dem Krieg in Syrien seit Jahren ungerührt zu. Tausende von Kindern wurden von der einen oder anderen Terrortruppe getötet, aber wir wachen erst auf, wenn ein totes Kind eines Tages am Strand liegt, ausgerechnet dort, wo wir Ferien machen. Das ist es, was wir dem IS am meisten übel nehmen.

Mich kotzt das an. Die heitere Umtriebigkeit der anderen, meine eigene Ratlosigkeit. Nein, ich habe keinen Flüchtling bei mir aufgenommen, ich werde es auch nicht tun. Ich werde auch nicht nach Ungarn fahren, um dort Fluchthelfer zu spielen. Ich werde irgendwo hinfahren, wo es kein Fernsehen und kein Internet gibt. Wo mich Marietta Slomka und Caren Miosga mit ihren Gute-Nacht-Geschichten nicht erreichen können. Und wenn ich zurück bin, schreib ich wieder über Autos. Mal sehen.

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Armin Peter, 12.09.2015

 

Die Flüchtlingskrise hat das Land fest im Griff: Längst arbeiten die ehrenamtlichen Helfer am Anschlag, selbst in den Turnhallen werden die Betten knapp. Kommunalpolitiker denken bereits laut über die Beschlagnahmung von privaten Wohnungen nach. Die Jubelperser mit ihren „Refugees welcome“ – Schildern kommen mit dem Jubeln nicht mehr hinterher, weil inzwischen jeden Tag dutzende Züge einrollen. Und europäisches Recht wird per ordre de Merkel ausgelegt: Gestern galten die Verordnungen von Dublin und Schengen nicht für Syrer, heute gelten sie de facto gar nicht mehr – und morgen vielleicht wieder für alle? Wenn Transitstaaten wie Ungarn zumindest versuchen, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen, werden sie in oberlehrerhafter Manier gerügt.

Denn im politischen Berlin haben sich die Verantwortlichen offenbar von jeder Vernunft verabschiedet. In seltener Einstimmigkeit trompeten Bundesregierung, Opposition und große Teile der Medienlandschaft unisono in die Welt hinaus, dass die ungesteuerte Masseneinwanderung in unser Asylsystem mühelos zu verkraften, ja sogar zu begrüßen sei. Wirtschaftsminister Gabriel verkündet lässig, dass 500.000 Menschen pro Jahr aufgenommen und dauerhaft alimentiert werden könnten. „Wir schaffen das“, denn „Deutschland ist reich“, so lautet die Parole, die Medien und Politik dem Land im Hauruck-Verfahren übergestülpt haben. Besorgte Bürger stehen unter Generalverdacht: Wer Kritik äußert oder Bedenken anmeldet, gilt automatisch als Ewiggestriger und wird mit allen Mitteln diffamiert.

Selbst unsere Nachbarstaaten bekommen das zu spüren: Deutschland pocht auf Lebensraum im Osten für seine neuen Schützlinge – und wer nicht gleich mitspielen will, gilt als uneuropäischer Nationalist. Dabei ist es allein Deutschland, das der gesamten EU seine asylpolitischen Vorstellungen aufzwingen möchte und in preußischer Disziplin voranmarschiert. Dumm nur, dass kaum einer folgt. Selbst unser treuer Verbündeter Frankreich steht mit beiden Füßen auf der Bremse und möchte nicht annähernd so viele Flüchtlinge aufnehmen wie der teutonische Nachbar.

Doch solche Details interessieren nicht, die große Koalition scheint wie besoffen vom Lob der internationalen Presse. Deutschland, das vor kurzem noch als Zuchtmeister der Griechen auftrat, der jeden Cent dreimal umdrehte, erstrahlt plötzlich als gelobtes Land für die Verdammten dieser Erde. Binnen kürzester Zeit konnte sich die Bundesrepublik vom Buhmann zum Darling mausern. Selbst Wolfgang Schäuble, der mit der griechischen Linksregierung in nächtelangen Sitzungen ums Geld feilschte, äußert nun plötzlich die Ansicht, dass man in Sachen Flüchtlinge nicht so genau auf die Kosten schauen dürfe.

Dabei würde sich ein Blick auf die Kosten durchaus lohnen: Falls es bei 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr bleibt, dürften allein Unterbringung, Verpflegung und Gesundheitsversorgung mit etwa zehn Milliarden Euro zu Buche schlagen. Angesichts von tausenden Neuankömmlingen täglich darf man bezweifeln, ob das wirklich reicht – noch im Juli war von 450.000 Flüchtlingen und 5,6 Milliarden Euro die Rede. Hinzu kommt ein Vielfaches an sozialen Folgekosten: Laut Arbeitsministerin Nahles gehört nur jeder zehnte Flüchtling zu den viel zitierten Fachkräften, auf die so viele Hoffnungen projiziert werden. Die meisten anderen werden jahrelang Sprachunterricht, Ausbildungen oder Studienplätze benötigen, bevor sie Steuern erwirtschaften könnten. Von der Integration der vielen Neuankömmlinge in ein freiheitlich-demokratisches Wertesystem ist dabei noch gar nicht die Rede. Ein Fünftel der Einwanderer sind übrigens komplette Analphabeten, was sie automatisch auf Jahre zum Sozialfall machen dürfte.

Der gegenwärtige Aufschwung ist ein Resultat mühevoller Reformen, selbst die schwarze Null war in Sicht. Arbeitnehmer haben dafür zwei Jahrzehnte lang mit stagnierenden Nettoreallöhnen bezahlt, auch im sozialen Bereich waren harte Einschnitte zu verkraften. Noch vor wenigen Monaten diskutierte Deutschland über den Abbau der kalten Progression, eine verdiente Dividende für die Mittelschicht. Auch die Infrastruktur bröckelt – viele Straßen, Brücken und Schulen müssten dringend saniert werden. All das steht nun auf der Kippe weil die Bundesregierung es sich in den Kopf gesetzt hat, im Alleingang die Welt zu retten.

Es hat sich im Nahen Osten herumgesprochen, dass Deutschland einfach jeden aufnimmt und dabei nicht lang fragt, ob es sich um Syrer in Not, Wirtschaftsflüchtlinge mit gefälschten Pässen oder sogar IS-Kämpfer handelt. Weitere Millionen Menschen dürften sich in naher Zukunft ermutigt fühlen, gen Europa aufzubrechen – die Büchse der Pandora ist geöffnet. In Syrien und im Irak wird Merkel inzwischen als „Mutter aller Gläubigen“ gefeiert. Als Kanzlerin Deutschlands in einem vereinten Europa wäre es jedoch ihre Pflicht, den ungebremsten Zustrom gemeinsam mit unseren Nachbarländern unverzüglich zu stoppen. Andernfalls könnte die wunderbare Idee der offenen Grenzen in Europa sehr bald schon dem nationalen Gutmenschenkomplex Deutschlands zum Opfer fallen.

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  12.09.2015

Seit Januar 2014 ist die sog. „Dublin III“-Verordnung in Kraft. Diese bestimmt, dass derjenige Mitgliedsstaat, in dem eine geflüchtete Person erstmals europäisches Territorium betritt, das Asylverfahren durchführen muss. Mitgliedstaaten, in denen diese Verordnung unmittelbar geltendes Recht ist, sind alle Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein.

Geltendes Recht ist auch das bundesdeutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach § 14 AufenthG ist die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass, Passersatz oder Aufenthaltstitel nicht besitzt. Verstöße gegen diese Vorschrift sind strafbar (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstafe).

In einer Phase, in der das Dublin-Abkommen ihrer Einschätzung nach nicht mehr funktioniert, greift Kanzlerin Merkel jetzt beherzt zur Selbstjustiz. Sie hat am vergangenen Wochenende das Dublin-Abkommen ohne parlamentarische Billigung oder sonstige rechtliche Befugnis im Alleingang außer Kraft gesetzt, um 20.000 Flüchtlingen aus Ungarn den Zugang nach Deutschland zu eröffnen. Das wurde als „einmalige humanitäre Aktion“ bezeichnet. Man mag die Tat als „humanitäre Aktion“ erachten. Oder daran Zweifel haben.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_one_woman_show_erlaubt_ist_was_die_kanzlerin_anordnet

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Seit Januar 2014 ist die sog. „Dublin III“-Verordnung in Kraft. Diese bestimmt, dass derjenige Mitgliedsstaat, in dem eine geflüchtete Person erstmals europäisches Territorium betritt, das Asylverfahren durchführen muss. Mitgliedstaaten, in denen diese Verordnung unmittelbar geltendes Recht ist, sind alle Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein.

Geltendes Recht ist auch das bundesdeutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach § 14 AufenthG ist die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass, Passersatz oder Aufenthaltstitel nicht besitzt. Verstöße gegen diese Vorschrift sind strafbar (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstafe).

In einer Phase, in der das Dublin-Abkommen ihrer Einschätzung nach nicht mehr funktioniert, greift Kanzlerin Merkel jetzt beherzt zur Selbstjustiz. Sie hat am vergangenen Wochenende das Dublin-Abkommen ohne parlamentarische Billigung oder sonstige rechtliche Befugnis im Alleingang außer Kraft gesetzt, um 20.000 Flüchtlingen aus Ungarn den Zugang nach Deutschland zu eröffnen. Das wurde als „einmalige humanitäre Aktion“ bezeichnet. Man mag die Tat als „humanitäre Aktion“ erachten. Oder daran Zweifel haben.

Ohne jeden Zweifel ist sie ein eindeutiger Rechtsbruch der Regierungschefin. Angela Merkel hat das in Deutschland geltende Recht der „Dublin III“-Verordnung ignoriert. Sie hat damit auch möglich gemacht, dass zigtausend Flüchtlinge sich in Deutschland durch Verstoß gegen das AufenthG strafbar machen.

Der britische Politologe Anthony Glees hat Deutschlands Vorgehen in der Flüchtlingskrise als “undemokratisch” kritisiert. Im DLF sagte er, Berlin habe sich mit der Entscheidung, die in Ungarn gestrandeten Migranten aufzunehmen, nicht an EU-Regeln gehalten. In Großbritannien herrsche der Eindruck, die Deutschen hätten den Verstand verloren. “Man mag über Ungarn denken, was man will. Aber wenn Deutschland sich nicht an die Regeln hält, fällt die ganze EU auseinander”, sagte Glees. Deutschland gebe sich im Moment als “Hippie-Staat, der nur von Gefühlen geleitet wird”. Und von einer Kanzlerin, die Allmachtsphantasien zu hegen scheint.

Merkel hat mit ihrer populistischen Affekthascherei den Boden unserer verfassungsmäßigen Ordnung und unseres Rechtsstaates verlassen. Wenn die Regierungschefin eines demokratischen Rechtsstaates sich im Alleingang über Recht und Gesetz hinwegsetzt, ist das ein beispielloser Vorgang.

Dienstanweisung zur Strafverteitelung im Amt

Polizisten in Hamburg, deren Aufgabe die Bekämpfung und Verhinderung von Straftaten ist, werden jetzt, als Folge des Merkelschen Alleingangs, dienstlich genötigt, wegzuschauen. Ein fatales Signal. Dies geht aus dem Schreiben des persönlichen Referenten des Hamburger Innensenators Neumann hervor, mit dem die Polizeibeamten der Hansestadt angewiesen werden, Verstöße von aus Ungarn stammenden Flüchtlingen gegen das AufenthG nicht zu verfolgen, um „Irritationen und Handlungsunsicherheiten“ zu vermeiden. Weiter ist in dieser mail zu lesen:

„Die aus Ungarn über Österreich eingereisten Flüchtlinge sind mit Wissen und Billigung der Bundesregierung und der Länder eingereist. Eine solche pauschal erlaubte Einreise ist im Gesetz zwar nicht vorgesehen; die eingereisten Flüchtlinge verfügen auch nicht über das eigentlich erforderliche Visum. Gleichwohl ist die Billigung durch die Bundesregierung eine Erlaubnis sui generis, die das Tatbestandsmerkmal der unerlaubten Einreise ausschließt.“

Mit welcher Dreistigkeit hier Gesetzesverstöße zwar eingeräumt („…im Gesetz zwar nicht vorgesehen…“), diese aber mit einem Federstrich als irrelevant erklärt werden, weil sie von der Bundesregierung stammen („…Gleichwohl ist die Billigung…eine Erlaubnis sui generis…“), zeigt ein Rechtsverständnis, das eines politischen Beamten unwürdig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der gesamte Hamburger Polizeiapparat derart rechtswidrig gleichschalten lässt.

Der nachstehende Absatz (kursiv) wurde nach Eingang der Stellungnahme des Autoren der mail ergänzt:

Auf Anfrage bestätigte der Autor, Hauke Carstensen, die Authentizität der mail. Weiter:

„Es handelt sich bei den Inhalten weder um eine Anweisung noch Vollzugsinformation für die Hamburger Polizei!! Der Inhalt zielt vielmehr auf eine genaue Prüfung durch die Polizei zur dargelegten Thematik ab. Dieser Kontext liegt Ihnen offensichtlich nicht vor. Die Inhalte meiner Mail wurden absprachegemäß für eine formal-juristische Prüfung durch das Justiziariat der Polizei („P/J“) und die Staatsanwaltschaft Hamburg zum Gegenstand gemacht, um hier Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Prüfung dazu ist seit dem 08.09. bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig; eine Stellungnahme steht mithin noch aus.

Der von ihnen zitierte Passus der Behörde für Inneres und Sport u.a. ‚Erlaubnis sui generis’ erfolgte in Anlehnung an Verfahrensweisen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ausländerrechtlichen Angelegenheiten, die nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen…“.

Diese Ausführungen versuchen einen Text umzudeuten und umzuerklären, den man nicht umdeuten und umerklären kann. Heisst es doch in der ursprünglichen mail glasklar, dass das Justiziariat der Polizei „im Auftrage der Behördenleitung ersucht (wird), diese Kernaussage im Rahmen einer adressatengerechten Vollzugsinformation im Hause P zu steuern“. Die Kernaussage ist die rechtliche Einschätzung, dass der Rechtsbruch von Bund und Ländern eine Erlaubnis sui generis (eigener Art) sei, die es ausschließe, dass die Ungarn-Flüchtlinge eine unerlaubte Einreise begehen und die „Polizeivollzugsbeamten“ diese nicht zu verfolgen haben. Welche Relevanz eine angebliche Praxis von „Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ausländerrechtlichen Angelegenheiten“ (Ausländerbehörde) für die Polizei bei dem Vorgehen gegen Straftaten haben soll, erschließt sich gleichfalls nicht.

Wäre ich Polizeibeamter in Hamburg, würde ich mir auch genau überlegen, ob ich einer solchen Aufforderung zur Strafvereitelung im Amt tatsächlich Folge leiste oder ob die Erosion unseres Rechtsstaates vielleicht doch noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass die Ahndung einer solchen Straftat nicht zu befürchten ist. Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 258 StGB).

Auf die ihm um 13.03 Uhr zugegangene Bitte um Stellungnahme bis 17.00 Uhr hat der Referent des Innensenators nicht reagiert.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2015

Update, um 19:10 ging hier die folgende Stellungnahme des Referenten des Innensenators ein:

Sehr geehrter Herr Steinhöfel,

vielen Dank für die Zusendung Ihrer Mail und den damit verbundenen Nachfragen. Es war mir leider nicht möglich, Ihnen zeitnaher zu antworten.

Zu Ihren Fragen:
Ja, diese Mail ist authentisch und weist mich richtigerweise als Absender aus.

Es handelt sich bei den Inhalten weder um eine Anweisung noch Vollzugsinformation für die Hamburger Polizei!!
Der Inhalt zielt vielmehr auf eine genaue Prüfung durch die Polizei zur dargelegten Thematik ab. Dieser Kontext liegt Ihnen offensichtlich nicht vor.
Die Inhalte meiner Mail wurden absprachegemäß für eine formal-juristische Prüfung durch das Justiziariat der Polizei („P/J“) und die Staatsanwaltschaft Hamburg zum Gegenstand gemacht, um hier Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Die Prüfung dazu ist seit dem 08.09. bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig; eine Stellungnahme steht mithin noch aus.

Der von ihnen zitierte Passus der Behörde für Inneres und Sport u.a. „Erlaubnis sui generis“ erfolgte in Anlehnung an Verfahrensweisen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ausländerrechtlichen Angelegenheiten, die nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen und wurde aus dem zuständigen Ressort A 2 (wie in meiner Mail beschrieben: „A20“) beigetragen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit mehr Klarheit in den Sachverhalt bringen.

 

http://www.steinhoefel.de/blog/2015/09/hamburger-polizei-wird-schriftlich-zur-strafverteitelung-angewiesen.html

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Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

Psychoanalytische Arbeitsstation

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!

Be patient, work hard, follow your passions, take chances and don’t be afraid to fail.
I think for food

molon labe

Die Umwälzung nach 1945  führte nicht zur Überwindung des Nationalsozialismus  als Ideologie der deutschen Volksgemeinschaft, sondern rief lediglich die eitle Illusion hervor, daß mit der Kritik am Nationalsozialismus das nationalsozialistische Dünken selbst und seine innere Konflikthaftigkeit mit dem Judentum überwunden sei.

„Wie es Tatbestände gibt, die die Sinne in die Irre führen, wie im Fall der optischen Täuschung, so gibt es welche, die die unangenehme Eigenschaft haben, dem Intellekt Schlüsse zu suggerieren, die gleichwohl falsch sind.“ – Christoph Türcke

Das Geschlecht ist ein sozialer Konstrukt? Berg, Tal, See und das Meer auch!

Bereits Marx diagnostizierte den Deutschen das Umkippen von Ideologie in Wahn und Lüge. Wie gegenwärtig der Fall ist, neigen die Deutschen zu Ausbrüchen des kollektiven Wahns, der Massenpsychose mit zunehmendem Realitätsverlust.
Der Wahn ist kurz, die Reue lang, pflegte meine Großmutter zu sagen.

Nach dem I. Psychosputnik-Gesetz verwandelt sich der frei florierende Zynismus ab gewissem Verdichtungsgrad seiner Intensität in hochprozentige Heuchelei, analog zu einer atomaren Kernschmelzereaktion. Diesen Prozess der zunehmenden Zynismuskonzentration mit anschliessender Explosion der Heuchelei kann man sehr deutlich gegenwärtig in Deutschland beobachten. Das Denken ist weggeblasen, pulverisiert, das (Hoch)Gefühl ist voll an seine Stelle getreten.

»Indem (der gesunde Menschenverstand) sich auf das Gefühl, sein inwendiges Orakel, beruft, ist er gegen den, der nicht übereinstimmt, fertig; er muß erklären, daß er dem weiter nichts zu sagen habe, der nicht dasselbe in sich finde und fühle; – mit anderen Worten, er tritt die Wurzel der Humanität mit Füßen. Denn die Natur dieser ist, auf die Übereinkunft mit anderen zu dringen, und ihre Existenz nur in der zustande gebrachten Einheit der Bewußtseine. Das Widermenschliche, das Tierische besteht darin, im Gefühle stehenzubleiben und nur durch dieses sich mitteilen zu können.« – G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes

„Die Verschleierung eigener Positionen durch Zitate und Zitatselektion dient dazu, eigene Positionen unkenntlich zu machen.“ – Ursula Kreuzer-Haustein

„Die Neurose ist das Wappen der Kultur.“ – Dr. Rudolf Urbantschitsch, Seelenarzt; „Sehr schön, aber es laufen derzeit schon weit mehr Heraldiker als Adelige herum.“ – Karl Kraus, Schriftsteller
Von oben hat man bessere Aussicht.

„Zuerst verlieren die Menschen die Scham, dann den Verstand, hernach die Ruhe, hierauf die Haltung, an der vorletzten Station das Geld und zum Schluß die Freiheit.“ – Karl Kraus

„Ausbeutung heißt Beute machen, sich etwas durch Gewalt aneignen, was nicht durch eigene Arbeit geschaffen wurde, sich etwas nehmen, ohne Gleichwertiges zurückzugeben – Maria Mies

»Die Psychoanalyse ist eine Panne für die Hierarchie des Denksystems« – Pierre Legendre

Psychoanalyse entwickelt sich nicht weiter, weil sie nicht angewandt wird, es wird nur über sie gesprochen.

»Sie wissen, daß der Kampf des wissenschaftlichen Geistes gegen die religiöse Weltan­schauung nicht zu Ende gekommen ist, er spielt sich noch in der Gegenwart unter unseren Augen ab … Die erste Einwendung, die man hört, lautet, … die Wissenschaft ist zur Be­urteilung der Religion nicht zuständig. Sie sei sonst ganz brauchbar und schätzenswert, solange sie sich auf ihr Gebiet beschränkt, aber die Religion sei nicht ihr Gebiet, da habe sie nichts zu suchen … Die Religion darf nicht kritisch geprüft werden, weil sie das Höch­ste, Wertvollste, Erhabenste ist, was der menschliche Geist hervorgebracht hat, weil sie den tiefsten Gefühlen Ausdruck gibt, allein die Welt erträglich und das Leben lebenswür­dig macht … Darauf braucht man nicht zu antworten, indem man die Einschätzung der Religion bestreitet, sondern indem man die Aufmerksamkeit auf einen anderen Sachver­halt richtet. Man betont, daß es sich gar nicht um einen Übergriff des wissenschaftlichen Geistes auf das Gebiet der Religion handelt, sondern um einen Übergriff der Religion auf die Sphäre des wissenschaftlichen Denkens. Was immer Wert und Bedeutung der Religion sein mögen, sie hat kein Recht, das Denken irgendwie zu beschränken, also auch nicht das Recht, sich selbst von der Anwendung des Denkens auszunehmen … Eine auf die Wissen­schaft aufgebaute Weltanschauung hat außer der Betonung der realen Außenwelt wesent­lich negative Züge, wie die Bescheidung zur Wahrheit, die Ablehnung der Illusionen« (Freud, 1933, S. 182 ff. und S. 197).

„Freuds »Religions«-Kritik galt den »Neurosen« genannten Privatreligionen (Heiraten, romantische Liebe, Gier, Ethik und Moral, etc. Anm. JSB) ebenso wie den kollektiven (Nation, Gutmenschen, Sport, etc. Anm. JSB);“ – Helmut Dahmer

Freud prognostizierte, die bestehende Gesellschaft werde an einem Übermaß nicht absorbierba­rer Destruktivität zugrundegehen. (sofern nicht »Eros« interveniere (Eros ist nicht Ficken, sondern Caritas. Anm. JSB)).

„Wer dem Kult der »Werte« frönt, kann unsanft erwachen, wenn im Kampf der Klassen und Parteien, von dem er sich fernhält, Gruppen obsiegen, auf deren Pro­gramm eine »Umwertung der Werte«, z. B. die Aufwertung von »Un­werten« steht.“ – Helmut Dahmer

»Hinsichtlich der allgemeinen nervlichen Belastung wirkte die Lage im Dritten Reich auf den psychischen Zustand des Volkes ziemlich ambivalent. Es unterliegt kaum einem Zwei­fel, daß die Machtergreifung zu einer weitverbreiteten Verbesserung der emotionalen Ge­sundheit führte. Das war nicht nur ein Ergebnis des Wirtschaftsaufschwungs, sondern auch der Tatsache, daß sich viele Deutsche in erhöhtem Maße mit den nationalen Zielen identifizierten. Diese Wirkung ähnelte der, die Kriege normalerweise auf das Auftreten von Selbstmorden und Depressionen haben. (Das Deutschland der Nazizeit verzeichnete diese Erscheinung zweimal: nämlich 1933 und 1939.) Aber gleichzeitig führte das intensi­vere Lebensgefühl, das von der ständigen Stimulierung der Massenemotionen herrührte, auch zu einer größeren Schwäche gegenüber dem Trinken, Rauchen und Vergnügungen« – Richard Grunberger

Von Anfang an hat­te Hitlers Regime auch den Anstrich der Rechtmäßigkeit

„Die psychiatrischen Truppen der »kaiserlichen deutschen Psychiatrie« (Alexander und Selesnick, 1966, S. 214) jedoch, die 1914 ins Feld zogen, bekriegten immer noch die Krankheit, den äußeren Eindringling in ein gesundes System, und nicht die Neurose, das innere Ungleichgewicht zwischen Psychodynamik, Umwelt und Geschichte.“ – Geoffrey C. Cocks (Diese Einstellung herrscht bis heute in der deutschen Psychotherapie und findet explosionsartige Vermehrung im KOnzept der sog. „Traumatisierung“. Anm- JSB)

Der Plural hat kein Geschlecht.

„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ -Albert Einstein

„Der psychoanalytische Bei­trag zur Sozialpsychologie der jüngsten Vergangenheit (und Gegenwart Anm.JSB) und ihrer Verar­beitung ist heute ebenso unerwünscht wie die Libidotheorie zu Anfang des Jahrhunderts.“ – I.Kaminer

»Ein böses und nur durch Unkenntnis gerechtfertigtes Mißverständnis ist es, wenn man meint, die Psychoanalyse erwarte die Heilung neurotischer Beschwerden vom >freien Ausleben< der Sexualität. Das Bewußtmachen der verdrängten Sexualgelüste in der Analyse ermöglicht vielmehr eine Beherrschung derselben, die durch die vorgängige Verdrängung nicht zu erreichen war. Man kann mit mehr Recht sagen, daß die Analyse den Neurotiker von den Fesseln seiner Sexualität befreit.« – Sigmund Feud, Gesammelte Schriften«, Band XI, S. 201 ff.)

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Dummheit äußert sich heute als empörter Moralismus.

Liebe: nur bestenfalls eine Mutter akzeptiert ihr Kind, so wie es ist, ansonsten muß man Erwartungen anderer erfüllen, um akzeptiert zu werden.

Früher galt als mutig, wer ein Revolutionär war, heute reicht es schon, wenn einer seine Meinung behält.

“Jeder fünfte Bewohner des Westjordanlandes ist ein israelischer Siedler”, greint die Generaldelegation Palästinas heute auf ihrer Homepage.
Und jeder fünfte Bewohner Israels ist ein palästinensischer Araber.
So what?

Werte ohne Einfühlungsvermögen sind nichts wert.

Manche Menschen fühlen physischen Schmerz, wenn sie ihre gewohnten Vorstellungen zugunsten der Realität korrigieren sollen, sie wenden ihre gesamte Intelligenz mit Unterstützung ihrer Agressivität auf, um die Realität nicht zu erkennen und ihr Selbstbild unverändert beizubehalten.

Immer mehr fühlen, immer weniger denken – Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht durch Gefühle, denn Säugetiere haben die gleichen Gefühle, wie der Mensch: Trauer, Angst, Wut, Liebe, sondern durch sein Denken. Wenn er denkt, falls er denkt.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

„Sagen Sie meiner Mutter nicht, daß ich in der Werbung arbeite. Sie denkt, ich bin Pianist in einem Bordell.“ – Jacques Seguela

BILD: FAZ für Hauptschüler

Wer „ich will frei sein“ sagt, und es sagen viele, der ist ein Idiot. Denn das höchste was der Mensch als Freiheit haben kann, ist die Freiheit, seine Pflicht frei zu wählen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Nonkonformistische Attitüde und affirmative Inhalte – einer Kombination, die schon immer die linksdeutsche Ideologie gekennzeichnet hat. – Stephan Grigat

Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein soziales Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein soziales Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .

Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.

„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.

Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären Staat.

„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die

vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das

lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die

Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße

Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der

vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision

endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,

ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)

„Historische Wahrheit wird nach dem Modell von Meinungsumfragen vorgestellt;

kein Sample jedoch wird je repräsentativ genug sein,

um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.

Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der

Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu

scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der

allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn

Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.

 Der Himmel, wenn er sich schon öffnet, zitiert sich am liebsten selbst. 

Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Aus Deutschland erreicht mich „tiefe Sorge um den Friedensprozess“. Vorsicht: Wo ist es im Nahen und Mittleren Osten derzeit so friedlich und vergleichsweise gewaltarm wie in Israel? Wo leben Araber derzeit sicherer als in Israel? Wo haben sie besseren Zugang zu Bildung, Arbeit, Konsum und medizinischer Versorgung? – Götz Aly

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten. Es sind Sozio-, Pädago- und Psychokratien, Rackets, die Erkenntnis nicht fördern, sondern verhindern.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

Deutschland gestern: der Wille zur Macht.
Deutschland heute: der Wille zur Verblendung.
Deutschland morgen: 德國

Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.

Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.

Smart phones for stupid people.

Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.

Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?

Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.

Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.

Islamisierung bedeutet Verblödung.

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es  muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann. (…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.  (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.  (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)  (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.  (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann

„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer

„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
„Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus.  (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann

„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit.
Am Schluss Gleichmacherei.
Ihr seid aber nicht alle gleich.
Noch nie wart ihr alle gleich.
Ihr lasst es euch aber einreden.
So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander.
Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben.
Weil ihr tatsächlich alles verwechselt.
Behauptungen mit Beweisen.
Gerechtigkeit mit Maß.
Religion mit Moral.
Desinteresse mit Toleranz.
Satire mit Häme.
Reform mit Veränderung.
Nachrichten mit Wirklichkeit.
Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung.
Ihr habt die Maßstäbe verloren.
Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.

Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …

Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen.
Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf.
Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln.
Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken.
Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.

Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch.
Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“– Hans Dieter Hüsch

Es gibt zweierlei Ethik: die moralische, der die Realität egal ist und die der Verantwortung, die reale Folgen der ethischen Forderungen berücksichtigt. Die erste ist gut gemeint, die zweite ist gut gemacht.

Was dem einen seine Souveränität, ist dem anderen seine Eigenmächtigkeit.

Das Schöne am Euro war, dass die Gewinner immerzu gewinnen konnten, ohne dass ihnen gleich die Quittung präsentiert wurde. Denn sie verdienen ja am Ausland, was heißt, eigentlich ein im Maße des Verdienens zunehmend schlechtes Geld – das ist durch den Euro aufgehoben worden: Man konnte ständig an einer anderen Nation verdienen, ohne dass das Geld dieser Nation darunter gelitten hat, weil sie gar kein eigenes hat. Der Wert dieses Geldes repräsentiert nicht die Leistungsfähigkeit dieser Nation. So hat der Euro von dem innereuropäischen Verdienen aneinander sogar noch gelebt; er hat vor der Krise absurderweise nur den Konkurrenzerfolg der Gewinner repräsentiert.

— Das ist ja mit der Idylle charakterisiert. Dass zunächst mal alle Seiten Gewinner des neu eingeführten Euro waren. Auch die, die ihre vergleichsweise Weichwährung gegen den Euro getauscht haben und damit auf einen Schlag Kredit zu ganz anderen Konditionen und Möglichkeiten hatten. Insofern waren die späteren Verlierer erst mal auch Gewinner.

Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)

Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an. Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand: Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –

 Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus. Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS

„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl

„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)

„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“  – Max Horkheimer

 

„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten

Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.

„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht

Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.

„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch­ sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk

„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk

„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno

„Ich bin eine Feministin. Das bedeutet, daß ich extrem stark behaart bin und daß und ich alle Männer haße, sowohl einzelne als auch alle zusammen, ohne Ausnahmen.“Bridget Christie

„Die Tragödie isolierter persönlicher Leidenschaften ist für unsere Zeit zu fade. Aber weshalb? Weil wir in einer Epoche der sozialen Leidenschaften leben. Die Tragödie unserer Epoche ist der Zusammenstoß der Persönlichkeit mit dem Kollektiv.“ –  LeoTrotzki 1923

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Stupidity manifests itself as outraged moralism

Love: only, and not always, a mother loves her child, just as it is, otherwise you have to meet the expectations of others, to be accepted.

Values without empathy are worth nothing

Some people feel physical pain when they should correct their accustomed ideas in favor of reality, they turn all their intelligence with the support of their aggression, for not to recognize the reality and maintain their self-image

More and more feel, think less and less Man does not differ from animals by feelings, because mammals have the same feelings, like man, sadness, fear, anger, love, but by his thought. When he thinks, if he thinks.

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

They are the same who claim the sex/gender would not be biologically innate, but only a social construct, and at the same time that homosexuality was not a social construct, but biologically innate.

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

„There are two things,“ said Hitler in 1923, „which can unite people: common ideals and common crime“

After the violent termination of Murder by the Allies were the German (and have remained so to this day) more german than before.

The depraved human creature, the more she feels insulted, disrespected, offended in their honor.

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

Heroes of today know nothing, can not and do not want anything. They just look like heroes, that’s all.

It may be that early fathers ate their children. Today, the mothers will eat anything, fathers, children and the rest. Everything Mommy, anyway!

Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow:

German psychoanalysis? Great, like German charm, German humor and German wit.

The resistance starts with its own language other than that of the dictatorship.

Smart phones for stupid people.

A leftist can, but do not have to be stupid.

If you do not blame states, when they commit suicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149 dead?

Only the purity of the means justify the end.

A German is a person who can speak no lie, without actually believe Adorno

„Reason and rationality are chance-less than ever in this totally mediatised world. An unpleasant type Sniperterrorized society. His current weapon: The phobia accusation.“ – Bettina Röhl
„A Shitstorm has also its positive side. As politically correct manure it is usually thrown in the direction of originality, creativity and intelligence, she flies often to people who are really worth to read.“ Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out,  only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
PostPop era: the triumph of fashion over the morals.
„We need damaged buildings, so you can see through their cracked walls to win at least one viewpoint to start to begin to think. Victor Tausk
„What good is health if you are an idiot then?“ – Theodor Adorno
„What one must be judged by, scholar or no, is not particularised knowledge but one’s total harvest of thinking, feeling, living and observing human beings.“ (…) „While the practice of poetry need not in itself confer wisdom or accumulate knowledge, it ought at least to train the mind in one habit of universal value: that of analysing the meanings of words: of those that one employs oneself, as well as the words of others. (…) what we have is not democracy, but financial oligarchy. (…) Mr. Christopher Dawson considers that “what the non-dictatorial States stand for today is not Liberalism but Democracy,” and goes on to foretell the advent in these States of a kind of totalitarian democracy. I agree with his prediction. (…) That Liberalism is something which tends to release energy rather than accumulate it, to relax, rather than to fortify. (…) A good prose cannot be written by a people without convictions. (..) The fundamental objection to fascist doctrine, the one which we conceal from ourselves because it might condemn ourselves as well, is that it is pagan. (..) The tendency of unlimited industrialism is to create bodies of men and women—of all classes—detached from tradition, alienated from religion and susceptible to mass suggestion: in other words, a mob. And a mob will be no less a mob if it is well fed, well clothed, well housed, and well disciplined. (…) The rulers and would-be rulers of modern states may be divided into three kinds, in a classification which cuts across the division of fascism, communism and democracy. (…) Our preoccupation with foreign politics during the last few years has induced a surface complacency rather than a consistent attempt at self-examination of conscience. (…) What is more depressing still is the thought that only fear or jealousy of foreign success can alarm us about the health of our own nation; that only through this anxiety can we see such things as depopulation, malnutrition, moral deterioration, the decay of agriculture, as evils at all. And what is worst of all is to advocate Christianity, not because it is true, but because it might be beneficial. (…) To justify Christianity because it provides a foundation of morality, instead of showing the necessity of Christian morality from the truth of Christianity, is a very dangerous inversion; and we may reflect, that a good deal of the attention of totalitarian states has been devoted, with a steadiness of purpose not always found in democracies, to providing their national life with a foundation of morality—the wrong kind perhaps, but a good deal more of it. It is not enthusiasm, but dogma, that differentiates a Christian from a pagan society.“ (…)  It would perhaps be more natural, as well as in better conformity with the Will of God, if there were more celibates and if those who were married had larger families. (…) We are being made aware that the organisation of society on the principle of private profit, as well as public destruction, is leading both to the deformation of humanity by unregulated industrialism, and to the exhaustion of natural resources, and that a good deal of our material progress is a progress for which succeeding generations may have to pay dearly. I need only mention, as an instance now very much before the public eye, the results of “soil-erosion”—the exploitation of the earth, on a vast scale for two generations, for commercial profit: immediate benefits leading to dearth and desert. I would not have it thought that I condemn a society because of its material ruin, for that would be to make its material success a sufficient test of its excellence; I mean only that a wrong attitude towards nature implies, somewhere, a wrong attitude towards God, and that the consequence is an inevitable doom. For a long enough time we have believed in nothing but the values arising in a mechanised, commercialised, urbanised way of life: it would be as well for us to face the permanent conditions upon which God allows us to live upon this planet. And without sentimentalising the life of the savage, we might practise the humility to observe, in some of the societies upon which we look down as primitive or backward, the operation of a social-religious-artistic complex which we should emulate upon a higher plane. We have been accustomed to regard “progress” as always integral; and have yet to learn that it is only by an effort and a discipline, greater than society has yet seen the need of imposing upon itself, that material knowledge and power is gained without loss of spiritual knowledge and power. “ – T.S.Eliot
“I am a feminist. All this means is that I am extremely hairy and hate all men, both as individuals and collectively, with noexceptions.” – Bridget Christie

Gehorsam ohne Befehl – Vom Tellerwäscher zum Außenminister

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Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ / „If you want to lead the people, you are forced to follow the mob Oscar Wilde
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„Vom Altern der antideutschen Kritik“ von Clemens Nachtmann

Und noch ein Vortrag, diesmal mit noch größerer Verzögerung: Am 14. Februar 2013 referierte der Bahamas-Redakteur Clemens Nachtmann in Göttingen über Geschichte und Gegenwart der antideutschen Kritik – was war von Anfang an falsch; was wurde von der Geschichte überholt; und wo liegt die Wahrheit einer Kritik an Deutschland, wie sie heute aktuell ist? Hier ein Mitschnitt der Veranstaltung.

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Mein Thema wird also das Altern antideutscher Kritik sein und ich werde mich dabei hauptsächlich auf den Text beziehen, der vor einigen Nummern in der Bahamas erschienen ist und in verbesserter und etwas erweiterter Form in diesem Büchlein, das Stefan Grigat herausgegeben hat, „Postnazismus revisited“ wieder abgedruckt wurde. Dieser Text ist ziemlich lang und er ist ziemlich lang auch deshalb, weil er Fährten zu allen möglichen Themen legt und ich werde mich auf das beziehen, was Tilman eben schon angesprochen hat, ein bisschen Bilanz zu ziehen, was ja quasi die Grundanlage dieses Textes auch ist. Was ist eigentlich aus der antideutschen Kritik geworden, jener Kritik, die das erste Mal um 1989/90 formuliert wurde und die entsprechenden Bündnisse und Gruppen, die daraus entstanden sind, sich überworfen haben und diese ganzen Geschichten, die sich darum ranken.

Vom Altern antideutscher Kritik den Titel. Der Titel ist sowohl ironisch gemeint, als auch ernst gemeint. Ironisch deswegen, weil das eine Anspielung ist auf den Aufsatz Adornos von 1954 vom Altern der neuen Musik, den sein Freund und Kollege, der Musiktheoretiker Heinz-Klaus Metzger daraufhin konterte mit einem Aufsatz vom Altern der Philosophie der neuen Musik, entspann sich da eine ganze lebhafte Diskussion.

Das Altern der antideutschen Kritik spielt natürlich auf die Überlegung an, dass jede Wahrheit einen Zeitkern hat, dass die Wahrheit einen Zeitkern hat. Dass es jede Analyse, jede Kritik selbstverständlich hat, könnte man jetzt ganz einfach nach dem üblichen Wirtschaftsusus so beantworten, eine Theorie ist etwas wie eine Hypothese, die durch bestimmte Ereignisse, durch bestimmte Erfahrungen, durch bestimmte Fakten gestützt und wenn sich der Gegenstand verändert hat, dann passt man seine Hypothesen der veränderten Realität an, man falsifiziert sozusagen die Hypothese. Dagegen erhebe ich Einspruch in diesem ersten Abschnitt dieses längeren Textest. Mein Einspruch zielt darauf hin, dass diese unterstellte Adäquanz von Begriff und Sache, als das beide sich decken müssen, das Ideal von Theorie, von Theorie auch in ihre institutionell diskreten Form der Wissenschaft ist. Also das Ideal von Theorie, dass eine Kritik eine materialistische Kritik bestimmt zu negieren, aber nicht zu erfüllen hat. Materialistische Kritik hat ihren Gegenstand nämlich nicht im Griff, sondern sie ist, wenn sie gelingt, Kraft exakter Fantasien über ihn hinaus und zwar indem sie ihn der Nichtidentität mit sich selbst überführt. Auf eine vermeintliche Inadäquatheit antideutscher Kritik abzuzielen oder abzuheben, wie es in dem Aufruf zu der Konferenz hieß, bei dem ich diesen Vortrag das erste Mal gehalten habe, diese prima Konferenz von 2010 „Wie scheiße ist Deutschland“, also auf eine vermeintliche Inadäquatheit antideutscher Kritik abzuheben führt, wie auf diesem Kongress damals auch festgestellt wurde, mit Notwendigkeit zu einer Art Normalisierungsdebatte, in deren Gefolge dann die alte Diskussion wieder aufgewärmt wird, ob denn nun die Kritik Deutschlands oder die Kritik des Kapitals primär sein. Zwei Positionen, die, wie bekannt sein sollte, leider einer ungebrochen positiven Wesensmetaphysik folgen, in der das Wesen, das nur verschiedenen genannt wird, als ein Kontinuierliches in der und durch die Geschichte und in allen Erscheinungen identisch sich Verhaltendes aufgefasst und damit verfehlt wird. Die Sorge, es könnte einem der Gegenstand antideutscher Kritik entgleiten, diese Sorge wäre begründet, wären die Antideutschen eine Bewegung und wäre ihr Agieren ein dezidiert Politisches, dann würde in der Tat das Verschwinden oder auch nur die Verundeutlichung ihres Gegenstandes sie mit Recht in eine letale Krise stürzen. Sind die Antideutschen dies aber nicht, sondern wie auch immer versprengte oder assoziierte Kritiker, dann wäre das Verschwinden des Gegenstands kein Anlass zur Sorge, sondern Grund zur ungeteilten Freude. Wie umgekehrt die Krise der Antideutschen Indiz sowohl für das wie auch immer beschaffene Fortdauern ihres Objekts, wie auch für die Virulenz der Kritik daran ist. Denn nicht obwohl, sondern weil die Kritik andauernd mit sich uneins ist, das heißt, in der Krise steckt, ist sie auch lebendig. Unter diesen Voraussetzungen ist jener politisierende Antiimperialismus gegen Deutschland, wie er gegen Ende 1989 aufkam und die antideutschen Debatten des Jahres 1990 prägte, durch die deutsche Realität unwiderruflich widerlegt, aber war in seinen Grundannahmen, ihr kennt das vielleicht und wenn ihr es nicht kennt, wiederhole ich es nochmal, es droht ein viertes Reich, Geschichtsrevisionismus im großen Stil. Mörderischer Rassismus und Antisemitismus, Unterdrückung der Opposition in einem autoritären oder gar faschistischen Staat. Also diese Grundannahmen waren auch damals schon nicht up to date und deshalb waren diese Annahmen damals bereits Gegenstand einer Kritik, die die terroristische Frage nach dem, was deutsch ist, auf materialistische Weise zu destruieren unternahm. Nochmal ein etwas tiefergehender Blick zurück in die Jahre 1989/90 im Wege der Deutschlandkampagne:

Maßgeblich getragen war sie von der sogenannten radikalen Linken, die mit einer Kritik der Nation oder mit der Kritik Deutschlands ursprünglich gar nichts zu tun hatte, sondern ein Versuch von bei den Grünen grandios gescheiterten Linken war, rangfordernd damals Thomas Ebermann und Reiner Trampert, die also grandios gescheitert waren und ein Versuch war, übergangslos einen neuen Verein zu gründen, eine neue bessere eben radikale Linke. Der Form war die radikale Linke, kann man sagen, ein großer protestantischer Kirchentag, wo von der theoretischen Marxbibelandacht über die antiimperialistische Selbstgeiselung bis zu feministisch ökologisch antirassistischen behindert orientierten Workshops alles geboten wurde, was politikfähig ist und als neues Identitätsvehikel nutzbar gemacht werden konnte. Man kann ohne große Übertreibung sagen, dass das Ende der DDR und die bevorstehende Wiedervereinigung ein Glücksfall für die sogenannten systemoppositionellen Kräfte war, wie sie sich damals nannten. Plötzlich war die dämlich mit sich selbst beschäftigte Linke in eine Situation katapultiert, in der sie Farbe bekennen musste, wollte sie sich nicht gleich wieder unredbar blamieren. Nie wieder Deutschland war unter diesen Voraussetzungen als Parole eine gute Wahl und auch unter der Voraussetzung, dass diese Kampagne für viele ein bekenntnishaftes Selbstdarstellungstheater war, erlaubten die Umstände vielen Leuten kurzfristig über ihre geistigen Verhältnisse zu leben. Denn immer, wenn eine Krise eintritt und Leute aus ihrem gemütlichen Dasein gerissen und von ihren gewohnten Lebensumständen distanziert werden, haben sie die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen und Dinge zu denken oder zu tun, die sonst nicht mal in die Nähe ihrer Vorstellung kämen. Viele haben die Chance genutzt, manche nicht einmal das, wie sich bald herausstellte und selbst Erstere sind bald erschrocken davor zurückgewichen, die Kritik, die sie da eben zu formulieren begonnen hatten, bis in ihre letzten Konsequenzen zu durchdenken, sich ungescheut und offen dem zu exponieren, wohin diese Kritik Deutschlands qua eigener Logik treiben könnte.

Die blitzdumme Intervention im ersten Golfkrieg 1991 machte dies dann schlagend deutlich. Der üble Sprech war damals der, dass sich die Linken viel darauf einbildeten, dass sie theoretisch und praktisch aus der deutschen und linken Vergangenheit Lehren für die Gegenwart ziehen würden. Ja, früher, so hieß es, da sei man einer verkürzten Kapitalismuskritik, einem ökonomistischen Begriff des Kapitals aufgesessen. Vielleicht sind euch diese Phrasen auch immer noch bekannt, die haben ja nie wirklich aufgehört. So hieß es damals stereotyp: Aber jetzt sei das anders. Das stelle man doch gerade dadurch unter Beweis, dass man gegen Großdeutschland, gegen ein neues viertes Reich und den in ihm angeblich vorherrschenden rassistischen Konsens agitiere und auf die Straße gehe. Aber genau diese rituellen Selbstanklagen und der Gesinnungskitsch, der bereits um die „Nie wieder Deutschland“-Kampagne veranstaltet wurde. Ich erinnere an den ersten Entwurf eines Demoaufrufes für die zweite „Nie wieder Deutschland“-Demonstration, die war im November 1990 – der erste Entwurf wurde übrigens von einem gewissen Jürgen Elsässer formuliert – wohin es, das waren in verschiedene Überschriften auch noch gegliedert dieses Papier und das war immer ein Slogan und dann immer „– Wir widerstehen“ und der letzte Absatz hieß dann „Deutschland marschiert – Wir widerstehen!“. Dieser Gesinnungskitsch, der eher eines Pastor Niemöller würdig wäre aus einer antideutschen Kritik erweckte damals schon nicht nur bei mir den Verdacht, dass das, was unter der antideutschen Flagge segelte, von seiner Grundstruktur eben nicht viel anders war, als ein moralisch Seblstbezüglicher, aber nun gewissermaßen nach innen gewendeter, nach innen gekehrter Antiimperialismus und wenn man sich den Aufruf zur Frankfurter „Nie wieder Deutschland“-Demo vom 12. Mai 1990 durchliest, hieß es ja auch „Wir wollen kein Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, denn es ist ein Selbstbestimmungsrecht von Imperialisten“ und wie es sich für ein ordentlich dichotomisch strukturiertes, nach Gut und Böse eindeutig sortiertes Weltbild gehört, war die Kehrseite des moralischen Gezeters gegen Deutschland die Identifikation mit neuen Kollektiven. Jetzt waren es die Ausländer und besonders die nun mehr feinsinnig Migranten genannten Flüchtlinge, die in die Rolle eines neuen revolutionären Subjekts gedrängt wurden und teilweise diese Rolle auch ganz gerne übernahmen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an eine Vereinigung wie das Café Morgenland, das seine abstrusen Tiraden gegen deutsche Täter mit Vorliebe gegen ihre antideutschen Fürsprecher richtete, die sich aber die nahelegende Reaktion, dass die Morgenländer einem schlicht auf die Nerven gehen, aus schlechtem Gewissen und Rücksicht auf ihr neues Subjekt verkniffen. Wie dem auch sei, jedenfalls waren damals alle Argumentationsfiguren bereits versammelt, die heute in einer anders gelagerten politischen Praxis ihre wahre Bestimmung finden. Sei es, dass die Personen von damals oder diejenigen, die sich von ihnen haben inspirieren lassen, als Globalisierungsgegner weitermachen, wie immer nur schlimmer oder als Feuilletonschreiber oder als Kultur und Sozialwissenschaftler die Welt mit ihren Phrasen verpesten oder als Politikberater ihnen einredet, der gesellschaftlichen Vorfeldorganisation die Daseinsfristen für mittels welcher der Staat sich in die Gesellschaft hineinverlängert.

Damit nicht der Eindruck entsteht, das sei alles nur ein Nachgraben vom heutigen Standpunkt aus, möchte ich mich selber zitieren und zwar mit einem Ausschnitt aus einem Text der Bahamas Nummer 7, also aus der letzten Nummer, jener Nummern, die nicht mehr erhältlich sind, weil es nur so interne Zirkulare waren, ein Text, den ich 1991 geschrieben habe und in dem ich dieses Fazit formulierte:

Nie wieder Deutschland, das war nicht nur Motto einer Kampagne gegen das sich vereinigende Deutschland und Titel einer Demonstration im frühen 1990, sondern Ausdruck davon, dass Linke endlich einmal nicht das vermeintlich andere oder bessere Deutschland repräsentieren, sich also als Alternative empfehlen wollten, sondern den deutschen nationalen Aufbruch mit samt der Linken – ich sprach auch von einem deutschen nationalen Aufbruch damals, was ich heute auch nicht mehr tun würde, nur um mal darauf hinzuweisen – also den deutschen nationalen Aufbruch mitsamt der Linken, die diesen konstruktiv begleitete, schonungslos und destruktiv zu kritisieren beanspruchten. Seine Vernunft hatte „Nie wieder Deutschland“ daran, dass die radikalen Linken, die nicht erst mit der sich abzeichnenden Wiedervereinigung entstandene, sondern mit diesem Prozess nun auch noch empirisch unabweisbare epochale Tatsache ohnmächtig gegen den Rest der Gesellschaft zu stehen, keinerlei Chancen auf revolutionäre umwälzende Praxis zu haben, gerade nicht verleugneten, sondern diese Tatsache ins Bewusstsein nahmen und dieses realistische Selbstbewusstsein zur Grundlage ihres Agierens machten. Diese Kritik des deutschen nationalen Aufbruchs in all seinen Facetten ein sektiererisches und abgehobenes Verhalten das angeblich zur Untätigkeit und lebenslänglichem Aufenthalt auf den Bahamas verdamme – daher auch der Name unserer Zeitschrift – wie die linken Volksfreunde vorwurfsvoll meinten – der den Vorwurf erhob, verteidigt übrigens heute in der Weltbühne den Iran und sein Atomwaffenprogramm, das mal nur der Vollständigkeit halber – wie die linken Volksfreunde vorwurfsvoll meinten als Provokation des gesunden Volksempfindens auch und gerade des Linken, wie solche Reaktionen zeigten, eminent praktisch wurde. Diese Kritik war, ob explizit oder nicht, ein Bruch mit der althergebrachten linken Massen und Bewegungspolitik und der in ihr unterstellten Bemühung nicht um Wahrheit und das richtige Argument, sondern um den größtmöglichen Bündniskonsens. Es sei ja auch eine noch so offene Verhöhnung von Logik und Sprache. Ein Bruch mit einer Politik mithin mittels derer sich die Linke die Bewusstwerdung ihrer eigenen Ohnmacht über 20 Jahre lang vom Leibe gehalten hatte. Mittels „Nie wieder Deutschland“ ging es manch radikalem Linken auf, dass es nicht Aufgabe von Revolutionären sein kann, die Massen dort abzuholen, wo sie sind, wie das unsägliche Kinderverschen der Bewegungspolitiker lautet, sondern dass in Deutschland zumal mit Massen nichts anzufangen ist, so lange und insofern sie ihr objektives Dasein als Menschenvieh, als Material kapitaler Ausbeutung und staatlicher Herrschaft – und nichts anderes bezeichnet der Begriff Masse – nicht gründlich satt haben, sondern jenes noch freiwillig affirmieren im dummstolzen Bekenntnis, das Volk zu sein. Vernunft hatte „Nie wieder Deutschland“ weiterhin an der erklärten antinationalen Stoßrichtung der Kampagne selbst, verhalf der kompromisslose Antinationalismus, der nationale Nihilismus – wie die marxistisch leninistische Bezeichnung dafür lauten würden – den radikalen Linken doch zur Einsicht in zentrale Befangenheiten und Dummheiten sowohl der alten Arbeit der Bewegung als auch an die eigenen katastrophalen Fehler, wie sie vor allem der konstruktive Bezug auf die Ökologie und Friedensbewegung darstellte, die den deutschen Nationalismus seit Anfang der 80er in einem Maße salonfähig gemacht hatte, wie es den versprengten rechtsradikalen Zirkeln wohl nie gelungen wäre.Zu den Unsäglichkeiten, die man sich als linker in der Vergangenheit geleistet hatte und welche man nun im Rahmen der antinationalen Orientierung verspätet zwar, aber immerhin doch zu erkennen begann, zählte auch die sture Begeisterung für nationale Befreiungsbewegungen sowie die beharrliche und geschichtslose Weigerung den Staat Israel aus der Perspektive von Auschwitz zu begreifen und stattdessen unbefangen gegen Israel als angeblichen Brückenkopf des Imperialismus agitieren zu können. Diese Vernunft, die in „Nie wieder Deutschland“ begriffen als politischer Orientierung enthalten war, als Einsicht, dass allerspätestens nach dem Mauerfall man nicht so weiter Politik casten könne, wie vorher, als Bruch mit den alten Ladenhütern leninistischer Provenienz. Diese Vernunft wurde allerdings unmittelbar auch wieder dadurch konterkariert, dass sie als erst noch zu realisierendes Potenzial einer Kampagne existierte, welche durchaus in den Formen althergebrachter Kampagnen Politik verlief und demzufolge auch alle Falschheiten und Ärgerlichkeiten einer solchen an sich trug. „Nie wieder Deutschland“ war so begriffen auch eine oberflächliche Agitationsformel in ihrer mangelhaften Konkretisierung wie verschiedene andere Parolen in der Vergangenheit die Aufgabe hatte, die inhaltliche Schnittmenge, die zu einem gegebenen Ziel aus einem gegebenen heterogenen linksradikalen Spektrum zu ziehen war, zu formulieren und dieses Spektrum wiederum auf das gegebene Aktionsziel hin zu vereinheitlichen. Andererseits den Gegenstand von Kritik und Aktion selber auf eine griffige, leichthandhabbare Formel zu bringen, auch um den Preis inhaltlicher Verflachung und bedenklicher Moralisierung der Kritik an den Taten des neuen Deutschlands. Auch ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass dieser moralisierende Zug von „Nie wieder Deutschland“ durchaus funktional für das Bewusstsein vieler der an ihr Beteiligten war. Dass also zum Beispiel die oft argumentativ unausgewiesene Verknüpfung vom wiedervereinigten Deutschland und Faschismusgefahr durchaus dem Bedürfnis entsprang, Deutschland und die Welt als eine abgrundtief schlechte auszupinseln, vor welch düsterem Hintergrundgemälde sich die vielgerühmte Identität der letzten guten Menschen und standhaften Antideutschen nur umso strahlender und vorteilhafter abhebt. Das ist meine Kritik aus dem Jahr 1992.

Ja, dieser politisierende Antiimperialismus gegen Deutschland, bei dem schon damals deutlich wurde, wo die Bruchlinien liegen würden, dem Deutschen das nationale Selbstbestimmungsrecht zu bestreiten ist okay, aber es ist eine eurozentristische Anmaßung, das gegenüber den Völkern der dritten Welt zu tun, beispielsweise war so eine beliebte Standardformel. Da zeichnete sich schon ab, wo die Bruchlinien, die ja nicht lange auf sich warten ließen mit dem ersten Golfkrieg, dann auch wirklich lagen. Mit dem Begriff des Postfaschismus, zu dessen Konjunktur verschiedene Publikationen von meiner Seite zum Thema wohl maßgeblich beigetragen haben, sollte eine Gesellschaft wie die Bundesdeutsche, die nach eigenem Bekunden der freiheitlichste Staat, der je auf deutschem Boden existiert hat und dessen demokratisches Verfassungssystem eo ipso den Bruch mit den autoritären und obrigkeitlichen Traditionen der deutschen Geschichte verbürgen soll, in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt werden, dessen soziale Resultate die BRD als Moment ihrer Reproduktion sich einverleibt hat. Eine Gesellschaft, die an Exponenten in Ökonomie und Politik sich seit jeher nach Kräften bemühten, alle Spuren zu verwischen, die auf Auschwitz, also auf ihr kollektives Gründungsverbrechen verweisen, sollte mit ihrer barbarischen Geschäftsgrundlage konfrontiert werden. Es galt und es gilt auch weiterhin nicht wie Frank Böckelmann sich einmal ausdrückte, nicht dem geschickten Wandel einer Gesellschaft zu übersehen, die sich vom Tatort entfernt und zwar indem man an alle perfekten Innenausrüstungen der Städte und smarter Psychohygiene die Zeichen wahrnimmt, die auf Auschwitz verweisen. Das war sozusagen der erste Strang dieses Begriffes Postfaschismus oder Postnazismus, den ich versuchte auch zu der Zeit – diese ersten Postfaschismustexte wurden ungefähr auch in dieser Zeit abgefasst 1992/93 – ins Spiel zu bringen. Also die Frage, was ist Deutsch wegzubringen von jener geläufigen Rede Nation, Nation und Rasse seien ein soziales Konstrukt – auch das war damals zum Beispiel schon eine beliebte Rede die aufkam – sie sollte auch weggebracht werden von einer Auffassung deutscher Geschichte und antideutscher Kritik, die sich besonders darauf kaprizierte, dass Deutschland gegenüber den anderen westlichen Ländern historisch einen Sonderweg bestritten hatte und die versuchte also das deutsche, die Frage nach dem, was Deutsch ist, nicht materialistisch zu destruieren, also bereits die Fragestellung als unzumutbar und als ein Ausdruck von Herrschaft zurückzuweisen, sondern die versuchte das Deutsche, also das, was Deutsch genannt wird, positiv zu beantworten und zwar nicht unter Zuhilfenahme der Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie, sondern als einen Sonderweg, der entweder isoliert im Politischen angelegt ist, Stichwort die versäumte bürgerliche Revolution, eine These, die zum Beispiel in dem damals viel gelesenen Aufsatz von Moishe Postone „Antisemitismus und Nationalsozialismus“ ausgebreitet wird, also eine der schwächsten Passagen dieses Textes, die aber dann gerne begierig aufgegriffen wurde und zwar unter anderem auch wieder von Jürgen Elsässer, der diese These in sehr vielen Aufsätzen und Vorträgen geradezu plattgewalzt hat und dieses Deutsche entdeckte man als eine Kontinuitätslinie, zum Beispiel auch im Grundgesetz und zwar haben sich dann alle wieder auf den Artikel 116 des Grundgesetzes kapriziert, wo das Deutsche als Abstammungskategorie definiert wird und hier glaubte man, die alte völkische und wie Postone sich ausdrückte, vorpolitische, angeblich vorpolitische Definition des Staatsbürgers zu erblicken. Dementsprechend dieser Gegensatz, der in diesen Debatten der 90er Jahre eine große Rolle spielte, der Gegensatz von Blutsrecht und abstraktem Staatsbürgerrecht, also der Gegensatz von Jus soli und Jus sanguinis, der sowohl ein Gegensatz ist, aber dieser Gegensatz wurde sofort als politisierungsfähiger Widerspruch ausgemacht, westlicher gegen völkischer Nationalismus. Und ich denke, das ist überhaupt eine Common Sense These einer deutschen Selbstanklage, die es schon länger gibt. Wenn man nämlich dieser Meinung ist, das bestehe alles, das Deutsche bestehe tatsächlich nur in dieser völkischen Definition der Nation, dann hat sich diese Kritik heutzutage erledigt und sie hat sich auf breiter Front erledigt. Vor allem im Deutschland des Jahres 2012 scheinen selbst die letzten Spuren eines offenen Verweises auf eine völkische Tradition und selbst auf Auschwitz getilgt zu sein. Ein paar Beobachtungen, die ich in diesem Text ausgebreitet habe, Bilanzleute sind immer noch und immer wieder nach Kräften bemüht, nicht als die hässlichen Deutschen darzustehen, nicht als die in sich muffligen, übellaunigen, verstockten, auf sich bezogenen, in sich verschlossenen, als die sie sich selbst und als die andere sie früher taxierten, sondern als fröhliche, offenherzige und feierlaunige Zeitgenossen. Seit der Fußball-WM 2006 bescheinigt man ihnen und bescheinigen sie sich selber eine geradezu südländische Mentalität und mitunter hat man den Eindruck, sie seien zu Ehrenitalienern befördert worden und im Grunde sogar noch lockerer und freizügiger als diese und zu dieser Selbsteinschätzung passt eine neue flächendeckende Xenophilie, traten die Landsleute früher Ausländern in der Regel distanziert, abwehrend oder sogar feindselig gegenüber, so können sie heute vor lauter Begeisterung für fremde Kulturen, fremdes Essen, fremde Religionen gar nicht mehr an sich halten. Die These des Kurzzeitbundespräsidenten Wulff, der Islam gehöre selbstverständlich zu Deutschland, ist eine These, die in dieser Klarheit noch vor zehn Jahren nicht möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang fällt auf die Tatsache, dass die Bereitschaft abseits von Parteien und etablierten Verbänden sich politisch zu artikulieren, mittlerweile nicht mehr nur Angelegenheit eines linken Milieus mit bürgerlichem Anhang ist, sondern aus der bürgerlichen Mitte selbst kommt. In allen Teilen wird zur Selbsthilfe gegriffen und direkte Demokratie praktiziert und die Landsleute, die früher als öbrigkeitshörig und staatsfromm galten, lassen sich nun gerne vom in- und ausländischen Feuilleton Zivilcourage und demokratisches Selbstbewusstsein attestieren. Galt noch bis in die 90er Jahre der sogenannte soziale Frieden als das höchste Gut für den Standort Deutschland, so verweisen Ökonomen und Politologen heute gerne darauf, dass Deutschland mittlerweile über eine solide Protestkultur verfüge, die im internationalen Zusammenhang ein veritabler Standortvorteil sei. Halten sich die Landsleute also beim Feiern für die besser Italiener, so beim Protestieren für die besseren Franzosen und deshalb ließen sich die deutschen Arrangers für ihre zur Show getragene staatsbürgerliche Empörtheit vorm Spiegel gerne zu Wutbügern mobilitieren. Eine Bezeichnung, die von der unvermeidlichen Gesellschaft für Deutsche Sprache sogleich zum Wort des Jahres 2010 gekürt wurde, wo doch mit Blick auf den zutiefst lächerlichen Zirkus um Stuttgart 21 das Wort Kohlhäsle viel angemessener gewesen wäre. Alle diese Phänomene werden von den Landsleuten selber als Kulturalisierung des öffentlichen Lebens verhandelt, wie es dem traditionellen Bildungsglauben an die veredelnde Kraft der Kultur entsprechend mit sich gebracht hätte, dass sie sich zum Besseren gewandelt hätten, offener, umgänglicher, beherzter, mutiger geworden sein. Fast man also bündig zusammen, dann scheint also schon der bloße Augenschein selbst die differenziertesten antideutschen Grundannahmen zu widerlegen. Spezifisch deutsch, so könnte man sagen, ist heute gerade die Absenz, die Abwesenheit von Nationalchauvinismus im Sinne eines bornierten selbstgerechten Beharrens auf dem eigenen und die daran implizierte Frontstellung einer kompakten Majorität gegen eine Minderheit. Schick ist gerade umgekehrt die moralisch aufgeladenem mit Schuldbewusstsein vorgetragene Selbstverleugnung alles Eigenen und die schier grenzenlose Offenheit für alle sogenannten fremden Kulturen. Darin eine Veränderung der Landsleute zum Positiven zu erblicken, wie es vor allem jene Teile der linksliberalen Intelligenz tun, in der eine gewisse antideutsche gegen den obrigkeitshörigen Spießer gerichtete Haltung lange Zeit zum guten Ton zählte, wäre aber ebenso dumm und falsch wie die umgekehrte Unterstellung, dass etwa die neue Ausländerfreundlichkeit nur Tünche und Makulatur sei und in Wahrheit seien die Deutschen ihrem Wesen nach immer noch dieselben wie früher. Diese antideutsche Haltung, wie ich es nenne, war etwas, das die Linken nicht 89 erfunden haben, sondern das auf einem relativ soliden Fundament aufruhte. Schaut man sich zum Beispiel Schriften von sogenannten 68ern an, zum Beispiel Oskar Negt, ohne Demokratie kein Sozialismus, dann wird festgehalten, die ausgebliebene, 1848 ausgebliebene bürgerliche Revolution jetzt im 20. Jahrhundert in den 60er Jahren sozialistisch angereichert nochmal nachzuholen. Die ganze Phrasiologie, die mittlerweile zu einer gewissen antideutschen Volklore herabgesunken ist, nämlich eine gewisse, damals sagte man noch nicht völkische aber obrigkeitsstaatliche Tradition, die ganze Staatsfrommheit, die mangelnde Lockerheit der Deutschen, alles das ist dort schon ausgebreitet.

Also beide Annahmen, zu glauben, es habe sich alles normalisiert oder es sei alles beim Alten geblieben und von ihrem Wesen her ist ja alles gleich geblieben, beide Annahmen sind eine Fortschreibung des notwendig auf Identität und Selbstbestätigung erpichten Politisierens und der ihr adäquaten Politrhetorik traditionellen Zuschnitts, in der, wie man in der „Nie wieder Deutschland“-Kampagne auch gesehen hat, die Beschwörung drohender Gefahren und die Selbststilisierung der Protagonisten als prospektive Opfer aufs hässlichste zusammen zu stimmen pflegen und die eine durchgängige Erfahrungsresistenz objektiv eingeschrieben ist, denn tritt das Beschworene nicht ein, dann macht man entweder kontrafaktisch mit der alten Unterstellung weiter oder aber man lässt sie fallen und gibt generelle Entwarnung. Mit einer Notwendigkeit folgt deshalb jeder Faschisierungsdebatte entweder das Sektierertum oder die Normalisierungsdiskussion auf dem Fuße. Mit dem Begriff des Postfaschismus sollte nun bereits im Ansatz diese fatale Notwendigkeit sabotiert werden. Der Begriff des Postfaschismus, wie ich in meinen ersten Texten aus den frühen 90er Jahren versuchte zu entwickeln, systematisch zu entwickeln mit diesem Begriff, dieser Begriff war intendiert als Einspruch gegen eine antideutsche Agitation, die sich spätestens durch die Intifada von Rostock 1992 zu einer kritischen Reanimation des althergebrachten demokratieseligen Antifaschismus legitimiert sah und bereits zum Zeitpunkt ihrer Formulierung obsolet war, weil sie nämlich mit all jenen schiefen Bildern, hinten dann historischen Analogien und antiquierten Begriffen operierte, die allesamt unter dem Niveau ihres Gegenstandes lagen und deshalb letzten Endes dazu angetan, dem demokratischen Fundamentalkonsens des neuen Deutschlands zuzuarbeiten, anstatt ihn zu destruieren. Gegen die damals schon unternommenen Anstrengungen, entweder eine verborgene Wahrheit hinter den Erscheinungen hervorzukehren, also das deutsche Wesen, dass sich hinter den Erscheinungen verbirgt oder die Erscheinungen selber unmittelbar für die Wahrheit zu nehmen, wurde also an das 1 x 1 materialistischer Kritik erinnert, demzufolge es darum gehen muss, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden und gegen die antifaschistische Kaffeesatzleserei wurde also Ideologiekritik gesetzt, die sich von Prognostik dadurch unterscheidet, dass sie zwar versucht hier im Gegenstand auf der Spur zu bleiben, indem sie ihm durch exakte Fantasie geistig immer zwei bis drei Schritte voraus ist, es sich aber verbietet, diese Antizipation selber wieder zu verdinglichen oder zu konkretisieren. Das Utopieverbot gilt eben auch für die negative Utopie, das heißt also für saloppe Grobprognostizieren eines Faschismus, der angeblich vor der Tür steht. Den in allen Teilen ins Kraut schießenden Prophezeiungen von einer Faschisierung Deutschlands wurde schließlich, wurde scheinbar ganz kontrafaktisch und dadurch wie sich heute herausstellt, umso realistischer entgegengehalten, ich zitiere aus meinem damaligen Text: Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen. Diese Faschisierungsthese war, wer sich dafür interessiert, eine langgepflegte These des in der Bundesdeutschen Linken sehr aktiven kommunistischen Bundes. In den 70er Jahren entwickelt und in den 1992er Jahren nach Rostock wieder ausgepackt. Aus dieser bereits damals eröffneten Perspektive setzt aber nun das neue Deutschland des Jahres 2013 seiner Lesbarkeit viel weniger Widerstände entgegen als dass der 80er und frühen 90er Jahre, sodass man sich eher fragen müsste, warum selbst so viele Antideutsche so angestrengt an ihr vorbeiziehen. Betrachtet man nämlich die aufgetragene Abscheu vor der eigenen und die forcierte Begeisterung für fremde Kulturen einmal so nahe, wie es ihnen gebührt, dann wird man nämlich schnell darauf stoßen, dass etwa die Bescheidenheit und Zurückhaltung in nationalen Dingen etwas isst, dass den deutschen Nationalismus seit jeher auszeichnete. Dieser trat nie selbstbewusst und unbefangen, sondern kleinlaut und verdruckst auf und im nationalen Triumphalismus früherer Trage, der zuletzt um 1989 nochmal ein kleines Revival erlebte, war stets anzusehen und anzuhören, dass er sich selbst nicht glaubte und vor allem der Versuch war, die eigene Muckerhaftigkeit so laut wie möglich zu überschreien. Deshalb ist die heute anzutreffende nationale Selbstzurücknahme alles andere als ein Ausdruck von Kritikfähigkeit und Lernbereitschaft, sondern Ausdruck jenes für den deutschen Protestantismus zu charakteristischen Selbsthasses, der den Deutschen und das heißt antibürgerlichen Bürger dazu prädestiniert, der unerreichbaren Sinnenwelt letzten Endes nur noch auf eine Weise nahe sein zu können, nämlich im Augenblick ihrer Vernichtung. Dass die Landsleute sich also in nationaler Demut üben oder mit dem, was sie das Deutsche nennen, keine substantiellen inhaltlichen Vorstellungen verbinden, ist keine Neuheit, sondern etwas, was den deutschen Nationalismus bereits seit seinen Anfängen Ende des 18., Ende des 19. Jahrhunderts kennzeichnet. Die Frage nach dem, was Deutsch ist, also der Gegenstand antideutscher Kritik war zu keiner Zeit eine, auf die eine eindeutige Antwort gegeben worden wäre, weil das nämlich gar nicht geht und gar nicht die Intention der Frage ist. Typisch Deutsch ist vielmehr, wie Friedrich Nietzsche einmal treffsicher notiert hat, dass bei den Deutschen die Frage, was ist Deutsch, niemals ausstirbt. Was Deutschland von anderen Nationen und die Deutschen von anderen Nationalstaatsbürgern unterscheidet, ist gerade nicht irgendeine positiv benennbare und zum Wesen oder zur Substanz erklärte Eigenschaft, also Friedensliebe, Abstammung aus den Wäldern, Mülltrennung oder sowas, sondern die Frage nach der Substanz selbst und der daraus folgenden Wettstreit der Individuen, von denen jeder sich mit seiner Definition als der beste Deutsche bewähren will. Kritisch ist Nietzsche, weil es den Selbstzuschreibungen der Deutschen gerade nicht auf den Leim geht und das typisch Deutsche gerade im Prozess einer manisch in sich verbohrten und virtuell unendlichen Selbstbeschäftigung erblickt. Das heißt, Deutsch ist dem Deutschen, also einer vermeintlichen Substanz nachzujagen, wobei es keine Rolle spielt, ob die diesbezüglichen Beiträge nun affirmativ etwa die Wiederbesinnung auf nationale Tugenden einfordern oder kritisch das Leiden der Deutschen an ihrem Deutschsein behandeln. Entscheidend ist, dass jeder, der in noch so kritischer Absicht die Frage nach dem Deutschen brav beantwortet, anstatt die Frage selbst zu destruieren, zum integralen Bestandteil einer nationalen Sinnstiftung wird, einer Unternehmung, die dem als unauslotbaren, unergründlich vorausgesetzten Charakter des Deutschen gemäß nie entschieden werden, nie an ein Ende kommen kann und somit auch den Enkeln und Urenkeln noch Beschäftigungs- und Profilierungsmöglichkeit verheißt. Soweit die antideutsche Linke oder die antideutschen das nicht getan haben, die Frage zu destruieren, sondern versucht haben, sich mit Kultur oder mentalitätsgeschichtlichem oder auch ökonomischkritschem, wie auch immer gewendeten Spekulationen beteiligt haben an der Beantwortung der Frage, was ist Deutsch, wurden sie zum Bestandteil dieser nationalen Sinnstiftung und das viele mittlerweile als Kultur oder Sozialwissenschaftler resigniert haben, ist von daher nur konsequent. Die Frage nach dem Deutschen impliziert also unmittelbar den demokratischen Appell an jedem Einzelnen selbst eine Antwort zu finden auf die Frage, sie setzt also mit anderen Worten eine Dynamik leerer, schlechter Unendlichkeit frei, einem Prozess der seiner Bewegungsform nach bereits die Dynamik allseitiger Mobilmachung antizipiert, die der Nationalsozialismus erst viel später praktisch realisieren sollte.

Also das vermeintlich aller Neueste der letzte Schrei des neuen Deutschlands, die Kulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte, die flächendeckende Xenophilie, die ganzen Übungen im Protest und direkter Demokratie und Okjopei und wie es alles sonst noch so heißt, dieses vermeintlich Allerneuste entpuppt sich also bei näherer Betrachtung zugleich als das aller älteste und das, was einen Fortschritt der Landsleute zum Besseren bezeugen soll, lässt sich zugleich als Degression auf ihre eigene Ursprünge begreifen. Ursprünge im 19. oder 18. Jahrhundert oder sogar im deutschen Protestantismus im Luthertum. Unbezweifelbar haben die Landsleute sich weiter entwickelt und ebenso unbezweifelbar ist diese Entwicklung scheinhaft, weil sie keine qualitative Veränderung, sondern nur eine andere Darstellung des immer Gleichen bewirkt hat. Wenn aber Fortschritt und Regression keine zeitlich voneinander unterschiedenen Phasen darstellen, sondern wenn der Fortschritt unmittelbar zugleich seine eigene Regression ist, dann heißt das so viel, wie das eigentlich überhaupt keine Zeit vergangen ist und im strengen Sinne gar keine Entwicklung stattgefunden hat. Genau dieses eigentümlich Trübe, Abstrakte, Ungreifbare der deutschen Gegenwart, die Zeitlosigkeit, die sie ausstrahlt und damit verbunden das Lähmen, das von ihr ausgeht, ist aber nun ebenfalls etwas, was die postnazisitischen deutschen Verhältnisse seit jeher auszeichnet und was auch ihre Gegner regelmäßig in die Irre führte. Auch dieses Ungreifbare ist somit keine Neuigkeit, sondern führt zurück auf die basalen Konstituenzien des postfaschistischen Gemeinwesens und weist die Gegenwart als dessen konsequente Fortsetzung und zugleich als dessen Zerfallsprodukt aus. Es zerfällt, in dem es konsequent seiner immanenten Logik folgt und es setzt sich andererseits im und durch den Zerfall fort, dessen Ende nicht absehbar ist. Ein Rückblick auf die postfaschistischen Verhältnisse der Bundesrepublik. Nachdem der Nationalsozialismus die politökonomischen Vermittlungen der bürgerlichen Gesellschaft kassiert und an ihre Stelle die Staatsunmittelbarkeit der Subjekte gesetzt hatte, restituiert die Bundesrepublik mit der Wiedereinrichtung einer reproduktiven kapitalistischen Ökonomie mit Mehrparteiensystem und demokratischem Verfassungsstaat, dem Zustand vor dem Nationalsozialismus. Eine bürgerliche Gesellschaft als Totalität von wahren und rechtsförmigen formellen Vermittlungen, die aber scheinhaft bleiben, weil die Materialiker darauf gerichtet sind, durch ein vom Faschismus inspiriertes System der ökonomischen und politischen Krisenprävention einem neuerlichen Faschismus entbehrlich zu machen. Indem die Bestimmungen des völkischen Notstands in die politökonomische Formbestimmungen eingebaut, legalistisch fixiert und dadurch vorverlagert werden, wird, wie ich meinem damaligen Text schrieb über Postfaschismus, „der entfesselte faschistische Ausnahmezustand in die demokratische Normalität integriert und im Faschismus als offenen Bruch mit rechtsstaatlichen Verkehrsformen überflüssig zu machen“. Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. Dies ist auf eine kurze Formel gebracht, die Geschäftsgrundlage der Bundesrepublik, durch die sie sich als ein postnazistisches Gemeinwesen ausweist. Das war eigentlich der Versuch, den ich in diese, der Versuch eine Bestimmung, in welcher Gesellschaft leben wir eigentlich und was ist deutsch an ihr, was verbindet sie mit dem Nationalsozialismus, die ich damals in die Debatte brachte.

Weiter in diesem Gedanken: Zwar wird eine sich selbst reproduzierende kapitalistische Ökonomie reinstalliert, aber eine die zugleich die Resultate ihrer negativen Aufhebung in der und durch die völkische Arbeitsfront reproduziert. Das Kapitalverhältnis wird also ein großes Volksfürsorgeunternehmen gesetzt, für deren reibungs-, das heißt krisenloses Funktionieren die Sozialpartner in Verbindung mit dem Staat Sorge zu tragen haben. Zwar tritt an der Stelle des nazistischen bürokratischen Naturzustands, wie Franz Neumann sich einmal ausdrückte, nun im Rahmen eines gewaltenteilig organisierten Verfassungsstaats wieder eine bürgerliche Öffentlichkeit mit Parlament und Parteien und Struktur Programmatik und Auftreten dem populistischen Bewegungscharakter der ehemaligen Volkseinheitspartei in sich aufnehmen und reproduzieren. Zwar wird statt der unmittelbar kollektiven Mobilmachung die formelle Privatheit und Freiheit des Individuums und damit das abstrakt allgemeine formelle Recht als Kompliment der ökonomischen Vermittlungen restituiert, aber unter dem generalklauselhaften Vorbehalt seiner Zuträglichkeit fürs Volksganze gestellt. In der Gestalt, dass die individuelle Freiheit selber als Staatszielbestimmung gefasst ist, die im Zweifelsfall vom Staat gegen ihren illegitimen Gebrauch durch bestimmte Individuen durchgesetzt werden kann. Die formelle Privatheit fungiert also materiell als Privatisierung der Volksgemeinschaft, die im Male ihrer Entstehung abgestreift hat. Ich erwähnte vorhin das Grundgesetz mit dem gerne strapazierten Artikel 116 von Seiten der Antideutschen, das was ich hier referiere, scheint mir weitaus typischer zu sein nach wie vor für die Verfasstheit der Bundesrepublik, also eines postnazistischen Gemeinwesens, etwas, was zum Beispiel in Artikel 18 des Grundgesetzes kodifiziert ist, nämlich diese Figur des illegitimen Gebrauchs von legalen Freiheitsrechten, wo also Freiheit und Menschenwürde selber als ein Staatsprogramm gefasst wird, dass gegen die Individuen durchgesetzt werden kann. Also die Materialisierung des formellen Rechtsstaats. Die Objektivierung des nazifaschistischen Kurzschlusses von Staat und Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den postfaschistischen Vermittlungen zielt dabei auf ein, wie Johannes Agnoli sich mal ausdrückte, System des totalen Konsenses, dessen Inhalt die möglichst zwanglose Internalisierung und Demokratisierung des Opfers ist. Ein jedes Individuum soll seine Aufopferung fürs Kollektiv in all seinen Handlungen und selbst in seinen Vorstellungen spontan, unmittelbar und freiwillig bezeugen. Und so werden die Bedingungen dafür geschaffen, dass die im Nationalsozialismus begonnene Faschisierung des bürgerlichen Subjekts, ich glaube das ist die einzige vernünftige Formulierung, die ich von Wolfgang Fritz Haug kenne, die Faschisierung des bürgerlichen Subjekts sich auch und gerade im postfaschistischen Verfassungsstaat fortsetzen kann. Weshalb Georg Seeßlen einmal mit Recht feststellte in seinem Buch Natural born Nazis.

Der Faschismus kam nicht als fremde Kraft und nicht als politische Tyrannei über die Deutschen. Er stieg aus den Biographien, den Phantasien und den Wahrnehmungen, und er entwickelte sich zu einer großen Bildermaschine, die auch nach dem Weltkrieg weiter produzierte. Das faschisierte Bild ist nicht im Museum der deutschen Kultur eingeschlossen, es taucht in immer wieder neuen Variationen und Verdeckungen wieder auf, nicht nur an den rechten Rändern, sondern auch im Zentrum der Gesellschaft. Und so leicht es in dieser Gesellschaft scheint, faschistische Bilder zuzulassen, sie in den allgemeinen Fluß der tröstenden und sinnstiftenden Bilder zu integrieren, so schwer scheint es in ihr, den radikalen Gegenentwurf, das analytische Bild des Faschismus zu entwerfen.

Auf der Suche nach den Bedingungen des faschistischen Bildes und nach seinem Fortwirken in der populären Kultur, stehen auch drei amerikanische Versuche zur Diskussion, den deutschen Faschismus in den Medien und den Genres der populären Kultur zu beschreiben. Aufklärung oder Blasphemie einer anderen großen Bildermaschine? Oder nur eine Zumutung?“

„Natural born Nazis.“, Georg Seeßlen

Im Jahr 1965 gab es vermutlich mehr deutsche Faschisten als im Jahr 1935. Die in den gesellschaftlichen Vermittlungen objektivierte präventive Entschärfung und vorauseilende Absorption möglicher Konflikte und Krisen im volksgenossenschaftlichen Konsens der Demokraten ist aber wiederum die Bedingung jener vorhin bereits erwähnten Zeitlosigkeit und Ungreifbarkeit der herrschenden Verhältnisse. Wo nämlich alle sich so verhalten, als sei die Gesellschaft ein Organismus , in welchem das harmonische Zusammenspiel der Glieder nicht erzwungen werden muss, weil es nämlich von Natur gegeben ist und nur durch Krankheit und Schädlinge gestört werden kann, war ein Zitat von Wolfgang Porth, spielen sich gesellschaftliche Auseinandersetzungen wie einer Grauzone ab. Weder sind die beherrschenden Themen klar konturiert noch existieren wirklich einander befehende Lager oder Fraktionen und dementsprechend gibt es auch keine zielgerichteten Entwicklungen, aber auch keine erkennbaren Zensuren oder Brüche, sondern nur entweder, wie in der Gegenwart zu beobachten, schleichende und schwer dingfestzumachende Mutationen oder ein unvermitteltes und für den weiteren Gang der Dinge folgenloses Umschlagen in den Ausnahmezustand. Dafür wiederum können sowohl der sogenannte deutsche Herbst von 1977 als auch das Pogrom von Rostock 1992 stehen, die eben anders als damals viele Linksradikale und Antideutsche meinten, kein Auftakt für einen oder eine Etappe in einem Prozess der Faschisierung waren, sondern ein Umkippen, ein plötzliches Umkippen in eine Art von temporären Faschismus und damit eine Demonstration dafür, wie die postnazistische Demokratie ohne politisch rechtlichen Legitimationsbruch in den Ausnahmezustand übergehen und hiernach wieder in den Normalzustand zurückkippen kann. Wenn also die institutionelle und ideologische Kontinuität, in der die Bundesrepublik zum Nationalsozialismus steht, sich gerade aus ihrem Gegenteil der Schaffung von Diskontinuität ergibt, wenn also mit anderen Worten ihre Nähe zum Naziregime sich gerade der antifaschistisch bzw. antitotalitär motivierten sowohl sachlichen wie zeitlichen Entfernung zu ihr verdankt, dann heißt dies mit Blick auf die Gegenwart nichts anderes als je weiter sich die deutsche Gesellschaft vom Tatort ihres Gründungsverbrechens entfernt, desto näher rückt sie ihm, nicht obwohl sondern gerade weil im Alltag der deutschen Gesellschaft immer weniger auf Auschwitz hindeutet, zeichnen sich die Konturen dessen was Auschwitz ermöglichte, geradezu überdeutlich ab. Je weniger der hiesige Sozialcharakter noch dem Bild des klassischen autoritären, auftrumpfenden Chauvinisten entspricht, Jawoll, brüllend, Pickelhaube, Sauerkraut und wurschtfressend usw, diese ganzen üblichen Bilder vom hässlichen Deutschen, desto klarer wird, dass dieses Bild ihm noch nie so wirklich entsprach und umso mehr kommt das faschisierte Subjekt, das Produkt der negativen Aufhebung des Kapitals wieder zu sich selbst. Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann.

Was also vor sich geht, ist ein Diffundieren, eine Diversifikation der Souveränität und zwar im selben Maße, in dem die durch das Zusammenwirken von Staat und Sozialpartnern scheinbar prästabilisierte Einheit von Massenproduktion und Massenkonsum und damit das scheinbar immer Wahren der Prosperität prozessierende Volkskapital in die Krise gerät. Der Zerfall dieses nach deutschen Maßstäben eben nicht fordistischen sondern Kraft durch Freude wagen-istischen Vergesellschaftungsmodells bedeutet, dass das Staatsideal für alle an jedem Ort gleiche Lebensverhältnisse zu garantieren, verabschiedet wird und die nivellierte Mittelstandsgesellschaft, deren Keimzelle Ottonormalvergaser mit Familienanhang war, sich erneut aufspaltet. Sozial in Reiche,  prekär und privilegiert Beschäftigte, Hartz4-Empfänger und Arme, räumlich in prosperierende Regionen und Armutszonen, die wiederum quer durch Ost und West verlaufen, also selbst Ost und West ist keine einheitliche Zuordnung mehr, eine Gesellschaft, eine Stadt zum Beispiel wie Jena, wo ich morgen hinfahre, schickt sich gerade an, so eine Art Freiburg des Ostens zu werden mit allem, was dazu gehört, mit Fairtradestadt Jena wird auf der offiziellen Seite Jenas geworben und die für schrottreif erklärten Regionen, also zum Beispiel die Region Wismarland kriegt auch den ideologischen und die Schrott-Rackets dann ab. Also hier dürfen dann Nazis ein Dorf von 35 Einwohnern und 10 Häusern unter ihre Kralle nehmen. Das charakterisiert auch so ungefähr die Gefahr, die von diesen Nazis ausgeht. Also die Nazis verhalten sich zum erneuerten Volksgemeinschaftskonsens so ungefähr wie die örtliche Blaskappelle, so DJ Ossi oder verhält sich wie Martin Heidegger zu Judith Butler. Also diese Spaltung, sowohl die soziale Spaltung als auch die regionale Spaltung verläuft quer durch Ost und West und sowohl die Wohlstandsinseln als auch die Armutszonen ideologisieren sich bereitwillig als kulturelle Gemeinschaften und werden von lokalen oder regionalen Rackets nach eben solchen Gesichtspunkten verwaltet und vermarktet und dieses Diffundieren der Souveränität wiederum ist ein Ausdruck dafür, dass der bundesdeutsche Staat nicht mehr unmittelbar als kollektiver Sozialfürsorger auftritt, sondern diese Aufgaben großzügig an gesellschaftliche Vorfeldorganisationen delegiert, in denen das Subjekt zu eigenverantwortlicher moralischer Selbst- und Fremdkontrolle abgerichtet wird. Unter diesen Rackets stechen nun wieder ganz besonders die, also diese Rackets, diesen gesellschaftlichen Vorfeldorganisationen stechen nun wieder ganz besonders die Rackets des Kulturbetriebs hervor, die im vergangenen Jahr gezeigt haben, was sie so drauf haben und welche Rolle sie in diesem neuen bunten, offenen, ausländerfreundlichen, protestfreundlichen neuen Deutschland spielen.

Vielleicht eine kleine Passage aus dem entsprechenden Kapital meines Textes und ein paar Zitate aus ein paar kulturellen Veranstaltungen des letzten Jahres, bevor ich dann zum Schlussabschnitt komme und nochmal auf den Begriff des Postfaschismus zurück:

Die Kulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte, die Transformation der demokratisierten Volksgemeinschaft in den Karneval der Kulturen bedeutet also, dass jene freiwillige Entindividuierung, die der postnazistische Staat organisiert und die seinen harten Kern ausmacht, zu sich selbst kommt bzw., was nur ein anderer Ausdruck für denselben Vorgang ist, dass der Begriff der Kulturindustrie heutzutage erst praktisch wahr wird. Heute, wo eine jegliche mit Regelmäßigkeit stattfindende Lebensäußerung unmittelbar zur Kultur erklärt wird und daher ein jedes Individuum in seiner alltäglichen zufälligen Existenz als Exemplar eines Allgemeinen sich begreift und von anderen auch so begriffen wird. Die Herausbildung der Kulturindustrie nochmal kurz rekapituliert, Ausdruck der erweiterten Subsumtion der abhängigen Klassen und das Kapital, deren Äquivalenz ist die politische Einbeziehung durchs allgemeine Wahlrecht, Integration der Massenorganisation ins System der Macht. Also die Herausbildung der Kulturindustrie und des Volksstaates fällt historisch nicht nur zusammen, sondern sind gleichgerichtet. Die Funktionen der Kulturindustrie wurde von, also sie sind gleichgerichtet in der Hinsicht, dass die generöse Volksbeglückung, die beide propagieren, in Menschenfreundlichkeit, die sich beide Agenturen auf ihre Fahnen geschrieben haben, dazu helfen, die symbolische Erhöhung der Individuen ist also der respektable Vorwand, um sie desto gründlicher zu vollstrecken, ihre eigene Unterwerfung zu befördern. Die Kulturindustrie beseitigt die produktive Spannung zwischen Kunstobjekt und Rezipient einerseits durch die demokratische Zurichtung fürs unmittelbare Bedürfnis, andererseits durch die Produktion von Kulturwaren nach gleichermaßen standardisierten wie auch spezifische Wirkungen berechneten Schemata. Auf der anderen Seite organisiert die Kulturindustrie jene Existenzialisierung des Daseins, indem sie alltägliche Dinge, Phänomene, Vorgänge und Verrichtungen mit Bedeutung und mit Sinn befrachtet, alle Lebensbereiche mit den Insignien von Kultur und Kunst aufwertet. Sie ist also mit anderen Worten ein entscheidendes Medium für das, was ich die Substantialisierung des Tauschwerts und des darauf bezogenen Bedürfnisses nennen möchte. Diese Substantialisierung des Tauschwerts, die im Nationalsozialismus ebenfalls einen grauenvollen Triumph feierte und darin ist der Nationalsozialismus auch die negative Aufhebung des Kapitals, also dem Bankrott der Ökonomie, auch als Zerstörung der Ware bewusst vollstreckt, nämlich in freiflutenden Gemeinschaftserlebnissen, die im Krieg ihren Höhepunkt, im Krieg ihren Fluchtpunkt finden, das heißt also in objektlosen, ebenso asketischen wie enthemmten Selbstgenuss der Masse, die in blindwütiger Vernichtung der auserkorenen Antisubjekte um sich schlägt und die an sich längst vollzogene Selbstzerstörung hin anzuhalten.

Also, der zweite Weltkrieg war unter diesem Gesichtspunkt ein kulturindustrielles Massenevent. Das Ganze wird ebenfalls im Deutschland der 50er im postnazistischen Gemeinwesen wieder zurückgenommen. Es wird wie auf dem Gebiet der Ökonomie oder der Politik wieder ein bürgerlicher Kulturbetrieb installiert, der natürlich vor Verlogenheit nur so strotzt, also in einer rein willkürlich gesetzten Autonomie einer wiederauferstandenen Kultur wird, gerade da die Kunst als ein Lückenbüßer fungieren soll, ihre Funktionalisierung, die sie im Nationalsozialismus erfahren hat, erst Recht durchgesetzt. Aber wie immer auch dieser restaurierte Kulturbetrieb eine Selbstreflektion abwehren sollte, so lieferte er doch der theoretischen und ästhetischen Kritik einen gewissen Angriffspunkt und sie hielten das Schlimmere wenigstens noch eine Zeit lang auf. Jenes Schlimmere für das dann einerseits die 68er Linken mit ihrem antiautoritären Protest gegen die verstaubte elitäre Hochkultur und andererseits jene Kunstrichtung und jene Segmente des Kulturbetriebs damals schon einstanden, die wahlweise die Abschaffung der Kunst aus einer selbstständigen Sphäre gar ihre Rückführung ins Leben, in jedem Fall aber die Beseitigung der ästhetischen Form als eine Vermittlung von Detail und Ganzem propagieren. Die Resultate sind aller Orten zu besichtigen, zu lesen und zu hören.

In der Musik wird der Begriff des Kunstwerks selber schon in Frage gestellt, die Opusmusik ist mittlerweile ein beliebtes Stichwort geworden. Im musikalischen Zusammenhang sind Installationen besonders beliebt und wie sich dieses kulturindustrielle Racket zunehmend selbstbewusst begreift, möchte ich nochmal mit ein paar Zitaten aus zwei Veranstaltungen des letzten Jahres, nämlich von der Kassler Documenta und vom Stylischen Herbst belegen. Die Zitate, die ich vortrage, sind wirklich Zitate. Ich habe nichts erfunden, ich zitiere zum Beispiel aus einem Interview mit Carolyn Christov-Bakargiev, der Kuratorin der Documenta vom letzten Jahr. Ein Interview, dass es in der Süddeutschen Zeitung gab und das überschrieben ist „Über die politische Intention der Erdbeere“. Süddeutsche Zeitung: Bisher dachten wir, Kunst sei für Menschen da und mache seit der Höhlenmalerei den Menschen zum Menschen. Jetzt werden sie Kunst für Tiere zeigen und loben auch Werke nicht menschlicher Produzenten. Warum?, fragt Christov-Bakargiev, Tiere machen auch Dinge. Ein Bienenstock oder ein Spinnennetz sind funktionale künstliche Elemente der erdischen Kultur, die eine Form gefunden haben. Höhlenmalerei als Kunst zu bezeichnen, geht von unserem Kunstverständnis seit der Aufklärung auf. Das sind Ideen, die erst mit dem Bürgertum aufkommen. Geht noch ein bisschen weiter: SZ: auch nach den älteren Kunstbegriffen ist doch Kunst immer für Menschen da, nicht für Tiere. Gibt es keinen Unterschied zwischen menschlicher Kunst und tierischen Erzeugnissen? Nein, absolut nein, das ist eine menschenzentrierte Sicht, natürlich gibt es zwischen allem fundamentale Unterschiede, zwischen meinem Glas Wasser und meinem Blackberry, zwischen Ihnen und mir, aber es gibt auch wiederum keinen fundamentalen Unterschied. Einen Bienenstock zu bauen hat auch einen höheren Sinn. Man könnte also auch einen Bienenstock auf der Documenta ausstellen ohne Zutun eines Künstlers. Der Philosoph Martin Heidegger hat gesagt, wir wissen, dass wir sterben müssen, die anderen Tiere nicht, aber woher weiß er das? Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert großer Entdeckungen. Wir entdecken zum Beispiel etwa gerade die Sprache der Krähen. Das ist eine verrückte Idee, noch so wie Sie es tun, über die Kunst zu denken und wie wollen Sie nun die Tiere und die Pflanzen verstehen? Meiner Meinung nach dürfen sich in einer wahren Demokratie alle äußern. Die Frage ist nicht, ob wir Hunden oder Erdbeeren die Erlaubnis zum Wählen geben, sondern die Frage ist, wie eine Erdbeere ihre politische Intention vorbringen kann. Ich will Tiere nicht schützen, sondern emanzipieren. Früher hieß es, wir haben allgemeines Wahlrecht, aber die Frauen wählten nicht. Warum sah keiner den Widerspruch? Wenn man das Subjekt des Bürgers nur als männlich konstituiert, gab es ja tatsächlich allgemeines Wahlrecht. Warum sollen Hunde wie Frauen wählen dürfen? Warum nicht? Gehört die Welt denn weniger den Hunden als den Frauen? SZ: Sehen Sie keinen fundamentalen Unterschied zwischen Frau und Hund? Christov-Bakargiev: Absolut nein. Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen Frauen und Hunden oder zwischen Männern und Hunden. Die kulturelle Produkt… Die künstlerische Produktion der Tomatenpflanze ist die Tomate usw.

Das war quasi die vorlaufende Nutzanwendung jenes Ereignisses, dass dann im Oktober stattfand, nämlich die Verleihung des Adorno-Preises an Judith Butler. Man kann und man soll über die engagierte Psychotikerin, die offenbar zwischen sich und der Außenwelt nicht unterscheiden kann, sich sicherlich lustig machen. Es wäre völlig verfehlt, sich darüber aufzuregen, weil sie die Intention des Poststrukturalismus der zwischen sich und der Außenwelt keinen Unterschied mehr macht, sondern der predigt, dass alles in einer Ursprungsmacht aufgeht, die keine fundamentalen Unterscheidungen kennt, die Heidegger das Sein nannte und die Judith Butler einfach den machtgestützten Diskurs nennt. Frau Christov-Bakargiev, finde ich, gebührt absolut der Verdienst, dass sie diese unkritische und im Grunde irre Intention des Poststrukturalismus wirklich auf den Begriff gebracht hat, mit ihrer Veranstaltung.

Ich möchte im Sinne der politischen Intention der Erdbeere und des Wahlrechts für Frauen und Hunde noch ein anderes Zitat bringen, eine kleine Rezension des Stylischen Herbstes, eines ehemals hochangesehenen Kunstfestivals und ich bringe diese Zitate auch deswegen, um zu illustrieren, wie das von statten geht. Was ich vorhin allgemein ausführte, wie panische Subjekte überkommende Institutionen zu Rackets umfunktionieren, die wiederum eine bedeutende Rolle als Vorfeldorganisationen eines derevolutionierten postnazistischen Staates spielen. Mit dem Stylischen Herbst in diesem Jahr ist es genauso vor sich gegangen. Der Stylische Herbst hatte sich zum Motto gewählt, ein in mieses Englisch übersetzten Satz von Berthold Brecht „Die Wahrheit ist konkret“ wurde übersetzt mit „Truth ist concret“. Ernsthaft, wirklich ernsthaft. Der ganze Stylische Herbst, der bislang immer eine Anlaufstelle hatte in der Stadt, also dort wo ich wohne, irgendwo im Kunsthaus gab es immer das Büro des Stylischen Herbstes. Dieses Mal fand es in einem Camp statt, dieses Camp wurde extra für den Stylischen Herbst gebaut. Das dazu notwendige Interieur, wie Schlafkojen, Mensa, Bar, Gemeinschaftsduschen lieferte die Architektengruppe Raumlabor Berlin. Sie fabrizierte aus Rest- und Sperrmüllmöbeln diese Protesteinrichtung für alle Fälle. Vor dem Taliaareal stellte man einen Glasturm aus alten Fenstern und Türrahmen auf, ein fragiles Blockhaus, Bloghaus, neues aus der Wortspielhölle, ein fragiles Bloghaus, in dem unten Dauerberichterstattung stattfand und oben der, ich zitiere „Garten des biologischen Ungehorsams“ wucherte. Man konnte der amerikanischen Aktionskünstlerin Catherine Ball beim Hegen und Pflegen ihrer grünen Guerillaoase zusehen. Experimentiert wurde dort mit mutierten Fruchtfliegen, pestizidresistenten Pflanzen und der Pilzart Schopftintling, dessen Wachstumskraft Asphalt brechen kann. Maximal zu fünft konnte man dort, denn für mehr war das Glashaus von der Baubehörde nicht zugelassen worden, über ethische und ökologische Konsequenzen biologischen Ungehorsams mit der Künstlerin diskutieren. Das ist der Kulturbetrieb des Jahres 2012. Es wird auf einem Dach ein Garten angelegt und das ist dann der Garten des biologischen Ungehorsams. Das ist heute Kunst. Also von daher spielen in der Zerstörung von Genuina ästhetischer Erfahrung die kulturindustriellen Rackets eine Schrittmacherrolle. Mit je infantileren Aktionen sie gegen den herrschenden Konsens, gegen die herrschende Gesellschaft agitieren, desto ununterscheidbarer machen sie sich von ihr und das ist es auch… erklärt das Programm.

Ich habe jetzt noch nicht alles zitiert, ich habe einiges Material mit, wenn es euch interessiert, kann ich der Diskussion gerne auch noch drauf zurückkommen. Damit zum letzten Punkt:

Wir haben also einen Zerfall des postfaschistischen Konsenses. Das Ganze zerfällt und reorganisiert sich im Zerfall. Der Kulturbetrieb leistet sehr konstruktiv seinen Beitrag dazu und zwar gerade dadurch, dass er nicht konstruktiv ist und glaubt, sich durch politisch engagierte Kunst auf die Seite von No global schlagen zu können oder zu müssen. Wenn man das zusammennimmt, bleibt die Frage, die auch die antideutsche Kritik der ersten Stunde motivierte, ob das neue Deutschland mit diesen Tendenzen auch seiner Zeit voraus ist, ob also die selbstdestruktiven Tendenzen der nachbürgerlichen Gesellschaft erneut in Deutschland konzentrieren und dieses Land wieder zum Vorreiter der Barbarei prädestinieren, das halte ich allerdings für fraglich und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen hat sich das, was einmal die exklusiv deutsche Ideologie war, nämlich die Auffassung von Deutschland als Kulturnation, der es im Gegensatz zu anderen kapitalistischen Ländern überhaupt nicht um äußerliche Dinge wie materiellen Reichtum oder Herrschaft, sondern um die höheren Werte von Kultur und Gesittung gehe, europaweit verallgemeinert. In der heute vorherrschenden Europaideologie feiert die deutsche Ideologie, die sich schon immer zu fein war, vom politischen Kalkül auch nur zu reden, ihre Wiederauferstehung in einer von Politikern, Presse und Volksmeinung jeweils unterschiedliche Fraktionen gleichermaßen geteilten Ideologie des Supranationalen. Nämlich der als Lehre aus der Geschichte legitimierten Auffassung der Souveräne nach außen und innen Grenzen setzende und seine Interessen im äußersten Fall mit Gewalt verfolgende Nationalstaat sei als Institution längst obsolet und müsse durch eine auf dem Völkerrecht basierende internationale Friedensordnung auch ausdrücklich abgelöst werden. Und ist im Moment gerade nicht Deutschland, sondern es sind andere europäische Länder, die keinerlei Hemmungen zeigen, die an dieser Ideologie vorgezeichneten Konsequenzen auch praktisch zu vollstrecken. Es war nicht in Deutschland, sondern im angeblich so toleranten und freizügigen Schweden, genauer gesagt in Malmö, wo 30 jüdische Familien wegzogen, weil ihnen arabische Jugendliche das Leben zur Hölle machten, während der sozialdemokratische Bürgermeister Ilmar Reepalu, ich habe es nochmal nachgeschaut, dazu erst betreten schwieg, dann der jüdischen Gemeinde riet, zur Deeskalation beizutragen, indem sie sich von der israelischen Politik in Gasa distanziert und schließlich ein Dialogforum einzurichten und überhaupt sind skandinavische Regierungen immer ganz vorne dran, wenn es geht, antisemitische Rackets hoffähig zu machen. In Spanien, nicht in Deutschland, fand anlässlich des Gasa-Feldzugs 2009 die wohl widerwertigste antiisraelische Demonstration statt, zu der die sozialistische Regierungspartei damals noch die beiden größten Gewerkschaften sowie die vereinigte Linke aufriefen und auf der die Teilnehmer sich offen mit Hamas und Hisbollah verbrüderten. Unter britischen Intellektuellen gilt es als besonders schick zum Boykott zu einem akademischen Austauschs mit Israel aufzurufen. Eine Reihe von Musikern, darunter vier Mitglieder des Landessymphonieorchester, lancierten Ende August 2011 eine Petition gegen den Auftritt des Israel Philharmonic Orchestra bei den London Proms. Das trotzdem stattfindende Konzert wurde von den propalästinensischen Aktivisten durch Sprechchöre und das Absingen von Beethovens Freudenhymne gestört. Für die vier Orchestermusiker, die zumindest vom Dienst suspendiert wurden, verfasste dann wiederum eine ansehnliche Reihe von britischen Intellektuellen eine Solidaritätserklärung, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt. Was also die Angesprochenen vor allem eint, ist ein enorm gutes Gewissen, die Überzeugung, letzten Endes aus einem antirassistischen und antifaschistischen etwas heraus zu handeln, die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und für ihr Agieren niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Was dieses enorm gute Gewissen ermöglicht, ist also die mittlerweile national wie international durchgesetzte Rede von und auch das verweist wieder zurück auf die antideutschen Anfänge 1989/90, die Rede von der Singularität von Auschwitz oder der Singularität des Naziregimes und des nazifaschistischen Massenmords.

Wie bekannt, die Deutschen haben diese Rede sich in ihrer Vergangenheitsbewältigungsoffensive seit den 80ern so bereitwillig angeeignet, weil sich daraus prima politisches Kapital schlagen, moralischer Mehrwert abschöpfen lässt. Auschwitz und die Erinnerung daran zur deutschen Staatsraison zu erklären, wie Angela Merkel es in ihrer vielbeachteten Rede von 2008 tat, heißt, die Massenvernichtung als einen nationalen Titel zu reklamieren und daraus eine Eingriffsermächtigung abzuleiten, in der Gestalt, dass der Deutsche Souveränität, der Deutsche souverän, wenn er das besondere Verhältnis von Deutschen und Juden visiert, die Vorgänge im Nahen Osten und namentlich in Israel zum möglichen Objekt seines Zugriffs erklärt. Während aber diese Lehre aus der deutschen, aus der Geschichte für die Deutschen bedeutet gerade im Umgang mit Israel sich noch Zurückhaltung aufzuerlegen, auch diese Zurückhaltung schwindet, legitimiert es für die anderen europäischen Staaten das Gegenteil, komplette Bedenkenlosigkeit. Das europäische Ausland und auch die Deutschen zunehmend haben sich stillschweigend und sinngemäß die Klage ihrer liebsten Schützlinge, der Berufspalästinenser zu eigen gemacht, wie ungerecht es nämlich sei, dass man sie im Nahen Osten für etwas büßen lasse, was doch in Europa von den Deutschen verbrochen worden sei. Aber selbst, wenn das keine dreckige Lüge wäre, selbst wenn es damals in Europa, in Nordafrika, im Nahen Osten keinerlei tatkräftig unter Beweis gestellte Sympathie für Nazis gegeben hätte, deren Verbrechen also tatsächlich singuläre, das heißt regional eingrenzbare Phänomene gewesen wären, dann würde unabdingbar gelten, das Auschwitz zwar in Deutschland sich ereignete, aber spätestens danach eine allgemeine Angelegenheit ist. Die Massenvernichtung der Juden ist also als singuläres Ereignis unmittelbar zugleich von universeller Tragweite und kann deswegen nur einen neuen kategorischen Imperativ zur Folge haben, Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe, wie Adorno das formulierte, während heute die Verniedlichung von Auschwitz zu einer lokalen deutschen Besonderheit, also die Partikularisierung der Massenvernichtung ein probates Mittel für andere Nächte ist, deren mögliche Fortsetzung ebenso partikular zu okkupieren, um sie vielleicht fortan in Eigenregie zu betreiben und zu diesem Zweck mit dem kategorischen Imperativ zu lügen. Ebenso wie also der Begriff des Faschismus eine paradoxe internationale Bewegung meint, so zielt auch derjenige des Postfaschismus und das ist eine Hinzufügung, die ich in diesem Text das erste Mal vorgenommen habe und die mir so wichtig erscheint, wie die anderen Sachen, auf die ich hingewiesen habe, dass also der Postfaschismus ebenfalls… der Begriff des Postfaschismus ebenfalls auf eine internationale Konstellation abzielt, in der sich im Verhältnis Deutschlands zu anderen europäischen Staaten der innerdeutsche Erbfolgestreit von Establishment und Linken über die effektivste Art den Faschismus weiter zu bewirtschaften, ihn für die Gegenwart nutzbar zu machen in einer entscheidenden Hinsicht reproduziert. Auch international sind es derzeit gerade die historisch unbelasteten, die traditionell als liberal-progressiv und offen geltenden Staaten, die die Kontinuität des Verbrechens durch Diskontinuität verbürgen. Es herrscht also mittlerweile eine Art internationale Arbeitsteilung zwischen Deutschland und den anderen europäischen Ländern, dass daraus eine allgemeine Ideologie wird oder eine allgemeine Praxis, in der das spezifisch Deutsche, das was Deutsch genannt werden kann, nun untergeht, halte ich aber ebenso für unwahrscheinlich. Viel naheliegender halte ich es, dass dieses projektive Adaptieren anderer Kulturen, auf das die Deutschen so versessen sind, in eine neue Runde gehen wird und dass sie sich vom Unbefangenen, vom Lockeren und vom Spontanen anderer Völker weiterhin und erneut beflügeln lassen. Also wenn die anderen spontaner und lockerer antisemitisch sind, dann kann das eine Kulturtat für die Deutschen sein, sich von diesem Lockeren inspirieren zu lassen.

Damit zum Ende: Wie es auch immer ausgehen mag, für die antideutsche Kritik heißt dies, dass sie mit den Resten der affirmativen Theorie vom deutschen Sonderweg, die noch in ihr kursieren, abschließen muss. Denn als radikaler Einspruch fungiert sie gerade nicht im stereotypen Betonen der Besonderheit Deutschland, seiner besonderen Rolle in der Geschichte oder heute, sondern indem sie systematisch die Möglichkeit zu sabotieren trachtet, dass Antisemiten und die Gesellschaft, die sie hervorbringt und ermuntert, sich gegenseitig entlasten und beide das Allgemeine und das Besondere von Auschwitz als Legitimation für vordergründige politische Zwecke instrumentalisieren. Im Übrigen ist die Angst antideutsche Kritik könne sich bereits durch den Gang der Dinge von selbst erledigen, eine Angst, die, wie ich anfangs versuchte zu begründen, die in Wahrheit eine nur zu verständliche Hoffnung ausdrückt, die Hoffnung, sich mit diesem ganzen Blödsinn nicht mehr länger herumschlagen zu müssen, ist also diese Angst ähnlich gut begründet, wie die alte revisionistische Hoffnung auf ein automatisches Hineinwachsen in den Sozialismus, nämlich gar nicht. Gegenstandslos würde antideutsche Kritik erst, wenn das Deutsche in jedweder Gestalt, kurz gesagt die freiwillige Selbstopferung, die zum Sozialcharakter verfestigte Übersetzung des objektiven Zwangscharakters von Kapital und Staat in das Bewusstsein des Einzelnen durch die gelungene Abschaffung beinah objektiv verunmöglicht ist und bis dahin bleibt leider die antideutsche Zuspitzung des kritischen Materialismus aktuell. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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Freiheitsbewegung und autoritärer Staat
Plädoyer gegen den selbstvergessenen Subjektivismus

Clemens Nachtmann (Bahamas 49/2006)

 

Ausführungen über die Rezeption der „Kritischen Theorie“ durch die sogenannten 68er sind im Konferenzprogramm als Thema angekündigt und viele mögen gereizt aufstöhnen: warum das alles, warum zum wiederholten Male die Psychopathologie eines Milieus durchhecheln, mit dem man schon längst fertig ist, das man doch in unzähligen Artikeln erledigt hat und dessen in sich ruhenden, unerschütterlichen Glauben an die eigene Bedeutung und historische Wirkungsmächtigkeit man stillschweigend Tribut zollt, wenn man sich wie auch immer kritisch mit ihm überhaupt auseinandersetzt und das man deshalb doch besser, nach Karl Kraus, „ned amal ignoriern“ sollte?

Etwaige Befürchtungen möchte ich daher gleich von Anfang an zerstreuen: im folgenden wird es definitiv nicht um eine Rezeptionsgeschichte im eigentlichen Sinne gehen: also um die inhaltliche Rekon­struktion dessen, wie die studentische Protestbewegung sich die „Kritische Theorie“ angeeignet hat, also welche Denkfiguren sie wie aufgefaßt und übernommen hat, dabei verschiedene Lesarten herausarbeiten, deren Stärken und Schwächen aufzeigen und gegeneinander abwägen, die Frage aufwerfen, ob diese Rezeption den ursprünglichen Texten entspricht, um dann herauszupräparieren, was die Texte der Kritischen Theorie „ursprünglich“ oder an Ort und Stelle bedeuten, um dann schlußendlich zu demonstrieren, wie denn nun die „wahre“ Adorno- oder Horkheimer-Lektüre auszusehen habe.

Eine solche philologisch-akademische Rekonstruktion, nicht unähnlich den Versuchen, den unter seinen durch verschiedene Rezeptionen gleichsam verschütteten „wahren“, „authentischen“ Marx durch das Verfahren der „Rekonstruktion“ freizulegen, ist sicherlich nicht geringzuschätzen, ist solches Vorgehen doch von jener sehr sympathischen Orthodoxie gekennzeichnet, die auf den Wortlaut von Texten pocht und daher objektiv polemisch gegen den subjektivistischen, freischöpferischen Umgang mit einem Denken sich verhält, das gegen allen schlechten Subjektivismus sich doch gerade spröde macht. Aber der Vorteil dieser Methode ist zugleich ihr größter Nachteil, weil sie ein entscheidendes Moment schon im Ansatz außer Acht läßt: kein Denken ist rein aus sich selbst, aus seiner immanenten Logik heraus zu begreifen, vielmehr sind die logisch-diskursiven Formen, in denen jedes Denken sich notwendig vollzieht, stets Formen eines bestimmten Erfahrungsgehalts, von dem sie motiviert sind, den sie ausdrücken, dessen Organon Theorie ist. Jegliches Denken, die Kritische Theorie zumal ganz explizit, ist ein von Wunsch und Bedürfnis geleitetes Verhalten; bei aller Kritik am sogenannten Wunschdenken ist der Wun­sch, letzten Endes der nach dem guten Leben, jedem Denken im emphatischen Sinne eingeschrieben; und dort, wo dieser Wunsch verleugnet oder abgedrängt ist, wo Denken nicht von Erfahrung gesättigt ist, gerät es, wie triftig seine Ergebnisse im einzelnen sein mögen, zu einer Ansammlung von Merksätzen, zu hohlem Begriffsgeklapper. Zur Kritik steht also nicht die Tatsache, daß Denken überhaupt vom Bedürfnis umgetrieben wird, weil alles Denken dem Bedürfnis, letzten Endes der Lebensnot entspringt (1) und weil, wie Adorno und Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“ ausführen, schon dem einfachen Wahrnehmungsakt die Projektion subjektiver Eindrücke auf den Gegenstand unabdingbar immanent ist (2); zur Kritik kann vielmehr nur das Verhältnis von Bedürfnis und Denken stehen: ob jenes sich zur Sache, an der es sich entzündete, hin entäußert, um in deren Durchdringung sich selbst und der Sache innezuwerden, um in ihr schließlich unterzugehen. Wo eine Erfahrung ganz bei sich bleibt und sich als solche proklamiert, da verhärtet sie und wird zum Bekenntnis, zur Lebensreform, zur Zwangsmoral – kurz: zu einem gegen alle Erfahrung abgedichteten Privatissimum, das den Grundstock asozialer Sozialität abgibt. Alles hängt davon ab, ob subjektive Unmittelbarkeit sich an ihren Gegenstand verschwendet wie nur der Liebhaber an das begehrte Objekt, ob er im Gegenstand unterzugehen vermag wie nur der Liebende auf dem Höhepunkt der Lust.

Kritische Theorie als identitäres Bedürfnis

Und was für jede Gestalt des Denkens gilt, gilt ebenso für deren Rezeption: weil emphatisches Denken, also Philosophie, wie etwa die Kritische Theorie sie in immanenter Kritik entfaltet hat, Subjektives, das Bedürfnis, in der insistierenden Befassung mit den Phänomenen zur Sprache bringt, ist auch ihre Aneignung unabdingbar von Bedürfnis geleitet. Schlecht wird das erst, wo das Subjekt die Sache sich selbst und seinen partikularen Bestimmungen gleichmacht und dergestalt bei sich verharrt, kurz: wo Erfahrung gar nicht stattfindet und das Bedürfnis ganz bei sich bleibt und darüber verhärtet. Daß dies im Verhältnis der 68er zur Kritischen Theorie der Fall war; daß das Bedürfnis, aus dem Horkheimer und Adorno rezipiert wurden, ein überwertig projektives war, scheint mir unabweisbar festzustehen und deshalb keiner ausführlichen Herleitung bedürftig zu sein. Von Interesse ist allein die Gestalt des Bedürfnisses selbst – und zwar wiederum nicht aus historisch-rekonstruktivem Interesse, sondern aus dem einfachen Grund, daß das identitäre Bedürfnis, wie man es nennen könnte, d.h. die Versessenheit darauf, ein Denken und dessen Exponenten als Stichwortgeber und Kronzeugen für eigene ganz anders geartete Absichten zu instrumentalisieren, nicht nur nicht vergangen, sondern höchst aktuell zu sein scheint. Dabei verschlägt es überhaupt nicht, ob etwa die Kritische Theorie als eine besonders differenzierte linksradikale Spielart der kommunistischen Bewegung oder als eine Art aufgeklärte, selbstkritische Variante einer bürgerlich-liberalen Anschauung vereinnahmt wird – entscheidend ist gerade nicht der jeweilige Inhalt, sondern die Form des identitären Bedürfnisses selbst, das darauf drängt, sich jeden Gehalt nach dem Maß der eigenen intentionslosen Intention gleichzumachen, Hauptsache, es wird Sinn gestiftet, Hauptsache, der Einzelne muß nicht für sich selbst sprechen, sondern kann sein Denken und Tun aus höheren Prinzipien ableiten.

Man vergegenwärtigt sich das Bedürfnis der 68er und man begreift zugleich das aktuelle Bedürfnis, wenn man die Studentenbewegung zur Abwechslung einmal nicht in ihrer objektiven politischen Funktion begreift, sondern sie in ihrem Selbstverständnis als einer anti-autoritären Bewegung ernstnimmt, die sich in Wort und Tat gegen Obrigkeiten und Autoritäten wandte, die sich gegen die Entmündigung der Menschen durch den organisierten, sozialstaatlich abgefederten Kapitalismus richtete, der die unmittelbaren Produzenten als verkappte Unterstützungsempfänger behandelt, einer Bewegung, die gegen den damit einhergehenden Verlust einer bürgerlichen wie proletarischen Öffentlichkeit aufbegehrte, die – so „antideutsch“ waren auch die 68er allemal – die Erstarrung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland auf die ungebrochene Kontinuität obrigkeitlicher deutscher Traditionen zurückführte und die als eine Art vorweggenommene NGO für Freiheit von jeglicher vorherbestimmten Autorität und für die von unmittelbar staatlichen Vorgaben unabhängige Eigeninitiative, mithin für Öffentlichkeit als Domäne mündiger, sich selbst verantwortlicher Staatsbürger eintrat. Die Bewegung erstrebte, Demokratie als Angelegenheit sich selbst bestimmender, nur sich selbst und keiner Obrigkeit rechenschaftspflichtiger Subjekte zu restituieren oder über­haupt erst in Geltung zu setzen und damit die bislang in Deutschland ausgebliebene bürgerlich-demokratische Revolution nachzuholen; die Sentenz Joseph Fischers angesichts der deutschen Intifada von 1989, daß „zum ersten Mal seit der blutigen Niederschlagung der demokratischen Revolution von 1848 (…) der Begriff ,Volk‘ in der politischen Sprache wieder einen guten, einen aufrechten Klang (habe) (…) nach Demokratie, nach Freiheit, nach Menschenrechten“ klinge, erhebt dieses Ansinnen etwas verspätet zum Selbstbewußtsein.

„Survival of the fittest“

Ohne Zweifel ließe sich nun, wie es nicht nur in der Bahamas schon vielfach geschehen ist, darlegen, daß dem demokratisch-staatsbürgerlichen Pathos, das die Protestbewegung auszeichnete, wie es in Parolen von der „Politisierung“ von Forschung und Lehre zum Wohle der gesamten Gesellschaft, von der „Demokratisierung“ nicht nur der Hochschule, sondern auch der „Wirtschaft“ und überhaupt aller Lebensbereiche zum Ausdruck kommt, jener Staatsidealismus deutscher Provenienz zugrunde liegt, gegen den die Protestbewegung sich verbal wandte; daß in diesem Idealismus des bürgerlichen Gattungswesens die spätere „sozialistische“ Wendung bereits logisch angelegt war, in deren Verlauf dieses staatsbürgerliche Selbstbewußtsein begann, sich vom bürgerlichen Leben loszureißen und sich mit rabiaten Mitteln gegen seine soziale Naturgrundlage zu wenden, wodurch wie in einer Art Farce der Farce das radikaldemokratische Engagement wieder einmal aus eigener Logik und Schwerkraft in den Terror der Tugend und Lebensreform umschlug. (3) Eine Kritik an der Neuen Linken wäre allerdings nur die halbe Wahrheit und damit die komplette Unwahrheit, wenn sie zwar deren staatsbürgerlichen Idealismus aufs Korn nähme, den anti-autoritären Impuls dagegen, wenn schon nicht verteidigte, so doch zumindest eine Ehrenrettung ihm angedeihen ließe; selbstverständlich jedoch ist das geradezu radikalliberal anmutende anti-autoritäre Ansinnen, wie es die 68er vertraten, von der selbstzerstörerischen Dialektik der Aufklärung nicht nur nicht ausgenommen, sondern deren integraler Bestandteil. Mehr noch: anti-autoritäre Rebellion, immer schon ein tendenziell gewalttätiges, repressives Moment bürgerlicher Freiheitsbewegungen, ist das Ferment jener Bewegung, welche die Aufhebung des Liberalismus betreibt und jenes Regimes, das aus dieser Aufhebung hervorgeht: des Nationalsozialismus. Anti-autoritärer Protest und autoritärer Staat schließen ein­ander nicht nur nicht aus, sondern bedingen einander notwendig.

Wenn die 68er nun bekanntlich für ihr anti-autoritäres Engagement die Schriften von Horkheimer und Adorno, namentlich Horkheimers Aufsatz „Autoritärer Staat“ und Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ reklamierten, so könnte man sagen, daß diese Rezeption eine Nicht-Rezeption war, aber das wäre noch untertrieben: in Wahrheit war es so, daß man zwar den theoretischen Gehalt unablässig memorierte, diesen aber in konstitutiver und selbstgerechter Blindheit auf alles bezog, nur nicht auf sich selbst. Daß Liberalismus notwendig in Faschismus umschlage, wurde und wird bis heute dutzendfach dahergebetet und dabei ging den Studenten nicht auf, daß sie gerade dabei waren, diesen Umschlag höchstselbst zu vollziehen und zu betreiben. Wenn bei Horkheimer, Adorno, Löwenthal die Rede von der Selbstaufhebung des Liberalismus ist, dann ist diese Diagnose nicht nur retrospektiv, im Bezug auf die Vergangenheit zu begreifen, wie es üblicherweise geschieht, dergestalt, daß die Katastrophe der Zivilisation, wie sie im Nationalsozialismus sich ereignet hat, bereits in der Aufklärung, und zwar in frühester Zeit angelegt ist. Das Ganze hat auch, umgekehrt, eine prospektive Bedeutung: daß nämlich der Faschismus, welch tiefgreifenden und epochalen Einschnitt er zweifellos auch bedeuten mag, im Grunde keine neue Epoche ist, sondern der alte Liberalismus, der, am Ende mit seinem Latein, nun seine bösartigsten und mörderischsten Seiten hervorkehrt: das vorgeblich Neue, der Faschismus, ist nichts weiter als das Alte, das nicht vergehen mag und in diesem blinden Beharren zu den größten Bestialitäten fähig ist: „Aber die totalitäre Ordnung ist nichts anderes als ihre Vorgängerin, die ihre Hemmungen verloren hat. Wie alte Leute zuweilen so böse werden, wie sie im Grunde immer waren, nimmt die Klassenherrschaft am Ende der Epoche die Form der Volksgemeinschaft an (…) Die Vermittlung wird jetzt abgeschafft. Der Faschismus ist die Wahrheit der modernen Gesellschaft, die von der Theorie von Anfang an getroffen war.“ (4) Weil der Begriff einer „Geschichte des Kapitals“ im Grunde eine contradictio in subjecto ist, insofern das bewußtlose Prozessieren des Kapitals keine qualitative Änderung, sondern eine durch­aus negative Selbstentfaltung beschreibt, eignet selbst jenem dogmatischen Marxismus, der blind gegen jede historische Erfahrung und vernarrt in seine Wesensmetaphysik, darauf besteht, daß auch der Faschismus „nur“ eine Erscheinungsform des Kapitalverhältnisses sei, ein Moment von Wahrheit – allerdings ein Moment, das er selbst gar nicht begreifen kann und das sich im Zusammenhang entfaltet, gegen seine Intentionen und seine gesamte Konstruktion kehrt (5). Alle objektiven Bestimmungen der liberal verfaßten politischen Ökonomie – Kapital, Wert, Konkurrenz und eben auch die Realkategorie des Subjekts und des Interesses – bleiben in Kraft, aber ihr gesellschaftlicher Gehalt ist ins Gegenteil gewendet, weil der Faschismus, namentlich der deutsche Nationalsozialismus, das grundlegende Moment jeder Form menschlicher Gesellschaft, die Selbsterhaltung, in ein „Sein zum Tode“, wie der „Hitler des Denkens“ (Martin Buber), Martin Heidegger formulierte, also in ein Leben um des Untergangs willen, verkehrt: wo einmal ein Lebensinhalt war, herrscht nun ein „Sterbensinhalt“, wie Hermann Broch einmal formulierte. (6) In seiner liquidatorischen Polemik gegen das Liberale eignen dem Faschismus wiederum durchweg Züge eines wildgewordenen Liberalismus. Schon das jugendbewegte Ressentiment der faschistischen Bewegung gegen alles Traditionelle, Überkommene und institutionell Verfestigte, die Ansicht, das staatliche Gemeinwesen sei von egoistischen Interessengruppen usurpiert, die sich filzartig ausgebreitet hätten, das Ressentiment gegen die Unproduktiven im Namen der „ehrlichen Arbeit“ ist eine Reprise der bürgerlichen Polemik gegen die Beutelschneiderei des absolutistischen Staates und eine Wiederaufnahme des darin einbegriffenen anti-autoritären Impulses des bürgerlichen Liberalismus, nur allerdings an sich selbst komplett bösartig geworden. Der Nazifaschismus, der eine auf Gedeih und Verderb an staatlichen Direktiven hängende Konjunktur ins Leben ruft und durch solche Zwangsbewirtschaftung die Konkurrenz des fungierenden wie des variablen Kapitals, der Ware Arbeitskraft, sistiert oder doch weitreichenden Beschränkungen unterwirft, entfesselt dadurch die Konkurrenz erst recht in ungeahntem Ausmaß, ja realisiert sie erstmals ganz rein als Verdrängungswettbewerb, als Hauen und Stechen – er realisiert sie also genau nach dem pathisch projizierten Bilde des „survival of the fittest“, das sich die naturalistische Zivilisationskritik schon immer vom Liberalismus machte. Was auf den angelsächsischen Liberalismus oder das Judentum je projiziert wurde und wird – schrankenloser Egoismus, ungezügelte Anarchie, Auflösung jedes sozialen Zusammenhalts – ist das, wonach die virtuell Überflüssigen sich insgeheim sehnen und es ist der Faschismus, der diese Projektion zur gesellschaftlichen Realität werden läßt, indem er ihr institutionelle Förderung und Rückendec­kung verschafft und den Wunschtraum aller als Alptraum für die zum Abschuß Freigegebenen real in Szene setzt. Nicht der angelsächsische liberale Kapitalismus, sondern der Nazifaschismus ist es, der, wie die heute beliebten Slogans heißen, „Ellenbogengesellschaft“ und „Kapitalismus pur“ verwirklicht: als kollektiven Amoklauf einer zerfallenden, in die Asozialität treibenden Gesellschaft.

Vom Tellerwäscher zum Gauleiter

Als ein Regime, das deshalb mit Fug und Recht als „neoliberal“ bezeichnet zu werden verdiente, emanzipiert der Nazifaschismus selbst im perversen Sinne das Subjekt, indem er es liquidiert: nachdem die Vermittlung des bourgeois und citoyens in Form bürgerlicher wie proletarischer Öffentlichkeit eingezogen und kassiert ist, fällt das „bestialische und abstrakte Eigeninteresse“ (7), das allein auf seinen Vorteil bedachte, aller Konventionen und Gepflogenheiten entledigte, gegen die Menschen und die Dinge zutiefst gleichgültige Handeln, will heißen die in blanke Raffgier umgeschlagene blind-naturwüchsige Selbsterhaltung mit ebenso blinder, intentionsloser, ganz vom „unerhellten Trieb“ (8) ergriffener Selbstlosigkeit, unmittelbar und ununterscheidbar zusammen: das ist die perverse, nur benenn-, aber nicht rational begreifbare Einheit von Selbsterhaltung und Selbstvernichtung im Individuum. Die Feinderklärung, von der alle Individuen umgetrieben sind, in deren Namen alle sich zusammenrotten, entzweit sie zugleich und setzt sie in ein Verhältnis erbitterter Konkurrenz: alle wollen sich bewähren, jeder will dabei der erste sein und alle anderen wegbeißen, weil auf dem Grund dieser Konkurrenz die blanke Panik vor der Überflüssigkeit und jenem Untergang liegt, den doch zugleich alle ahnen und herbeisehnen. Der Nazifaschismus realisiert derart Freiheit und Gleichheit – Freiheit als freiwillige Selbstaufgabe und Einladung zur Enthemmung, weil jeder wie in einer bösen Parodie auf bürgerliches Glücksversprechen es vom Tellerwäscher zum Gauleiter bringen kann, sofern er sich dem Staat nach Kräften andient; und Gleichheit als Selbstverwaltung der eigenen Unterdrückung im Rudel, als freiwillige Selbstaufopferung und virtuelle Selbstvernichtung, die durch die Opferung der anderen, der designierten Anti-Subjekte, hintangehalten werden soll. Das aller Bevormundungen entledigte, an keiner Objektivität sich messende, absolut sich setzende Subjekt ist dergestalt nicht das von Zwang befreite, selbstbestimmte und dadurch der Gegensatz repressiver Objektivität, sondern im Gegenteil deren adäquate Verkörperung und deren Exemplar, die auf sich zurückgeworfene Monade, die gerade in vollendeter Asozialität und Blindheit gegenüber der Außenwelt deren mörderische Dynamik an sich selbst und gegen andere reproduziert. Das absolut autonome Subjekt ist das Individuum, das sich der allgemeinen Subjektivität der verabsolutierten, jeder Rücksicht entledigten und deswegen mit Vernichtung zusammenfallenden Kapitalverwertung gleichgemacht hat. Subjektivismus, der, indem er in ungebremster Radikalität sich überschlägt, sich absolut setzt, betreibt seine Liquidation, die er zunächst an anderen vollstreckt. Der Nationalsozialismus ist darin der grauenvolle Triumph jener konformistischen Rebellion, wie sie bislang jede Freiheitsbewegung auszeichnete, jener in der Fichteschen Philosophie zum System geronnenen auftrumpfend-patzigen anti-autoritären Haltung, die prinzipiell nichts Äußeres, Fremdes, Dinghaftes, Objektives, dem Subjekt womöglich Inkommensurables gelten läßt und darum nur in der Vernichtung der brauchbaren Welt und der Ausmerzung des Dinghaft-Objektiven am Subjekt selbst enden kann. (9)

Deutscher Idealismus  versus deutscher Etatismus

Weil die totale Integration, die der Nationalsozialismus bewerkstelligt, nur die Kehrseite einer totalen Asozialität ist; weil anti-autoritärer Protest genau dieses Moment asozialer Subjektivität mobilisiert und selbst verkörpert, ist im postnazistischen deutschen Gemeinwesen dem Liberalismus ebenso zu mißtrauen wie dem Etatismus: beides sind gar keine grundverschiedenen Phänomene, sondern zwei Ansichten derselben Medaille. Die Gegnerschaft zwischen Etatisten und Liberalen hierzulande ist gar keine; jeder hat gegen den anderen recht, beide zusammen haben Unrecht, weil sie auf einer gemeinsamen, von keiner Seite zur Sprache gebrachten Grundlage agieren, so daß eine bloße Spiegelfechterei im Gange ist. Der anti-etatistische Affekt der Liberalen vermag zwar die autoritären, regressiven Züge des Eta­tismus richtig zu benennen, schweigt sich aber über seine eigene Abkunft vom Faschismus und seine eigene Bereitschaft, übelste Ressentiments zu bedienen, meist vornehm aus – und umgekehrt: das Ressentiment der Etatisten jeglicher Couleur gegen den Liberalismus ist zwar so bösartig, liquidatorisch und unwahr, wie Liberale stets zurecht argwöhnen – aber von Liberalen hierzulande läßt sich nicht nur nicht ausschließen, sondern mit Recht vermuten, daß sie genau dem Zerrbild entsprechen, das Faschisten und Staatsfanatiker vom Liberalismus immer schon gemalt haben und für genau jene Asozialität einstehen, die dem Faschismus wiederum das Menschenmaterial in die Arme treibt. Wenn also das Zurückfahren explizit staatlicher Regulationsformen von deutschen Liberalen regelmäßig in fast schon „antideutscher“ Manier als Bruch mit unseligen etatistischen Traditionen deutscher Provenienz und gar als Fortschritt der deutschen Verhältnisse hin zu angelsächsischem Liberalismus verkauft wird, dann kommt darin nicht nur die notwendige Borniertheit des Liberalismus zum Ausdruck, der nicht wahrhaben kann – ansonsten er sich selber aufgeben müßte – daß die differentia specifica der deutschen Variante kapitalistischer Vergesellschaftung nicht die bloße Tatsache staatlicher Intervention ist, sondern der Kurzschluß zwischen bürgerlicher Legalität und antibürgerlichem Ressentiment, das im Zuge des vor sich gehenden Abbaus staatlicher Regulation gerade nicht abgeschafft wird, sondern das lediglich eine andere, „schlankere“ und „basisnähere“ Verlaufsform erhält. (10) Was sich im anti-institutionellen Furor erklärter Liberaler hierzulande manifestiert, ist der Drang, jene Vermittlungen, ungeschriebenen Convenus, gesetzten Regeln und institutionellen Formen zu beseitigen, die den Einzelnen daran hindern, seine unerhellten Regungen und üblen Ressentiments ungebremst auszuagieren. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die postnazistische Demokratie die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert hat – daß sie es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst hat, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte. Und es ist darüberhinaus daran zu erinnern, daß es selbst im postnazistischen Staat Bereiche gab und teilweise sogar gibt, in denen etatistische Regulation und staatliche Förderung bestimmten, nicht marktgängigen Zweigen der gesellschaftlichen Produktion eine, wenn auch prekäre Nischenexistenz ermöglicht hat, die unter anderen gesellschaftlichen Umständen etwa von Mäzenen und Sponsoren übernommen wird. Dort, wo das allgemeine Bewußtsein nicht von vornherein vom Staat die totale Zuständigkeit für alle Lebenslagen des Einzelnen erwartet, wo die Bereitschaft zur bürgerlichen Selbsthilfe Tradition hat, wird nach der Rücknahme ohnehin nicht für selbstverständlich gehaltener staatlicher Regularien nicht gleich die ganze Gesellschaft kollabieren und in Anomie versinken – hierzulande jedoch bedeutet ein Abbau des Sozialstaats die Freisetzung von nichts als Neidhammeligkeit, Haß und Geifer, bedeutet der Rückzug des Interventionsstaates dessen „Rücknahme in die Gesellschaft“, dessen Diversifizierung in Form von ungezählten lokalen, untereinander konkurrierenden Souveränen, die alle nur eines umtreibt: einander das Leben so schwer wie möglich zu machen. Der Sehnsucht nach dem „starken Staat“, die die notorischen Etatisten artikulieren, ist vor allem, aber nicht nur hierzulande, die Sehnsucht nach dem „starken Markt“ ebenbürtig, den sich postnazistische Liberale durchweg politisch, ganz nach dem Modell des Staates vorstellen, und von dem sie sich wie ihre feindlichen Brüder vom Staat erhoffen, daß er mit allem Gesindel, den Unproduktiven, den Schmarotzern, den modernen Künstlern und all den illegitimen Subventionsempfängern, die dem „ehrlichen Bürger und Steuerzahler“ nur auf der Tasche lägen, endlich aufräumt.

Joseph Goebbels – ein moderner Kulturmanager

Ein Beispiel mag schlagend, mehr als alle langatmigen Ausführungen illustrieren, was zutage tritt, wenn Fanatiker des „starken Markts“, von Aufrufen zur Entrümpelung des Subventionsstaats und zum Angriff auf alte „Besitzstände“ sich beflügelt wähnen. Ein gewisser Dr. Christian Detig, seines Zeichens Musikchef des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), glänzte im Frühprogramm von Kulturradio am 30.5. 2005 mit folgender Anmoderation:

„,Das Programm des Rundfunks muß so gestaltet werden, daß es den verwöhnten Geschmack noch interessiert und dem anspruchslosen noch gefällig und verständlich erscheint. Dabei soll besonderer Bedacht auf die Entspannung und Unterhaltung gelegt werden, weil die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Rundfunkteilnehmer einen Anspruch darauf hat, in den wenigen Ruhe- und Mußestunden auch wirklich Entspannung und Unterhaltung zu finden. Demgegenüber fallen diejenigen, die nur von Kant und Hegel ernährt werden wollen, kaum ins Gewicht‘. (11) Und ich behaupte mal, das könnte so ohne große Abstriche jeder ARD-Intendant auch unterschreiben, ich übrigens auch, ich lasse es aber, denn dieses Zitat stammt von – bitte anschnallen – Joseph Goebbels.“

Daß es in Subjekten vom Zuschnitt des Herrn Dr. Detig genauso denkt wie im ehemaligen Reichpropagandaminister, ist an und für sich nichts Neues, ebensowenig, daß sie mit traumwandlerischer Sicherheit ihren Volksgenossen im Geiste aufspüren – daß sie aus ihrem Herzen aber keine Mördergrube mehr machen und sich zum Anwalt all jener aufschwingen, die endlich nicht mehr mit Kunst belästigt werden wollen, die nach ihrer Ansicht bloß Steuergelder verschlingt, aber nichts einbringt, nicht mal „Entspannung und Unterhaltung“, markiert jedoch eine neue Qualität. Schlimmer noch als die Tatsache, daß es heute möglich ist, in aller Öffentlichkeit Joseph Goebbels als Kronzeugen für die Bedürfnisse der Lifestyle-Gesellschaft aufzurufen und an seiner 1936 im selben Haus des Rundfunks, in dem Dr. Detig seine Geschäfte erledigt, gehaltenen Rede, lediglich auszusetzen, daß sie von Goebbels sei – schlimmer noch als dieser Vorgang sind die Reaktionen darauf, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lassen. Denn der RBB verfügte daraufhin eine fristlose Entlassung – gefeuert wurde aber nicht der habilitierte Neigungsnazi Dr. Detig, sondern Martin Demmler, der – nunmehr ehemalige – RBB-Redakteur für Neue Musik, der den ungeheuerlichen Vorgang publik machte und anprangerte. Demmler sei ein „Denunziant“ und „Straftäter“, ließ die RBB-Chefetage verlauten, Detigs Wortwahl hingegen sei lediglich „nicht glücklich“. Springers Berliner Morgenpost hatte an dieser Vorgehensweise nichts auszusetzen, lediglich in der, was diese Belange betrifft, zum Glück immer noch kulturkonservativen FAZ fand Eleonore Büning angemessene Worte für den ganzen Skandal. Und so wie Demmler ergeht es mittlerweile auch anderen, die nichts weiter tun, denn als Standard zu verteidigen, was gestern noch selbstverständlich schien. Die Initiative „Das ganze Werk“, die sich gegen die in den letzten zwei Jahren insbesondere im RBB und NDR durchgeführten sogenannten „Programmreformen“ wehrt, die die jeweiligen Kultursender auf das Niveau eines Wellness-Dudelfunks herabgewirtschaftet haben, und die dagegen die bescheidene Forderung erhebt, wenigstens an vier Stunden pro Tag ganze Werke und nicht bloß irgendwelche Häppchen auszustrahlen, wurden vom Hörfunkdirektor von NDR-Kultur, Gernot Romann, als „Kultur-Ajatollahs“ (12) beschimpft. Wenn in Deutschland zum Befreiungsschlag gegen „eingefahrene“ oder „verkrustete“ „Strukturen“ ausgeholt wird, dann glaubt man sich stets mit einer übermächtigen Tendenz im Bunde – und dabei verschlägt es überhaupt nichts, ob dies wie bei Hitler die „Vorsehung“, bei Helmut Schmidt die „Sachzwänge“, bei der Neuen Linken die „historische Notwendigkeit“ oder bei nazifizierten Liberalen der „Markt“ bzw. bei Fronvögten wie dem Dr. Detig oder dem Herrn Romann der „Publikumsgeschmack“ ist. Zu den Standards der Gegenaufklärung rechnet, daß deren Exponenten, im wahnhaften Glauben, sie seien berufene Vollstrecker unaufhaltsamer Entwicklungen, sich als Freiheitsbringer feiern und mit herablassender Gebärde ihre Gegner entweder als Ewiggestrige lächerlich machen, über die der Zug der Zeit hinweggrollen werde, oder sie als angebliche Fundamentalisten und Erziehungsdiktatoren verlästern, denen man endlich das Handwerk legen müsse.

Antiautoritärer Protest und asoziales Bedürfnis

Kein Zufall, daß die zum vermeintlichen Ausbruch aus etatistischer Bevormundung entschlossene Gesellschaft sich der anti-autoritären Gesinnung ihrer einst aus dem Ruder gelaufenen und mittlerweile arrivierten Sprößlinge neuerdings wieder entsinnt. Ob die im „paternalistischen Vorsorgestaat“ erstickende deutsche Gesellschaft nicht der Radikalkur eines „neuen 68“ bedürfe, um die alten Zöpfe endlich abzuschneiden, wird im Feuilleton und im Fernsehen mittlerweile ernsthaft diskutiert. Es zeigt sich darin, in welchem Maße der anti-autoritäre Protest einer linken Minderheit ein asoziales Bedürfnis der Mehrheit formuliert, das sich erst verspätet einbekannte. Verwundern dürfte vor dem Hintergrund des Ausgeführten auch nicht, daß Horkheimer und Adorno von der anti-autoritären Rebellion ihrer Studenten, die sie damals am liebsten schon als an den Herausforderungen der neuen Zeit scheiternde Zauderer und Repräsentanten einer veralteten, elitären Kritik zum alten Eisen werfen wollten, aufs Äußerste abgestoßen waren. „Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ (13), notiert Horkheimer 1968 lakonisch. Über die Ideologie des neuen alten, anti-autoritär auftretenden Liberalismus ist damit auch alles gesagt. Adornos und Horkheimers Polemik gegen die Studentenbewegung ist von der geradezu prophetischen Einsicht getragen, daß demokratisch gesonnener anti-autoritärer Protest nichts anderes freisetzen wird als wiederum nur die alte Ordnung, aber nun ohne alle Hemmungen. Ihre Haltung war eine, sich einerseits keine Illusionen über die Verhältnisse zu machen, auszusprechen, daß rechtsstaatlich-liberale Vermittlungsformen im postnazistischen Zustand nicht länger „substantiell“ sind, aber gerade aufgrund dieses Wissens nicht mit dem Unwesen zu paktieren, weil es besser, für die Menschen bekömmlicher sei, wenn die Verhältnisse nicht so hüllenlos sich präsentieren, wie sie es auch könnten, sondern wenn so getan wird, als ob: „Authentizität“ wäre die Hölle. Adornos Überlegungen in den „Minima Moralia“ aus den späten vierziger Jahren lesen sich in diesem Zusammenhang wie ein vorweggenommener Kommentar zur Studentenbewegung wie zu den aktuellen Vorgängen: „Unser Leben haben wir der Differenz wischen dem ökonomischen Gerüst, dem späten Industrialismus, und der politischen Fassade zu verdanken. Der theoretischen Kritik ist der Unterschied geringfügig: allerorten läßt sich der Scheincharakter etwa der angeblichen öffentlichen Meinung, der Primat der Ökonomie in den eigentlichen Entscheidungen dartun. Für ungezählte Einzelne aber ist die dünne und ephemere Hülle der Grund ihrer ganzen Existenz. Gerade die, von deren Denken und Handeln die Änderung, das einzig Wesentliche, abhängt, schulden ihr Dasein dem Unwesentlichen, dem Schein, ja dem, was nach dem Maß der großen historischen Entwicklungsgesetze als bloßer Zufall zutage kommen mag. Wird aber dadurch nicht die gesamte Konstruktion von Wesen und Erscheinung berührt? Gemessen am Begriff ist das Individuelle in der Tat ganz so nichtig geworden, wie die Hegelsche Philosophie es vorwegnahm; sub specie individuationis aber ist die absolute Kontingenz, das geduldete, gleichsam abnorme Weiterleben selber das Essentielle. Die Welt ist das System des Grauens, aber darum tut ihr noch zuviel der Ehre an, wer sie ganz als System denkt, denn ihr einigendes Prinzip ist die Entzweiung, und sie versöhnt, indem sie die Unversöhnlichkeit von Allgemeinem und Besonderen rein durchsetzt. Ihr Wesen ist das Unwesen; ihr Schein aber, die Lüge, kraft deren sie fortbesteht, der Platzhalter der Wahrheit.“ (14)

Gerade angesichts solcher Aussagen haben die 68er, enttäuscht davon, daß die Kritische Theorie nicht dem projektiven Bild, das sie sich von ihr gemacht hatten, deren Exponenten, die sich nicht so verhalten mochten, wie sie es von ihnen erwartet und abgefordert haben, „Verrat“ vorgeworfen – „Verrat“ an der Radikalität ihres eigenen Denkens, „Verrat“ vor allem an den politischen und praktischen Konsequenzen, die daraus angeblich zu ziehen seien. Zum Ausdruck kommt darin nicht nur, in welchem Maße der anti-autoritäre Protest im wesentlichen eine Rebellion der Jungen gegen diejenigen war, die sie eben noch als Autoritäten angehimmelt hatten. (15) Es manifestiert sich in dieser Haltung, die auf unbedingte Loyalität aus ist und den Treueschwur verlangt und alle, die ihn nicht leisten, als „Verräter“ abqualifiziert, vor allem, welch unüberbrückbarer Abgrund zwischen dem Erfahrungsgehalt der Kritischen Theorie und den politischen Bedürfnissen der Neuen Linken, die auf sie projiziert wurden, von Anfang an bestand. Der Kölner Soziologe Erwin K. Scheuch hatte die rebellierenden Studenten seiner­zeit abschätzig als „Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft“ bezeichnet und im Nachhinein wird man sagen müssen, daß diese in durchaus ressentimentgetränkter und emanzipationsfeindlicher Absicht getroffene Charakterisierung die Sache ganz gut trifft. Denn tatsächlich war die Studentenbewegung im Kern keine revolutionäre, sondern eine im schlim­m­­­­­s­ten Sinne idealistisch gesonnene Reformations- und Erweckungsbewegung, die im Namen der radikaldemokratisch oder sozialistisch legitimierten Glaubensstrenge gegen den bürgerlichen Egoismus auftrat, im Namen selbstlosen politischen Engagements gegen den unpolitisch-selbstsüchtigen „Konsumismus“, im Namen eines wahren Wesens gegen die oberflächliche und trügerische Erscheinung auftrat und die deshalb von einer grundsätzlichen Verachtung des gesellschaftlich produzierten Reichtums und des schönen Scheins der Warenwelt umgetrieben war, der weltweit auf der Ausbeutung der „Dritten Welt“ beruhe und hier die Leute nur „manipuliere“, „ruhigstelle“ und sie dadurch von ihren „wahren Interessen“ und den wirklich wichtigen Dingen wie z.B. der politischen Betätigung ablenke. Es ging also darum, im einem radikal subjektivistischen, anti-autoritären Sinne mit allen gesellschaftlichen Vermittlungen tabula rasa zu machen, die bloß trügerische Hülle vom sozialen Leben wegzureißen, die Gesellschaft vom Materialismus und Laster des privaten Konsums durch die Tugend und den Idealismus der Politik zu erlösen – eine Erlösung, zu der man als kleine verfemte Gemeinschaft der Auserwählten das Fanal setzen wollte und der man zu dienen hoffte, indem man sich zum selbstlosen Anwalt der Revolution, des Proletariats, der wahren Demokratie und der unterdrückten Völker aufschwang. Notwendiges Komplement dieses Erlösungsdrangs war wie bei allen Bewegungen dieses Zuschnitts ein Endzeitbewußtsein, der Glaube, man befinde sich im letzten und entscheidenden Gefecht, in dem jedes Abwägen, Diskutieren, Vermitteln sich geradezu verbietet, sondern in dem nur äußerste subjektive Entschlossenheit, unmittelbare Praxis und unbedingte Identifikation zählen.

Ungegängelte Erfahrung  und konstitutive Illusion

Eine politische Bewegung, die für einen idealistisch überhöhten absoluten Subjektivismus einsteht und ein Denken, dessen basale materialistische Intention gerade in der Kritik des blinden, losgelassenen Subjektivismus besteht und darauf gerichtet ist, den „Vorrang des Objekts“ (16) zu realisieren, sind in jeder Hinsicht mit­einander unvereinbar. Die Kritische Theorie ist keine vordergründig „politische“ Theorie, nicht mal eine „Gesellschaftstheorie“ im landläufigen Sinne, und jeder Versuch, sie so zu begreifen, muß in die Irre führen. Kritische Theorie ist Philosophie, die, anschließend an die von Marx durchgeführte radikale Selbstkritik des absoluten Geistes und prononciert in Adornos „Negativer Dialektik“, die Anstrengung unternimmt, ihre Tätigkeit, die Vermittlung einer aufs Ganze zielenden Erkenntnis und ihr Medium, in dem diese Tätigkeit sich notwendig vollzieht, den Begriff, gegen dessen zurichtendes Wesen selbst zu wenden, um emphatischen Erfahrungen die Treue zu halten. Kritisch ist dieses Unterfangen, weil es in der blind gegen ihre eigenen Voraussetzungen vollzogenen Tätigkeit des Subsumierens und Klassifizierens die intellektuelle Reproduktion der Bewegung des fungierenden Kapitals erkennt. Philosophie, Inbegriff subjektiver Vermittlung von Vorfindlichem, soll sich an das verschwenden, woran der Begriff seine Substanz hat: an die Sache selbst. Das, worauf solche selbstkritische Philosophie zielt – und es kann nach Marxens’ Erkenntniskritik keine Philosophie mehr geben, die sich nicht selbstkritisch verhält – ist das, was Adorno „unreglementierte“ oder „ungegängelte“ Erfahrung nennt. Wenn man also schon von „Verrat“ sprechen möchte, dann waren es die 68er höchstselbst, die diesen geübt hatten, Verrat nämlich an jenen eigenen Erfahrungen, aufgrund derer sie überhaupt auf die Schriften der Kritischen Theorie gestoßen worden waren, Erfahrungen, die unter einem Haufen Phrasenmüll begraben und durch Gesinnungskitsch ersetzt wurden. (17) Entgegen einem weit verbreiteten „Verständnis“ ist es nämlich keineswegs das Mitgefühl für die Ausgebeuteten und Entrechteten, ein primär altruistisches Moment also, das Erkenntnis und Engagement motiviert, sondern es sind Erfahrungen, die in der Regel abseits irgendwelcher unmittelbar „gesellschaftlich relevanten“ oder „politischen“ Themen liegen, nach diesem Maßstab eher als „abseitig“ oder „zufällig“ gelten würden, Erfahrungen, die eher einem Überfall gleichen, weil einem in ihnen blitzartig etwas über die Welt aufgeht, „konkrete Erkenntnisse (…) die eine solche Schlagkraft haben, daß bereits in ihrer Vereinzelung die Möglichkeit des Ganzen enthalten ist. Das fragmentarische Konkrete.“ (18) Der schnarrende Ton einer Person, in dem wie in einem Brennspiegel das ganze autoritäre Sich-Aufwerfen konformierender Asozialer aufscheint, die betulich-herablassende, naseweise Art von Gutmenschen, die einem im Nu alles über die ressentimentgetränkte und herrschsüchtige Art dieses Milieus enthüllt oder – wenn man es „positiv“ will – ein Klang, in dem die ganze Zuversicht, alles könne gut werden, gebündelt erscheint, eine Musik, in der die Möglichkeit nicht-verdinglichter, erfüllter Lebenszeit wie im Einstand aufblitzt, ein Satz, der in seiner Genauigkeit und sprachlichen Vollkommenheit ein insgeheim Gewußtes, für das man keinen rechten Ausdruck finden konnte, unvermittelt erhellt, und sei es nur, daß er darüber aufklärt, warum einem etwas so unklar war – das sind jene jähen, unreglementierten, un­gegängelten Erfahrungen, die im Zentrum etwa des Adornoschen Denkens stehen. Weil das bürgerliche Subjekt ein geborener Positivist, d.h. so beschaffen ist, daß es sich als Souverän seiner selbst denkt, sich so verhält, als sei die Welt ihm zu Diensten, als seien die Dinge und die Menschen das Material seiner eigenen, gänzlich aus sich selbst heraus zu begreifenden Bestrebungen, sind es Erfahrungen dieses Zuschnitts, in denen diese konstitutive Illusion (die, notabene, keine Einbildung, sondern eine objektiv induzierte, mithin realpraktische Illusion ist), man verfüge über die Welt und seine Erfahrung wie über einen Besitz, zerbricht. In solchen scheinbar abseitigen Erfahrungen, die einen derart überwältigen, daß man darüber seine unvermeidliche subjektive Beschränktheit und die Zeitrechnung des stupiden Alltags vergißt, scheint plötzlich etwas vom „Vorrang des Objekts“ auf, gewahrt das Subjekt etwas von seinem Dasein als „mit sich entzweiter Natur“ (19) und eröffnet sich die Perspektive, daß das Subjekt seine identifizierende und subsumierende Tätigkeit gegen diese selbst kehrt und an das verschwendet, woran es seine verleugnete Substanz hat: die äußere wie die eigene (Trieb)-Natur. Dem Subjekt teilt sich die Erfahrung solch intentionsloser Schichten und ichfremder Regungen zunächst als Kränkung seines gesellschaftlich konstituierten Narzißmus mit. Unreglementierte Erfahrung wird unvermeidlich stets dem erkennenden Subjekt wie auch ihren Adressaten zu nahe treten, indem sie es aus der falschen Vertrautheit mit dem realitätsgerechten Alltag unversehens hinauskatapultiert: Das ist die fundamentale Grenzüberschreitung jeder authentischen Erkenntnis und daran hat sie, wenn man so will, durchaus ein somatisches Moment, eines, das sich körperlich fühlbar macht, wo das Subjekt nicht mehr ganz bei sich ist. Wo Erkenntnis am weitesten vorangetrieben ist, ist sie zugleich ihrem scheinbaren Gegenteil, dem Triebgrund, am nächsten. Das Entscheidende an solchen Erfahrungen ist, daß sie gegen das erfahrende Subjekt sich richten, daß die Erfahrung des Fremden das Individuum sich selbst fremd werden läßt. Nicht das Subjekt „hat“ Erfahrungen wie einen Besitz, umgekehrt: authentische Erfahrung hat das erfahrende Subjekt im Griff, läßt es nicht mehr los, treibt es um und alles kommt auf die Bereitschaft des Einzelnen an, sich unmittelbar zugleich von Erfahrung überwältigen zu lassen und solcher Überwältigung standzuhalten, indem man geduldig und insistierend bei der Sache verweilt, bis ihre scheinhafte Isoliertheit zergeht, sie den ganzen Reichtum ihrer Vermitteltheit offenlegt und das Subjekt in der Sache untergeht: „Die Subjektivität steckt in der Erkenntnis in der Form ihrer eigenen Negation. Eine Erkenntnis bietet alle unsere Erfahrungen auf, nur um unsere Erfahrung zu vernichten.“ (20) Emanzipation meint also nicht die Selbstbehauptung oder gar die Verwirklichung des Subjekts, heißt nicht bürgerliche Schöpfungsmythen zu beerben, sondern: den „Vorrang des Objekts“ vermittels des Subjekts und für es endlich gesellschaftspraktisch zu bewahrheiten: die Versöhnung der Menschen, der äußeren wie ihrer inneren Natur und deren Vorschein ist das Überfallen-Werden des Subjekts von Erfahrungen emphatischen Charakters. (21)

Der springende Punkt dabei ist nun, daß dieser Begriff von ungegängelter Erfahrung wiederum am Modell der ästhetischen Erfahrung gebildet ist, mehr noch: daß er den Indifferenzpunkt von Ästhetik und Philosophie- bzw. Gesellschaftskritik bildet. Der Studentenbewegung wäre demnach nicht nur vorzuhalten, daß sie die Kritische Theorie sich blind einverleibt, für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert hat, sondern daß sie diese überhaupt nur aus einem „politischen Bedürfnis“ heraus rezipiert und damit jene Erfahrungsgehalte, die sie zum Ausdruck bringt und die doch auch die 68er selbst irgendwie umgetrieben haben müssen, verleugnet hat. Diese Spaltung verwundert schon deshalb, weil etwa das Schrifttum Adornos, wenn man es denn „bereichsspezifisch“ quantifizieren will, aus gerade zwei Bänden Gesellschaftstheorie im engeren Sinne besteht, den „Soziologischen Schriften“ nämlich, während der „Rest“ zu etwa einem Drittel aus Philosophiekritik besteht, der überwiegende Teil aber Schriften zu Kunst und Musik im besonderen. Die Rezeption der Kritischen Theorie durch die 68er fußte auf der nicht mal explizierten, sondern stillschweigend vollzogenen und selbstverständlich vorausgesetzten Spaltung der Kritischen Theorie in einerseits „politische Theorie“ und andererseits „Kunstkritik“, die vermeintliche „Hauptsache“, die Gesellschaftstheorie, die man eifrig rezipierte und die Aufsätze zur Kunst, die man entweder ignorierte, als elitären bildungsbürgerlichen Spleen abtat oder die man um ein paar gesellschaftstheoretische Apercus exploitierte, von denen man eine Art Surplus-Profit abschöpfte, die man dann gewinnbringend im nächsten Aufsatz oder in der nächsten Kampagne anlegte, wie um den linken Beweis dafür anzutreten, daß Kunst sich manchmal auch auszahlt.

Der anti-ästhetische Affekt

Daß unverstellte Erfahrung unabdingbar auf eine ästhetische Haltung, auf die Liebe zum schönen Schein verweist, bestätigt sich ex negativo dadurch, daß der „Verrats“-Vorwurf an die Adresse der Kritischen Theorie sich immer schon entweder an den bildungsbürgerlichen Habitus ihrer Vertreter bzw. an deren Interesse für Kunst und Ästhetik heftete. Am unverblümtesten kam dieser Vorwurf in einem Flugblatt zum Ausdruck, das Dieter Kunzelmanns „Kommune I“ anläßlich eines Vortrages von Adorno in Berlin im Juli 1967 verfaßt hatte und das die ganze mit der Barbarei des Unmittelbaren immer schon verbandelte Banausie der ganzen Bewegung zum Ausdruck bringt: „Theodor W. Adorno kommt nach Berlin und spricht über ästhetische Probleme (…) Er wird über die Iphigenie – von Goethe glaube ich – zu uns sprechen, wird unsere Rationalität für diese in Anspruch nehmen wollen. Doch da ist er ein bißchen zu spät dran. Denn wir lauschen nur noch den Worten des großen Vorsitzenden Mao, den Parolen der Revolution (…) Was soll uns der alte Adorno und seine Theorie, die uns anwidert, weil sie nichts sagt, wie wir diese Scheiß-Uni anzünden und einige Amerika-Häuser dazu – für jeden Terror-Angriff auf Vietnam eines. Weil er keine 1000 Mark für den Vietcong stiftet – das wären ein Hubschrauber + 18 tote GI’s + 10 mit ohne Füßen (…) Die Gesellschaft und Adorno verstehen sich ganz gut: horrende Honorare: der eine verzichtet auf Brandstiftung – der andere braucht die Theorie nicht einmal einzusperren (…) Seine Worte mögen ihm im Maul verfaulen.“

Es zählt zum Wesen der anti-autoritären Haltung, daß ihre Repräsentanten, seien es die Nazis, die Kommune I oder heutige Rundfunkredakteure, geleitet sind von blindwütigem Haß auf das, woran sie nicht heranreichen und was sie sich selbst versagen: nichts darf existieren, was sich nicht von vornherein dem bornierten Horizont des Subjekts nahtlos einpaßt. Die repressive Intoleranz dieser Haltung, die mit objektiven gesellschaftlichen Tendenzen unmittelbar konform geht, hat Horkheimer folgendermaßen charakterisiert: „Es zeigt sich immer deutlicher, daß die Rebellion der Studenten eine konsequente Form des Positivismus darstellt. Wenn man von der ideologischen Verbrämung absieht, den allgemeinen und konfusen Zielsetzungen einer von jeglichem Zwang befreiten, gerechten Ordnung, dann laufen ihre Forderungen darauf hinaus, daß man nichts gelten läßt, was sich nicht beweisen läßt. Sie sind gegen alles, was mit Tradition und den überkommenen Einrichtungen zusammenhängt. Jedes Motiv, das nicht ,wissenschaftlich‘ begründet werden kann, ist für sie Romantik, Muff etc. Aus der durchaus berechtigten Forderung nach der längst fälligen Reform der Universität machen sie Ansprüche auf ihre Rechte, die auf die Vergewaltigung der großen Mehrheit der Studenten und selbst der reformwilligen Dozenten hinauslaufen, und diese Ansprüche machen sie mit Methoden geltend, die man nur als diejenigen eines linken Faschismus verstehen kann. Die Affinität zur Geisteshaltung der nach Macht strebenden Nazis ist unverkennbar. Sollte es, wie es wahrscheinlich ist, in den westlichen Industrieländern zu einer Rechtsdiktatur kommen, dann wird man nicht wenige der heutigen linken Radikalen in den Reihen der neuen Machthaber finden können. (22)

Ästhetische Erfahrung

Die Spaltung der Kritischen Theorie in Gesellschaftstheorie und Ästhetik sowie der darin einbegriffene anti-ästhetische Affekt wären auch nicht weiter erwähnenswert, hätte sich daran irgendetwas geändert. Aber selbst für die avanciertesten Formen materialistischer Kritik scheint diese Spaltung nach wie vor zur selbstverständlichen Geschäftsgrundlage zu gehören und die notwendigen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, damit ebenfalls: die Geringschätzung der Form, in der sich ein Gedanke notwendig mitteilen muß und die sich in schlampiger Sprache indiziert und damit entschuldigt wird, daß es ja, wie die altlinke faule Ausrede lautet, auf den „Inhalt“ ankäme; eine Haltung, die statt in Erkenntnis frei zur Sache sich zu verhalten, bei Theorie Deckung sucht, von ihr Unterschlupf und geistiges Obdach erwartet, die damit einhergehende Illusion, über die jeweiligen Gegenstände und über die eigenen Erfahrungen zu verfügen, die Welt gleichsam geistig kommandieren zu können, die Behandlung von Wissen als eines abrufbaren Corpus’ von Merksätzen, vor allem aber eine Haltung, aus der heraus man Erfahrungen, die einem nicht sofort und unmittelbar durchsichtig sind, Mißtrauen und Abwehr entgegenbringt, um sich dafür lieber an schale und phrasenhafte Rationalisierungen zu klammern, die scheinbare Gewißheit und Präzision versprechen. Der ästhetischen Erfahrung ist ungeschmälerter, selbstkritischer Erkenntnis darin verwandt, daß sie jenem Bedürfnis nach Rückendeckung, nach absoluter geistiger Sekurität und dem darin einbegriffenen Rationalisierungszwang entgegentritt. Erkenntnis, die im Ernst zählt und die wahrhaft sprengenden Charakter hat, ist keine strategische Anordnung, in der vorab alles entschieden, die nach unmittelbar einsichtigen Zweck/Mittel-Kriterien organisiert wäre, sondern gleicht einer Passion, von der man nicht loskommt und der man sich ohne Reservation, aber wachen Sinnes überläßt, ohne daß genau absehbar wäre, wo sie einen hinführt. Das wäre zugleich die genaueste und ehrlichste Antwort auf die Frage, warum man die „Einheit des Vielen ohne Zwang“ selbst unter Verhältnissen verficht, in denen die Aussicht, dies zu realisieren, geradezu hoffnungslos verstellt erscheint. Auf authentisches Erkennen, das die Anweisung zum Ausbruch aus dem falschen Ganzen in sich enthält, ist unmittelbar zu übertragen, was Adorno über das „Formgefühl“ anmerkte, nach dem gute Komponisten den Verlauf ihrer Musik organisieren: es sei das „zwangvolle Bewußtsein einer Objektivität, deren Norm gleichwohl sich selbst verborgen, undurchsichtig ist (…) Formgefühl heißt: der Musik nachhorchen, wohin sie von sich aus will; so fern vom auferlegten Willen, der auferlegten Architektur wie von ihr fremden Notwendigkeiten, in denen meist die blind gewordene subjektive Willkür sich verschanzt; Unbeirrtheit im Dunklen, nicht anders als in den authentischen sprachlichen Gebilden der Moderne. Dazu bedarf es aber der äußersten subjektiven Anspannung.“ (23)

Nicht „Philosophie“ – als ein vermeintlich fixes System von Kategorien – läßt sich lernen, zitiert Adorno einmal an anderer Stelle ein Diktum von Kant herbei, sondern allenfalls das „Philosophieren“, eine Verhaltensweise, eine Stellung zur Welt. (24) Philosophieren aber heiße nicht in erster Linie, nach „Wahrheit“ zu streben oder irgendein höheres hehres Ziel sich vorzugeben, sondern: mitzuteilen, was einem an den Dingen aufgeht.(25) Dies aber setzt konstitutiv ein ästhetisches Verhältnis zu den Dingen wie zu den Menschen voraus, die Bereitschaft, sich vom Objekt ergreifen lassen und auch an unscheinbaren oder vermeintlich abseitigen Details seine produktive Phantasie sich entzünden zu lassen. Ästhetisch ist dieses Verhalten, weil es an den Kunstwerken und deren Erfahrung sein Modell hat. Kunstwerke entwerfen eine Gegenwelt, die von der empirischen Welt abgehoben, gar gegen sie gerichtet, aber total auf sie bezogen ist und deren Bestimmungen an ihr und in ihr, wie immer kenntlich oder unkenntlich, wie immer direkt oder verwandelt, wiederkehren. Ähnlich der realen existiert die Gegenwelt der Kunstwerke als ein Artefakt, das, wiewohl von Menschen hervorgebracht, sich von ihnen sich losreißt, sich gegen sie verselbständigt, ein Eigenleben gewinnt und in der Geschichte sich entfaltet. Die Bestimmung von Kunst als einer Erkenntnis sui generis ist aber von ihrer fetischistischen Verselbständigung nicht zu trennen: indem Kunstwerke die aus der gesellschaftlichen Empirie herausgesprengten Momente als ästhetische Materialien ihrem je spezifischen Formgesetz folgend zur Konstellation zusammenrücken, stellen sie in zugleich unwiderstehlicher und rätselhafter Gestalt Objektivierungen eines Neuen, eines noch nicht Dagewesenen dar, drücken sie einen gesellschaftlichen Erfahrungsgehalt aus, der den Horizont des einzelmenschlichen Bewußtseins übersteigt und die bestehende Gesellschaft transzendiert. Kunstwerke sind, wie Adorno meinte, „die gesellschaftliche Antithesis zur Gesellschaft“ (26), die dem Betrachter oder Hörer die Auflösung ihres rätselvollen Charakters abverlangen. Kunstwerke stehen polemisch gegen allen auftrumpfenden Subjektivismus, indem sie Subjektives allein in ihrer objektivierten Gestalt bered werden lassen und vom Rezipienten verlangen, daß er es ihnen gleichtut. Nicht das Subjekt erkennt die Kunst, umgekehrt: die Kunstwerke erkennen das Subjekt. Dieses Verhältnis auf den Kopf zu stellen, ist die Funktion der Kulturindustrie. Was Kulturindustrie heißt, ist keine spezifische Branche, sondern ein alle Lebensbereiche umfassender objektiver gesellschaftlicher Mechanismus, der vermittels demokratischer Zurichtung der Kunstwerke fürs unmittelbare Bedürfnis und der Massenproduktion standardisierten Kulturmülls auf die Beseitigung der produktiven Spannung zwischen Kunstobjekt und Betrachter abzielt, die doch im Charakter des Fremden begründet liegt, und der andererseits die Befrachtung der alltäglichen Dinge, Phänomene, Vorgänge und Verrichtungen mit Bedeutung und Sinn, eine Existentialisierung des Daseins, eine Kulturalisierung aller Lebensbereiche betreibt. Von Kunst soll nichts übrig bleiben als ihr abstrakter Nimbus, der schließ­lich auf alles Vorfindliche übertragen wird, mit dem Effekt, daß man heute vor jeder Barbarei ehrfürchtig in die Knie sinkt, sofern diese sich als Ausdruck von „Kultur“ darstellt: ein Vorgang, der durch den anti-autoritären Protest gegen die „verstaubte“, „elitäre“ Kunst wesentlich beschleunigt wurde und in den ergrauten 68ern nach wie vor seine entschlossensten Protagonisten findet.

Was das unabdingbar ästhetische Moment an der Kritischen Theorie ist, läßt sich abschließend am besten ex negativo an der Kritik erschließen, die Ulrich Enderwitz, ebenfalls ein Alt-68er, einmal an Adorno übte: dieser sei, so formulierte er einmal, „ganz und gar ein Kind des 19. Jahrhunderts und seines emphatisch positiven Erscheinungsbegriffs“ (27), Adornos Begriff des Nicht-Identischen, seine Intention, den schönen Schein zu retten, sich zu dessen Sachwalter zu machen, sei ein romantisches Relikt und der affirmative Zug an Adorno. Enderwitz berührt hier in der Tat den entscheidenden Punkt, an dem sich affirmatives Begriffsgeklapper und kritische Anstrengung voneinander radikal scheiden – mit dem Unterschied freilich, daß das, was er gern getilgt sehen möchte, das schlechthin Untilgbare von Kritik darstellt. Die ästhetische Intention philosophischer Kritik formuliert Adorno in einer seiner poetischsten Passagen fol­gender­maßen: „Kein Licht ist auf den Menschen und Dingen, in dem nicht Transzendenz widerschiene. Untilgbar am Widerstand gegen die fungible Welt des Tauschs ist der des Auges, das nicht will, daß die Farben der Welt zunichte werden. Im Schein verspricht sich das Scheinlose.“ (28) Diese zarte und poetische Formulierung ist zugleich die prosaischste und gröbste Polemik gegen das Denkbeamtentum, wie es gerade in der Linken seit jeher praktiziert wurde. Wer am schönen Schein nicht hängt, sich nicht von ihm überwältigen läßt, der ist auch für die Kritik verloren, denn Kritik im wirklich emanzipatorischen Verstande kann nur aus einer Erfahrung erwachsen, die aus der idiosynkratischen Kränkung, die es bedeutet, daß die kapitalisierte Welt den schönen Schein, den sie selbst produziert, zunichte zu machen droht. Zentrum aller kritischen Anstrengung und einer ihr ebenbürtigen Praxis ist also etwas, das nicht „politisch“ ist, das nicht auf Bestätigung und Identität, sondern auf die Infragestellung des erkennenden Subjekts zielt und das nicht lern-, vermittel- oder organisierbar wäre. Bedürfnisse in dieser Richtung muß und wird materialistische Kritik verweigern oder sie gibt sich selbst auf. Auf unreglementierte Erfahrung, auf ihre Unabdingbarkeit läßt sich nur hinweisen – machen muß sie jeder Einzelne.

Clemens Nachtmann (Bahamas 49/2006)

 

Anmerkungen:

1) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, in: ders., Gesammelte Schriften Band 6, Frankfurt a.M.1997, S.399f.

2) Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, in: Adorno, Gesammelte Schriften Band 3, Frankfurt a.M.1997, S.212f.

3) Dazu: Joachim Bruhn, Randale und Revolution, in: Klaus Bittermann (Hrsg.), Die neue Straßenverkehrsordnung, Berlin 1986

4) Max Horkheimer, Die Juden und Europa, in: ders., Gesammelte Schriften Band 4, Frankfurt a.M.1988; S.309

5) Vgl. dazu nur die Einlassungen etwa von Robert Kurz.

6) Hermann Broch, Die Schuldlosen, Frankfurt a.M. 1974, S.326

7) Herbert Marcuse, Feindanalysen. Über die Deutschen, Lüneburg 1998, S.103

8) Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, a.a.O., S. 196

9) Vgl. dazu Adorno, Negative Dialektik, a.a.O., S.189f.

10) „Der Liberalismus ist nicht wieder einzurichten“, heißt es in apodiktischer Kürze gegen Ende von Horkheimers Aufsatz „Die Juden und Europa“ – und diese Feststellung gilt ohne Einschränkung. Nirgendwo, nicht einmal in den USA und Großbritannien, ist das Vertrauen in die „invisible hand“ ungebrochen; daß liberale Strömungen sich heute gegen den überall praktizierten Staatsinterventionismus zur Wehr setzen müssen und für die Restitution des Liberalismus aussprechen, indiziert bereits, daß das naive, gutartige Vertrauen in die harmonisierende Wirkung der Marktgesetze, das die liberalen Bürger von einst umgetrieben hatte, längst dahin ist; die Annahme, es habe jemals einen „reinen“, „unverfälschten“ Liberalismus gegeben, den man nun wieder verwirklichen müsse, ist heute purer Glaube, der dem an die allseligmachende Wirkung der Staatsintervention durchaus ebenbürtig ist. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die Binsenwahrheit, daß die Herrschaft der ökonomischen Gesetze nie so rein gegolten hat, wie es die liberale Doktrin annahm, der liberale Staat entgegen dem Selbstverständnis seiner Protagonisten fortwährend kompensatorisch tätig werden mußte. Seinem unmittelbaren Wortsinn nach ist der autoritäre, intervenierende Staat nämlich nicht das gerade Gegenteil des liberalen Staates, sondern der liberale Staat selbst in seinem Anderssein, der aber, was die Reichweite seines Handelns angeht, auf nachträgliches, kompensatorisches Handeln beschränkt ist. Was Deutschland von den angelsächsischen Staaten unterscheidet, ist eben dies: daß Politik die Gesellschaft nicht nachträglich-kompensatorisch überformt, sondern sie durchformt und virtuell mit ihr verschmilzt, daß der Staat sich vergesellschaftet, zum Adressaten und Vehikel von mordlüsternen Volksbewegungen wird – während in jenen Ländern, in denen eine formelle Trennung von Staat und Gesellschaft sich zeitweilig institutionalisieren konnte, auch der spätkapitalistische Staat, der – in der Konsequenz des Liberalismus, aber dadurch mit seinen Grundannahmen brechend – als Gesellschaftsplaner tätig wird, seinen unmittelbar autoritären, gesellschaftsüberhobenen Charakter nie ganz hat abstreifen können. Weil dort weder der Komplex staatlicher Sozialleistungen sich von selbst versteht, noch gesellschaftliche Auseinandersetzungen erfolgreich verstaatet sind, Staatsintervention mithin keine Durchformung der Gesellschaft bewirkte, ist auch der Rückzug des Staates keine Angelegenheit, die Untergangsstimmung und Anomie aufkommen läßt. Es kommt eben auf die Formen gesellschaftlicher Sachverhalte an und auf die mit ihr gesetzten Denkformen, d.h. darauf, wie diese Sachverhalte verhandelt und durchgesetzt werden.

11) Aus Goebbels’ Rede vom 28.8.1936 zur Rundfunkausstellung im selben Haus des Rundfunks in Berlin

12) Alle Zitate zu diesem Vorgang finden sich auf: http://www.dasganzewerk/presse/2005820-dgw-rbb-shmtl

13) Horkheimer, Die Motive der rebellierenden Studenten, in: Nachgelassene Notizen 1949

–1969, in: ders., Gesammelte Schriften Band 14, Frankfurt a.M. 1988, S.505

14) T.W.Adorno, Minima Moralia, Ende von Aphorismus 73, in: ders., Gesammelte Schriften Band 3, Frankfurt a.M. 1997, S.127f.

15) „Offenbar gehört zu den psychologischen Wurzeln des Aufruhrs die in jeder Generation des bürgerlichen Zeitalters

– wenn auch nicht in diesem Umfang – beobachtete Rebellion gegen den Vater (…) Das alte Pubertätsphänomen in radikalerer Form“, schreibt Horkheimer in seiner Notiz „Die Motive der rebellierenden Studenten“ vom Dezember 1968 (in: ders., Gesammelte Schriften Band 14, a.a.O., S.504f.)

16) Vgl. dazu: Adorno, Negative Dialektik, a.a.O., S.184ff.

17) Was Adorno den Studenten denn auch unverblümt entgegenhielt: „Wer in Wahrheit Verräter genannt zu werden verdiente, wäre der Frevler an der eigenen Autonomie“, notiert er in den 1969 verfaßten „Marginalien zu Theorie und Praxis“ (in: ders., Gesammelte Schriften Band 6, Frankfurt a.M. 1997, S.764

18) Adorno, Diskussionen über Sprache und Erkenntnis, Naturbeherrschung am Menschen, politische Aspekte des Marxismus, in: Max Horkheimer, Gesammelte Schriften Band 12, Frankfurt a.M. 1985, S.507

19) Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, a.a.O., S.57

20) T.W.Adorno/Max Horkheimer, Diskussionen über Sprache und Erkenntnis…, Horkheimer, Gesammelte Schriften Band 12, a.a.O., S.521

21) Bereits Marx mokiert sich in seiner „Kritik des Gothaer Programms“ über die sozialdemokratische Vergötzung der „Arbeit als einziger Quelle des Reichtums“ und erinnert daran, daß Arbeit, Inbegriff subjektiver Vermittlung, nicht existieren kann ohne ein Objektives, das vermittelt wird, die Natur. (Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, in: MEW 19, Berlin/DDR 1984, S.15f

22) Max Horkheimer, Die rebellierenden Studenten (Januar 1969), in: Nachgelassene Notizen 1949 – 1969, in: ders., Gesammelte Schriften Band 14, a.a.O. 1988, S.512

23) Theodor W. Adorno, Form in der neuen Musik, in: Musikalische Schriften III, in: ders., Gesammelte Schriften Band 16, Frankfurt a.M. 1997, S.626 (Hvhb. C.N.)

24) Adorno, Philosophische Terminologie Band I, Frankfurt a.M. 1973, S.72

25) „Wenn ich mich einigermaßen richtig besinnen kann, ist es mir, als ich begann, mich mit Philosophie zu beschäftigen, darum eigentlich gar nicht gegangen, jene vielberufene Wahrheit zu finden; ich wollte vielmehr das aussprechen können, was mir an der Welt aufgeht, was ich an der Welt als etwas Wesentliches erfahre – ohne Rücksicht darauf, ob ich damit nun eine Formel für die absolute Wahrheit finde. Im Gegenteil habe ich einer jeden solchen Formel, einem jeden solchen Anspruch von vornherein mißtraut.“ (Philosophische Terminologie a.a.O., S.83

26) Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M.1970, S.19

27) Ulrich Enderwitz, Der Ideologiekritiker Adorno und seine Grenzen, in: Adorno-Konferenz 1989, Lünebug 1990, S.109

28) T.W.Adorno, Negative Dialektik, a.a.O., S.396f.

http://www.redaktion-bahamas.org/auswahl/web49-3.html

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Gehorsam ohne Befehl – Bomben legen aus Erfahrung

Das Mitmacherkollektiv und die besseren Deutschen

Clemens Nachtmann (BAHAMAS 27/1998)

Im gewöhnlichen Leben handeln wir nicht nach Motivation, sondern nach Notwendigkeit, in einer Verkettung von Ursache und Wirkung; allerdings kommt immer in dieser Verkettung auch etwas von uns selbst vor, weshalb wir uns dabei für frei halten. Diese Willensfreiheit ist die Fähigkeit des Menschen, freiwillig zu tun, was er unfreiwillig will. (R. Musil, Der Mann ohne Eigenschaften)

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Konkret wird Freiheit an den wechselnden Gestalten der Repression: im Widerstand gegen diese. Soviel Freiheit des Willens war, wie Menschen sich befreien wollten. Freiheit selbst aber ist derart mit Unfreiheit verfilzt, daß sie von dieser nicht bloß inhibiert wird, sondern sie zur Bedingung ihres eigenen Begriffs hat. (T.W. Adorno, Negative Dialektik)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre.

Aufklärungsarbeit in Deutschland

Dem – soweit man ihn hierzulande voraussetzen kann – unbefangenen Beobachter muß dieses Gespinst an Rechtfertigungen sich so darstellen, als hätten Millionen Deutsche kollektiv verabredet, sich dumm zu stellen und aus diesem Sich-dumm-stellen ein kohärentes System gezimmert, um auszutesten, ob irgendjemand es vielleicht als diskussionswürdige Aussage behandeln würde. Unterstellt werden kann jedenfalls, daß nur die wenigsten Deutschen den Quatsch von wegen „nichts gewußt“ etc., den sie sich und anderen erzählen, auch wirklich glauben. In Wirklichkeit ist jedem klar, daß der Nationalsozialismus, anders als Diktaturen traditionellen Zuschnitts, ohne massenhaftes Mitmachen nicht funktioniert hätte; jeder weiß, daß er sein Scherflein zum Funktionieren eines verbrecherischen Ganzen beigetragen hat und jeder weiß auch genau, daß er dies im Interesse des postfaschistischen Ganzen besser verheimlicht: „Das Funktionieren der Bundesrepublik verdankt sich unter anderem dem Umstand, daß einer vom anderen, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht wissen sollte, wie groß sein Anteil an den faschistischen Verbrechen gewesen war“. (1) Weil die Entlastungslügen so durchsichtig sind und ein jeder insgeheim weiß, wie es sich genau verhält und dies daher umso tatkräftiger verleugnen muß, entsteht eine besonders verhärtete und gegen Aufklärung resistente Form des Bewußtseins. Horkheimer charakterisierte diese Mischung aus Gewitztheit und Zwanghaftigkeit einmal folgendermaßen: „Immer wieder zu formulieren: das Schuldbekenntnis der Deutschen… war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache … Das Schuldbekenntnis hieß vielmehr, ,wir‘ und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, ,wir‘ müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, ,wir‘ haben davon nichts gewußt, anstatt ,wir‘ wollen es nicht wissen. Selbst noch das ,Ich‘ stand für das ,Wir‘. Ich war kein Nazi, im Grunde waren wir‘s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte.“ (2)

Geschäftsgrundlage der antifaschistischen Volkspädagogen, der Mahner und Warner wider das Vergessen und die Anfänge, denen zu wehren sei, war und ist dagegen die Annahme, die Deutschen seien etwas begriffsstutzig oder hätten sich in einen Irrtum verrannt, den man dadurch ausräumen könne, daß man sie mit seriöser Darstellung der historischen Fakten konfrontiere. Konsequent mußten die antifaschistischen Pädagogen die Ausflüchte der Landsleute für ernsthafte Behauptungen nehmen, die man Schritt für Schritt widerlegen könne. Da das Aufklärungsbemühen dergestalt von einer falschen Voraussetzung lebt, mußte es zu einer fast so gespenstischen und skurrilen Veranstaltung werden, wie es das allgemeine Sich-dumm-stellen immer schon war. Einmal abgesehen davon, daß der antifaschistische Lerneifer erst einsetzte, als garantiert alle das Zeitliche gesegnet hatten, die man für ihre Untaten belangen hätte müssen – was ihn als Ersatzhandlung vor allem verdächtig macht, ist die Tatsache, daß er stets als sensationelle Erkenntnis ausposaunen muß, was eine – im doppelten Sinne des Wortes – furchtbare Trivialität sondergleichen ist: daß die Ärzte, die Juristen, die Soziologen, die Historiker, kurz: alle fröhlich mitgemacht haben.

So zieht das verhärtete Bewußtsein der Durchschnittsdeutschen noch seine vermeintlich radikalsten Opponenten in seinen Bann: auch sie müssen sich dumm stellen, um ihr Geschäft weiterbetreiben zu können. Ihr Grundsatz ist die These, daß über den Nationalsozialismus noch lange nicht alles und vor allem nicht das Wesentliche gesagt wurde und daher noch unendlich großer Forschungsbedarf bestehe. Das verleiht Zähigkeit und Ausdauer und ermöglicht einem, Banalitäten als Offenbarung zu verhökern: „Die seit 1992 u.a. von Christopher Browning, David Bankier und Daniel Goldhagen veröffentlichten Studien markieren insofern einen Durchbruch, als sie den Fokus auf die Analyse der gewöhnlichen deutschen TäterInnen und das öffentliche Bewußtsein in Nazi-Deutschland legen. Diese Studien widerlegen erstmals das entlastende Märchen vom Befehlszwang. Sie weisen nach, daß die Deutschen die Juden freiwillig quälten, folterten und ermordeten.“ (jungle world 28/1998, S.15, Hvhb. cl.) Für Matthias Küntzel und seinen Co-Autoren, von denen diese Sätze stammen, war die Lektüre von Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ eine Offenbarung. Über die Botschaft, die da überbracht werden soll, sind sie sich allerdings selber nicht ganz im Klaren. Die unbedingte Ablehnung jedweder Theoretisierung der Massenvernichtung koexistiert bei ihnen ganz friedlich mit dem Wunsch nach einer wasserdichten Supertheorie. Da wird einerseits mit dem abgegriffensten Empör-Vokabular aus dem Wörterbuch des Gutmenschen ausgerufen: „Schon die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes aus der Warenform ableiten zu wollen, ist respektlos und zynisch zugleich.“ An anderer Stelle heißt es: Joachim „Bruhns Argumentation, die deutsche Spezifik, d.h. Auschwitz auszuklammern und die rassistische Denkform des rassistischen Mörders aus Solingen“ – einer rassistischen Stadt im rassistischen Deutschland, so könnte die Kraftmeierei weitergehen – „allein aus der Warnform abzuleiten mußte zwangsläufig bei einer Argumentation landen, die ihn zum Verteidiger des“ – damit es ja keiner vergißt – „rassistischen Mörders und der ,eigentlichen‘ Intentionen von Christian R. machte.“ Was sie immer schon über die „Wertkritiker“ von der bahamas und der ISF sagen wollten – jetzt wo sie endlich wissen, daß selbst „die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes“ von Übel war, trauen sie sich endlich. Weil sie nie verstanden haben, daß eine kritische Theorie der Gesellschaft nicht durch heulsusenhafte Beschreibung der Verbrechen, die die gesellschaftlich produzierten Subjekte verübt haben, ersetzt werden kann, streuen sie den Verdacht, daß all diejenigen, die sich den Mühen der Nacherzählung verweigern, herzlose Technokraten der Vernunft seien, Leute also, die in ihrer Respektlosigkeit und ihrem „Zynismus“ alle Merkmale des Schreibtischtäters aufweisen. Kein der Wertkritik Verdächtiger kam aber je auf die Schnapsidee, die Massenvernichtung der Juden, also die Tat selbst oder die Ermordung auch nur eines einzigen jüdischen Menschen direkt „aus der Warenform abzuleiten“. Die absurde Unterstellung, daß Joachim Bruhn ein Buch mit dem Titel „Was deutsch ist

„Adornos bittere Bemerkung, ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben, war ein Tropfen auf den heißen Stein des gesunden Volksempfindens. Was als Kritik gemeint war und als Intervention, ist zur “Frankfurter Schule” verkommen und biedert sich an. Die linken Intellektuellen haben das Einfache, das nur schwer zu machen ist – die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft – theoretisch liquidiert, damit sie sich endlich, im Verein mit dem Klassenfeind von einst, um die “nationale Identität” sorgen dürfen. Deutschsein, das ist wieder, nach der Methode Goebbels/Weizsäcker, Schicksal und Auftrag zugleich. Und dabei bereitet es doch in Wahrheit gar keine geistige Mühe, auf die Frage, was deutsch ist, die Auskunft zu erteilen: Herrschaft, Verwertung, Vernichtung.“

geschrieben haben soll, in dem dann ausgerechnet die „deutsche Spezifik ausgeklammert“ sei, kann nur aufstellen kann, wer das Buch in böser Absicht gelesen hat. (3) Diese Mischung aus bekennendem Pathos und Denunziation hat aber System. Es soll ein Verdikt gesprochen werden, das da lautet: angesichts von Auschwitz ist jegliche Form von Gesellschaftstheorie apologetisch. Von Objektivität zu sprechen, zu begründen, nach Konstitutionsbedingungen zu fragen, zu schließen, abzuleiten – für Küntzel et al. ist das alles eins, nämlich das, was Betroffenheitslinke immer schon an Theorie gehaßt haben: „Determinismus“, „Objektivismus“, „schematischer Ökonomismus“, „Ableitungsakrobatik“ und vor allem: „ein erstklassiger Freispruch für die VollstreckerInnen.

Dagegen bieten sie eine Lehre von der Willensfreiheit auf, deren einzige These lautet: die Deutschen haben die Juden umgebracht, weil sie sie umbringen wollten. Der Tatwille resultierte in einem adäquaten Taterfolg, würde der Jurist sagen. Es waren „empirische Subjekte, die eigenverantwortlich handeln“, und genauso verhält es sich heute mit den Mördern von Solingen: das „kaltblütige Verbrennen von TürkInnen diente … dem Zweck, sie zu töten.“ Die verblüffende sprachliche Nähe dieser Sätze zur richterlichen Begründung von Strafurteilen, in denen Vorsatz und persönliche Schuld des Täters nach einem immergleichen Schema nachgewiesen werden und in denen mit Adjektiven wie „kaltblütig“ besondere kriminelle Energie unterstrichen wird, um daraus die wiederum besondere Verwerflichkeit der Tat zu deduzieren, ist keineswegs Zufall. Was im Strafurteil erscheint, ist der verkommene Rest frühbürgerlicher Subjekttheorie, der formelhafte Nachhall eines längst untergegangen Selbstbewußtseins, das einmal emphatisch den Menschen zum alleinigen Herren seiner Geschicke erklärt hatte. Von dieser Vernunft ist die fade Ideologie übriggeblieben, daß jeder seines Glückes Schmied sei und deswegen auch umgekehrt die Konsequenzen seiner Handlungen selber zu tragen habe. Daß Linke, die völlig zurecht immer auf der Fremdbestimmtheit individueller Entscheidungen unterm Kapitalverhältnis insistiert haben, im Moment der Feinderklärung reflexhaft die Chimäre des Einzelnen und Freien anrufen, um mit der ganzen Wucht strafrichterlicher Rhetorik den Bannfluch zu sprechen, beweist nicht nur ihre intellektuelle Unredlichkeit. Solches Tun erinnert daran, wie gerade in den Köpfen solcher Linker, die von Betroffensein und Unmittelbarkeit raunen, der Wunsch nach einem sozialistischen Vernunftstaat steckt, der grausamer noch als der bürgerliche die ihm Unterworfenen unters Fallbeil der Gerechtigkeit zwingt.

Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte

Dieser Theoriefeindlichkeit kontrastiert merkwürdigerweise die Feststellung: wir halten es „für evident, daß es seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine stringente Entwicklung zum eliminatorischen Antisemitismus und seit 1933 eine geradlinige Entwicklung nach Auschwitz hin nachgewiesen werden kann.“ (Jungle world 28/1998, S.16, Hvhb. cl.) Diese Aussage postuliert genau das, was die Autoren ihren Gegnern vorwerfen: einen ganz schauderhaften Determinismus. In ihrem Buch ist in diesem Zusammenhang die Rede von der „spezifisch deutschen Identität“, die sich „in spezifischer Weise mit dem Kapital verbindet“ (4) oder es wird gefordert, das „TäterInnenbewußtsein in eine theoretisch fundierte Erklärung des Antisemitismus (einzuordnen)“. (5) Da soll also nun die wirklich lückenlose und wasserdichte Erklärung für und Ableitung von Auschwitz geliefert werden. Geht das aber mit der emphatischen Willensfreiheitsdoktrin zusammen?

Es geht. Zentralkategorie von Küntzel et al. ist der „eliminatorische Antisemitismus“, der sich, wie der Begriff schon andeutet, auf den blanken Willen zur Vernichtung reduziert. Dieser Vernichtungswille habe sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland „stringent“ seinen Weg gebahnt; Auschwitz führen sie auf diesen Vernichtungswillen und nichts anderes zurück. Die Kategorie des Vernichtungswillens – das ist der springende Punkt – deckt dabei folgende durchaus unterschiedene Phänomene ab: sie bezeichnet gleichermaßen das Motiv fürs Mitmachen des einzelnen Subjekts wie das Selbstverständnis seines Handelns, läßt sich andererseits im großen Maßstab auf die Judenvernichtung als „planmäßig verfolgtes Ziel des Nationalsozialismus“ (also des Systems als Ganzen) anwenden und die antisemitisch-eliminatorische Ideologie als Ursache für Auschwitz kann man gleich noch mit draufsatteln. „Vernichtungswille“ ist Küntzels Lenor Ultra, mit dem die Begriffe solange weichgespült werden, bis alle ihre Konturen verschwinden. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, daß man flink die Objekte der Aussage wechseln bzw. die gesellschaftlichen Sphären, die zwar durch einander vermittelt, aber eben nicht deckungsgleich sind, durcheinanderwerfen kann. In der Kategorie des „Vernichtungswillens“ fallen Individuum, Ideologie und Gesellschaft völlig in eins. Angesichts dieser planen Identifizierung von allem und jedem ist es nicht verwunderlich, daß Küntzel et al. völlig affirmativ und fetischistisch von einer „spezifisch deutschen Identität“ sprechen. Sie weisen die terroristische Frage, was „deutsch“ sei, nicht dadurch als falsch zurück, daß sie sie als mit dem Nationalstaat notwendig gesetzte und hierzulande am reinsten entwickelte Aufforderung zu Selektion und Ausgrenzung dingfest machen, sondern sie beantworten sie ganz brav, indem sie sie als Eigenschaft definieren. Das kommt davon, wenn man „Ideen und Weltanschauungen… zunächst für sich selbst analysieren“ bzw. die Theorie mit der Empirie „synthetisieren“ möchte, „ohne daß die Theorie der Empirie in den Rücken fällt.“ Das Resultat ist eine Auffassung, die geeignet ist, die blödesten Anwürfe gegen die sogenannte „antinationale Linke“, sie trieben deutsche Mentalitätsgeschichte anstatt Kapitalismuskritik in revolutionärer Absicht, endlich zu bewahrheiten.

Was den Kapitalismus, vor allem aber die kapitalistisch vergesellschafteten Subjekte in Deutschland angeht, so insistieren Küntzel et. al. auf deren Willensfreiheit; was die Frage der Möglichkeit eines Ausbruchs aus dem Höllenzirkel angeht, gibt es plötzlich keinen freien Willen mehr. Die deutsche Geschichte ist ausweglos, als „Hineingeborener“ ist man automatisch im schlechten Kontinuum ge- und befangen. Was allein bleibt, ist intensive Trauer- und Bewußtseinsarbeit und Betroffenheit. Anstatt den objektiv-abstrakten Fetischen von „Nationalität“, „Deutschtum“ etc. auf dem Wege der vorerst theoretischen Kritik die Luft abzulassen, machen sie sich noch dort, wo bzw. indem sie sich am heftigsten von ihm abgrenzen, wieder mit dem Kollektiv gemein. Man sucht die nächste Nähe zu jenen unverbesserlichen Schurken, wo man ihnen ganz fern sein will. Was Arendt als „Banalität des Bösen“ bezeichnet hatte, damit könnten Küntzel et al. nichts anfangen: die freiwillig handelnden Eichmanns waren „Hanswurste“ (Arendt), keine Schurken, sondern grauenvolle Nullen, die sich nicht einmal richtig verabscheuen lassen. Küntzel et al. hingegen brauchen – deswegen ihr Abstellen auf Goldhagen, Browning – gerade die mordlustigen, sadistischen, vernichtungswilligen Deutschen, und sie müssen ein auswegloses Kontinuum dieses Vernichtungswillens schreiben, weil diese Ontologie des Schlechten den eigenen Bemühungen um Läuterung und Aufarbeitung einerseits das leicht bittere Aroma der Vergeblichkeit untermischt und andererseits die eigene schöne Seele umso wirkungsvoller hervorhebt. Die Mehrheit der deutschen Täter war aber weder sadistisch noch blutrünstig. Hätten sie über diese Qualitäten und nur über diese verfügt, wäre die Judenvernichtung als generalstabsmäßig vorbereiteter und durchgeführter Vorgang gescheitert. Mordlust erschöpft sich wie jede noch mit einem Rest von Persönlichkeit verbundene Leidenschaft: sie kippt von Raserei in Apathie, sie macht, wie jedes klassische Pogrom beweist, nach halbvollbrachter Tat halt. Das leidenschaftliche Morden und das Morden als Vollzug eines Jahre dauernden systematisch betrieben Auftrags, als Arbeit des Tötens, schließen auf Dauer einander aus anstatt sich zu ergänzen. Die Schreckensbilder von über den Vernichtungszweck hinaus gehenden Untaten wie Demütigen, Foltern oder Vergewaltigen, die Küntzel et al. dauernd bemühen, dokumentieren die Ausnahme, die sie als Regel setzen müssen, wollen sie ihr Konstrukt eines fanatisch-gläubigen Tätersubjekts retten. Die sadistischen Grausamkeiten der deutschen Täter waren eine Reaktionsbildung darauf, daß die tatsächlichen Opfer in der Regel nichts weiter als verschüchterte Menschen waren, denen ihr Untermenschentum selbst für viele hartgesottene Antisemiten nicht ausreichend anzumerken war. Durch Erniedrigung wollten sie die Opfer dem Bilde, das sie von ihnen hatten, gleich machen und diese Handlungen nahmen in dem Maße, wie die Vernichtung ab 1942 systematischen Charakter annahm, ab, weil diese Entpersonalisierung an den Juden durch Ghettoisierung und später in den Lagern im abstrakten Vollzug exekutiert wurde.

„Man läßt die Realität der Shoah nicht an sich heran“ – werfen Küntzel und andere ihren Gegnern vor, während sie wohl für sich beanspruchen, die Judenvernichtung „an sich heranzulassen“ (hätte auch heißen können: sie „sinnlich“ nachzuerleben, „auf Tuchfühlung mit ihr zu sein“ o.ä.). Solche gegenüber den Ermordeten schon an Obszönität grenzende Psychologisierung der Massenvernichtung, aus der die ganze Zudringlichkeit der penetrant aufarbeitenden besseren Deutschen mit geballter Widerwärtigkeit spricht, ist die wohl unausweichliche Konsequenz ihrer Subjekttheorie.

Über die Willensfreiheit

Im Mittelpunkt der Erwägungen von Küntzel et al. steht die bedeutungsschwer aufgeworfene Frage, ob die Deutschen Millionen Menschen freiwillig umgebracht haben. Natürlich haben sie das, und diese Feststellung ist so wahr wie banal. Aber das vereinzelte, mit Willen und Bewußtsein begabte Subjekt ist keine in sich ruhende Substanz, sondern in allen seinen Momenten ein Produkt der Gesellschaft. Als frei handelndes reproduziert es das gesellschaftliche Zwangsverhältnis, dem es unterworfen ist – genauso wie die gesellschaftliche Objektivität sich nur vermöge und vermittels der Handlungen der Subjekte realisiert. Die Alternative von Freiheit oder Determinismus zielt an der Sache vorbei, denn: „nur durch das Prinzip der individuellen Selbsterhaltung hindurch funktioniert das Ganze, … das vermöge der Partikularität und ihrer Verstocktheit fortlebt; buchstäblich Ideologie, gesellschaftlich notwendiger Schein. Das allgemeine Prinzip ist das der Vereinzelung.“ (6) Individuum und Gesellschaft fallen deshalb unmittelbar zusammen – denn „die Gesellschaft“ ist keine an sich höhere Macht, sondern von den Menschen produziert und von ihnen tätig in Gang gehalten; und sie fallen ebenso unmittelbar auseinander – denn die Gesellschaft existiert als ein versachlichtes, anonym-eigengesetzliches Getriebe, das sich dem einzelnen Individuum gegenüber verselbständigt hat, ihm die Bedingungen seines Handelns aufzwingt und ihn als sein Anhängsel eher schlecht als recht mitschleppt. Als ein außer ihnen existierendes „Verhängnis“ (Marx) ist der objektive Zusammenhang deshalb weder auf subjektive Willensanstrengungen als seinen Grund zurückführbar noch vermögen diese ihn zu überblicken, geschweige denn zu verändern. Das setzt, selbstverständlich, die an der Figur des autonomen, in sich selbst begründeten Individuums gebildeten Kategorien von Schuld und Verantwortung außer Kurs. Das kollektiv begangene Unrecht der Massenvernichtung justitiell, mit den individualistischen Kategorien des Strafrechts zu ahnden, wie es in der BRD geschehen ist, konnte nur heißen, den kollektiven, d.h. gesellschaftlichen Charakter jener Barbarei zu verleugnen, auf deren Resultaten die BRD sich aufbaute. Solche Ideologiekritik des Individuums und seiner Derivate negiert die Kategorien von Verantwortung und Schuld aber keineswegs in toto: es ist die Schuld eines jeden Individuums, durch seine Handlungen eine gesellschaftliche Objektivität zu reproduzieren, die es genausogut mit allen anderen revolutionär beseitigen könnte. In diesem revolutionstheoretischen Sinne ist und bleibt es für alle seine Taten verantwortlich und deshalb ist und bleibt es den Deutschen vorzuwerfen, daß sie den Nazis bis zuletzt treu ergeben waren – und damit die „Volksgemeinschaft“ als klassenübergreifendes Verfolgerkollektiv erst praktisch konstituierten – anstatt sie gewaltsam zum Teufel zu jagen.

Erklärung und Kritik – ein entscheidender Unterschied

Auch wenn Küntzel und Co. sie auf eine Stufe mit den durchschnittlichen Entlastungslügen der Deutschen stellen: die wert- und staatskritische Gesellschaftstheorie ist keine positive Determinationslehre, denn jeder ihrer Sätze und Aussagen über die tatsächlich determinierende Gewalt ihres Gegenstandes zielt auf die mögliche Abschaffung desselben. Sie sagt nicht: „es kommt alles notwendig, so wie es kommt und daran läßt sich nichts ändern“, sondern fällt ein historisches Existentialurteil: „heute ist es so und es wird notwendig so weitergehen – es sei denn, die Menschen ändern ihre Verhältnisse, wozu sie grundsätzlich die Freiheit besitzen.“ Jeder Satz der kritischen Theorie, der auf der fatalen Notwendigkeit kapitalistischer Vergesellschaftung insistiert, meint das Gegenteil, will seinen Adressaten befragen, ob er durch sein einverständiges Mitmachen diese Notwendigkeit befördern oder sie destruieren will. Sie kann die Freiheit der Leute, das Zwangsverhältnis, dem sie unterworfen sind, abzuschaffen, aber nur unterstellen. Solange sie sich weiterhin mit allen Konsequenzen fürs Mitmachen entscheiden, also freiwillig tun, was sie unfreiwillig wollen, wird die Theorie ihr Geschäft weiterbetreiben: einen gesellschaftlichen Zusammenhang zu denunzieren, der die Möglichkeit von Freiheit tagtäglich untergräbt.

In diesem Sinne kann und will die wert- und staatskritische Gesellschaftstheorie weder den Antisemitismus noch gar die Vernichtung der Juden „erklären“ oder aus der Wertform „ableiten“ [Übrigens: Etwas „ableiten“ meint die Gewinnung von Aussagen nach formal-logischen Regeln aus vorgegebenen Prämissen, ohne einen Wahrheitsgehalt der dabei gewonnenen Sätze zu beanspruchen. Erstaunlich, wie es Küntzel et al. genauso wie Günther Jacob & co. entgehen kann, daß die materialistische Dialektik – z.B. Postones begriffliche Rekonstruktion des Antisemitismus – dieses Verfahren in jeder Hinsicht bestimmt negiert.] An Auschwitz wird jede nach logisch-rationalen Kriterien organisierte „Erklärung“ oder „Ableitung“ zuschanden und jeder Versuch, es dennoch zu tun, kann nur zur Rationalisierung eines an und für sich Unverständlichen geraten. Wären Küntzel et al. mit ihrem Vorhaben erfolgreich; könnten sie also eine lückenlose sozialhistorische Beweiskette vorlegen, wonach die Vernichtung der Juden logisch zwingend, also notwendig aus der deutschen Geschichte als aus ihrem Grund folgt, dann wäre dieser Nachweis – vermutlich gegen die Intention der Autoren –, die größtmögliche Rechtfertigung von Auschwitz und die größtmögliche Entschuldigung der Millionen Mitmacher und Vollstrecker, die sich denken läßt. Da ist die sogenannte „Wertkritik“ ungleich bescheidener. Weder will sie bestimmte Ereignisse aus irgendwelchen Axiomen logisch deduzieren noch will sie sie, was aufs Gleiche hinausläuft, durch eine Kette von Fakten beweisen. Theorie ist eben nicht die Summe aller aufgebotenen Fakten, vielmehr werden diese von der Theorie konstituiert. Ihr geht es um die begriffliche Darstellung der real-abstrakten Konstitutionsbedingungen des Denkens und Handelns der einzelnen Subjekte. Die Wertkritik kann darlegen – und Moishe Postone hat dies mustergültig getan – wie der Antisemitismus als „objektive Gedankenform“ den fetischistischen Charakteren kapitalistischer Vergesellschaftung entspringt und kann den Impuls zur Vernichtung der als „Gegenrasse“ halluzinierten Juden bestimmen, der dieser Denkform notwendig innewohnt – aber deswegen keineswegs unter allen Umständen notwendig aus ihr folgt. Antisemitismus ist eine objektive, an sich selbst notwendig eliminatorische Ideologie und als solche kein deutsches Spezifikum. Die Vernichtung der Juden, der von Deutschen industriell betriebene Massenmord ist deshalb eine Konsequenz des Antisemitismus, insofern das in ihm Angelegte auch praktisch vollstreckt wurde und er ist es wiederum nicht, da diese praktische Entfesselung des an sich immer schon Beschlossenen einen in der Tat spezifischen Aggregatzustand kapitalistischer Vergesellschaftung voraussetzt, den man als deutsche Besonderheit – im Sinne der Besonderung eines Allgemeinen – bezeichnen kann. Auschwitz markiert den Punkt, an dem der antisemitische Alltagsaffekt – kein deutsches Spezifikum – in den „Antisemitismus der Vernunft“ (Hitler), in die Arbeit der Vernichtung umschlägt, was zu besorgen die Sache allein der Deutschen war. Die Massenvernichtung ist daher das Ereignis, von dem aus man die Geschichte des Kapitals in Deutschland als jenen Prozeß identifizieren muß, der im Resultat terminierte. Es ist richtig zu sagen: vom Resultat her betrachtet eignet der deutschen Geschichte jene fatale Notwendigkeit, in der das barbarische Moment ihrer kapitalistischen Konstituiertheit unverschnitten zum Ausdruck kommt; hingegen ist es falsch, zu postulieren, es gebe eine lineare Entwicklung von den Anfängen des Antisemitismus bis nach Auschwitz – genau das ist der Geschichtsdeterminismus und Deduktivismus von Küntzel et.al , den sie so gern auf ihre Gegner projizieren.

Gehorsam ohne Befehl

Die viel bemühte Freiwilligkeit, mit der die Deutschen sich den Nazis tatkräftig andienten, stellt eine gesellschaftliche Qualität dar, die von der nationalsozialistischen Bewegung begünstigt wurde und darüberhinaus einen durchaus neuen Charakter von Herrschaft indiziert. Ein Grundzug der nazistischen Ideologie ist, wie Marcuse einmal dargelegt hat, ihr Existentialismus: die „mythischen Wesenheiten“, mit denen sie operiert – Volk, Rasse, Blut etc. – werden vorgestellt als objektive, mit unbändig-naturhafter Macht nach oben drängende Bewegung, als substantielle Dynamik, der die Nazis ihr Selbstverständnis als revolutionäre „Bewegung“ (gegen die „verkrusteten Strukturen“ des bürgerlichen Lebens, wie man heute sagen würde) und die Insignien ihrer eigenen unwiderstehlichen Geschichtsmächtigkeit, die den „Zug der Zeit“ repräsentierte, entlehnten. Die vollendete Konkretion, die diese Dynamik verheißt, ist aber in Wahrheit vollendete Abstraktion: sie läßt sich theoretisch nicht beschreiben, definieren, konkretisieren, sondern läßt nur die rückhaltlose Entscheidung, das praktische Mitmachen zu – wer abseits steht, macht sich sofort verdächtig. Der Nazismus weist also einen äußerst demokratischen Grundzug auf, insofern er mehr noch als der Volksstaat überkommener Prägung tatsächlich auf die freiwillige Entscheidung des Einzelnen setzt. Diese Freiwilligkeit ist aber diejenige von Unfreien, eine Karikatur von Freiheit, denn ihr gesellschaftlicher Inhalt ist das Paradox einer freien Entscheidung für Herrschaft, die Entscheidung, selbst Partikel von Herrschaft zu werden. Der Einzelne opfert bzw. überantwortet sich mit Haut und Haar einer „Bewegung“, d.h. dem als reine Dynamik sich setzenden Souverän und bekommt dafür als dessen Exemplar einen Teil jener Insignien der Macht verliehen, die der Staat monopolisiert hat: Wille, Herrschaft, Freiheit, über Leben und Tod anderer befinden. Im Nazismus werden „verblendete, ihrer Subjektivität beraubte Menschen als Subjekte losgelassen.“ (7) Die Parolen der Nazis: das Volk, die Rasse, das Blut wieder in ihr Recht zu setzen, sind kein klar umrissenes Programm, das man diskutieren und dann befolgen oder ablehnen kann, sondern ein Mobilisierungsaufruf, der Appell an jeden einzelnen, sich nach seinen Kräften für unabkömmlich zu melden, sich zu beweisen, sich nützlich zu machen. Das ist der Kern des Gehorsams ohne Befehl und zugleich die Form, in der die suspendierte Konkurrenz unterm Nazismus wiederaufersteht. Herrschaft vollzieht sich nicht mehr wesentlich über Anordnungen, Befehle und Gesetze, sondern gleichsam als Wink, als Blinzeln, das der einzelne zu deuten hat. Was einmal Gesellschaft war, zerfällt in ein Ensemble von Bandenkämpfen: jeder Einzelne und jede Abteilung des Systems wollen die besten und zuverlässigsten Nazis sein. Um dieses Prädikat wetteifern alle; das alle Verbindende isoliert sie aber auch von einander, denn ihm zugrunde liegt der universale Verdacht eines jeden gegen jeden, er könne es nicht ernst genug meinen. Woran die Zuverlässigkeit gemessen wird, ist der an den Tag gelegte Eifer bei der Identifizierung, Deportation und Vernichtung der „Gegenrasse“. Das ist der mörderische Gehalt jener reinen Dynamik, die der Nazismus proklamierte: die gnadenlose Ausmerzung der „Artfremden“ als unendlicher Prozeß, als entfesselte Raserei, die durch die Konkurrenz, die die deutsche Verfolgergemeinschaft intern bis aufs Messer führte, nicht etwa abgeschwächt, sondern im Gegenteil noch verstärkt wurde. Deshalb ist es auch unerheblich, ob jeder Deutsche unterm Nationalsozialismus überzeugter, gläubiger Antisemit war. An das völkische Brimborium haben vermutlich die wenigsten Deutschen geglaubt – über den „Blubo“ haben sie sich vielmehr lustig gemacht. Anders als Küntzel et al. meinen, handelten die Deutschen eben nicht aus fanatisch-gläubigem Judenhaß, also als empirische Subjekte, sondern als transzendentale Staatsbürgersubjekte, deren Kennzeichen gerade die sinistre Fähigkeit zur Abstraktion von Gefühlsregungen wie z.B. Mitleid und Empathie ist und aus dieser Abstraktion jene gleichsam leere und subjektlose Energie beziehen, die sie zur Begehung ihrer Untaten benötigten: es ist „eine Art dynamischer Idealismus, der die organisierten Raubmörder beseelt. Sie ziehen aus, um zu plündern, und machen eine großartige Ideologie dazu … Da sie aber die Geprellten bleiben, was sie freilich insgeheim schon ahnen, fällt schließlich ihr erbärmlich rationales Motiv, der Raub, dem die Rationalisierung dienen sollte, ganz fort und diese wird ehrlich wider Willen. Der unerhellte Trieb… ergreift von ihnen ganz Besitz.“ (8)

Daß die Deutschen aller Klassen und Schichten so bereitwillig auf den nazistischen Mobilisierungsaufruf eingegangen sind, mag mit der bekannten Tatsache zusammenhängen, daß in Deutschland das bürgerliche Subjekt von vornherein als ein von Selbstzweifeln geplagtes und krisengeschütteltes zur Welt kam. Als Protagonist einer Revolution, die ihm die politische Aufsicht über die Akkumulation des Kapitals sicherte, konnte sich der Bürger in England oder Frankreich für kurze Zeit tatsächlich als Subjekt der Geschichte fühlen und die von ihm durchgesetzte Vergesellschaftung mit einer weitgespannten, optimistischen Zukunftsprojektion verbinden, die noch auf die aufkommende Arbeiterbewegung ausstrahlte. Spätestens gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird es für den Bürger dann unabweisbar, daß er die Vergesellschaftung, von der er zweifellos profitiert, keineswegs beherrscht – weder als einzelner noch als Klasse – sondern daß er von einem abstrakt-anonymen Prozeß als ein Anhängsel mitgeschleift wird. Das bürgerliche Subjekt sieht sich einer erstarrten Welt gegenüber, in der es keine Angriffspunkte mehr findet. Es möchte die Abstraktion abschütteln, von der es erschlagen zu werden droht und kontert ihr im Namen einer neuen konkreten Dynamik, heiße diese nun „Leben“, „Volk“, „Natur“ oder wie auch immer. Was anderswo Resultat war, damit hat man in Deutschland begonnen. Als armselige Kreaturen von Gnaden des Souveräns haben die deutschen Bürger die emphatische geschichtliche Tat, die auszuführen ihnen verwehrt war, dadurch überspielt, daß sie eine höhere und schicksalshafte Macht halluzinierten, als deren selbstlose Diener sie sich begriffen. Über diesen Weg setzt sich allmählich die Vorstellung durch, wonach das eigene Handeln stets nur die „Beschleunigung“, „Entbindung“, „Forcierung“ einer höheren Macht darstelle. Das ist die fetischistische Ideologiekritik, die der Bürger an sich selbst vollzieht: er wird seiner eigenen Ohnmacht eingedenk, macht diese aber zur eigenen Sache, indem er sich dem verselbständigten objektiven Unheil, nunmehr als krude Natur ideologisiert, entschlossen in die Arme wirft. Das Wollen-Müssen, d.h. die unmittelbare Identität von Freiheit und Zwang, kommt hier endlich ganz unverstellt zum Ausdruck. Und wie die Bürger, so ihre formalen Antagonisten: auch die Sozialdemokraten und später die Parteikommunisten machten, wie bekannt, in positiver Geschichtsmetaphysik. Auch sie glaubten sich stets „mit der neuen Zeit“ im Bunde oder der „historischen Notwendigkeit“, die ohnehin zur besseren Gesellschaft hinführe – weswegen ein hellsichtiger Zeitgenosse die SPD einmal als Verein zur Herbeiführung einer ohnehin stattfindenden Mondfinsternis bezeichnete.

Georg Elser: Bombenlegen aus Erfahrung

Offenbar gab es nach 1933 nur einen einzigen, der sich von allem Geschwafel über Vorsehung und andere höhere Mächte gänzlich unbeeindruckt zeigte: „Nach meiner Ansicht haben sich die Verhältnisse in der Arbeiterschaft nach der nationalen Revolution in verschiedener Hinsicht verschlechtert. So z.B habe ich festgestellt, daß die Löhne niedriger und die Abzüge höher wurden … Ferner steht die Arbeiterschaft seit der nationalen Revolution unter einem gewissen Zwang. Der Arbeiter kann z.B. seinen Arbeitsplatz nicht mehr wechseln wie er will, er ist heute durch die HJ nicht mehr Herr seiner Kinder und auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr so frei betätigen … Ich war bereits voriges Jahr um diese Zeit (1938, Anm.) der Überzeugung, daß es bei dem Münnchner Abkommen nicht bleibt, daß Deutschland anderen Ländern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und sich andere Länder einverleiben wird und daß deshalb ein Krieg unvermeidlich ist.“ (9) Keine hochherzigen idealistischen Thesen, kein selbstloses und aufopferungsvolles Engagement für das Gute, Wahre, Schöne, das Vaterland, die Menschheit, den Kommunismus oder ähnliches Zeug – was Johann Georg Elser, der im Bürgerbräukeller eine Bombe deponierte, um Hitler und seine Kumpane ins verdiente Jenseits zu befördern, nach seiner Verhaftung zu Protokoll gab, war alles, was er zur Begründung seiner Tat anführen konnte. Wie konnte es möglich sein, daß unter Millionen Wahnsinnigen ein einziger Vernunft zeigte; wie unter Millionen, die sich für ihre Unfreiheit entscheiden, ein einziger sich tatsächlich frei entschied: nämlich dazu, die führenden Nazis zu beseitigen? Nein, man wird bei Elser keine besondere, außergewöhnliche, vom Durchschnittsbewußtsein seiner Landsleute abweichende Qualität, Energie oder Eigenschaft finden, die ihn zu seiner Tat prädestinierte. Daß die Löhne gesunken, der allgemeine Zwang gestiegen und ein Krieg zu erwarten sei, wußte jeder Deutsche. Der verbissene, blinde Eifer, mit dem die Deutschen nichtsdestotrotz sich den Nazis andienten, ist als freiwillige Tat zugleich deren Gegenteil, zwanghafte Willkür und reflektiert am subjektiven Pol adäquat den Zug des Ganzen, nämlich das Ende der zivilisatorischen Potenz des Kapitals und seinen Umschlag in blinde, tautologische, selbstzweckhafte Raserei wie sie sich in der Produktion von Rüstung, Volkswagen, Autobahnen und anderem Müll äußerte, andererseits in Vernichtung durch Arbeit und schließlich in die Arbeit der Vernichtung in der Todesfabrik Auschwitz manifestierte. Im selben Maße aber, wie Individuum und Gesellschaft im Zeichen verrückt gewordener Selbsterhaltung sich enger zusammenschließen, im selben Maße fallen sie noch krasser auseinander denn je: als verstockt auf sich selbst zurückgeworfene Subjekthülse, die flink, wendig und agil genug sein muß, um der Macht jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, verliert das Individuum seine Fähigkeit zur Erfahrung eben des Ganzen, dem es sich permanent so bereitwillig zur Verfügung stellt. Seine Erfahrungen schmelzen auf Augenblickserlebnisse zusammen, ohne daß sich eine Kontinuität des Bewußtseins noch herausbildete.

Elsers verschroben-eigenbrötlerische Züge; seine Beharrlichkeit, mit der er den Lauf der Dinge beobachtete und daraus seine Konsequenz zog, nämlich geduldig und mit Liebe zum Detail seine Bombe bastelte und deponierte, sind die Male derselben verhärteten Partikularität, die die Volksgenossen um ihn herum zu hundertprozentigen Mitmachern werden ließ. Aber es bedarf der verhärteten Partikularität auch, um sich ihrer schließlich zu entwinden. Sie ermöglicht es, gegen die komplett absurden und irrenlogischen Appelle von Herrschaft und gegen die Bereitschaft, mit der die überwältigende Mehrheit ihnen wider alles bessere Wissen Folge leistet – also gegen eine Welt, die sich gegen Vernunft und Menschlichkeit förmlich verschworen zu haben scheint – auf seiner unreglementierten Erfahrung zu insistieren und aus dem unmittelbar Erfahrenen Urteile und Schlüsse zu ziehen, es also ins rechte Verhältnis setzen – ins Verhältnis zum Ganzen nämlich: „Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten das Ergebnis, daß die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung geändert werden könnten.“ (10) Von Johann Georg Elser und von keinem anderen läßt sich also sagen, daß er im nationalsozialistischen Deutschland tatsächlich frei gehandelt hat. Daß Elser freilich der einzige war und blieb, der ohne Hintergedanken und strategische Absichten nichts weiter wollte, als die Nazis zu beseitigen und dies auch auszuführen sich bemühte – diese Tatsache bezeichnet freilich präzise das Verhältnis, in dem die Möglichkeit von Vernunft und Freiheit zu ihrer realen Chance steht.

Clemens Nachtmann (BAHAMAS 27/1998)

Anmerkungen:

1) Georg Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler, Berlin 1994, S.23

2) Max Horkheimer, Notizen, 1949–1969, in: ders., Gesammelte Schriften, Band 6, Frankfurt a.M. 1991, S. 404

3) Für wie dumm halten Küntzel et al. eigentlich ihre Leser, wenn sie es an derselben Stelle fertigbringen, Bruhn als „Verteidiger der ´eigentlichen´ Intentionen von Christian R. „vorzuführen und ein paar Zeilen weiter ein Zitat von Bruhn zu bringen, in der dieser so explizit, wie man es sich nur wünschen kann, gegen genau diese Spaltung von rassistischer Handlungsform und „eigentlich“ guter Protestenergie Stellung bezieht?

4) Ulrike Becker u.a., Goldhagen und die deutsche Linke, Berlin 1997, S. 90

5) ebenda, S. 88

6) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a.M. 1966, S. 306f.

7) Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt a.M. 1971, S.153

8) ebenda, S.154 (Hvhb. cl.)

9) Anton Hoch/Lothar Gruchmann: Georg Elser. Der Attentäter aus dem Volke, Frankfurt a.M. 1980, S. 98f.

10) ebenda, S.100

http://www.redaktion-bahamas.org/auswahl/web04.html

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Zu den gegenwärtig beliebtesten politischen Schlagworten in der Bundesrepublik gehören die Begriffe »Transparenz«, »Bürgerbeteiligung« und »Bürokratieabbau«. Die Resonanz, auf die sie stoßen, ist groß. Sie reicht, um nur drei Beispiele zu nennen, von den Protesten gegen das Bahnhofsgroßprojekt Stuttgart 21 über den gegenwärtigen hallischen Oberbürgermeister Bernd Wiegand, der einen ganzen Wahlkampf damit führte und gewann, bis zur Plakatwerbung der populistischen Alternative für Deutschland im Zuge der sachsen-anhaltischen Kommunalwahlen Ende Mai. Unser Redakteur Frank Holly sprach mit Clemens Nachtmann, freier Autor und Redakteur der Zeitschrift Bahamas, über die zunehmende Beliebtheit solcher Forderungen.

Die Rufe nach Bürgernähe und Bürgerbeteiligung, nach Bürokratieabbau und dem schlanken Staat erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. Eine damit verbundene Forderung ist aus der Öffentlichkeit nicht mehr wegzudenken, die Forderung nach Transparenz. Was verbirgt sich hinter diesem zunächst abstrakten Begriff?
Dem kommt man am leichtesten auf die Spur, wenn man den Gegenbegriff zur Transparenz sucht. Hinter der Forderung nach Transparenz steht ja die Vorstellung, der Staat und die ihn tragenden Gruppen und Kräfte seien mafiös verfilzt. Der Staat wird in dieser Vorstellung als schwerfälliger und bürokratischer Apparat wahrgenommen, der den Bürger vor allem bevormundet und an seiner Eigenverantwortung hindert: »die Bürokratie«, so Adorno, »ist der Sündenbock der verwalteten Welt«. Zentral ist hierbei der Hass auf das Vermittelnde, der zwischen das einzelne Subjekt und den Staatsapparat im eigentlichen Sinne tritt. Es sind die Instanzen des warenförmigen Tausches und des Rechts, die hier dem besonderen Verdacht ausgesetzt werden, volksfremd zu sein und den Bürger an seinem eigentlichen Anliegen zu hindern. Im Grunde steht dahinter eine alte Sehnsucht, die im postfaschistischen Deutschland ohne die Sehnsucht nach einer alten Staatsunmittelbarkeit, wie sie der Nationalsozialismus ins Werk gesetzt hat, nicht zu denken ist. Bezeichnender- und nicht zufälligerweise war es die Linke, die in der deutschen Nachkriegsgesellschaft dem Drang nach Aufhebung der Vermittlungen und der Sehnsucht nach der alten und erneuerten Staatsunmittelbarkeit Schritt für Schritt und Kampagne für Kampagne die Zunge gelöst hat. Insofern kann man die Nachkriegslinke als ein großes Laboratorium ansehen, das den neu-alten Sozialcharakter und die auf ihn zugeschnittenen gesellschaftlichen Formen, in denen er sich artikuliert, wieder hoffähig gemacht hat. Der Unterschied zu den 1960er und 1970er Jahren der alten Bundesrepublik ist folgender: In der gegenwärtig manifesten Krise des postfaschistischen Gemeinwesens – also dort, wo der scheinbar immerwährende Gleichklang von Massenproduktion und Massenkonsum sowie der darauf zugeschnittene Wohlfahrtsstaat zerbricht – ist dieser Sozialcharakter bestimmend geworden. Er glaubt sich im Recht zu sehen und protestiert. Stuttgart 21 ist ein besonders sprechendes und besonders lächerliches Beispiel hierfür, hier zeigt sich die von mir angesprochene Wandlung. Diese Protestformen, diese zum Dauerzustand gewordene Mobilmachung, die ja stets von der Forderung nach mehr Demokratie und Mitbestimmung, nach der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft seitens der Linken begleitet wurden, sind jetzt nicht mehr nur die Domäne eines abgegrenzten Milieus. Früher haben sich an solchen Protesten vielleicht noch ein paar Bürger beteiligt, ich denke da beispielsweise an die Anti-Atomkraftbewegung. Heute sind solche Proteste längst in der bürgerlichen Mitte angekommen. Auch der sich verschlankende Staat, der seine Garantieversprechen und seinen etatistischen Regulierungsmodus allmählich aufgibt, hat dies mittlerweile erkannt. Seine Repräsentanten, und auch die Staatsrechtler, sind mittlerweile davon abgekommen, die direkte Demokratie als mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Im Gegenteil: Sie haben längst festgestellt, dass dieses bürgerschaftliche Engagement, die direkte Demokratie, die Mobilmachung, ein Ferment des Funktionierens dieses Staates sein kann. Das heißt, mit anderen Worten, je mehr der Staat sich auf seine Kernaufgaben zurückzieht, desto mehr übergibt er die Kontrolle gesellschaftlichen Vorfeldorganisationen, die den Konsens quasi in einem informellen Staatsauftrag zunehmend selber vollziehen.

Welche Bedürfnisse bedienen solche Forderungen?
Das Bedürfnis, bezogen auf die Verschlankung des Staates, hat natürlich einen ganz prosaischen ökonomischen Grund. In Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit strukturell geworden ist – oder wie Marx sich ausdrücken würde, eine dauerhafte industrielle Reservearmee existiert –, ist der Kampf der Subjekte, ihr Konkurrieren darum, produktiv vernutzt zu werden, also einen Arbeitsplatz zu ergattern, zum Verdrängungswettbewerb eskaliert. Von einem jeden wird erwartet, dass er sich permanent zum Affen macht und ohne Rücksicht auf Scham oder Selbstachtung zu allem bereit ist: die Selbstzurichtung als Subjekt zum Zwecke der Selbsterhaltung verschlingt das Individuum und wird dadurch zunehmend selbstzweckhaft. Auch dann, wenn sie zum Erfolg führt, d. h. also wenn sie dem Einzelnen wirklich gelingt, nimmt sie kein Ende mehr, weil aus der Despotie der Fabrik, wie Paschukanis das einmal genannt hat, längst die Demokratie des Büros geworden ist. Dort pflegen die einzelnen Mitglieder keinen wirklich formellen Umgang mehr, sondern das Team besteht aus entkernten Subjekten, deren normaler Umgang ein beständiges Sich-Belauern und Sich-Erpressen ist, wo jeder auf den anderen aufpasst. Dadurch verlängert sich die Selbstzurichtung quasi noch am Arbeitsplatz, sie findet auch mit dem Feierabend kein Ende, sondern setzt sich in die Freizeit fort. Das ist die ökonomische Seite der dauernden Mobilmachung des Subjekts an sich selbst, die sich gesellschaftlich als allgemeine Mobilmachung im Kollektiv in Form von Kampagnen und Protesten fortsetzt. Diese Proteste zielen auf die Verhinderung von Großprojekten, wie zum Beispiel Stuttgart 21, oder richten sich, hauptsächlich von Attac und ähnlichen globalisierungskritischen Organisationen moderiert, gegen vermeintliche Machenschaften der Großkonzerne und der Multis, wobei bei den Globalisierungsgegnern die wahnhafte Energie dieses Protests besonders unverblümt zum Vorschein kommt. Die in diesem Zusammenhang besonders gern gebrauchte Parole »Global denken, lokal handeln« ist geradezu das Emblem für eine haltlose Privatmeinung, die vermittlungslos zur Weltanschauung aufgebläht wird. Das hat damit zu tun, dass im Zuge der Massenproduktion und damit der Kapitalisierung der Reproduktionssphäre das Produzentendasein als Leitbild und Selbstverständnis der Subjekte zunehmend vom Konsumentendasein in den Hintergrund gedrängt wird. Dadurch werden private Lebensäußerungen wie Geschmack, Vorlieben, Haltungen und Meinungen tendenziell entprivatisiert und zu einer öffentlichen Angelegenheit. In Deutschland, wo das »fordistische« Akkumulationsregime in Wahrheit ein »Kraft-durch-Freude-Wagen-istisches« ist, wird auch der Sozialcharakter des »mündigen Konsumenten« von vornherein als »völkischer Konsument« geboren – als jemand, der um die Früchte seiner »ehrlichen Arbeit« nicht mehr »betrogen« wird, weil die Staat gewordene Volksbewegung in der Vernichtung der Juden diesen das Geheimnis immerwährender Produktivität entrissen und damit vermeintlich das Unmögliche möglich gemacht hat: das Kapital krisenfrei, das heißt zu einem Volksfürsorgeunternehmen umzuwandeln und derart eine »Konsumgesellschaft des ganzen Volkes« zu institutionalisieren. Deswegen ist die prototypische Version des deutschen Wutbürgers der rabiat gewordene völkische Konsument, der seine Konsumentenfunktion quasi im Handstreich politisiert, wenn er glaubt, die Welt zu retten, wenn er Bionahrungsmittel einkauft und sich mit seinesgleichen zusammenrottet, um ganz multikulturell gegen das völkerfremde Finanzkapital zu zetern.

Warum hat die Forderung nach mehr Transparenz in den letzten Jahren so stark zugenommen?
Das hat im Grunde mit dem zu tun, wovon ich vorhin sprach, nämlich mit dem krisenhaften Zerfall des postnazistischen Gemeinwesens, das ökonomisch auf dem unterstellten Gleichklang von Massenproduktion und Massenkonsumtion beruhte und deren politisches Äquivalent die Feier des Konsenses der Demokraten war. Das ist aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu halten, hauptsächlich aus Gründen ökonomischer Natur. Die gesellschaftliche Produktion hat sich in Folge ihrer Ausdifferenzierung, auch der Bedürfnisse selber, spezialisiert, das heißt auch die gesellschaftliche Struktur selbst hat sich ausdifferenziert. Man vergleiche nur einmal die Produktpalette der 1960er und 1970er Jahre mit der heutigen. Damals war sie zugeschnitten auf die durchschnittliche Familie mit dem Papa, der das Geld verdiente und eine lebenslange Anstellung hatte – heutzutage ist sie unendlich diversifiziert und bedient die unterschiedlichsten Bedürfnisse und Ansprüche der unterschiedlichsten Klientelen und Gruppen. Die uniforme und als solche kenntliche postnazistische Konsumgemeinschaft erscheint also nun auch empirisch als anonyme Gemeinschaft der Vereinzelten und dementsprechend erscheint heute auch die Massenproduktion als ihr eigenes Gegenteil: nicht mehr als »Dienst« am durchschnittlichen Volksgenossen, sondern an »mündigen« und »aufgeklärten« Konsumenten verschiedenster Gestalt. Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität.
Dieser Vorgang ist wiederum ein Moment der Krise, in die die tayloristische Organisation der industriellen Arbeit seit den 1960er und 1970er Jahren geraten ist, weil sie sich in ihrer instrumentellen Rationalität als zu schwerfällig und ineffektiv erwiesen hat. Dementsprechend hat sich die Organisation der Arbeit wegbewegt von der durchschnittlichen standardisierten Fabrikarbeit, in der der Einzelne darauf abgerichtet war, von seiner Individualität abgelöste und insofern »unpersönliche« Handgriffe zu verrichten, hin zur Einbeziehung des »ganzen Menschen« und all seiner Facetten in den Produktionsablauf; und diese Organisation der Arbeit findet eben gesamtgesellschaftlich ihre Fortsetzung in einer Formierung der Gesellschaft durch den Staat, die nunmehr vorrangig auf höchstpersönliche »Eigenverantwortung« und »Engagement« der Subjekte setzt und gerade dadurch eine demokratische Variante ihrer Staatsunmittelbarkeit ins Werk setzt, in der das faschisierte Subjekt wieder zu sich selbst zu finden beginnt. Hier wie dort sind nicht mehr nur irgendwelche formellen, sondern auch »soziale« Qualifikationen gefragt. Es reicht nicht mehr aus, mit einer bestimmten Ausbildung einfach seine Arbeit zu tun, sondern man soll »lebenslang«, ohne Aussicht auf ein Ende, »lernen«. Es waren übrigens wieder die Linken, die mit ihrem stets ins Esoterische lappenden Gerede von mehr Ganzheitlichkeit und mit ihrer Kritik der Bürokratisierung des Wohlfahrtstaates das vorbereiteten, was heute umgesetzt wird.

Wenn man sich die Proteste anschaut, fällt auf, dass der jeweilige Aufschrei nur von kurzer Dauer ist und die Proteste im Allgemeinen keine Langlebigkeit aufweisen. Wie ist das zu erklären?
Das hat meines Erachtens damit zu tun, dass der Sozialcharakter, die durchschnittliche Verfassung der bürgerlich-nachbürgerlichen Subjekte, die sich an solchen Protesten beteiligen, solche Koalitionen selber zunehmend sabotiert. Der Protest der 1970er und 1980er Jahre hatte eine gewisse Langlebigkeit, weil er zum Teil noch auf althergebrachten Vergesellschaftungen und Vereinsstrukturen beruhte, die noch eine gewisse Fraglosigkeit hatten. Auch das Wahlverhalten war in dieser Zeit noch relativ stabil, weil sich das Arbeitermilieu bei der SPD aufgehoben fühlte, die Zahnärzte und Rechtsanwälte eher bei der FDP und die traditionell bürgerschaftlich orientierte Schicht und der Mittelstand bei der CDU. Es gibt da eine Entwicklung, die relativ analog zu dem verläuft, was in der ökonomischen Produktion vor sich geht. Auch dort gibt es eine Ausdifferenzierung der politischen Präferenzen. Das heißt, dass die Konsequenzen dieses Protestes selber eine Subjektivität hervorgebracht haben, in der sich der Zerfall dieses ehemals scheinbar so fest gefügten Konsenses der Demokraten niederschlägt. Dieser war ja institutionell eingefasst: durch die traditionelle Vereins- und Parteienstruktur, durch relativ eng interpretierte Rechtsverhältnisse, die beispielsweise in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts über die freiheitlich-demokratische Grundordnung zum Ausdruck kamen. Heute ist dieser demokratische Fundamentalkonsens, genauso wie die Einheit von Massenproduktion und -konsumtion, zerfallen. Das bedeutet, dass die einzelnen Subjekte die Verschränkung von Kapitalverwertung und Daseinsvorsorge, die vorher der autoritäre Staat für sie besorgt hatte, nun in Eigenregie vornehmen müssen. Der Zwang zur Selbstzurichtung ist damit ein im strengen Sinne polit-ökonomischer und bedeutet, dass das staatlicher Garantieversprechen ledige Subjekt sich selbst als unmittelbare Allgemeinheit, als Souverän im Miniaturformat, imaginiert und sich mit anderen zu Cliquen und Rackets verbündet, mit denen es seine haltlosen und tendenziell wahnhaften Privatansichten ausleben zu können hofft. Aber weil solche Rackets prekäre Zusammenschlüsse enthemmter Subjektivisten sind, die untereinander bis aufs Messer konkurrieren; weil die formlose Umgangsform unter ihnen die larmoyante Erpressung ist; wer heute Clanchef ist, morgen schon Untergebener sein könnte, kann sich keiner der Loyalität des anderen sicher sein. Was sie zusammenführt, entzweit sie unmittelbar zugleich, und das bringt es mit sich, dass diese Koalitionen ebenso schnell zerfallen, wie sie entstehen. Das heißt aber auch, dass die Reorganisation des zerfallenen Postfaschismus aufs Ganze gesehen eine äußerst labile und unberechenbare Angelegenheit ist und bis auf Weiteres bleiben wird.

Ich habe vor längerer Zeit einen Artikel in der New York Times gelesen, in dem Deutschland als »homeland of Schadenfreude« bezeichnet wird und ein Professor von einem »Polizisten-Gen« der Deutschen spricht. Nun ist auch in den USA die Bürgerbeteiligung ein zentrales Prinzip. Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland?
Das sind natürlich immer sehr weitgehende Spekulationen. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass in den USA der bürgerliche Staat eine Gründung der aus Europa ausgewanderten Bürger selber ist (Europas Filiale). Der bürgerliche Staat ist dort von vornherein keine vom Kulturbetrieb und vom Informationswesen reinlich geschiedene Agentur. Ähnlich findet sich das in Europa nur in Italien, wo – relativ typisch für eine bürgerliche Gesellschaft, in der ein bürgerlicher Gemeinsinn von vornherein eine recht große Rolle spielt – der Staat immer relativ misstrauisch beäugt wird. In Italien gilt der Staat als Bereicherungsagentur, als eine Räuberbande, zu der man kein rechtes Vertrauen aufbauen kann. Andererseits wird aber vom Staat ein hohes Maß an Daseinsvorsorge erwartet, weil jeder glaubt, er könnte den Staat zu seinem eigenen Vorteil benutzen und manipulieren. Ein bisschen vergleichbar ist es auch in den USA. Man hat es im letzten Wahlkampf gesehen, am sehr radikalen Flügel der Republikaner, der den Staat nur als eine Agentur ansieht, die dem ehrlichen Bürger und Steuerzahler auf der Tasche liegt und ihn schröpft. Das ist ein fast schon zum Anarchismus ausschlagender Radikalliberalismus, dem es am liebsten wäre, wenn überhaupt kein Staat existieren würde. Auf der anderen Seite existiert eine starke kommunitaristische Tradition, für die die Obama-Regierung mehr oder weniger steht, mit all ihren unangenehmen Eigenschaften. Die bestehen darin, dass gerade die hierzulande gerne als »das andere Amerika« behandelten kommunitaristischen Strömungen, die sich seit dem 20. Jahrhundert traditionell bei den Demokraten ansiedeln, ihrerseits wieder einen Blick nach Europa werfen. Europa wird, was sozialstaatliche Regulierung betrifft, als das eigentliche Vorbild angesehen. Als Obama im ersten Kabinett die erste Sozialversicherung durchbringen wollte, wurde das als großer Erfolg des rheinischen Kapitalismus, d. h. des Sozialstaats gegen den angeblichen Ellbogen-Kapitalismus Marke USA, verhandelt. Was es allerdings in den USA nicht gibt, ist das, was in der New York Times das »Polizisten-Gen« genannt wurde. Das hängt damit zusammen, dass die Produktion und auch die Zurschaustellung von Reichtum anders bewertet werden. Es gibt eine relativ nüchterne Anschauung und damit ein halbwegs intaktes Selbstbewusstsein dessen, was man als Bürger gemeinhin so treibt. Dass es um Verwertung und um Profit geht, und selbstverständlich auch darum, seinen Reichtum zu machen, ist ein selbstverständlicher Teil des Alltagsbewusstseins. Daher sind die Neidbeißerei und der Genuss, der daraus gezogen wird, den anderen straucheln und stürzen zu sehen, nicht ansatzweise so verbreitet wie in Deutschland. Die Skandale der letzten Zeit – sowohl die um Christian Wulff als auch die um Guttenberg und zum Schluss um Annette Schavan – machen auch für den nicht studierten, nicht akademischen, nicht intellektuell vorgebildeten Arbeitnehmer in spe die Entwertung traditioneller Qualifikationen relativ deutlich. Umso größer ist die Neidbeißerei gegen diejenigen, denen es gelungen ist, einen akademischen Abschluss zu ergattern und ein politisches Amt, wie Guttenberg oder wie Schavan; daher die große Befriedigung, sie jetzt aufgrund einer angeblich oder tatsächlich erschlichenen Promotion stürzen zu sehen. In der alten Bundesrepublik hätte das nie ausgereicht, um jemanden aus dem Amt zu jagen. Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.

https://bonjourtristesse.wordpress.com/2014/07/15/die-mobilmachung-ist-zum-dauerzustand-geworden-ein-interview-mit-clemens-nachtmann/

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Rasse und Individuum
Plädoyer für eine vollendet künstliche Amoral

 

für Zerlina

 

„Nur durch die Kultivierung der Fähigkeit zu geistiger Kritik werden wir uns über Rassenvorurteile erheben können […] Die Kritik wird die Rassenvorurteile zum Verschwinden bringen, indem sie auf der Einheit des menschlichen Geistes in allen seinen unterschiedlichen Formen insistiert.“

Oscar Wilde, Der Kritiker als Künstler

 

I. Verzeihen Sie mir zu Beginn eine kleine Eitelkeit: ich denke, ich darf mir schmeicheln, für den Job, den ich hier zu erledigen habe, nämlich über „Rasse und Individuum“ zu sprechen, besonders qualifiziert zu sein, jedenfalls dürften meine Gegner es so sehen: 16 Jahre ist es nun her, 1993, dass ich auf dem Kongress, den die Zeitschrift Konkret veranstaltet hatte und danach, als – ich zitiere aus dem Gedächtnis – „Rassist“ und „linker Schädelvermesser“ geoutet wurde. Zur Erinnerung: auf diesem Kongress gab es ein Podium über „Identität und Differenz“, auf dem unter anderem Günter Jacob, Diedrich Diederichsen und Christoph Türcke referierten. Und es war Türcke, der dabei den in den Augen der Anti-Rassisten unglaublichen Fauxpas begangen, ohne eilfertige moralische Distanzierung überhaupt von „Rasse“ zu sprechen, über­haupt an biologisch gegebene Naturtatsachen des Menschen zu erinnern. Damit nicht genug, meldete er grundsätzlichen Zweifel an der Erklärungskraft des Begriffs „Rassismus“ überhaupt an, angesichts einer damals längst in Gang gekommenen „Inflation des Rassismus“ (so auch der Titel seines Referats), in deren Gefolge der Begriff auf schlechthin alles, was irgendwie mit Herrschaft oder Unterdrückung zu tun haben könnte, ausgeweitet und damit komplett entleert wurde. Türcke hat dieses jeder Logik und jedem Realitätsbezug hohnsprechende Kasperltheater, das nicht nur bekennende Anti-Rassisten, unter ihnen viele „Antideutsche“, sondern auch die Sozialwissenschaftler damals schon veranstaltet haben, schneidend kritisiert und ihnen damit ihr Lieblingsspielzeug madig gemacht, mit dem sie Gesinnungsfestigkeit und moralische Integrität inszenieren konnten – jenes Kasperltheater, das mit der feinsinnigen Unterscheidung von „biologistischem“ Rassismus (der „alte“ Rassismus, d.h. Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe) und „differentialistischem Rassismus“ (kulturelle Diskriminierung) anhob, und über den „sexuellen Rassismus“ (Diskriminierung von Frauen, Männer kamen nicht vor als Opfer) zunächst zur sogenannten „triple oppression“ (Opfer von Klassenherrschaft, Rassismus und Sexismus) und schließlich zum frei flottierenden Irrsinn einer, man könnte sagen, „multiple“ oppression führte, unter der man allen Ernstes über „lookism“, also Diskriminierung aufgrund des Aussehens oder „ableism“, Diskriminierung wegen Fähig- oder Unfähigkeit diskutierte.

Gesinnungskitsch

Indem Türcke gegen diesen begrifflichen Mummenschanz darauf insistierte, dass zu einem konsistenten Begriff des Rassismus notwendig der Bezug auf die menschliche Hautfarbe gehört, die Hautfarbe aber bei aller zugegebenen kategorialen Gegenstandskonstitution nun mal eine Naturtatsache sei, wollte er schlicht daran erinnern, dass jeder Rassismus sich sein Objekt nicht einfach willkürlich erfindet, sondern gegebene Fakten in ein durchaus wahnhaftes Gebilde hineinspinnt. Überhaupt ging es ihm ja eben nicht um ein Lob der Differenz – sein Referat endete ja mit einem Plädoyer für eine recht verstandene Gleichheit, mit dem Gedanken, dass nur kraft der Fähigkeit, dem Verschiedenen ein Gleiches abzumerken, die abstrakte Vergleichung, die die kapitalistische Vergesellschaftung stiftet, über­haupt adäquat zu kritisieren sei. (1)

Dem Club der Selbstgerechten und Empörten war das aber einfach egal: man machte Türcke einen Skandal und legte sich dafür alles solange aus und zurecht, bis es passte. Manfred Dahlmann und ich waren damals die einzigen, die Türcke in der Konkret verteidigt und auf den Minimalvoraussetzungen jeder redlichen Diskussion bestanden haben (2) – was selbstverständlich nicht viel nützte, im Gegenteil einige besonders Beflissene, übrigens Mitglieder der damaligen Hamburger Bahamas-Redaktion, noch zusätzlich anspornte, der Kritischen Theorie nachzuweisen, dass ihre Exponenten bzw. diejenigen, die sich heute auf sie berufen, „rassistisches“ und „sexistisches“ Gedankengut in die Linke hineintrügen. (3)

Umso verschnupfter und wütender schlugen die anti-rassistisch und anti-deutsch Gesonnenen um sich, als sie sich etwas darauf einbildeten, dass doch gerade sie dabei waren, theoretisch und praktisch aus der deutschen und der linken Vergangenheit Lehren für die Gegenwart zu ziehen: ja, früher sei man einer „verkürzten Kapitalismuskritik“, einem „ökonomistischen“ Begriff des Kapitals aufgesessen, hiess es damals stereotyp, aber jetzt sei das anders, das stelle man doch gerade dadurch unter Beweis, dass man gegen „Großdeutschland“, gegen ein neues „Viertes Reich“ und den in ihm angeblich vorherrschenden „rassistischen Konsens“ agitiere und auf die Straße gehe. Aber genau diese rituellen Selbstanklagen und der Gesinnungskitsch, der bereits um die „Nie wieder Deutschland“-Kampagne veranstaltet wurde („Deutschland marschiert – wir widerstehen!“), erweckte damals schon nicht nur bei mir den Verdacht, dass das, was unter der anti-deutschen Flagge segelte, von seiner Grundstruktur nicht viel anderes war als ein moralisch selbstbezüglicher, aber nun gewissermaßen nach innen gewendeter Anti-Imperialismus (4) – und im Aufruf zur Frankfurter NWD-Demo hiess es ja auch: „Wir wollen kein Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, denn es ist ein Selbstbestimmungsrecht von Imperialisten.“ (5) Und wie es sich für ein ordentlich dichotomisch strukturiertes, nach Gut und Böse eindeutig sortiertes Weltbild gehört, war die Kehrseite des moralischen Gezeters gegen Deutschland die Identifikation mit neuen Kollektiven: jetzt waren es die Ausländer und besonders die nunmehr feinsinnig „Migranten“ genannten, die in die Rolle eines neuen revolutionären Subjekts gedrängt wurden und teilweise diese Rolle auch ganz gerne übernahmen: erinnert sei in diesem Zusammenhang etwa an so eine funeste Vereinigung wie das „Café Morgenland“, das seine abstrusen Tiraden gegen „deutsche Täter“ mit Vorliebe gegen ihre anti-deutschen Fürsprecher richtete, die sich aber die naheliegende Reaktion, dass die Morgenländer einem schlicht auf die Nerven gehen, aus schlechtem Gewissen und Rücksicht auf ihr neues Subjekt verkniffen.

Wie dem auch sei: jedenfalls waren damals bereits alle Argumentationsfiguren versammelt, die heute in einer anders gelagerten politischen Praxis ihre wahre Bestimmung finden. Heute ist wieder alles am rechten anti-imperialistischen Ort, es geht es nicht mehr gegen das „Vierte Reich“, sondern gegen die „neuen Nazis“ im wahren „Reich des Bösen“, das man in den USA und Israel inkarniert findet, dem „großen“ und „kleinen Satan“ in der Sprache der Islamisten, mit denen die Linken ja auch eifrig fraternisieren. Mein Beitrag in der damaligen Konkret endete mit einem Plädoyer für einen „anderen Anti-Rassismus“. Das hat sich heute erledigt: am Anti-Rassismus ist nichts zu retten, nichts zu beerben, und zwar genausowenig wie am Anti-Imperialismus und am traditionellen Anti-Kapitalismus, mit denen er ja auch die wesentlichen Grundannahmen teilt. (6) Um es kurz und schmerzhaft ausdrücken: „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.

„Anti-Rassismus“ ist ein Ticket, ein Kombi-Paket an Selbsteinschätzungen, Haltungen und darauf beruhenden Verhaltensweisen, der Anspruch, eine moralisch saubere und politisch wirksame Gegenposition zum Rassismus einzunehmen; und dazu zählen unbedingt: das Wort „Rasse“ und alles, was daran erinnern könnte, aus seinem Wortschatz verbannen, offen sein für „den Anderen“ und seine Kultur, Religion, Sitten und Gebräuche, nur respektvoll über andere Kulturen sprechen – über die eigene eher gar nicht oder schamhaft bis abschätzig, weil die ja den „Imperialismus“, also die Unterdrückung fremder Kulturen repräsentiere, daher überhaupt kein Urteil über die Fremden und ihre Gewohnheiten fällen, das wäre ja „eurozentristische“ Anmaßung und die Verlängerung dieses „Imperialismus“, sondern lieber das Selbstverständnis der Fremden übernehmen, sich zurückhalten und damit symbolisch „Schuld“ abtragen.

Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)

Rassismus als Gedanke vor der schlimmen Tat

Als Columbus dies niederschrieb, gab es weder den Begriff noch eine entsprechende Vorstellung von „Rasse“ – und doch existiert hier bereits die Vorstellung von einem durch bestimmte Eigenschaften und Wesenszüge bestimmten Kollektiv, auf das alle eigenen Sehnsüchte und Wünsche projiziert werden: auf diese Weise wird der Ursprungsmythos vom „guten Wilden“ (8) aufgerichtet. Es werden empirische Menschen an einem Anspruch gemessen, dem sie zu genügen haben, ihnen wird ein idealer „Wesenskern“ untergeschoben, dem sie zu entsprechen haben – und wenn sie dies nicht tun, was unvermeidlich ist, hat dies ihre Abqualifizierung und Verdammung logisch zur Folge: nur zwei Jahre später haben sich für Columbus die Friedfertigen und Sanftmütigen in „grausame Wilde“ verwandelt, die nur zum Sklavendasein taugen und die man mit drakonischen Strafen belegen müsse. (9)

Der Mythos von den guten Wilden, die dem Ursprung der Menschheit am nächsten seien, auf die man sich wieder zu besinnen habe, taucht dann wieder auf im 18. Jahrhundert bei Montesquieu in den „Perserbriefen“ und bei Herder, der Montesquieus Lehre von dem durch natürliche und gesellschaftliche Faktoren bestimmten „Gemeingeist“ von Völkern aufgreift und zu einer Theorie verdichtet: danach gibt es keine universell, für alle Menschen gleichermaßen geltenden Maßstäbe, Kategorien, Prinzipien, Werte, sondern umgekehrt verfügt jede Gesellschaft über eine ganz besondere, unvergleichbare Kollektivseele, einen „Volksgeist“, der gleichermaßen in Sprache, Kunst, Denkweise, Kleidung, Gewohnheiten und Traditionen seinen Ausdruck findet. Es gehe daher nicht an, wie Herder namentlich gegen Voltaire polemisiert, in Aufklärungsmanier die Menschen nach abstrakt-allgemeinen Prinzipien umerziehen zu wollen, sondern man müsse die Völker in ihren angestammten Vorurteilen belassen, repräsentieren diese doch die guten Ursprünge eines Kollektivs: „Das Vorurteil ist gut, zu seiner Zeit: denn es macht glücklich. Es drängt Völker zu ihrem Mittelpunkt zusammen, macht sie fester auf ihrem Stamme, blühender in ihrer Art, brünstiger und also auch glückseliger in ihren Neigungen und Zwecken. Die unwissendste, vorurteilendste Nation ist in solchem Betracht oft die erste; das Zeitalter fremder Wunschwanderungen und ausländischer Hoffnungsfahrten ist schon Krankheit, Blähung, ungesunde Fülle, Ahndung des Todes.“ (10) Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um zu erkennen, dass Herders Theorie von den guten und gegen die Anmaßung der Aufklärung zu schützenden „Volksgeistern“ ziemlich genau dem heutigen „anti-rassistischen“ common sense in Europa entspricht, der unterschiedslos „Respekt“ und „Toleranz“ für alle „gewachsenen Kulturen“ praktiziert und diese gegen den anmaßenden „Imperialismus“ der USA in Schutz nimmt. Und es ist unschwer zu sehen, dass Herders Lehre von der in allen Lebensäußerungen eines Volkes sich aussprechenden Eigenart Modell gestanden hat für den modernen, im aktuellen Zusammenhang immer wieder reklamierten Kulturbegriff, der mit der als „elitär“ verunglimpften Hochkultur jeden objektiven Maßstab für das, was Kultur ist und was nicht, verabschiedet, dafür einfach jede mit Regelmäßigkeit stattfindende Lebensäußerung unterschiedslos zur Kultur erklärt, aber den Nimbus des alten Begriffs beibehält, mit der Konsequenz, dass aus einem das Alltagsbewusstsein wie auch die Rechtsprechung beherrschenden Kulturdünkel heraus heute schlecht­hin alles zur Kultur erklärt werden kann: Popsongs als Subkultur, toskanisches Olivenöl als Esskultur, das gewalttätige Agieren von islamischen Ehemännern als traditionelle Kultur und – Gipfel der Perversion! – der europäische Sozialstaat als angeblich gelungene kulturelle Zähmung des Kapitalismus. (11) Herder übrigens war ein erklärter Gegner der gegen Ende des 18. Jahrhunderts verstärkt aufkommenden Rassentheorien, was ihn zwar persönlich ehrt, aber doch nichts daran ändert, dass seine „anti-rassistische“ Lehre dem späteren explizit rassistischen Deutschnationalismus den Weg ebnet.

Andererseits ist der Anti-Rassismus nicht nur die Voraussetzung, sondern auch die Konsequenz des Rassismus. Alle anti-rassistischen Pamphlete, die vor 20 Jahren wie die heutigen, unterstellen immer, dass es zunächst so etwas wie eine rassistische Doktrin oder Lehre gebe, die dann in einem zweiten Schritt realisiert, in die Tat umgesetzt wird. Die Gegnerschaft bezieht sich also hauptsächlich auf eine Ideologie, weniger auf die Praxis, die durch sie gedeckt wird. Der ältere Anti-Rassismus, wie er sich beispielsweise in den Gründungsstatuten der UNO niedergeschlagen hat (12), bemühte sich deshalb, den Rassismus zu „widerlegen“ und führte zu diesem Zweck naturwissenschaftliche und auch schon soziologische Belege an, die untermauern sollten, dass der Rassismus nicht nur verwerflich, sondern auch unhaltbar ist. (13) Der moderne Anti-Rassismus pfeift auf solche wissenschaftliche Gediegenheit und hält es dafür lieber mit protestantischer Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird, besteht anti-rassistische Praxis heute aus hochnotpeinlicher Gewissenserforschung und Sprachsäuberung in Permanenz, die wiederum in Gang gehalten wird durch den universellen Verdacht gegen jeden einzelnen, den die Einpeitscher und Sprecher nicht müde werden zu streuen. Aber wie man es auch dreht und wendet: wer es sich zum Ziel gesetzt hat, den Rassismus als Ideologie entweder argumentativ zu widerlegen oder mental zu exorzieren, anstatt nach den Bedingungen seiner Möglichkeit und dem gesellschaftlichen Gehalt zu fragen, der sich in ihm ausspricht, bewegt sich auf dem Terrain, das die rassistische Ideologie ihm bereitet hat und ist dazu verurteilt, dessen Grundannahmen, die substantialistisch legitimierte Sortierung der Menschen in Kollektive, ideologisch und praktisch zu reproduzieren. (14) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.

Abgesehen davon ist die Annahme, dass der rassistische Gedanke der schlimmen Tat vorangeht, auch sachlich unhaltbar: historisch ist es genau umgekehrt (15). Die Versklavung, Ausbeutung, Unterdrückung und Ermordung andersfarbiger Menschen funktionierte beginnend mit dem Kolonialismus des 15. Jahrhunderts über Jahrhunderte hinweg ohne eine ausgesprochene rassistische Doktrin. Die im 18. Jahrhundert aufkommende Rassenlehre entstammt der durchaus aufklärerischen Bemühung, die Vielfalt dessen, was Menschenantlitz trägt, mit wissenschaftlichen Kriterien zu vermessen, zu klassifizieren und zu systematisieren. (16) Dass jede Erkenntnis und bereits die banale Klassifikation ihren Gegenstand nicht einfach nur passiv abbildet, sondern aktiv konstituiert, dass uns alle Natur nur zugänglich ist durch die mit Allgemeinheit und Notwendigkeit geltenden Denkformen, die das erkennende Subjekt dem Objekt aufgeprägt hat, dass also auch die Einteilung der Menschen nach Hautfarben eine Leistung des menschlichen Verstandes ist und darüber hinaus, materialistisch gelesen, einer gesellschaftlichen Intention entspringt – das ist bekannt­lich die erkenntnistheoretische Grundfrage aller modernen Philosophie, namentlich bei Kant, darüber brauchte uns nicht erst die Postmoderne zu belehren. Aber keine Klassifikation wäre sinnvoll möglich, würde ihr nicht am Objekt etwas entgegenkommen: die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. Bei aller Kritik am bürgerlichen Klassifikationsbedürfnis als solchem und eingeräumt, dass eine Klassifikation bereits von sich aus zu expliziten Wertungen tendiert: Rassismus beginnt erst dort, wo von vererblichen körperlichen Eigenschaften, hier: dem vererblichen Faktor Hautfarbe auf fixe, natürliche und kollektiv vererbbare Eigenschaften wie Intelligenz, Temperament, Kultur, Charakter geschlossen wird, wo man also einen fixen und vererbbaren kollektiven „Wesenskern“ des Menschen annimmt. Rassismus ist also die Lehre von der erbgenetisch bedingten, d.h. natürlich gegebenen und damit unveränderlichen charakterlichen, kulturellen Ausstattung von Menschengruppen unterschiedlicher Herkunft – das ist die einzige, enge und präzise eingegrenzte Definition, die sich geben läßt. Und nur eine gesellschaftliche Praxis, die unter Berufung auf diese sei’s wissenschaftlich verbrämte, sei’s vulgär vorgetragene Auffassung Menschen sortiert, schikaniert, diskriminiert, versklavt, ausbeutet, beherrscht oder ermordet – nur diese kann legitimerweise „rassistisch“ genannt werden.

Demnach beginnt der explizite Rassismus erst im 19. Jahrhundert und kommt in dem Moment, wo er zum geschlossenen weltanschaulichen System sich rundet, als Rassismus auch schon wieder an sein logisches Ende; dafür prägen die ihm entstammenden Kategorien gleichsam als abgesunkenes Unkulturgut die gesamte öffentliche Diskussion bis ins 20. Jahrhundert. Demnach waren der späte Kolonialismus , d.h. des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts weiterwirkende Rassensegregation in den Südstaaten der USA und das um die Jahrhundertwende beginnende Apartheidsregime in Südafrika Gesellschaften bzw. Herrschaftssysteme, in denen Rassismus der gesellschaftlich notwendige Schein ist und die zentrale Legitimationsideologie abgibt und die deswegen das Prädikat „rassistisch“ auch wirklich verdienen. Demnach ist es aber auch grotesk, heute noch von einem existenten Rassismus zu sprechen; denn zum Rassismus als einer gesellschaftlich wirksamen Ideologie gehören Bewegungen, die ihn sich auf ihre Fahnen schreiben, gehören Exponenten, die sich selbst als Rassisten begreifen und daraus in der Öffentlichkeit keinen Hehl machen – während heute jedes Denken in Rassen gesellschaftlich flächendeckend geächtet ist und die letzten verbliebenen Rassisten keine ernstzunehmende gesellschaftliche Tendenz oder Bewegung mehr repräsentieren, sich vielmehr unmöglich machen, wenn sie sich offen zu ihrer Anschauung bekennen. Was heute fälschlicherweise „Rassismus“ genannt wird, hat mit diesem nichts zu tun, sondern ist ordinärer Fremdenhass. (17)

Mangel an Zukunftsfähigkeit

Die Wirkungsmacht, die der Rassismus als Rassismus entfaltete, ist also viel begrenzter als gemeinhin unterstellt; und diese begrenzte Wirkung folgt aus dessen immanenter Logik, die bei den erklärten Anti-Rassisten verschwiegen wird, weil es nämlich auch ihre höchsteigene ist und sie diese als unbenannte umso unangefochtener in der Praxis vollstrecken können. Wenn wir uns in diese Irrenlogik des Rassismus hineinbegeben, dann stoßen wir auf dessen eigentümliche Dialektik: die Behauptung der erbgenetisch bedingten Höher- und Minderwertigkeit verschiedener Menschengruppen, also die Sortierung der Menschen in lauter besondere, mitein­ander unvereinbare Rassen impliziert notwendig die Anerkennung der Kategorie „Rasse“ als eines allgemein, d.h. gesellschaftlich gültigen Gliederungs- und Herrschaftsprinzips. Die Partikularisierung der Menschheit wird selbst zum universellen Prinzip und seit jeher laborieren Rassisten und alle rassistisch legitimierten Herrschaftssysteme an dem Widerspruch, dass sie etwas als gesellschaftliches Prinzip erst setzen müssen, was doch ihrer Ansicht nach sowieso von Natur aus gegeben sein soll. (18) Die Willkür eines jeden Rassismus manifestiert sich darin, dass in ihm die bürgerliche Gesellschaft als ein in Klassen, Gruppen, Cliquen, Familien, Individuen gegliedertes Ganzes einfach naturalisierend umdefiniert wird in ein Ensemble von „Rassen“. Und die praktischen Konsequenzen, die sich aus dem verallgemeinerten Rassenprinzip logisch ergeben, sind, idealtypisch formuliert, entweder: die gegenseitige Segregation oder Apartheid, mit der eine mehr oder weniger hierarchische Ordnung der Rassen festgeschrieben wird – sozusagen die reformistische Variante; oder dessen notwendig militante Kehrseite, der gewaltsam ausgetragene Rassenkampf, der zum „Kampf ums Dasein“ ideologisierte Verdrängungswettbewerb.

Kraft immanenter Logik, d.h. kraft dieser in ihm wirksamen Dialektik von Besonderung und Anerkennung ist dem Rassismus in all seinen Spielarten zwar ein mörderisches Potential von erheblichem Ausmaß eingeschrieben – aber gerade nicht die kollektive Vernichtung aus existentieller Feindschaft, die dafür dem Antisemitismus von vornherein innewohnt. (19)

Diese begrenzte Wirkungsmacht und mangelnde Zukunftsfähigkeit des Rassismus als Rassismus lässt sich gerade an jenem Autor demonstrieren, der zurecht als dessen Pate gehandelt wird: dem Grafen Gobineau. Im Jahr 1850, drei Jahre nach dem Kommunistischen Manifest, fasst Gobineau in seinem „Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen“ die Weltgeschichte als eine des Kampfes nicht der Klassen, sondern der Rassen. Der springende Punkt dabei: die Weltgeschichte ist für ihn eine Geschichte des Verfalls, des Verfalls einer ehemals reinen Rasse, seine Geschichtskonzeption daher eine Untergangsvision. Deshalb ist dieses so epochemachende Werk vor allem das Dokument eines Scheiterns und das ist weder seinen beflissenen Nachbetern noch seinen anti-rassistischen Gegnern aufgefallen. Wenn Gobineau die „reinen“ Menschenrassen auf die Anfänge der Menschheit zurückdatiert und Geschichte als Rassendegeneration konzipiert, dann gesteht er damit ein, dass in der Gegenwart Rassen sich nicht bzw. nicht mehr wissenschaftlich exakt nachweisen lassen; damit aber kann jegliche Rassenlehre genau das nicht leisten, was sie beansprucht: nämlich eine unbezweifelbare Gewissheit über die Identität von Menschen, d.h. über ihre Zugehörigkeit zu einem Kollektiv zu stiften. Denn das, wovon die Rassenlehre ihren Ausgang nimmt und was sie als augenscheinliche Gegebenheit oder als Natur identifiziert, die menschlichen Hautfarben, ist selbst schon das Produkt von Geschichte. Wolfgang Pohrt hat das in einem Aufsatz einmal folgendermaßen formuliert: „Während der Rassismus also vorgibt, bei der Einteilung der Menschen in verschiedene gleichartige Gruppen dem unmittelbaren Augenschein zu folgen und sich dabei auf einfache, objektive und messbare Fakten zu stützen, entspricht dieser Doktrin in Wahrheit keine Realität, denn überall dort, wo der Rassismus vorkommt, hat die Vermischung, Vergesellschaftung jener naturwüchsigen Kollektive bereits stattgefunden, die dem Begriff ,Rasse‘ noch am nächsten kämen, so dass man behaupten kann, die Existenzweise der Menschen als verschiedene Rassen und der Rassismus schließen einander aus, was auch jene Gegner des Rassismus beharrlich ignorieren, die den Begriff ,Rasse‘ stillschweigend akzeptieren, wenn sie die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse verurteilen“ (20) Und zum anderen ist das Schließen von der Hautfarbe auf Charaktereigenschaften bzw. Kultur eines Kollektivs im Resultat nichts weiter als die Mystifikation eines ganz banalen Faktums, als Vorgang eine je individuell stattfindende Projektion.

Natur und Identität

Was sich im Rassismus ausspricht, ist vielmehr eine strikt gesellschaftliche Bestimmung: die fundamentale Krisenhaftigkeit des bürgerlichen Individuums, seine Angst vorm Verlust seiner bürgerlichen Qualität, dem Rückfall in bloße Natur, aber auch – und das ist das Doppelgesicht des Rassismus – das Liebäugeln mit dem Rückfall in diese Natur. (21) Im Rassismus artikuliert sich der logisch unmögliche, aber praktisch notwendige Versuch des bürgerlich subjektivierten, vergesellschafteten Individuums, seine permanente Zurüstung für die Zwecke der Verwertung, d.h. einen unablässigen und vom Risiko des Scheiterns bedrohten Prozess sich als eine fixe und unverlierbare Natureigenschaft zurechtlegen zu wollen. Als universell vergesellschaftetes Individuum (22) hat es sich gleichwohl ungesellschaftlich, d.h. in fetischistisch-verdinglichter Form als Eigentümer, als Souverän seiner selbst zu denken und zu verhalten, der als Gleicher unter allen anderen Gleichgemachten, aus sich selbst, gleichsam aus seiner „Natur“ heraus jene Differenzen und feinen Unterschiede zu setzen vermag, der ihn gesellschaftlich brauchbar macht und für die Zwecke der Verwertung disponiert – ohne dass jedoch diese permanente Selbstzurüstung des Individuums mit irgendeiner Verwertungsgarantie oder seiner tatsächlichen produktiven Vernutzung verbunden wäre. Der Begriff des Subjekts ist daher der Inbegriff aller Zurüstungen für die Anforderungen der Gesellschaft, die das Individuum an sich vornimmt (23). Das Realparadox kapitalistischer Vergesellschaftung als einer „asozialen Sozialität“ (Stefan Breuer) macht sich im einzelnen Individuum derart geltend, dass sein Bezogen­sein auf andere Menschen und auf Dinge, seine gesellschaftliche Qualität, sein jeweiliges „Sein-für-anderes“ gewissermaßen zurückgestaucht wird in das einzelne Individuum und in verdinglichter Form als seine „Naturanlage“ oder sein „Wesenskern“ erscheint. Es verhält sich, wie mit dem Fetischcharakter im allgemeinen, so auch hier: wir brauchen von dieser „verrückten Form“ nichts zu wissen, um doch täglich in ihr zu agieren und die Redewendungen „Ich bin…“ bzw. „Ich als…“ (Deutscher, Frau, Mann, Hetero, Homo, Weißer, Schwarzer etc.) demonstrieren – egal, ob sie affirmativ-überzeugt oder „kritisch“-selbstanklägerisch vorgebracht werden – die Behauptung von Identität, d.h. die Reklamation irgendeiner substantiellen, überindividuellen Eigenschaft, die „im“ Individuum stecken soll, mit der es fest verwachsen zu sein behauptet. Diese Substantialisierung bzw. Naturalisierung von Relationalem, von gesellschaftlichen Beziehungen ist die allgemeine und notwendige krisenhafte Bewegungsform des bürgerlichen Individuums als Subjekt; und während die Anti-Rassisten und mit ihr fast die gesamte Öffentlichkeit so tun, als sei gerade der Rassismus der Inbegriff einer zum Zwecke der Ausgrenzung auf Natur rekurrierenden Ideologie und alle anderen Ideologien, namentlich der Antisemitismus, seien entweder nur dessen Spielart oder müssten vom Rassismus her begriffen werden (24), verhält es sich in Wahrheit so, dass der Rassismus, also die Behauptung einer an der Hautfarbe ablesbaren Höher- oder Minderwertigkeit der Menschen, nur eine spezifische, historisch entsprungene und somit vergängliche und dabei nicht einmal die wichtigste Erscheinungsform dieser dem bürgerlichen wie dem nachbürgerlichen Individuum eingeschriebenen Substantialisierung bzw. Naturalisierung seiner selbst darstellt. Die Natur des Individuums, seine Körperlichkeit, sein Triebleben, ist dabei, wie die äußere Natur, nur als gleichgültiger Stoff von Belang, an dem dieser an und für sich abstrakt-allgemeine Prozess, diese Realabstraktion sich illustriert – wie eben z.B. die Rassenlehre die Hautfarbe in Beschlag nimmt. Das bürgerliche Subjekt, als eine gesellschaftliche Unnatur, rekurriert auf Natürliches, damit es seine eigene leibliche Natur und die äußere umso effektiver unterwerfen, funktionalisieren und nach Möglichkeit ganz zum Verschwinden bringen kann; der Dekonstruktivismus ist der irre Traum, der Nationalsozialismus die praktische Umsetzung dieser finalen Selbstentleibung: „Identität ist Tod“ (Adorno). Deshalb lässt sich, da hatte Türcke ganz recht, dieser gesellschaftlichen Naturalisierung nichts Ärgerlicheres entgegensetzen als das Insistieren auf einem Natursubstrat, das im Begriff nicht aufgeht, mit ihm nicht identisch ist (25); und ein solches Beharren weiß sich Adornos Philosophiekritik verpflichtet: als ein – notwendig identifizierendes – Denken um des Nicht-Identischen willen, als Versuch, vermittels der Selbstkritik des Begriffs am Objekt etwas zu erfahren, was nicht bereits vom Subjekt vorgeprägt wurde, um auf diese Weise mit Vernunft der Natur beizustehen und Verhältnisse vorauszudenken, in denen Natur endlich zu ihrem Recht käme. Dann dürfte etwa die menschliche Haut und ihre unterschiedlichen Farbwerte einfach ein schöner Schein sein, ihr Lockendes und Verführerisches hervorkehren, ohne dass sie sofort als das Erkennungsmal irgendeines Allgemeinen in Beschlag genommen würde.

Diese Substantialisierung ist ein von den Individuen jeweils in Konkurrenz zueinan­der stattfindender, als solcher aber allgemeiner Prozess, dessen Inhalt austauschbar, an dem vielmehr die Form selbst ausschlaggebend ist. Als ein von allen Individuen in Gang gehaltener Prozess kann diese Substantialisierung auch äußerlich die Form einer ausdrücklichen, weltanschaulich fundierten Assoziation oder Bewegung annehmen wie etwa im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – aber dies muss keineswegs notwendig der Fall sein und es scheint so, als sei die Tendenz dafür abnehmend. Die aktuellen regressiven und kollektivistischen Tendenzen sind mittlerweile auch in sich und der äußeren Erscheinung nach höchst individualisiert und bringen es nur zu losen und temporären Koalitionen. Dem modernen, wendigen und anpassungsfähigen Individuum steht für die an sich stereotype Behauptung seiner substantiellen Identität mittlerweile von diversen „Kulturen“ über „Regionen“ und „Geschlechts­identitäten“ bis zu den „Religionen“ eine fast unübersehbare Vielfalt an All-Gemeinheiten in verschiedensten Kombinationen zur Verfügung, neben der sich das Konzept von „Rassen“-Identität als armselig und anachronistisch ausnimmt. Bekämpft wird es deshalb, weil es ein unzeitgemäßes Relikt aus der Urgeschichte des bürgerlichen Identitätswahns ist

Scheitern des Rassismus

Der Rassismus hat als solcher, wie gezeigt, mit Gobineau bereits seinen Zenit überschritten. In der Folge durchtränken seine konstitutiven Kategorien das allgemeine öffentliche Bewusstsein; als gleichsam abgesunkenes Unkulturgut werden Kategorien wie „Rasse“, „Blut“, „Degeneration“ etc. im jeweiligen Kontext entweder erst recht gefährlich, wie gleich näher auszuführen sein wird – oder sie werden harmlos und banal. Graf Gobi­neau selber etwa war kein Antisemit und noch Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es Wissenschaftler, die sich in ihrer Gegnerschaft zum Antisemitismus gerade auf die Rassenlehre berufen; und in zionistischen Traktaten aus derselben Zeit ist ebenfalls von Rasse, Blut, von Verbesserung der Rasse etc. die Rede. Was die Antizionisten aller Fraktionen eilfertig und beflissen als Beleg für den „rassistischen“ Charakter des Zionismus herankarren, beweist natürlich das glatte Gegenteil, nämlich das Ausmaß, in dem Kategorien der Rassenlehre zum Allgemeinplatz wurden, so sehr, dass sie nicht nur ihrer wertenden „rassistischen“ Bedeutung verlustig gehen, sondern oft nicht einmal mehr mit Klassifizierung von Hautfarben zu tun haben. In den zionistischen Traktaten etwa ist „Rasse“ nur noch ein Name für eine bestimmte Menschengruppe, etwa synonym mit „Bevölkerung“ und eine Abbreviatur für die Tradierung bestimmter Gewohnheiten, Anschauungen oder Wertvorstellungen über Generationen. (26)

Andererseits beginnt der als eigenständige Doktrin gescheiterte Rassismus zunehmend als Begründungsfolie für den im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erstarkenden Antisemitismus zu fungieren. In diesem Zeitraum findet eine Fusion statt zwischen einem rassistischem Denken, das bis dato nicht zwangsläufig antisemitisch konnotiert und einem Antisemitismus, der nicht zwangsläufig rassistisch legitimiert war. Es ist von daher falsch, zumindest schief, vom „nationalsozialistischen Rassenwahn“ zu sprechen, wie es so oft und gerne geschieht, oder vom „Rassismus, der zu Ausch­witz führte“. Zum einen hebt man auf diese Weise am Nazi-Antisemitismus genau das hervor, was an ihm gerade nicht zentral oder ausschlaggebend ist: nämlich seine rassenideologische Begründung. Und der Grund dafür ist ziemlich durchsichtig: das „Rassistische“ am Judenhass der Nazis zu betonen ist die probate Legitimation für moderne Antisemiten, die ihre Ehrbarkeit heute gern dadurch herausstreichen, dass sie ja gar nicht von der „jüdischen Rasse“ und der Notwendigkeit ihrer Vernichtung sprechen, sondern im Gegenteil „rein politisch“ argumentieren, wenn sie Israel und seinen Bewohnern das Verderben an den Hals wünschen und dass ihr Agieren ja eine Lehre aus der Geschichte befolge: keine Menschen auszugrenzen, wie die Nazis es taten und die Israelis es angeblich heute tun.

Zum anderen wird den Nazis eine Vorstellung von Rasse unterschoben, über die diese längst hinaus waren. Der Rassenantisemitismus der Nazis vollstreckt und verlängert das Scheitern des einstigen Rassismus; aus der erwiesenen Unmöglichkeit, Rasse auch nur ansatzweise konsistent zu definieren, machen sie ganz einfach eine Tugend. Der durchgängige Verzicht auf jedwede Bestimmung von „Blut“ und „Rasse“, die doch andauernd beschworen werden, ist also kein Mangel, sondern Programm: was „Rasse“ ist und wer zu ihr gehört, bestimmt sich fortan rein negativ, und zwar in totaler Abgrenzung und existentieller Feindschaft zur Gegenrasse, die man in den Juden inkarniert wähnt und die als das schlechthin rassenzersetzende und deshalb vollständig zu vernichtende Prinzip aufgebaut wird. Von Hitler ist bereits von 1920 der Ausspruch überliefert „Eine Rasse sind wir nicht, eine Rasse müssen wir erst werden“ und von Himmler gibt es die bemerkenswerte Aussage von 1942: „Ich lasse dringend bitten, dass keine Verordnung über den Begriff ,Jude‘ herauskommt. Mit all diesen törichten Festlegungen binden wir uns ja nur selber die Hände.“ (27)

M.a.W: Die (germanische, arische etc.) Rasse ist damit nicht mehr als Ursprung, sondern als Ziel gefasst, keine Naturgegebenheit mehr, nichts, was der unmittelbaren Beobachtung sich erschließen würde, sondern etwas, das durch gesellschaftliche Praxis erst (wieder-)erschaffen werden muss, ein in die Zukunft gerichtetes Projekt. So klug wie die poststrukturalistisch gesonnenen Anti-Rassisten von heute, die jedwede körperlich-natürliche Bestimmung des Menschen – Geschlecht, Hautfarbe etc. – zum Ergebnis einer „sozialen“ oder „diskursiven“ Konstruktion erklären und dies auch noch für den Gipfelpunkt kritischen Bewusstseins halten, waren die Nazis allemal. Man kann sie daher ohne alle Übertreibung als die ersten praktizierenden Dekonstruktivisten bezeichnen, die sich mit ihrer gesellschaftlichen „Konstruktion“ einer arischen Herrenrasse und damit die zweite Natur an die Stelle der ersten setzen wollten: Darin treiben sie die im bürgerlichen Individuum prozessierende Realabstrak­tion auf die Spitze und repräsentieren daher einen bösartig und irre gewordenen, an sich verzweifelten und in der Verzweiflung sich einrichtenden bürgerlichen Schöpfungsmythos, der auch im Poststrukturalismus sich austobt. Mit dem Unterschied freilich, dass sie, anders als die verlegen herumdrucksenden Anti-Rassisten, auch klar benannt und praktisch demonstriert haben, gegen wen sich die „soziale Konstruktion“ einer Rasse notwendig richten muss und wer sie über­haupt in Gang zu setzen und ihr Geltung zu verschaffen vermag: nämlich der Souverän, der als Meister der kapitalistischen Krise auftritt, d.h. eine definitive Heilung des Kapitalverhältnisses von seinem doch unheilbaren Krisencharakter zu organisieren verspricht, indem er die gleichgemachten kapitalisierten Subjekte, und zwar die gleicher­maßen Überflüssigen als Kollektiv der Verfolger und damit als Rasse in Stellung bringt gegen das vergleichende, die Krise des Bürgers und seiner Gesellschaft verursachende Prinzip, das man in wahnhafter Projektion in den Juden inkarniert wähnt.

Die Mobilisierung der Subjekte durch den Souverän vollzieht sich in Form vielwissender Andeutungen und bedeutungsvollen Raunens, was sich im Schlagwort der „Rasse“, einem gleichsam in eine Geste zurückübersetzten Begriff, nur konzentriert: was Rasse und was Gegenrasse sein soll, wer jeweils dazugehört und d.h. wer einstweilen überleben darf und wer umgebracht wird, wird absichtsvoll in der Schwebe gelassen, weil jeder einzelne dazu aufgerufen ist, sich aus eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko als „würdiges“ Mitglied der zukünftigen „Rasse“ überhaupt erst zu bewähren: durch vorauseilende Dienstbarkeit, durch die bedingungslose Bereitschaft zum Selbstopfer und zur Opferung der designierten Anti-Subjekte. Das zum Herrschaftsprinzip verallgemeinerte Locken und Drohen, die verallgemeinerte Willkür, hält die Panik der ökonomisch Überflüssigen vor dem doch zugleich herbeigesehnten kollektiven Untergang mit politischen Mitteln in Gang und entfacht eine nunmehr politische Konkurrenz der entindividuierten Subjekte um die Gunst der Macht. Weil es also allein auf tatkräftig unter Beweis gestellte Loyalität und nicht auf irgendwelche Abstammung ankommt, sind auch alle eingeladen, sich zu bewähren, nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Maßstab. „Unser Platz ist an der Seite des kommenden Russlands, an der Seite der Türkei, in den Reihen der Rifkabylen und der Drusen, bei den Ägyptern und bei den Arabern“, schrieb bereits 1925 Gregor Strasser, der Exponent des nationalrevolutionären Flügels der NSDAP im „Völkischen Beobachter“ (28). Und die Kollaboration mit den Nazis in ganz Europa, insbesondere im Osten, die islamischen Hilfstruppen an der Ostfront, die bosnischen SS-Freiwilligenbrigaden, die Kooperation mit dem Mufti etc. lassen die von den Nazis betriebene Transformation der bürgerlichen Subjekte zur Rasse als vorweggenommenes multikulturelles Unternehmen in großem Maßstab erscheinen. Was den Nazis die Rasse war, ist den Anti-Rassisten heute die „Multitude“, das Racket multikultureller USA- und Judenhasser, dem aber zum Glück noch der Souverän fehlt.

Für eine kritische Theorie der Gesellschaft heißt dies schlussendlich: der Begriff der Rasse ist also weder zu „widerlegen“ noch gar aus dem Sprachgebrauch zu verbannen – die Widerlegung hat der Rassismus im 19. Jahrhundert selber schon besorgt und alle Versuche, ihn naturwissenschaftlich zu widerlegen, führen in die Irre – sondern er ist materialistisch zu dechiffrieren. Das Praktische dabei: diese Arbeit können wir uns schenken, das haben nämlich bereits Horkheimer und Adorno in der „Dialektik der Aufklärung“ besorgt. Dort heißt es nämlich in der ersten These über den Antisemitismus: „Rasse ist nicht, wie die Völkischen es wollen, unmittelbar das Naturhaft-Besondere. Vielmehr ist sie die Reduktion aufs Naturhafte, auf bloße Gewalt, die im Bestehenden gerade das Allgemeine ist. Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. Die Harmonie der Gesellschaft, zu der die liberalen Juden sich bekannten, mussten sie zuletzt als die der Volksgemeinschaft an sich selbst erfahren.“ (29) Anders als auf den Begriff Rassismus, der allenfalls von historischem Interesse ist (30), kann also auf den Begriff der Rasse nicht verzichtet werden, denn er erinnert daran: Deutsche, die dem Führer bis zuletzt die Stange gehalten haben; Berufspalästinenser, bereits ihre damaligen Verbündeten, die zwischen sich als Individuum und dem Kollektiv, das sie selbst reklamieren und das sie ihrerseits verpflichtet, nicht mehr unterscheiden mögen und dies durch Verhalten, Mimik, Tonfall, Sprache und ihre schließliche Selbstentleibung als suicide bomber beglaubigen; von Zivilisationsmüdigkeit und Selbsthass umgetriebene Berufseuropäer, die selbstgerecht und dünkelhaft auf einer Kultur beharren, zu der die meisten von ihnen keinerlei lebendige Beziehung mehr unterhalten, weshalb sie wahllos alles vergötzen, was sich als Kultur anpreist und was in den meisten Fällen bereits der simpelsten Vorstellung von Kultur Hohn spricht und etwa suicide bombers als bemitleidenswerte Opfer von „kultureller Entwurzelung“ entschuldigen; und nicht zuletzt erklärte „no global“-Anti-Rassisten, deren Sprecher, wenn sie „ich“ sagen, von sich selbst nur in Form totaler Identität als Vertreter eines in jedem Fall schwer bedrohten Allgemeinen, d.h. einer Kultur, einer Religion, eines Ideals sprechen und auch ansonsten keine Individuen mehr, sondern nur noch kulturell und religiös bestimmte Kollektive kennen, für die sie unterschiedslos „Respekt“ einfordern und die sie als „Multitude“ gegen das Empire der USA und ihre Verbündeten, namentlich Israel, in Stellung bringen wollen (31) – sie alle führen sich auf wie eine minderwertige Rasse und verdienen es, dass man sie als solche bezeichnet, so spinnefeind sie sich untereinander auch sein und so sehr sie sich auch voneinander abgrenzen mögen. Der Begriff der „Rasse“ wird heute nur deshalb so einhellig verteufelt, weil er als einziger noch daran erinnert, wie auch das nachbürgerliche Individuum – zwar mit anderen Inhalten und in vielfältiger Gestalt, aber der grundlegenden Form nach – wie eh und je sich freiwillig seiner Individualität entäußert und sie an ein Kollektiv abtritt. Dieses freiwillige Selbstopfer, das aufscheint in der allerorts zu beobachtenden Neigung der Individuen, ihr Selbstbewusstsein gerade aus empfundenem Leiden abzuleiten und empfundene Benachteiligung und Diskriminierung als Identitätsmerkmal zu reklamieren (32), bleibt dem bürgerlichen Individuum als solchem notwendig und unrettbar eingeschrieben; wahrer Individualismus wäre demgegenüber ein Zukunftsprojekt.

 

„Was Artie betrifft, er macht mit, weil…“

„… er sich einen persönlichen Gewinn davon verspricht“, rief Artie Wu aus der Küche. „Unterstell mir bloß keine hehren Motive.“

Ross Thomas, Umweg zur Hölle

 

II. Für einen, der Zeit  seines Lebens nicht nur für solch einen unumschränkten Individualismus eintrat, sondern auch versuchte, als Individualist zu leben, war deshalb alle Opfersehnsucht schlicht ein Gräuel: „Zu bedenken ist noch, dass der Individualismus nicht mit irgendwelchem kranken Geschwätz über Pflichten an den Menschen herantritt, womit nichts anderes gemeint ist, als das zu tun, was andere wollen, bloß weil sie es wollen; noch wird er uns mit irgendwelchem abscheulichen Gerede über Selbstaufopferung kommen, was nur ein Rest des barbarischen Brauchs der Selbstverstümmelung ist. Tatsächlich tritt der Individualismus ohne jede Forderung an den Menschen heran.“ (33) Und über die notorische Leidensbereitschaft der Menschen schreibt er gleichermaßen verwundert wie mit klarem Blick für ihre fatale polit-ökonomische Bedingtheit: „(Es) geht von der schrecklichen Wahrheit, dass der Mensch sich durch Leiden verwirklichen kann, eine wundersame Faszination auf die Welt aus. Sonntagsredner und Kleingeister wettern oft genug von Kanzeln und Tribünen herab über die Genusssucht der Welt und lamentieren dagegen. Aber wie selten ist es in der Weltgeschichte vorgekommen, dass man Freude und Schönheit zum Ideal wählte. Weit öfter hat die Anbetung des Leidens vorgeherrscht […] Das Leiden ist nicht die letzte Stufe der Vollendung. Es ist nur ein vorläufiger Protest. Es hängt unmittelbar zusammen mit schlechten, ungesunden und ungerechten Lebensverhältnissen.“ (34)

Der sich gegen derartige Zumutungen, die das Leben unterm Kapitalverhältnis so unerträglich machen, mit den Waffen eines Dandys und Gentlemans wehrte, ist der Schriftsteller Oscar Wilde, dessen 1891 publizierter und 1904 auf Deutsch in einer Übersetzung von Gustav Landauer erschienener Essay „The soul of man under socialism“ bereits Karl Kraus als „das Tiefste, Adeligste und Schönste, das der vom Philistersinn gemordete Genius geschaffen, mit ihrer unerhörten Fülle der Leben und Kunst umspannenden Betrachtung als das Evangelium modernen Denkens“ (35) erschien. Obwohl Wildes Essay durchaus Züge eines Manifests trägt, ist es doch kein solches, sondern eine Philosophie im besten Sinne: eine Lehre von den Bedingungen des Glücks, von kritischem Geist durchherrscht und mit Charme, Witz und Eloquenz vorgetragen. Es mutet zunächst merkwürdig an, dass Wildes Aufsatz außer ein paar Bemerkungen hier und da so gar keine Rezeption erfahren hat und dort, wo er wahrgenommen wird, auch heute noch bestenfalls Verlegenheit hervorruft (36): weder den Bürgerlichen noch den Sozialisten bzw. Kommunisten mochte es einleuchten, dass ausgerechnet der Meister der Selbststilisierung und Décadent Wilde zum Sozialismus etwas von Belang zu erzählen habe. Man mag soviel Ignoranz (37) bedauern – uns versetzt sie jedenfalls in die komfortable Situation, sich direkt und ohne Umschweife mit Wildes Essay beschäftigen zu können, ohne dabei den unappetitlichen Schutthaufen abtragen zu müssen, der sich üblicherweise um ein Werk aufgetürmt hat und den man dann euphemistisch Rezeptionsgeschichte nennt. Erklärte Absicht ist es, mit diesem Text Oscar Wildes Schaffen, nicht nur dem genannten Aufsatz, um den es im folgenden hauptsächlich gehen wird, unter materialistischen Kritikern endlich die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ihm längst gebührt: keine Ideologiekritik, die diesen Namen auch wirklich verdient, die sich nicht Karl Marx, Theodor W. Adorno und Oscar Wilde zueignet.

Wobei es auf den zweiten Blick so merkwürdig gar nicht ist, dass die sozialistische Bewegung Wilde entweder belächelte oder gegen ihn, wie die abscheulichen Stichworte lauten, den Vorwurf des Ästhetizismus, der Dekadenz, des Zynismus erhob, ihm unterstellte, er wolle im Grunde nur die eigene Lebensform als Dandy, Bohemien und Künstler auf die ganze Gesellschaft übertragen – was selbst dann, wenn es wahr wäre, keinen Vorwurf begründen könnte. Die Rancune, die aus dieser Abqualifizierung spricht, hat freilich einen objektiven Anhaltspunkt: denn gerade der Schriftsteller, Ästhet und Dandy Oscar Wilde war den Sozialisten aller Couleurs nicht nur augenscheinlich an Stil, Geschmack und Empfindungsfähigkeit voraus, sondern er blamiert sie in seinem Essay bis auf die Knochen, indem er eine Kritik am Privateigentum formuliert, die einerseits auf den Ökonomiekritiker Marx zurückweist und seine wesentlichen Impulse aufgreift (und das, ohne dass Wilde ihn rezipiert hätte) und andererseits in einer bis dahin nie dagewesenen Radikalität, vergleichbar sonst nur mit der Kritik von Karl Kraus, die an Kunst zu schulende ästhetische Erfahrung als den zentralen Nerv einer jeden Gesellschaftskritik ausweist und darin – man bedenke das Entstehungsjahr 1890! – weit auf die Kritische Theorie von Horkheimer, Adorno, Marcuse, Löwenthal vorausweist. Und damit nicht genug, vermag Wilde es auch, nicht nur die sozialistische Bewegung, mit der er doch irgendwie auch sympathisierte, sondern alle idealistisch gesonnenen Sozialreformer und Menschheitsbeglücker, ob bürgerlich oder sozialistisch, als Teil jenes Übels dastehen zu lassen, zu dessen Bekämpfung sie angetreten sind.

Während fast alle Welt, die Sozialisten und Kommunisten, die Gutmenschen, die Bürger, wenn sie schlecht aufgelegt sind, weil eine Krise sie erwischt hat, der Papst und heute allen voran die Islamisten den Kapitalismus dafür anklagen, dass er Solidarität, Gemeinsinn, Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit systematisch zerstöre und dafür eine Herrschaft schranken- und mitleidslosen Egoismus’, scham- und zügelloser Individualität, kalter und unbarmherziger Raffgier errichte, beginnt Wilde seinen Essay über den Sozialismus folgendermaßen: „Der größte Vorteil, den die Einführung des Sozialismus mit sich brächte, wäre zweifellos die Tatsache, dass der Sozialismus uns vom unwürdigen Zwang, für andere zu leben, befreien würde, ein Zwang, der unter den gegenwärtigen Bedingungen auf fast allen so schwer lastet. Es gibt in der Tat kaum jemanden, der sich ihm entziehen könnte […] Die Menschen ruinieren ihr Leben durch einen ungesunden und übertriebenen Altruismus – sie werden geradezu dazu gezwungen, es auf diese Art zu ruinieren. Sie sehen sich umgeben von schrecklicher Armut, schrecklicher Hässlichkeit, schrecklichem Hunger. All dies macht sie unweigerlich betroffen. Die Gefühle des Menschen regen sich weitaus rascher als sein Verstand […] Deshalb macht man sich mit bewundernswerten, wenngleich fehlgeleiteten Absichten sehr ehrgeizig und sehr naiv daran, die Missstände ringsum zu beseitigen. Aber die Heilmittel bekämpfen die Krankheit nicht. Sie verlängern sie nur noch. Im Grunde sind sie sogar selbst ein Teil der Krankheit.“ (38)

Fürst, Papst und Volk

Die Kategorien Individualismus und Altruismus, die Wilde einander konfrontiert und deren Diskussion seinen Essay wie ein roter Faden durchzieht, bezeichnen keine raum- und zeitenthobenen, ab­strakten und konstituierenden Prinzipien, sondern eine gesellschaftliche Konstellation. Vermöge des Begriff des „Altruismus“ gelingt es Wilde, unmittelbar zugleich sowohl die Selbstideologisierung der kapitalistischen Vergesellschaftung in Gestalt abstrakt-idealistischer Prinzipien zu treffen als auch den Versuch, diesen Idealismus sich zum Zweck der Sozialreform als Gesinnung praktisch zuzueignen und zu verwirklichen. Es ist eine grundlegende Existenzbedingung der kapitalistischen Vergesellschaftung, dass ihre Exponenten gleichwelcher Klassenzugehörigkeit den zutiefst profanen und prosaischen Charakter dieser Vergesellschaftung mystifizieren und idealisieren müssen. Der banale Vorgang der Verwertung von Kapital muss, um reibungslos funktionieren zu können, als sein Gegenteil, als höheres kulturelles Ideal, als selbstloser Dienst am Menschen erscheinen. – Wobei diese Idealisierung ursprünglich keine vom Subjekt willkürlich erfundene und zur Realität „hinzutretende“ Bestimmung darstellt, sondern eine Idealisierung, die der kapitalistischen Realität selbst objektiv entspringt und sich dem Subjekt als „objektive Gedankenform“ spontan aufprägt: sie selbst erscheint auf ihrer Oberfläche als harmonisch gefügte, in sich stabile Gemeinschaft freier und gleicher Tauschsubjekte, als ein „Eden“ der angeblich angeborenen und vom Staatsverband bloß garantierten „Menschenrechte“ (39), ein Schein, in der der unhintergehbare, in Krisen sich entladende Zwangs- und Herrschaftscharakter dieser Vergesellschaftung den Individuen nicht unmittelbar evident wird. (40) (41)

Der historische Sozialismus in all seinen verschiedenen Richtungen, ob sozialistisch, sozialdemokratisch oder parteikommunistisch, war, systematisch und historisch betrachtet, nichts weiter als der untaugliche Versuch, den notwendig verkehrten ideellen Ausdruck der bürgerlichen Gesellschaft wiederum „verwirklichen“ zu wollen – was bereits Marx als die „Albernheit der Sozialisten“ bezeichnete, „(namentlich der französischen, die den Sozialismus als Realisation der von der französischen Revolution ausgesprochenen Ideen der bürgerlichen Revolution nachweisen wollen), die demonstrieren, dass der Austausch, der Tauschwert etc. ursprünglich (in der Zeit) oder ihrem Begriff nach (in ihrer adäquaten Form) ein System der Freiheit und Gleichheit aller sind, aber verfälscht worden sind durch das Geld, Kapital etc.“ (42) Eben darin war der historische Sozialismus in seiner erdrückenden Mehrheit de facto nie ein veritabler Antagonist der Bürgerwelt, sondern der von ihr ungeliebte Erbe ihres linken Flügels, nämlich der Jakobiner und Enragés mit ihrem notorischen Staats- und Polit-Idealismus. Den Gegensatz von Ökonomie und Politik, in dem die kapitalistische Vergesellschaftung sich notwendig bewegen muss und der im einzelnen Subjekt als Gegensatz von bourgeois und citoyen aufscheint (43), haben sie, wie ihre Vorgänger in der Französischen Revolution, konsequent als antagonistischen Widerspruch missdeutet; und deshalb galt ihnen die „Politik“, die Sphäre des Staates nicht als das, was sie allein sein kann: als ein den ökonomischen Zwangsverhältnissen komplemen­täres, diese verdoppelndes Verhältnis, sondern in Gegenteil als Verkörperung des allgemein-menschlicher Tugenden wie Gemeinsinn, Selbstlosigkeit, Altruismus, Sittlichkeit und Moral – kurz: als ein „an sich“ bereits vorhandenes sozialistisches Ideal, das aber noch einer produktiven Basis bedarf, damit es auch tatsächlich „für sich“ verwirklicht ist; und diese Basis ist der sozialistische Volksstaat, in dem die produktive Klasse der Arbeiter endlich, wie es in der schlimmen 3. Strophe der „Internationale“ heißt, die unproduktiven bürgerlichen „Müßiggänger beiseite schiebt“ und die Demokratie, d.h. den „Staat des ganzen Volkes“ verwirklicht.

Dass ein Sozialismus, der sich aus altruistischen Motiven speist und sich auf altruistische Tugenden beruft, den von der bürgerlichen Gesellschaft ausgehenden objektiven „Zwang, für andere zu leben“, in noch schlimmerer, d.h. unmittelbarer Form reproduzieren muss, stand Wilde klar vor Augen, ebenso, dass dies einen veritablen Rückschritt bedeutet: „Aber ich muss gestehen, dass hinter vielen sozialistischen Ansichten, denen ich begegnet bin, Züge von autoritärer Macht, wenn nicht gar von unmittelbarem Zwang hervorscheinen […] Wenn der Sozialismus autoritär auftritt, wenn die Regierungen ihre heutige politische Macht gegen ökonomische Macht eintauschen, kurzum wenn es zur industriellen Tyrannei kommt, dann hätte sich die Lage des Menschen zum Schlechteren gewandelt.“ (44) Und weiter: „Während das gegenwärtige System immerhin einer sehr beträchtlichen Zahl von Leuten ein Leben mit einem gewissen Maß an Freiheit und Entfaltung und Glück ermöglicht, würde in einem industriellen Kasernensystem oder einer ökonomischen Tyrannei niemand in den Genuss solcher Freiheiten gelangen. Es ist zu bedauern, dass ein Teil unserer Gesellschaft praktisch ein Sklavendasein fristet, aber das Problem dadurch lösen zu wollen, dass man die ganze Gemeinschaft versklavt, wäre kindisch.“ (45) Das von Linken auch heute noch gerne proklamierte „Recht auf Arbeit“ durchschaute Wilde als allgemeinen Arbeitszwang im Staatsauftrag, und darüber ließ er mit sich erst gar nicht reden: „Autorität und Zwang stehen natürlich ganz außer Frage […] Jeder Mensch muss seine Arbeit frei wählen können. Ihm darf keinerlei Zwang auferlegt werden. Geschieht dies doch, ist seine Arbeit weder für ihn noch an sich, noch für die anderen von Nutzen. Und es sei hinzugefügt, dass ich unter Arbeit jedwede Art von Tätigkeit verstehe.“ (46) Dass der Sozialismus bis heute beansprucht, die „wahre Demokratie“ zu verwirklichen, macht die Sache gerade nicht besser, sondern noch schlimmer; Horkheimers und Adornos demokratiekritische Einsicht in die „Einheit von Kollektivität und Herrschaft“: „Was allen durch die Wenigen geschieht, vollzieht sich stets als Überwältigung Einzelner durch Viele: stets trägt die Unterdrückung der Gesellschaft zugleich die Züge der Unterdrückung durch ein Kollektiv“ (47), war bereits für Wilde selbstverständlich: „Sämtliche Regierungsformen sind als unzulänglich zu erachten. […] Einst wurden große Hoffnungen in die Demokratie gesetzt; aber die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk.“ (48) bzw.: „Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk.“ (49) „Wer das Volk führen will, ist gezwungen, sich dem Pöbel zu folgen“ (50), wusste Wilde nur zu genau, während die Sozialisten aller Couleurs es bewusstlos praktizierten, wenn sie die zur „antikapitalistischen Sehnsucht“ geadelte anti­semitische Mordlust des Pöbels bedienten.

Mitgefühl und Wissen

Als rückschrittlich zu kritisieren sind aber nicht nur die autoritär-kollektivistischen sozialistischen Regimes, die Wilde noch nicht kannte, aber vorausahnte, sondern bereits die in der Gegenwart agierenden Bewegungen und die in ihnen zum Ausdruck kommende Haltung, da sie schon für sich genommen den ohnehin existierenden Zumutungen des gegenwärtigen kapitalistischen Alltags noch eine weitere Plage hinzufügen: den Sozialcharakter des „wohlmeinenden und aufdringlichen Weltverbesserers“ oder auch des „gemeingefährlichen Philanthropen“ (51): „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ (52) Sie werden, liebe Leser, sicherlich schon die Erfahrung solcher Nervensägen gemacht haben oder eine davon in ihrem Bekanntenkreis wissen; und auch wenn dieser Sozialcharakter des Gutmenschen offenbar eine fast zeitlose Erscheinung darstellt und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen ist, ist die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer identifizieren. Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können.“ (53) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen.“ (54)

Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.

Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (55) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (56) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (57)

Die Reichen sind besser

Agitatoren hält Wilde, im Gegensatz zu Weltverbesserern, für „absolut notwendig“, handelt es sich doch bei ihnen um Individualisten, „notorische Querulanten, die in eine vollkommen zufriedene soziale Schicht einbrechen und dort die Saat der Unzufriedenheit säen.“ (58) Und Individualismus wiederum stützt sich nicht auf Altruismus und Moral, sondern auf Kritik, auf die Fähigkeit, Vorgefundenes und Versteinertes aufzulösen und in Bewegung zu bringen: „Die Kritik, die keinen Standpunkt als endgültig anerkennt und sich weigert, dem seichten Schibboleth irgendeiner Sekte oder Schule blind zu folgen, bringt jenen heiteren philosophischen Geist hervor, der die Wahrheit um ihrer selbst willen liebt und sie nicht weniger liebt, weil er um ihre Unerreichbarkeit weiß.“ (59) Aber Kritik ist nicht nur ein heiter destruktives Tun, sondern auch ein heiter schöpferisches und darin notwendiger Bestandteil des eigentlich künstlerischen Tuns oder gar dessen Voraussetzung: „Denn nur der kritische Geist erfindet neue Formen […] Dem kritischen Geist verdanken wir jede neu sich entwickelnde Schule, jedes Gestaltungsprinzip, dessen sich die Kunst bereitwillig bedient hat.“ (60) Und indem die Kritik, der „keine Denkweise fremd, keine Gefühlsregung dunkel erscheint“ (61), in schroffem Gegensatz zur Herderschen Lehre vom Volksgeist „auf der Einheit des menschlichen Geistes in allen seinen unterschiedlichen Form insistiert“, könnte sie nach Wilde jenen Kosmopolitismus befördern, den die Anhänger des Freihandels vergeblich herbeizuführen suchen und den die Friedensfreunde erst recht untergraben – und die Art, wie Wilde diese beschreibt, mag als Beleg dafür dienen, dass exakte kritische Phantasie es möglich macht, bereits 1891 die friedensseligen, anti-rassistischen no-globals und mit ihnen die gesamte der Völkerverständigung verpflichtete Europa-Ideologie von heute aufs Korn zu nehmen: „Heutzutage treten andere Gruppierungen auf, die sich auf das Gefühl des Mitleids oder auf die seichten Grundsätze eines abstrakten, unreflektierten Systems berufen. Sie haben ihre Friedensgesellschaften, die den Gefühlsmenschen so sehr am Herzen liegen, und ihre Vorschläge zur Einrichtung eines unbewaffneten internationalen Gerichtshofs werden von denen freudig begrüßt, die nie in der Geschichte gelesen haben […] ein internationales Schiedsgericht, dem zum Wohle der Menschheit die Macht genommen ist, seine Entscheidungen auch durchzusetzen, wird wenig ausrichten können. Nur eines ist noch schlimmer als Ungerechtigkeit, nämlich Gerechtigkeit ohne das Schwert in der Hand. Wo Recht nicht auch Macht bedeutet, verkehrt es sich in ein Übel.“ (62)

Der historische Sozialismus war in seiner Affirmation der allgemein-menschlichen staatsbürgerlichen „Tugenden“ und, dazu komplementär, der produktiven Arbeit idealistisch, nicht kritisch. Und in seiner moralisierenden Behandlung des kapitalistisch konstituierten Klassengegensatzes kommt dies deutlich zum Ausdruck: einer­seits in der Affirmation der Arbeiterklasse als des zur tugendhaften demokratischen Herrschaft berufenen Kollektivs und andererseits in der moralischen Verurteilung des bürgerlichen Individualismus und all seiner Erscheinungsformen: Egoismus, Liberalität, Müßiggang, Kontemplation, Ästhetizismus und Dekadenz. Wildes Betrachtung des kapitalistischen Klassenverhältnisses hingegen ist nicht nur frei von jeder Anklage, von moralischem Gezeter und identifikationsheischender Parteinahme: die Zurückweisung der „seichten, gefühlsseligen Tugenden“ (63) ist die erklärte Grundlage aller Betrachtung. In einer Passage des Sozialismus-Essays, in der er eine anarchistische Interpretation des Christentums unternimmt, heißt es: „Man beachte, dass Jesus nie sagt, die Armen seien zwangsläufig gut oder die Reichen zwangsläufig schlecht. Das wäre auch durchaus falsch.“ (64) Denn: „Die Reichen, sind, als Klasse gesehen, besser als die Armen, sie sind moralischer, gebildeter und gesitteter.“ (65) Und das ist keine Frage des Charakters, sondern eine der ökonomischen Bedingungen: „Durch die Existenz des Privateigentums sind heute viele Menschen imstande, sich einen gewissen, wenn auch sehr beschränkten Grad an Individualität zu bewahren. Entweder unterliegen sie nicht dem Zwang, für ihren Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, oder sie können einer Tätigkeit nachgehen, die ihrem Wesen entspricht und ihnen Freude macht. Das sind die Dichter, die Philosophen, die Gelehrten und die Kultivierten – mit einem Wort, die wahren Menschen, die Menschen, die sich selbst verwirklicht haben und in denen die ganze Menschheit ihre teilweise Verwirklichung erfährt.“ (66) Auch unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen hat die Entwicklung von Individualität zwar Privilegiencharakter – aber da Klassenzugehörigkeit „an sich“ kein vorgegebenes Schicksal mehr und die Entwicklung von Individualität „an sich“ für alle erreichbar ist, hat dieselbe eine gesellschaftliche Qualität, die über ihren partikularen Charakter hinausweist und ein Versprechen beinhaltet.

Aber an der bürgerlichen Individualität ist nicht nur zu kritisieren, dass sie de facto nicht allen zugute kommt, sondern sie selbst als Form, d.h. ihr eigener objektiver Zwangscharakter. Heißt es bei Marx: „Die bürgerliche Klasse und die Klasse des Proletariats stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihr eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz, die zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz“ (67), so nimmt Wilde, ohne auf Marx zu rekurrieren, diese Bestimmungen auf: „Der Besitz von Privateigentum ist häufig ausgesprochen demoralisierend, was einer der Gründe ist, warum der Sozialismus ihn abschaffen will. Tatsächlich ist Eigentum eine schwere Bürde […] Eigentum verpflichtet nicht einfach, sondern es bürdet einem gleich so viele Pflichten auf, dass jeder Besitz nichts als Ärger einbringt. Ständig sieht man sich Forderungen ausgesetzt, muss sich laufend um seine Geschäfte kümmern und hat nur Scherereien. Wäre Eigentum nur mit Annehmlichkeiten verbunden, könnten wir damit leben, aber seine Verpflichtungen machen es unerträglich. Im Interesse der Reichen müssen wir es abschaffen.“ (68) Die Verschwendung des Kapitalisten besitzt nie „den boda fide Charakter der Verschwendung des flotten Feudalherrn, in ihrem Hintergrund (lauern) vielmehr stets schmutzigster Geiz und ängstlichste Berechnung“ (69), heißt es bei Marx. Als „Produktion um der Produktion willen“ setzt das Kapital den Privateigner nicht frei zum Genuss des universellen Reichtums, sondern unter den Zwang, sich als Funktionär der Verwertung zu betätigen; und daher ist die bürgerliche Individualität zugleich ihr eigener größter Feind: „Das Privateigentum hat den echten Individualismus zerstört und einen falschen Individualismus entstehen lassen. Es hat (einen Teil) der Gemeinschaft eines individuellen Seins beraubt, indem es ihm […] eine schwere Last aufbürdete […] Die Anstrengungen, ohne die kein Reichtum zu erwerben ist, sind eben­falls überaus demoralisierend […] Der Mensch schuftet sich zu Tode, um seinen Besitz zu vergrößern, was angesichts der ungeheueren Vorteile, die das Eigentum gewährt, auch kaum verwundern kann. Bedauerlich aber ist, dass die Gesellschaft so eingerichtet ist, dass der Mensch in eine Schablone gezwungen wird, in der er seine wunderbaren, faszinierenden und wertvollsten Anlagen nicht frei entfalten kann, ja, in der ihm letztendlich die wahre Freude am Leben verwehrt bleibt. Zudem führt er unter den gegenwärtigen Bedingungen eine höchst unsichere Existenz. Ein steinreicher Kaufmann kann in jedem Augenblick seines Lebens […] der Willkür von Dingen ausgeliefert sein, die sich seiner Kontrolle entziehen. Eine unerwartet heftige Windbö, ein plötzlicher Wetterumschwung oder sonst ein alltägliches Ereignis kann sein Schiff sinken lassen, seine Spekulationen gänzlich zunichte machen, und schon steht er als armer Mann ohne jede gesellschaftliche Stellung da.“ (70)

Der „Willkür von Dingen“, die sich der Kontrolle entziehen, ist die abhängige Klasse in noch anderem Maße ausgeliefert: „Andererseits gibt es ebenso viele Menschen, die kein Privateigentum besitzen, die ständig am Rande des Verhungerns leben und dadurch gezwungen sind, die Arbeit von Lasttieren zu verrichten, Arbeit, die ihnen ganz und gar nicht zusagt und zu der allein die unerbittliche, vernunftwidrige, erniedrigende Tyrannei der Not sie treibt. Das sind die Armen und in deren Leben gibt es keine Zierde des Benehmens, keine anmutige Ausdrucksweise, keine Bildung oder Kultur, keine verfeinerten Genüsse und keine Lebensfreude. Aus ihrer kollektiven Kraft schöpft die Menschheit erheblichen materiellen Reichtum. Aber der Gewinn ist eben nur materieller Art, und der Arme als solcher ist völlig bedeutungslos. Er ist nur das winzige Atom einer Kraft, die ihn nicht nur missachtet, sondern ihn zermalmt, ja, die ihn sogar lieber zermalmt sieht, weil er dann weit gefügiger ist.“ (71) Bei Wilde also keine moralische Erhöhung der arbeitenden Klasse, keine Verherrlichung einer proletarischen Subkultur, wie es dann später Mode wurde, sondern die nüchterne Diagnose, dass demoralisierende Bedingungen demoralisierte Menschen hervorbringen und deswegen abgeschafft gehören: „Es gibt nur eine gesellschaftliche Klasse, die mehr ans Geld denkt als die Reichen, nämlich die Armen. Die Armen können an gar nichts anderes denken. Das ist das ärgste Elend des Armseins.“ (72) Als einzige „Tugend“ der subalternen Klassen vermag Wilde, in ironisierender Umwidmung des Begriffs, deren Aufsässigkeit anzuerkennen: „die besten unter den Armen sind nie dankbar. Sie sind undankbar, unzufrieden, eigensinnig und aufsässig. Und zwar ganz zurecht […] Allein durch Auflehnung wurde Fortschritt möglich, durch Auflehnung und Aufsässigkeit.“ (73) Hingegen: „Was die tugendhaften Armen angeht, so kann man sie selbstverständlich bedauern, aber keinesfalls bewundern. Sie haben mit dem Feind ihren Frieden gemacht und ihr Geburtsrecht für eine dünne Suppe verkauft. Außerdem müssen sie himmelschreiend dumm sein.“ (74) Die Untugend der Anpassung bewirkt, dass die fällige Revolution vorerst ausbleibt und stattdessen auch die Herrschaft sich sozialstaatlich anpasst: „Wird sie mit einer gewissen Nachsicht ausgeübt und wirbt sie mit Belohnungen und Preisen, so ist ihre Wirkung furchtbar demoralisierend. In dem Fall sind die Menschen sich des schrecklichen Drucks, der auf ihnen lastet, weniger bewusst und gehen mit einer Art dumpfen Wohlbehagens durchs Leben […] Die Autorität, die den Menschen zur Anpassung verleitet, bewirkt unter uns eine ausgesprochen krude Form übersättigten Barbarentums.“ (75)

Vor allem aber entbehrt Wildes Gesellschaftskritik jeglichen Kultus’ der Arbeit – selbst der kreativen! – den Wilde wie mit einer verächtlichen Gebärde abfertigt: „Und da wir einmal beim Begriff der Arbeit sind, will ich nicht unterlassen hinzuzufügen, dass heutzutage sehr viel dummes Zeug über die Würde der körperlichen Arbeit gesagt und geschrieben wird. Dabei besitzt körperliche Arbeit nichts, was notwendigerweise Würde verleiht, und ist zumindest absolut entwürdigend. Eine Tätigkeit, die ohne Freude ausgeübt wird, ist für einen Menschen geistig und moralisch erniedrigend, und viele Formen der Arbeit sind ganz und gar freudlose Verrichtungen und sollten als solche gesehen werden […] Der Mensch ist für Besseres geschaffen, als im Dreck zu wühlen. Alle Arbeiten dieser Art sollten von Maschinen verrichtet werden.“ (76) Wilde setzt also ganz auf die Entwicklung der technischen Produktivkräfte, die unter anderen gesellschaftlichen Umständen endlich dazu dienen können, die gesellschaftlich notwendige Arbeit in einen den Menschen nicht mehr fremden, sondern von ihnen kontrollierten sachlichen Prozess zu verwandeln und sie alle für „Kultur und Kontemplation“ freizusetzen: „Und ich zweifle nicht, dass es dereinst so sein wird. Bislang ist der Mensch bis zu einem gewissen Grad immer der Sklave der Maschine gewesen, und es hat geradezu etwas Tragisches, dass mit der Erfindung jeder Maschine, die ihm die Arbeit abnahm, zugleich auch die Not des Menschen wuchs. Der Grund dafür liegt natürlich in unserem System des Eigentums und des privaten Wettbewerbs […] Alle mechanische, eintönige und stumpfsinnige Arbeit, alle Verrichtungen, die mit widerlichen Dingen zu tun haben und unter unerfreulichen Bedingungen stattfinden, muss von Maschinen geleistet werden […] Es ist nun einmal so, dass die Zivilisation nicht ohne Sklaven auskommt. Die Griechen hatten darin ganz recht. Ohne Sklaven, die alle widerwärtige, unerträgliche und monotone Arbeit ausführen, werden Kultur und Kontemplation nahezu unmöglich. Die Versklavung von Menschen ist ungerecht, unsicher und demoralisierend. Vom mechanischen Sklaventum, von der Sklaverei der Maschine, hängt die Zukunft der Welt ab.“ (77)

Kunst und Kult

Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (78) Kunst, die sich freiwillig heteronomen Zwecken dienstbar macht, entkunstet sich selbst und antizipiert darin jene freiwillige Entindividuierung, auf die die modernen totalitären Regimes bauen; solche Kunst regrediert auf das, woraus sie einmal entsprang: auf den stereotypen Kult, der als Kult der Arbeit, des Volks, der Indigenen, kurz: des Kollektivs mit modernen technischen Mitteln inszeniert wird und in der Verherrlichung des individuellen Opfers fürs gerade angesagte Kollektiv seinen widerlichen Gipfelpunkt findet. Die unvermeidlichen Konsequenzen sind einerseits die Regression der ästhetischen Formensprache auf Tickets, Clichés, auf Schwulst und Gesinnungskitsch; und, damit korrespondierend, andererseits die Zerstörung der unabdingbar individuellen ästhetischen Erfahrung und jener Lebenshaltungen, die gleichermaßen die Voraussetzung wie das Resultat von Kunsterfahrung sind: Privatheit, Muße und Kontemplation.

Mit Wilde ist in dieser Angelegenheit nicht zu rechten: für ihn ist „engagierte Kunst“ ein Ausdruck jenes altruistischen „Zwangs, für andere zu leben“ (79) und deshalb steht für ihn außer Frage, „dass wo immer eine Gesellschaft oder ein starker Teil der Gesellschaft oder irgendeine Regierung versucht, dem Künstler Vorschriften zu machen, die Kunst entweder ganz verschwindet oder sich in Stereotypen erschöpft oder zu einer belanglosen, billigen Form des Kunsthandwerks verkommt.“ (80) Und umgekehrt: „Sobald der Künstler auf die Bedürfnisse anderer achtet und ihnen nachzukommen versucht, hört er auf, Künstler zu sein, und wird ein erfolgloser oder gefragter Handwerker, ein anständiger oder gerissener Händler. Er hat keinen Anspruch mehr, als Künstler betrachtet zu werden.“ (81) Alle Autorität, die sich anmaßt, über die Kunst und den Künstler zu befinden – sei es der Staat, die Religion, das „monströse und geistlose Wesen“ (82) der öffentlichen Meinung oder die Presse, ist lächerlich und rund­weg abzulehnen: „Für den Künstler gibt es nur eine geeignete Regierungsform, und zwar keine Regierung.“ (83) Und nicht nur für den Künstler, denn „was in der Kunst wahr ist, ist auch für das Leben wahr.“ (84)

Zweifellos schreibt Wilde hier aus eigener Erfahrung und ist dabei merkbar in seinem Element – zum Glück, denn eine Verleugnung seiner selbst und seiner Art wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Und doch ist sein Schreiben über Kunst keine platte und schale Selbstrechtfertigung, sondern verströmt einfach jene Großzügigkeit, die aller selbstreflexiven Haltung eignet, weil sie das eigene Tun als allgemein-menschliches erkennt und sich nicht in sich verkapseln muss. Die Kunst und die Erfahrung, die sie ermöglicht, gibt dafür das Modell ab. Alle Individualität, um deren Ermöglichung es doch einem Kommunismus, der den Namen verdiente, gehen muss, bildet und schult sich an ästhetischer Erfahrung; die „Phantasie“ oder „Seele“ – wie Wilde im Vorgriff auf die Psychoanalyse schreibt – die der Erfahrende im Spiegel der Kunst mobilisiert, „kann uns helfen, dem Zeitalter zu entkommen, in das wir hineingeboren sind, und in andere Zeitalter hineinzutauchen […] Sie kann uns lehren, aus unserer eigenen Erfahrung auszubrechen und die Erfahrungen anderer zu machen, die größer sind als wir.“ (85) Und möglich ist das, weil Kunst selber ein gestaltetes Produkt der Phantasie ist, die Wilde „als die verdichtete Erfahrung der Menschheit“ (86) bestimmt. Der Gebrauchswert von Kunst besteht also gerade in ihrer Zweckfreiheit, also darin, dass sie von sich aus das instrumentelle Verhältnis des Subjekts zur Dingwelt, das im Begriff des Gebrauchswerts doch notwendig gegeben ist, gerade­zu ins Gegenteil verkehrt – dadurch, dass sie als ein der Dingwelt angehöriges, aber ihr zugleich entsprungenes Artefakt das Subjekt in Anschauung bzw. Anhörung ihrer eigenen Rätselgestalt zur Selbstreflexion und zur Besinnung auf seine eigenen Möglichkeiten provoziert. Das heißt: nicht das Subjekt erkennt Kunst, sondern die Kunst erkennt das Subjekt und ihr ästhetischer Rang bemisst sich daran, je nachdrücklicher es ihr gelingt, als ein solch Sperriges, Nichtidentisches zu fungieren: „Wer sich einem Kunstwerk mit der Absicht nähert, sich des Werks und des Künstlers in irgendeiner Weise zu bemächtigen, nähert sich mit einer Haltung, die es unmöglich macht, dass er überhaupt einen künstlerischen Eindruck empfängt. Das Kunstwerk soll den Betrachter beherrschen: Der Betrachter soll nicht das Kunstwerk beherrschen. Der Betrachter soll empfänglich sein. Er soll die Geige sein, die der Musiker spielt. Und je mehr er seine eigenen absurden Vorstellungen darüber, was die Kunst sein soll oder auch nicht sein soll, unterdrücken kann, desto eher wird es ihm gelingen, das betreffende Kunstwerk zu verstehen.“ (87) Das erfahrende Subjekt „ist lediglich zur Betrachtung eines Kunstwerks eingeladen, um während des Betrachtens, sofern es sich um ein echtes Kunstwerk handelt, alle verblendete Voreingenommenheit zu vergessen – und zwar sowohl die aus Ignoranz als auch aus Wissen geborene Voreingenommenheit.“ (88)

Individualistischer Sozialismus

Es ist schon sehr bemerkenswert, wie unbedingt und absolut Wilde in seiner ästhetischen Theorie, die hier nur umrisshaft dargestellt werden kann, die Sache der Kunst verficht und dabei an keiner Stelle der doch naheliegenden Versuchung der Kunstreligion, wie sie im 19. Jahrhundert en vogue war , oder auch nur dem Begriffszauber durch Ästhetisierung der Philosophie wie dann bei Heidegger und im Poststrukturalismus erliegt. Konsequent hebt er stattdessen an der Kunst ihr individualistisches und kritisches Moment hervor: „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine.“ (89) Als zweckfreies, unpraktisches, nicht auf Handlung und Intentionen gerichtetes Phänomen steht Kunst und das von ihr geforderte individuelle Verhalten polemisch gegen das „Reich der Notwendigkeit“: „Denn das Ziel der Kunst besteht in der Empfindung um der Empfindung willen, während die Empfindung um der Tat willen das Ziel des Lebens und eben auch jener praktischen Organisation des Lebens ist, die wir Gesellschaft nennen.“ (90) Und darin gibt sie einen Vorschein tatsächlicher Freiheit, als Befreiung vom Diktat des Praktikablen und Zweckgerichteten, das durch die Automatisierung der gesellschaftlichen Produktion endlich für alle erreichbar wäre: „Ja, Ernest: das kontemplative Leben, jenes Leben, dessen Ziel nicht im Tun, sondern im Sein liegt, und auch nicht im bloßen Sein, sondern im Werden – das ist es, was uns der kritische Geist geben kann […] Auch wir könnten so leben und uns als Zuschauer den wechselvollen Empfindungen hingeben, die das Treiben der Menschen und der Natur ins uns wecken. Wir könnten uns vergeistigen, indem wir allem Handeln entsagen und unser Wesen durch die Zurückweisung der Tatkraft vervollkommnen. Gelassen, selbstzufrieden und frei von jedem Drang betrachtet der ästhetische Kritiker das Leben […] Ist ein solches Leben amoralisch? Gewiss; alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen […] Ist ein solches Leben unpraktisch? Pah! Es ist gar nicht so leicht, unpraktisch zu sein, wie der kleingeistige Philister sich das vorstellt […] Wir brauchen vor allem unpraktische Leute, die über den Augenblick hinaussehen und über den Tag hinausdenken.“ (91) In diesem umfassenden Begriff von Theorie als einer Lebensform, nicht bloß als mentalem Vorgang, wird beson­ders deutlich, wie Wilde den geistigen Widerschein der ersten Bürgerwelt, die griechische Philosophie, vor dem Hintergrund der entfalteten Bürgerwelt des 19. Jahrhunderts in durchaus materialistischer Absicht wiederaufnimmt und einem der Individualität verpflichteten Sozialismus anverwandelt. Deshalb heißt es auch am Ende des Sozialismus-Essays: der neue Individualismus „wird die Erfüllung dessen sein, wonach die Griechen strebten, was sie aber außer im Geist nicht verwirklichen konnten, weil sie Sklaven hielten und ihnen zu essen gaben […] Der neue Individualismus ist der neue Hellenismus.“ (92)

Dieser neue Individualismus, das kontemplative, der Kunstbetrachtung gewidmete, individualistische Leben, das nach Wilde die Künstlerexistenz ausmacht und das im Sozialismus verallgemeinert werden soll, hat mit Egoismus, anders als der bürgerliche Individualismus, nichts mehr gemein: an diesem sind gerade die scheinbar altruistischen, weltzugewandten Haltungen Ausdruck einer abgeschirmten Selbstbezüglichkeit, während gerade die scheinbar weltabgewandte, in sich ruhende Kontemplation einen neuen und endlich unbefangenen Weltbezug, einen „Geist vorurteilsfreier Neugier“ (93) ausprägt. Wenn Wilde die „Selbstlosigkeit“ als hervorragende Eigenschaft eines anderen Individualismus rühmt, dann meint dies natürlich nicht das Selbstopfer des Einzelnen, sondern: die Befreiung des Individuums vom Zwang, sich als „Eigentümer seiner selbst“ denken und verhalten zu müssen, die Abschaffung der Notwendigkeit, seine Erfahrungen wie Privat-Eigentum zu behüten, die Verunmöglichung der fatalen Neigung, sich als vermeintlich mit sich identisches Wesen in seiner vermeintlichen Substantialität zu verhärten – bzw. positiv: die Möglichkeit, dass das Individuum sich bewusst als gesellschaftliches, weltzugewandtes Wesen, als „Schauplatz“ (Adorno) aller vielfältigen Beziehungen begreifen kann, die es eingehen kann oder auch nicht. Oder, mit anderen Worten: Selbstlosigkeit meint die „Gabe aller Personen, sich ohne Rest mitzuteilen: als leuchtend vollständige Anwesenheit jedes Einzelnen in dem Verhältnis, das er zu jedem Anderen […] knüpft“; dass die Individuen „durch keine Zwischenräume fahler Zweideutigkeit getrennt (werden): der Umriss der einen ist die Grenze der anderen.“ (94) Wenn Wilde also schreibt: „Der Individualismus wird ungekünstelt und selbstlos sein“, dann klärt er zugleich darüber auf, wie die „Tyrannei der Autorität“ den Sinn dieser Worte ins Gegenteil verkehrt hat: „Wahrhaft selbstsüchtig ist, wer sein Leben nicht nach eigenen Vorstellungen lebt, sondern andere fragt, wie er leben soll […] Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“, wohingegen: „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr. (95) Wildes Konzeption eines individualistisch geprägten Sozialismus ist darin so bedeutend und gesellt sie der „Kritischen Theorie“ zu, dass in ihr an die Menschen keine höheren Ansprüche gestellt werden, die sie zu erfüllen, kein positives „Wesen“ aufgerichtet, das sie zu beglaubigen, kein Ideal postuliert, das sie zu verwirklichen hätten: „Unter der Herrschaft des Individualismus werden die Menschen vollkommen selbstlos und natürlich sein, sie werden den Sinn der Wörter richtig verstehen und ihn in einem freien und schönen Leben verwirklichen. Denn Egoismus bedeutet, Ansprüche an andere zu stellen, und das wird dem Individualisten völlig fern liegen. Er wird keine Freude darin sehen. Wenn der Mensch den Individualismus verwirklicht hat, wird er auch Mitgefühl entwickeln und es frei und spontan äußern […] Wenn der Sozialismus das Problem der Armut und die Wissenschaft das Problem der Krankheit gelöst hat, wird der Spielraum für aufgesetzte Rührseligkeit schrumpfen und das Mitgefühl des Menschen wird umfassend, gesund und spontan sein. Der Mensch wird mit Freude das freudige Leben der anderen betrachten.“ (96)

Wildes Denken ist tatsächlich so völlig frei von jeder positiven Wesensmetaphysik und rigider Schulmeisterei, dass er es sich ohne weiteres leisten kann, das Utopieverbot bisweilen zu durchbrechen, ohne peinlich zu werden: „Eine Weltkarte, auf der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient nicht einmal einen flüchtigen Blick, denn ihr fehlt das Land, das die Menschheit seit jeher ansteuert. Kaum hat sie aber dessen Küste erreicht, hält sie Ausschau, erblickt ein noch verlockenderes Land und setzt erneut die Segel. Der Fortschritt besteht in der Verwirklichung von Utopien.“ (97) Aber Wilde ist kein Utopist im schlechten Sinne, weil er genau weiß, dass Glück unabdingbar individuell ist, nichts, was sich unmittelbar gesellschaftlich herstellen ließe. Herstellen lassen sich nur die Bedingungen der Möglichkeit von Glück und freier Entfaltung, und eben dies ist die Aufgabe des Sozialismus: „Der Sozialismus, Kommunismus, wie immer man die Sache nennen will, wird durch die Umwandlung des Privateigentums in Allgemeinvermögen und dadurch, dass die Kooperation an die Stelle der Konkurrenz tritt, der Gesellschaft den ihr angemessenen Zustand eines gesunden Organismus zurückgeben und für das materielle Wohl eines jeden Mitglieds der Gemeinschaft sorgen. Mithin, er wird dem Leben eine ihm gemäße Grundlage und Umgebung verschaffen.“ (98) Was danach kommen mag, darf man ruhig auch dann und wann vorausträumen; und die Worte, die Wilde dafür findet, gehören neben Adornos Bemerkung, der andere Zustand sei einer, in dem man ohne Angst verschieden kann, zu den klarsten und bewegendsten, die je ein Kritiker und Künstler gefunden hat: „Sie wird wie ein Wunder sein – die wahre Persönlichkeit des Menschen – wenn sie sich vor unseren Augen entfaltet […] Sie wird keine Zerrissenheit mehr kennen. Sie wird weder streiten noch diskutieren. Sie wird nichts beweisen wollen. Sie wird alles wissen. Doch sie wird sich nicht kleinlich um Wissen bemühen. Sie wird weise sein. Ihr Wert wird sich an keinem materiellen Maßstab messen lassen. Sie wird nichts ihr eigen nennen. Und doch wird sie alles besitzen, und was immer man ihr nimmt, wird ihren Reichtum nicht schmälern. Sie wird sich nicht vor anderen aufspielen und sie drängen, so zu werden wie sie selbst. Sie wird sie lieben, gerade weil sie verschieden sind. Und auch wenn sie sich niemandem aufdrängt, wird sie allen helfen, so wie etwas Schönes uns allein durch sein Dasein hilft. Die Persönlichkeit des Menschen wird ein unvergleichliches Wunder sein.“ (99)

Den Einwand, ein individualistischer Sozialismus laufe der „menschlichen Natur“ zuwider, quittiert Wilde mit der Bemerkung: „Das ist völlig richtig […] Gerade deshalb ist er es wert, verwirklicht zu werden […] Von der menschlichen Natur lässt sich nur eins zweifelsfrei sagen, und zwar, dass sie sich unablässig verändert.“ (100) Allen Identitätsaposteln, die nicht vorwärts zur Natur, sondern zu ihr zurück wollen, hat Wilde einen Satz ins Stammbuch geschrieben, der den absoluten Gegenpol zu aller dem bürgerlichen Individuum eingeschriebenen Naturalisierung markiert, der alles im Grunde austauschbare Gerede pro und contra Rasse einfach ignoriert, d.h. den Standpunkt des Kollektivs als solchen negiert und der insofern als der einzige wahre anti-rassistische Satz gelten darf: „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“ (101)

Clemens Nachtmann (Bahamas 58 / 2009)

 

 

Anmerkungen:

1) Die Inflation des Rassismus, in: Konkret 8/93; abgedruckt sind dort auch die unvergesslich dummen Einlassungen von Ingrid Strobl („Das ist Eugenik!“) und Bettina Hoeltje („Scheißdreck“), die in Konkret 11/93 gleich noch einmal Gelegenheit bekam, derartiges abzudrucken.

2) Manfred Dahlmann: Fetisch Politik, in: Konkret 9/93 und: Clemens Nachtmann: Teil des Übels, in: Konkret 10/93

3) Nachzulesen in der zum Glück vergessenen Bahamas Nr.11 und einigen Folgenummern

4) Vgl. dazu den von Justus Wertmüller und mir verfassten und 1990 auf der „Nie wieder Deutschland -Konferenz“ in Hamburg gehaltenen Vortrag „Zwischen Gesundbeterei und Moralismus – Zur Kritik des hilflosen Antinationalismus“, in: Radikale Linke-Rundbrief, Nr. 3, August/Sept. 1991

5) Siggi Frieß – eine für viele – auf der „Nie wieder Deutschland“-Demonstration 1990, in: „Deutschland? Nie wieder, Frankfurt a.M. 1990, S. 261

6) Dazu: Clemens Nachtmann: Drittes Reich, Dritte Welt, Dritter Weg, in: Bahamas Nr. 43, S. 53ff.

7) Christoph Columbus, Tagebücher, zit. nach: Pascal Bruckner: Das Schluchzen des weißen Mannes, Westberlin 1984, S.13f.

8) Dazu die drei lesenswerten „ethnoliterarischen Lesebücher“ von Gerd Stein (Hsg.): Die edlen Wilden, Exoten durchschauen Europa und: Europamüdigkeit und Verwilderungswünsche, alle: Frankfurt a.M. 1984

9) Bruckner: Das Schluchzen…, a.a.O., S.14f.

10) Johann Gottfried Herder: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, zit. nach: Alain Finkielkraut: Die Niederlage des Denkens, Reinbek 1989, S. 29. Finkielkrauts Abhandlung darf als eine der bedeutendsten Polemiken gegen den allseits grassierenden, anti-rassistisch legitimierten Kulturwahn gelten.

11) Der Inflation des Rassismus als der Vervielfältigung von Unterdrückungsverhältnissen entspricht die Inflation der stets als „bedroht“ halluzinierten Kulturen: Eckhard Henscheid hatte in seinem verdienstvollen Büchlein aus dem Jahr 2001 bereits, so der Titel, „Alle 756 Kulturen“ verzeichnet, unzählige andere dürften heute hinzugekommen sein.

12) Finkielkraut: Die Niederlage…, a.a.O., S. 57ff.

13) Neben anderen Kritikpunkten war der Glaube an eine stichhaltige Widerlegung des Rassismus übrigens der zentrale Irrtum Türckes, wie aus seiner Erwiderung auf seine Kritiker hervorgeht: „Warum und seit wann es Menschen mit ganz dunkler und ganz heller Haut gibt, vermag niemand genau zu sagen. Nichts aber wäre wünschenswerter als das zu wissen, um denen, die aus ,hell‘ Höher-, aus ,dunkel‘ Minderwertigkeit folgern, das Handwerk mit einem Beweis zu legen, der so klar ist wie der von der Winkelsumme des Dreiecks“ (Der Unschärfeskandal, in: Konkret 2/94).

14) Vgl. dazu Jan-Philipp Reemtsmas weitblickenden Aufsatz „Die Falle des Anti-Rassismus“ in Konkret 11/90

15) ebenda

16) Einschlägig zum Thema Rassismus und in der Fülle des ausgebreiteten Materials nach wie vor unübertroffen: George L. Mosse: Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt a.M. 1990

17) Türcke schlug vor, den Begriff des Rassismus durch den in der Tat viel präziseren der Fremdenfeindlichkeit zu ersetzen und genau dafür sei auch hier plädiert.

18) Die Ideologisierung des Menschenrechts als angeborenes bzw. Naturrecht, d.h. die Transformation der Abstraktion in Natur ist übrigens der Ansatzpunkt für die dem bürgerlichen Individuum inhärente Naturalisierung seiner selbst, also auch für den Rassismus.

19) Das heißt natürlich nicht, dass es in rassistisch legitimierten Herrschaftssystemen gar keinen Massenmord und keine Vernichtung gibt: die Niederschlagung des Herero-Aufstands durch die deutschen Kolonialbehörden demonstriert dies schlagend; nur liegt Vernichtung nicht in der immanenten Logik des Rassismus beschlossen – was wiederum all jene Anti-Rassisten vergessen machen wollen, die die Vernichtung der europäischen Juden nivellieren, um die Juden ihres tatsächlich singulären Opferstatus zu berauben und ihn dafür den vom Rassismus Betroffenen zuzuerkennen: ein klarer Fall von „Opfersehnsucht und Judenneid“ (Eike Geisel), dessen Mechanismus ausführlicher beschrieben wird in: Nachtmann: Drittes Reich…, a.a.O, S. 57ff. .

20) Wolfgang Pohrt: Rassismus als Identitätsersatz, in: ders., Ein Hauch von Nerz, Westberlin 1989

21) S. Anmerkung 8. Gutes empirisches Anschauungsmaterial liefert nicht nur in Deutschland dafür immer der Karneval und alle verwandten „Events“ wie etwa der Hamburger Schlagermove, wo die Deppen aller Länder in kollektiver Regression sich vereinigen.

22) Dazu immer noch unübertroffen prägnant: „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ (Karl Marx: 6. These über Feuerbach, in: MEW Band 3, Berlin/DDR 1973, S. 6 oder: „Der Mensch ist im wörtlichsten Sinne ein zoon politikon, nicht nur ein geselliges Tier, sondern ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann (Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin/DDR 1953, S. 6).

23) „Das Subjekt verhält sich zum Individuum wie der Tauschwert zum Gebrauchswert“ (Joachim Bruhn: Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation, Freiburg 1992, S.146); aber diese Differenz im menschlichen Einzelwesen ist nicht unmittelbar die zwischen Gesellschaft und Natur, sondern selber eine gesellschaftliche, im Kapitalverhältnis entsprungene; und keine Seite darin repräsentiert unmittelbar ein „Positives“: das „Eigentum an sich selbst“ etwa, das zur Kritik steht, steht auch polemisch gegen die Leibeigenschaft und eine Überwindung des bürgerlichen Subjekts hat diese Errungenschaft im positiven Sinne aufzuheben.

24) Dazu: Nachtmann; Drittes Reich…, a.a.O., S.58

25) Türcke: Der Unschärfeskandal, in: Konkret 2/94.

26) Mosse: Rassismus…, a.a.O., S.158ff.

27) Zit. nach Pohrt: Rassismus… (vgl. Anmerkung 20)

28) Zit. nach Pohrt: Rassismus… (vgl. Anmerkung 20)

29) Max Horkheimer, Theodor W.Adorno: Dialektik der Aufklärung, in: Adorno, Gesammelte Schriften Band 3, Frankfurt a.M. 1997, S.193 (Hvh. C.N.)

30) Und selbst das ist zweifelhaft: vgl. dazu Reemtsma: Die Falle des Anti-Rassismus, in: Konkret 11/90

31) Es ficht die neuen alten Anti-Imps auch nicht an, dass einige der von ihnen hofierten Regimes tatsächlich einem ganz ordinären, plumpen Rassismus huldigen: so etwa die Vertreter eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ Humala, Chávez und Morales. Dazu: Mario Vargas Llosa in: Welt-online, 20.01.2006.

32) Zu diesem Credo „Ich leide, also bin ich“ vgl. Nachtmann: „Drittes Reich…“, a.a.O, bes. S. 59f.

33) Oscar Wilde: Die Seele des Menschen unterm Sozialismus, in: ders., Werke in 5 Bänden, Zürich 1999, Band 4, S. 281

34) ebenda, S. 285ff.

35) Karl Kraus: Fackel Nr.167, 26.10.1904

36) Vgl. dazu: http://mises.org/story/2748#_ftnref7 bzw. bookrags.com

37) Eine rühmliche Ausnahme: der kenntnisreiche und wohlformulierte Aufsatz von Richard Schuberth „Oscar Wilde und der Sozialismus“ in: Konkret 2/2001, der auch Bemerkungen zur nicht stattgefundenen Rezeption enthält.

38) Oscar Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 235f.

39) Marx: Das Kapital Band 1, MEW 23, Berlin/DDR 1962, S.189

40) vgl. dazu Anmerkung 18

41) Die objektive Selbstverleugnung des Kapitals eskaliert in Deutschland, das Anfang des 19. Jahrhunderts sich aufmacht, seine ökonomische und politische Rückständigkeit gegenüber anderen Nationen in einen strategischen Vorteil umzumünzen und einen „dritten Weg“ zu beschreiten, eben deshalb zum offenen Wahn. Dazu: Clemens Nachtmann: Krisenbewältigung ohne Ende, in: Stephan Grigat (Hrsg.): Transformation des Postnazismus, Freiburg 2003, S. 39ff.

42) Marx: Grundrisse…, a.a.O., S.160, Hervorhebung im Original gesperrt

43) Zur Konstitution dieses Gegensatzes vgl.: Karl Marx: Zur Judenfrage, in: MEW Band 1, Berlin/DDR 1988, S. 347ff. sowie: Joachim Bruhn, Was deutsch ist, a.a.O.

44) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 243 und 238

45) ebenda, 242

46) ebenda, S. 243 und 242

47) Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, a.a.O., S. 38

48) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 253.

49) ebenda, S. 278.

50) Wilde: Der Kritiker als Künstler, in: ders., Werke Band 4, a.a.O., S.162

51) ebenda, S.165

52) ebenda, S.162f.

53) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 283f.

54 ebenda, S.239f.

55) Wilde: Der Kritiker, a.a.O., S.161

56) ebenda, S.162

57) ebenda, S.118ff.

58) Wilde: Die Seele…, S. 241

59) Wilde: Der Kritiker…, a.a.O., S.192; Wildes Begriff von Kritik ist, wie unschwer zu erkennen ist, der von Hegel, den Wilde tatsächlich rezipiert hat. In Oxford, wo Wilde unter anderem studierte, etablierte sich von 1865 bis 1900 eine neo-hegelianische, gegen den in England  traditionell dominierenden Empirismus gerichtete Schule. Dazu: Oscar Wilde, The soul of man under socialism, London 2001, introduction by Linda Dowling, p.xxi f.

60) ebenda, S.113

61) ebenda, S.158

62) ebenda, S.190f.

63) ebenda, S.162

64) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 249

65) ebenda, S. 249

66) ebenda, S. 238

67) Karl Marx: Die heilige Familie, Berlin/DDR 1972, S. 37; diese Bestimmung nimmt Marx in seinen ökonomiekritischen Schriften wieder auf; vgl. dazu: Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, Frankfurt a.M. 1968, S.18

68) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 239

69) Karl Marx: Das Kapital, Band 1, a.a.O., S. 620

70) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 245

71) ebenda, S. 238

72) ebenda, S. 249

73) ebenda, S. 239f.

74) ebenda, S. 240

75) ebenda, S. 253

76) ebenda, S. 255

77) ebenda, S. 256f.

78) Der „sozialistische Realismus“ ist dabei nur das Vor- und Reversbild eines „kapitalistischen Realismus“, der mittlerweile die dominierende Kunstgesinnung ist: war parteiliche und engagierte Kunst noch vor etwa 30 bis 40 Jahren verpönt, so wird sie heute allenthalben gefeiert, gefördert und gegen die autonome Kunst in Anschlag gebracht. Und darin bringt sie zum Ausdruck, wie sehr insbesondere die europäische Öffentlichkeit mit dem Rückfall in die Barbarei schon wieder liebäugelt.

79) In seinem Essay „Der Verfall des Lügens“ formuliert Wilde eine schneidende Kritik des bei allen fortschrittlich Gesonnenen so beliebten Émile Zola, dessen Werk er für „von Anfang bis Ende misslungen“ hält, „und zwar nicht unter moralischen Gesichtspunkten, sondern vom Standpunkt der Kunst.“ (Wilde: Werke, a.a.O., Band 4, S.16)

80) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 258

81) ebenda, S. 258f.

82) ebenda, S. 267

83) ebenda, S. 277

84) ebenda, S. 282

85) Wilde: Der Kritiker…, a.a.O., S.157

86) ebenda, S.158

87) Wilde, Die Seele…, a.a.O., S. 272. „Wir verstehen nicht die Musik – sie versteht uns. Das gilt für den Musiker so gut wie den Laien. Wenn wir sie uns am nächsten meinen, dann spricht sie uns an und wartet mit traurigen Augen, dass wir ihr antworten“, heißt es in Adornos Beethoven-Buch. (ebenda, Frankfurt a.M.1993, S.15)

88) ebenda, S. 274

89) ebenda, S. 262

90) Wilde: Der Kritiker…, a.a.O., S.153

91) ebenda, S.159ff.

92) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 288

93) Wilde: Der Kritiker…, a.a.O., S.158f. Vom „spielerischen Glück des Geistes“ spricht Adorno in seiner „Metakritik der Erkenntnistheorie“, das die prima philosophia mit ihrem prätentiösen Gehabe allerdings stets desavouiert hat (ebenda, Frankfurt a.M. 1997, S. 23).

94) Ivan Nagel, Autonomie und Gnade. Über Mozarts Opern, München/Wien 1988, S. 41f.

95) Wilde: Die Seele…, a.a.O., S. 282

96) ebenda, S.283f. Ein paar Absätze früher heißt es ganz ähnlich: „Und so übt der Individualismus keinen Zwang auf den Menschen aus. Ganz im Gegenteil, er bestärkt ihn darin, sich jedem äußeren Zwang zu widersetzen. Er weiß, dass die Menschen gut sind, wenn man sie nur in Ruhe lässt. Der Mensch wird den Individualismus aus sich selbst heraus entwickeln.“ (S. 281)

97) ebenda, S. 258

98) ebenda, S. 237

99) ebenda, S. 247

100) ebenda, S. 280

101) Wilde: Aphorismen und Philosopheme zum Gebrauch für die Jugend, in: ders., Werke, Band 4, a.a.O., S. 483. Der Natur gestand Wilde kein Eigenrecht zu – darin war er zweifellos ein – sehr charmanter – erkenntnistheoretischer Idealist. Den Gedanken einer Versöhnung von Mensch und Natur, in der diese auch zu eigenem Recht kommt, wie er bei Adorno ausgesprochen wird, hätte er vermutlich zurückgewiesen. – Gleichwohl ist der Versöhnungsgedanke in seiner ästhetischen Theorie stets anwesend: sein Gedanke etwa „Wenn die Menschen heute Nebel sehen, dann nicht, weil es Nebel gibt, sondern weil Dichter und Maler sie für die geheimnisvolle Schönheit seiner Erscheinung empfänglich gemacht haben“ (Der Verfall des Lügens, in: Werke Band 4, a.a.O., S. 42), bedeutet doch: dass es der Vermittlung bedarf, um das Unvermittelte zu erkennen, dass gerade die vollendete Künstlichkeit die Natur als solche beredt werden lässt, dass deshalb gerade die künstlerische Vermittlung eine Ahnung davon gibt, wie eine andere, auf Versöhnung, nicht auf Unterjochung der Natur gerichtete gesellschaftliche Vermittlung aussehen könnte – dass die Kunst aber andererseits an der Natur nur etwas zum Vorschein brachte, das, zwar „an sich“ vorhanden war, aber erst erschaut und erhört werden musste. Und überhaupt sind die Attribute, die Wilde der Kunst beilegt, namentlich die Bestimmung des Kunstwerks als eines intentionslosen Gebildes, das sich über den Betrachter erhebt und ihn beherrscht, ebenfalls Ausdruck solcher Nicht-Identität.

http://www.redaktion-bahamas.org/auswahl/web58-3.html

Siehe auch:

Der „imaginäre Orient“ – „Orient“ als romantische Erfindung des Abendlandes
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Antideutsch

Manfred Dahlmann

„Antideutsch“ ist zunächst ein Etikett, das man Leuten aufgeklebt hat, die immer noch nicht davon lassen können, ihren Mitmenschen mit der ständig wiederholten Frage auf die Nerven zu gehen, wie sie es mit dem kategorischen Imperativ halten, alle Verhältnisse umzustoßen, in denen der Mensch ein geknechtetes, ein ausgebeutetes Wesen ist. Der damit Gemeinte goutiert dieses Etikett, insoweit in ihm treffend zum Ausdruck kommt, daß er sich der herrschenden Geschichtsvergessenheit verweigert, und auf der Erfahrung beharrt, daß die auf der Grundlage eines marktwirtschaftlich verfaßten Kapitals zwar nicht einzulösenden, aber hier doch wenigstens virulent gehaltenen Versprechungen hinsichtlich einer Gesellschaft ohne Zwang dann unwiederbringlich einkassiert werden, wenn es sich in seinen deutschen Formen organisiert. Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. Die Haltung diesem Staat gegenüber gibt demnach das entscheidende Kriterium dafür ab, wo genau die Grenzlinie zwischen deutsch und antideutsch zu ziehen ist.

So sehr sich also antideutsche Ideologiekritik historisch begründet – sie verweigert sich dennoch dem typisch linken Ansinnen, sich der Geschichte in der Absicht zuzuwenden, dort Anschluß an eine ihr gemäße politische Bewegung zu finden. Der Antideutsche maßt sich an, auch geschichtliche Prozesse dem Primat der Vernunft zu unterwerfen. Und in dieser Hinsicht weist er das Etikett „antideutsch“ umgehend zurück: Er weiß um die Unvernunft partei- und bewegungspolitischer, das freie Denken verhindernde Programmatik und Theorie. Er verurteilt deshalb entschieden jeden Versuch, die Bezeichnung „antideutsch“ zum Aufbau einer positiven Gruppenidentität zu mißbrauchen – komme er von außen oder von innen. Was aktuell unter dem Label „antideutsch“ firmiert, besteht denn auch aus nichts weiter als einer Gruppe von Einzelpersonen, die allerdings, und das kann und braucht gar nicht verschwiegen zu werden, eine Reihe von Essentials gemeinsam haben.

Dazu gehören neben den schon genannten auch die biografischen Gemeinsamkeiten einiger älterer unter ihnen: Diese verweigerten sich dem Aufgehen der Nach-68er Bewegungen in die Partei der Grünen, nachdem sie theoretisch die Arbeitswertlehre und politisch Stalinismus, Leninismus und Trotzkismus hinter sich gelassen hatten; beharrten auf der Notwendigkeit der Abschaffung von Staat und Geld und Politik und Nation; unterließen den Unfug etwa der RAF, das Parteiprogramm der Grünen mit den Weihen revolutionärer Gewalt zu versehen; fanden es ganz erfreulich, daß zumindest Teile der Linken sich dem Wiedervereinigungstaumel mit der Parole „Nie wieder Deutschland“ widersetzten, ahnten aber wohl damals schon, wohin das führen mußte: Wie seit je, hat auch diese Linke keine praktischen Konsequenzen aus ihren bekundeten guten Absichten gezogen, sondern sich als deutsch erwiesen, d.h. handelte und dachte im Namen eines anderen, angeblich besseren Volksstaates Deutschland. Die Antideutschen mußten auch und gerade dieser Linken schließlich nachweisen, daß der in ihr fortwesende Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. Und den Antinationalen mußten sie recht bald schon begreiflich machen, daß es Unterschiede gibt im Begriff der Nation, aufgrund derer eine gleichrangige Behandlung aller Nationen in der Kritik theoretisch und praktisch völlig fehl am Platze ist.

Der heute so genannte Antideutsche wußte seit je, daß es zwischen Wert-, Staats- und Ideologiekritik nicht die geringsten Unterschiede geben kann; sie sind ein- und dasselbe. Er weiß, daß linke Theoriebildung, spiegelbildlich zur linken Praxis, mit Ausnahme der der Kritischen Theorie, seit den Auseinandersetzungen zwischen Marx und Bakunin sich auf dem absteigenden Ast befindet. Somit sollte es nicht verwundern, daß in den Essentials antideutscher Kritik, über die Kritische Theorie Adornos, Horkheimers u.a. hinaus, Einflüsse eingegangen sind, die auf Theorien zurückgehen, deren Verfasser, wie etwa Siegmund Freud und Hannah Arendt, kaum dieser Linken je zuzurechnen waren. Selbst erzreaktionäre Apologeten des deutschen Weges, man denke an Carl Schmitt, tragen, wo es um die Reflexion der wirklichen Prozesse kapitalistischer Reproduktion geht, weit mehr zu deren Erkenntnis bei, als jede explizit linke Theorie seit Marx. Einig ist man sich unter Antideutschen weiterhin, daß der Heideggerianismus jeder Spielart, mit Ausnahme vielleicht gewisser Momente bei Sartre, schonungslos der Kritik unterliegt – auch wenn dieses Denken, etwa im Poststrukturalismus, als scheinbar ungefährliche Modeerscheinung nur unter Akademikern Verbreitung gefunden hat. Er ist in all seinen Schattierungen die philosophische Grundlage Deutscher Ideologie.

Der Antideutsche ist per definitionem im kulturellen und akademischen Betrieb ebensowenig anschlußfähig wie im politischen – worauf er sich keinesfalls etwas einbildet, sondern was er zutiefst bedauert. Aber er besteht darauf, daß Kritik nur dann etwas gilt, wenn sie nichts weiterem verpflichtet ist als der Vernunft. Er nimmt in den zur Debatte stehenden Angelegenheiten deshalb unter Einsatz seiner ganzen Person Partei, verzichtet also auf den Habitus des angeblich über den Dingen stehenden, Vor- und Nachteile säuberlich sortierenden Experten von vornherein, in der Hoffnung, daß die Wirklichkeit ihm und seinen Befürchtungen doch noch Unrecht gibt. Er läßt es den Theoretikern nicht durchgehen, wenn ihre Denkgebäude darauf hinauslaufen, die Unterscheidung zwischen Opfern und Tätern zu verdrehen oder auch nur zu verwischen, und sie die Verantwortlichkeit des Subjekts für die herrschenden Zustände in eine angeblich historische, ökonomische systemtheoretische-strukturale oder auch nur anthropologische Gesetzmäßigkeit verschwinden lassen. Er ist von Natur aus negativ – was in einer Gesellschaft, die auf positives Denken geeicht ist, kaum auf Gegenliebe stoßen kann. Die Vorwürfe, einen absoluten Wahrheitsanspruch zu vertreten, arrogant im Auftreten zu sein, also sich um das „Vermittlungsproblem“ nicht zu kümmern, sind ihm so gewiß, wie ansonsten nur noch gewiß ist, daß das Geschwafel akademisch geführter Diskurse für die Emanzipation des Menschen aus unwürdigen Verhältnissen folgenlos ist.

Der Antideutsche ist sich nicht zu schade, waschechten Konservativen auch einmal recht zu geben, wenn diese sich, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen sehen, das Richtige zu tun, das heißt, wenn sie die Deutsche Ideologie bekämpfen und die Existenz Israels sichern. Der Antideutsche ist sich seiner selbst als Kommunist so sicher, daß es ihm egal ist, ob ihm Linke ein Paktieren mit dem Klassenfeind vorwerfen, wenn er den Krieg der USA gegen den Irak im besonderen und gegen den islamfaschistischen Terror im allgemeinen aus sehr triftigen, weil antideutschen Gründen begrüßt und würdigt (und kritisiert, wenn dieser nicht entschieden genug geführt wird). Er tut dies schließlich auch aus ureigenstem Interesse, denn er weiß, wie übrigens jeder Linke auch – nur gibt der das nie offen zu –, daß sein Überleben als Kritiker und Kommunist davon abhängt, daß die Deutsche Ideologie und deren Praxis nicht doch noch über die liberale den Sieg davon trägt.

In all dem macht er den Staatsfetischismus selbstredend nicht mit, der die verschiedensten Volksfrontstrategien und Bündnispolitiken dieser Linken bisher umgetrieben hat: nämlich den Kampf für Kommunismus aufzuschieben, um sich „zunächst“ der Verwirklichung der bürgerlichen Freiheits- und Gleichheitsrechte zu verschreiben (als ob die nicht seit über zweihundert Jahren längst genau in der einzigen Form in den kapitalistischen Kernstaaten durchgesetzt sind, in der sie sich auf der Grundlage des Kapitals überhaupt verwirklichen lassen). Vom Recht, und damit vom Staat, zu verlangen, eine gerechte Gesellschaft herzustellen, ist und bleibt grober Unfug – weder Staat noch Recht lassen sich je als Instrumente zur Herstellung herrschaftsfreier Verhältnisse verwenden. Die aktuell z.B. in Frankreich zu beobachtenden Folgen der Antidiskriminierungsgesetze zeigen im übrigen zum historisch wer weiß wievielten Mal, wohin dieser Staatsfetischismus führt: nämlich dazu, daß die Subjekte sich nicht als freie und gleiche, in Konkurrenz zueinander stehende Staatsbürger verstehen, sondern als Mitglieder einer schützenswerten kulturellen Gemeinschaft, also sich begreifen als angeblich verfolgte „deutsche“ Minderheit. Unter den Bedingungen allgemein durchgesetzten bürgerlichen Rechts gehört die Bekämpfung der in der kapitalistischen Gesellschaft mit Notwendigkeit fortwesenden Diskriminierung nicht in das Gesetzbuch geschrieben, sondern sie hat dort zu erfolgen, wo diese unter den Bedingungen formal gleicher und freier Rechtsverhältnisse allein noch stattfindet: in den politischen und privaten gesellschaftlichen Beziehungen; und sie hat sich dort vor allem auch gegen die völkischen, religiösen und rassistischen Selbstzuschreibungen der Subjekte zu richten. Die Verteidigung der von der Aufklärung erzwungenen Trennung in einen die Bedingungen funktionierender Kapitalreproduktion rechtlich absichernden Staat, der die für jeden Staatsbürger gleich geltenden Rechte und Pflichten, jenseits ihrer tatsächlichen Unterschiede, organisiert, und einer Gesellschaft, in der diese Unterschiede ausgetragen werden können und sollen, ist deshalb das Essential antideutscher Kritik, weil diese institutionelle Trennung eine der wenigen Sicherungen gegen die deutsche Aufhebung des Kapitals auf dessen eigener Grundlage darstellt, die bis genau zu dem Zeitpunkt nicht durchbrennen darf, bis der Kommunismus die Vorgeschichte der Menschheit abgeschlossen haben wird – ganz abgesehen davon, daß der Kritik nur so der politische Raum für ihre Agitation zur Verfügung steht.

Der Antideutsche weiß somit gar nicht so recht, ob der Kommunismus heute noch „links“ daher kommen kann oder auch nur sollte. Dies ist eine der vielen offenen Fragen, über die weiterhin zu streiten sein wird. Keinen Streit aber kann es darum geben, daß es unabdingbar zur Vernunft gehört, der exstierenden Unvernunft mit einem gehörigen Schuß Pragmatismus, der sich historisch begründet und an den tatsächlich gegebenen Machtverhältnissen orientiert, zu begegnen; einer Pragmatik somit, die die Verarbeitung neuer Erfahrungen ermöglicht und die vollkommen anders geartet ist als die, über die sich linke Politik in ihrer Praxisversessenheit geradezu definiert: nämlich aus ideologischer Borniertheit immer wieder dasselbe vollkommen Verkehrte zu tun, und dies dann noch als Fortschritt auf dem Weg in den Sozialismus zu verkaufen.

Der antideutsche Kritiker lehnt es aus all diesen Gründen ab, konstruktiv zu sein; er will entschieden das Gegenteil, er zielt auf die Destruktion der tief in Kopf und Gefühl verankerten Fetische von Staat, Geld, Nation und Kultur – unter pragmatischer Berücksichtigung der historisch bedingten Unterschiede und Machtverschiebungen. Er führt dabei jedoch nie einen Dialog mit Leuten, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. Da jede Fetischkritik aggressive Abwehr erzeugt, muß der Antideutsche, ob er will oder nicht, provozieren. Nicht also provoziert er um der Provokation willen, wie ihm dauernd unterstellt wird, sondern weil er dem Kritisierten den Spiegel vorhält, der dessen Denken und Handeln als fremdbestimmt und somit nicht als Resultat eigener Reflexion ausweist. Er macht dabei vor keiner Person halt: der Arbeiter wie der Arbeitslose unterliegen schließlich denselben Verblendungen wie der Kapitalist – und das erst recht. Der Antideutsche hat also dem altlinken Wahn abgeschworen, als sei es die vom Kapital mit Notwendigkeit herbeigeführte Pauperisierung der Massen, ihre Verüberflüssigung für das Kapital, die sie für vernunftgemäßes Handeln prädestiniere. Das genaue Gegenteil ist der Fall: diese Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren. So wie die rechten Populisten ihnen auf diesem Weg vorweg laufen, so laufen die linken Apologeten dieser Massen, von den No Globals bis hin zu den alten und neuen Sozialdemokraten, ihnen hinterher. Der Kommunismus hingegen baut weiterhin auf nichts anderem auf als der bewußten Tat der Einzelnen, die es verabscheuen, ein gutes Leben nur führen zu können, wenn die meisten Menschen unter dem Zwang zur Arbeit ein menschenunwürdiges Dasein fristen müssen. Oder er wird gar nie sein.

http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/dahlmann-antideutsch.html

 

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Initiative Sozialistisches Forum

Volksfront gegen Judenhass, Volksgemeinschaft gegen Israel

Was man in Deutschland Aufarbeitung, oder unfreiwillig treffender, Bewältigung der Vergangenheit nennt, bildet das Zentrum des staatsbürgerlichen Bewusstseins der Eliten im Postnazismus. Man muss Eberhard Jäckel beinahe dankbar sein für seinen stolzen Ausspruch, andere Länder würden Deutschland um das Holocaust-Mahnmal beneiden. Während man goldene Steine vor die Häuser setzt, in denen die Opfer der Nazis lebten, um ihnen nachträglich Vor- und Zunamen zurückzugeben und sie als Staatsbürger post mortem, symbolisch und ohne Folgen anzuerkennen, weil Tote keine Forderungen stellen können, bleiben ihre überlebenden Mörder auch in der deutschen Gedenkkultur in geschützter Anonymität. Es scheint in Deutschland überall Opfer der Nazis gegeben zu haben, aber keine Täter.

Als könnte Mord nur nach Einreichung einer Klage verfolgt werden, gab es gegen die Täter bis Ende der 50er Jahre nur in Ausnahmefällen strafrechtliche Verfahren und da es bis zur Einrichtung der zentralen Ermittlungsstelle in Ludwigsburg keine systematische Sammlung von Beweisen gegen NS-Täter gab, endeten diese Verfahren weit überdurchschnittlich mit Freisprüchen. Erst in den ’60er Jahren folgten Prozesse zunächst gegen die Wachmannschaften kleinerer Lager, dann, angestrengt durch Fritz Bauer, selbst Verfolgter der Nazis, der Frankfurter Auschwitzprozess. Der BGH jedoch lehnte Bauers Argumentation, die Vernichtung in Auschwitz als einheitliche Tat, und damit jeden Beteiligten als Mittäter zu verurteilen, ab; während im Auschwitzprozess die nachgewiesene Beteiligung etwa bei der Selektion an der Rampe noch für eine Verurteilung genügte, wurden danach nur dann Täter verurteilt, wenn man ihnen konkrete exzessive Einzeltaten nachweisen konnte. Wer bei seiner Beteiligung an der Vernichtung anständig geblieben war, hatte nichts zu befürchten. [ 1 ]

Zum Gründungsmythos der Zivilgesellschaft im postnazistischen Deutschland wurde die Aufspaltung in anständige und exzessive Judenmörder. Doch die anständigen Antisemiten bedürfen der exzessiven, wenn die deutsche Zivilgesellschaft zuletzt Appelle gegen zunehmenden Judenhass verfasste. Sie dienen nicht dazu, die Täter zu denunzieren und gesellschaftlich zu bekämpfen, die diesmal nicht wie sonst aus der Neonazi-Szene, sondern aus dem Islamismus kommen. Als anlässlich des Gazakrieges im Sommer 2014 in ganz Europa größtenteils islamische Jugendliche “Kindermörder Israel”, “Hamas, Hamas, Juden ins Gas” und “Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein” riefen und auf israelsolidarische Gegendemonstranten losgingen, oft ungestört von der Polizei, die ihnen z.B. in Frankfurt noch einen Lautsprecherwagen zur Verfügung stellte, in einigen Städten gefolgt von Brandanschlägen auf Synagogen und einer Welle von antisemitischen Drohbriefen an jüdische Organisationen, mussten zwar erst die offiziellen Vertretungen der deutschen Juden die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass man es hier mit Antisemitismus zu tun habe, bis sich dann aber auch weite Teile aus Zivilgesellschaft und Politik bereit erklärten, wie es im Jargon heißt “ein Zeichen” zu setzen gegen Judenhass.

In Nürnberg wurde beispielsweise im Anschluss an eine Demonstration gegen den Gaza-Krieg der Burgerking im Hauptbahnhof von einer “Kindermörder Israel” grölenden Meute gestürmt; als dann noch die israelitische Kultusgemeinde auf eine Welle von Hassbriefen und auf Schmähungen jüdischer Kinder in der Schule aufmerksam machte, riefen vom Oberbürgermeister und den Stadtratsfraktionen, über die Gewerkschaften und Handelskammer, sogar der FC Nürnberg und freilich die christlichen Kirchen, nicht zu vergessen die “muslimische Begegnungsstätte Medina e.V.” dazu auf, gegen Judenhass zu demonstrieren. Dies tat man nicht nur mit Israelfahnen, sondern in trauter Eintracht mit Schildern, die zur “Solidarität mit der israelischen Friedensbewegung” aufriefen, mit “Stoppt die Aggression gegen Gaza” und “Free Gaza – Stoppt den Massenmord Israels”. Es war und ist kein Widerspruch, sondern der ambivalente Kern des deutschen Selbstverständnisses, sich gegen “Judenhass” und für das “Existenzrecht Israels” zu bekennen und zugleich – anständig – Israel zu delegitimieren. Nachdem sich im Sommer 2010 der Linkspartei angehörige Mitglieder des deutschen Bundestags an einer paramilitärischen Aktion gegen Israel – der sogenannten Gaza-Hilfsflotte – beteiligt hatten, verabschiedete der deutsche Bundestag einstimmig eine Resolution, die Israel seine Sicherheitsinteressen diktieren sollte, einschließlich des irren Aufrufs, “die Forderung der Europäischen Union nach einer sofortigen Aufhebung der Gaza-Blockade mit Nachdruck zu unterstützen”. Gegen die deutschen Partisanen aus dem Bundestag ging man weder politisch, noch gesellschaftlich noch juristisch vor, sondern distanzierte sich höflich und erhöhte den Druck auf Israel. Der anständige Antisemit bestätigt den Israelis ihr legitimes Sicherheitsinteresse, das er aber sogleich israelkritisch delegitimiert, wenn die israelische Armee es aktiv verteidigt und gefährdet, indem er die wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit dem Iran weiterführt.

Den israelkritischen Politikern kann man sowenig wie ihren Adjutanten im Medienunwesen zugute halten, sie wüssten nicht, was sie tun. Selbst in der Süddeutschen Zeitung erschien ein Artikel der thematisierte, dass die Hamas Schulen und Krankenhäuser für Waffenverstecke nutzt, um anschließend die Fotos zerstörter ziviler Ziele zum Propagandakrieg gegen Israel einzusetzen. Wie anders, denn als Unterstützung dieses Propagandakrieges soll man deuten, wenn nur ausnahmsweise deutsche Zeitungen darauf verzichten, Fotos von Ruinen mit drapiertem Kinderspielzeug oder Rollstühlen abzudrucken? Während der Abdruck solcher Bilder für den Nahen Osten zur Folge hat, dass das zynische Kalkül der Hamas aufgeht, aktualisiert er hierzulande als Reiz-Reaktionsschema die israelkritischen Ressentiments.

Als stets kritische Avantgarde gegen Banken, Amerikanismus und Israel treten die selbsternannten “Kulturschaffenden” mit einem “offenen Brief an die Bundesregierung” auf, der von über 500 Theatermachern, Schriftstellern, Schauspielern und Akademikern unterzeichnet wurde. “Wenn die israelische Armee zum wiederholten Male in einer Großoffensive die Bevölkerung Gazas angreift und für den Tod und unendliches Elend tausender Menschen die Hauptverantwortung trägt, so geschieht dies auch mithilfe einer engen deutsch-israelischen militärischen, politischen und kulturellen Zusammenarbeit. Als Kulturschaffende in Deutschland können wir dazu nicht schweigen.” [ 2 ] Dass deutsche “Kulturschaffende” nicht schweigen können, weil sie ihre Gesinnung permanent vermarkten müssen, ist die eine Sache; dass sie zum Elend in Gaza nicht schweigen könnten, wie sie es sonst in der Regel tun, wenn keine Juden oder Amerikaner verantwortlich gemacht werden können, ist natürlich glatt gelogen. Insbesondere die holprige und merkwürdige Behauptung, der Angriff auf Gaza geschähe “mithilfe” der “kulturellen Zusammenarbeit” zwischen Israel und Deutschland verrät, dass hier eigentlich ein etwas verbrämter Aufruf zum Boykott israelischer Kultur vorliegt. Besonderes Gewicht sollte dem offenen Brief wohl dadurch zukommen, dass er nur von Kulturschaffenden unterzeichnet werden durfte, um sicherzustellen, dass ihr “Kauft nicht beim Juden” nicht als Aufruf eines antisemitischen Pöbels, sondern intellektueller und kultivierter Israelkritik daherkommt.

Dabei sind die judenhassenden Jungmänner und -frauen, die zuletzt ihre Gewaltbereitschaft herausbrüllten, auch nicht einfach aus dem gar nicht so fremden Orient herübergekommen, in dem Juden schon lange nicht besonders geschätzt werden, sondern bei der deutschen Zivilgesellschaft in die Schule gegangen. Die exzessiven Antisemiten von heute brüllen “Kindermörder Israel”, während die anständigen von der Taz (30.07.14) eine Karikatur drucken, in der eine ausgebombte Schule mit palästinensischer Fahne, auf deren Trümmern eine Gruppe Kinder steht, von einem israelischen Panzer ins Visier genommen wird, dessen Sprechblase deklariert, es gebe Zweitklässler und Menschen zweiter Klasse.

Sich vom judenhassenden Pöbel, der zweifelsohne eine Gefahr für die in Deutschland lebenden Juden darstellt, abzugrenzen, ist eine leichte Übung; sie sind nützliche Idioten, gut genug, dass die Antisemiten auch gegen Judenhass ihre Stimme erheben können. Wer aber demonstriert gegen die antisemitischen “Kulturschaffenden”, die als Avantgarde einer selbstgerechten Zivilgesellschaft fungieren, die ihren Judenhass als solchen nicht unsublimiert zulassen? Die ihren Antisemitismus gar nicht mal hasserfüllt, sondern lieber als ästhetisches Wohlgefallen mit Sekt und Brezeln gemeinschaftsbildend im Theater genießt. Und mit leichtem Gruseln und mehr gespielter als echter Empörung bei der Lektüre der neuesten News aus Gaza sich mit den “Kindermörder”-Brüllaffen in der Sache einig weiß, den sie zugleich aber wie den Fußballfan für den emotionalen Ausbruch – und nicht dessen antisemitischen Gehalt – verachtet. Was dem Brüllaffen die Pogromstimmung, ist der Zivilgesellschaft das Gelächter – beides aggressive Triebabfuhr – und es genügt ein einziger Blick ins deutsche Kabarett um zu wissen, dass kein Blatt zwischen den Pro-Gaza-Demonstranten und den gewöhnlichen Bundesbürger mit staatsbürgerlichen Bewusstsein, sprich kritischem Anspruch passt.

Auf der bereits erwähnten Nürnberger Demonstration des islamistischen Milieus gegen den Gaza-Krieg klangen die Reden wie aus der Kommentarspalte einer beliebigen deutschen Zeitung: “Das Misstrauen ist groß auf beiden Seiten, umso mehr bräuchte es in dieser Stunde Diplomaten, die eine Annäherung zwischen den Konfliktparteien schaffen. Die traditionellen Vermittler haben wenig Lust und die ganze Welt schaut zu, bzw. weg, wie Zivilisten, unter anderem viele Kinder, ermordet werden. […] Ein Teil der Hamas hat in den letzten Tagen selbstgebastelte Raketen auf das israelische Staatsgebiet abgefeuert, die größtenteils vom israelischen Abwehrsystem […] abgefangen wurden. […] Auf israelischer Seite gibt es bislang zwei Todesopfer. Auch diese sind zuviel. Aber kann man unter diesem Gesichtspunkt noch über Verteidigung sprechen?”

Auch der wütende Sturm auf Burgerking und Hauptbahnhof war keine originäre Idee der Islamisten, sondern die Wiederholung einer Aktion von 2003, als aus einer Schülerdemonstration gegen den Irakkrieg heraus ebenfalls Burgerking und Bahnhof besetzt wurden. Damals wollte niemand – etwa gegen Antiamerikanismus – aufstehen, bestand der Mob doch aus den eigenen Kindern, die in konformistischer Enthemmung nur symbolisch die Wut auf die Straße trugen, die der amerikakritische Vater bei öffentlich-rechtlichen Kabarettsendungen herauslachte.

Die Wirkung die das damalige Bündnis aus Mob und Regierung und die damalige Berichterstattung über den elften September, die zweite Intifada und den Irakkrieg auf eben jenes Milieu hatte, deren Angehörige zuletzt nach dem Vorbild holländischer Fußballfans “Hamas, Hamas, Juden ins Gas” [ 3 ] riefen, oder sich freiwillig zum Kämpfen nach Syrien absetzten, lässt sich kaum überschätzen. Die meisten der Pro-Gaza Demonstranten sind Jugendliche und junge Erwachsene, die als Kinder die von Politik, Medien und Zivilgesellschaft angefachte Massenhysterie angesichts des Irakkrieges erlebt haben – nicht nur im Elternhaus, sondern auch in der Schule, wo ihnen Lehrer vom großen Weltenbrand erzählten, der damit entfacht worden sei und an dem manche von ihnen heute in Syrien und im Irak teilnehmen. Für eine ganze von Michael Moore und Gerhard Schröder verdorbene Generation begann politisches Urteilen mit der Verachtung für den Westen, womit Israel und die USA gemeint waren.

Der Islamismus ist wenigstens in Europa kaum etwas anderes als die konsequenteste Form jener Verachtung für die USA und Israel, die den Konsens aus europäischer Politik, Zivilgesellschaft und Kulturschaffenden bestimmt. Laut einem Artikel der FAS über eine Beratungshotline des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Eltern, die eine islamistische Radikalisierung ihrer Kinder befürchten, haben mehr als zwei Drittel der Eltern, die die Hotline in Anspruch nehmen, gar keinen Migrationshintergrund. [ 4 ]

Antisemitismus und Antiamerikanismus waren nie nur explizit weltpolitische Einstellungen, sondern im schlimmsten Sinne ganzheitliche Denkformen, die auch das scheinbar Privateste umgreifen. Darin sind sie den Anforderungen des postmodernen Arbeitslebens genauso verwandt, wie der Ökoideologie, die aus Gesinnung das Essverhalten reguliert.

Der sexuelle Reinheitswahn des modernen Islamismus tritt dabei dem Antisemitismus nicht äußerlich hinzu, sondern ist nur dessen sexualpolitisches Pendant. Obgleich objektiv frauenfeindlich, fällt der vergleichsweise hohe Frauenanteil auf islamistischen Demonstrationen auf. Die Anziehungskraft religiöser Regelungsvorschriften dürfte sich dabei für Männer wie Frauen weniger aus alten religiösen Texten speisen, als aus dem Umstand, dass er scheinbar eine Alternative zu den Schattenseiten “westlicher” Sexualität, d.h. Konkurrenz auf dem Markt der Sexualpartner, darstellt. In einem zufällig mitgehörten Gespräch zweier Islamwissenschaftlerinnen erklärte die eine, die vor kurzem zum Islam konvertiert war und ihre Kommilitonin höchst pragmatisch anwarb, dass sie nun in dieser Gemeinschaft leicht einen Mann gefunden habe, der sich ihr dann auch gleich für das ganze Leben versprach und sie sich darüberhinaus dank Kopftuch sowohl vor abschätzigen Blicken ebenso schützen könne, wie sie auch der unangenehmen omnipräsenten sexuellen Konkurrenz endlich entronnen sei. Von islamischer Theologie habe sie bislang zwar noch keine Ahnung, wolle das aber mit dem Studium jetzt, nach ihrer Konversion, nachholen.

Wie weit das grundsätzliche Unbehagen an der gegenwärtigen sexuellen Situation in die Zivilgesellschaft hineinreicht, lässt sich an der Partei- und Presselandschaft übergreifenden Reinheitskampagne gegen Prostitution ablesen, an der jeder Mullah seine Freude hätte, die die Prostituierten und Freier stellvertretend für die geschlechtliche Konkurrenz und zugleich dafür, dass sie sich dieser vermeintlich entziehen, büßen lassen will. [ 5 ] Wie die Zivilgesellschaft die sexuelle Konkurrenz zugleich affirmiert, verdrängt und an den Prostituierten verfolgt, so affirmiert [ 6 ] und verdrängt sie auch die politische Konkurrenz zwischen den Staaten und verfolgt sie an Israel. Der postmoderne Islamismus geht jeweils einen entscheidenden Schritt weiter und tendiert dazu, sie gleich ganz still zu stellen: Als Regelung noch kleinster Details im Verkehr der Geschlechter oder politisch als weltumspannendes oder wenigstens nach Außen hermetisch abgeschlossenes und nach Innen von Gegensätzen bereinigtes Kalifat.#

Anmerkungen

[ 1 ] Erst 2011 wurde mit Demjanjuk wieder ein SS-Mann alleine wegen seiner Mitgliedschaft in einer Wachmannschaft verurteilt, als die meisten Täter schon tot und Deutschland schon als Vergangenheitsbewältigungsweltmeister feststand.

[ 2 ] http://www.gazaopenletter.de

[ 3 ] Lange Zeit pflegten gegnerische Fans den als jüdischen Club geltenden Ajax Amsterdam mit dieser Parole zu schmähen.

[ 4 ] FAS vom 14.09.2014.

[ 5 ] Dass Frauen in der Prostitution “zur Ware” gemacht würden, ist nach gängigem Sprachgebrauch der wesentliche moralische Vorwurf gegen die Prostitution. Logisch kann daraus nur folgen, dass die Prostituierten entweder alle gezwungen wurden, sich zur Ware zu machen, was etwa Alice Schwarzer behauptet, die Prostitution mit Sklaverei identifiziert, oder aber, dass sich diese Frauen freiwillig “zur Ware” gemacht haben. Genau damit aber personifizieren sie geradezu die allgemeine Konkurrenz auf dem Markt um Sexualpartner, der sie sich gleichsam zu entziehen scheinen. Den Freiern wiederum nimmt man vor allem übel, dass sie sich für Geld holen, wofür sich andere in eben jener Konkurrenz mühsam durchsetzen müssen.

[ 6 ] Praktisch affirmiert sie die Konkurrenz zwischen den Staaten natürlich immer dann, wenn sie anderen Staaten mores lehren möchte. Dass sie dabei freilich auch eine Position innerhalb der konkurrierenden Mächte einnimmt, wird in Deutschland immer dadurch verdrängt, dass man die eigene Position als Völkerrecht ausgibt.

http://www.ca-ira.net/isf/jourfixe/jf-2014-2_volksfront.html

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Die Wahrheit über den Zionismus

 

Von Brendan O’Neill

Zionismus ist eine beliebte Vokabel im politischen Kampf. Es gilt als fortschrittlich, Abscheu vor Zionisten zu äußern. Ein differenzierter Blick auf die Geschichte von Zionismus und Antizionismus hilft bei der Einordnung. Bei beidem hat auch der Westen eine problematische Rolle gespielt.

Israelkritiker behaupten oft, dass man Antizionist sein kann, ohne Antisemit zu sein. Sie haben Recht. Eine Ideologie zu kritisieren, ist nicht dasselbe wie den Hass gegenüber einer Menschengruppe zu artikulieren. Aber während Widerspruch gegen Zionismus völlig legitim ist, lautet die interessante Frage, was die Politik des Antizionismus heute motiviert. Kritik am „zionistischen Staat“ Israel ist weit verbreitet, nicht nur in arabischen Regimen, sondern auch in den besseren Kreisen in Europa. Und die Sprache, mit der man den Zionismus angeprangert, wird heftiger.

Der australische Autor John Pilger nennt den Zionismus „eine expansionistische, gesetzeswidrige und rassistische Ideologie“. Andere sagen, der Zionismus sei anderen „rassistischen Ideologien, wie Nazismus und Apartheid“ ähnlich. In ganz Europa fordern viele Studentenvertretungen an Universitäten und linksradikale Gruppen, keine „Plattform für Zionisten“ zu bieten, und zwar auf der Basis, dass sie „rassistisch“, „kolonialistisch“ und sogar „faschistisch“ seien.

Die unermüdliche Konzentration auf den Zionismus als die angeblich widerlichste Form des Kolonialismus und die widerlichste rassistische Ideologie in der Welt geht so weit, dass Antizionisten oft westliche Regierungen heranziehen – die Erfinder des modernen Kolonialismus –, um den Zionisten eine Lektion zu erteilen. Anti-Israel-Aktivisten fordern US-Präsident Barack Obama auf, die Zionisten „unter Kontrolle“ zu kriegen. In Großbritannien haben radikale Linke sich an die Regierung gewandt, um den israelischen Botschafter wegen der Verbrechen seines Heimatlandes aus dem Land zu weisen. Das heißt, dass sogar die britischen Machthaber, die in den Irak und in Afghanistan einmarschiert sind und als erste den Zionismus für „perfide“ kolonialistische Zwecke genutzt hatten, als weniger schlimm gelten als die bösen Zionisten.

Die Botschaft ist klar: Zionismus ist anders. Er ist böse. Er ist nicht tolerierbar. Es liegt kaum etwas Fortschrittliches in der derzeitigen Mehrheitspolitik des Antizionismus. Er wird von doppelten Standards getrieben. Er ist von mangelndem Wissen über die Vergangenheit und von politischer Richtungslosigkeit in der Gegenwart gestützt. Zionismus ist in europäischen Debatten über internationale Angelegenheiten zum Staatsfeind Nummer eins avanciert, weil er als explizitester Ausdruck dessen angesehen wird, was heute als überholt gilt: Nationalismus, Souveränität und die Vorstellung eines homogenen Volkes mit gemeinsamer Vergangenheit und gemeinsamem Schicksal. Außerdem bietet die Forderung radikaler Antizionisten, dass westliche Regierungen die Verbrechen des Zionismus in Angriff nehmen, europäischen Führern eine fantastische Gelegenheit: Sich gegen die Übel des Zionismus zu positionieren, erlaubt den zynischen Staatschefs Europas, sich von ihrer eigenen kolonialistischen und rassistischen Vergangenheit und Gegenwart reinzuwaschen und sich selbst als erhaben und weltgewandt darzustellen, als Wächter der internationalen Moral.

Dieser Text ist zuerst in der aktuellen NovoArgumente-Printausgabe (Nr. 118- II/2014) erschienen. Anmerkungen mit Fussnoten finden Interessierte hier.

Brendan O´Neill ist Chefredakteur des britischen Magzins Spiked. Dort ist das englischsprachige Original zuerst unter dem Titel „The Truth about Zionism“ erschienen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/neue_serie_die_wahrheit_ueber_den_zionismus_1

 

Die Tragödie des Zionismus

Von Brendan O’Neill

Die Behauptung, Zionismus sei eine „rassistische Ideologie“, ist krude. Sie basiert auf dem Unvermögen, zwischen Zionismus in der Theorie und dem in der Praxis zu unterscheiden. Während Zionismus in der Praxis – gerade der vom Ende des Zweiten Weltkriegs zur unübersichtlicheren Gegenwart – ohne Frage zur Vertreibung von Menschen aus ihren Häusern und der Kolonisierung Palästinas geführt hat, ist der Zionismus in der Theorie nur eine nationalistische Ideologie, wenn auch eine merkwürdige. Und wie andere nationalistische Ideologien ist er separatistisch und, ja, reaktionär – aber nicht mehr als viele andere moderne Bewegungen zur Schaffung eines Heimatstaats.

Kritiker wie Unterstützer Israels machen sich schuldig, hinsichtlich der Ursprünge und der Bedeutung des Zionismus historischen Analphabetismus zu verbreiten. Manche Anti-Israel-Aktivisten betrachten den Zionismus in stark vereinfachenden Begriffen als eine weitere Nazi-Ideologie. Unterdessen stellen Israel-Unterstützer den Zionismus als uraltes Bekenntnis dar, das sich von der Bibel herleitet, als rechtmäßige Erfüllung eines 2000 Jahre alten Traums, für Juden ein Heimatland auf dem Gebiet des historischen Palästina zu errichten. Tatsächlich ist der Zionismus eine moderne Bewegung, nicht von biblischen Träumen zusammengehalten, sondern von dem verzweifelten Wunsch, den Folgen des Antisemitismus in der dekadenten kapitalistischen Gesellschaft zu entkommen.

Theodor Herzl (1860–1904) gilt manchen als der „Vater des modernen politischen Zionismus“ . Der in Ungarn geborene jüdische Journalist schrieb 1896 „Der Judenstaat.“ Dabei handelte es sich um ein feuriges politisches Traktat, das als Antwort auf einen plötzlichen Aufschwung des Antisemitismus in Europa argumentierte, dass die Juden sich niemals vollkommen in die Mehrheitsgesellschaft assimilieren könnten und deshalb ihren eigenen Sonderstaat gründen müssten, um überleben und gedeihen zu können. Herzl und andere neuzionistische Denker – die namhaftesten unter ihnen Moses Hess und Max Nordau – übernahmen die Führung der frühen zionistischen Bewegung am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts und wollten Unterstützung für ihren Gedanken gewinnen, Juden von Nichtjuden zu trennen.

Wie Nathan Weinstock in seinem Buch „Zionism: False Messiah“ (1979) (deutsch etwa: Zionismus: Falscher Messias) darlegt, war der frühe Zionismus eine Lehre mit der „Unvereinbarkeit von Juden und Nichtjuden“ als Ausgangspunkt, die die „massive Auswanderung in ein unterentwickeltes Land mit dem Ziel, einen jüdischen Staat aufzubauen“, befürwortete. Diese neue Bewegung führte zwar alte jüdische Vorstellungen von einer „Rückkehr nach Zion“ und in das „Heilige Land“ in Palästina an, Vorstellungen, die bis zum späten 19. Jahrhundert eher religiöse Sentimentalitäten oder Beschwörungen darstellten, weniger maßgebliche politische Ziele. Tatsächlich war der Zionismus eine sehr moderne Bewegung, die Weinstock zufolge angesichts offener und hasserfüllter Formen des Antisemitismus im Europa der Jahrhundertwende gegründet wurde. Er schreibt: „Jüdischer Nationalismus, vor allem seine zionistische Variante, war ein komplett neues Konzept, geboren aus dem soziopolitischen Kontext Osteuropas im 19. Jahrhundert“.

In „Die jüdische Frage. Eine marxistische Darstellung“ (zuerst 1946 auf Französisch erschienen), dem wahrscheinlich besten Text des 20. Jahrhunderts über das Dilemma der Juden, hat Abraham Léon in ähnlicher Weise die moderne, reaktive Natur des politischen Zionismus analysiert. Diese Bewegung wurde „geboren im Widerschein zweier Ereignisse […]: der russischen Pogrome des Jahres 1882 und der Dreyfus-Affäre [ein antisemitischer politischer Skandal im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts]“, schreibt Léon, Geschehnisse, „die Ende des 19. Jahrhunderts die zunehmende Verschärfung des jüdischen Problems widerspiegelten“.

Sowohl in West- als auch in Osteuropa hat sich Léon zufolge die unvorhersehbare und regelmäßig zerstörerische Natur der kapitalistischen Entwicklung besonders schwer auf die jüdischen Gemeinschaften ausgewirkt. In Russland machte „die schnelle Kapitalisierung der russischen Wirtschaft nach der Reform von 1863 […] die Situation der jüdischen Massen in den Kleinstädten unerträglich [die sich ihren Lebensunterhalt auf feudalistische Weise verdienten]“. Und in Westeuropa „begannen die Mittelklassen, von der kapitalistischen Konzentration zerrieben, sich gegen das jüdische Element zu wenden, dessen Konkurrenz ihre Situation verschärft“. Das folgende Aufkommen antisemitischer Pogrome im Osten und die Zunahme antisemitischer Stimmungen im Westen formten laut Léon die Bedingungen für das Entstehen des Zionismus – eine Bewegung, die „beansprucht […], [ihren] Ursprung in einer mehr als zweitausendjährigen Vergangenheit zu haben“, die aber tatsächlich „eine Reaktion gegen die für die Juden so verhängnisvolle Verknüpfung feudalistischer und kapitalistischer Auflösungstendenzen ist.“

Der politische Zionismus blieb aber unter den europäischen Juden des frühen 20. Jahrhunderts eine ziemlich marginale Bewegung. Ihm wurde von zwei anderen Strömungen innerhalb der jüdischen Gemeinschaften entgegengewirkt: Assimilierte der Mittelklasse, die noch daran glaubten, dass sie in der kapitalistischen Massengesellschaft ihr Glück machen könnten, und, viel wichtiger, eine wachsende sozialistische Bewegung innerhalb der Arbeiterklasse, die auch die Juden der Arbeiterklasse einschloss.

Viele Sozialisten des frühen 20. Jahrhunderts – sowohl Nichtjuden als auch Juden – sprachen sich gegen Antisemitismus wie Zionismus aus. Sie beschrieben den Antisemitismus, in den Worten des deutschen Sozialisten August Bebel, als den „Sozialismus der dummen Kerls“, wo jüdische Gemeinschaften als Sündenböcke für das Versagen und die Krisen des Kapitalismus herhalten mussten. Und sie betrachteten den Zionismus als eine nicht akzeptable Einigung mit dem Antisemitismus, da er ebenfalls die Juden als eine Rasse behandelte, als ein merkwürdiges Volk, das idealerweise von der Mehrheitsgesellschaft getrennt werden sollte.

Sozialisten haben den dem Zionismus innewohnenden defätistischen und fatalistischen Anstrich erkannt, nämlich dass diese Ideologie implizit auf dem Gedanken fußt, dass die Gesellschaft niemals grundsätzlich verändert werden kann. Deshalb müssten die Juden sich, sollten sie irgendeine Hoffnung hegen, zu prosperieren oder einfach nur zu überleben, sich selbst aus dieser Gesellschaft entfernen. Jüdische und nichtjüdische Sozialisten haben darauf hingewiesen, dass der Zionismus die Möglichkeit einer echten Veränderung, einer Revolution, die Möglichkeit künftiger Gleichheit und von Wohlstand für alle verweigert.

In den 1920er Jahren wirkte der Zionismus wie ein exzentrischer Minderheitenglaube. Im revolutionären Russland nach 1917, wo einst der Zar den Antisemitismus dafür instrumentalisiert hatte, die Arbeiter zu spalten, nahmen Juden wie Leo Trotzki verantwortungsvolle Machtpositionen ein. Die revolutionäre Regierung erklärte die Religionsfreiheit für alle und schaffte frühere Einschränkungen für Juden hinsichtlich Bildung und Aufenthaltsrecht ab. Einzelne oder Meuten, die Juden angriffen, wurde schwer bestraft. Inzwischen wanderten Juden weiterhin in westliche Länder aus und zeigten damit ihre Überzeugung, dass sie sich dort, trotz aller Übel des Antisemitismus, ein besseres Leben aufbauen könnten. 1927 sind mindestens so viele Leute aus Palästina emigriert – namentlich von Herzl und anderen Zionisten als der Ort genannt, an dem Juden sich selbst aus der Welt entfernen sollten –, wie dorthin eingewandert sind. Politischer Zionismus sah nach Verliererkarte aus.

Was hat sich also verändert? Wie konnte der Zionismus unter den drei gedanklichen Strömungen bei den europäischen Juden erfolgreich werden? Er wurde zum Nutznießer des politischen Verfalls wie des Kriegsausbruchs und des Genozids.
Die Strömung der jüdischen Assimilation, wo die Juden der Mittelschicht selbstbewusst daran glaubten, sie könnten in der europäischen Gesellschaft gedeihen, wurde von der unnachgiebigen Intensivierung des Antisemitismus in den 1920er und 1930er Jahren zerstört. Als sich die Krise der kapitalistischen Gesellschaft in Folge der russischen Revolution von 1917 und des Trends zu ökonomischer Rezession vertiefte, kam es in West- und Osteuropa zu einer heimtückischen rechten Gegenreaktion. Ziel dieser Gegenreaktion waren die Organisationen der Arbeiterklasse, sie zeigte aber auch ihren Zorn über die Juden, von denen behauptet wurde, sie wären der Hauptgrund für die „bolschewistische Verschwörung“ und den wirtschaftlichen Niedergang. Mit der Verbreitung des Nazismus im Europa der 1930er und 1940er Jahre und der Entscheidung, die Vernichtung der Juden auf die Ebene der Regierung zu heben, verlor die Idee von der jüdischen Assimilierung ihre gesamte Glaubwürdigkeit.

Unterdessen erlitt der positivste Strang, der Sozialismus – dessen jüdische Anhänger sich einfach weigerten, sich in die kapitalistische Gesellschaft zu assimilieren oder sich absichtlich davon fern hielten – in den 1920er und 1930er Jahren unzählige Rückschläge. Attacken auf die Arbeiterklasse in Europa und der schleichende Niedergang Russlands unter den Stalinisten versetzten dem Ideal des Internationalismus und der sozialistischen Solidarität gemeinsam einen schweren Todesstoß. In den späten 1920er Jahren war die Solidarität der Arbeiterklassen mit den Juden zurück- und sogar in neue Formen des Antisemitismus übergegangen. Vorurteile gegen Juden waren in Stalins Sowjetunion gewachsen. Bis 1930 hat sich die Deutsche Kommunistische Partei sogar schamhaft geweigert, ihre jüdischen Anführer öffentlich sprechen zu lassen, aus Furcht, dass solch ein Spektakel die Nazis aufregen könnte. Die deutschen Kommunisten brachten stattdessen feige nur „Nicht-Juden“ zu öffentlichen Diskussionen.

Unter diesen Umständen war es möglich, dass der Zionismus – begründet im späten 19. Jahrhundert, aber im frühen 20. Jahrhundert ziemlich marginal – für die europäischen Juden attraktiv wurde. Schikaniert von Regierungen und vom Sozialismus desillusioniert, haben viele Juden verständlicherweise die von den Zionisten angebotene Sicherheit und Gewissheit akzeptiert, die vollständige Abspaltung. Das ist die Tragödie des Zionismus. Er entstand als Reaktion auf den Antisemitismus des späten 19. Jahrhunderts und wurde durch die Intensivierung des Antisemitismus und den Niedergang der Linken in den 1920er und 1930er Jahren beliebter. Der Erfolg des Zionismus bei europäischen Juden war eine Antwort auf den Verfall der kapitalistischen Gesellschaft und das Versagen der Linken, den Internationalismus aufrechtzuerhalten.

Da die Assimilation in Verruf geraten und der internationale Sozialismus offensichtlich erschöpft war, haben die europäischen Juden sich dem Antisemitismus wirksam angepasst und nicht versucht, ihn zu bekämpfen. Der Zionismus basierte auf der Überzeugung, dass für Juden in einer nichtzionistischen Gesellschaft kein Platz ist, da, in den Worten des frühen zionistischen Denkers Leo Pinsker, der Antisemitismus unüberwindbar ist. Er ist „angeboren“, eine „Krankheit“, die seit „zweitausend Jahren […] unheilbar“ ist. Also müssten die Juden sich selbst abschotten. In diesem Sinne weist der Zionismus den Gedanken zurück, dass der Antisemitismus bekämpft und überwunden werden kann, und verleiht tatsächlich der Sichtweise Akzeptanz, dass die Juden irgendwie unnormal sind. Das ist ein guter Grund, gegen den Zionismus zu sein. Aber er ist kein altes Bekenntnis oder eine prinzipiell rassistische Ideologie, sondern das Ergebnis komplexer historischer Zwänge und der Erfahrung einer grundsätzlichen politischen Niederlage.

Dieser Text ist zuerst in der aktuellen NovoArgumente-Printausgabe (Nr. 118- II/2014) erschienen. Anmerkungen mit Fussnoten finden Interessierte hier.

Brendan O´Neill ist Chefredakteur des britischen Magzins Spiked. Dort ist das englischsprachige Original zuerst unter dem Titel „The Truth about Zionism“ erschienen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_tragoedie_des_zionismus_zionismus_serie_2._teil

 

Zionismus und Imperialismus

Von Brendan O’Neill

Diejenigen, die heute behaupten, dass der Zionismus „eine expansionistische, gesetzeswidrige und rassistische Ideologie“ sei, verdrehen die Tatsachen. Es stimmt, dass der Zionismus sowohl vor als auch – vor allem – nach dem Zweiten Weltkrieg von imperialistischen Kräften abhängig war, um seine Träume von einem jüdischen Heimatland wahr werden zu lassen. Der Grund ist, dass der Zionismus implizit mit der imperialistischen Zeit verbunden war, und es gab mächtige Kräfte im Westen, besonders Großbritannien und die USA, denen daran gelegen war, den Zionismus für politische Zwecke zu verwenden. Derzeit haben wir aber, was man einen „defensiven Zionismus“ nennen könnte – eine Form des Zionismus, die weniger an Expansion interessiert ist als am Rückzug hinter eine Sicherheitsmauer. Dieser Zionismus rechtfertigt sich weniger durch den Verweis auf künftig zu verwirklichende Träume von einem Land Zion, sondern eher durch Appelle an eine „jüdische Identität“ der Opferrolle.

In der aktuellen Politik des Antizionismus scheint es verzeihlich, den Zionismus für die einzige und die schlimmste Form des Imperialismus zu halten. Viele denken auch, dass er die westlichen Spielarten des Imperialismus antreibt. In ihrem kontroversen Text „The Israel Lobby and US Foreign Policy“ (deutsch etwa: „Die Israel-Lobby und die US-Außenpolitik“) haben die US-Autoren John Mearsheimer und Stephen Walt ein zunehmend beliebtes Argument vorgebracht: dass die US-Außenpolitik von den Erfordernissen und Bedürfnissen der Zionisten vorgeschrieben wird, dass der zionistische Staat der Schwanz ist, der mit dem Hund wedelt.

Solch eine Sicht auf den „zionistischen Imperialismus“ verkennt die untergeordnete Beziehung, die der Zionismus zum Imperialismus immer hatte. Es stimmt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die zionistische Bewegung ihr Heimatland Israel nur dank der Hilfe und Unterstützung mächtiger westlicher Staaten schaffen, gründen und erhalten konnte. Das zeigt aber eher, dass es die Zionisten sind, die vom Imperialismus abhängig sind, und dass weniger der Imperialismus seinerseits dem Zionismus und den Juden verpflichtet wäre.

Abraham Léon hat überzeugend dargelegt, dass den Zionismus von anderen bürgerlichen nationalistischen Ideologien kein eingebauter Rassismus oder eine integrierte Gesetzeswidrigkeit unterscheidet, sondern vielmehr seine Entstehungsbedingungen. Während die meisten bürgerlichen nationalistischen Projekte entstanden, als der Kapitalismus in überlegener Stellung war, was den Wunsch der neuen kapitalistischen Eliten ausdrückte, die „nationalen Grundlagen der Produktion“ auszuhöhlen und schließlich den „Feudalismus zu beseitigen“, entstand der Zionismus, als der Kapitalismus sich in einer Krise und im Abstieg befand.
Léon schrieb: „Weit davon entfernt, Ergebnis der Entwicklung der Produktivkräfte zu sein, ist der Zionismus gerade Konsequenz des totalen Stillstands der Entwicklung, das Resultat der kapitalistischen Erstarrung. Während die nationale Bewegung das Ergebnis der Entfaltung des Kapitalismus ist, ist der Zionismus ein Produkt der imperialistischen Ära“.

Tatsächlich weist Léon darauf hin, dass zu der Zeit, als die bürgerlichen nationalen Bewegungen wuchsen, Juden dazu tendierten, einer Assimilationshaltung beizupflichten. Der Kapitalismus war damals relativ stabil, der Antisemitismus daher eher schwach, und deshalb sahen sie sich als Teil von bereits existierenden Gesellschaften und nicht als auf nationaler Ebene von ihnen separiert. Erst mit Einsetzen von Krise und Niedergang des Kapitalismus, einmal im späten 19. Jahrhundert und dann viel schrecklicher in den 1920er und 1930er Jahren, begannen Juden, die „nationale Bewegung“ anzunehmen. Ihr Nationalismus ist ein Produkt des Kapitalismus (und des imperialistischen Zeitalters) im Niedergang und nicht des Kapitalismus im Aufwind. Der Zionismus hatte mehr Gemeinsamkeiten mit den kleineren, rückständigeren nationalen Bewegungen, die ebenfalls im frühen 20. Jahrhundert entstanden waren, etwa den aus dem Untergang Österreich-Ungarns entsprungenen, als mit dem klassischen Nationalismus – ihm fehlte sogar einiges ihrer historischen Vorgeschichte.

Folglich würde sich das Projekt eines zionistischen Staats nicht durch Juden verwirklichen lassen, die unabhängig agieren, um ihren eigenen bürgerlichen Nationalstaat zu gründen, sondern eher durch die Intervention und die Unterstützung imperialistischer Mächte. Léon hat erkannt, dass genau die Umstände, die den Zionismus hervorgerufen haben, auch seine Verwandlung in ein erfolgreiches Staatsprojekt nahezu verunmöglichten. „Der Niedergang des Kapitalismus, Grundlage für das Wachstum des Zionismus, ist auch die Ursache für die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung“, schrieb er in den frühen 1940er Jahren. „Das jüdische Bürgertum ist verpflichtet, mit allen Mitteln einen eigenständigen Nationalstaat zu schaffen und den objektiven Rahmen für die Entfaltung seiner Produktivkräfte zu sichern – und das zu einer Zeit, wo die Bedingungen einer solchen Entwicklung längst vorüber sind“.

Er stellt scharfsinnig fest, dass der Zionismus nur mit Unterstützung des Imperialismus einen Staat gründen kann und folgert acht Jahre vor der Gründung Israels: „Man kann natürlich einen relativen Erfolg des Zionismus nicht ausschließen, derart etwa, dass eine jüdische Mehrheit in Palästina entsteht. Denkbar wäre sogar die Bildung eines ‚jüdischen Staates‘, d.h. eines Staates unter der vollständigen Herrschaft des englischen oder amerikanischen Imperialismus“.

Das ist es, was eingetreten ist. Die Zionisten haben, zunächst mit der Unterstützung von Großbritannien und später mit der von den USA, den relativen Erfolg Israels erreicht. Seit seinen Anfängen war der Zionismus gezwungen, äußere Mächte um Hilfe für sein „nationales Befreiungsprojekt“ für Juden zu bitten. Eine Studie formuliert es so: „Von Anfang an war der Zionismus davon abhängig, dass europäische Mächte seine kolonialen Siedlerziele finanzierten“. Frühe Zionisten sprachen gezielt den Wunsch der imperialistischen Mächte an, ihren Einfluss auf der ganzen Welt zu zementieren und zu verbreiten. Genau Anfang des 20. Jahrhunderts hat Herzl in einer seiner vielen Diskussionen mit der britischen Regierung versprochen, dass sein jüdischer Staat „ein Teil des Bollwerks der Europäer gegen Asien sein würde, ein Außenposten der Zivilisation im Gegensatz zur Barbarei“.

Das reizte das Interesse imperialistischer Mächte, vor allem in Großbritannien. Die der extrem jungen Bewegung des Zionismus innewohnende Schwäche und Künstlichkeit auf der einen und die Ambitionen des britischen Empire auf der anderen Seite führten dazu, dass Großbritannien Elemente des zionistischen Anliegens übernahm. In den 1910ern und 1920ern, als der Zionismus unter den europäischen Juden immer noch relativ marginal war, hat Großbritannien Juden die Einwanderung in ihr Territorium in Palästina erlaubt, Léon zufolge vor allem als ein Weg, um die Juden als „Gegengewicht gegen die Araber“ zu nutzen. Großbritanniens Hauptinteresse war es, Juden in Palästina anzusiedeln (aber nicht zu viele), um dem „arabischen Nationalismus“ etwas an die Seite zu stellen. 1917 wurde mit der Balfour-Deklaration zum ersten Mal festgestellt, dass das britische Empire das Ziel eines jüdischen Staats in Palästina anerkennt.

Winston Churchill, damals Kabinettsminister, legte die Gründe Großbritanniens für ein Interesse am zionistischen Projekt wie folgt dar: „Ein jüdischer Staat unter dem Schutz der britischen Krone […] wäre unter jedem Gesichtspunkt von Vorteil und stünde im Einklang mit den wahrhaftigsten Interessen des britischen Empires“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Rückhalt der Autorität der jüdischen Erfahrung des Holocaust, haben erst Großbritannien und später die USA die Schaffung eines jüdischen Staats in Palästina unterstützt. Jüdische Guerillas haben mit britischen Kräften gekämpft, um das britische Mandat über Palästina zu beenden und die Schaffung eines jüdischen Staats zu beschleunigen. Mit der politischen, ökonomischen und militärischen Rückendeckung der USA von den 1950er Jahren an wurde das zionistische Projekt in Palästina so etwas wie ein Außenposten des westlichen Imperialismus. Der Mittlere Osten wurde die Schlüsselarena des Kalten Kriegs, mit Israel als Gendarm des Westens gegen den von der Sowjetunion unterstützten arabischen Nationalismus.

Weit davon entfernt, ein besonders böses oder hinterlistiges Projekt zu sein, hatte die Verwirklichung zionistischer Ziele in Palästina doch viel mit dem westlichen Kolonialismus im Allgemeinen gemeinsam. Sie bedeutete, dass Menschen von ihrem Land vertrieben wurden und dass umstrittenes Territorium besetzt wurde. Diese Dinge ereigneten sich nicht als Folge einer besonders gesetzlosen oder rassistischen Ideologie, sondern als Zusammenspiel von entstehendem jüdischem Nationalismus im Europa des 20. Jahrhunderts und der Ausnutzung dieses Nationalismus durch imperialistische Kräfte, die daran interessiert waren, ihren Einfluss im unbeständigen Nahen und Mittleren Osten zu erhalten und zu vergrößern.

Die derzeitige Meinung, dass die Zionisten die USA und andere westliche Staaten in der Hand hätten, interpretiert die Lage genau falsch herum. Wegen seiner eigentümlichen Ursprünge war der Zionismus tatsächlich immer vom Imperialismus und dessen Macht und Zielstellung abhängig und imperialistische Mächte waren regelmäßig willens, dies auszunutzen. In jüngerer Vergangenheit, vor allem seit dem Ende des Kalten Krieges, sind westliche Mächte bereitwilliger geworden, Israel zu schelten und es sogar mit Bedrohungen und Sanktionen zu bestrafen, wie sich etwa in der Warnung von US-Außenminister John Kerry an Israels Führung beobachten ließ, ein neues Friedensabkommen zu unterzeichnen. Die Zionisten bleiben westlicher Macht verpflichtet.
Dieser Text ist zuerst in der aktuellen NovoArgumente-Printausgabe (Nr. 118- II/2014) erschienen. Anmerkungen mit Fussnoten finden Interessierte hier.

Brendan O´Neill ist Chefredakteur des britischen Magzins Spiked. Dort ist das englischsprachige Original zuerst unter dem Titel „The Truth about Zionism“ erschienen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/zionismus_und_imperialismus_zionismus_serie_teil_3

 

Defensiver Zionismus

Von Brendan O’Neill

Die Schaffung eines zionistischen Staats hat die „jüdische Frage“, die Frage nach dem Platz der Juden in der heutigen Gesellschaft, nicht gelöst. Sie hat sie nur verdrängt und in vielerlei Hinsicht intensiviert. Leo Trotzki hat 1940, acht Jahre vor der Gründung Israels, davor gewarnt, dass sich die „künftige Entwicklung militärischer Ereignisse Palästina in eine blutige Falle für einige hunderttausend Juden verwandeln könnte“. [26] Tragischerweise bedeutet die Schaffung eines „besonderen Orts“ für Juden nicht nur eine Anpassung an den westlichen Antisemitismus des 20. Jahrhunderts. Es hat auch die Haltung einiger Menschen verstärkt, dass Juden seltsam, zurückgezogen und anders als wir anderen sind.
Derzeit ist die Debatte über den Zionismus gänzlich vom Wissen über seine historischen Ursprünge oder vom Verständnis seiner veränderlichen, 100 Jahre alten Beziehung mit dem Imperialismus losgelöst. Sie ist auch gänzlich von jeglicher humanistischen Diskussion über den Platz der Juden im 20. und 21. Jahrhundert entfernt. Stattdessen ist das Z-Wort zum billigen und bequemen Codewort für „böse“, für Boshaftigkeit geworden. Das liegt daran, dass sich die derzeitige antizionistische Politik nicht auf einer Anerkennung der Geschichte oder einer sinnvollen Solidarität entweder mit den Juden oder den Palästinensern gründet, sondern dass sie ein Ventil zum Ausdruck aller Arten von Unmut und, unter westlichen Funktionsträgern, zur Rückendeckung geworden ist.

Der Zionismus gilt als ein Überbleibsel der Vergangenheit des Westens, die die meisten Menschen am liebsten vergessen möchten. Zu einer Zeit, wo Souveränität nicht länger heilig ist, wo westliche Mächte ihre jeweilige staatlichen Souveränität zu so etwas wie der Europäischen Union zusammenlegen und verlangen, dass Staaten auf der ganzen Welt sich dem Verhör durch die „internationale Gemeinschaft“ öffnen, ist der Zionismus eine hässliche Erinnerung an ein kraftvolles, immer noch ungelöstes Souveränitätsprojekt. Zu einer Zeit, wo westliche Mächte ihre militärischen Unternehmungen zynisch als Verleugnung ihres Eigeninteresses beschreiben – offenbar kämpfen sie für die humanitäre Besserstellung belagerter Völker auf der ganzen Welt –, wird der militärische Einsatz der Zionisten, um ihrem Existenzrecht Ausdruck zu verleihen und ihre Grenzen zu stabilisieren, missbilligt. In unserer Zeit des Multikulturalismus, wo westeuropäische Regierungen das Hohelied der Mischung kultureller Identitäten singen (während sie ihre Grenzen für die falsche Art der kulturellen Identität entschieden geschlossen halten), wird der Wunsch der Zionisten, ihren jüdischen Staat zu erhalten, als Relikt des 19. Jahrhunderts angesehen. Die Ernüchterung über alte westliche Werte wird stets auf den Zionismus projiziert.

Schlimmer noch, manche westlichen Führer bemühen sich nun darum, ihr eigenes moralisches Ansehen im Weltgeschehen wieder herzustellen, indem sie die Herausforderung der Antizionisten annehmen, Israel die Stirn zu bieten. Für mich ist das Schauspiel britischer Politiker, des französischen Präsidenten und der deutschen Führung – drei Staaten mit schlimmer imperialistischer beziehungsweise rassistischer Vergangenheit –, bei dem sie vom zionistischen Staat verlangen zu zügeln, was die UN seine „rassistische und imperialistische Ideologie“ genannt hat, ekelerregend. Indem sie sich gegen den Zionismus in Position bringen, hoffen westliche Politiker, ihre koloniale und rassische Schuld auf den Nahen Osten verschieben zu können und die Zionisten zu Trägern der beschämenden westlichen Vergangenheit zu machen.

Kurz gesagt, stellen die Führungen der europäischen Staaten, deren früheres Handeln den Juden kaum eine Wahl ließ, außer dem Zionismus beizupflichten (Antisemitismus war im frühen 20. Jahrhundert, von Großbritannien über Deutschland nach Polen, weitverbreitet), nun den Zionismus als böse hin. Politik kann sich kaum degenerierter verhalten.

Wenn die Beschreibung des Zionismus als „expansionistisch, gesetzeswidrig und rassistisch“ in der Vergangenheit schon die Tatsachen verdreht hat, ist dies heute erst recht weit gefehlt. Heutiger Zionismus ist defensiv. Er stützt sich nicht auf Zukunftsvisionen, sondern auf Vorstellungen von der jüdischen Opferrolle, auf die Notwendigkeit „künftige Holocausts“ gegen Juden durch ihre verschiedenen Todfeinde aufzuhalten. Das hat eine physisch noch mehr abgeschottete Form des Zionismus entstehen lassen, wo Israel gewaltige, mit Stacheldraht bedeckte Ziegelmauern baut, um die Juden von der Außenwelt zu schützen. Das ist eine Tragödie, nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für die Juden.

Die „jüdische Frage“ war lange von besonderer Bedeutung für Progressive, weil die Stellung von Juden in einer Gesellschaft viel über diese verrät. Während die Französische Revolution dazu beitrug, viele europäische Juden zu befreien („der Triumphzug der napoleonischen Armeen [bildete] das Signal für die Emanzipation der Juden“, so Abraham Léon), verdammte der Beginn des kapitalistischen Niedergangs Juden zu Sündenböcken und zu Vernichtung. Und während das Aufkommen des Zionismus eine tragische, defätistische Anpassung an den Antisemitismus darstellte, beinhaltet der Aufstieg des heutigen Antizionismus die Zuteilung der Schuld für Fehler des Westens. Dies ermutigt die Juden, sich noch mehr abzugrenzen, was die schlimmstmögliche Antwort auf die „jüdische Frage“ ist.
Dieser Text ist zuerst in der aktuellen NovoArgumente-Printausgabe (Nr. 118- II/2014) erschienen. Anmerkungen mit Fussnotenm finden Interessierte hier.

Brendan O´Neill ist Chefredakteur des britischen Magzins Spiked. Dort ist das englischsprachige Original zuerst unter dem Titel „The Truth about Zionism“ erschienen.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/defensiver_zionismus_zionismus_serie_teil_4

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 Initiative Sozialistisches Forum

Neues vom Gröphaz
Zur Debatte um Heideggers “Schwarze Hefte”

 

Wer den größten Philosophen aller Zeiten einmal mit Adorno gelesen hat, dem fällt es gewiss schwer, noch zu staunen, wenn nun mit jedem seiner »Schwarzen Hefte« der Antisemitismus des Philosophen scheibchenweise verpackt in dessen Gesamtausgabe präsentiert wird. Seine berühmten Werke, in denen davon nichts zu finden ist, weil Juden und Judentum nicht erwähnt werden, verweisen dennoch auf ihn wie das Winterhilfswerk auf die Gaskammern. Anstelle von »Verjudung« und »jüdischer Verschwörung« ist darin vom Andrang des »Dämonischen« und von der »bodenlosen Organisa­tion des Normalmenschen« in Russland und Amerika die Rede, die das deutsche Volk in die Zange nähmen; statt von »Gegenvolk« und »Vernichtung« von »Volk« und »Sein zum Tod«. Die Windungen seiner Sprache resultierten gerade daraus, dass Heidegger das ideologische Zentrum des nationalsozialistischen Staates – die antisemitische Projektion – ausspart und ihn zugleich als Ganzes – also mit seinem Zentrum – bejaht. Nun liefern aber die »Schwarzen Hefte« doch noch dieses Herzstück nach (das davor schon von Emmanuel Faye in Seminarprotokollen entdeckt worden war) – und der Schock im französischen und deutschen Feuil­leton, das sich um Adornos, aber auch Karl Löwiths und Dolf Sternbergers Kritik kaum je gekümmert hat, tritt mit geradezu logischer Notwendigkeit ein. Aber die Schocktherapie, die Behandlung zur Exorzierung der kurzzeitig aufgetretenen Verstörung, begann schon, noch ehe die Hefte überhaupt publiziert waren.

Es ist ein Spezifikum der Heidegger-Rezeption in Deutschland nach 1945, dass sie stets den Umweg über Frankreich nimmt, um von dort reimportiert zu werden. Wie es einst eines Jean Beaufret oder eines Jacques Derrida bedurfte, um Heidegger auch unter deutschen Linken wieder hoffähig zu machen, so war es diesmal vor allem der Beaufret-Schüler und Heidegger-Übersetzer François Fédier, der eine Debatte auslöste, die auch den deutschen Blätterwald zum Rauschen brachte. Fédiers Anfeindungen gegen den Herausgeber der »Schwarzen Hefte«, Peter Trawny, und seine kolportierten Versuche, die Veröffentlichung der inkriminierten Stellen zu verhindern, waren der Auftakt einer Diskussion, die schon anlässlich der Bücher von Victor Farías und Emmanuel Faye geführt wurde und die erneut in der Entnazifizierung und Reha­bilitation von Heideggers Denken enden wird.

Die Therapie, die auf den Schock folgt, dient einzig der Katharsis: der psychischen Reinigung durch Inszenierung einer Debatte, deren einziger Zweck es ist, dass nicht das Geringste an Erkenntnis aus ihr folgt, um so weitermachen zu können wie bisher. So sehr die schockierten Teilnehmer auch ihrer Erschütterung darüber Ausdruck verleihen, dass Heidegger angesteckt war »von den Pathologien des (20.) Jahrhunderts« (Günter Figal im Deutschland­radio Kultur), so sehr dient gerade ihr Engagement der übergeordneten Aufgabe, die altbekannte Aufspaltung mit erleichtertem Gewissen fortzuschreiben: die Trennung in die Person Heidegger, die fehlbar war und sich habe verführen lassen, und in das Werk eines »der größten Philosophen des 20. Jahrhunderts«, aus dessen »schmerzhaften« Verirrungen sich lernen lasse, wie weit sich Philosophie, worauf Heideg­ger selbst aufmerksam gemacht habe, »versteigen« könne, wie Peter Trawny in der Zeit schreibt. Insofern wäre die Debatte als Spiegelspiel zu charakterisieren, in dem kritische Würdigung mit unbedingter Apologie um die Deutungsmacht streitet – solange gesichert ist, dass Heideggers Philosophie selbst nicht zur Debatte steht: Paradebeispiel jener permanent in Szene gesetzten Kontroversen, von denen das Feuilleton lebt.

Diejenigen, die sich nicht dazu verstehen, den Antisemitismus Heideggers frei heraus abzustreiten, folgen der Strategie der deutschen Vergangenheitsbewältigung, sich zur Geschichte und zu der Verantwortung, die aus ihr erwachse, zu bekennen. Während sie ideologische ­Legitimation für die Gegenwart daraus ziehen, das Unleugbare einzubekennen und in ein Argument für Heidegger zu transformieren, erklären die verbissenen Adepten allein die Idee, Heidegger könne antisemitische Ressentiments gehegt haben, für schieren Unsinn. Dieser resultiere daraus, so die antisemitische Abspaltung des Antisemitismus, »dass der Herausgeber Heideggers in Deutschland heute solche Angst hat, im Zusammenhang mit den Zitaten selbst als Antisemit zu erscheinen, dass er sich genötigt fühlt, bei jeder Erwähnung des Wortes Judentum den Antisemitismus-Vorwurf vorsorglich gleich selbst zu erheben«, so François Fédier in der Zeit. Mittels »der Keule des Antisemitismus« (Joseph Hanimann in der Süddeutschen Zeitung) wollten sich die Heidegger-Kritiker profilieren und darüber hinwegtäuschen, dass Heidegger als der Denker, der er war, niemals solch einer »richtig dumme(n) und totali­täre(n) Ideologie« (Silvio Vietta im Deutschlandradio Kultur) habe anhängen können.

Gemeinsam ist den kritischen und den apologetischen Stimmen das Bedürfnis, Heideggers Zivilisations- und Modernekritik zu retten – und nicht zuletzt darin zeigt sich, dass der Unterschied zwischen beiden Fraktionen lediglich ein gradueller ist. Letztere leugnen Heideg­gers Antisemitismus in toto, während erstere bloß verleugnen, dass dieser in unauflösbarem Zusammenhang mit seinem Denken steht. An der Kritik der »seit der Neuzeit um sich greifenden ›Bodenlosigkeit‹ und ›Weltlosigkeit‹« sei nur auszusetzen, dass in den »Schwarzen Heften« diese Erscheinungen der Seinsvergessenheit »dezidiert und platt mit dem ›Judentum‹ zusammengespannt« würden, so Matthias Flatscher in der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Antisemitismus sei das keiner, nimmt Vietta im Deutschlandfunk Kultur vorweg, sondern vielmehr Kulturkritik an den Juden, die sich dem »rechnenden Denken« verschrieben hätten: Die »Kritik, die er an den Juden führt, ist eine ganz andere Kritik. Die kommt eigentlich aus einer Zivilisationskritik«. Und François Fédier erklärt in der Zeit Heideggers Ausführungen über »die zähe Geschicklichkeit des Rechnens und Schiebens und Durcheinandermischens«, in der die »Weltlosigkeit des Judentums gegründet« sei, geradezu zur Solidaritätserklärung, weil der Seinsphilosoph darin bloß das Judentum »als erstes Opfer dieses Riesigen« habe ansprechen wollen.

In einem interessierten Missverständnis wird – gemäß dem beliebten postmodernen Spiel, zwischen genetivus subjectivus und gene­tivus objectivus zu changieren – die »Weltlosigkeit« zum Subjekt erhoben, das sich das Judentum zum Instrument mache: Das »Weltbild« (Heidegger) des »Rechnens und Schiebens«, die seinsvergessene Verfallenheit ans Seiende bezeichneten für den Freiburger Existentialontologen also den »Grund des Riesigen« und nicht das Judentum, wie böswillige Interpreten ihm unterstellten. Spiegelbildlich zu Derridas Versuchen, aus Marx einen Kämpfer gegen die Uneigentlichkeit zu machen, versuchen Vietta und Fédier, Heidegger als frühen Marx zu verkaufen. Während die Anleihen, die Marx in seiner Schrift »Zur Judenfrage« beim christlichen An­tijudaismus nimmt, Einsprengsel bleiben und angesichts seiner Kritik der politischen Ökonomie sich nicht nur erübrigen, sondern als wahnhaft durchschauen lassen, so sind es der Ursprungs- und Eigentlichkeitswahn in Heideg­gers Denken, seine Ranküne gegen Künstlichkeit und Rationalität, die den antisemitischem Hass auf Vermittlung und Versöhnung in sich tragen und zum Ausdruck bringen.

Das Judentum sei jedoch für Heidegger, so der Tenor des Feuilletons, lediglich eine der Formen, in der die Seinsvergessenheit auftrete. Dementsprechend habe er, nachdem seine anfängliche »Phase der Überwältigung durch den ›Führer‹ eine Enttäuschung erfahren« habe, auch »das Nazistische« gleichermaßen wie »das Jüdische« als »Triumph des ›Gestells‹« charakterisiert, »vor dessen Hintergrund Menschen, ob im Frieden oder Krieg, zum Material riesiger Kalküle, Verrechnungen, technischer Projekte unter dem Willen zur Macht wurden«, so der Grazer Philosoph Peter Strasser in der Presse. Abgesehen davon, dass nur im Wahnsystem eines Heidegger-Apologeten die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Judentum einen Beleg für die Inexistenz von Antisemitismus darstellen kann, erweist sich das vorgebrachte Argument angesichts der »Schwarzen Hefte« ganz offenbar als Schutzbehauptung, sprich: als dreiste Lüge. »Die zeitweilige Machtsteigerung des Judentums aber hat darin ihren Grund, dass die Metaphysik des Abendlandes, zumal in ihrer neuzeitlichen Entfaltung, die Ansatzstelle bot für das Sichbreitmachen einer sonst leeren Rationalität und Rechenfähigkeit, die sich auf solchem Wege eine Unterkunft im ›Geist‹ verschaffte«, heißt es im »Schwarzen Heft« von 1939 (Abteilung XII).

Wird schon hier die »leere Rationalität und Rechenfähigkeit« in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Judentum gebracht – sonst machte der Satz schlichtweg keinen Sinn: Wie soll das metaphysische Weltbild »Ansatzstelle« für etwas bilden, was es überhaupt erst hervorbringt? –, so spricht Heidegger im »Schwarzen Heft« von 1941 (Abteilung XIV) explizit gar von einer bestimmten Art der »Menschentümlichkeit«, die das Judentum charakterisiere: »Die Frage nach der Rolle des Weltjudentums ist keine rassische, sondern die metaphysische Frage nach der Art von Menschentümlichkeit, die schlechthin ungebunden die Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein als ›weltgeschichtliche‹ Aufgabe übernehmen kann.«

Es zeigt sich hier, wie falsch die Gleichsetzung von Antisemitismus und Rassismus ist, die Behauptung, dass Antisemiten ihren Hass nur rassistisch begründen könnten. Die metaphysische Frage tut es ebenso, wenn nur die Antwort darauf, wer das Prinzip verkörpert, das für die »Entwurzelung« und »Zersetzung« des Eigentlichen verantwortlich ist, von vornherein feststeht. Er muss es gar nicht als Rasse im biologistischen Sinn verkörpern, das kann und soll sogar offen bleiben; wichtig ist nur, dass er vernichtet wird.

Für das Feuilleton ist hingegen die Gleichsetzung von Rassismus und Antisemitismus ein grundlegendes Element der Apologie: Antisemitismus ist hier nur als rassistisch denkbar, da Heidegger aber kein Rassist war, seine Vorstellungen von Volk und Gemeinschaft vielmehr seinsgeschichtlich begründete, kann er auch kein Antisemit gewesen sein. Ein »durchgängiges rassistisches Konzept des Judentums im faschistisch-biologistischen Sinne bestätigt der Text nicht«, schreibt Flatscher; »Antisemitismus ist ein rassistischer Begriff und rassistisch hat Heidegger nicht gedacht«, so Vietta im Deutschlandradio Kultur; »Heideggers Vorstellung vom Dasein lässt jede Form von Rassismus unmöglich erscheinen, sein Daseinsbegriff lässt nicht zu, den Menschen als Rasse zu denken«, meint Fédier in der Zeit.

Auf der sichersten Seite ist man darum, wenn Heideggers Philosophie überhaupt zur Religion erklärt wird – eine Wendung, die schon Heidegger selbst vollzogen hatte, als er seinem berühmt-berüchtigten Spiegel-Interview den Titel gab: »Nur noch ein Gott kann uns retten«. Diesen Faden aufgreifend erklärt Peter Strasser in der Presse die Schicksalsgläubigkeit Heideggers zur »negative(n) Theologie«, die nichts mit »Faschismus« zu tun habe. Ganz so, als ob der Nationalsozialismus keinen Schicksalsglauben besessen hätte – während doch der Rassegedanke der gleichermaßen säkularisierte wie mythisch wiederauferstandene Gedanke an die göttliche Vorsehung war –, wird so getan, als ob Heideggers Motiv der »Wiederherstellung aller Dinge in ihrem ursprünglichen Reinheitszustand« nachgerade das Gegenteil des völkischen Gedankens darstelle. Vielmehr stecke hinter Heideggers auch von Strasser nicht zu leugnenden »Größenphantasien« doch nur der »kindlich-kindische Wunsch, aus einer Endschlacht siegreich hervorzugehen: als geschundener und letztlich strahlender Messias des Geistes. Dass den Juden dabei die Rolle des heilsgeschichtlichen Blockierer zugewiesen wurde (…) ist zumindest ein theologisches Ärgernis.«

Ein Ärgernis ist es also, noch dazu ein von kindlichen Phantasien geprägtes, dass Heideg­gers Suche nach dem Sein in seiner Ursprünglichkeit zielsicher bei der Identifizierung der Juden als Verkörperung jenes Prinzips landet, das diesem Sein den Garaus bereite. Heideggers Vernichtungsphantasien zu »Verirrungen« zu erklären, die nun einmal zum schicksalsgleichen »schmutzigen Erbe unserer Kultur« gehörten, weswegen nichts anderes übrig bliebe als sie anzunehmen, weil sie uns »noch trägt und bindet, indem wir sie verleugnen«, wie Strasser schreibt , diese Ontologisierung des Ontischen charakterisiert gleichermaßen Heideg­gers Philosophie wie die Versuche, sie zu retten: Einverständnis mit dem Bestehenden und Eskamotierung der Gewalt, die zu seiner Aufrechterhaltung notwendig ist.

Es wäre nun ein Leichtes nachzuweisen, dass es im Nationalsozialismus im Ideologischen durchaus keine einheitliche Auffassung dessen gab, wie der Vernichtungswahn auszubuchstabieren sei, vielmehr rivalisierten auch darin die verschiedenen Rackets, die einen mehr biologistisch orientiert, die anderen auf die metaphysische Frage konzentriert; die einen mit der Religion, die anderen gegen die Religion. Im Postnazismus eröffnete sich dadurch die Möglichkeit, immer die Position des jeweils anderen Rackets als die eigentlich nationalsozialistische zu brandmarken, um sich selbst davon freizusprechen. Und diese Möglichkeit setzt sich nicht zuletzt fort in der Art, wie man es gelernt hat, den Antizionismus vom Antisemitismus freizusprechen. Die Debatte um die »Schwarzen Hefte« zeigt, dass die Heidegger-Rezeption auch dafür ein Paradigma darstellt: Er war nach solchem Verständnis so wenig Antisemit, wie es der ist, der Israel kritisiert: Man wolle ja nicht die Juden verfolgen, sondern nur die Souveränität ihres Staates, ihre alles verschlingende »Rechenfähigkeit« und »Weltlosigkeit«.

So “geleitet” in der Tat ein Feldweg vom Heidegger-Hörsaal 1010 “den Fuß auf wendigem Pfad still durch die Weite des kargen Landes” (Heidegger: Der Feldweg) über Todtnauberg und Messkirch nach Palästina und von dort zurück an die Freiburger Universität, durch die Spechtpassage ins Jazzhaus. Beschritten hat ihn Gabi Webers Lieblingsreferent im Café Judenhass, der jüngst vor johlendem Publikum im Jos-Fritz-Café die “Dejudifizierung Israels” fordern durfte, das gegenwärtig freilich schlimmer als der Nationalsozialismus sei, um anschließend mit seinem nach dem ehemaligen Hauptquartier der PLO benannten “Orient-House”-Ensemble im Jazzhaus den Soundtrack zum multimedialen Aufgebot der Freiburger Antizionistenzentrale nachzuliefern. Gilad Atzmon hat wie kein anderer Heidegger-Apologet erkannt, dass es keiner neuen Veröffentlichung bedurfte, um zu wissen, dass Heidegger “kritisch” gegenüber “jüdischer Politik, Kultur, Ideologie und Geist” gewesen ist (so Atzmon in Veterans-Today). Allerdings: kein Antisemitismus sei es, sondern nur Kritik am Weltjudentum, wenn Heidegger in den Schwarzen Heften notiert, dieses sei “überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern”. “Kann eine ehrliche Beobachtung antisemitisch sein?” sekundiert ihm Atzmon, denn schließlich seien es “zionistische Stellvertreterkriege”, die Heidegger damit meine. Heidegger sei ein “deutscher Patriot” gewesen und habe als solcher gewusst, “dass es die Führer der Zionisten und die deutschen jüdischen Bankiers in Amerika waren, die den Eintritt Amerikas in den ersten Weltkrieg unterstützten”. Wer darin Antisemitismus glaubt erkennen zu müssen, so Atzmon, sei selbst nur ein “zionistisches Sprachrohr”.

Schon als Heidegger 1927 Sein und Zeit veröffentlichte, habe “die Frankfurter Schule, von jüdischen Akademikern beherrscht, bereits seit mehr als vier Jahren daran gearbeitet, die Grundlage für ihren Versuch zu schaffen, die deutsche Kultur im Namen des Kommunismus zu untergraben,” – kein Wunder also, so Atzmon, dass deutsche Nationalisten wie Heidegger genügend Gründe hatten, sich endlich einmal gegen jüdische “Kultur, Politik und Ideologie” (sowie, wie Atzmon an anderer Stelle notiert: “Religion” und “Geist”) zur Wehr zu setzen. Bestreitet man aber den Juden “politics”, also ihren Staat, “culture, ideology and spirit” und nicht zuletzt: “religion”, dann bleibt nach dieser Abstraktionsleistung nur noch der zu deportierende Körper übrig. So gibt sich Atzmons konsequente Heidegger-Apologie als nachgereichte Legitimation für den Massenmord zu erkennen.

Dass die Trennung von Werk und Person bei Antisemiten in der Regel so wenig aufgeht wie bei Heidegger, kann man an Atzmons Freunden vom Freiburger Antisemitenverein Café Palestine studieren. All die Vorträge und Events, ob in der Spechtpassage oder an der Uni, sind vom kaum noch camouflierten Hass auf die zum Opfer nicht bereiten Juden, auf ihren “Geist”, ihre Kultur und ihre Religion, also auf das “Weltjudentum” gezeichnet und bedienen das judenfeindliche Bedürfnis der Freiburger Szene, in der man auf Nachfrage selbstredend antworten wird, dass man “eigentlich” gegen Juden gar nichts habe, aber ….
So darf man annehmen, dass noch Atzmons Orientjazz und die zur Propaganda gereichten “arabischen Köstlichkeiten” politisch aufgeladen sind. Bot Heidegger nach einer Erinnerung von Günther Anders seinen Gästen – nicht frei vom Ressentiment gegen die Uneigentlichkeit und das Ge-stell – noch “sehr einfache Nudel-Abendessen” an, lädt Gabi Weber regelmäßig zum Falafelessen gegen Israel. Das muss er sein: der fundamentale Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus.

Der Text ist die von der ISF erweiterte Fassung eines in der Wochenzeitung Jungle World unter dem Titel “Die Schocktherapie” veröffentlichten Artikels von Alex Gruber und Gerhard Scheit, nachzulesen unter http://jungle-world.com/artikel/2014/13/49588.html. In der bei ça ira erscheinenden Zeitschrift sans phrase aus Wien, deren Redaktion die Autoren angehören, wird demnächst von Alex Gruber eine Fortsetzung veröffentlicht werden, die sich Slavoj Žižeks Heidegger-Verteidigung und seiner Auseinandersetzung mit der “‘judaischen’ Wende” im Poststrukturalismus durch Jacques Derrida widmen wird.

http://www.isf-freiburg.org/isf/jourfixe/jf-2014-1_groephaz.html

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Neue Linke, altes Elend
Anmerkung zur Linkspartei

Joachim Bruhn

Das Unbewußte der kapitalisierten Gesellschaft, also das, was vernunftfrei als Herrschaft und Ausbeutung agiert, erscheint nicht allein, wie die Ökonomisten aller Fraktionen meinen, in Wert und Kapital; es erscheint mit Notwendigkeit zudem in Politik und Souveränität. Das kommt davon, daß die Ausbeutung ohne die Herrschaft nicht zu haben ist, die Warenform keineswegs ohne die Rechtsform. Während die Wirtschaft das Schicksal ist und damit das Reich von Notwendigkeit und Determinismus, erscheinen Politik und Souveränität als das Reich der Freiheit und der Selbstbestimmung des Willens. Die Rechtsform und ihr Garant, der Staat, gelten als reine Vergegenständlichung des freien Willens, und daher kommt das Idiodiktum schon Ferdinand Lassalles, auch der unfreieste Staat könne nicht gegen die Idee des Staates an sich, die Freiheit, verstoßen, eine Idiotismus, der sich von August Bebel über Lenin bis hin zu Lafontaines Satz durchhält: „Der Sozialdemokratismus ist dem Volk einfach nicht auszutreiben“. Noch anders gesagt: Gerechter Lohn fürs gerechte Tagwerk, und Good Governance als Dreingabe gratis.

Karl Marx, dessen Kritik des Kapitals den Wert als doppeltes, als so politisches wie ökonomisches Ereignis begreift, kam nicht in seinen schwärzesten Momenten auf die Idee, erst das Kapital zu denunzieren und dann eine Apologie des politischen Souveräns zu verfassen, etwa als – der Idee und Potenz nach – „Staat des ganzen Volkes“ oder „Rechtsstaat“ oder als „Demokratie“. Es kommt hier nicht, wie bei Beton, darauf an, was man draus macht. Und bei der Demokratie kommt es nicht auf den Demos an (der an sich gar nicht existiert, sondern nur als das Produkt der Homogenisierung der Individuen zu Subjekten), sondern auf die Kratie, auf das Befehlen und das Gehorchen. Woher nun die gesellschaftlich systematisch erzeugte Illusion und eigentlich Ideologie, der Staat sei ein an sich neutraler Apparat, der Hausmeister und Geherda des produktiven Volkes, dessen Willen und Aktion im Prinzip – die dunklen Mächte, die hinter den Kulissen agieren und die allemal „gleicher als gleich“ sind, auf Null gebracht und die „Heuschrecken“ einmal exterminiert – die Interessen des deutschen Wahlmobs als ein bewaffneter Notar exekutiert? Woher der Wahn und die Wirksamkeit solcher Slogans wie „Politik für alle“ (Oskar Lafontaine)?

Die Attraktivität der Linkspartei gibt das Maß des gesellschaftlich Unbewußten. In Wahrheit verhält es sich ja so, daß „Links“ und „Partei“ diametral sich ausschließen. Eine Partei ist, ein Blick ins Grundgesetz zeigt das, ein Organ der staatlichen Willensbildung; und jedwede Partei ist, genaueres regelt das Parteiengesetz, ein ideologischer Staatsapparat, eine Instanz, bei der es keineswegs um den Inhalt, um das Programm, um die gute, wahre, schöne Absicht geht, sondern um die politische Zentralisierung jener Gewalt des Kapitals, die in Gestalt der Bundeswehr praktisch längst vorliegt. Weil es kein „sozialistisches Geld“ (Karl Kautsky) geben kann, wird es auch keinen „sozialistischen Staat“ geben können, keine sozialistische oder kommunistische Partei. An der „Linkspartei“ ist nicht Links relevant, sondern die Partei, die Partei als Form. Schon die Gründungskalamitäten der Linkspartei zeigen, worum es geht: Zentralisierung des Willens als reine Form, als Selbstzweck, d.h. als Agentur der Selbstverwertung des Werts. Nur wenn man sieht, daß es um rein gar nichts geht, werden die erbitterten Streitereien um Listenplätze verständlich. Wer die Nummer 1 besetzt, wird der Souverän seines Wahlmobs. Usw., usf.: Überall da, wo, sei’s in Oberammergau, sei’s in Berlin die Zentralität verbindlich geltender Entscheidung bejaht wird, ist das Kapitalverhältnis als solches bejaht worden. Die Leidenschaft der Kämpfe widerspiegelt genau die Absenz subversiver Vernunft. Wo der Wahn des Politischen um sich greift, da ist die Herrschaft fein ’raus.

Marx wußte das, im Gegensatz zu den Marxisten, genau: „Wo es politische Parteien gibt, findet jede den Grund eines jeden Übels darin, daß statt ihrer ihr Widerpart sich am Staatsruder befindet. Selbst die radikalen und revolutionären Politiker suchen den Grund des Übels nicht im Wesen des Staates, sondern in einer bestimmten Staatsform, an deren Stelle sie eine andere Staatsform setzen wollen“ (1844).

Wie sagt das Sprichwort? Fleischmann schaut durch Wollmanns Laden, d.h. die Socken sind verschlissen, wenn auch nciht vom langen Marsch, und der groß Onkel guckt vor. Die Linkspartei ist eine fadenscheinige Angelegenheit.

Jungle World N° 35, 31.8.200

http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/bruhn-neue.linke.html

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Es gibt kein Recht auf Israelkritik
Justus Wertmüller

„Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“. So und ähnlich hallte es in diesem Sommer, genauer: während des letzten Gaza-Kriegs durch die Straßen deutscher und europäischer Großstädte. Synagogen wurden angegriffen und als „jüdisch“ identifizierte Menschen bzw. solche, die sich öffentlich mit Israel solidarisierten, physisch attackiert. Die Täter waren keine bestiefelten Nazis, sondern junge männliche Moslems. „Allahu Akbar“ und „Tod den Juden“ krakeelend, schwenkte dieser antisemitische Mob die palästinensische Flagge, die sich damit einmal mehr als die Fahne des dschihadistischen Terrors erwies.

In Essen zum Beispiel kam es am 18. Juli zu Flaschen- und Feuerzeugwürfen auf eine pro-israelische Gegenkundgebung. Untermalt wurde dieses Szenario durch „Adolf Hitler! Adolf Hitler“-Rufe. Der WDR meldete damals lapidar: „Es hat keine Anzeichen dafür gegeben, dass sich Extremisten unter diese Demonstration gemischt haben […] Bisher ist es alles ein bisschen brisant, aber friedlich.“ Nicht nur beim WDR wurden diese und andere antisemitische Ausschreitungen verharmlost und versucht, Israel die Schuld für die Aufregung junger Männer auf Deutschlands Straßen in die Schuhe zu schieben. So titelt beispielsweise die Taz zum Angriffskrieg der Hamas und den israelischen Verteidigungsaktivitäten: „Israel provoziert dritte Intifada“.

Nicht allein dass die Partei Die Linke schon Organisator der erwähnten Demonstration in Essen war, nein, die Bundestagsabgeordnete Inge Höger und andere Parteimitglieder sind Unterzeichner des „Appells der bundesweiten Bewegung für einen gerechten Frieden in Nahost“. Auf deren Homepage heißt es: „Wir solidarisieren uns mit dem Recht auf Widerstand der Palästinenserinnen und Palästinenser gegen das Besatzungsregime Israel.“ Womit Israel gemeint ist.

Frau Höger solidarisiert sich, unter Verweis auf die Charta der Hamas, in der das Existenzrecht Israels bestritten wird, mit dem eliminatorischen Antisemitismus der palästinensischen Führung. Was all diese Menschen eint, ob Redakteure und Auslandskorrespondenten verschiedenster Medienanstalten oder Parteigänger der Linken, ist ihr vehement vorgetragenes „Recht“, Israel kritisieren zu dürfen. Inzwischen haben sich alle Verantwortungsträger der Bundesrepublik pflichtschuldig von den antisemitischen Ausschreitungen von insgesamt Tausenden Jubelpalästinensern distanziert und nicht minder pflichtschuldig hinzugefügt, dass es selbstverständlich legitim sei, Israel zu kritisieren. Dass Israelkritik und Antisemitismus das gleiche sind und der Mob auf der Straße nur auf seine Weise von diesem „Recht“ Gebrauch gemacht hat, kommt in solchen Erklärungen nicht vor.

Wer sich dieser Tage gegen Freunde Israels stellt, begeht schon den Schulterschluss mit den antisemitischen Lumpen und deren dschihadistischem Glaubensbekenntnis. Wer es mit seiner Kritik am Antisemitismus ernst meint, der kommt nicht umhin, sich kompromisslos hinter den jüdischen Staat zu stellen.

http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/20141003detmold.html

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Randale und Revolution

Das “Konzept Stadtguerilla” und die Gewaltmythen der Antiimperialisten und Autonomen

Joachim Bruhn

Es geht voran. So schnell hat die “Neue Linke” des kategorischen Imperativs sich entledigt, weder von der herrschenden Macht noch von der eigenen Ohnmacht sich verblöden zu lassen, daß allein die Geschwindigkeit dieser Verdrängung den Verdacht nahelegt, es habe nie eine “Neue Linke” gegeben. Zu schnell war die kurze Atempause zwischen dem kritischen Abtun der öffentlich anbefohlenen und dem begeisterten Aufbau der eigenen Dummheit vorbei, als daß nicht vermutet werden müßte, “Aufklärung” habe der Protestbewegung wenig mehr bedeutet als die günstige Gelegenheit, die langweilig gewordene Sklerose der Adenauer, Lübke und Kiesinger gegen lustvollere Gebrechen einzutauschen.

Kaum waren Mahatma Gandhi und Albert Schweizer entthront, da besetzten schon die proletarischen Kaiser W.I. Lenin und Mao Tse Tung ihre Plätze. Kaum waren die Idole des demokratischen Humanismus verabschiedet, schon herrschte in den Gazetten der Aufbauorganisationen der so aseptische wie exotische Geist des Lazaretts von Lambarene. Gegen die These, anders habe es wohl nicht kommen können, spricht nur eine kurze Irritation beim Übergang vom radikaldemokratischen Protest zum kommunistischen Aufbaueifer. Dem Zwang, die parteikommunistischen Konsequenzen zu ziehen, hätte durch die Erkenntnis, daß die radikaldemokratischen Prämissen bereits falsch waren, entgangen werden können. Es schien, als sei die “Trauer über den Verlust des bürgerlichen Individuums”[ 1 ] nicht nur geheuchelt, als stünde der Bruch mit dem Narrenkappenspiel der politischen Identität bevor, noch ehe es außer diesem Spiel nichts mehr geben sollte. Die APO der Ostermärsche war die Mobilmachung und “Politisierung von Staatsbürgern, die sich ihrer selbst bewußt wurden” [ 2 ]. Der Kampf für das Nachholen der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland, für die “politische Kultur”, überbot und radikalisierte das staatsbürgerliche Selbstbewußtsein soweit, daß es begann, sich vom bürgerlichen Leben zu emanzipieren, eigene Gestalt anzunehmen und sich rabiat gegen seine soziale Naturgrundlage zu wenden. Aus der heillosen Entzweiung des Citoyen mit sich selber, aus seinem Versuch, seinen schizophrenen Doppelgänger, den Bourgeois, zu vernichten und doch Bürger zu bleiben, zogen die ML/AO-Gruppen den Schluß, den Idealen der Verfassung sei nur mit revolutionären Methoden auf die Sprünge und damit zur Wirklichkeit zu verhelfen. Um zu staatsbürgerlichen Resultaten zu kommen mußte zu bolschewistischen Methoden gegriffen werden. Die plötzliche Wiederauferstehung des bürgerlichen Individuums als staatskapitalistischer Reform- oder auch Revolutionsbeamter [3 ] bewies, daß sein Tod nur ein Scheintod war, der scheinbare Verlust aber wirklichen Gewinn einbrachte; Als maostalinistischer Kader reinkarniert, streifte es sich die “politische Löwenhaut” [4 ] des Jakobiners über und avancierte als selbstloser Liebhaber der Arbeiterklasse.

Die Studentenbewegung blieb so in proletarischer Gestalt das bürgerliche Selbstmißverständnis, das sie zuvor schon war. Ihre Organisationswut bezeugte den Schrecken der trostlosen Vereinzelung im Konsum, dem die Eltern, ihres rücksichtslosen Einsatzes in der Produktionsschlacht um den Wiederaufbau der Volksgemeinschaft zum Trotz, Ende der 50er Jahre erlegen waren, aber auch ihren Willen, es diesmal besser zu machen. Stachanov war die Antwort auf die Sinn- und Zwecklosigkeit des bürgerlichen Lebens [ 5 ]. Die heute unverständliche Leidenschaft der Organisationsdebatten verdankte sich diesem sublimierten Schrecken und der panischen Angst, die Revolution, die nicht mit der wissenschaftlichen Präzision disziplinierter Berufsrevolutionäre kalt geplant und durchgeführt würde, werde zu keinem anderen Ergebnis führen als zuvor der Wiederaufbau.

Eine Revolution, die ihrem Begriff entsprechen soll, läßt sich nicht organisieren. Daß die Organisation es sei, die die Vermittlung zwischen revolutionärer Notwendigkeit und sozialer Wirklichkeit, zwischen Theorie und Praxis leisten müsse, ist eine Mystifikation, hinter der sich der überwertige Wunsch nach Gemeinschaft davor schützt, die eigene Blamage noch wahrzunehmen. Die Revolution ist ebensowenig eine Frage der Organisation wie der Bau einer Brücke Frage einer spontanen Eingebung in Sachen Statik.

Die Linke, bemüht, die Vermittlung zwischen Theorie und Praxis zu erfinden, zu sein und sich als diese Vermittlung zu betätigen (worin schon ihre gesamte Geschichte besteht), erlag darin der bürgerlichen Revolutionsideologie, die die Revolution unter den manipulierbaren Gegenständen des technisch Machbaren klassifiziert, um sich sodann in Gestalt der Polizei auf die Fahndung nach ihren Ingenieuren und Technikern zu begeben. (Hierin läge ein Grund mehr, Amnestie für die politischen Gefangenen des bewaffneten Widerstandes zu fordern: Wenn es möglich ist, den genialsten “Hackern” die Strafe zu erlassen, um sie in den Computerkonzernen zu beschäftigen, warum sollte es unmöglich sein, die staatlichen Gewalttechniker dazu zu bewegen, ihre rein professionelle Hochachtung für das Revolutionsingenieurwesen auch öffentlich, als Amnestie eben, auszudrücken?). Der in der “Neuen Linken” allseits geteilte Wahn, es ginge darum, zwischen “Sein” und “Bewußtsein” zu vermitteln, diese Vermittlung zum Programm zu erheben und als Organisation zu praktizieren, führte dazu, daß sie Revolutionstheorie betrieb, anstatt die Geschichte der Revolutionen zu studieren. Die Linke memorierte Lenins Staat und Revolution bis zur Bewußtlosigkeit, aber sie ignorierte die Geschichte der Oktoberrevolution. Sie paukte Parteigeschichte und beherrschte all die Programme, Kongresse und Fraktionen auswendig; die Geschichte der Räte war ihr gleichgültig oder bloße Illustration. Sie machte sich daran, ökonomisches Sein und ideologisches Bewußtsein zu vermitteln und konnte darüber nicht mehr wahrnehmen, daß sie längst praktisch zur deutschen Misere vermittelt waren, aneinanderhingen wie Pech und Schwefel. Statt die Notwendigkeit der Revolution auf den Begriff zu bringen, diesen Begriff in Kritik und Polemik zu entfalten und im übrigen kontrafaktisch auf bessere Zeiten zu hoffen, ließ sie es mit der wissenschaftlichen Behauptung dieser Notwendigkeit bewenden, erhob sie zum Glaubenssatz und stürzte sich in den Aufbau der zur Vermittlung des Glaubens nötigen Apparate. Das vorgebliche Mittel war der eigentlich gewollte Zweck.

Im Konzept Stadtguerilla legte die Rote Armee Fraktion 1971 den Finger auf diese Wunde, ohne jedoch eine andere Medizin zu empfehlen als eben jenes Spektakel von Theorie und Praxis, von Sein und Bewußtsein, an dem die achtbare Linke sich längst berauschte. So treffend die Kritik, die Neue Linke sei nur ein “Konkurrenzkampf von Intellektuellen, die sich vor einer imaginären Jury … den Rang um die bessere Marx-Rezeption ablaufen”, und so gerecht der Vorwurf, “mit Lukács langfristig zu promovieren ist ihnen wichtig, sich von Blanqui kurzfristig agitieren zu lassen, ist ihnen suspekt” [ 6 ], auch sind – die Kritik ist nur Ausdruck eben jener Vermittlungsphobie, deren Resultate sie denunziert. Am Fundament des “wissenschaftlichen Sozialismus” selber wurde nicht gekratzt, vielmehr noch zementiert.

Revolutionstheorie, deren praktische Anwendung das Konzept Stadtguerilla einklagte und zu deren militärwissenschaftlicher Fundierung ihre Thesen beitragen sollten, ist ein logischer Widerspruch in sich. Abgesehen davon, daß keine historische Revolution jemals organisiert worden ist, läßt sich nur jener Gegenstand theoretisieren, der den Geboten der Logik, der Widerspruchsfreiheit und des Verstandes an sich selbst schon folgt. Die bürgerliche Gesellschaft stellt aber nicht den seiner selbst noch unbewußten Sozialismus dar, sondern dessen gerades Gegenteil – postfaschistische Gesellschaft im genauen Gegensatz zu freier Assoziation. Da das Kapital als soziales Verhältnis nicht das entfremdete, aber theoretisch rekonstruierbare Verhältnis der Arbeit zu sich selber darstellt, “eigentlich” und “an sich” also keine Form des Selbstwiderspruchs der arbeitenden Gattung Mensch ist, kann es, im Gegensatz zur Notwendigkeit der Revolution, keine Theorie der Revolution geben. Gäbe es die Theorie trotzdem, so vermöchte sie nichts anderes zu beweisen als die Unmöglichkeit ihres Gegenstandes. Wäre Revolution, was Theorie fordern muß, ein ableitbarer, bedingter Akt, “eine rationale, planbare Tat, dann wäre sie die Vernichtung ihrer selbst als eines Aktes der Freiheit, in dem sich, man weiß nicht wie, ein neuer Anfang setzt, ein gesellschaftlich-praktisches Aha-Erlebnis, das den Begriffshorizont revolutionärer Pädagogen und didaktisch geschulter Propagandisten notwendig überschreiten muß. Wäre schließlich Revolutionstheorie möglich, dann wäre die Revolution eine Probe aufs Exempel wie der Schokoladenpudding eine Probe auf Dr. Oetkers Rezept. Die Probe auf Dr. Oetker ist der Geschmack, die Probe auf jede Revolutionstheorie ihre praktische Widerlegung.

Die Kritik der RAF am neuen deutschen Kathedersozialismus der Marx-Engels-Exegeten – “Praxislos ist die Lektüre des Kapital nichts als bürgerliches Studium” [ 7 ] – zielte ebenso wie der Einwand gegen den diskreten Legalismus der Parteiaufbauer – “metaphysische Verlängerung der Legalität” [ 8 ] – ins Zentrum der neulinken Vorstellung gelingender Aufklärung. Indem die RAF auf die Verbindung von Aufklärung und Aktion beharrte, kritisierte sie bereits die pädagogische Idee vom “Lernprozeß”, mit der die akademischen Sozialisten die Verstaatlichung der Protestbewegung rechtfertigten. Vermittlung von Wissen als Aufklärung auszugeben hat seinen Frieden mit Herrschaft schon geschlossen, bevor noch eine Unterrichtseinheit erstellt und bevor noch der Staat das erste Mal aus dem Kapital “abgeleitet” wird: Ist doch als Voraussetzung immer schon unterstellt, Herrschaft beruhe auf nichts anderem als auf dem Nicht-Wissen der Beherrschten. Das Dogma der pädagogischen Linken: “Wissen ist Macht” signalisiert den Beherrschten im einfachen Umkehrschluß nur, daß die Macht alles weiß und jeder Widerstand zwecklos ist. Lernprozessse aber erfordern unbedingte Ruhe und Andacht – verständlich daher, daß die achtbare Linke den Theorien wie den Aktionen der RAF nicht mehr zu antworten wußte als: Nicht hier, nicht jetzt, nicht das. Die Kritik, die RAF verwechsle “in einem typisch bürgerlichen Mißverständnis die proletarische Klassengewalt mit dem privatisierten Faustrecht kleiner Gruppen”, führte nicht zur näheren Bestimmung dessen, was denn “proletarische Klassengewalt” sei, sondern allein zu der Aufforderung, “in den Gewerkschaften zu arbeiten, konkrete Interessenpolitik zu betreiben” und “dabei auch keine Angst vor einer Praxis zu haben, die im plakativen Revolutionsverständnis als reformistisch denunziert wird, so Elmar Altvater [ 9 ]. Die bewaffnete Kritik des Legalismus mündete in der Verhärtung des Kritisierten zum Syndrom. Der bewaffnete Aufstand würde zum Anathema der “Neuen Linken” – ein früher Grund dafür, daß sie nur Friedensforscher hervorgebracht hat. Die “Neue Linke” gelangte noch nicht einmal auf den Standpunkt offizieller Militärwissenschaft, leistete noch nicht einmal die nüchterne Kritik, die RAF berufe sich zu Unrecht auf Blanqui: der nämlich wußte, wann er aufzuhören hatte. Am 18. August 1870, wenige Wochen vor der Kommune, wagte er mit dreihundert Genösse” den Aufstand in Paris. Als sich seine Auffassung des Verhältnisses von organisierter Verschwörung und allgemeinem Volksaufstand nicht bestätigte, als die späteren Kommunarden nicht zu Hilfe kamen, schickte er seine Genossen wieder nach Hause – “angesichts der allgemeinen Gleichgültigkeit” [ 10 ].

Innerhalb der Zwangsvorstellung, Theorie und Praxis vermitteln zu müssen, ist die Idee des Lernprozesses allerdings ebenso rational wie die, Aufklärung des Bewußtseins durchs praktische Bombardement des herrschenden Seins und Bewußtseins treiben zu wollen. Banal wäre es, unter zwei fixen Ideen für die sich entscheiden zu wollen, die sich so ernst nimmt, daß, wer sie glaubt, sich zum Opfer bringt. Wer gratuliert schon einem Paranoiker dafür, daß er, im Wahn, hinter der Mauer lauere die verhaßte Schwiegermutter, mit dem Kopf durch die Wand will? Was wäre gewonnen, wenn er den blutigen Kopf sich ersparte, der Zwangsvorstellung aber weiter anhinge?

Der Wahn der Vermittlung wird praktisch in der Fahndung nach dem revolutionären Subjekt. Das Interesse, eine Revolutionstheorie auszuarbeiten, erfordert als die Bedingung seiner Möglichkeit die Existenz einer irgendwie gearteten Subjekt/Objekt-Einheit, das Sein eines Dinges also, das Handgreiflichkeit und Utopie vereint, eines Dinges, das zwar objektiv und “an sich” schon ist, subjektiv und “für sich” aber leider noch nicht   zu welchem Bewußtsein der Revolutionstheoretiker ihm verhilft. Wo der Kathedersozialist die gewerkschaftseigene Arbeiterbewegung als derart metaphysisch-praktisches Subjekt/Objekt setzt, da setzt der Stadtguerillero, mit gleichem Recht, als revolutionäres Subjekt sich selbst. Zwischen der seminarmarxistischen Vorstellung, im Klassenkampf, unter der Führung einer umsichtig Theorie und Praxis vermittelnden Instanz, kämen die Arbeiter langsam zu sich und erführen sich als das, was sie aber immer schon waren, und der terroristischen These, Stadtguerilla erweise kämpfend ihre eigene Möglichkeit und konstituiere gehend erst den Boden, auf dem sie geht, herrscht erkenntnistheoretische Waffengleichheit und keine kann der anderen ihr Recht bestreiten.

Wie aber kann ein Subjekt sich als revolutionäres erklären, wie an sich selbst die Identität von Vernunft und Interesse praktisch erweisen? Subjekt und Objekt der Revolution zugleich zusein, das notwendige Absolute im empirischen Sozialen darzustellen und so die These: “Die politischen Möglichkeiten werden solange nicht wirklich ausgenutzt werden können, solange das Ziel, der bewaffnete Kampf, nicht als Ziel der Politik zu erkennen ist” [ 11 ], zu bewahrheiten, das provoziert schon die Frage nach der persönlichen Identität des Kämpfers. Wie kann er seine Entscheidung zur Illegalität als eine rationale noch festhalten, wie die im Konzept Stadtguerilla schon vorausgesetzte “permanente Integration von individuellem Charakter und politischer Motivation, d.h. politische Identität” [ 12 ] fortsetzen, wie den Zusammenhang von freier individueller Entscheidung und politischer Notwendigkeit unter den Horizont der Freiheit überhaupt stellen? Die Antwort der RAF zeigt das Dilemma wie die falsche Lösung zugleich: “Ohne den Rückzug in bürgerliche Berufe offen zu halten, ohne die Revolution nochmals an den Nagel des Reihenhauses hängen zu können, also auch ohne das zu wollen, also mit dem Pathos, das Blanqui ausgedrückt hat: ‚Die Pflicht eines Revolutionärs ist, immer zu kämpfen, trotzdem zu kämpfen, bis zum Tod zu kämpfen‘”. [ 13 ]

Der freie Wille zur Revolution kann nur als Zwang festgehalten werden, die rationelle Entscheidung nur als die irrationale, zur persönlichen Identität, zur Zwangsmoral, verdichtete existentielle Dezision, die sich vor ihrer eigenen Haltlosigkeit schützen muß. Am eigenen Leibe demonstriert so die RAF das Dilemma der Revolutionstheorie, .zwischen Notwendigkeit und Wirklichkeit vermitteln zu wollen. Da die Vermittlung real, als negative, immer schon besteht, kann sie nur zur Moral verdoppelt werden. Das an Revolution interessierte Individuum, das sein Interesse als vernünftig allgemeines Interesse nicht erweisen kann, ist gezwungen, den fehlenden Zusammenhang gewaltsam herzustellen. Paradox erweist es damit, was gerade bestritten werden sollte: Die Revolution ist zu dem geworden, was sich die bürgerliche Gesellschaft immer schon unter ihr vorstellte – ein Moment sozialer Pathologie, eine Halluzination und ein Hobby, eine Leidenschaft, die für sich die gleiche Notwendigkeit in Anspruch nehmen kann wie irgendeine andere Begierde, wie Surfen oder Kriminalromane lesen. Daß der Sozialismus zur Privatsache wurde in einer Gesellschaft, in der jeder nach seiner Façon selig werden kann, beweisen gerade seine resolutesten Vorkämpfer. Als Gegenstand der Moral rangiert die Revolution unter den Geschmacksfragen, über die sich nicht streiten läßt. Am Ende der Suche nach Vermittlung – das in den Letzten Texten Ulrike Meinhofs meistgebrauchte, stets bittflehend hervorgehobene Wort [ 14 ] – steht die völlige Vermittlungslosigkeit und ihr kategorischer Imperativ: Zwang zur existentiellen Entscheidung. In den Worten von Holger Meins: “Entweder Schwein oder Mensch. Entweder Überleben um jeden Preis oder Kampf bis zum Tod. Entweder Problem oder Lösung. Dazwischen gibt es nichts” [ 15 ], reflektiert sich das objektive Dilemma, daß die revolutionäre Notwendigkeit nur in völliger Privatheit noch erkannt werden kann. Die bürgerliche Gesellschaft hat es soweit gebracht, daß vernünftig ihre revolutionäre Wahrheit nicht mehr behauptet werden kann, sondern zum Wahn wird. Das Interesse, sie zu revolutionieren, kann außer des trotzigen “Ich will” keine weiteren Gründe mehr beibringen.

Es liegt in der traurigen Dialektik des bewaffneten Kampfes, daß sein Existentialismus erst unter den Bedingungen der Isolationshaft praktisch wahr wird. Hier, im Gefängnis, holt er sich selber ein, reinigt sich von allen empirischen Resten und wird mit sich selbst identisch – in völliger Leere, als das Nichts, das sich bis zum Ende mit Nichts zu Nichts vermittelt hat und nun als reines Sein, als pures Leben erscheint. “Die absolute Einsamkeit, die gewaltsame Rückverweisung auf das eigene Selbst, dessen ganzes Sein in der Bewältigung von Material besteht, im monotonen Rhythmus der Arbeit, umreißt als Schreckgespenst die Existenz des Menschen in der modernen Welt. Radikale Isolierung und radikale Reduktion auf stets dasselbe hoffnungslose Nichts sind identisch. Der Mensch im Zuchthaus ist das wirkliche Bild des bürgerlichen Typus, zu dem er sich in der Wirklichkeit erst machen soll”, schreiben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung. [ 16 ] Anders als im Ergebnis der Anwendung physischen Zwanges jedoch konnten sie sich die Reduktion des Menschen auf nichts als das nackte Leben nicht vorstellen. Die modernen Freunde des bewaffneten Kampfes beweisen das Gegenteil.

Zu Beginn war die Rote Armee Fraktion Terrorismus im eigentlichen Sinne: “Spontane Revolte des Gefühls gegen alle Vernunft – großherzig, aber vergeblich” [ 17 ]; der Versuch, praktisch zu beweisen, daß dem Revolutionär die Zeit der Revolution immer reif ist, daß ihre Notwendigkeit immer schon besteht. Darin war sie Fortsetzung der Revolutionstheorie mit praktischen Mitteln, der Protest gegen die kathedersozialistische Trennung von Notwendigkeit und Möglichkeit, das Wissen, das keine noch so vollendete, keine noch so authentische “Rekonstruktion des Marxismus” ein Beweis gegen die unbestrittene Geltung falscher Verhältnisse ist. Weil die Radikalisierung des Protests zum Widerstand außer dem Willen nichts hinter sich hatte, konnte der Widerstand, um seiner selbst willen fortgesetzt, keine andere Zukunft vor sich haben als die, in absoluter Opposition gegen die bürgerliche Gesellschaft, doch ihr innerstes Gesetz, ihren objektiven Nihilismus, zu reproduzieren. Wie Blanqui der erklärte Ahnherr ihres Aufbruchs war, so ist Netschajev der diskrete Notar ihres Endes: “Der Revolutionär … hat kein Interesse an sich selbst, keine Affairen, keine Gefühle, keinen Besitz, nicht einmal einen Namen. Alles ist in ihm von einem einzigen, alles einnehmenden Interesse … besessen: der Revolution. … Er sollte sie (seine Genossen) als Teil eines allgemeinen Fundus revolutionären Kapitals ansehen, das zu seiner Verfügung steht. Er sollte seinen Anteil an diesem Kapital ökonomisch einsetzen, um den größtmöglichen Profit daraus zu schlagen. Sich selbst soll er als Kapital ansehen…” [ 18 ]. Der existentialistische Protest gegen den Kapitalismus mündet in der konsequenten Selbstverwertung des widerständigen Subjekts; das gerechte Attentat verkommt zur perfekten Liquidation.

Schon in der Frühphase vermochten es die Vertreter des bewaffneten Kampfes kaum, das Rationelle ihrer These in anderer als mystifizierter Form festzuhalten. Wie die legale Linke in Programmparteien einerseits, in Spontis und Stadtindianer andererseits zerfiel, sich in “Aufklärung” oder “Betroffenheit” spaltete, so auch ihr illegaler Schatten. Den Jesuiten des militarisierten Klassenkampfes traten seine Hedonisten zur Seite. Der asketische Jakobinismus der RAF provozierte als seinen Widerpart die lebenslustige proletarische Bohème der Haschrebellen, des “Blues” und der “Bewegung 2. Juni”. Die Pflicht zum Widerstand wurde die Lust dazu entgegengesetzt; der Vorwurf der Spontis an die Marxisten-Leninisten, unfähig zur “Vermittlung” von großer Politik und gelebtem Alltag zu sein, wiederholte sich im Untergrund. “Ein Intellektueller zieht den Moment, wo er Gewalt anwendet, aus einer Abstraktion, weil er sagt, ich mache Revolution wegen des Imperialismus oder aus anderen theoretischen Beweggründen. Daraus leitet er den Anspruch ab, daß er Gewalt einsetzen kann, den anderen gegenüber”, schreibt Bommi Baumann und unterstellt schon, ein Intellektueller könne nicht auch vernünftigere Gründe haben als ausgerechnet theoretische. Aber die “Guerilla diffusa” ist nicht weniger abstrakt als der antiimperialistische Zentralstaatsterror: “Wir haben mit der Gewalt von Kindesbeinen an gelebt, das hat eine materielle Wurzel. Wenn Zahltag ist, der Alte kommt besoffen nach Hause und verprügelt erstmal seine Alte, das sind doch die ganzen Geschichten. … Für dich ist Gewalt eine ganz spontane Sache, die du ganz leicht abwickeln kannst”. [ 19 ] Die proletarischen Bohème verachtet gerade das Rationelle an der RAF, die Gewalt auch als moralisches Problem aufzufassen und daher legitimieren zu müssen; ein Lebensgefühl läßt sich nicht legitimieren, es muß sich ausdrücken. Der Bohème-Terrorist ist immer schon der lammfromme Müslifresser, der Gewalt sagt und Liebe meint: “Daß du dich für den Terrorismus entscheidest, ist schon psychisch vorprogrammiert. Ich kann es heute an mir selber sehen, das ist einfach Furcht vor der Liebe gewesen, … aus der du dich flüchtest in die absolute Gewalt”. [ 20 ]

Der aus dem Umkreis des späteren “2. Juni”, von der Gruppe “Tupamaros Westberlin”, vorbereitete Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin, pünktlich zum 31. Jahrestag der “Reichskristallnacht” 1969 inszeniert, macht deutlich, wohin das “spontane” Gefühl in Deutschland immer noch führt. Der frustrierte Wunsch, von allen gehätschelt und geliebt zu werden, schlägt abrupt und gnadenlos in die Lust am allgemeinen Massaker um, dessen erstes Opfer in Deutschland natürlich die Juden sein müssen. Bommi Baumann dokumentiert, Jahre später, aber immer noch stolz, ein Flugblatt zu dieser Aktion. Darin heißt es: “Am 31. Jahrestag der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin mehrere jüdische Mahnmale mit ‚Schalom Napalm‘ und ‚El Fatah‘ beschmiert. Im jüdischen Gemeindehaus wurde eine Brandbombe deponiert. Beide Aktionen sind nicht mehr (!) als rechtsradikale Auswüchse zu diffamieren, sondern sie sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler sozialistischer Solidarität. … Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden”. [ 21 ] Der Judenhaß, unter linken Deutschen zum “Antizionismus” veredelt, erscheint, durch keine Reflexion gebrochen, als “eine ganz spontane Sache”. Das einzige, was Baumann daran noch zu bemängeln weiß, fällt in die Sparte Kameraderie und Manöverkritik, “denn daß wieder Deutsche in der jüdischen Synagoge eine Bombe deponieren, das war nicht mehr zu vermitteln” [ 22 ]. Dem Lebensgefühl existiert keine Intention, die durchs Resultat zu blamieren wäre; es ist immer schon über jedes Resultat hinaus und feiert gedächtnislos die Vermittlung mit sich selber.

Gewalt, rationelles Mittel revolutionärer Politik, die es ernst meint und nicht zum kritischen Dialog mit Herrschaft sich verflüchtigen will, verkommt zum Dogma im Zustand der Unmöglichkeit dieser Politik. Ohne politische Strategie ist Gewalt noch nicht einmal Taktik – der Stadtguerillero wird vom Amokläufer ununterscheidbar. Wie dessen blinde Wut erst im unterschiedslosen Massaker ganz mit sich identisch wird und sich der Person restlos, noch ohne die Kontrolle der Selbsterhaltung, bemächtigt, so “materialisiert sich die Guerilla” für Holger Meins “im Kampf, in der revolutionären Aktion und zwar: ohne Ende – eben: Kampf bis zum Tod und natürlich kollektiv” [ 23 ], so ist die Guerilla nichts als praktizierter Existentialismus und “Sein zum Tode”. Wenn es stimmt, “daß Leben und Subjektivität nur im bewaffneten antiimperialistischen Kampf möglich sind” [ 24 ], dann sind Kampf und Leben ununterscheidbar. Diesem Existentialismus sind “Gewalt und Leben beinahe Synonyme. Die keimende Ähre, die den hartgefrorenen Boden sprengt, der Schnabel des Kükens, der die Eischale zerschlägt, die Befruchtung der Frau, die Geburt eines Kindes, sind nicht mit der Schuld der Gewalt beladen. Niemand klagt ein Kind, eine Frau, ein Küken, eine Knospe, ein Getreidekorn an”. [ 25 ] Wo es außer Fressen und Gefressenwerden nichts mehr gibt, ist jede Justiz nur die angemaßte Gewalt des zufällig Stärkeren. Die bürgerliche Gesellschaft, deren innerste Tendenz es ist, in ein naturwüchsiges Gehäuse der Hörigkeit sich zu verwandeln und deren praktische Fortschritte in der Mutation zum Ameisenstaat unübersehbar sind, hat kein Recht, die Gewalt des Guerillero als “unnatürlich”, als “unmenschlich” oder gar als “illegal” abzuurteilen.

In diesem Verhältnis sehen die modernen Freunde des bewaffneten Kampfes, die Antiimperialisten und große Teile der Autonomen, natürlich keinen Grund, sich für die Amnestie stark zu machen, sondern nur eine Ermächtigung mehr, den Heroismus des Opfers zu feiern. Ohne die Genossen im Gefängnis kein Genuß im Kampf. Als militarisierten Spontis gilt ihnen Revolution als die bloße Steigerungsform von Militanz. Daß sie die “Gewaltfrage” ebenso lustvoll, d.h. inquisitorisch, stellen wie ihre feindlichen pazifistischen Brüder, deutet schon an, daß der einstige Gegensatz der legalen zur illegalen Linken zum Schaukampf feindlicher Temperamente geworden ist. Zwischen der pazifistischen Vorstellung, die Gesellschaft sei letztlich ein menschliches Netzwerk und staatliche Gewalt daher auf Mißverständnisse der Kommunikation zurückzuführen, und der antiimperialistischen Vorstellung, die Staatsmacht “ist die Militärstrategie, Aufstandsbekämpfung, Maschine – aber hohl, nur Gewalt, sonst nichts” [ 26 ], ist der Unterschied nur der, daß die unentscheidbare Frage, ob die BRD eher einem Freizeitpark oder einem Knast gleicht, je nach Gusto doch entschieden werden muß. Zwischen den Satyagraha-Normen Mahatma Gandhis und den Hymnen auf den bewaffneten Kampf können nur noch Zufall des Charakters und Willkür der Wahl entscheiden. Horst-Eberhard Richter, der die latente Gewaltbereitschaft therapeutisch bis ins letzte Glied ausrotten möchte und dafür in der Friedensbewegung ein dankbares Publikum fand, und Petra Kelly, der, ganz in der Tradition des politisierenden Protestantismus, das Werk nichts gilt, wenn die Absicht nicht rein war, stellen nur die domestizierte Variante der anonymen Autoren dar, die im Januar 1986 nach Frankfurt zum “Kongreß antiimperialistischer und antikapitalistischer Widerstand in Westeuropa” einluden. “Der Staat, der sich in seinem totalen Machtanspruch über alles, was sich selbstbestimmt organisieren will, drüber stülpt, die Destruktivität, die alle Lebensäußerungen besetzt: Hier ist die Wurzel der Kämpfe nicht die materielle Bedürfnissicherung, sondern das Bedürfnis zu leben – die subjektiven Ziele nach selbstbestimmter Kollektivität. Das ist hier die Triebfeder zu kämpfen, und wo ‚Leben‘ erst da wieder anfängt, wo mans selber zum Bruch bringt mit der ganzen ‚Normalität‘ der Metropolenwirklichkeit – antagonistisch dazu ist, weil man kämpft, und von da aus die Rückeroberung von Identität und Klassenbewußtsein läuft”. [ 27 ]

Die Entscheidung für oder gegen die Gewalt ist, ebenso wie die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen oppositioneller Gewalt, Ausdruck einer existentiellen Dimension, an sich unbegründbar und ganz von den Ansprüchen abhängig, die einer an seine psychische Innenausstattung, seine Identität, stellt. Die Zeitschrift Radikal meint: “Es gibt keine Argumente für oder gegen den totalen Angriff auf den Imperialismus mit allen Mitteln, das ist eine persönliche Willensentscheidung und weniger ein Ergebnis theoretischer Diskussionen… Deine Motivation für den Kampf kannst nur Du selber sein”. [ 28 ] Während die antiimperialistische Fraktion ihre Identität vorzugsweise mit den reinen Negationen der bürgerlichen möbliert, d.h. mit nichts, und dafür auch die angemessene sprachliche Form, das seiner selbst kaum noch mächtige Gestammel, findet, da richten sich die Autonomen mit den Überbleibseln der früher unter Spontis und Stadtindianern beliebten “Politik in erster Person” ein. Die Lektüre der Radikal erhärtet den Verdacht, bei den Autonomen handle es sich um die nun schwarzledern drapierten lila Latzhosen von Vorgestern. Konsequent meint ihre Kritik am bewaffneten Kampf der RAF und den Antiimperialisten nur das eine: Wir sind eben anders! Alles weitere ist eine Frage der Vermittlung: “Kommunikation und Guerilla sind zwei Dinge, die sich nicht voneinander trennen lassen. Die Guerilla muß sich vermitteln können… (Guerilla) ist eine Perspektive, die für uns, die wir uns hier draußen mit dem Alltag auseinandersetzen, völlig fremd ist. Weil wir in erster Linie das Leben wollen, damit wir es in Kampf umwandeln, nicht den Kampf als unser Leben begreifen.” [ 29 ] Wo der Antiimperialismus eingesteht, daß es zwischen der revolutionären Notwendigkeit und den gesellschaftlichen Bedürfnissen nicht die geringste Vermittlung gibt, da erblickt die Lebensfreude der Autonomen ein bruchloses Kontinuum zwischen Bedürfnis und Kommunismus. “Käseklau und Bombenbau” [ 30 ] sind nur verschiedene Formen ein und desselben Bruchs mit der Legalität. Die allgemein geübten Praktiken der Steuerhinterziehung oder die massenhafte Übung, bei Rot über die Straße zu gehen, beherrscht längst der Traum von der kommunistischen Sache, der nur das Bewußtsein dieser Sache fehlt, um sie wirklich zu haben. “Der Antiimperialismus”, wie die Radikal gegen den Antiimperialismus einzuwenden weiß, “beginnt im Klassenzimmer: Wenn Schüler lernen, auf Noten zu scheißen, wenn sie Klassenarbeiten verweigern, sich der Schulpflicht entziehen; im Elternhaus, wenn sich die Leute der elterlichen Autorität widersetzen, die erdrückende Sexualmoral durchbrechen; in der Fabrik: Absentismus und Sabotage; in jedem von der Tauschwertlogik befreiten Akt: Kaufhausdiebstahl ist Antiimperialismus!” [ 31 ] Der autonome Blick durchschaut den gesellschaftlichen Zwangszusammenhang mühelos auf einen Kosmos widerständigen Lebens. Im feierabendlichen Gemecker über die Marotten und Schikanen der Vorgesetzten erblickt er die zarten Keime prinzipieller Autoritätsverachtung, an denen “anzuknüpfen” wäre – nicht, was doch näher läge, den Heinz-Rühmann-Charakter deutscher Kritik: Kritisieren um zu beweisen, daß man die Geschäfte der Obrigkeit besser besorgen kann. Die Unmöglichkeit, den vernünftigen Zusammenhang von Interesse und Revolution aus dem blanken Willen herzuleiten und so die autonome Selbstwertsetzung dauerhaft auf das “orgiastische Lebensgefühl” [ 32 ] der Straßenkämpfe zu stellen, bekennt sich im Rückgriff auf Althergebrachtes: “Für uns negative Bedeutung haben, weil wir nur ihren reaktionären Inhalt kennengelernt haben, Wörter wie: Geschichte, Moral, Volk, Leid, Hunger, Vorfahren, Eltern.” Ihr selbst seien, gesteht die Radikal-Autorin, “diese Begriffe auch ziemlich neu; ich habe in der letzten Zeit gemerkt, wie viel fortschrittliche Kraft in ihnen stecken kann.” Es scheint, als seien die Autonomen dabei, der Friedensbewegung mit einiger Zeitverzögerung in den inneren Kampf gegen die “Schmarotzerbedürfnisse” [ 33 ] zu folgen. Autonomie mündet in neue Volkstümelei – ein Ergebnis, das die achtbare Linke, bevor sie sich in grünes Wohlgefallen auflöste, mit einer veritablen Bloch-Debatte erst noch rechtfertigen mußte.

Hatte das Konzept Stadtguerilla noch versucht, den bewaffneten Kampf traditionalistisch, im Rahmen der klassisch marxistischen Identität von Kapital- und Revolutionstheorie, zu begründen, so gelangte die RAF im Resultat doch nur dazu, wie jede andere therapeutische Richtung auch, Beweggrund und Ziel ihres Handelns in der “Wiederherstellung der vollen Dimension des Menschen” [ 34 ] zu erblicken. Die Fahndung nach einem revolutionären Subjekt, das der theoretischen Forderung genügen konnte, völlige Immanenz wie revolutionäre Transzendenz des Kapitalverhältnisses zugleich zu sein, verendete im Existentialismus, der, als die Kapitalform des Subjekts, in der unendlichen Fülle seiner vollendeten Leere schwelgt. Waren die Theoretiker der Autonomie bemüht, ebenfalls auf dem Boden des klassischen Marxismus, das militante Subjekt ausfindig zu machen, das den bewaffneten Kampf, im Gegensatz zur RAF, vom Kopf auf die Beine stellen könnte, so genügte zwar das Produkt ihrer Subjekterschleichung, der “Massenarbeiter”, ebenfalls der theoretischen Prämisse und konnte sogar, mit Blick auf die französische “Gauche prolétarienne” und die italienischen “Brigate rosse”, gesellschaftliche Evidenz beanspruchen – so gelangten sie im Ergebnis doch nur zu der Forderung, das revolutionäre Subjekt existentiell zu erfühlen und moralisch aus eigener Machtvollkommenheit vorwegzunehmen. Die Hoffnung etwa Karl-Heinz Roths, “der Ausnahmezustand des Arbeiteralltags (werde) zur antagonistischen und nicht weniger alltäglichen Arbeiter-Guerilla führen”, einfach deshalb, weil die Negation der Arbeit durch das Kapital nur der anschließenden Negation des Kapitals durch die Arbeit wegen geschehe, führte nur dazu, noch jede Randale als revolutionär zu rechtfertigen und jeden Rocker zum Revoluzzer zu stilisieren. Nach wenigen Jahren schon hatte sich die These, “daß der barbarisierte und entzivilisierte Massenarbeiter, die bislang brutalste Negation der befreiten kommunistischen Gesellschaft durch das Kapital, in seinem Widerstand notwendig am konsequentesten zur Negation der Negation übergehen muß” [ 35 ], blamiert. Die Negation der Arbeit wollte und konnte nicht neue Position werden, zumindest nicht aus sich selbst heraus. Es lag in der Konsequenz der Subjektfahndung, die Weigerung des Massenarbeiters, die konkrete Utopie wie gefordert aus seiner völligen Leere zu gebären, dahingehend zu interpretieren, er mache sich in seiner Verachtung der Arbeit diese Mühe nur deshalb nicht, weil er seinen Inhalt in Gestalt der Alternativbewegung schon fertig vorfände: “Der Kampf gegen die Arbeit ist nichts anderes als der Kampf für die soziale, selbstbestimmte Tätigkeit der Massen in der Gemeinde. Indem das Subjekt sich der verkehrten Pseudo-Objektivität der zweiten Natur in Gestalt der kapitalistischen Fabrik entzieht, kehrt es umso entschlossener … zu seinem Alltagsleben zurück, und beginnt, indem es sich alternativ zum ‚wir‘ befreit, die zerstückelten sozialen Sphären … zugunsten der Kommune neu zusammenzusetzen”. [ 36 ] Kaum hatte der radikale Linkskommunismus begriffen, daß sein Inhalt aus “nichts anderem als” dem neuesten deutschen Mief der Wohngemeinschaften bestehen sollte, da brachen die Theoretiker der Autonomie bereits nicht nur mit der Einheit von Kapital- und Revolutionstheorie, sondern, um zumindest an der Revolutionstheorie festzuhalten, mit dem Marxismus überhaupt und erklärten sich zu Erben der Narodniki der Zarenzeit. Die Narodniki, die zu ihrer Zeit tatsächlich davon ausgehen konnten, was die RAF allein zu halluzinieren vermag, daß der “Riß zwischen Gesellschaft und Staat in den Metropolen” [ 37 ], wenn auch noch nicht vollzogen, so doch offenkundig sei, sollten zum .Vorbild der “existentiellen Entscheidung” herhalten, die “eigenen Erfahrungen und Lernprozesse so weiterzuentwickeln, daß analytische Einsicht und praktisches Handeln wieder miteinander übereinstimmen” [ 38 ]. Die Praxis, von der Theorie einstweilen getrennt, mußte weitergehen; auf ihre intellektuellen Unkosten wurde ein spekulativer Kredit aufs Existentielle aufgenommen. Auch dieser Versuch ist mittlerweile bankrott, und es macht die Ehrlichkeit der Zeitschrift Autonomie aus, die Pleite auch zuzugeben und sich, auf der Suche nach dem Subjekt, nicht mehr der Politik, sondern der Geschichtswissenschaft zu widmen. Die Autonomie hat erkannt, daß die revolutionäre Linke in Deutschland nur die traurige Wahl hat, zwischen “terroristischem Nihilismus” einerseits, “sozialarbeiterischer Befriedigung” [ 39 ] andererseits sich zu entscheiden. Und daß die autonome Theorie nicht die Argumente besitzt, die Prämissen dieser falschen Konsequenz zu bestreiten. Gegen die enervierende Kälte der Feststellung, “daß nach Auschwitz das Leben als ethischer Komplex zerfällt”, vermögen die schüchterne Hoffnung und die “ferne Ahnung” dessen, daß das “Leben etwas anderes ist als Arbeit und Konsum” [ 40 ], nur das Gegenteil von Politik zu begründen: Eingedenken als die Chance, den Wiederholungszwang zu brechen.

Der erklärte Bankrott ihrer Theorie wird die Autonomen nicht daran hindern, ihrem überwertigen Bedürfnis, Praxis um jeden Preis zu treiben, weiter zu frönen. Hauptsache, es geht voran. “Das ganze Leben dieser Verschwörer von Profession trägt den ausgeprägtesten Charakter der Bohème”, bemerkte Marx über die Pariser Geheimgesellschaften von 1850: “Sie sind die Alchimisten der Revolution und teilen ganz die Ideenzerrüttung und die Borniertheit in fixen Vorstellungen der früheren Alchimisten”. [ 41 ] Die Autonomen werden noch eher die Alchimie der zur Revolution destillierten Randale beherrschen, als auf den psychischen Mehrwert und das Flair der Konspiration zu verzichten.

Aus: Wolfgang Pohrt u.a., Die alte Straßenverkehrsordnung. Dokumente der RAF, Berlin: edition tiamat 1986, S. 157 – 174

Anmerkungen

[ 1 ] Hans-Jürgen Krahl, Konstitution und Klassenkampf, Frankfurt 1971.

[ 2 ] Peter Brückner, Ulrike-Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse, Berlin 1976, S. 86.

[ 3 ] Götz Eisenberg/Wolfgang Thiel, Fluchtversuche, Gießen 1975, S. 138 ff., Jürgen Jacobi, Der Marxismus-Leninismus als Ideologie des Zerfalls der Studentenbewegung, in: “Politikon”, Nr. 35, 1972; Wolfgang Zimmermann, Die proletarische Theorie der bürgerlichen Revolutionäre als revolutionär bürgerliche Theorie des Proletariats oder: Die neuen Ritter von der traurigen Gestalt, in: “Politikon”, Nr. 43, 1974.

[ 4 ] Karl Marx, Zur Judenfrage, in: MEW Bd. 7, S. 355

[ 5 ] Siehe die exemplarische Autobiographie Jochen Schimmangs, Der schöne Vogel Phönix, Memoiren eines Dreißigjährigen, Frankfurt 1978.

[ 6 ] Rote Armee Fraktion, Das Konzept Stadtguerilla, in: Wolfgang Pohrt u.a., Die alte Straßenverkehrsordnung. Dokumente der RAF, Berlin: edition tiamat 1986, S. 33.

[ 7 ] Ebd., S. 35.

[ 8 ] Ebd., S. 43.

[ 9 ] Elmar Altvater, “Rede auf der Veranstaltung des Komitees zur Verteidigung der Grundrechte anläßlich des Todes von Ulrike Meinhof am 20.5.1976 im Audimax der FU Berlin”, in: “Radikal – Sozialistische Zeitschrift für Westberlin” Nr. 2 vom 1.7.1976, S. 10.

[ 10 ] Emilio Lussu, Theorie des Aufstands, S. 32.

[ 11 ] Das Konzept Stadtguerilla, S. 39.

[ 12 ] Ebd., S. 22.

[ 13 ] Ebd., S. 39 (meine Hervorhebung).

[ 14 ] Letzte Texte von Ulrike, herausgeben vom Internationalen Komitee zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa, o. O. 1976, z.B. S. 27 – vgl. Christoph Türcke, Vermittlung als Gott, Lüneburg 1986.

[ 15 ] zitiert nach Brückner, S. 180.

[ 16 ] Theodor W. Adorno/Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 1971, S. 202.

[ 17 ] Lussu, S. 103.

[ 18 ] Netchajev, Katechismus eines Revolutionärs (1869) in: Walter Laqueur (Hg.), Zeugnisse politischer Gewalt Dokumente zur Geschichte des Terrorismus, Kronberg 1978, S. 56 f.

[ 19 ] Bommi Baumann, Wie alles anfing, Duisburg 1986, S. 108

[ 20 ] Ebenda, S. 150

[ 21 ] Ebenda, S. 81

[ 22 ] Ebenda, S. 82

[ 23 ] Zitiert nach Brückner, S. 180.

[ 24 ] Letzte Texte von Ulrike, S. 24.

[ 25 ] Jean Genet, Staatsschuld. Die RAF hat recht, in: “Neues Forum”, (Wien), 24. Jg. 1977, Heft 286, Oktober, S. 45 f.

[ 26 ] Erklärungen der Gefangenen zum Hungerstreik, in: “Radikal”, Nr. 129, S. 4 f.

[ 27 ] Dokumentation zum Kongreß antiimperialistischer und antikapitalistischer Widerstand in Westeuropa, 1986, S. 163.

[ 28 ] “Radikal” Nr. 131, S. 11 und S. 16.

[ 29 ] Ebenda S. 13 und S. 16

[ 30 ] “Radikal” Nr. 104, Mai 1982, S. 11

[ 31 ] “Radikal” Nr. 106, Juli 1982, S. 9

[ 32 ] “Radikal” Nr. 104, S. 10

[ 33 ] “Radikal” Nr. 131, S. 22

[ 34 ] Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front (Mai 1982), in: Texte der RAF. Überarbeitete und aktualisierte Ausgabe, 1983, S. 599 ff.

[ 35 ] Karl Heinz Roth, Die andere Arbeiterbewegung, München 4. Auflage 1977, S. 267.

[ 36 ] Detlev Hartmann/Karl Heinz Roth, Dialektik der Arbeit. Zur Kritik der politischen Ökonomie der Arbeitskraft als Klasse, in: “Autonomie” Nr. 5, 1977 S. 38.

[ 37 ] Kommunique des Kommandos Mara Kagol zum Attentat auf Karl-Heinz Beckurts

[ 38 ] Redaktion Autonomie, Die neuen Sozialrevolutionären Inhalte und das Recht zum sozialrevolutionärem Handeln, in: “Radikal” Nr. 108, September 1982 S. 12.

[ 39 ] “Autonomie” – Neue Folge, Nr. 14, 1985, S. 11.

[ 40 ] ebenda, S. 212 und S. 209

http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/bruhn-randale.revolution.html

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Antisemitismus und Nationalsozialismus

Moishe Postone

I.

Ausmaß und Stärke der Reaktionen auf den Fernsehfilm Holocaust werfen Fragen bezüglich des Verhältnisses von Antisemitismus und Nationalsozialismus und deren öffentliche Diskussion in der BRD auf.[ 1 ]

Diese Diskussion ist durch eine offenbare Antinomie gekennzeichnet. Einerseits haben Liberale und Konservative, während sie die Diskontinuität zwischen der Nazivergangenheit und der Gegenwart betonten, im Bezug auf jene Vergangenheit ihre Aufmerksamkeit auf die Verfolgung und Vernichtung der Juden konzentriert. Andere Gesichtspunkte, die für den Nazismus zentral waren, sind dabei vernachlässigt worden. Die Betonung des Antisemitismus diente dazu, den angeblich totalen Bruch zwischen dem Dritten Reich und der BRD zu unterstreichen. Eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen und strukturellen Wirklichkeit des Nationalsozialismus, die 1945 nicht plötzlich verschwunden war, wurde so vermieden. Es ist bezeichnend, daß die westdeutsche Regierung an Juden ‘Wiedergutmachungszahlungen’ leistet, jedoch nicht an Kommunisten und andere verfolgte, radikale Gegner der Nazis. Mit anderen Worten, was den Juden geschah, ist instrumentalisiert und in eine Ideologie zur Legitimation des gegenwärtigen Systems verwandelt worden. Diese Instrumentalisierung war nur möglich, weil der Antisemitismus vorwiegend als eine Form des Vorurteils behandelt wurde. Eine solche Sündenbockideologie ist eine Auffassung, die die innere Beziehung zwischen Antisemitismus und anderen Aspekten des Nationalsozialismus verdeckt.

Andererseits neigte die Linke dazu, sich auf die Funktion des Nationalsozialismus für den Kapitalismus zu konzentrieren. Sie hob daher die Zerstörung der organisierten Arbeiterklasse hervor, die Gesellschafts-und Wirtschaftspolitik der Nazis, den Expansionismus und die bürokratischen Herrschaftstechniken von Partei und Staat. Kontinuitätsmomente zwischen dem Dritten Reich und der Bundesrepublik wurden von ihr betont, doch hat sie die Vernichtung der Juden natürlich nicht unterschlagen. Allerdings ist die Vernichtung schnell unter die allgemeinen Kategorien von Vorurteil, Diskriminierung und Verfolgung subsumiert worden.[ 2 ] Mit anderen Worten: Die Vernichtung der Juden wurde außerhalb des Rahmens einer Analyse des Nazismus behandelt. Antisemitismus wurde als eher peripheres denn als zentrales Moment des Nationalsozialismus verstanden. Auch die Linke hat die inneren Beziehungen zwischen beiden verdeckt.

Beide Positionen teilen ein Verständnis von modernem Antisemitismus als antijüdischem Vorurteil, als besonderem Beispiel für den Rassismus im allgemeinen. Die massenpsychologische Natur des Antisemitismus wird in einer Weise betont, die es ausschließt, ihn in eine sozioökonomische Untersuchung des Nationalsozialismus einzubeziehen.

Die Schwäche dieses Verhältnisses war insbesondere in den TV-Diskussionen offensichtlich, die im Anschluß an die Ausstrahlungen des Fernsehmehrteilers Holocaust geführt wurden. Die Podiumsteilnehmer waren besonders gut darin, Informationen zu vermitteln: über die Bedingungen in den Konzentrationslagern, die Aktivitäten der ‘Einsatzgruppen’ und deren Zusammensetzung (der Polizei ebenso wie der SS-Einheiten), den Massenmord an den Zigeunern und über die materiellen Schwierigkeiten und das Ausmaß des jüdischen Widerstandes. Jedoch gerieten sie in Verlegenheit, als sie die Vernichtung des europäischen Judentums zu erklären versuchten. Sie erörterten die Frage hauptsächlich unter der Annahme eines Mangels an Zivilcourage in der Bevölkerung (was implizierte, daß die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung dem Antisemitismus der Nazis zumindest passiv widerstanden habe oder in den allgemeinen Kategorien von Mißtrauen und Furcht gegenüber dem Anderen oder in individualpsychologischen Kategorien (“Der potentielle ‘Dorf’ steckt in jedem von uns”)[ 3 ] Über Antisemitismus wurde hingegen wenig gesprochen und es gab keinen Versuch, den modernen Antisemitismus genauer zu bestimmen und ihn auf den Nazismus zu beziehen. Folgerichtig blieb die Frage, warum so etwas geschehen konnte, notwendig rhetorisch und bloßer Ausdruck von Scham und Entsetzen.

Die Scham und das Entsetzen, die der Film weckte, fokussierte die Diskussion auf die Frage, ob die Deutschen gewußt hätten, was den Juden geschehen war; eine Frage, die in Fernsehen und Presse sehr hitzig und emotional diskutiert wurde.[ 4 ] Indem Holocaust Massenerschießungen von Juden durch ‘Einsatzgruppen’ zeigte, untergrub der Film die Fiktion, der Völkermord der Nazis sei Sache einer Handvoll Leute gewesen, die innerhalb eines Rahmens operierten, der von den Soldaten wie von der übrigen deutschen Bevölkerung hermetisch getrennt gewesen sei. Die Tatsache, daß Millionen Juden, Russen und Polen außerhalb der Lager mit Wissen und zeitweise mit aktiver Unterstützung der Wehrmacht ermordet wurden oder Hungers starben, konnte vom öffentlichen Bewußtsein nicht länger verdrängt werden.[ 5 ] Die öffentliche Reaktion auf Holocaust machte klar, daß Millionen Deutscher tatsächlich davon gewußt haben mußten, selbst wenn nicht in allen Einzelheiten.

Die Tatsache dieses Wissens wirft das Problem auf, daß der typische Deutsche nach dem Krieg darauf beharrte, nichts über die Vernichtung des europäischen Judentums und andere Naziverbrechen gegen die Menschheit gewußt zu haben. Es ist klar, daß die Verleugnung dieses Wissens einen Versuch darstellt, die Schuld zu leugnen. Es könnte jedoch argumentiert werden, daß, selbst wenn die Leute davon gewußt hätten, es wenig gab, was sie hätten tun können. Das Wissen um die Naziverbrechen muß nicht notwendigerweise Schuld einschließen. Welche Bedeutung hat also die Leugnung dieses Wissens nach dem Krieg, als die Meisten doch sicherlich alles wußten?

Nach dem Krieg darauf zu beharren, nichts gewußt zu haben, muß vermutlich als fortgesetztes Beharren darauf interpretiert werden, nichts wissen zu wollen. “Wir wußten nicht” müßte als “Wir wollen noch immer nicht wissen” interpretiert werden. Das Wissen zuzugestehen – selbst als post factum erworbenes – hätte notwendig eine innere Distanzierung von vergangener Identifikation erfordert und zu politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen geführt. Wären die Menschen nach dem Krieg für dieses Wissen offen gewesen, wäre vielleicht das, was ersichtlich fehlte, eingetreten: eine massive öffentliche Reaktion des Entsetzens und die Forderung nach gerechter Strafe. Vielleicht wäre es für viele Nazibeamte, Staatsanwälte und Richter nicht möglich gewesen, weiterhin die gleichen Funktionen in der Bundesrepublik auszuüben.[ 6 ] Ein antinazistischer Umschwung der Massen stand jedoch nicht auf der Tagesordnung. Das Ziel war ‘Normalität’ um jeden Preis – eine Normalität, die ohne Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erreicht werden sollte. Die starke Identifikation mit jener Vergangenheit wurde nicht überwunden, sondern einfach unter Unmengen von Volkswagen begraben.

Das Ergebnis war psychische Selbstverleugnung und Verdrängung. Es gibt viele Interpretationen der Natur dieser massiven psychischen Verdrängung: Angst vor Strafe, Scham, fortgesetzte Identifikation oder statt der Überwindung die Verleugnung einer vergangenen starken Identifikation (Mitscherlichs These von der Unfähigkeit zu trauern). Daß eine solche Verdrängung stattfand, ist unbestreitbar. Daraus entstand eine Art kollektiver Somnambulismus: Die Mehrheit der Bevölkerung ging schlafwandelnd durch den Kalten Krieg, durch das ‘Wirtschaftswunder’ und durch das Wiederauftauchen von Politik während der Studentenbewegung.

Dieser schlafähnliche Zustand ist durch Holocaust, zumindest für einen Augenblick, erschüttert worden. Dies ist vermutlich ebenso ein Ergebnis der Zeit als des Films selbst. 34 Jahre nach Kriegsende hat sich die Geschichte verlangsamt. Die Vorwärtsgerichtetheit der Nachkriegsära – die Aufsplitterung der Welt in zwei Lager; die Periode der wirtschaftlichen Expansion, in der Glück durch Konsum erkauft werden sollte; die Periode der Studentenbewegung, als man die Wurzel allen Glücks in der praktischen Politik vermutete, ist vorüber. Die Vergangenheit, die man glaubte hinter sich gelassen zu haben, ist wieder aufgetaucht. Sie war immer im Schlepptau, einen Schritt hinterher. Das ist jetzt offensichtlich geworden. Doch ist es noch zu früh, um festzustellen, ob die Reaktionen auf Holocaust zu Auseinandersetzungen mit weitreichenden Konsequenzen führen oder sich als eine vorübergehende Katharsis erweisen werden.

II.

Das Problem des Wissens von der Nazi-Vergangenheit hat eine besondere Rolle in der deutschen Neuen Linken gespielt, die nicht unmittelbar auf der Hand liegt. Diese Vergangenheit und ihre kollektive psychische Verdrängung waren sehr wichtige Momente in der Entstehung der Neuen Linken. Obwohl es eine Diskussion über den Nazismus und den Holocaust innerhalb der Linken gab, haben viele Gespräche in Frankfurt jüngst ein bemerkenswertes Phänomen offenbart: Während die meisten der älteren Generation der Neuen Linken sich in den 60er-Jahren intensiv mit dem Problem beschäftigt haben, scheint es, daß ein großer Teil der jüngeren Generation, vielleicht die meisten, die sich 1968 und danach politisiert haben, über die Vernichtung des europäischen Judentums niemals Dokumentationen eingesehen oder sich überhaupt informiert hatten. Für diese Generation war Holocaust ein Schockerlebnis. Es war das erste Mal, daß sie konkret und hautnah mit dem Schicksal der Juden konfrontiert wurden. Sie hatten natürlich davon gewußt, aber offensichtlich nur abstrakt. Mit der Wirklichkeit dieses Entsetzens haben sie sich nie konkret auseinandergesetzt. Das Fehlen einer solchen Konfrontation spiegelte sich im Umgang der Nach-68er-Generation mit Geschichte und in ihrem Verständnis des Nationalsozialismus wieder.

In den späten 60er und den frühen 70er Jahren schenkte die Neue Linke der Geschichte der Arbeiterbewegung, insbesondere von 1918 bis 1923, und dem Widerstand gegen die Nazis weit mehr Aufmerksamkeit als der Geschichte des Nationalsozialismus selbst. Das Studium der Geschichte wurde zu einer Suche nach Identifikation, einer Suche, die angesichts der Nazivergangenheit besonders intensiv war. Eine historische Konfrontation mit dem Dritten Reich wurde dadurch jedoch umgangen. Durch die Hervorhebung der revolutionären Bewegungen, die auf den Ersten Weltkrieg folgten, wurde aber die Tatsache verdeckt, daß diese Geschichte spätestens 1933 zu Ende war und weder in der BRD noch in der DDR eine lebendigehistorische Tradition darstellte. Das Bedürfnis nach Identifikation führte zu einer Überbetonung des Widerstands gegen Hitler, die eine Auseinandersetzung mit der Popularität des Naziregimes vermied. Dadurch wurde aber auch die Entwicklung eines Verständnisses für die Lage der Juden in Europa zwischen 1933 und 1945 abgeblockt. Vielmehr wurde der ‘Mangel an jüdischem Widerstand’ zu einer impliziten Anklage, anstatt Ausgangspunkt für genauere Untersuchungen zu bilden.

Das Fehlen wirklichen Wissens über die Aktivitäten und die Politik der Nazis in Polen und in der Sowjetunion, in den Ghettos und in den Vernichtungslagern führte zu einem unvollständigen Bild des Nazismus. Das Ergebnis war eine Analyse des Nationalsozialismus, die jene Momente des Phänomens heranzog, welche in den Jahren 1933-1939 augenscheinlich waren: ein terroristischer, bürokratischer Polizeistaat, der im unmittelbaren Interesse des Großkapitals arbeitete und auf autoritären Strukturen, der Glorifizierung der Familie und der Benutzung des Rassismus als Mittel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt beruhte. Diese Art der Analyse wurde noch durch die kommunistische Angewohnheit verstärkt, lieber vom Faschismus als vom Nazismus zu sprechen, wodurch die Klassenfunktion unter Ausschluß anderer Momente hervorgehoben wurde. Mit anderen Worten: Sowohl die undogmatische Linke als auch die orthodoxen Marxisten neigten dazu, den Antisemitismus als Randerscheinung des Nationalsozialismus zu behandeln. Dadurch wurden die Naziverbrechen gegen die Menschheit von der sozialhistorischen Untersuchung des Nationalsozialismus getrennt. Das Ergebnis ist, daß die Vernichtungslager entweder als bloße Beispiele imperialistischer (oder totalitärer) Massenmorde erscheinen oder unerklärt bleiben.

Das Bestehen auf einer Auseinandersetzung mit der Besonderheit des Nazismus und der Vernichtung des europäischen Judentums ist in Deutschland häufig als eine Anklage verstanden worden – auch von der Linken. Daß Terror, Massenmord, Rassismus und Autoritarismus ein deutsches Monopol seien, ist ein Mißverständnis, das Abwehrreaktionen hervorruft. Die bloße Erwähnung von Nazismus wird unmittelbar mit Greuelbeispielen in Vietnam, Palästina usw. ‘beantwortet’. Auch linke Theorien des Nationalsozialismus neigen zu dieser Abwehrhaltung. Objektivistische Theorien verkehren entweder Horkheimers Diktum von der Beziehung zwischen Kapitalismus und Faschismus in eine vorausgesetzte Identität oder vermitteln beides ökonomistisch. Subjektivistische Theorien (wie z.B. die von Theweleit[ 7 ]) lassen hingegen die Besonderheit des Nationalsozialismus außer acht. So wird das Dritte Reich entweder mit dem Kapital oder mit dem Patriarchat identifiziert, jedenfalls in historisch unspezifischen Kategorien begriffen.

Theorie wurde zu einer Form psychischer Verdrängung. Konzepte wurden lieber genutzt, um eine unverstellte Wahrnehmung des Nazismus abzublocken, als um jene Wirklichkeit zu begreifen und verstehbar zu machen. Diese Verkehrung der Funktion von Analyse nährte sich meines Erachtens aus der Abscheu und Schuld, die die Nachkriegsgeneration gegenüber der Nazi-Vergangenheit empfand. Mit dem Schuldgefühl war nur schwer umzugehen. Es war kaum zu greifen, da es ja nicht auf wirklicher Schuld beruhte. Die Verbindung von Abscheu und Schuld führte vielmehr zu einem Interesse am Nazismus, das durch Abwehrreaktionen gekennzeichnet war. Jene verhinderten eine Auseinandersetzung mit der Besonderheit der Vergangenheit, da ein Zugeständnis jener Besonderheit mit einem Eingeständnis von Schuld verbunden gewesen wäre. Als Ergebnis wurde der Nazismus als leere Abstraktion behandelt, die mit Kapitalismus, Bürokratie und autoritären Strukturen assoziiert wurde und einfach eine schlimmere Ausprägung der uns bekannten ‘Normalität’ gewesen sei. Dadurch wurde nicht nur die Besonderheit der deutschen Vergangenheit aufgehoben, sondern der Terminus ‘Faschismus’ durch rhetorische Inflation in seiner Bedeutung entwertet. Einerseits verkannte diese einseitige Betonung der oben angesprochenen Momente des Nationalsozialismus seine antibürgerlichen Aspekte: die Revolte, sowie den Haß auf die Herrschenden und den grauen kapitalistischen Alltag. Andererseits konnte der Kampf gegen die autoritäre, kapitalistische Gegenwart der BRD, die durch Kontinuitäten der Nazivergangenheit geprägt war, als direkter Kampf gegen Faschismus interpretiert werden. Dies war ein Versuch, das damalige Fehlen eines deutschen Widerstandes wiedergutzumachen. Solche Tendenzen beeinflußten stark die politische Diskussion im Frankfurt der 70er Jahre, die in hohem Maße durch die Auseinandersetzung mit Theorie, Strategie und Taktik des westdeutschen Untergrunds bestimmt war. Viele politische Aktivitäten in der BRD werden heute als ‘Lernen aus der Vergangenheit’ dargestellt. Die Foci des politischen Interesses und der Aktivität in Westdeutschland sind die Kämpfe gegen Unterdrückung, Berufsverbot, den Eingriff in bürgerliche Freiheiten, Gerichtsverfahren, die erschreckende Behandlung politischer Gefangener (in Wirklichkeit aller Gefangener), die Diskriminierung ausländischer Arbeiter, Rassismus und Kernenergie mit ihren politischen wie ökologischen Auswirkungen. Machen es diese Kämpfe notwendig, aus der Nazi-Vergangenheit zu lernen? Sicherlich sind sie zwar gegen den autoritären Staat gerichtet. Diese Bestimmung erschöpft die des Nationalsozialismus aber keineswegs. Diese Kampagnen – so wichtig sie sind – als ‘Lernen aus der Vergangenheit’ darzustellen, ist irgendwie verdächtig. Das Lernen geht hier etwas zu schnell und stellt zum Teil eine Flucht aus der Besonderheit jener Vergangenheit dar.

Die Auswirkungen dieser Flucht sind zweideutig. Ich bezweifle, daß es im Westen eine andere Linke gibt, die gegenüber Entwicklungen in anderen Ländern so offen und informiert ist wie die westdeutsche. Jedoch spürt man eine unterschwellige Verzweiflung, eine Suche nach Identität, mit der große Teile der undogmatischen Linken versucht haben, sich unmittelbar auf die Entwicklungen im Ausland zu beziehen – den italienischen ‘heißen Herbst’ 1969, die Black-Panther-Bewegung, Palästina, Portugal, alternative Projekte in den USA, die italienischen Stadtindianer, die französische ‘ Neue Philosophie’ usw.

Am deutlichsten kam das Problem des Lernen und Verdrängens, beziehungsweise von Flucht und der Suche nach Identität, in der Haltung der deutschen Neuen Linken gegenüber Israel zum Vorschein. Keine westliche Linke war vor 1967 in dem Maße philosemitisch und prozionistisch wie sie nach dem Sechs-Tage-Krieg propalästinensisch war. Was ‘Antizionismus’ genannt wurde, war in Wirklichkeit so emotional und psychisch beladen, daß es weit über die Grenzen einer politischen und gesellschaftlichen Kritik am Zionismus hinausging. Das bloße Wort war so negativ besetzt wie Nazismus; und das in einem Land, wo die Linke es hätte besser wissen müssen.[ 8 ] Der Wendepunkt vom Philosemitismus zu jener Form des Antizionismus war der Krieg 1967. Ich vermute, daß hier ein Prozeß psychologischer Umkehr stattfand, in dem die Juden als Sieger mit der Nazi-Vergangenheit identifiziert wurden – positiv durch die deutsche Rechte, negativ von der Linken. Umgekehrt wurden die Opfer der Juden, nämlich die Palästinenser, als Juden identifiziert. Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß der Auslöser für eine solche Wende nicht die Vertreibung und das Leiden der Palästinenser war, das schon lange vor 1967 begonnen hatte, sondern der siegreiche ‘Blitzkrieg’ der Israelis. Der Philosemitismus offenbarte seine andere Seite: Wenn die Juden einerseits keine Opfer sind und deshalb integer und andererseits die Israelis brutal und rassistisch sind, dann müssen sie ‘Nazis’ sein. Nach der Schlacht von Karameh 1968 erwiesen sich die Palästinenser zudem als die ‘besseren Juden’ – sie leisteten Widerstand. So war endlich eine Gelegenheit gegeben, sich mit den ‘Juden’ und mit ihrem Widerstand zu identifizieren. Der Kampf gegen Zionismus verwandelte sich in den langersehnten Kampf gegen die Nazivergangenheit – befreit von Schuld.

Diese Abfolge psychischer Verkehrung manifestierte sich am groteskesten 1976 in Entebbe. Ein Flugzeug der Air France war entführt und alle nicht-jüdischen Passagiere freigelassen worden. Als Geiseln wurden die jüdischen Passagiere zurückgehalten, nicht einfach alle Israelis – was schlimm genug gewesen wäre. Dieses ‘Selektionsverfahren’ wurde, weniger als vierzig Jahre nach Auschwitz, von zwei jungen linken Deutschen vorgenommen. Innerhalb der Neuen Linken in Deutschland gab es keine öffentliche Protestreaktion – geschweige denn einen allgemeinen Aufschrei. ‘Lernen aus der Vergangenheit’ ist von einer Verwirklichung noch weit entfernt. Schuld hatte es abgeblockt, Unkenntnis hatte es behindert, und das überwältigende Bedürfnis nach unzweideutiger Identifikation hatte es schließlich verdrängt. Vielleicht haben die unmittelbaren Probleme, denen sich eine deutsche Linke gegenübersieht, viel mehr mit einem zunehmend autoritären technokratischen Kapitalismus zu tun als mit Nazismus und Antisemitismus. Nichtsdestoweniger lastet die Vergangenheit zu schwer, als daß sie ignoriert werden könnte; der Versuch, die Vergangenheit beiseite zu schieben, um mit der Gegenwart fertig zu werden, hat nicht funktioniert. Die verdrängte Vergangenheit ist geblieben, hat ihre untergründige Arbeit fortgesetzt und dazu beigetragen, den Umgang mit der Gegenwart zu bestimmen.

III.

Ein wichtiger Aspekt in der Konfrontation mit dieser Vergangenheit wäre der Versuch, sich mit der Beziehung von Antisemitismus und Nationalsozialismus auseinanderzusetzen; zu versuchen, die Vernichtung des europäischen Judentums zu verstehen. Das kann nicht gelingen, solange Antisemitismus als Beispiel für Rassismus sans phrase und der Nazismus als Ausdruck des Großkapitals und eines terroristisch-bürokratischen Polizeistaates verstanden wird. Auschwitz, Chelmno, Majdanek, Sobibor und Treblinka dürfen nicht außerhalb der Analyse des Nationalsozialismus behandelt werden. Sie stellen nicht einfach seine furchtbarsten Randerscheinungen dar, sondern einen seiner logischen Endpunkte. Keine Analyse des Nationalsozialismus, die nicht die Vernichtung des europäischen Judentums erklären kann, wird ihm gerecht. Meine Absicht ist nicht die Beantwortung der Frage, warum dem Nazismus und dem modernen Antisemitismus ein historischer Durchbruch in Deutschland gelungen ist. Ein solcher Versuch müßte einer Betrachtung der Besonderheit deutscher Entwicklung Rechnung tragen: darüber ist zur Genüge gearbeitet worden. Dieser Essay will vielmehr untersuchen, was damals durchbrach: Er ist eine Betrachtung der Aspekte des modernen Antisemitismus, die als unabdingbarer Bestandteil des deutschen Nationalsozialismus verstanden werden müssen und dazu beitragen, die Vernichtung des europäischen Judentums zu erklären. Dies ist auch die notwendige Voraussetzung einer adäquaten Beantwortung der Frage, warum es gerade in Deutschland geschah. Was ist die Besonderheit des Holocaust und des modernen Antisemitismus? Dies ist sicherlich keine Frage der Quantität, sei es der Zahl der Menschen, die ermordet worden sind, noch des Ausmaßes ihres Leidens. Es gibt zu viele historische Beispiele für Massenmord und Genozid. So sind zum Beispiel viel mehr Russen als Juden von den Nazis getötet worden. Die Frage zielt vielmehr auf die qualitative Besonderheit. Bestimmte Aspekte der Vernichtung des europäischen Judentums bleiben so lange unerklärlich, wie der Antisemitismus als bloßes Beispiel für Vorurteil, Fremdenhaß und Rassismus allgemein behandelt wird, als Beispiel für Sündenbockstrategien, deren Opfer auch sehr gut Mitglieder irgendeiner anderen Gruppe hätten gewesen sein können. Charakteristisch für den Holocaust war der verhältnismäßig geringe Anteil an Emotion und unmittelbarem Haß (im Gegensatz zu Pogromen zum Beispiel). Dafür zeichnete ihn das Selbstverständnis einer ideologischen Mission aus, und, was das wichtigste ist: Der Holocaust hatte keine funktionelle Bedeutung. Die Vernichtung der Juden war kein Mittel zu einem anderen Zweck. Sie wurden nicht aus militärischen Gründen ausgerottet oder um gewaltsam Land zu nehmen (wie bei den amerikanischen Indianern); es ging auch nicht um die Auslöschung der potentiellen Widerstandskämpfer unter den Juden, mit dem Ziel, den Rest als Heloten besser ausbeuten zu können (dies war übrigens die Politik der Nazis den Polen und Russen gegenüber). Es gab auch kein ‘äußeres’ Ziel. Die Vernichtung der Juden mußte nicht nur total sein, sondern war sich selbst Zweck – Vernichtung um der Vernichtung willen –, ein Zweck, der absolute Priorität beanspruchte.[ 9 ] Eine funktionalistische Erklärung des Massenmords und eine Sündenbocktheorie des Antisemitismus können nicht einmal im Ansatz erklären, warum in den letzten Kriegsjahren, als die deutsche Wehrmacht von der Roten Armee überrollt wurde, ein bedeutender Teil des Schienenverkehrs für den Transport der Juden zu den Gaskammern benutzt wurde und nicht für die logistische Unterstützung des Heeres. Ist die qualitative Besonderheit der Vernichtung des europäischen Judentums einmal erkannt, wird klar, daß Erklärungsversuche, die sich auf Kapitalismus, Rassismus, Bürokratie, sexuelle Unterdrückung oder die autoritäre Persönlichkeit stützen, viel zu allgemein bleiben. Die Besonderheit des Holocaust erfordert eine spezifischere Vermittlung, um sie wenigstens im Ansatz zu verstehen. Die Vernichtung des europäischen Judentums steht natürlich in Beziehung zum Antisemitismus. Die Besonderheit des ersteren muß auf letzteren bezogen werden. Darüber hinaus muß der moderne Antisemitismus im Hinblick auf den Nazismus als Bewegung verstanden werden – eine Bewegung die in der Sprache ihres eigenen Selbstverständnisses eine Revolte war. Der moderne Antisemitismus, der nicht mit dem täglichen antijüdischen Vorurteil verwechselt werden darf, ist eine Ideologie, eine Denkform, die in Europa im späten 19. Jahrhundert auftrat. Sein Auftreten setzt Jahrhunderte früherer Formen des Antisemitismus voraus. Antisemitismus ist immer ein integraler Bestandteil der christlich westlichen Zivilisation gewesen. Allen Formen des Antisemitismus ist eine Vorstellung von jüdischer Macht gemein: die Macht, Gott zu töten, die Beulenpest loszulassen oder, in jüngerer Zeit, Kapitalismus und Sozialismus herbeizuführen. Seine Denkweise ist manichäisch, mit den Juden in der Rolle der Kinder der Finsternis. Nicht nur Ausmaß, sondern auch Qualität der den Juden zugeschriebenen Macht unterscheidet den Antisemitismus von anderen Formen des Rassismus. Alle Formen des Rassismus schreiben dem Anderen potentielle Macht zu. Diese Macht ist gemeinhin konkret, materiell und sexuell. Es ist die potentielle Macht des Unterdrückten (als Macht des Verdrängten) in Gestalt des ‘Untermenschen’. Die den Juden zugeschriebene Macht ist jedoch größer und wird nicht nur als potentiell, sondern als tatsächlich wahrgenommen. Sie ist vielmehr eine andere Art der Macht, die nicht notwendigerweise konkret ist. Die den Juden im modernen Antisemitismus zugeschriebene Macht wird durch mysteriöse Unfaßbarkeit, Abstraktheit und Universalität charakterisiert. Es wird angenommen, daß diese Form der Macht sich selbst nicht direkt manifestieren kann, sondern eine gesonderte Ausdrucksweise benötigt. Sie sucht sich einen Träger, sei er politisch, sozial oder kulturell, durch den sie wirken kann. Weil die Macht der Juden nicht konkret gebunden, nicht ‚verwurzelt’ ist, wird sie zum einen als überwältigend wahrgenommen und ist zum anderen sehr schwer nachzuprüfen. Es wird angenommen, daß sie hinter den Erscheinungen stehe, ohne mit diesen identisch zu seien. Ihre Quelle ist hinterlistig verborgen: konspirativ. Die Juden stehen für eine ungeheuer machtvolle, unfaßbare internationale Verschwörung. Ein Naziplakat bietet ein plastisches Beispiel für diese Wahrnehmung: Es zeigt Deutschland – dargestellt als starken, ehrlichen Arbeiter – das im Westen durch einen fetten, plutokratischen John Bull bedroht ist und im Osten durch einen brutalen, barbarischen, bolschewistischenKommissar. Jedoch sind diese beiden feindlichen Kräfte bloße Marionetten. Über den Rand des Globus, die Marionetten fest in der Hand, späht der Jude. Eine solche Vision war keineswegs Monopol der Nazis. Der moderne Antisemitismus ist dadurch gekennzeichnet, daß die Juden für die geheime Kraft hinter jenen Widersachern, dem plutokratischen Kapitalismus und dem Sozialismus gehalten werden. ‘Das internationale Judentum’ wird darüber hinaus als das wahrgenommen, was hinter dem ‘Asphaltdschungel’ der wuchernden Metropolen, hinter der ‘vulgären, materialistischen, modernen Kultur’ und, generell, hinter allen Kräften steht, die zum Niedergang althergebrachter sozialer Zusammenhänge, Werte und Institutionen führen. Die Juden stellen demnach eine fremde, gefährliche und destruktive Macht dar, die die soziale ‘Gesundheit’ der Nation untergräbt. Für den modernen Antisemitismus ist nicht nur sein säkularer Inhalt charakteristisch, sondern auch sein systemartiger Charakter. Er beansprucht, die Welt zu erklären. Diese deskriptive Bestimmung des modernen Antisemitismus ist zwar notwendig, um ihn von Vorurteil oder Rassismus im allgemeinen zu unterscheiden; sie kann jedoch als solche noch nicht die innere Beziehung zum Nationalsozialismus aufzeigen. Die Absicht also, die übliche Trennung zwischen einer sozioökonomischen Analyse des Nazismus und einer Untersuchung des Antisemitismus zu überwinden, ist auf dieser Ebene noch nicht erfüllt. Es bedarf einer Erklärung, die fähig ist, beides zu vermitteln. Sie muß in der Lage sein, den oben beschriebenen Antisemitismus in den gleichen historischen Kategorien zu fassen, die auch benutzt werden könnten, um den Nationalsozialismus zu erklären. Es ist nicht meine Absicht, sozialpsychologische oder psychoanalytische Erklärungen zu negieren [ 10 ], sondern vielmehr einen historisch-erkenntnistheoretischen Zusammenhang zu erläutern, innerhalb dessen weitere psychologische Spezifizierung stattfinden kann. Solch ein Zusammenhang muß den besonderen Inhalt des modernen Antisemitismus fassen und hat insofern historisch zu sein, da erklärt werden muß, warum diese Ideologie – beginnend im ausgehenden 19. Jahrhundert – sich zu jener Zeit so verbreitete. Fehlt ein solcher Zusammenhang, bleiben alle anderen Erklärungsversuche, die sich um Subjektivität zentrieren, historisch unspezifisch. Es bedarf einer Erklärung in Form einer materialistischen Erkenntnistheorie. Eine vollständige Entfaltung des Antisemitismusproblems würde den Rahmen dieses Essaysbei weitem sprengen. Dennoch gilt es hervorzuheben, daß eine sorgfältige Überprüfung des modernen antisemitischen Weltbildes das Vorliegen einer Denkform deutlich werden läßt, in der die rasche Entwicklung des industriellen Kapitalismus durch den Juden personifiziert und mit ihm identifiziert wird. Es handelt sich dabei nicht um die bloße Wahrnehmung der Juden als Träger von Geld – wie im traditionellen Antisemitismus; vielmehr werden sie für ökonomische Krisen verantwortlich gemacht und mit gesellschaftlichen Umstrukturierungen und Umbrüchen identifiziert, die mit der raschen Industrialisierung einhergehen: explosive Verstädterung, der Untergang von traditionellen sozialen Klassen und Schichten, das Aufkommen eines großen, in zunehmendem Maße sich organisierenden industriellen Proletariats und so weiter. Mit anderen Worten: Die abstrakte Herrschaft des Kapitals, wie sie besonders mit der raschen Industrialisierung einhergeht, verstrickte die Menschen in das Netz dynamischer Kräfte, die, weil sie nicht durchschaut zu werden vermochten, in Gestalt des ‘internationalen Judentums’ wahrgenommen wurden. Dies ist nicht wesentlich mehr als ein erster Zugang. Die Personifizierung ist zwar beschrieben, aber nicht erklärt. Es fehlt die erkenntnistheoretische Begründung. Ansätze dazu hat es gegeben. Das Problem jener Theorien – wie der Max Horkheimers[ 11 ] –, die sich wesentlich auf die Identifizierung der Juden mit dem Geld und damit auf die Zirkulationssphäre beziehen, besteht darin, daß sie nicht imstande sind, die antisemitische Vorstellung einzufangen, Juden stünden hinter Sozialdemokratie und Kommunismus. Auf den ersten Blick erscheinen Theorien wie die George Mosses[ 12 ], die den modernen Antisemitismus als Revolte gegen die ‘Moderne’ interpretieren, angemessener. Sowohl Plutokratie als auch Arbeiterbewegung waren Begleiterscheinungen der Moderne, beziehungsweise der massiven sozialen Umstrukturierungen, die aus der kapitalistischen Industrialisierung resultierten. Das Problem, das sich solchen Ansätzen stellt, ist der Umstand, daß die ‚Moderne’ ohne Zweifel das Industriekapital einschließt, welches bekanntlich gerade nicht Objekt antisemitischer Angriffe war, nicht einmal in der Periode rascher Industrialisierung. Die Einstellung der Nationalsozialisten gegenüber anderen Dimensionen der Modernität, insbesondere gegenüber modernen Technologien, war vielmehr affirmativ als kritisch. Jene Aspekte des modernen Lebens, die jeweils zurückgewiesen, und solche, die angenommen wurden, bilden zusammengenommen ein Muster. Dieses Muster muß in einem adäquaten Konzept dieses Problems enthalten sein. Da das Muster nicht nur auf den Nationalsozialismus beschränkt ist, hat dieses Problem eine darüber hinausreichende Bedeutung. Die Affirmation des Industriekapitals durch den modernen Antisemitismus erfordert einen Ansatz, der unterscheiden kann zwischen dem, was moderner Kapitalismus ist, und der Art, wie er sich darstellt. Der Begriff ‘modern’ hält keine inhärente Differenzierung bereit, die eine solche Unterscheidung erlauben würde. Ich halte demgegenüber soziale Kategorien, wie ‘Ware’ und ‘Kapital’, die von Marx in seinem Spätwerk entwickelt wurden, für angemessener, da diesen eine Reihe von Unterscheidungen zwischen dem, was ist, und dem, was zu sein scheint, inhärent ist. Diese Kategorien können als Ausgangspunkt für eine Analyse dienen, die in der Lage ist, diverse Wahrnehmungen ‘der Moderne’ zu unterscheiden. Ein solcher Ansatz würde versuchen, das Muster sozialer Kritik und Affirmation, mit dem wir uns beschäftigen, mit den Charakteristika kapitalistischer Verhältnisse selbst in Beziehung zu setzen.

IV.

Diese Überlegungen führen zu Marx‘ Begriff des Fetischs, einem Begriff, der die Grundlage einer historischen Erkenntnistheorie bildet, die sich in der Unterscheidung zwischen dem Wesen der kapitalistischen Verhältnisse und ihrer Erscheinungsformen gründet. Was dem Begriff des Fetischs vorausgeht, ist Marx‘ Analyse der Ware, des Geldes, des Kapitals als Formen gesellschaftlicher Verhältnisse und nicht nur als bloße ökonomische Bestimmungen. Nach seiner Analyse erscheinen kapitalistische Formen gesellschaftlicher Beziehungen nicht als solche, sondern drücken sich in vergegenständlichter Form aus. Weil Arbeit im Kapitalismus auch die Funktion einer gesellschaftlichen Vermittlung hat (‘abstrakte Arbeit‘), ist die Ware nicht bloß Gebrauchsgegenstand, in dem konkrete Arbeit vergegenständlicht ist, sondern sie verkörpert auch gesellschaftliche Verhältnisse. Insofern ist ihr Produkt, die Ware, nicht einfach ein Produkt, in dem sich konkrete Arbeit vergegenständlicht; es ist ebenso die Form vergegenständlichter sozialer Beziehungen. Die Ware, als Vergegenständlichung beider Dimensionen kapitalistischer Arbeit, ist ihre eigene soziale Vermittlung. Sie hat insofern einen ‘Doppelcharakter‘: Wert und Gebrauchswert. Als Objekt drückt die Ware soziale Verhältnisse aus und verschleiert sie zugleich. Diese Verhältnisse haben keine andere, davon unabhängige Ausdrucksform. Durch diese Form der Vergegenständlichung gewinnen die gesellschaftlichen Verhältnisse des Kapitalismus ein quasi-objektives Eigenleben. Sie bilden eine ‘zweite Natur’, ein System von Herrschaft und Zwängen, das – obwohl gesellschaftlich – unpersönlich, sachlich und ‘objektiv’ ist und deshalb natürlich zu sein scheint. Diese gesellschaftliche Dimension bestimmt die Waren und ihre Produktionsweise. Zugleich drücken die kategorialen Formen eine spezifische, sozial konstituierte Naturvorstellung in der Begrifflichkeit objektiven, gesetzmäßigen und quantifizierbaren Verhaltens eines qualitativ homogenen Wesens aus. Die Marxschen Kategorien beziehen sich simultan auf besondere gesellschaftliche Verhältnisse und Denkformen. Der Fetisch verweist auf die Denkweisen, die auf Wahrnehmungen und Erkenntnissen basieren, die in den Erscheinungsformen der gesellschaftlichen Verhältnisse befangen bleiben.[ 13 ] Betrachtet man die besonderen Charakteristika der Macht, die der moderne Antisemitismus den Juden zuordnet -nämlich Abstraktheit, Unfaßbarkeit, Universalität, Mobilität –, dann fällt auf, daß es sich hierbei um Charakteristika der Wertdimension jener gesellschaftlichen Formen handelt, die Marx analysiert hat. Mehr noch: diese Dimension – wie die den Juden unterstellte Macht – erscheint nicht unmittelbar, sondern nimmt vielmehr die Form eines stofflichen Trägers, wie der Ware, an. Um die oben beschriebene Personifizierung zu deuten und dabei die Frage zu klären, warum der moderne Antisemitismus, der sich gegen so viele Aspekte der ‘Moderne’ wandte, sich dem industriellen Kapital und der modernen Technologie gegenüber so verdächtig still verhielt, wird es an dieser Stelle nötig sein zu analysieren, wie kapitalistisch-gesellschaftliche Verhältnisse sich darzustellen pflegen. Ich beginne mit der Warenform als Beispiel. Die dialektische Einheit von Wert und Gebrauchswert in der Ware erfordert, daß dieser ‘Doppelcharakter’ sich in der Wertform entäußert, in der er ‘doppelt’ erscheint: als Geld (die Erscheinungsform des Werts) und als Ware (die Erscheinungsform des Gebrauchswerts). Diese Entäußerung erweckt den Schein, als enthalte die Ware, die eigentlich sowohl Wert wie Gebrauchswert ausdrückt, nur letzteren, das heißt, sie erscheint als rein stofflich und ‘dinglich’. Weil die gesellschaftliche Dimension der Ware dabei entfällt, stellt sich das Geld als einziger Ort des Wertes dar, als Manifestation des ganz und gar Abstrakten anstatt als entäußerte Erscheinungsform der Wertseite der Ware selbst. Die dem Kapitalismus eigene Form vergegenständlichter gesellschaftlicher Beziehungen erscheint so auf der Ebene der Warenanalyse als Gegensatz zwischen Geld als Abstraktem einerseits und stofflicher Natur andererseits. Die kapitalistischen Verhältnisse scheinen ihren Ausdruck nur in der abstrakten Dimension zu finden – etwa als Geld und als äußerliche, abstrakte, allgemeine ‘Gesetze’. Ein Aspekt des Fetischs ist also, daß kapitalistische gesellschaftliche Beziehungen nicht als solche in Erscheinung treten und sich zudem antinomisch, als Gegensatz von Abstraktem und Konkretem, darstellen. Und weil beide Seiten der Antinomie vergegenständlicht sind, erscheint jede als quasi-natürlich: Die abstrakte Seite tritt in der Gestalt von ‘objektiven’ Naturgesetzen auf, und die konkrete Seite erscheint als reine stoffliche Natur. Die Struktur entfremdeter gesellschaftlicher Beziehung, die dem Kapitalismus eigen ist, hat die Form einer quasi-natürlichen Antinomie, in der Gesellschaftliches und Historisches nicht mehr erscheinen. Diese Antinomie wiederholt sich im Gegensatz positivistischer und romantischer Denkweisen. Die Mehrzahl der kritischen Untersuchungen fetischistischer Denkformen bezieht sich vor allem auf jenen Strang der Antinomie, der das Abstrakte als überhistorisch hypostasiert – das sogenannte bürgerliche Denken – und damit den gesellschaftlichen und historischen Charakter der bestehenden Beziehungen verschleiert. In diesem Beitrag geht es um einen anderen Strang, nämlich um jene Formen von Romantizismus und Revolte, die ihrem Selbstverständnis nach anti-bürgerlich sind, in Wirklichkeit jedoch das Konkrete hypostasieren und damit innerhalb der Antinomie der kapitalistischen gesellschaftlichen Beziehungen verharren. Formen antikapitalistischen Denkens, die innerhalb der Unmittelbarkeit dieser Antinomie verharren, tendieren dazu, den Kapitalismus nur unter der Form der Erscheinungen der abstrakten Seite dieser Antinomie wahrzunehmen, zum Beispiel Geld als ‘Wurzel allen Übels’. Dem wird die bestehende, konkrete Seite dann als das ‘natürliche’ oder ontologisch-menschliche, das vermeintlich außerhalb der Besonderheit kapitalistischer Gesellschaft stehe, positiv entgegengestellt. So wird – wie etwa bei Proudhon – konkrete Arbeit als das nichtkapitalis tische Moment verstanden, das der Abstraktheit des Geldes entgegengesetzt ist.[ 14 ] Daß konkrete Arbeit selbst kapitalistische gesellschaftliche Beziehungen beinhaltet und von ihnen materiell geformt ist, wird nicht gesehen. Mit der Fortentwicklung des Kapitalismus, der Kapitalform und ihres Fetischs bekommt die dem Warenfetisch innewohnende Naturalisierung neue Dimensionen. Wie bei der Warenform ist die Kapitalform durch das antinomische Verhältnis des Abstrakten und Konkreten, die beide natürlich erscheinen, gekennzeichnet. Die Qualität des ‘Natürlichen’ ist aber unterschiedlich. Verbunden mit dem Warenfetisch ist die Vorstellung grundsätzlich gesetzmäßiger Verhältnisse zwischen individuellen Monaden, wie es sich etwa in der klassischen politischenÖkonomie und der Theorie von Naturgesetzen zeigt. Das Kapital ist nach Marx in seiner prozessualen Form als selbstverwertender Wert charakterisiert, als die unaufhörliche rastlose Selbstvermehrung des Wertes. Es erscheint in der Form von Geld sowie in der von Waren, das heißt, es hat keine fertige und endgültige Gestalt. Kapital erscheint als rein abstrakter Prozeß. Seine konkrete Dimension ändert sich dementsprechend: Individuelle Arbeiten bilden nicht länger abgeschlossene Einheiten, sondern werden mehr und mehr zu Teilkomponenten eines größeren dynamischen Systems, das Mensch wie Maschine umfaßt und dessen Zweck Produktion um der Produktion willen ist. Das Ganze wird größer als die Summe der sie konstituierenden Individuen und hat einen Zweck, der außerhalb ihrer liegt. Die Kapitalform gesellschaftlicher Verhältnisse hat einen blinden, prozessualen, quasi-organischen Charakter. Mit der Durchsetzung der Kapitalform verlor das mechanische Weltbild des 17. und 18. Jahrhunderts an Bedeutung; mehr und mehr übernahmen organische Prozesse an Stelle statischer Mechanik die Form des Fetischs. Das drückt sich zum Beispiel in der Verbreitung solcher Denkformen aus wie der Lehre vom Staat als lebendigem Organismus, aber auch in den Rassentheorien und der zunehmenden Bedeutung des Sozialdarwinismus im späten 19. Jahrhundert. Gesellschaft wie historischer Prozeß werden zunehmend biologisch begriffen. Diesen Aspekt des Kapitalfetischs will ich jedoch hier nicht weiter verfolgen. Festzuhalten ist, welche Wahrnehmungsweisen von Kapital sich daraus ergeben. Wie angedeutet, läßt der ‘Doppelcharakter’ auf der logischen Ebene der Warenanalyse die Arbeit als ontologische Betätigungsweise erscheinen und nicht als eine Tätigkeit, die materiell von den gesellschaftlichen Beziehungen geformt wird; er stellt die Ware als rein stoffliches Ding dar und nicht als Vergegenständlichung vermittelter gesellschaftlicher Beziehungen. Auf der logischen Ebene des Kapitals läßt der ‘Doppelcharakter’ (Arbeits-und Verwertungsprozeß) industrielle Produktion als ausschließlich materiellen schöpferischen Prozeß, ablösbar vom Kapital, erscheinen. Die manifeste Form des Konkreten ist nun organischer. So kann das industrielle Kapital als direkter Nachfolger ‘natürlicher’ handwerklicher Arbeit auftreten und, im Gegensatz zum ‘parasitären’ Finanzkapital, als ‘organisch’ verwurzelt. Seine Organisation scheint der Zunft verwandt zu sein; der gesellschaftliche Zusammenhang, in dem es sich befindet, wird als eine übergeordnete organische Einheit gefaßt: Gemeinschaft, Volk, Rasse. Kapital selbst – oder das, was als negativer Aspekt des Kapitalismus verstanden wird – wird lediglich in der Erscheinungsform seiner abstrakten Dimension verstanden: als Finanz-und zinstragendes Kapital. In dieser Hinsicht steht die biologistische Ideologie, die die konkrete Dimension (des Kapitalismus) als ‘natürlich’ und ‘gesund’ dem Kapitalismus (wie er erscheint) gegenüberstellt, nicht im Widerspruch zur Verklärung des Industriekapitals und seiner Technologie. Beide stehen auf der ‘dinglichen’ Seite der Antinomie. Das wird gewöhnlich mißverstanden. So zum Beispiel von Norman Mailer, der in einer Verteidigung des Neo-Romantizismus (und des Sexismus) in seinem Buch The Prisoner of Sex schrieb, daß Hitler zwar von Blut gesprochen, aber die Maschine gebaut habe. Dabei blieb unverstanden, daß im fetischistischen ‘Antikapitalismus’ dieser Art beides, Blut wie Maschine, als konkretes Gegenprinzip zum Abstrakten gesehen wird. Die positive Hervorhebung der ‘Natur’, des Blutes, des Bodens, der konkreten Arbeit, der Gemeinschaft, geht ohne weiteres zusammen mit einer Verherrlichung der Technologie und des industriellen Kapitals. [ 15 ] Diese Denkweisen sind genauso wenig anachronistisch oder Ausdruck einer historischen Ungleichzeitigkeit zu nennen, wie der Aufstieg von Rassentheorien im späten 19. Jahrhundert als Atavismus aufzufassen ist. Sie sind historisch neue Denkformen, nicht die Wiederauferstehung einer älteren Form. Sie erscheinen nur als atavistisch oder anachronistisch aufgrund ihrer Betonung der biologischen Natur. Das ist jedoch selbst Teil des Fetischs, der das ‘Natürliche’ als ‘wesensgemäß’ und ursprungsnäher erscheinen läßt und die geschichtliche Entwicklung als zunehmend künstlich. Solche Denkformen begleiten die Entwicklung des industriellen Kapitalismus. Sie sind Ausdruck jenes antinomischen Fetischs, der die Vorstellung erzeugt, das Konkrete sei ‘natürlich’, und dabei das gesellschaftlich ‘Natürliche’ zunehmend so darstellt, daß es biologisch erscheint. Genau diese Hypostasierung des Konkreten und die Identifikation des Kapitals mit dem manifest Abstrakten lag einem ‘Antikapitalismus’ zugrunde, der die bestehende soziale Ordnung von einem der Ordnung immanenten Standpunkt aus überkommen wollte. Insofern dieser Standpunkt die konkrete Dimension der kapitalistischen Verhältnisse ist, deutet diese Ideologie in Richtung einer konkreteren und verstärkt organisierten Form der offenbar kapitalistischen sozialen Synthese. Diese Ideologie ist besonders funktional für die Entwicklung des Industriekapitals in der Krise. Die nationalsozialistische Ideologie war nicht nur aufgrund ihres Antimarxismus, und weil die Nazis die Organisationen der deutschen Arbeiterklasse zerstörten, im Interesse des Kapitals, sondern auch für den Übergang vom liberalen zum Quasi- Staatskapitalismus. Die Identifikation des Kapitals mit dem manifest Abstrakten überschneidet sich zum Teil mit seiner Identifikation mit dem Markt: Die Angriffe auf den liberalen Staat als abstraktem beförderten die Entwicklung des interventionistischen Staates als konkretem. Diese Form des ‘Antikapitalismus’ erscheint daher nur so, als ob sie sehnsüchtig rückwärts gewandt sei; als Ausdruck des Kapitalfetischs drängt sie in Wirklichkeit vorwärts. Sie ist ein Beitrag zum Kapitalismus in seinem Übergang zum Quasi-Staatskapitalismus in einer Situation der strukturellen Krise. Diese Form des ‘Antikapitalismus’ beruht also auf dem einseitigen Angriff auf das Abstrakte. Abstraktes und Konkretes werden nicht in ihrer Einheit als begründende Teile einer Antinomie verstanden, für die gilt, daß die wirkliche Überwindung des Abstrakten – der Wertseite – die geschichtlich-praktische Aufhebung des Gegensatzes selbst sowie jeder seiner Seiten einschließt. Statt dessen findet sich lediglich der einseitige Angriff gegen die abstrakte Vernunft, das abstrakte Recht und, auf anderer Ebene, gegen das Geld-und Finanzkapital. So gesehen entspricht dieses Denken seiner komplementären liberalen Position in antinomischer Weise: Im Liberalismus bleibt die Herrschaft des Abstrakten unbefragt; eine Unterscheidung zwischen positiver und kritischer Vernunft wird nicht getroffen. Der ‘antikapitalistische’ Angriff bleibt jedoch nicht bei der Attacke auf das Abstrakte als Abstraktem stehen. Selbst die abstrakte Seite erscheint vergegenständlicht. Auf der Ebene des Kapitalfetischs wird nicht nur die konkrete Seite naturalisiert und biologisiert, sondern auch die erscheinende abstrakte Seite, die nun in Gestalt des Juden wahrgenommen wird. So wird der Gegensatz von stofflich Konkretem und Abstraktem zum rassischen Gegensatz von Arier und Jude. Der moderne Antisemitismus besteht in der Biologisierung des Kapitalismus – der selbst nur unter der Form des erscheinenden Abstrakten verstanden wird – als internationales Judentum. Meiner Deutung nach wurden die Juden also nicht nur mit dem Geld, das heißt der Zirkulationssphäre, sondern mit dem Kapitalismus überhaupt gleichgesetzt. Diese fetischisierende Anschauung schloß in ihrem Verständnis des Kapitalismus alle konkreten Aspekte wie Industrie und Technologie aus. Der Kapitalismus erschien nur noch als das Abstrakte, das wiederum für die ganze Reihe konkreter gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen, die mit der schnellen Industrialisierung verbunden sind, verantwortlich gemacht wurde. Die Juden wurden nicht bloß als Repräsentanten des Kapitals angesehen (in diesem Fall wären die antisemitischen Angriffe wesentlich klassenspezifischer gewesen), sie wurden vielmehr zu Personifikationen der unfaßbaren, zerstörerischen, unendlich mächtigen, internationalen Herrschaft des Kapitals. Bestimmte Formen kapitalistischer Unzufriedenheit richteten sich gegen die in Erscheinung tretende abstrakte Dimension des Kapitals in Gestalt des Juden, und zwar nicht etwa, weil die Juden bewußt mit der Wertdimension identifiziert worden waren, sondern vielmehr deshalb, weil durch den Gegensatz seiner konkreten und abstrakten Dimensionen der Kapitalismus selbst so erscheinen konnte. Deshalb geriet die ‘antikapitalistische’ Revoltezur Revolte gegen die Juden. Die Überwindung des Kapitalismus und seiner negativen Auswirkungen wurde mit der Überwindung der Juden gleichgesetzt.[ 16 ]

V.

Obwohl die innere Verbindung zwischen jener Art des ‘Antikapitalismus’, der den Nationalsozialismus beeinflußte, und dem Antisemitismus gezeigt worden ist, bleibt die Frage offen, warum die biologische Interpretation der abstrakten Seite des Kapitalismus sich an den Juden festmacht. Diese ‘Wahl’ war innerhalb des europäischen Kontextes keineswegs zufällig. Die Juden hätten durch keine andere Gruppe ersetzt werden können. Dafür gibt es vielfältige Gründe. Die lange Geschichte des Antisemitismus in Europa und die damit verbundene Assoziation Juden = Geld ist wohlbekannt. Die Periode der schnellen Expansion des industriellen Kapitals im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts fiel mit der politischen und gesellschaftlichen Emanzipation der Juden in Mitteleuropa zusammen. Die Zahl der Juden an den Universitäten, in den freien Berufen, im Journalismus, den schönen Künsten, im Einzelhandel nahm immer schneller zu – das heißt, die Juden wurden in der bürgerlichen Gesellschaft rasch aufgenommen, besonders in Sphären und Berufen, die sich gerade ausweiteten und mit der neuen Form verbunden waren, die die Gesellschaft gerade annahm. Man könnte viele andere Faktoren berücksichtigen. Einen möchte ich hervorheben: Ebenso wie die Ware, als gesellschaftliche Form, ihren ‚Doppelcharakter’ in dem entäußerten Gegensatz zwischen dem Abstrakten (Geld) und dem Konkreten (der Ware) ausdrückt, so ist die bourgeoise Gesellschaft durch die Trennung von (politischem) Staat und (bürgerlicher) Gesellschaft charakterisiert. Im Individuum stellt sie sich als Trennung zwischen Staatsbürger und (Privat-)Person dar. Als Staatsbürger ist das Individuum abstrakt. Das drückt sich zum Beispiel in der Vorstellung von der Gleichheit aller vor dem (abstrakten) Gesetz (zumindest in der Theorie) aus oder in der Forderung ‘eine Person, eine Stimme’. Als eine (Privat-)Person ist das Individuum konkret, eingebettet in reale Klassenbeziehungen, die als ‘privat’ angenommen werden; das heißt, sie betreffen die bürgerliche Gesellschaft (im Gegensatz zum Staat) und sollen keinen politischen Ausdruck finden. In Europa war jedoch die Vorstellung von der Nation als einem rein politischen Wesen, abstrahiert aus der Substantialität der bürgerlichen Gesellschaft, nie vollständig verwirklicht. Die Nation war nicht nur eine politische Entität, sie war auch konkret, durch eine gemeinsame Sprache, Geschichte, Traditionen und Religion bestimmt. In diesem Sinne erfüllten die Juden nach ihrer politischen Emanzipation als einzige Gruppe in Europa die Bestimmung von Staatsbürgerschaft als rein politischer Abstraktion. Sie waren deutsche oder französische Staatsbürger, aber keine richtigen Deutschen oder Franzosen. Sie gehörten abstrakt zur Nation, aber nur selten konkret. Sie waren außerdem noch Staatsbürger der meisten europäischen Länder. Diese Realität der Abstraktheit, die nicht nur die Wertdimension in ihrer Unmittelbarkeit kennzeichnet, sondern auch mittelbar den bürgerlichen Staat und das Recht, wurde genau mit den Juden identifiziert. In einer Periode, in der das Konkrete gegenüber dem Abstrakten, dem ‘Kapitalismus’ und dem bürgerlichen Staat verklärt wurde, entstand daraus eine fatale Verbindung: Die Juden wurden als wurzellos, international und abstrakt angesehen.

VI.

Der moderne Antisemitismus ist also eine besonders gefährliche Form des Fetischs. Seine Macht und Gefahr liegen darin, daß er eine umfassende Weltanschauung liefert, die verschiedene Arten antikapitalistischer Unzufriedenheit scheinbar erklärt und ihnen politischen Ausdruck verleiht. Er läßt den Kapitalismus aber dahingehend bestehen, als er nur die Personifizierung jener gesellschaftlichen Form angreift. Ein so verstandener Antisemitismus ermöglicht es, ein wesentliches Moment des Nazismus als verkürzten Antikapitalismus zu verstehen. Für ihn ist der Haß auf das Abstrakte charakteristisch. Seine Hypostasierung des existierenden Konkreten mündet in einer einmütigen, grausamen – aber nicht notwendig haßerfüllten Mission: der Erlösung der Welt von der Quelle allen Übels in Gestalt der Juden. Die Vernichtung des europäischen Judentums ist ein Anzeichen dafür, daß es viel zu einfach ist, den Nazismus als eine Massenbewegung mit antikapitalistischen Obertönen zu bewerten, die diese Hülse 1934 im Röhmputsch abwarf, nachdem sie erst einmal ihren Zweck erreicht und sich in Form staatlicher Macht gefestigt hatte. Zum einen sind die ideologischen Formen nicht einfach Bewußtseinsmanipulationen. Und zum anderen mißversteht diese Auffassung das Wesen des ‘Antikapitalismus’ der Nazis – das Ausmaß, in dem es der antisemitischen Weltanschauung innerlich verbunden war. Es stimmt, daß auf den zu konkreten und plebejischen ‘Antikapitalismus’ der SA 1934 verzichtet wurde; nicht jedoch auf die antisemitische Grundhaltung – die ‘Erkenntnis’, daß die Quelle allen Übels das Abstrakte sei – der Jude. Eine kapitalistische Fabrik ist ein Ort, an dem Wert produziert wird, der ‘unglücklicherweise’ die Form der Produktion von Gütern annehmen muß. Das Konkrete wird als der notwendige Träger des Abstrakten produziert. Die Vernichtungslager waren demgegenüber keine entsetzliche Version einer solchen Fabrik, sondern müssen eher als ihre groteske arische ‘antikapitalistische’ Negation gesehen werden. Auschwitz war eine Fabrik zur ‘Vernichtung des Werts’, das heißt zur Vernichtung der Personifizierung des Abstrakten. Sie hatte die Organisation eines teuflischen industriellen Prozesses mit dem Ziel, das Konkrete vom Abstrakten zu ‘befreien’. Der erste Schritt dazu war die Entmenschlichung, das heißt die ‘Maske’ der Menschlichkeit wegzureißen und die Juden als das zu zeigen, was ‘sie wirklich sind’, Schatten, Ziffern, Abstraktionen. Der zweite Schritt war dann, diese Abstraktheit auszurotten, sie in Rauch zu verwandeln, jedoch auch zu versuchen, die letzten Reste des konkreten gegenständlichen ‘Gebrauchswerts’ abzuschöpfen: Kleider, Gold, Haare, Seife. Auschwitz, nicht die ‘Machtergreifung’ 1933, war die wirkliche ‘Deutsche Revolution’ – die wirkliche Schein-‘Umwälzung’ der bestehenden Gesellschaftsformation. Diese Tat sollte die Welt vor der Tyrannei des Abstrakten bewahren. Damit jedoch ‘befreiten’ die Nazis sich selbst aus der Menschheit. Militärisch verloren die Nazis den Krieg gegen die Sowjetunion, die USA und Groß-Britannien. Sie gewannen ihren Krieg, ihre ‘Revolution’ gegen das europäische Judentum. Sie ermordeten nicht nur sechs Millionen jüdische Kinder, Frauen und Männer. Es ist ihnen gelungen, eine Kultur zu zerstören – eine sehr alte Kultur –, die des europäischen Judentums. Diese Kultur war durch eine Tradition gekennzeichnet, die eine komplizierte Spannung von Besonderheit und Allgemeinheit in sich vereinigte. Diese innere Spannung wurde als äußere in der Beziehung der Juden zu ihrer christlichen Umgebung verdoppelt. Die Juden waren niemals völlig Teil der größeren Gesellschaften, in denen sie lebten; sie waren auch niemals völlig außerhalb dieser Gesellschaften. Dies hatte für die Juden häufig verheerende Auswirkungen, manchmal jedoch auch sehr fruchtbare. Dieses Spannungsfeld sedimentierte sich im Zuge der Emanzipation in den meisten jüdischen Individuen. Die schließliche Lösung dieser Spannung zwischen Besonderem und Allgemeinem ist in der jüdischen Tradition eine Funktion der Zeit, der Geschichte – die Ankunft des Messias. Vielleicht jedoch hätte das europäische Judentum angesichts der Säkularisierung und Assimilation jene Spannung aufgegeben. Vielleicht wäre jene Kultur schrittweise als lebendige Tradition verschwunden, bevor die Auflösung des Besonderen und des Allgemeinen verwirklicht worden wäre. Hierauf wird es niemals mehr eine Antwort geben können.

VII.

‘Lernen aus der Vergangenheit’ muß das Verständnis des Antisemitismus, mithin des verkürzten ‘Antikapitalismus’, einschließen. Es wäre ein schwerwiegender Fehler, würde die Linke den Kapitalismus nur in der Form der abstrakten Dimension des Kapitalwiderspruchs wahrnehmen, sei es in der Begrifflichkeit der technokratischen Herrschaft oder der abstrakten Vernunft. Es ist mehr als Vorsicht geboten gegenüber solchen Vorstellungen, die, wie in Gestalt ‘neuer’ Psychotherapieformen, das Gefühl in einen Gegensatz zum Denken stellen, oder gegenüber Auffassungen die das gesellschaftliche Problem der Ökologie biologisieren. ‘Antikapitalismus’, der das Konkrete verklärt und das Abstrakte unmittelbar abschaffen möchte – anstatt praktische und theoretische Überlegungen darüber anzustellen, was die historischeÜberwindung von beidem bedeuten könnte –, kann politisch und gesellschaftlich im besten Falle unwirksam bleiben. Schlimmstenfalls wird er jedoch selbst dann gefährlich, wenn die Bedürfnisse, die der ‘Antikapitalismus’ ausdrückt, als emanzipatorische interpretiert werden könnten. Die Linke machte einmal den Fehler anzunehmen, daß sie ein Monopol auf Antikapitalismus hätte; oder umgekehrt: daß alle Formen des Antikapitalismus zumindest potentiell fortschrittlich seien. Dieser Fehler war verhängnisvoll – nicht zuletzt für die Linke selbst. 1979

Übersetzt von Renate Schumacher und Dan Diner Redaktion: J. Olaf Kleist

[ 1 ] Ich möchte mich für die Diskussion und Kritik bei Barbara Brick, Dan Diner und Jeffrey Herf bedanken. In Bezug auf den Film selbst konzentriert sich ein Großteil der Kritik in westdeutschen Publikationen auf den kommerziellen Charakter und seine Tendenz zur Trivialisierung. Meines Erachtens waren andere Aspekte des Films weitaus wichtiger im deutschen Kontext. Die besonderen Schwächen des Films begründeten gerade seine Stärke, eine öffentliche Reaktion hervorrufen zu können. Die Schilderung des Schicksals einer einzelnen jüdischen Familie lieferte Vorschub für Sympathien mit den Opfern. Eine deutsche Öffentlichkeit fand sich in der Identifikation mit den Juden wieder, die durch die Darstellung einer assimilierten Familie der Mittelklasse zudem erleichtert worden war. Das Wissen um die Ermordung von 6.000000 jüdischen Menschen wurde dadurch hervorgehoben. Die Darstellung und die Reaktionen verblieben jedoch im liberalen Reaktionsschema gegenüber Rassismus und begegneten nicht den Implikationen der eigenen Mehrheit. In der einfachen Reaktion auf die negativen Bewertungen des Anderen durch Rassismus und Antisemitismus werden die Tatsache und das Recht auf das Anderssein verneint. Was damit verschleiert wird, ist der Umstand, daß nicht nur Millionen von jüdischen Leben vernichtet wurden, sondern ebenso das Leben des europäischen Judentums. Durch die Erleichterung einer Identifikation schwächte der Film die Wahrnehmbarkeit, daß es sich um die Auslöschung einer anderen Kultur handelte. Eine andere Schwäche des Films war die Darstellung der Lebensbedingungen in den Ghettos und in den Lagern, die imVergleich zu den Greueln der Realität mild ausfielen. Doch erlaubte gerade dieser Umstand der Öffentlichkeit den Horror mitzufühlen. Die Zuschauer konnten in einer Art und Weise offen sein, die den meisten nicht möglich ist, wenn sie mit Dokumentaraufnahmen konfrontiert sind, die das unbegreifliche Grauen zeigen, die Opfer als entmenschlichte Skelette – lebend oder tot –, und daher häufig negative Abwehrreaktionen hervorrufen. Schließlich behandelt der Film die Verfolgung und Vernichtung der Juden ausschließlich auf der Erscheinungsebene. Es wurde kein Versuch unternommen, den Antisemitismus oder die gesellschaftlichen und historischen Dimensionen des Nationalsozialismus anzudeuten. Jedoch zwang gerade dieser Mangel die Zuschauer, sich mit dem unverarbeiteten Phänomen zu konfrontieren und sich nicht hinter analytischen Kategorien oder moralisierendem Bedauern zu verstecken.

[ 2 ] Alle Juden in Ostdeutschland, ungeachtet ihrer politischen Herkunft, erhalten höhere Pensionen von der Regierung. Sie erhalten sie jedoch nicht als Juden, sondern als ‘Antifaschisten’.

[ 3 ] ‘Dorf’ war der Name der zentralen (fiktiven) Nazi-Figur in dem Film.

[ 4 ] Während der Herausgeber des Spiegel, Rudolf Augstein, ein Editorial verfaßte, in dem er sein fehlendes Wissen betonte (aber nicht entschuldigte), schrieb Henri Nannen vom Stern ein Editorial, in dem er sich selbst seines Wissens, aber Nichthandelns wegen, zumal er sogar weiterhin voller Stolz eine Uniform der Luftwaffe trug, verurteilte. Eine dramatische Situation ereignete sich im Fernsehen, als, nach vielen Unkenntnis vorschützenden Stellungnahmen, ein Nachrichtenredakteur, der über die öffentlichen Reaktionen berichtet hatte, seinen Bericht unterbrach, um eine persönliche Erklärung abzugeben. Während des Krieges habe er auf einem U-Boot im Atlantik gedient. Sie hätten selbst dort über Auschwitz Bescheid gewußt.

[ 5 ] Schon 1940 beziehen sich interne Memoranden von Heydrichs SD (Sicherheitsdienst) auf das ‘Problem’ der deutschen Soldaten – die meisten von ihnen waren übrigens an der Ostfront –, die zum Urlaub nach Hause kamen und ihre Erfahrungen berichteten.

[ 6 ] Ich glaube nicht, daß das Ausbleiben einer solchen Reaktion nur der konservativen Politik der Alliierten nach 1945 zugeschrieben werden kann. Die ‘Antifa’-Komitees waren klein und isoliert. Aus den Nazilagern entlassene Antifaschisten fanden beim ‘Volk’ wenig Beifall.

[ 7 ] Klaus Theweleit, Männerphantasien, Frankfurt (Roter Stern Verlag) 1977. Das Buch ist eine reiche Quelle an Dokumenten und Interpretationen männlicher Phantasien. Seine Schwäche liegt in dem Versuch, den Nazismus in diesen Termini zu begreifen, d.h. als Resultat des Patriarchats. Die These ist mehr als fraglich. Erstens: Soweit eine Beziehung zwischen Patriarchat und Nazismus besteht, bedeutet dies keineswegs eine Identität. Im Gegenteil, die wohlbekannten Photos bartloser junger Nazis, die sadistisch lächeln, während sie älteren jüdischen Männern die Bärte ausreißen, scheinen auf psychologischer Ebene einen Haß auf das Patriarchat anzudeuten. Das wird nicht nur durch die Überlegung bestätigt, daß Hitler eher Gegenstand der Identifikation mit dem Ebenbürtigen als mit dem Vater war, sondern auch durch die Untersuchung der Familienpolitik der Nazis, die trotz ihrer Slogans keineswegs traditionalistisch war. Die offensichtlich paradoxe Verbindung von Revolte mit dem Wunsch nach Disziplin und Ordnung kann als Revolte gegen einen zu schwachen Vater verstanden werden, d.h. als eine Bewegung, die den Niedergang des Patriarchats ausdrückt (was natürlich von seiner Überwindung sehr verschieden ist). Zweitens macht Theweleit den Fehler, psychosexuelle Strukturen unvermittelt auf direkte Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu beziehen. Das führt ihn dann zu einem Verständnis von Rassismus als Nebenresultat der Beziehung zwischen den Geschlechtern. Der geschichtliche Charakter besonderer Formen des Rassismus wird darin verdeckt. Es ist erstaunlich, daß in einem Buch, das von der subjektiven Seite des Nazismus handeln will, Rassismus außer acht gelassen und Antisemitismus ignoriert wird. Der Versuch, die subjektive Seite eines historischen spezifischen Phänomens zu untersuchen, endet bei einer subjektivistischen, überhistorischen und unspezifischen Ideologie. Das Problem wird in der Form formuliert, ob es überhaupt möglich sei, von ‘nichtfaschistischen’ Männern zu reden (S. 44). Männerphantasien ist in Deutschland ein großer publizistischer Erfolg gewesen. In der liberalen Presse wurde das Buch hoch gelobt. (Die Zeit widmete ihm eine ganze Seite.) Zur gleichen Zeit war es in der linken ‘Szene’ ungeheuer populär. Meiner Meinung nach aus genau dem Grund, aus dem ich es kritisiert habe: Die Interpretation des Textes stimmte mit dem Trend überein – eine nichtauthentische Huldigung an die Frauenbewegung – und ist so unspezifisch, daß das Problem des nationalsozialistischen Erfolgs in Deutschland in ein Problem von Männern überhaupt aufgelöst wird; außerhalb von Raum und Zeit.

[ 8 ] Ein nicht weniger häufig angegebener Grund mancher Linker für die Weigerung Holocaust anzusehen, war das Argument, daß er ein Ausdruck zionistischer Propaganda sei. Das vernachlässigt die offensichtliche Tatsache, daß die Vernichtung des europäischen Judentums für die meisten Juden nach 1945 der Grund war, mit dem Zionismus zu sympathisieren. Das hing nicht allein mit den Nazis zusammen, sondern auch mit dem Eifer der rumänischen, ukrainischen, kroatischen, flämischen und französischen Antisemiten und Faschisten, die die Nazis bei der Verfolgung und Vernichtung der Juden unterstützten. Gleiches gilt für die Politik ‘passiver Duldung’, wie sie von den Amerikanern und Briten vollzogen wurde. Zionismus wurde als nationalistische Antwort für viele Juden überzeugend, nachdem sie erfahren hatten, wie die Projektion einer jüdischen Weltverschwörung in ihr Gegenteil umschlug: eine Weltverschwörung gegen die Juden. Die Gründe für die jüdische Massenunterstützung des Zionismus zu verstehen, hat nicht notwendigerweise zur Folge, zionistische Politik zu akzeptieren und zu entschuldigen. Genauso wenig, wie Verständnis für die Reaktionen der Palästinenser auf Jahrzehnte zionistischer Unterdrückung, Einverständnis mit der Politik radikaler Nationalisten eines Habaschs oder Wadi Haddads bedeutet. Es ist wirklich nicht schwer, solche Unterscheidung zu machen. Das also kann nicht das Problem sein. Braucht sich eine deutsche Linke mit der Vernichtung des europäischen Judentums durch die Nazis deshalb nicht zu befassen, weil es die Wirklichkeit des Zionismus gibt?

[ 9 ] Einer der wenigen jüngeren Versuche in den westdeutschen Medien, die Vernichtung der Juden durch die Nazis qualitativ zu bestimmen, wurde von Jürgen Thorwald unternommen. (Der Spiegel vom 5. Februar 1979).

[ 10 ] Siehe z.B., Norman Cohen, Warrant for Genocide, London 1967.

[ 11 ] Max Horkheimer, Die Juden und Europa, in: Ders., Gesammelte Schriften, Band 4, Hg. von Alfred Schmidt, Frankfurt am Main 1988, S. 308-331. Der Text entstand im Jahr 1939 und wurde zuerst in der Zeitschrift für Sozialforschung, Jahrgang VIII, New York 1939, Doppelheft 112, S. 115-137 veröffentlicht.

[ 12 ] George Mosse, The Crisis of German Ideology, New York 1964.

[ 13 ] Die erkenntnistheoretische Dimension der Marxschen Kritik ist dem ganzen Kapital immanent, wurde aber nur im Rahmen seiner Warenanalyse entschlüsselt dargestellt. Seine Kategorien sollen verstanden werden als gleichzeitige Ausdrucksformen besonderer verdinglichter gesellschaftlicher Beziehungen und Denkweisen. Dies unterscheidet sie wesentlich von der Hauptströmung marxistischer Tradition, in der die Kategorien als Bestimmungen einer ‘ökonomischen Basis’ begriffen werden und das Denken als Überbauphänomen aufgefaßt wird, das sich aus Klasseninteressen und -bedürfnissen ableitet. Diese Form des Funktionalismus kann, wie erwähnt, die Nicht-Funktionalität der Vernichtung der Juden nicht adäquat erklären. Allgemeiner formuliert: Sie kann nicht erklären, warum eine bestimmte Denkform, die sehr wohl im Interesse bestimmter Klassen und anderer gesellschaftlicher Gruppen liegen kann, eben diesen und keinen anderen ideologischen Inhalt hat. Gleiches gilt für die aufklärerische Vorstellung von Ideologie (und Religion) als Ergebnis bewußter Manipulation. Die Verbreitung einer bestimmten Ideologie impliziert, daß sie eine Resonanz besitzen muß, deren Ursprung zu erklären ist. Andererseits steht der von Lukács, der Frankfurter Schule und Sohn-Rethel weiterentwickelte Marxsche Ansatz jenen einseitigen Reaktionen auf den traditionellen Marxismus entgegen, die jeden ernst zu nehmenden Versuch aufgegeben haben, Denkformen historisch zu erklären und jeden Ansatz in solche Richtung als ‘Reduktionismus’ ablehnen.

[ 14 ] Proudhon, der in dieser Hinsicht als einer der geistigen Vorläufer des modernen Antisemitismus gelten kann, meinte daher, die Abschaffung des Geldes – der erscheinenden Vermittlung – genüge bereits, um die kapitalistischen Beziehungen abzuschaffen. Kapitalismus ist jedoch von vermittelten gesellschaftlichen Beziehungen gekennzeichnet, die in kategorialen Formen vergegenständlicht sind, von denen Geld ein Ausdruck, nicht aber Ursache ist. Proudhon verwechselt demnach die Erscheinungsformen – Geld als Vergegenständlichung des Abstrakten – mit dem Wesen des Kapitalismus.

[ 15 ] Theorien, die den Nationalsozialismus als ‘antimodern’ oder ‘irrational’ darstellen, erklären die Wechselbeziehung dieser beiden Momente nicht. Der Begriff ‘Irrationalismus‘ stellt den noch fortbestehenden ‘Rationalismus‘ gar nicht mehr in Frage und kann das positive Verhältnis einer ‘irrationalistischen’, ‘biologistischen’ Ideologie zur Ratio von Industrie und Technologie nicht erklären. Der Begriff ‘antimodern’ übersieht die sehr modernen Aspekte des Nationalsozialismus und kann nicht angeben, warum nur einige Aspekte des ‘Modernen’ aufgegriffen wurden und andere nicht. Beide Analysen sind einseitig und repräsentieren nur die andere, die abstrakte Seite der oben beschriebenen Antinomie. Tendenziell verteidigen sie unkritisch die bestehende nichtfaschistische ‘Modernität’ oder ‘Rationalität’. Damit ließen sie Raum für neue einseitige Kritik (diesmal seitens Linker) wie etwa die von Foucault oder Glucksmann, die die heutige moderne kapitalistische Zivilisation nur als abstrakte verstehen. All diese Ansätze sind nicht nur unbrauchbar für eine Theorie des Nationalsozialismus, die eine angemessene Erklärung für die Verbindung zwischen ‘Blut und Maschine’ geben soll, sie können auch nicht aufzeigen, daß die Gegenüberstellung von ‘abstrakt’ und ‘konkret’, von positiver Vernunft und ‘Irrationalismus’ keineswegs die Grenzen einer absoluten Wahl abstecken, sondern daß die Pole dieser Gegensätze miteinander verbunden sind als antinomische Ausdrücke der dualen Erscheinungsformen ein und desselben Wesens: der kapitalistischen Gesellschaftsformation. (In diesem Sinn fiel Lukács in seinem unter dem Eindruck der unaussprechlichen Brutalität der Nazis geschriebenen Buch Die Zerstörung der Vernunft hinter seine eigenen kritischen Einsichten in die Antinomien bürgerlichen Denkens zurück, die er 25 Jahre zuvor in Geschichte und Klassenbewußtsein entwickelt hatte.) So bewahren solche Ansätze die Antinomie, anstatt sie theoretisch zu überwinden.

[ 16 ] Wollte man die Frage behandeln, warum der moderne Antisemitismus so unterschiedlich stark in den verschiedenen Ländern verbreitet war und warum er in Deutschland hegemonial geworden ist, dann müßte man die oben entwickelte Argumentation in den entsprechenden sozialen und historischen Kontext stellen. Was Deutschland betrifft, ließe sich von der besonders raschen Industrialisierung mit ihren weitreichenden sozialen Umwälzungen und dem Fehlen einer vorausgegangenen bürgerlichen Revolution mit ihren liberalen Werten und ihrer politischen Kultur ausgehen. Die Geschichte Frankreichs von der Dreyfus-Affäre bis zum Vichy-Regime scheint aber zu zeigen, daß eine bürgerliche Revo lution vor der Industrialisierung keine ausreichende ‘Immunität‘ gegen den modernen Antisemitismus gibt. Andererseits war der moderne Antisemitismus in Großbritannien nicht sehr verbreitet, obwohl es dort natürlich auch Rassentheorien und Sozialdarwinismus gab. Der Unterschied könnte in dem Grad der Entwicklung der gesellschaftlichen Abstraktheit von Herrschaft vor der Industrialisierung liegen. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Grad der Vergesellschaftung Frankreichs als zwischen dem Englands und zum Beispiel dem Preußens betrachtet werden, gekennzeichnet durch eine besondere Form der ‘Doppelherrschaft‘: Ware und Staatsbürokratie. Beide sind Rationalitätsformen. Sie unterscheiden sich jedoch durch den Grad an Abstraktheit, wodurch sie Herrschaft vermitteln. Es scheint ein Zusammenhang zu bestehen zwischen der institutionellen Konzentration konkreter Herrschaft im Frühkapitalismus (Kirche und Staatsbürokratie inklusive Armee und Polizei) und dem Ausmaß, in dem später die abstrakte Herrschaft des Kapitals nicht nur als bedrohlich, sondern auch als mysteriös und fremd wahrgenommen wurde.

http://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/postone-deutschland_lp.html

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Die Gemeinschaft der Guten
Der antifaschistische Staat und seine Nazis

Initiative Sozialistisches Forum

“Die Veröffentlichung von 93 gewaltsamen Todesfällen mit rechtsextremistischem Hintergrund der vergangenen zehn Jahre in FR und Berliner Tagesspiegel hat ein solch starkes Echo ausgelöst …”, war auf der Titelseite der FR zu lesen – … daß die geneigte Leserschaft zum Generalstreik gegen Staat und Kapital aufruft? Nein: “ … daß sich beide Zeitungen entschlossen haben, die Texte als Sonderdrucke herauszugeben.” An sich ein löbliches Unterfangen, war es doch bisher linken Publikationen wie jungle world und konkret vorbehalten, die Morde und Übergriffe gegen Ausländer, Punks und Obdachlose, die Anschläge auf jüdische Einrichtungen zu dokumentieren. Nun zeigt die breite Öffentlichkeit der Deutschen ein verstärktes Interesse an den Taten der braunen Schläger und Mörder und dokumentiert ihr Bedürfnis, sich von den häßlichen Glatzköpfen zu distanzieren.

Das Bedürfnis, guter Deutscher, das Bedürfnis, normaler Staatsbürger und damit normaler Nationalist zu sein, ist hingegen alles andere als neu. Neu allein ist die unverblümte Weise, in der sich dieses Bedürfnis artikuliert. Bis in die achziger Jahre war es noch üblich, den normalen deutschen Nationalismus, d.h. den Patriotismus, in die Begeisterung für die nationalen Befreiungsbewegungen der guten Völker im Trikont umzulenken. In der nationalen Erweckungsbewegung, also in der Friedensbewegung der achtziger Jahre, äußerte sich das nationale Bedürfnis dann wesentlich offener: im Engagement, deutschen Boden gegen amerikanische Pershings zu verteidigen. Heute endlich dürfen alle ihren Stolz, Deutsch zu sein, offen aussprechen. Zehn Jahre Berliner Republik, so heißt es nun allerorten, hätten gezeigt, daß die Behauptung, es entstehe ein “Viertes Reich” bevor, keinerlei Berechtigung hatte: “Angst ging um. Aber es kam Normalität” freut sich die Geburtstagsausgabe der Zeit. Und das – aber das ist schon lange lange her – ehemals linke Kursbuch, dem Wolfgang Pohrt bereits 1980 das “Umschlagen neudeutscher Klebrigkeit in reaktionäre Ideologie” prognostizierte, erscheint rechtzeitig zum Jahrestag der deutschen Einheit unter dem Hefttitel “Das gelobte Land” mit einer “Schrift über die Vorzüge Deutschlands”, die dazu beitragen möchte, die “Überproduktionskrise der Selbstkritik” zu überwinden und die Lücke an positivem Schriftum über das Vaterland – “als sich einfach keiner getraut hat” (Enzensberger) – zu schließen.

Das resignative Statement von Max Horkheimer von 1939 – “Aber es ist, als seien die vertriebenen Intellektuellen nicht bloß des Bürgerrechts, sondern auch des Verstands beraubt worden. Denken, die einzige Verhaltensweise, die ihnen anstünde, ist in Mißkredit geraten. Der ‘jüdisch-hegelianische Jargon’, der einst aus London bis zur deutschen Linken drang und schon damals in den Brustton von Gewerkschaftsfunktionären übertragen werden mußte, gilt jetzt als vollends überspannt. Aufatmend werfen sie die unbequeme Waffe weg und kehren zum Neuhumanismus, zu Goethes Persönlichkeit, zum wahren Deutschland und anderem Kulturgut zurück.” (Die Juden und Europa) – ist heute so wahr wie damals: Nach Bitburg, Historikerstreit, Wiedervereinigung, Mahnmaldebatte, Wehrmachtsaustellung, Goldhagen, Walser, Kosovo-Krieg scheint die Befreiung der Deutschen von Auschwitz endgültig abgeschlossen, kann reinen Gewissens zum wahren Deutschtum zurückgekehrt werden. Deutschland, nach fünfundfünfzig Jahren endlich “total normal” (Zeit).

Das Bild vom guten, vom normalen deutschen Volk wird nur noch von den häßlichen Taten der braunen Glatzen gestört. Sie bringen immer wieder die zuerst verdrängte, dann in mühsamer Kleinarbeit scheinbar erfolgreich wegrationalisierte nationalsozialistische Kontinuität der postfaschistischen Gesellschaft an die Oberfläche. Deshalb müssen die braunen Schläger nun von der Bildfläche verschwinden. Denn in der Zivilgesellschaft ist nur ein entnazifizierter Faschismus ein brauchbarer Faschismus.

Die Gewalt der Neonazis beunruhigt auch die herrschende Klasse. Spätestens seit dem Bombenattentat von Düsseldorf, bei dem im Juli sieben Juden schwer verletzt worden waren, hat der Staat Antifaschismus zu seiner Sache gemacht: Politiker aller Parteien werden nicht müde, die “braune Gefahr” zu geißeln. Vorläufiger Höhepunkt der seit Wochen die Innen- und Sicherheitspolitik bestimmenden Debatte: Nach den antisemitischen Anschlägen am Tag der Deutschen Einheit fordert der Bundeskanzler einen “Aufstand der Anständigen”. Man kann nur hoffen, daß die Deutschen diesem Aufruf nicht Folge leisten.

Weil der Grund für die hektischen Umtriebe der StaatsAntifa nicht die in Düsseldorf verletzten Juden sind – Verletzte und Tote gab es bereits bei früheren rechtsextremistischen Anschlägen, wie die mittlerweile auch von ARD-Fernsehmagazinen veröffentlichten Listen des rechten Terrors dokumentieren –, müssen die wirklichen Gründe für den staatlichen Antifaschismus woanders liegen. Die einen werten den staatlichen Antifaschismus als eine PR-Kampagne für die Berliner Republik – was er sicherlich auch ist –, andere verorten den rationalen Kern des regierungsamtlichen antirassistischen, antifaschistischen und philosemitischen Konsens im internationalen Konkurrenzkampf um migrantische Facharbeiter (Stichwort: Green-Card für den Wirtschaftsstandort Deutschland) und bieten renten- bzw bevölkerungspolitische Erklärungsansätze an – was ebenfalls sicherlich nicht falsch ist, denn der Staat des Kapitals hat nun mal für optimale Verwertungsbedingungen zu sorgen –, wieder andere betonen, die rechte Gewalt sei für den Staat eine willkommene Legitimation, an der Repressionsschraube zu drehen, oder bedauern, daß staatliche Verbote von Naziorganisationen wie Blood & Honour aufgrund deren internationalen Verflechtungen nicht greifen – was vermutlich leider auch stimmt.

Mediales Sommertheater, ökonomische Notwendigkeit (Standort Deutschland), politische Repression? Sicherlich ist kein Erklärungsangebot völlig falsch, und die Bedenken der Antifa, daß die Nazis die Verbote und Ächtungen unbeschadet überstehen werden, sind ernst zu nehmen. Wie auch die Einschätzung, daß der legale Rassismus und Antisemitismus, wie er in der Zivilgesellschaft gang und gäbe ist, durch die StaatsAntifa gestärkt wird: Gemeinsam gegen rechts, das heißt gemeinsam für Deutschland. Gemeinsam gegen den rechten Mob, das heißt für eine von der Geschichte befreite deutsche Normalität. Von der Idee eines weltoffenen Einwanderungsland besessen, wird übersehen, daß die Politik der Green-Cards sowohl den alltäglichen Rassismus der zivilgesellschaftlichen Bürger wie den brutalen Rassismus den rechten Schläger bedient: die Logik, Ausländer nach ökonomischen Nutzenkalkülen zu sortieren, liefert den rechten Schlägern das Motiv und die stillschweigende Zustimmung des Volkes. Die internationale Konkurrenz um migrantisches Fachpersonal und die nationale Konkurrenz um Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sind nur verschiedene Erscheinungsweisen ein- und desselben Kapitalverhältnisses, das die Mehrzahl der Menschen weltweit zu überflüssigen und nutzlosen Empfängern von Unterhaltsleistungen oder humanitären Hilfsaktionen macht. Futterneid und Konkurrenz scheinen die Beweggründe der Feindschaft gegen Ausländer zu sein – auch wenn diese keinen Mord erklären können. “Zum Ärgernis werden sie (die Ausländer) also nicht durch die Fremdheit ihrer besonderen Kultur, sondern dadurch, daß sie sich einen Mercedes kaufen, in die Disco gehen und die Kaufhäuser bevölkern … weil sie mit den bundesrepublikanischen Verhältnissen so wenig Probleme haben, daß sie im Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze und Wohnungen mithalten können, werden sie gehaßt.” (Pohrt, Linke und Ausländerpolitik, in: Zeitgeist – Geisterzeit)

Die Parolen vom Boot, das voll sei, sind verklungen, Parolen einer Politik, die nicht nur das Asylrecht praktisch abgeschafft und die rechtlichen Grundlagen für die rigide Abschiebepraxis geschaffen hat, sondern die zugleich den rechten Mob als ihren – mit Baseball-Schläger und Brandsatz – bewaffneten Arm legitimiert hat. Diese werden nun als Bedrohung für die Demokratie gebrandmarkt. In der Weimarer Republik wurden die rechten Schlägertrupps als SA/SS legalisiert und damit gesellschaftlich integriert. Heute versucht man es mit Sozialarbeit. Doch die “staatlich geförderte Glatzenpflege” ist, nachdem sie zunächst als der Weisheit letzter Schluß gelobt wurde, mittlerweile als rechtsradikale Nachwuchsarbeit negativ in die Schlagzeilen geraten. Was also tun?

Politiker aller Parteien formieren sich zur antifaschistischen Volksfront. Die Rede des Bundestagspräsidenten in der Debatte über Rechtsextremismus liest sich an manchen Stellen wie ein Flugblatt der Antifa: “Die Namen Rostock und Mölln, Eberswalde und Solingen, Hoyerswerda, Guben und Hünxe – die Namensliste ließe sich fortsetzen – sind verbunden mit der Erinnerung an schreckliche Gewalttaten gegen Bürger ausländischer Herkunft.” Der bisher als Randphänomen bagatellisierte Rechtsradikalismus wird nun als eine Gefahr beschrieben, die “bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht”.

Dort organisiert sich mit der “Aktion weltoffenes Deutschland” bereits ein Antifaschismus, der die antifaschistische Legende vom “anderen Deutschland”, die immer schon das völkische Denkschema tradiert hat, kulturindustriell auf die Höhe der Zeit bringt. Der staatlich geförderte Anti-Rassismus-Verein will Versteigerungen im Internet, Galamenüs von Spitzenköchen organisieren, Telefonkarten mit Vereinslogo verkaufen. Die Legende vom anderen Deutschland, d.h. die antifaschistische Basis der völkischen Kontinuität, geht voll und ganz in der medienwirksamen Reklameveranstaltung deutscher Prominenter auf, die vor allem ihr “Gesicht zeigen!”. Eine der Beteiligten, die ihr Gesicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zeigen weiß, engagiert sich “nicht als Prominente, sondern als Frau, die in diesem Land lebt, und das seit 26 Jahren mit einem jüdischen Mann”. Die Pflicht eines jeden hervorhebend, sich der Geschichte zu stellen (deshalb will sie eine Lesung aus dem Buch “Mama, was ist Auschwitz?” von Annette Wieviorka auf Kassette aufnehmen und an Schulen verteilen) betont sie zugleich ihr Opfer, nicht nur in diesem Land leben zu müssen, sondern zudem auch noch einen jüdischen Mann zu haben, und stellt mit der nach 45 von jedem deutschen Antisemiten zur persönlichen Entlastung geäußerten Formel: mein bester Freund war Jude, ihre (verfolgende) Unschuld unter Beweis.

“Das Kapital braucht nicht immer den Faschismus. Aber der Zusammenhang zwischen dem repressiven Charakter des liberalen und neoliberalen Staates und den terroristischen Methoden des faschistischen Staates darf nicht übersehen werden … Die Staatsgewalt muß jederzeit die Fähigkeit bewahren, gegen Emanzipation konkret zu werden.” (Johannes Agnoli, Die bürgerliche Gesellschaft und ihr Staat, in: Faschismus ohne Revision)

Im Deutschen Herbst von 1977, als der Staat den Ausnahmezustand verhängte, war die antifaschistische Welt für einen kurzen Augenblick in Ordnung: der demokratische Nachfolgestaat des Nationalsozialismus zeigte seine totalitäre Fratze in aller Deutlichkeit und offenbarte so sein autoritäres Wesen. Doch dem Gerede der damaligen Linken vom “neuen Faschismus” folgte bald das Bekenntnis zum Primat der Gewaltfreiheit linker Politik – die Zivilgesellschaft war geboren und der Staat konnte sich wieder liberal geben. Heute versucht sich die staatliche Repression an der rechten Gewalt, gegen die er sein Gewaltmonopol behaupten will. Doch dieser Kampf gegen rechts ist von der Natur der Sache her ein anderer als der gegen links. Ein Rechter, der dem Staat das Gewaltmonopol bestreitet, ist ein Widerspruch in sich. Auch die Linke mag aus sich heraus nie wirklich dieses Gewaltmonopol in Frage gestellt haben, auch sie wollte, wie sich historisch gezeigt hat, jenseits aller emanzipatorischer Rhetorik in Wirklichkeit nur den Staat für sich, den Austausch der Eliten – aber von der herrschenden Klasse wird doch instinktiv gespürt, daß eine tatsächlich Gefahr für sie nur von links ausgehen kann. Und so braucht es nicht viel, um prophezeien zu können, daß es im Kampf gegen rechts zu einer Sympathisantenhatz wie in den siebziger Jahren nie kommen wird (müßte doch dann der gesamte Bundestag mit dem § 129a zur Räson gebracht werden.) Ebensowenig verwundert es, daß die nationalistisch-konservativen klammheimlichen Sympathisanten der rechten Schläger im Umkreis ihres Zentralorgans für Deutschland (der FAZ), genau dieselben Argumente gegen staatliche Repression anführen, die im deutschen Herbst der siebziger Jahre aus linksliberalen Kreisen zu vernehmen waren: zuviel Repression gefährde die Demokratie.

Die Bombe von Düsseldorf gefährdet das Gewaltmonopol des Staates selbst jedenfalls nicht – doch die zur Zeit verfochtene herrschende Politik. Der Kampf gegen rechts soll allen Rechten – also auch der (glücklicherweise noch) schweigenden Mehrheit der Bevölkerung – zeigen, daß zwar alle dasselbe wollen – Deutschland –, die staatliche Antifa von Stoiber bis Gysi aber nicht gewillt ist, für Deutschland eine andere Politik zu machen als die bisherige. Und so lange die derzeitige Koalition von Staat und Kapital nicht in die Krise gerät, wird die Rechte sich daran die Zähne ausbeißen.

Sei es wie es ist. Der Gewinner des politischen Spiegelgefechts zwischen Demokratie und Repression, zwischen Recht und Gewalt, steht von vorn herein fest: der Staat selbst – den es, wollte man mit Antirassismus und Antifaschismus ernst machen, abzuschaffen gälte. Doch diese Minimalforderung wird man im zum gesellschaftlichen Mainstream avancierten Antirassismus vergeblich suchen: Staat, Volk, Prominente und Intellektuelle haben sich zu einer antifaschistischen Volksgemeinschaft formiert, die sich über “die brutalen Formen von Rassismus in unserem Land” empört, sich jedoch einen Dreck um deren Ursachen schert. So abgegriffen kann das Diktum Horkheimers, demzufolge vom Faschismus schweigen soll, wer vom Kapitalismus nicht reden will, gar nicht sein, als daß man den antirassistischen Konsens in Deutschland nicht wieder und wieder damit konfrontieren müßte.

So wie es ist, muß es nicht bleiben. Die Alternative zeigt sich in der Gleichzeitigkeit, mit der das Feuilleton zur Feier des hundertjährigen Todestags von Nietzsche “die Entfesselung der von ihm propagierten Energien kreativer Zerstörung” zelebriert (Hartmann in konkret 10/2000), mit der Wirtschaftsmagazine unter Berufung auf Josef Schumpeters aggressive Theorie des Unternehmertums die “schöpferische Zerstörung” als Innovationspotential gegen die kommunikative Ethik der runden Tische anpreisen, mit der sich die Mitte der Gesellschaft als verfolgende antirassistische Unschuld liberal und humanistisch zu inszenieren weiß, verweist auf die Gleichzeitigkeit von Liberalismus und Anti-Liberalismus. Genauso, wie der Liberalismus das Gespenst vom die Demokratie bedrohenden Faschismus braucht, benötigt dieser die Ideologie eines die Gemeinschaft gefährdenden, reinen Liberalismus. Doch Liberalismus und Faschismus sind keine Gegensätze. Im Rationalismus des Liberalismus steckt bereits der Umschlag in die Irrationalität, die dem Faschismus als Differenzkriterium zugesprochen wird; in der Aufklärung steckt bereits die Gegenaufklärung. Die in der bürgerlich-liberalen Ideologie zur “invisible hand” mystifizierte, von antiindividualistischen Gemeinschaftsideologen als abstrakt und unpersönlich diffamierte gesellschaftliche Synthesis durch den Wert, und die volksgemeinschaftliche Form der nationalsozialistischen Synthesis stehen sich (bei aller Unterschiedlichkeit) nicht diametral entgegen. Ebensowenig aber läßt sich das historisch Spätere (die Volksgemeinschaft) aus dem Früheren (der unsichtbaren Hand) logisch ableiten. Beide haben denselben Grund: das Kapital und seinen Staat.

Gleichwohl gehört die Bekämpfung des Liberalismus zum festen Bestandteil der totalitären (faschistischen) Ideologie, der nationalsozialistischen in den dreißiger Jahren ebenso wie der von heute. Die von Sloterdijk und anderen Heideggerianern im “Kulturkampf” (Zeit) gegen die Kritische Theorie vorgetragene Humanismuskritik soll den Weg in ein nach vorne gerichtetes, die Last der Vergangenheit abgeschütteltes Denken ebnen. Sloterdijks Regeln für den Menschenpark eröffnen den Deutschen eine Perspektive, auch bei den zukunftsträchtigen Themen wie Gentechnologie zur Normalität und Kontinuität westeuropäischer Geschichte zurückzukehren. Die Größe der Aufgabe verlangt aber nach einem heroischen Menschenbild, nach einem Übermenschen, der nicht unmittelbar mit dem Herrenmenschen der Nazis identisch ist, verlangt nach einer von humanistischer Moral und der störenden Erinnerung an die nationalsozialistische Eugenik befreiten germanischen Züchtungsprogramm. Die Philosophie Heideggers, deren faschistischer Gehalt immer nur von wenigen Außenseitern thematisiert wurde, und die bereits über die postmoderne Rezeption in Frankreich auch hierzulande höhere Weihen erhielt, und die Philosophie Nietzsches, vor deren Faszination auch kritische Rezipienten nicht gefeit sind, sind längst zur geistigen Grundlage der Berliner Republik avanciert. Wahre Stärke repräsentiert nicht der Baseball schwingende Hooligan, sondern der narzistische, erfolgsorientierte, souveräne Machtmensch, dessen stählerner Blick einem aus jeder Hugo Boss Werbung entgegen stiert.

Und was hat die kritische Linke der antifaschistischen Volksgemeinschaft entgegenzusetzen? Gibt es in dieser überhaupt noch einen emanzipatorischen Anti-Rassismus, gibt es noch eine Kritik des Antisemitismus, die nicht zum bloßen Selbstzweck heruntergekommen ist? Gerade letztere hat sich innerhalb der Linken in den letzten Jahren zum festen Bestandteil des theoretischen Repertoires etabliert: Man hat seinen Postone gelesen, hat gelernt, die Personifizierung der abstrakten Form der Vergesellschaftung und die Unterscheidung von raffendem und schaffendem Kapital als antisemitische Stereotype zu denunzieren, schaut, völlig zurecht, ganz genau hin, wenn vom Spekulationskapital und Casino-Kapitalismus die Rede ist. Zweierlei allerdings sucht man in der Kritik des linken Mainstream an Antisemitismus und an Rassismus nach wie vor vergebens: die Reflexion auf den Zusammenhang von Warenform und Denkform (kritische Selbstreflexion) und das Einbeziehen einer Staatskritik. Zu oft noch wird, wenn nicht kulturalistisch, dann strukturtheoretisch oder ökonomistisch argumentiert: der Gegensatz von abstraktem Wert und konkretem Gebrauchswert wird meist zum Strukturprinzip der “Wertvergesellschaftung” verallgemeinert, ohne auf die Form zu reflektieren, die das Verhältnis von abstrakt und konkret in der für den gesunden Menschenverstand ebenso wie für die akademische Denkform selbstverständlichen Weise konstituiert. Es bleibt der an der Wertformanalyse von Marx orientierten Kritik vorbehalten, den Gegensatz von abstrakt und konkret nicht als quasi-natürliche Denkvoraussetzung zu ontologisieren, sondern als notwendiges Resultat des Denkens in der Form des Werts selbst zu begreifen – einem Denken, dem Antisemitismus und Rassismus nicht als kulturelle oder ökonomische oder politische Phänomene hinzutreten, sondern als notwendig falsches Bewußtsein völlig immanent sind. Den Zusammenhang von Kritik der politischen Ökonomie und Erkenntniskritik ignorierend, haben linksakademische Theorien des Antisemitismus und Rassismus etwa denselben Stellenwert wie gutgemeinte Sonntagsreden des Bundespräsidenten: sie versuchen zu verstehen, was, wollte man es wirklich bekämpfen, abzuschaffen wäre.

http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/isf-gemeinschaft.html

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http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/20141030halle.html

Wir dokumentieren den Aufruf von der Seite http://israelkritik.de:

Antisemitische Lumpen sind in den vergangenen Wochen tagein, tagaus durch europäische Innenstädte gezogen, mit palästinensischen Gesinnungsfetzen um den Hals und selbstgefertigten oder auch vorab verteilten Plakaten in der Hand, auf denen die brutalste Dummheit prangte, während über ihren Köpfen schwarze, grüne und rote Fahnen flatterten. Aufgedrehte und erregte Jungmännerhorden suchten einander an Hitzigkeit der Raserei und Brachialität des Judenhasses zu übertreffen. Die Frauengrüppchen, der familiären Autorität, der handfesten Männerherrschaft über sie stets unterwürfig, waren trotz Sommerhitze oft züchtig verschleiert, wenngleich sich bei nicht wenigen dadurch das paradoxe Bild vom Kopftuch in Kombination mit Hotpants ergab. Doch der Hass auf die Juden versöhnt viele unüberbrückbare Gegensätze, auch die sichtlich frommer gehaltenen Mädchen durften in der Ausflugslaune solcher mitmachen, die man ansonsten kaum je vor die Tür lässt. Der Fastenmonat Ramadan tat ein Übriges, man sah bei den antisemitischen Kundgebungen landauf, landab Leute plötzlich in Ohnmacht fallen, weil die Mischung aus nicht nur physischer Aushungerung, herausgebrülltem Judenhass und schwülem Wetter zu viel wurde. Diese Intifadisten möchten gewiss ihr Auftreten gegen Israel als gute muslimische Tat verbucht sehen, etwa als Ausgleich für ein ansonsten mehr als mageres spirituelles Leben. Bei den meisten der Jünglinge wird der Alltag nicht so sehr von Moscheebesuchen als von schlechtem Hiphop und stupidem Krafttraining geprägt sein. Bei den Mädchen wäre großteils von einem möglichst sorgfältigen Kontrollregime über ihr Leben auszugehen, das bei manchen von ihnen in totale Affirmation, totale Identifikation, totale Selbstnegation – arabisch „Dschihad“ – umschlägt. Deutlich zu sehen bei den verschleierten Fanatikerinnen, die etwa in Köln die schwarze Flagge des dschihadistischen Terrors über ihren Köpfen schwangen, dem Symbol ihrer totalen Entrechtung als Frauen. Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher „Allahu-Akbar“-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren. Dieser Verlust kann unter Aufrechterhaltung der Lebenslüge Islam nur mittels einer unaufhörlichen Verfolgung immer neuer Abweichler oder Ungläubiger abgewehrt werden. An ihnen wird der eigene, unwahre Glaube gebüßt, das offenkundige islamische Unglück gerächt. Gäbe es keine Juden, der Islam müsste sie erfinden. Ohne diese Sündenböcke müsste er sonst an seiner eigenen Unerträglichkeit krepieren!

Die Verkünder Allahs wollen die ganze Welt in einen autoritären Kollektivismus hineinterrorisieren, die strikte islamische Trennung des „Reinen“ vom „Unreinen“ soll alles beherrschen und jedes bisschen Leben, jedes bisschen Freiheit in Angst und Todeskult ersticken. Die radikale Abschaffung dieses unvergleichlich amoralischen, menschenfeindlichen und despotischen Gottesbildes kristallisiert sich als die vordringlichste Aufgabe für jeden heraus, der die Idee einer Menschheit noch nicht aufgegeben hat. Der Islam ist keine schützenswerte Kultur, sondern eine furchtbare, autoritäre, gnadenlose Ideologie, die durch die Verkommenheit der westlichen Intellektuellen und Politiker, durch das Versagen und die Borniertheit der Zivilisation voranschreitet: in Gaza, Syrien, Irak, Nigeria, Somalia und zahllosen anderen Stätten islamischen Grauens. Sein terroristisches Vordringen auf den globalen Schlachtfeldern muss mit angemessenen militärischen Maßnahmen bekämpft, seiner „friedlichen“ Missionstätigkeit und Propaganda im Westen mit den Mitteln des Rechtsstaats und den Waffen der Kritik das Handwerk gelegt werden. Wer das unaussprechliche Unglück hat, unterm Banner der Schahada, des muslimischen Glaubensbekenntnisses, existieren zu müssen, sei der Hintergrund des Banners nun schwarz wie bei ISIS und Al Qaida oder grün wie bei der Hamas und Saudi-Arabien, sieht sich von jeder Hoffnung auf westlichen Beistand komplett verlassen. Kein George W. Bush im Weißen Haus mehr, der so „dumm“ und „arrogant“ wäre, den Menschen im Orient democracy & freedom bringen zu wollen. Die vor aller Welt live sich vollziehenden, von den ISIS-Verbrechern selbst stolz ins Internet gestellten Massaker an Kurden, Assyrern, Yeziden, Christen, Schiiten und nicht wenigen Sunniten im nördlichen Irak und Syrien sind allzu lang von der untätig gebliebenen Administration des unsäglichen Friedensnobelpreisträgers Obama und von den ebenfalls friedensnobelpreistragenden Europäern ermöglicht, zugelassen, mitverursacht worden, von denen also, die das Scheitern von Iraqi Freedom immer schon vorausgesagt hatten und es nun geradezu triumphierend konstatieren dürfen.

„Kritisch ja, antisemitisch nein. Der Ton macht die Musik.“ (Frank Elstner, BILD, 25.7.2014)

Auf die Hilfe der „mit Gaza“ gegen Israel ach so solidarischen Mitmuslime kann ohnehin lange warten, wer als Muslim von rasenden Barbaren im Namen des keineswegs dabei missdeuteten Koran entmündigt, unterdrückt, erniedrigt, geschlagen, misshandelt, gefoltert, vergewaltigt, verstümmelt, ermordet wird. Allerhöchstens senden die „Brüder“ aus dem Westen weitere Fanatiker und Massenmörder, wie es derzeit in Syrien und im Irak geschieht. Die telegenen Muslimsprecher, die bärtigen Verbandsvorstände, die noch bärtigeren Imame sind viel mehr an der Hetzkampagne gegen „Kindermörder Israel“ interessiert als an den Massakern, den gesprengten Heiligtümern und Moscheen im Irak, den ca. 250.000 muslimischen Toten in Syrien, den Gräueltaten von Boko Haram auch an muslimischen Schulbesucherinnen, den Untaten von al-Schabaab an Muslimen in Somalia.

Die Gier der exklusiv zum Thema Gaza auf einmal ganz muslimsolidarischen Pallywood-Lobbyisten nach Bildern von Kinderleichen, die man dem Judenstaat anlasten kann, führt nicht nur zu den absurdesten Fälschungen von Pressebildern und sogar Horrorfilmschnipseln, sondern ist auch der Grund, warum Hamas für viele solcher Leichen sorgt, indem man die Raketenstellungen bewusst dort aufstellt, wo bei israelischen Gegenschlägen hohe zivile Opferzahlen zu erwarten sind. Entgegen der unendlich oft wiederholten Behauptung, der Gazastreifen sei der am dichtesten bevölkerte Ort der Welt – dies gilt allenfalls für die Ortschaften Gaza City, Khan Yunis und Rafah – weist das Gebiet nicht wenige unbesiedelte Zonen und Halbwüsten auf, die Hamas ganz bewusst nicht als Abschussbasen für Raketen und Startpunkte ihrer Terrortunnel gewählt hat.

Der Hetzruf „Kindermörder Israel“ ist die totale Dämonisierung nicht nur Israels, sondern der Juden überhaupt. Sein an mittelalterliche, antijüdische Legenden anknüpfendes Bild, das nur um weniges vorsichtiger in der europäischen und deutschen Qualitätspresse wiedergegeben wird, ist der Gipfel der Perfidie. Wer die zutiefst verlogene Parole vom „Kindermörder“ aufgreift, beweist den Wahnsinnigen der Hamas, dass die Reklame mittels Kinderleichen wirkt und weiter betrieben werden soll. Jeder Journalist, Politiker, jede Einzelperson, die die Schuld an den toten Kindern mit Israel identifiziert, befeuert diese nekrophile Kinderpornographie. Die „Kindermörder“-Losung reizt die Massen, total enthemmt überzuschnappen, durch die Unschuld der Toten vollkommen moralisch legitimiert außer sich zu geraten und die Juden oder ihre Fürsprecher, echte und gewähnte Islamfeinde (wie etwa eine Burger-King- und eine McDonald‘s-Filiale in Nürnberg) mit ungehemmter Brutalität anzugreifen.

In der Öffentlichkeit besteht kein Verbot, Israel zu kritisieren, sehr wohl aber ist mittlerweile jede Kritik der Israelkritik delegitimiert. Eine stetig größer werdende Welle antisemitischer Gewalttaten bricht sich in ganz Europa Bahn, im Namen der von der Hamas ganz bewusst gefährdeten, exponierten und geopferten Kinder. Die plötzliche Vervielfachung der Angriffe auf Juden wird durch die demonstrativ in die Kamera gehaltenen Leichen befeuert, wird von den israelkritischen Politikern und Journalisten angeheizt. Die Folgen dieser Propagandaschlacht für die Juden wurden möglichst kleingeredet und verharmlost, erste antisemitische Gewalttaten prompt zu gesellschaftlichen Randerscheinungen erklärt, wie es Wolfgang Benz, der ehemalige Leiter und oberste Persilscheinaussteller des Berliner Zentrums für Antisemitismus der deutschen Gesellschaft nur zu bereitwillig attestierte. Die schließlich unleugbar gewordenen antisemitischen Vorfälle hat natürlich „niemand“ gewollt, und alle hatten Israel sogar noch gewarnt, schon um der Juden im Ausland willen, für deren Sicherheit gegebenenfalls auch „niemand“ bürgen könne… Wer so argumentiert, nimmt gedanklich schon einmal Geiseln.

Hamas ist eine nekrophile politische Selbstmordsekte, die rituelle Menschenopfer zelebriert und offen die Vernichtung Israels und aller Juden als ihr Ziel erklärt hat. Ganz nebenbei ermordet sie weit mehr Muslime als Juden – die Hinrichtungen von „Spionen“, „Abtrünnigen“, „Verrätern“ und all derer, die sich dem mafiösen Alltagsgeschäft und dem inneren Terror der Hamas in den Weg zu stellen wagten, sind Legion. Die Einwohner Israels verdanken ihre relative Sicherheit der unermüdlichen Arbeit der israelischen Armee, die die Mordlust der Hamas – unter möglichst wenigen Verlusten auf allen Seiten – einzudämmen versucht. Ziele israelischer Luftschläge werden zuvor gewarnt, es werden Flugblätter abgeworfen, sprengsatzlose Raketen vorausgeschickt, damit die betreffenden Gebäude von Zivilisten rechtzeitig geräumt werden können. Laut mehreren Berichten ist dies aber schon von Hamas-Funktionären mit der Waffe in der Hand verhindert worden, um die Opferzahlen in die Höhe zu treiben. Diese abscheulichen Vorgänge werden von jedem mitverschuldet, der die antisemitische Parole vom „Kindermörder Israel“ mitblökt, ob wutbürgermäßig mit selbstgemachtem Plakat oder per konsterniertem Leitartikel über das Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza. Die antisemitischen Massen brüllten in Deutschland zu Hunderten „Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ oder „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf‘ allein!“, griffen echte oder gewähnte „jüdische“ Passanten brutal und rücksichtslos an. Dies geschah eine ganze Zeit lang, ohne dass die deutsche Polizei groß intervenierte, die sich bei staatlicherseits wirklich unerwünschten Aktionen hinsichtlich der Einsatzstärke oder Robustheit nicht lumpen lässt.

Hätten etwa irgendwelche NPD- oder ProKöln-Figuren auf der Kölner Domplatte demonstriert, wäre nicht nur das Polizei-, sondern auch das klassische Antifa-Aufgebot überwältigend gewesen. Die ganze Stadt hätte sich ihnen entgegengestellt und sie niedergebrüllt. Aber gegen die Freunde des arabischen Judenmordes kommt kein „Arsch huh“, gehen keine „Zäng ussenander“. Das vermeintliche „Versagen“ dem offenen, hauptsächlich islamisch motivierten Antisemitismus gegenüber, sowohl seitens der staatlichen als auch der möchtegern-staatlichen Organe (wie die sogenannte Antifa, die – mit wenigen Ausnahmen – dem antisemitischen Geschehen kaum kritische Aufmerksamkeit schenkte), ist weder ein Lapsus noch ein Zufall, sondern der sichtbare Ausdruck ihres fortschreitenden Verfalls: Es käme uns gewiss nicht in den Sinn, mit dummer Gläubigkeit an sie zu appellieren. Die ganz doll antifaschistische Linkspartei, speziell ihr nordrhein-westfälischer Landesverband, meldete Demonstrationen an, auf denen antisemitische Hetzparolen gebrüllt wurden, man suchte von linker Seite her den Schulterschluss mit muslimischen Multitüden, unter denen sich sogleich türkische Graue Wölfe und deutsche Neonazis tummelten. Die zu konstatierende Erfahrung mit dem bürgerlichen Staat im Allgemeinen und dem postnazistischen deutschen Staat samt all seinen Hilfspolizisten im Besonderen ist vielmehr: Mitten im Normalbetrieb kann jederzeit der Ausnahmezustand ausbrechen, in welchem die großherzigen Garantien und demokratischen Sonntagsreden ausgesetzt werden und auch die Staatsräson hinfällig wird, weil krisenbedingt wieder einmal gehobelt werden muss und dementsprechend blutige Späne fallen dürfen.

So geschehen bei den staatlicherseits zugelassenen, per taktischem Polizeimangel ermöglichten Pogromen in Rostock-Lichtenhagen, die schließlich zur de-facto-Abschaffung des grundgesetzlich verbürgten Asylrechts führten. Die deutsche Spezialität bei solchen Vorkommnissen ist die glänzend inszenierte Heuchelei, die mustergültige, nicht einmal bewusst abgesprochene Arbeitsteilung zwischen den Arbeitern der Stirn und den Arbeitern der Faust: Die einen schrieben damals „Das Boot ist voll“ wie Der Spiegel, andere warfen dann die Brandsätze, die natürlich „niemand“ gewollt hatte. Den Rest erledigte der Reichstag.

In der jetzigen Situation beginnt sich dieses widerliche deutsche Muster zu wiederholen: Der Spiegel, die Waffen-SZ, die liberalen und linken Zeitungen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen… all diese Sturmgeschütze der Demokratie feuern unisono los, geben ihre freundschaftlichen Ratschläge an Israel, schreiben ihr infames „gerade wir als Deutsche“ hin, mahnen stirnrunzelnd zur Zurückhaltung im Raketenhagel, schwafeln von Gewaltspiralen und Pulverfässern, breiten ihre hübschen Lösungen der nahöstlichen Judenfrage aus. Sie problematisieren und denunzieren gezielt die jüdische Selbstbewaffnung, die als Einziges die Fortexistenz des jüdischen Staats in einer antisemitischen Welt sichert. Sie schämen sich nicht, antifaschistisch besorgte Vergleiche ausgerechnet zu den Massenmördern zu ziehen, die die Gründung Israels als jüdische Lebensversicherung zu einer absoluten Notwendigkeit machten – also zu ihren Eltern und Großeltern. Sie reüssieren, protestieren, räuspern sich vernehmlich, bekommen ihre deutschen Bauchschmerzen, ihr altes jüdisches Geschwür, platzen schließlich mit dem heraus, was unter Freunden doch einmal gesagt werden muss, beten für den Frieden, finden jeden Krieg ganz, ganz furchtbar, in einem Wort: sie hetzen. Aus purem Ressentiment, aus einem sehr deutschen Abrechnungsbedürfnis, das den Juden Auschwitz nicht verzeihen kann, aus der schunkelnden, seelischen Korruption, der ekelhaften deutschen Verbrüderung, die immer auf Kosten des Volksfeindes geht.

Die öffentlichen Schwätzer und Schreiber gegen Israel sind als Mittäter anzusehen, die für die Gräueltaten ihrer antisemitischen Lieblinge mitverantwortlich sind. Denunzianten Israels wie Franziska und Jakob Augstein, Günter Grass, Daniel Bax, Heribert Prantl, Dieter Hallervorden, Nina Hagen, Sabine Rau würden in einer wirklichen Zivilisation für ihre Schreibtischtaten zur Rechenschaft gezogen werden. Sie gehören mindestens mit Verachtung gestraft. Ebenso die politischen Karrieristen wie Bernd Riexinger und abgehalfterte Trommler wie Jürgen Todenhöfer, die quer durch die Parteienlandschaft mittels des Themas Israel den Schulterschluss mit den dumpfen Ressentiments der Volksgemeinschaft suchen und zuverlässig auch finden. Jeder dieser obsessiven Hetzer kann sich einer ganzen Flut an Dankesbriefen für jede seiner bebenden Kühnheiten sicher sein, wird für sein larmoyantes, selbstgefälliges Maulheldentum von den anderen deutschen Zensuropfern zum Helden der Meinungsfreiheit gekürt. Jeder niederträchtige Anschlag auf den jüdischen Staat, jede bestenfalls verantwortungslose Gefährdung jüdischer Leben in Deutschland kann damit rechnen, noch zur tapferen Intervention gegen eine gewähnte, allgegenwärtige Mediendiktatur verklärt zu werden.

Der von der BILD publizierte Aufschrei „Nie wieder Judenhass!“ erging nach einer geraumen Zeit alles andere als stillschweigender Unterstützung des antisemitischen Mobs seitens der deutschen, sogenannten Qualitätspresse. Von Kai Diekmann lanciert, von der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten, Veronika Ferres und Johannes B. Kerner unterstützt, war der anti-antisemitische BILD-Titel im ersten Augenblick gewiss ein Anlass zum Aufatmen, speziell für die Juden in Deutschland, die sich angesichts der faktischen Koalition von Mob und Elite und einer schlagartigen Vervielfachung antisemitischer Gewalttaten unmittelbar bedroht sahen und über zu packende Koffer laut nachzudenken begonnen hatten. Doch liest man die verschiedenen, politisch korrekten Bekenntnisse des staatstragenden und kulturindustriellen Personals um den BILD-Titel herum, wird klar, dass hier der kurz von der Leine gelassene Antisemitismus der eifernden, migrantisch-hintergründigen Wutbürger vom ideellen Gesamtdeutschen in Regie genommen und politisch verwertbar gemacht werden soll. Es geht nunmehr um die genau richtige Dosierung der Israelkritik in absolut gewissensreiner Abgrenzung vom Antisemitismus, der von der Intelligenz weniger im Schach als vielmehr drohend bereit gehalten wird. Nichts anderes bedeutet etwa das Grass-Gedicht, die Zuckerberg-Krake und andere Anlehnungen an den „Stürmer“ seitens der SZ. Es geht um den amtlich zugelassenen Härtegrad der Hetze gegen den Judenstaat, die unverdrossen weiter gehen soll, ohne aber die staatlich geschützten Juden sichtbar zu beschädigen, welche wiederum der Ausweis des wieder gut gewordenen Deutschlands sind. Die stets nachjustierte, nervös und plump dirigierte Unterscheidung zwischen verbaler Verfolgung der Juden in Deutschland und der verfolgend-unschuldigen „Frage“ nach dem Existenzrecht – nein, eleganter noch: der abgrundtiefen „Sorge“ um die Zukunftsfähigkeit Israels ist der Kern des aktuellen, postnazistischen Bewusstseins. Wie es Heiko Maas von der SPD auf dem BILD-Titelblatt zum Erschaudern deutlich auf den Punkt bringt: „Juden dürfen sich bei uns nie wieder bedroht fühlen.“ Es ist hinter allem Pseudokalkül vor allem ein ungeheurer Selbstbetrug, vergleichbar dem Versuch, ein offenes Feuer in der Hosentasche zu tragen. Die Exponentialität seiner Energie, die stete Steigerung seiner Aggression ist wesentliches Element des Antisemitismus‘, der als Israelkritik keineswegs aufgehoben, sondern schlichtweg raffiniert und salonfähig wird. Dass all die feuilletonistisch-politischen Finessen dem Pöbel nicht ganz so schnell einleuchten, zeigt sich in den Anschlägen, brutalen Übergriffen, enthemmten Drohungen, mit denen sich Juden und jüdische Einrichtungen derzeit auf breiter Linie konfrontiert sehen. Die hetzende Journaille weiß genau um diese „unerwünschte Nebenwirkung“ ihrer israelkritischen Obsession und fährt dennoch ungebremst, mit unheilbar reinem Gewissen mit ihren Angriffen fort. Es ist ein Skandal, dass die israelkritischen Lautsprecher anerkannt und erfolgreich sind, ins Fernsehen und Radio eingeladen und dort auch noch hofiert werden, als wären sie respektable Menschen, während sich durch die Mitschuld dieser Giftspritzen Juden in der Öffentlichkeit fürchten müssen, als solche erkannt zu werden. Würden die antifaschistischen Bekenntnisse dieses erbärmlichen Landes wirklich etwas bedeuten, hätten die Hetzer und Trittbrettfahrer, die Opportunisten und Türöffner des Antisemitismus nicht so ein leichtes Spiel. Wie es mit der NPD und anderen rechten Widerlichkeiten geschieht, würde jeder ihrer öffentlichen Auftritte skandalisiert, gestört, blockiert, möglichst verhindert werden. Aber Antifaschismus heutzutage ist kaum mehr als lokalpatriotischer Standortschutz und Fankurvengesang gegen Rechts.

Die politische Spitze hält sich vom allzu vulgären Judenhass und auch von allzu rabiater Israelkritik fern, weil es sich sonst mit den staatslegitimierenden Andachten am von vielen Völkern so beneideten Holocaust-Denkmal bisse, zu welchem man ja als Deutscher „gerne hingehen“ können soll, wie Gerhard Schröder es treffend ausdrückte. Man darf sich hier keinen Augenblick täuschen, was die bürgerliche Republik im Postnazismus angeht: Als es darum ging, den Einsatz der israelischen Marine gegen die Mavi Marmara zu verurteilen, haben sie ausnahmslos und erstmalig in der Geschichte der BRD alle – von Angela „Staatsräson“ Merkel bis Inge „Frauendeck“ Höger – einstimmig mit „Ja“ zur Resolution gegen Israel gestimmt, man kannte keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche.

Deutscherseits erfüllten „die empörten Muslime“ eine sehr wichtige, wenngleich für Deutsche kaum bewusste und noch weniger eingestehbare psychosoziale Funktion. Die Toleranz und das Verständnis seitens der Leitkultur, die den Wutmuslimen eine zeitweilige, antisemitische und darum falsche Katharsis gewährten, sollten aber nicht nur den Irren unter Allahs Fahne als vermeintliches Ventil dienen, sondern eben auch all den Deutschen, die es kaum erwarten konnten, sich in ihren Hass, ihre „Kindermörder“-Rufe einzufühlen. Doch Deutsche – und ihre Dichter und Denker allemal – wissen um Stalingrad und Dresden, fürchten sich vor dem Preis totalen antisemitischen Kontrollverlustes bei für sie ungünstigen Kräfteverhältnissen. Sobald sich also das kleine, wärmende Flämmchen der Israelkritik als hell auflodernde Synagoge herauszustellen droht, fürchtet man doch sehr um das mustergültige Ansehen des Landes, sieht schon die bösen Artikel in der ausländischen Presse, sorgt sich um den Ehrenplatz als Vergangenheitsbewältigungsweltmeister, von welchem aus man doch so freimütig allen anderen Völkern im Allgemeinen und den Juden im Besonderen ethisch-moralische Lehren erteilen kann. Die lange polizeiliche Leine, an der man die Pogromwilligen kurz spazieren ließ, wird also wieder eingezogen, zumindest sollte das durch den BILD-Titel in die Welt hinaus und vor sich selbst suggeriert werden. Exakt so wollen die Deutschen mit ihren Juden kommunizieren und exakt so ihre Muslime handhaben. Die Juden sollen ja nie vergessen, ihre Dankbarkeit zu bekunden, wenn etwa so ein muslimisch-migrantischer underdog nach ein paar unverkrampften Bissen wieder zurückgezogen wird. Die Muslime wiederum, denen man jetzt liebe- und verständnisvoll den feinen Unterschied zwischen Israelkritik und Antisemitismus erklärt, sollen sich dankbar in die (auch ideologische) Drecksarbeit für die Deutschen schicken, wie es für sie immer schon verfügt war. Im Ankläffen der Juden und im gehorsamen Befolgen von „Fass!“ und „Sitz! Aus!“ liegt – wohlgemerkt nur laut dem schier unvergänglichen Herrenwahn der Deutschen – die Zukunft der deutschen Integration nützlicher Muslime, an denen man sich zudem so wunderbar erzieherisch betätigen kann. Das beispielhafte Endprodukt postnazistischer Integration wäre idealiter der politisch oberkorrekte Cem Özdemir, doch hier wird dann realiter der unheilbare Widerspruch zwischen deutschem pädagogischen Anspruch und deutschem psychologischen Bedürfnis deutlich: Dem Musterdeutschen Özdemir fehlt vor lauter Verinnerlichung deutscher Magengeschwüre bereits wieder das migrantisch-ungebärdige Element, also das nunmal sehr gefragte „extra scharf“: Jener von hochdeutschen Sensibilisierungen ungehemmte Judenhass, der in Deutschland ohnehin am Liebsten auf bildungsferne Unterschichten (z.B. Lichtenhagen) oder eben „barbarische Ausländer“ hinwegprojiziert wird. Noch in der genüsslichen Skandalisierung des jeweiligen Tabubruchs lebt man ein wenig aus, was man umso eifriger abstraft. Diesen Judenhass sollen die gegebenenfalls kurzfristig wieder von der Leine gelassenen, per Muslimsein „Betroffenen“ weiterhin liefern können. Gleichzeitig darf dieser keinesfalls ganz offen zutage treten,  ist er doch sogleich ein ungeheurer Skandal. Exakt hierin ist der postnazistische Wahn in seiner unheilbaren Inkohärenz sichtbar, exakt hierin besteht die ehrlich geglaubte, weil deutsche Lüge von „Israelkritik ja, Judenhass nein!“

Näheres zum genau richtigen, orientalisch-deutschen Zungenschlag lässt sich vielleicht auf dem westlich-östlichen Diwan bei der nächsten Islamkonferenz bei Dr. de Maizière nachjustieren, wo es etwa dieses Jahr um „Wohlfahrt“ und „Seelsorge“ gehen soll, also um sehr viel Geld, um zu verteilende Pfründe im Gesundheits- und Sozialsystem. Man glaubt seine Kettenhunde und Kiezaufpasser so gleichermaßen im Zaum und bei der Stange zu halten, es ist eine moderne, postnazistische Variante der Integration, die sich hier zeigt. Die Möglichkeit antisemitischer Übergriffe, die durch die interessierte Passivität von Politik und Polizei bei den ersten antisemitischen Demonstrationen entstand und sogleich einen Brandanschlag gegen die Synagoge in Wuppertal zeitigte, war das mehr oder weniger unfreiwillige (und nunmehr die ja immer total anständigen Deutschen doch ein wenig erschreckende) Ergebnis der alten Arbeitsteilung zwischen Richtern und Henkern. In ihr waren Letztere immer auf den gesellschaftlichen Seiteneingang verwiesen, so dass sie mit reinem Gewissen verleugbar, notfalls immer noch abschiebbar blieben. Diese Art, A zu sagen, um sich prompt von B zu distanzieren, ist hierzulande also keineswegs neu. So etablierten ja auch die Eltern und Großeltern der heutigen Israelkritiker die Anfänge ihrer Volksgemeinschaft mittels der Zusammenarbeit von Elite und SA-Schlägern, verschworen sich klassen- und andere Gegensätze übergreifend zum völkischen Mordkollektiv, bis schließlich zu den unerfreulichen, weil unfreiwilligen Reuebekenntnissen, die ihnen 1945 kurz zusetzten, als sie etwa in den von den Alliierten gerade befreiten KZs Zwangsbesichtigungen und erste Aufräumarbeiten über sich ergehen lassen mussten. Ihre Entwicklung zu Nazis ließ die Ankunft des Henkers in der gesellschaftlichen Mitte zutage treten, und die Vernichtung als arbeitsteiliges Werk der gesamten deutschen Gesellschaft. Ihre Nachfahren empfinden es bis heute als tiefe Kränkung, wenn man ihnen die Folgen ihrer Dummheit, Bösartigkeit und ihres Ressentiments vor Augen stellt. Im Beleidigtsein machen die Muslime den Deutschen so schnell nichts vor. Eine fein austarierte Herrschaft!

Jede Stimme, die es wagt, Partei für den jüdischen Staat zu ergreifen, soll als fanatisch, autoritär, menschenverachtend delegitimiert werden. Jeder Jude ist und bleibt dieser Parteilichkeit verdächtig und wird sich gegebenenfalls erklären müssen: Israel zu verleugnen ist die neue Zwangstaufe, und die Vorgänge auf den Straßen beweisen geradezu, dass selbst das den Juden nicht helfen würde, auch wenn manche – wie der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Josef Schuster – schon soweit sind. Israel wird systematisch und immer wieder dem Dritten Reich gleichgesetzt. Die übelsten Frauenunterdrücker, fanatischsten Schwulenhasser, grässlichsten Judenmörder des Nahen Ostens stellen sich als Opfer dar, und ihre westlichen Fürsprecher plappern ihre Parolen nach, weil deren Barbarei das eigene Ressentiment gegen die misslungene Zivilisation transportiert.

Wer in diesen gesamteuropäischen, antisemitischen Tagen wider besseres Wissen Abstand zu Israel hält, ist feige, ein falscher Freund, ein hohler Zahn, der zerbricht, wenn es auf ihn ankommt. Wer ausgerechnet jetzt und ausgerechnet beim Thema Hamas gegen Israel einen äquidistanten Pazifismus pflegt, gehorcht de facto dem Israelboykott, lässt den Volkssturm gewähren, hilft mit, Israel zu isolieren und seinen erklärten Todfeinden preiszugeben. Wer sich der „ollen Diskussionen“ um des Hausfriedens wegen heraushält, hilft den Antisemiten, deren Wut und Energie keineswegs nachgelassen hat. Es ist ein Skandal, dass Leute, die sich als fortschrittliche Menschenfreunde ansehen, in der Stunde der Not auf Abstand zum Judenstaat gehen und keinen Einwand erheben, um bei Freunden, Kollegen, Verwandten keinesfalls anzuecken. Wer hier auf seinen Status unter Freunden achtet, macht mit. Es ist unerträglich, dass die Demonstrationen für Israel so einsam und verlassen dastehen, während sich der antisemitische Mob auf den Straßen austobt. Warum marschieren ein paar einsame Juden und die paar üblichen Verdächtigen durch die Innenstädte, warum stellt sich kaum jemand dem islamfaschistischen Mob entgegen? Ist Euch nicht klar, dass das Nazis sind, versteht Ihr nicht, was sie mit Euch tun würden, wenn sie könnten? Der Grad der nachbürgerlichen Verkommenheit – ob links, grün, konservativ, liberal, christlich, säkular – ist beschämend, man kann förmlich sehen, wie all die vermeintlichen Individuen auf das Stichwort ihrer Meinungsgeber warten und den strunzdeutschen Dreck nachplappern, der von der Jungen Welt bis zum WDR, von der Süddeutschen bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung verbreitet wird. Es ist tatsächlich bei vielen Menschen bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.

Lang lebe Israel!

http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/20141030halle.html

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Politische Korrektheit: Sprachpolizei ersetzt traditionelle Werte

Von Brendan O’Neill  novo-argumente.com

 

Sie begleitet jede öffentliche Debatte. Politische Korrektheit verdankt ihren Erfolg allerdings nicht nur „linken“ Sprachpolizisten. Vielmehr möchte sie die Leere füllen, die durch den Zerfall traditioneller Werte entstanden ist, meint Brendan O’Neill.
In meinem Lieblingsbeispiel für politische Korrektheit spielt die amerikanische Marine die Hauptrolle. Im Oktober 2001, kurz nachdem die USA in Afghanistan einmarschiert waren, bereitete Marine-Personal einige Raketen zum Abschuss auf Al-Qaida und die Taliban vor. Einer der Marinesoldaten verlieh seiner Wut über die Anschläge am 11.September Ausdruck, indem er einige Worte auf die Rakete schrieb. In Anspielung auf die Flugzeugentführung notierte er also folgende Botschaft auf seiner Rakete: „Entführt das, ihr Schwuchteln“.

Er hatte wohl kaum erwartet, dass er beim Militär, das gerade recht viel zu tun hatte, eine gewaltige Kontroverse auslösen würde. Als die höheren Ränge der Marine von der Sache Wind bekamen, reagierten sie empört. Sie betonten ihre „offizielle Missbilligung“ der homophoben Botschaft. Mitglieder der Marine wurden angehalten, ihre „spontanen Darbietungen der Schreibkunst sorgfältiger zu überdenken“. Es wurden inoffizielle Richtlinien zur Regulierung der Beschriftung von Geschossen nach dem 11. September herausgegeben. Botschaften wie „Ich liebe New York“ waren erlaubt, Wörter wie „Schwuchtel“ jedoch nicht.

Das ist aus zwei Gründen mein Lieblingsbeispiel. Erstens, weil es die wahnwitzige Sprachbesessenheit politisch korrekter Menschen auf den Punkt bringt. Die Marine sagt damit praktisch aus, dass es in Ordnung geht, Menschen zu töten, aber nicht, sie zu beleidigen. Es geht in Ordnung, Städte zu bombardieren, aber nur, solange nichts „Unangemessenes“ auf den Bomben steht. Gott bewahre, dass das letzte Wort, was ein Talibankämpfer in seinem Leben sieht, bevor ihm der Kopf weggeblasen wird,  ihn an die Existenz von Homosexualität erinnert.

„Die Marine hat kein Problem damit, Menschen zu töten. Nur beleidigen will sie sie nicht“

Dieses Beispiel zeigt, wie politische Korrektheit die Moral verzerrt: Die kurzsichtige Fokussierung auf Sprachverordnungen und die sprachliche Darstellung einer Sache ordnet alle anderen Angelegenheiten, selbst wenn es um Leben oder Tod geht, der Sprache unter.

Zweitens verdeutlicht das angeführte Beispiel eine häufig übersehene Wahrheit über politische Korrektheit. Sie stammt nicht von kleinen Gruppen von Kulturmarxisten oder unzufriedener Linksliberaler. Sie lässt sich nicht einfach nur auf den Aktivismus und die Agitation von Teilen jener einflussreichen, aber nicht durch demokratische Wahlen legitimierten plappernden Klassen in Medien und Zivilgesellschaft zurückführen, die vulgäre Sprache genauso verabscheut wie in ihren Augen intolerante Ideen. Falls dem so wäre, wie sollte man dann die Vorgehensweise der US-Marine erklären? Warum sollte eine der mächtigsten und am besten bewaffneten Institutionen der Welt dem Druck postmoderner Feministen oder von taz-Lesern nachgeben?

Nein, die Ursachen der politischen Korrektheit greifen tiefer, als deren Kritiker gerne zugeben. Ihr Erfolg beruht auf dem Niedergang und Verfall traditioneller Formen von Autorität und Moral. Die Idee der politischen Korrektheit ernährt sich parasitär von dem, was wir vielleicht als die Krise konservativen Denkens bezeichnen können. Ich würde sogar argumentieren, dass sich die Macht der politischen Korrektheit direkt proportional zur Schwäche alter, einst als selbstverständlich geltender Formen der Moral verhält.

Es ist verlockend und zu einfach, politische Korrektheit als Unterdrückung durch eine kleine Gruppe illiberaler Linksliberaler darzustellen, als bewusstes Projekt einer Mittelschichtselite, die von der Gesellschaft abgesondert und mit dem Kopf in den Wolken lebt und die die Welt nach ihrem Ebenbild umformen möchte.

Tatsächlich scheinen zwei auffallende Aspekte der politischen Korrektheit für eine Verschwörung übellauniger, misanthropischer Feministen und Grüner zu sprechen. Erstens erlebte die politische Korrektheit ihren Aufstieg, als konservative Regierungen eine relativ große Wählerschaft hatten. In Amerika und England zum Beispiel kam PC in den 1980er-Jahren richtig in Fahrt, als Reagan und Thatcher an der Macht waren. Also gaben viele Wähler ihre Stimme konservativen Regierungen, während gleichzeitig politische Korrektheit an Popularität gewann – das bestärkt die Vorstellung, eine linksorientierte kulturelle Elite weit entfernt vom Treiben der Masse hätte sich eines Tages hingesetzt und sich neue Regeln für die Regulierung des alltäglichen Lebens und des Sprachgebrauchs ausgedacht.

Zweitens wird die politische Korrektheit vor allem von den Medien und von Teilen der akademischen Welt vorangetrieben, also von recht exklusiven, volksfernen Institutionen, die mehr als genügend übliche Verdächtige beherbergen.

„Politische Korrektheit füllt ein Vakuum, das der Verlust traditioneller Werte hinterlassen hat“

Betrachtet man die politische Korrektheit jedoch nur auf diese Art – als eine neue Form der Zehn Gebote, die von winzigen Eliten durchgesetzt wurden –, so übersieht man den Grundstein, auf dem die politische Korrektheit errichtet wurde. Diesen bildet nämlich die Unfähigkeit traditioneller Moralisten, sich selbst, ihre Lebensweise und ihre Moral zu rechtfertigen. Es ist diese Unfähigkeit, die Ende des 20. Jahrhunderts ein moralisches Vakuum schuf, das durch instinktive und reflexartige neue Formen der moralischen Kontrolle und Zensur gefüllt wurde.

Wenn ein traditionelles Wertesystem, das so lange die Gesellschaft beherrscht hat, in einer tiefen Krise steckt, werden bis dahin normale und nicht hinterfragte Verhaltensweisen in Frage gestellt. Von der Sprache, über zwischenmenschliche Beziehungen, sogar bis hin zu Kinderliedern – nichts kann mehr als selbstverständlich gelten, wenn der alte Blickwinkel verloren geht. Alle Selbstverständlichkeiten der letzten 200 Jahre sind im Zerfall begriffen. Politische Korrektheit ist in Wirklichkeit das Gerüst, das hastig errichtet wurde, um die Ruine der alten Moral zu ersetzen. Sie bedeutet die allmähliche Übernahme durch eine neue Art von modernen Moralisten. Das Endergebnis ist ohne Frage von Unterdrückung und Zensur geprägt. Es steht der individuellen Unabhängigkeit sowie der Meinungsfreiheit feindlich gegenüber.

Um zu verstehen, wie politische Korrektheit mit dem Untergang alter Traditionen zusammenhängt, hilft ein Blick auf das Beispiel der britischen Pfadfinderinnen. 100 Jahre lang waren die Pfadfinderinnen im Vereinigten Königreich und in Australien eine sehr unkomplizierte Vereinigung: Sie war darauf ausgerichtet, Mädchen mit Stolz für das Empire zu erfüllen. Die Pfadfinderinnen hatten einen sehr einfachen Kodex: Man legte einen Schwur über seine Loyalität gegenüber Gott, Königin und Vaterland ab.

Vor etwa 15 Jahren gaben sich die Pfadfinderinnen plötzlich eine neue Verfassung. Aus einer Seite wurden etwa 20. Es gab keine altmodische „Verpflichtung gegenüber Gott“ mehr – stattdessen versprachen die Mädchen jeweils, „meinen Gott zu lieben“. Damit wurde die Tatsache anerkannt, dass es in unseren relativistischen Zeiten, in denen sowohl Wahrheit als auch Christentum nicht mehr als makellose Werte gelten, viele Götter gibt. Die beschworene Loyalität gegenüber der Königin wurde durch einen Ausdruck von Sympathie für die Königin ersetzt – „weil es bestimmt nicht einfach ist, überall wo man hingeht, fotografiert zu werden!“

„Motor der politischen Korrektheit ist der moralische Verfall traditioneller Bereiche der Gesellschaft“

Man beachte, dass niemand das Pfadfinderinnen-Hauptquartier gestürmt und deren Topfrauen mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen hat, ihre Werte neu zu definieren. Die Pfadfinderinnen machten das aus eigener Initiative. Sie erkannten instinktiv die Tatsache an, dass die drei Institutionen, auf denen sie basieren – Gott, Königin und Nation – keine vollkommene Autorität mehr besitzen. Jedes dieser drei riesigen politischen Gebilde des modernen britischen Bürgertums – Kirche, Monarchie und Nationalismus – leidet seit drei Jahrzehnten an einer schweren Legitimitätskrise. Die Umstellung der Pfadfinderinnen auf eine „modernere“ Präsentation ihrer Organisation und die Überarbeitung ihrer Mission verdeutlicht sehr schön, was der Motor der politischen Korrektheit ist: Kein Angriff von außen durch die „PC-Lobby“, sondern der interne moralische Verfall traditioneller Bereiche der Gesellschaft.

Die politische Korrektheit ist somit kein einfacher Fall einer Bastille-Erstürmung durch „Kulturmarxisten“; vielmehr ist die Bastille von selbst eingestürzt, und jetzt haben wir einige recht opportunistische, instinktiv autoritäre Elemente in der Gesellschaft, die versuchen, in den Ruinen ein neues moralisches System zu errichten.

Darum ist politische Korrektheit so hysterisch und intolerant, so eifrig, alles zu regulieren; von der Art und Weise, wie ein Professor mit seinen Studenten kommuniziert, über die Frage, ob Lehrer ihre Schüler anfassen dürfen, bis hin zu der Frage, ob man Negerkuss oder Mohrenkopf sagen darf – nicht weil die Ideologie der politischen Korrektheit so stark ist, sondern weil sie so schwach und isoliert ist. Sie hat im Gegensatz zu den traditionelleren Formen der Moral keine echten Wurzeln in der Gesellschaft oder in der Geschichte. Sie erhält weder öffentliche Unterstützung noch gesellschaftliche Legitimation. Der Ausdruck „Aus dem Ruder gelaufene politische Korrektheit“ belegt die Abneigung eines großen Teils der Gesellschaft für die neuen Redens- und Verhaltensregeln. Es sind die leere Oberflächlichkeit und die parasitäre Natur der politischen Korrektheit, die sie zum unersättlichen Einmischen treibt.

In einer Zeit, in der Richtig und Falsch, Gut und Böse nicht klar definiert sind, herrscht eine Art moralisches Chaos vor. Es steht nicht mehr fest, wer respektabel ist und wer nicht. Das weckt einen Hunger, ein Verlangen in den neuen Eliten, ihre Macht auf vormals normale Verhaltensweisen, die, wenn überhaupt, nur wenig Intervention bedurften, auszuweiten. Selbst Kinderlieder werden neu geschrieben. In England änderte ein Kinderbuch den alten Klassiker „What shall we do with the drunken sailor?“. Der „betrunkene Seemann“ wurde zum „mürrischen Piraten“. Im alten Lied hieß es: „Steckt ihn in den Sack und prügelt ihn besinnungslos“. Im neuen: „Kitzelt ihn, bis er lachen muss.“

„Was für eine verrückte Gesellschaft muss Kinderlieder umschreiben?“

Wir mögen uns über solche Sachen lustig machen. Aber was für eine verrückte Gesellschaft muss alberne Lieder umschreiben, die seit Generationen existieren und wahrscheinlich nie dazu geführt haben, dass ein betrunkener Seemann in einen Sack gesteckt und besinnungslos geprügelt wurde? Das erinnert an das Wahrheitsministerium in Orwells 1984, nur dass das Ministerium nicht einmal politische Dokumente oder historische Thesen an die herrschende Ideologie anpasst, sondern ein Kinderlied, das in Sandkästen und auf Spielplätzen gesungen wird. So etwas macht nur eine Gesellschaft, die ihre moralische Haftung vollkommen verloren hat und ohne Anker, von Gewissheiten, akzeptiertem und natürlichem Verhalten entfremdet vor sich hin treibt. Jeden Aspekt des menschlichen Zusammenlebens muss sie kontrollieren.

Ein selbstbewusstes moralisches System könnte Abweichler besser tolerieren. Ein unsicheres, willkürliches System wie die politische Korrektheit kann keine Verstöße tolerieren, weil es ständig ums eigene Überleben fürchten muss.

Allzu oft stellen sich die Kritiker der politischen Korrektheit heutzutage als Opfer dar. Viele rechts-orientierte Denker behaupten, eine Verschwörung von PC-Verrückten würde unser Leben ruinieren. Das bewahrt solche Denker praktischerweise davor, den Verlust der eigenen Traditionen und Moral erklären zu müssen. Wo sind die hin? Es ist viel einfacher zu behaupten, die Gesellschaft sei eine Geisel gemüsefressender, sprachbesessener Irrer, als dem Niedergang einer Lebensweise, die für einen Großteil der Moderne existierte, ins Gesicht zu blicken und zu versuchen, ihn zu erklären. Tatsächlich hat der Begriff „politische Korrektheit“ nur eine geringe reale Grundlage – er ist die Erfindung von Konservativen, die in ihrer Erklärungsnot gegenüber jüngsten historischen Entwicklungen lieber über eine „linke“ Verschwörung fantasieren, die rücksichtslos ihre überlegene Lebensweise zerstört.

Natürlich hätte der Zerfall traditioneller Moral nichts Schlechtes sein müssen. Sie reagierte auf jene, die mit ihrer Lebensweise oder sexueller Orientierung experimentieren wollten, mit Zensur und Unterdrückung. Das Problem ist, dass die alte, oft spießige Moral nicht erfolgreich durch eine fortschrittlichere, humanistische moralische Perspektive ersetzt wurde. Stattdessen verdorrte und zerbrach die alte Moral unter der Last von Krisen und hinterließ ein moralisches Vakuum, das durch jene Menschen gefüllt wurde, die in der post-traditionellen Welt Einfluss besitzen: Die immer lauter werdende plappernde Klasse. .

Aber es bringt nichts, sich als Opfer einer scheinbar allmächtigen „PC-Polizei“ zu stilisieren. Nein, wenn Sie das Gefühl haben, als Häretiker behandelt zu werden, weil Sie in unserer politisch korrekten Welt die „falschen Sachen“ sagen, dann sollten sie anfangen, sich wie ein anständiger Häretiker zu benehmen: Vertrauen Sie auf Ihre Überzeugungen. Sagen Sie, was sie denken, ungeachtet der Konsequenzen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Patrick Schulz.

Brendan O’Neill ist Chefredakteur des britischen Novo-Partnermagazins Spiked. Der Artikel ist eine überarbeitete Version einer Rede, die er auf dem Big Ideas Forum des Centre of Independent Studies in Sydney am 1. August 2011 gehalten hat. Dieser Artikel ist zuerst unter dem Titel „The new war against PC – it’s too late and it’s picked the wrong target“ bei Spiked erschienen.

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Zensur in der Bundesrepublik Deutschland

Ein Interview

Von York-Gothart Mix und Lois Brendel

Lois Brendel: Zensur ist seit jeher für mehrere Disziplinen ein wichtiges Forschungsgebiet. Aber die vielen Einlassungen der Kultur-, Geschichts- und Rechtswissenschaften führen im Einzelfall nicht unbedingt weiter. Ist der Zensurbegriff heute komplexer geworden? Lässt sich Zensur, wie das der Mainstream meint, auf staatliches Handeln beschränken?

York-Gothart Mix: Das lässt sich nicht wie in einer Talk-Runde kurz und knapp mit einem Satz beantworten. Zunächst einmal: Die Opinio communis versteht unter Zensur gemeinhin die Überprüfung von Texten oder Bildern nach staatlich oder kirchlich verfügten Normen, um gegebenenfalls eine Modifizierung des Monierten oder ein Verbot zu erwirken. Literaturverbote, die wie die Indizierung von Klaus Manns Mephisto zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes erwirkt werden, scheinen auf den ersten Blick nicht dieser Kategorie anzugehören und werden deshalb häufiger nicht in diesem Kontext angeführt – diese Einschätzung erweist sich aber aus kulturwissenschaftlicher Perspektive als genauso irrig wie eine allein auf staatliches oder kirchliches Handeln fixierte Zensurdefinition.

Lois Brendel: Können Sie das konkretisieren, was bedeutet das für unsere heutige Situation?

York-Gothart Mix: Heute ist tatsächlich danach zu fragen, ob ein auf Tradition des Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts rekurrierendes, staatsfixiertes Zensurverständnis angesichts diskursbestimmender Aktivitäten weniger Globalpayer im World Wide Web, supranational oder lokal agierender Pressuregroups und Religionsgemeinschaften sowie massiver Konzentrationsprozesse im Buch- und Printmedienbereich noch überzeugend ist. Das gleiche gilt hinsichtlich einer quotengerechten Anpassung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an das Privat-TV durch Gesetz, Staatsvertrag und die Aufsichtsgremien, die von Parteien rekrutiert werden und damit mitnichten unabhängig sind. Parteien sind auf Mehrheiten fixiert und mit Avantgarde- oder Hochkultur kann man keine Wahlen gewinnen.

Lois Brendel: Was heißt das bezogen auf die Fernsehproduktion?

York-Gothart Mix: Nicht nur für Thomas Bauckhage, der mit seinem Social Media-Startup http://www.moviepilot.de zwei Millionen Filmliebhaber erreicht, steht fest, wie einschränkend sich dieses Diktat der Quote auswirkt: Die Vielfalt der Produktionen nimmt rapide ab, die Rendite-Überlegungen der Finanzabteilungen dominieren zunehmend den kreativen Prozess und unter den wenigen erfolgreichen Filmen dominieren Sequels, Prequels oder Bestseller-Verfilmungen. Aber der Fernsehspielchef Reinhold Elschot vom ZDF hält es für völlig normal, das kulturelle Gedächtnis für das Linsengericht der Werbeeinnahmen preiszugeben. Die erfolgreiche Drehbuchautorin Annette Hess skizziert die Praxis so: „Drehbucharbeit läuft hier zu oft so, als läge mit dem Buch eine Speisekarte auf dem Tisch: Ich nehme die 18, die 117 ohne das Kind und die 40, aber bitte mit Brustkrebs.“ Noch undurchsichtiger wird diese Situation durch die Kooperation von Fernsehsendern wie RTL oder Pro Sieben mit dem Datenauswertungsdienst Google Analytics. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einmal die irritierenden Recherchen des c’t-Redakteurs Ronald Eisenberg zur Kenntnis zu nehmen.

Lois Brendel: Wenn man sich die Drehbücher von Jurek Becker zu Liebling Kreuzberg oder die Fernsehproduktionen von Edgar Reitz oder Rainer Werner Fassbinder ins Gedächtnis ruft, so war das nicht immer so. Was wissen wir über die Behinderung oder Verhinderung von Literatur in den vergangenen Jahrzehnten? Inwiefern ist die Zensurgeschichte der Bundesrepublik eine Geschichte der Verdrängung?

York-Gothart Mix: Während sich die Erforschung der Zensurverhältnisse im Biedermeier, im wilhelminischen Deutschland, im NS-Staat und in der DDR zu einem weit gefächerten Arbeitsfeld entwickelt hat, weist die Beschäftigung mit diesem Thema für die Geschichte der Bundesrepublik alarmierende Defizite aus. Viele Indizierungsinitiativen sind wie der Streit um Vladimir Nabokovs Lolita, Jean Genets Querelle und Notre Dame des Fleurs, Christiane Rocheforts Le repos du guerrier, David Herbert Lawrence Lady Chatterly’s Lover, Henry Millers Opus Pistorum, Dino Segres (alias Pitigrilli) Kokain, Ulrich Schamonis  Dein Sohn läßt grüßen, Friedrich Christian Delius’ Unsere Siemens-Welt oder Bret Easton Ellis American Psycho bewusst bagatellisiert worden. Nancy Fridays Die sexuellen Phantasien der Frauen und das Pendant Die sexuellen Phantasien der Männer hat man kurzerhand verboten, ebenso Ausgaben von Franz Blei, Restif de la Bretonne, William Borroughs, Robert Crumb, Eduard Fuchs, Leopold von Sacher-Masoch, Marquis de Sade oder kurioserweise auch das Haschisch-Kochbuch.

Lois Brendel: Günter Grass müsste man auch nennen, oder?

York-Gothart Mix: Ja, prominente Beispiele wie der Verbotsantrag gegen Günter Grass’ Novelle Katz und Maus sind nach wie vor unzureichend dokumentiert. De facto könnte man einen, wie sein ehemaliger Lektor Helmut Frielinghaus erklärt hat, ganzen Materialienband zum Thema „Günter Grass und die Zensur“ zusammenstellen. Grundsätzlich stellt sich, ganz gleich, ob es um Jugendschutz oder den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht, die Frage nach dem künstlerischen Anspruch oder der Literarizität sowie das Problem einer Abgrenzung von juristischer und literarischer Kompetenz. Das gilt auch für die neueren Fälle: Billers Esra, Herbsts Meere und Liebermanns Das Ende des Kanzlers – Der finale Rettungsschuss oder auch Birgit Kempkers Als ich das erste Mal mit einem Jungen im Bett lag – ein Text, der 2000 verboten wurde, weil sich der Liebhaber nach 25 Jahren zu erkennen glaubte. Die Zensurgeschichte der Bundesrepublik ist tatsächlich in starkem Maße, vor allem in der sogenannten Adenauer-Ära, eine Geschichte der Verdrängung.

Lois Brendel: Was wurde verdrängt?

York-Gothart Mix: Wer weiß beispielsweise, dass 1965 unter einer Koalitionsregierung von CDU und FDP mit behördlicher Genehmigung am Düsseldorfer Rheinufer eine Bücherverbrennung stattgefunden hat, die ungeachtet aller Kritik beim Berliner Bischof und ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Otto Dibelius, wohlwollenden Zuspruch gefunden hat. Bei diesem Autodafé wurden neben anderen Texten auch Vladimir Nabokovs Lolita, Erich Kästners Herz auf Taille, die Erzählung La chute von Albert Camus auch der Roman Die Blechtrommel von Grass als besonders „unappetitliches“ Buch in das Feuer geworfen. Dibelius zählte nämlich Die Blechtrommel nicht zur Literatur, sondern zu den „unappetitlichen“ Büchern und damit war für ihn der Fall erledigt.

Lois Brendel: Was unterscheidet die Zensur in der Adenauer-Ära von der Situation heute?

York-Gothart Mix: Vieles hat sich verändert, aber zensurierendes, vor allem selbstzensurierendes Handeln ist keineswegs verschwunden. Das Problem reicht von Kirsten Harms Einknicken vor Pressuregroups, die 2006 aus Angst vor islamistischen Anschlägen Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Idomeneo, Rè di Creta in der Inszenierung von Hans Neuenfels in Berlin aus dem Programm strich oder dem Verbot eines Charlie-Hebdo-Wagens auf dem Kölner Rosenmontagszug bis zur kunstfeindlichen Auslegung des Persönlichkeitsrechts. Das Verbot des Romans Esra ist zwar kein Fall staatlich exekutiver Zensur im formellen Sinne, die gemäß Art. 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz verfassungsmäßig verboten ist. Dennoch fügt sich auch ein von der Judikative ausgesprochenes Bücherverbot mit definierbaren Modifikationen in die Phänomenologie der Zensur ein: Auf Initiative von Privatpersonen entscheidet ein staatliches Gericht unter Abwägung der betroffenen Verfassungsgüter, dass im konkreten Fall die Kunstfreiheit von Autor und Verlag hinter das allgemeine Persönlichkeitsrecht der beiden Klägerinnen zurückzutreten hat. In diese Entscheidung fließen für die Phänomenologie der Zensur bedeutsame Erwägungen ein: Es wird über die Fragen „Was ist Kunst?“ und „Was ist Literatur?“ ebenso geurteilt wie über das Problem, wie Literatur im außerliterarischen Bereich wirkt und bis zu welchem Grad ein Kunstwerk auch auf der sozialen Ebene Wirkungen entfalten „darf“. Sind – und wenn ja welche – Grenzen für die Reportage, Personalsatire, den Schlüsselroman oder das Pamphlet denkbar und wer bestimmt sie? Einzig und allein die Juristen? Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Christian Eichner und ich haben versucht, im Karlsruher Verfahren gegen Maxims Billers Esra die Grenzen präziser zu definieren. Leider war das nur für die Minderheit der Verfassungsrichter einsichtig.

Lois Brendel: Wie lässt sich Zensur phänomenologisch en détail fassen?

York-Gothart Mix:  Zensur ist kategoriell, phänomenologisch zu differenzieren. Unter der Berücksichtigung temporärer Merkmale lässt sich der zensorische Eingriff als Vorzensur, Nachzensur und Rezensur oder auch als Präventiv- oder Prohibitivzensur charakterisieren. Unter Rezensur versteht man die wiederholte Zensur bereits erschienenen Schrifttums, die Präventivzensur zielt als umfassendste Form der Kontrolle auf eine Überwachung vor der Verbreitung eines Textes. In der DDR hat man das „Druckgenehmigung“ genannt. Diese für totalitäre Staaten symptomatische Variante ist in der Bundesrepublik verboten und existiert de facto nicht. Literaturverbote in der DDR waren intransparent und juristisch nicht anfechtbar. Außerdem gab es für einen verbotenen Text keine Publikationsalternativen. Er konnte auch nicht ohne Genehmigung im Ausland erscheinen.

Lois Brendel: Alle in der Bundesrepublik inkriminierten Texte kann man im Gesamtverzeichnis indizierter Bücher, Taschenbücher, Broschüren, Comics und Flugblätter nachschlagen und im Zweifelsfall auch die Verfahren rekonstruieren. Aber was ist mit der Selbstzensur?

York-Gothart Mix: Die Selbstzensur als subtilste Variante kann als Unterdrückung eines eigenen Werkes oder als Korrektur einzelner Passagen definiert werden, die von einem Autor entgegen seiner ursprünglichen Intentionen im Wissen  der Geltung einer ihm fremden Norm – und im Bewusstsein der Sanktion im Falle ihrer Nichtbeachtung – vorgenommen wird. Für die Selbstzensur, die nicht mit der Selbstkritik eines Autors verwechselt werden sollte, ist bedeutsam, dass die Veränderung des Textes von Seiten der normmächtigen Instanz noch nicht erfolgt ist, das Werk aber in der Vorstellung der Kontrolle durch diese Instanz umgeschrieben wird. Schadenersatzforderungen in ungewöhnlicher Höhe oder Unterlassungsansprüche gegen die Veröffentlichung, Verbreitung und Bewerbung eines Buches wie im Fall Esra sind als Beweggründe der Selbstzensur ebenso denkbar wie wirtschaftlicher Druck oder die Androhung sozialen Zwangs. De facto nachweisbar ist ein selbstzensorischer Akt nur durch explizite Äußerungen eines Autors, die über die Genese des betreffenden Werkes Aufschluss geben. Denkbar ist allerdings auch, dass die restriktiven Normen schon so weit internalisiert worden sind, dass keine Variantenspuren auffindbar sind oder entsprechende Hinweise vom Autor selbst vernichtet wurden. Im Gegensatz zur formellen Zensur, die juristisch legitimiert und durch administrative Zwangshandlungen durchgesetzt wird, basiert die informelle Zensur auf Vorbehalten, die mit Hilfe psychologischen, ökonomischen, politischen oder sonstigen sozialen Druckes geltend gemacht werden. Sie spielt heute eine zentrale Rolle.

Lois Brendel: Bietet das Internet Handlungsalternativen?

York-Gothart Mix: Die Mythen des Internet-Zeitalters werden sich zunehmend verflüchtigen, wie zum Beispiel der jüngste Beitrag Pixel Dust: Illusions of Innovation in Scholarly Publishing von Johanna Drucker, Professorin an der  UCLA, zeigt. Die Veränderung totalitärer Strukturen gelingt nicht deswegen, weil es Twitter gibt. Das Prinzip von Wikipedia, die freie Mitarbeit, eröffnet bisher ungekannte Möglichkeiten großflächig angelegter Undercoveraktionen interessierter Stellen. Apple und Amazon schliessen, wie der Medienwissenschaftler Ernst Fischer dargelegt hat, unerwünschte Contents aus allen Verbreitungs- und Vertriebskanälen aus, Google strebt eine weltweite Monopolstellung der Informationsbereitstellung jenseits jeder öffentlichen Kontrolle an. Aufklärung und Öffentlichkeit – hatte Immanuel Kant das nicht zusammengedacht?

Lois Brendel: Was heißt das bezogen auf die heutige Situation?

York-Gothart Mix: Ein Beispiel: Die jüngst durch Edward Snowden bekannt gewordenen, illegalen Aktionen der Geheimdienste sind, wie  die Forschungen des Historikers Joseph Foschepoth deutlich machen, eine effektivere, flächendeckende Fortsetzung früherer Praktiken. Das im Grundgesetz 10 formulierte Post- und Fernmeldegeheimnis gibt es de facto nicht mehr. Im Visier der Geheimdienste ist mittlerweile fast jede normale Sprachverwendung, wenn Begriffe wie „U-Bahn“, „krank“, „elektrisch“, „Schwein“, „Schnee“, „Blitz“, „Heilung“, „Grenze“, „Welle“, „Wolke“, „Symptome“, „Grippe“, „Antwort“, „Telekommunikation“, „Rotes Kreuz“, die Nennung Mexikos, der Stadt Tucson in Arizona, zahlreiche Abkürzungen, Angaben und Kommentare Verdacht erregen. Auf der als Staatsgeheimnis behandelten Liste der NSA sollen 38.897 Adressen stehen und die Zahl der Suchbegriffe zu europäischen Institutionen und ihrem Personal ist vierstellig. Sind die Sorgen John Perry Barlows und der Freedom of the Press Foundation unberechtigt? Beunruhigend ist in diesem Kontext auch die Kollusion, also das geheime Einverständnis,  zwischen drei, vier weltweit agierenden „Big-Data“-Marktführern und staatlichen Stellen, deren Aktivitäten einer kritischen Öffentlichkeit ganz und gar verborgen bleiben, unter dem sich propagandistisch blähenden Banner gesellschaftlicher und individueller Freiheit. Nehmen wir zur Kenntnis, dass es mit den von Facebook gesammelten Daten möglich ist, in Sekundenschnelle eine Liste der Befürworter oder Gegner dieser oder jener politischen, sexuellen oder intellektuellen Orientierung in diesem oder jenem Land zu erstellen? Was passiert, wenn ein gewinnorientiertes Social Network seine beispiellose Marktmacht nutzt und die Kontrolle durch den Staat versagt? Die Transformation einer Grundwerten verpflichteten Marktwirtschaft zur digital überwachten Marktgesellschaft zum Nutzen weniger ist hier evident. Letztlich ist der gläserne Bürger in einem intransparenten Staat entstanden. In solchem Klima entstehen Unternehmen wie die schwedische Internetseite Lexbase, deren Geschäft die gewerbsmäßig betriebene Denunziation ist. Ähnliches gilt für die Kampagne gegen Herfried Münkler. Wir brauchen einen digitalen Radiergummi, aber ob das von Evan Spiegel entwickelte Prinzip „Snapchat“ tatsächlich eine Lösung ist, bleibt fraglich. Übrigens: Die Selektoren-Liste der NSA könnte man gar nicht löschen, sondern nur auf „disapproved“ setzen…

Lois Brendel: Damit deuten Sie eine Diskrepanz zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit an…

York-Gothart Mix: Ja, die in vielen Verfassungen – so auch im Grundgesetz – verankerte Ächtung der Zensur hat in der Regel mit der Verfassungswirklichkeit nur bedingt etwas gemein. Zensur reglementiert soziales Verhalten nach der Maßgabe einer soziokulturellen und politischen Ordnung, einer postulierten Moral, der dominanten Religion, einer implantierten Ideologie oder einer zum monokratischen Dogma erhobenen Ökonomie. Ihr Augenmerk richtet sie auf die vermutete Wirksamkeit von Textzeugnissen oder Ideologemen, ihr Ziel ist die Konformität eines für verbindlich erklärten Kulturhorizonts – ergo rückt auch die rigorose Verpflichtung  staatlich protegierter Leitmedien (ARD, ZDF) auf einen marktkonformen Mainstream in den Fokus. Zensur ergreift stets Partei und setzt an die Stelle einer komplexen Wirklichkeit die Reduktion von Komplexität. Seit jeher kommt den Instanzen der Zensur, ganz gleich ob es sich um aktive Lobbyisten, um staatliche oder kirchliche Eliten handelt, auch der Einfluss zu, die angestrebte Konformität durch Privilegierung oder Verhinderung zu etablieren.

Lois Brendel: Wie relevant ist  die Einflussnahme durch die vielzitierten Pressuregroups?

York-Gothart Mix: Dieser Einfluss ist, wie auch Bodo Plachta betont hat, bedeutsam und es sind manchmal gar nicht die Lobbyisten, an die man da denkt. Ein ganz anders gelagerter Fall: 1985 hat es zu Beispiel einen hart ausgefochtenen Konflikt um das 1975 verfasste Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod von Rainer Werner Fassbinder gegeben.

Lois Brendel: Man hat das Stück als Beleg eines neuen Antisemitismus gesehen…

York-Gothart Mix: Ja, aber Fassbinder war kein Antisemit und das Stück ist nicht rassistisch, es setzt sich sehr kritisch mit der Lebenslüge der alten Bundesrepublik auseinander.

Lois Brendel: Inwiefern?

York-Gothart Mix: Es geht um das Verschweigen und Vertuschen der nationalsozialistischen Verbrechen in der Zeit vor dem Auschwitz-Prozess. Aber eine normale Aufführung in Frankfurt am Main ist verhindert worden, die öffentliche Erstaufführung hat man 1987 in New York City realisiert, im selben Jahr ist das Stück in Kopenhagen auf die Bühne gekommen. Anschließend ist das Werk wiederholt im europäischen Ausland und in den USA inszeniert worden, 1999 hat der Regisseur Yoram Löwenstein in Tel Aviv eine Aufführung realisiert. Vor kurzer Zeit kam das Werk schließlich in München in tschechischer Sprache auf die Bühne. Das Stück Der Müll. Die Stadt und der Tod ist kein Propagandastück und der Fall Fassbinder zeigt, dass man literarische Texte ungeachtet ihres Kunstcharakters immer wieder nur als bloße Meinungsäußerung versteht und im Falle unliebsamer Meinungen diskreditiert oder gar indiziert hat. Das gilt für Klaus Manns Mephisto, Grass’ Katz und Maus oder Genets Querelle ebenso wie für Billers Esra. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht sind alle genannten Praktiken formeller oder informeller Zensur nicht zu legitimieren. Das relevanteste Literaturverbot, die Indizierung von Mephisto, wird zwar in einschlägigen Materialsammlungen zur Zensur gar nicht thematisiert, ist aber dennoch als repräsentativer Fall von Nachzensur  anzusehen und hat ungeachtet der Tatsache, das der Text mittlerweile frei zugänglich ist, eine paradoxe normative Wirkung entfaltet, die jede, tatsächlich jede Jurisdiktion zum Thema nach wie vor maßgeblich beeinflusst, denn es geht hier um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das nach wie vor verbindlich ist. Die Rechtsprechung, die gesellschaftliche Praxis, das traditionalistische Zensurverständnis und die gesellschaftliche Wirklichkeit stehen somit in einem Widerspruch. Aber natürlich steht die Meinungsfreiheit per se in latenter Konkurrenz zum Persönlichkeitsschutz oder anderen Prinzipien verfassungsrechtlich bedingter Normen.

Lois Brendel: Besten Dank!

Lois Brendel, die an der Philipps-Universität Marburg Europäische Literaturen studiert, führte dieses Interview mit York-Gothart Mix für literaturkritik.de.

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Siehe auch:

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Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!

I think for food

molon labe

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

Deutschland gestern: der Wille zur Macht.
Deutschland heute: der Wille zur Verblendung.
Deutschland morgen: 德國

Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.

Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.

Smart phones for stupid people.

Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.

Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?

Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.

Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.

Islamisierung bedeutet Verblödung.

Copy-shop als psychoanalytische Methode heute.
Die Psychoanalyse heute ist lediglich die Nachahmung einer vermeintlichen Psychoanalyse, die es so nie gegeben hat, also unbewußte Karikatur, Totemmaske ihrer selbst.
Die Revolution frißt ihre Väter, nicht ihre Kinder.
Jeder verdient eine zweite Chance. Eine zweite, nicht eine zwölfte, zweiundzwanzigste oder einhundertzweite.
In Polen haben amerikanische Geheimdienstler ihre Gefangenen gefoltert, während vor polnischen Gerichten Prozesse gegen polnische Geheimdienstler liefen, die polnische Gefangene gefoltert haben.
Besser irgendwelche Sitten, als gar keine Sitten.
Direkte Gewalt gegen strukturelle Gewalt – lediglich eine Rationalisierung der eigenen Lust als Rechtfertigung für eigene wilde, triebhafte Gewalt. Wer strukturelle Gewalt von Institutionen eines demokratischen Rechtstaates delegitimiert und direkte Gewalt gegen diese Institutionen legitimiert, der gibt jeglicher denkbaren Form von Gewalt freie Hand, denn jede Gewalt kann moralisch begründet werden. Der Teufel ist ein Moralist. Und ein Gewalttäter. Aufrufe zur Gewalt sind in Deutschland strafbar.
National Sozialistische Deutsche Arbeiter Partei (NSDAP) war links,, ihr Kampf gegen Kommunisten und Sozialisten war nicht ideologisch, sondern es war ein Konkurrenzkampf unter Gleichen.
Wer sich für Kunst nicht interessiert, wem Kunst nichts bedeutet, der interessiert sich ebensowenig für Menschen, dem bedeuten Menschen nichts. Denn Kunst ist Ausdruck menschlicher Gefühle, Kunst ist Liebe.
Manche Menschen schauen in den Spiegel und sagen: „Die Welt ist schrecklich, die Welt ist böse“, und fangen an, dieses Böse in der Welt, aber nicht in sich, zu verfolgen, zu vernichten, auszumerzen. Also andere Menschen, das Andere menschliche, was sie nicht sein wollen, zu exterminieren, zu liquidieren.

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es  muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann. (…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.  (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.  (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)  (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.  (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann

„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer

 „…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl.“ (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)
„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben – Adorno
 „Nein, ihr habt nichts zu tun mit den Arbeitern. Mit Schweißgeruch. Mit Menschen in Maschinenhallen oder an Fließbändern. Mit Möbelpackern oder Heizungsmonteuren. Mit Schützenvereinen und Angelsportclubs. Mit Hauptschülern und sonntäglichen Kirchgängern. Nein, das Volk liegt euch nicht.“ Das ist die Argumentation der wahrhaften, der lafontainistisch-leninistischen Sozialdemokratie – die konsequente Steigerung von Arbeiter, Schweiß, Schützenverein und Alfred Tetzlaff immer weiter hinauf bis ins Volk hinein als dem ultimativen Gully allen deutschen Wahns. – Joachim Bruhn
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus.  (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann
Dummheit, nicht Denken, Ideologien, Moralismus, führen zum radikalen handeln. radikales Denken verhindert radikales Handeln.
„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

People feel always terrible offended if you do not believe their lies.
Everyone is responsible for his feelings.
Psychoanalysis is nobody’s business except the psychoanalyst and his patient, and everybody else can fuck off.
“Time is the echo of an axe
Within a wood.”
― Philip Larkin, Collected Poems

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

 Why Allah does not shows himself? Because he does not want  to do anything with such assholes.
When fascism returns, he will not say, ‘I am the fascism‘. No, he will say, ‘I am the anti-fascism Ignazio Silone.
Political correctness requires a language for a poetry album.
 Psychoanalysis is frivolous, or it is not psychoanalysis.
Colorful diversity, earlier: shit.
What can not any longer be changed, can not any longer be reformed, it is no longer alive, but very dead (instead). What is dead should be, has to be buried: religion, marriage, Romanticism, etc.
Romantic sucks.
 The reality is always stronger than illusions.
 A delusion is characterized by increasing loss of reality, and can be attested to today’s leaders in Germany and the mass media. Loss of reality describes the mental state of a person who is not (any longer) be able to understand the situation in which it is located. So you are ruled by madmen and manipulated by the mass media.
Totalitarianism can only be defeated if one has the courage to call things by their right names, just as they are. Political correctness prevents it promotes totalitarianism and political cowardice and political lie.
The Extinction: Islam is like the sun, who comes too close to him, will burn itself and will flare the rest of the world with him.
Islam does not want any submission! Islam wants victory, destruction and annihilation.
The world was not created just for you.
Time needs time.
What has God with us when he freely admits the devil more and more territories?
It’s not the biggest fear when you look into an abyss, but to note that the abyss looks back at you.
I is different.
Muslim´s headscarf is less annoying than German mothers with their pushchairs.
Prostheses people – look like women and men, but they are not.
Global governance the political repair operation begins to repair before something was created.
The extremely increased, ostensibly critical, actually demonizing, German interest in Israel and Jews is perverse.
The Nonanti-Semite is by the current German law an anti-Semite who defames, discriminates, delegitimizes Israel, Jews, , but do not supports expressis verbis the aim of the Third Reich, the Holocaust, the extermination of the Jews.

Heroes of today know nothing, can not and do not want anything. They just look like heroes, that’s all.

It may be that early fathers ate their children. Today, the mothers will eat anything, fathers, children and the rest. Everything Mommy, anyway!

Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow:

German psychoanalysis? Great, like German charm, German humor and German wit.

The resistance starts with its own language other than that of the dictatorship.

Smart phones for stupid people.

A leftist can, but do not have to be stupid.

If you do not blame states, when they commit suicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149 dead?

Only the purity of the means justify the end.

An extreme narcissist is a potential terrorist, and every terrorist is an extreme narcissist.
Islamization means dementia.
Copy-shop as a psychoanalytic method today.
Psychoanalysis today is merely an imitation of a putative psychoanalysis, it has never existed, an unconscious cartoon, totem mask of itselves.
The revolution devours its fathers, not its children.

Everyone deserves a second chance. A second, not a twelfth, twenty-second or one hundred second.

In Poland, American intelligence officials  have tortured their prisoners, while the Polish courts ran trials of Polish intelligence officesr who tortured Polish prisoners.

Better have any manners, than no manners at all.
Direct violence against structural violence only a rationalization of their own desire as justification for their own wild, instinctual violence. Who delegitimizes structural violence of institutions of a democratic state and legitimizes direct violence against these institutions  gives any conceivable form of violence free hand, for any violence can be morally justified. The devil is a moralist. And a perpetrator of violence. Calls for violence are illegal in Germany.
National Socialists German Worker Party (NSDAP) was left, its fight against communists and socialists was not ideological, but it was a competition among equals.
Those who are not interested in art, to whom art means nothing, those are not interested in people, to those  people mean nothing. Because art is an expression of human feelings, art is love.
Some people look in the mirror and say, „The world is terrible, the world is evil,“ and begin to pursue this evil in the world, but not in themselves, destroy, eradicate. So other people, the other humans, what they do not want to be,  to exterminate, to liquidate.
1 x 1 materialist criticism: the aim must be to make appearances in a situation in which they are legible. (…) A new barbarism is always to be feared, is not directly powered from the spirit of National Socialism, but in the guise of democratic anti-fascism of learning from history and political correctness come along. (…) Defence of the open fascism by its democratic denazification and incorporation. (…) The Second World War was a culture industry Massenevent.(..) Specialization and diversification are a contemporary manifestation of massification and uniformity. (…) 

The different pigmentation of human skin is an objective fact, not a mere invention. (…) Breed today is the self-assertion of the bourgeois individual, integrated in the barbaric collective. (Clemens Nachtmann)

„Democracy is nothing more than the rule of the stick over the people by the people for the people. (…) There are three types of despots: the despot who enslaves the body, the despot who enslaves the soul and the despot who enslaves both body and soul. The first is called Prince. The second is called the Pope. The third is called the people. (..) If you want to lead the people, you are forced to follow the mob. (…) The first duty in life is to be as artificial as possible. The second duty is still unknown. Oscar Wilde

 

A German is a person who can speak no lie, without actually believe Adorno

 
Stupidity, not thinking, ideologies, moralism, lead to radical acting. radical thinking prevents radical action.
The main reason of a psychotherapy is – with temporary support of the psychotherapist –. to take his own destiny in own hands.  Who lives with a self-image that the temporary clarifying role of the therapist is an intolerable insult, he must to try to cope with his life alone.“Hans Ulrich Gumbrecht

Meinungsfreiheit: Generation Angst / How fear of offending has trumped freedom of speech among today’s young people (deutsch/english)

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Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.   – (Clemens Nachtmann)
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Meinungsfreiheit: Generation Angst

Von Jennie Bristow

 

Die heutige Jugend nimmt Provokation als Gefahr wahr. Meinungen, die jemanden verletzen oder herausfordern könnten, werden unterdrückt. Also brauchen wir mehr Provokation, findet Jennie Bristow. Ohne herausfordernde Meinungen ist Fortschritt unmöglich.
In einer der Debatten [1], die die jüngsten Terroranschläge in Paris angestoßen haben, geht es um die Frage, wie ältere und jüngere Generationen freie Meinungsäußerung interpretieren. In einem kürzlich erschienenen Artikel [2] mit dem Titel „Wir mögen Charlie sein, aber unsere Kinder sind es nicht“ stellt die Times-Journalistin Alice Thomson fest, dass die junge Generation „weitaus sensibler gegenüber ethnischen und kulturellen Unterschieden ist, als es meine jemals war.“ Während die jungen Leute vielleicht „aus Solidarität mit den Opfern ein T-Shirt kaufen“, schrecken sie vor Bildern zurück, die sie instinktiv als anstößig wahrnehmen.

Das ist insbesondere an Universitäten der Fall [3]. Dort werden alle möglichen Äußerungen und Bilder verboten – manchmal begleitet von einem kurzen Aufschrei der beleidigten Leberwürste. Dieses Schema ist immer häufiger zur Routine geworden, denn Provokation wird als „gefährlich“ [4] eingestuft.

Thomson bemerkt, dass es deutliche Unterschiede zwischen heutigen Schülern und den Radikalen der 1960er-Jahre gibt, unter ihnen die Gründer von Charlie Hebdo. [5] Während „die ältere Generation während des Kalten Krieges aufgewachsen ist – in einer Welt, die zwischen Kapitalismus und Kommunismus gespalten war – und versuchte, die Rechte des Individuums geltend zu machen“, seien die Kinder von heute dazu erzogen worden, überempfindlich auf das „Problem“ der Provokation zu reagieren.

„Redefreiheit ist wichtig, solange niemand etwas Kontroverses sagt“

In diesem Zusammenhang scheint „freie Meinungsäußerung“ eine andere Bedeutung anzunehmen. Junge Menschen haben heute oft das Gefühl [6], über ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen frei zu verfügen. Der Versuch, diese anderen aufzuzwingen, ist allerdings unter allen Umständen zu unterlassen. Man muss mit Äußerungen der eigenen Ansichten und Überzeugungen sehr vorsichtig sein, damit sie nicht als Angriff auf Andersdenkende wahrgenommen werden. Und man fühlt sich tödlich getroffen, wenn jemand kritisiert, was man über sich selbst sagt. Das ist eine paradoxe „Redefreiheit“: Ein Wert, der aufrichtig verteidigt wird – aber nur solange, wie niemand etwas Kritisches oder Kontroverses sagt.

Thomson verweist zu Recht auf die 1960er-Jahre als eine Zeit, in der die Meinungsfreiheit von einem Teil der jungen Menschen, der „radikalen Jugend“, eine hohe Wertschätzung genießen durfte. Diese jungen Menschen waren sowohl von den lähmenden gesellschaftlichen Konventionen der eigenen Nachkriegsgesellschaft als auch von der völligen Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die kommunistische Alternative in Osteuropa frustriert. Zu Hause wurden Publikationen wie Lady Chatterley und das Oz Magazine [7] wegen Obszönität angeklagt und erlangten so nationale Berühmtheit. In der Sowjetunion wurden andersdenkende Autoren in den Gulag geschickt.

Radikale Jugendliche engagierten sich für die Redefreiheit. Sie wurden dabei von einer idealistischen Verpflichtung für eine tolerantere und modernere Welt angetrieben. Der Feind waren altmodische sexuelle, rassistische und gesellschaftliche Konventionen; der Verstoß gegen diese Konventionen war nicht nur eine Forderung nach Freiheit, sondern selbst Freiheit. Der Traum war eine Gesellschaft, in der Menschen ihre eigenen Überzeugungen äußern und generell „sie selbst sein“ können.

In den 1990er-Jahren, als ich noch im Grundstudium war, haben wir diesen Traum so ziemlich gelebt. Kulturelle und ethnische Vielfalt war willkommen, Offenheit gegenüber Sex und Sexualität war praktisch obligatorisch und wir respektierten andere Überzeugungen so einfach, wie wir andere Frisuren respektierten. Aber das war die Generation X, die nicht von einem idealistischen Engagement für die Zukunft, sondern von einer Kultur der Niederlage geprägt war. Das einzige, worauf sich die Studenten einigen konnten, war, jegliche Bedrohung der „Kritiklosigkeit“ zu verbieten, welche die Debatten prägte. Wer eine eigene, klare Meinung zum Ausdruck brachte, wurde boykottiert und vom Campus gejagt.

„Wir müssen andere provozieren und den Streit austragen“

Faschisten, islamistische Extremistengruppen, die Tageszeitung The Sun, homophobe christliche Vereinigungen, Werbung und sogar Vereinigungen für die Meinungsfreiheit fielen während der 1990er-Jahre Verboten zum Opfer. [8] Diejenigen von uns, die sich für die Redefreiheit stark machten, standen einer unerbittlichen Logik gegenüber. Wenn man sich eine tolerante Gesellschaft wünscht, so das Argument, muss man die intoleranten Ideen unterdrücken. Demnach wäre Meinungsfreiheit nur dann möglich, wenn gefährliche Meinungen unterdrückt werden. Und da sonst niemand viel zu sagen hatte, setzten sich in der Regel die radikalen Zensoren durch.

Heute scheinen die jungen Menschen, an den Universitäten und anderswo, aufgeschlossener zu sein als die Generation X. Sie haben sicherlich mehr zu sagen – und das zu einem größeren Publikum. Die Allgegenwärtigkeit der sozialen Medien bedeutet, dass die Fähigkeit, Worte und Bilder in einem öffentlichen Forum zu verwenden, aufrichtig geschätzt wird. Von Kindesbeinen an werden junge Menschen ermutigt, sich auszudrücken, die eigene Identität zu entfalten und an Diskussionen über die Welt, in der sie leben, teilzunehmen. Aber die geforderte Selbstverwirklichung ist recht zerbrechlich. Bei Kritik hört sie in der Regel auf.

Es ist nicht so, als wäre die Babyboomer-Generation besser. Die Vorstellung, dass Toleranz die Ablehnung der Beurteilung anderer Menschen aufgrund ihrer Unterschiede bedeutet, geht schließlich auf die 1960er-Jahre zurück. Und das ist ein wichtiger Aspekt der bedrückenden Lage unserer Zeit, in der eine tolerante Gesellschaft Kritik und Provokation schlicht vermeiden muss. Irgendwo zwischen damals und heute ist das andere Verständnis der Meinungsfreiheit verloren gegangen.

Wo Selbstverwirklichung geschätzt wird, muss das Recht anderer, sich auch auf scheinbar gefährliche oder beleidigende Art und Weise zu äußern, gewürdigt werden. Das Gleiche gilt für das Recht der Menschen, die Selbstverwirklichung zu kritisieren oder zu verspotten. Und sei es auch ein Dorn im Auge einer Generation, für die schlechte Ideen bedrohlich sind und das Selbstwertgefühl über allem steht.

Also müssen wir andere provozieren und den Streit austragen. Andernfalls handelt es sich keinesfalls um Selbstverwirklichung oder Redefreiheit. Wir bewegen uns innerhalb gesellschaftlicher Konventionen, die genauso rückwärtsgerichtet und lähmend sind wie die Konventionen jener Zeiten, als ein Roman verboten werden sollte, damit er nicht „Ihrer Frau oder Ihrem Diener“ in die Hände gerät.

Aus dem Englischen von Jenny Aschenbrenner.
Jennie Bristow ist Redakteurin beim britischen Novo-Partnermagazin Spiked.

Dieser Artikel ist zuerst unter dem Titel „How fear of offending has trumped freedom of speech among today’s young people” auf The Conversation erschienen.

 

http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/0001840

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Grundrechte: Ja zur absoluten Redefreiheit

Von Tim Black

Die amerikanische Verfassung ist ein Meilenstein in der Entwicklung individueller Grundrechte. Tim Black singt ein Loblied auf die streitlustigen US-Gründerväter und erklärt, warum der heute vorherrschende Freiheitsbegriff ihr Werk unmöglich gemacht hätte.
Stellen Sie sich einmal vor, die Gründerväter der Vereinigten Staaten hätten politische und individuelle Freiheit in den Maßstäben unserer Zeit gedacht, also als Probleme, die es zu regeln gilt, als potentielle Risiken und Gefahrenquellen. Stellen Sie sich vor, Thomas Jefferson hätte die Unabhängigkeitserklärung heute verfasst, einschließlich der Versicherung, dass Leben, Freiheit und das Streben nach Glück unveräußerliche Rechte sind – allerdings nur, „solange besagtes Streben die Gesundheit nicht gefährdet“. Stellen Sie sich vor, die amerikanische Verfassung und darauf folgend die Bill of Rights [1] wären heute entworfen worden, voll mit kleingedruckten Einschränkungen und Vorbehalten über mögliche Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Religion.

Der erste Verfassungszusatz, mit seinem so scharf und klar formulierten Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit wäre heute undenkbar. „Der Kongress“, so heißt es dort, „darf kein Gesetz verabschieden, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung um die Beseitigung von Missständen zu ersuchen.“

„Die amerikanische Verfassung wäre heute undenkbar.“

Es heißt nicht: „Der Kongress darf kein Gesetz verabschieden, das die Redefreiheit einschränkt, außer wenn eine Person eine andere bedroht, beleidigt oder herabwürdigt in einer Art, die zum Hass anstacheln könnte“. Es heißt auch nicht: „Der Kongress darf kein Gesetz verabschieden, das die Redefreiheit einschränkt, außer wenn der Schutz der guten Sitten oder des Ansehens und der Rechte Anderer das erfordern.“ Kurz gesagt: Der erste Verfassungszusatz enthält keinerlei Vorbehalte oder Ausnahmen. In den Augen der Gründerväter war das Recht der Menschen, zu denken, zu glauben und zu sagen, was immer sie wollen, absolut und unantastbar – es duldete keine Kompromisse.

Und warum gab es all diese Einschränkungen der Redefreiheit nicht, die wir zweifellos in einem heute formulierten Grundrechtekatalog finden würden? Ganz einfach: Weil Meinungs- und Redefreiheit als viel zu wichtig erachtet wurden, um in irgendeiner Weise beschränkt zu werden. Nicht dass Thomas Jefferson, Thomas Paine oder Voltaire (oder all den anderen Denkern des 18. Jahrhunderts, die den radikal freiheitsliebenden Geist dieser Zeit atmeten) nicht klar gewesen wäre, dass es mitunter Böswilligkeiten und Beleidigungen – oder schiere Dummheit – zu ertragen gilt. Auch in der Aufklärung war nicht jeder eine Leuchte. In jenem historischen Moment jedoch wurde Freiheit, insbesondere Redefreiheit, als etwas durch und durch Positives wahrgenommen, als etwas, das der Menschheit nützt, das verhindert, dass eine Regierung zur Tyrannei wird; etwas, das in jedem Menschen das Beste zum Vorschein bringt und dem Streben nach Wahrheit dient. Ein Beispiel: Im Jahr 1800 kritisierte der spätere US-Präsident James Madison ein Gesetz, das seiner Meinung nach die Freiheit der Presse einschränken würde. Er zitierte den ersten Verfassungszusatz, um das Recht der Presse zu verteidigen, „aufrührerisch“ zu sein. Für Madison hatte das Recht, die Regierenden öffentlich bloßzustellen und fertigzumachen – in einer Intensität, die heute mit Sicherheit als ‚Anstiftung zum Hass‘ bewertet würde –Vorrang gegenüber deren Recht auf emotionale Unversehrtheit. Immer wurden Rede- und Meinungsfreiheit gestärkt, nie deren Einschränkung.

„Das Recht, die Regierenden fertigzumachen, war wichtiger als deren Recht auf emotionale Unversehrtheit.“

Heutzutage wird implizit angenommen, die Gründerväter hätten den Schaden, den Redefreiheit potentiell anrichten kann, unterschätzt. Sie waren naiv; sie wussten nicht, was wir mittlerweile wissen; nämlich, dass Redefreiheit niemals absolut ist, dass es Grenzen geben muss.

Denken Sie nur an all jene, die beteuern, für Redefreiheit zu sein, nur um anschließend eine Liste mit Gründen herunterzubeten, warum sie begrenzt werden muss. In Großbritannien beispielsweise scheint die Bürgerrechtsaktivistin Shami Chakrabarti, Geschäftsführerin der Organisation Liberty, sich mehr mit den Problemen der Redefreiheit zu beschäftigen als mit deren Nutzen. So sprach sie einmal davon, man müsse „Gewissens-, Meinungs-, Religions- und Redefreiheit respektieren, aber innerhalb angemessener Grenzen, die zum Schutz anderer notwendig sind.“ [2] Kein Wunder, dass sie später als Expertin am Leveson-Bericht mitwirkte, der 2012 als Reaktion auf die News-International-Affäre erstellt wurde. Dessen Empfehlungen zur Medienregulierung würden, falls sie umgesetzt werden, die Pressefreiheit zermalmen.

Aus dem Englischen von Norman Stahl
Tim Black ist stellvertretender Chefredakteur des britischen Novo-Partnermagazins Spiked, wo der Artikel unter dem Titel „Yes, freedom of speech should be absolute“ zuerst erschienen ist.

http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/0001664

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The Conversation, 21 January 2015
How fear of offending has trumped freedom of speech among today’s young people

One of the many debates generated by the recent terrorist attacks in Paris has been centred on the different ways that older and younger generations understand and support the concept of free speech. In…

What does free speech mean for today’s young generation? Stefan Rousseau/PA Wire

One of the many debates generated by the recent terrorist attacks in Paris has been centred on the different ways that older and younger generations understand and support the concept of free speech.

In a recent article headlined: “We may be Charlie but our children are not”, Times journalist Alice Thomson observed that the young generation are: “far more racially and culturally sensitive than mine ever was” and while they may “wear the T-shirt in solidarity with the victims”, they recoil from imagery that they instinctively perceive as offensive.

This is particularly the case at universities, where all manner of speech and imagery finds itself banned – sometimes amid a huff of offended protest. This has become more routine now, because causing offence is deemed to be “unsafe”.

Touchy subject

Thomson pointed out that today’s pupils are very different from the radicals of the 1960s who ran Charlie Hebdo. While “the older generation came of age in the Cold War and wanted to reassert the rights of the individual in a world divided between capitalism and communism”, she argued, the kids of today have spent their formative years schooled in hyper-sensitivity to the problem of causing offence.

In this context, “free speech” seems to take on a different meaning. Young people today often feel that you can have the freedom to hold your own views and beliefs, but that it is very bad for people to try to impose their beliefs upon you. You should be very wary of expressing your views and beliefs, in case these are perceived as an attack by people who think differently. And you should feel mortally wounded if anyone criticises what you say about yourself.

This is a paradoxical freedom of speech: a value that is sincerely held, but only so long as nobody says anything critical or controversial.

How have we got here?

Thomson is right to point to the 1960s as a time where freedom of expression was held in particular regard by a section of young people – often known, in shorthand, as “radical youth”. These young people were frustrated both by the stultifying social conventions of their own post-war societies and the outright repression manifested by the Communist alternative in Eastern Europe. At home, publications such as Lady Chatterley’s Lover and Oz magazine were put on trial for obscenity and became national causes célèbre. In the Soviet Union, dissident writers were sent to gulags.

Oz editors Felix Dennis, Richard Neville and James Anderson were put on trial for obscenity. PA/PA Archive

Radical youth rallied around freedom of speech as part of an idealistic commitment to a more modern, tolerant world. The enemy lay within old-fashioned sexual, racial, and social conventions; offending against those conventions was not only the way to make a point about freedom, but the point itself. The dream was a society in which people could express their own beliefs and, more generally, “be themselves”.

Generation X

By the 1990s, when I was an undergraduate, we were pretty much living that dream. Racial diversity was embraced, openness about sex and sexuality was practically mandatory, and we tolerated other faiths as easily as we tolerated other hairstyles. But this was Generation X, forged not in an idealistic commitment to the future, but in a culture of defeat. The only thing students could agree on was that any threat to the “non-judgmentalism” that characterised debate at the time had to be banned, no-platformed and chased off campus.

Fascists, extremist Islamist groups, the Sun newspaper, “homophobic” Christian groups, logos for coffee shops and even “free speech” societies found themselves banned during the 1990s. Those of us who stuck up for freedom of speech ended up pitted against an implacable logic that was, to our generation of students, common sense. If you want a tolerant society, went the argument, you have to suppress intolerant ideas. In this perspective, freedom of speech was only possible if dangerous ideas were prevented from taking hold. And since nobody else had very much to say, the radical censors normally had their way.

Criticism avoided

Young people now, on campuses and elsewhere, seem more open-minded than Generation X. They certainly have more to say for themselves – and to more people. The ubiquity of social media means that the ability to use words and images in a public forum is sincerely cherished. From toddlerhood, young people have been encouraged to express themselves, develop their identity, and take part in discussions about the world in which they live. But the self-expression that is encouraged is a rather fragile one, which only works so long as nobody criticises it.

It’s not that the Baby Boomers are better. The notion that tolerance means refusal to judge people for their differences goes back to the 1960s, after all. And this has been an important component in today’s uneasy sense that a tolerant society should be one in which offence is simply avoided. Somewhere along the line, the other side to the case for freedom of expression got lost.

Where self-expression is prized, the right of others to express themselves in ways that seem threatening or offensive has to be valued too. So does the right of people to criticise, satirise, or ridicule their own self-expression, something that really is anathema to generations for whom bad ideas are dangerous and self-esteem is all-important.

So we need to upset people and argue things out. Otherwise we’re not really talking about self-expression, or freedom of speech, at all. We’re playing within a set of social conventions that are every bit as backward and stultifying as those that would have banned a novel in case it fell into the hands of your “wife or servant”.

http://theconversation.com/how-fear-of-offending-has-trumped-freedom-of-speech-among-todays-young-people-36392

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This fundamental liberty shouldn’t be killed with qualifications.

magine if the Founding Fathers had conceived of liberty and freedom in contemporary terms, as problems to be managed, as sources of risk and harm. Imagine if Thomas Jefferson had penned the Declaration of Independence now, with the assertion that life, liberty and the pursuit of happiness were inalienable rights coupled with the get-out ‘except when said pursuit causes ill health’. Imagine if the American Constitution and, subsequently, the Bill of Rights had been drawn up today, complete with a set of sub-claused qualifications and caveats about offending people on grounds of race or religion. As for the First Amendment, so crystalline in its protection of free speech and press freedom, it just could not have been formulated today in the way that it was. ‘Congress’, it runs, ‘shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.’

It doesn’t say ‘Congress shall make no law abridging freedom of speech except when a person uses threatening, abusive or insulting words likely to stir up hatred’. It doesn’t say ‘Congress shall make no law abridging freedom of speech except when it is necessary to protect health or morals, or the reputation or rights of others’. In short, it doesn’t contain caveats or exceptions. In the eyes of the Founding Fathers, people’s freedom to think what they choose to think, to believe what they choose to believe, and to say what they want to, was absolute – it brooked no compromise.

And why were there none of the exceptions, or the caveats, or the famous ‘limits’ to free speech that we’d no doubt find if a Bill of Rights was drawn up to today? Because, quite simply, freedom of thought and speech was seen as something too important to be bounded or qualified. It wasn’t that someone like Thomas Jefferson, or Tom Paine, or Voltaire, not to mention the many others who breathed in the radical, liberty-thirsting air of the time, were unaware of malicious speech, or abusive speech, or even just plain idiotic speech. Not everyone was dead smart during the Age of Enlightenment. It’s just that at that moment freedom, and free speech, was seen in its positive aspect, as something that benefitted humankind, a principle that prevented a government from slipping towards tyranny, that allowed the ‘better angels of our nature’ to flourish, that aided the pursuit of truth. See, for instance, Madison’s criticisms of the Alien and Sedition Acts in 1800 in which he drew on the First Amendment to defend the press’s right to be ‘seditious’, and made a case for ‘the intent to excite… unfavourable sentiments against those who administer the government’. For Madison, then, the freedom to lambast public figures, to excite others’ antagonism towards those figures – something that today would be classed as ‘incitement to hatred’ – was far more important than protecting those figures from emotional harm. The emphasis always fell on freedom of speech, and never its restriction.

Today, the Founding Fathers, and later the likes of John Stuart Mill, whose defence of free speech was, at points, equally as stalwart as his liberal predecessors across the pond, are implicitly assumed to have underestimated the harm in free speech. They were naive; they didn’t know what we know now; namely, that freedom of speech is never absolute, that there must be limits.

Just think of the number of people who proclaim their support for free speech before reeling off a list of reasons why its exercise must be limited. In the UK, for instance, the head of civil-liberties group Liberty, Shami Chakrabarti, is seemingly more concerned with the problems of free speech than its benefits – hence she once talked of ‘respecting freedom of conscience, thought and religion and free speech within such proportionate limits as are necessary to protect others’. Little wonder she ended up sat on the ‘panel of experts’ at the press-freedom-quashing Leveson Inquiry.

Or take an even more prominent example: article 10 of the European Convention on Human Rights. ‘Everyone has the right to freedom of expression’, it says, before stating that this freedom ‘may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary’. Whatever this ‘fundamental right’ is, given the volume of restrictions on it, it is not freedom of speech in any true sense; rather, it’s speech within given limits.

Indeed, it’s very difficult to find anyone who will defend free speech as an absolute. Sure, virtually every figure in public life will say they support free speech, but that’s usually just a prelude to a statement saying why it must be limited.

Of course, if you defend freedom of speech absolutely, this does not mean defending the freedom to commit perjury, for instance. That’s an act which undermines the principles of a justice system and makes it unworkable – there is no freedom to lie under oath. Likewise, telling someone to kill someone, while pressing a gun into the palm of their hand, is not an act of free speech; it’s incitement to murder. Incredible as it might seem, it is possible to defend free speech absolutely without defending perjury or incitement to murder (clue: these are not issues of free speech). Hence the architects of the Bill or Rights felt no need to add in caveats to that effect – because neither they nor the citizens they represented were idiots.

But the majority of those who accompany their profession of support for free speech with a whole raft of anti-free-speech qualifications do so for subtler reasons. They emphasise the harm that speech can do. They talk, as one columnist did recently, of ‘issues of security and personal safety, of the value of truth and honesty, the need to treat others with respect’. Or, as another columnist did, they warn of the dangerous influence of certain speech: ‘The fractional loss of liberty entailed in penalising the expression of neo-Nazi views or Holocaust denial seems a small price to pay compared to what can follow if the far right is shielded all the way into power.’

What becomes clear is that all those who determinedly qualify freedom out of speech don’t really believe in free speech at all. They pose as reasonable and moderate. And they act as if their worries over unfettered free speech are born of a concern for others. But in reality, their problem is that they can only see freedom of speech in negative terms, as something that can cause harm or damage. Which is another way of saying that they see the freedom of other people, their freedom to think and speak for themselves, as a problem, as a source of potential harm. Their putative concern for the welfare of people, then, is really a profound mistrust of people – we’re not deemed capable of handling free speech, and the hustle and sometimes abusive bustle of public life. This is what sets the contemporary pseudo advocacy of free speech, complete with qualifications and caveats, apart from a real belief in free speech of the type that animated the authors of the First Amendment. The Founding Fathers had faith in people’s capacity to act and think for themselves; that is singularly absent today.

Tim Black is deputy editor of spiked.

http://www.spiked-online.com/freespeechnow/fsn_article/yes-freedom-of-speech-should-

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Peter Schmidt, Präsident des DAV

www.deutscherarbeitgeberverband.de/

Einfallspinsel = Ausfallspinsel
Staat, Medien und die bildungsfernen Schichten

„Wissen ist Macht. Wir wissen nichts. Macht nichts“ hieß es zu Zeiten der 68er. Wie sollte auch jemand – der auf endlosen Hearings, Demos und Wohngemeinschaftssitzungen bis zur Erschöpfung am neuen Menschen modellierte – noch Zeit zu einem sinnvollen Studium, einer fundierten Ausbildung, finden? Wer so selbstlos all seine Lebenskraft in die Zerstörung von Staat und Kapital investierte, hatte am Ende besseres verdient als Maloche und Leistungsdruck.

Da auch für diese Generation die Zeit kam, nach einem geregelten Lebensunterhalt Ausschau zu halten – auch wenn weder Lust auf Arbeit vorlag noch für die Wirtschaft nützliches Wissen, war Phantasie gefragt. Die Lösung: „Der lange Marsch durch die Institutionen“. Die Helden und Heldinnen langjähriger Straßenkämpfe und sexueller Experimente ließen sich ermattet nieder als Lehrer, Verwaltungsangestellte, Beamte, Journalisten, machten was „in Medien“. Oder entzogen sich als „Kulturarbeiter“ gleich völlig dem unzumutbaren Druck regelmäßiger Arbeitszeiten.

Eine ungeheure Masse an Menschen, oft mittelmäßigsten Ausbildungsstandes, fanden nun ihr Auskommen in Politik, öffentlicher  Verwaltung, beim Fernsehen, Rundfunk, in Printmedien und, zu Tausenden, im Kultursektor.

Hans-Magnus Enzensberger hat das Mittelmäßige dieser bildungsfernen Schichten in schönen Sprachbildern  anschaulich gemacht:

„Ich fasse mich kurz und rekapituliere nur ein paar typische Fälle aus diesem unerschöpflichen Repertoire. .. der Referendar am Kammergericht, der immer diese Schwierigkeiten mit den Fremdwörtern hat. Er verwechselt »Diffamierung« mit »Diskriminierung« und »Diagramm« mit »Piktogramm«, und aus irgendeinem Grund sagt er jedesmal »Revelanz«, wenn er »Relevanz« meint. Er kann gar nicht begreifen, warum das den Vorsitzenden Richter derartig irritiert. »Ich kann schließlich«, meint er, »nicht andauernd mit dem Duden unter dem Arm herumlaufen.« Daran ist etwas Wahres.

Ganz zu schweigen von der Bewerberin, die sich in einer Galerie vorstellt, auf ein abgeschlossenes Kunstgeschichte-Studium verweisen kann, aber fest davon überzeugt ist, daß Leonardo und Goya »ungefähr zur gleichen Zeit« gelebt haben, und die sich verblüfft darüber zeigt, daß der Galerist wegen lächerlicher dreihundert Jahre Unterschied »einen solchen Terror macht»; von dem äußerst erfolgreichen, sechsunddreißigjährigen jungen Autor, Jungdramatiker und Jungfilmer, den die Kritiker für ein Genie halten, weil ihm die deutsche Syntax vollkommen fremd ist, und weil er überhaupt mit den Füßen schreibt; von dem kaufmännischen Lehrling, der sich außerstande sieht, eine Dreisatzaufgabe zu lösen, und der eine vorgedruckte Tabelle oder einen Taschenrechner braucht, um die Mehrwertsteuer » auszuwerfen « ; und von einer Million ähnlicher Problemfälle, aus denen Sachbearbeiter und Personalchefs inzwischen einen bunten, aber monoton gemusterten Sagenteppich gewoben haben, eine kulturelle Landkarte der Bundesrepublik im Maßstab eins zu eins, auf der in immer neuen Abwandlungen immer dasselbe zu sehen ist: Unfähigkeit, Analphabetentum und Ignoranz.“ (Enzensberger: „Über die Ignoranz“)

Alimentiert saß nun dieses Mittelmaß am Drücker: im Kulturamt, im Bauamt, am Katheder von Schule und Universität, in den großen und kleinen Zeitungen dieser Republik, machten Regietheater und besetzten die Redaktionen der Funk- und Fernsehhäuser.

Ähnlich Kindern, die mit neuem Spielzeug experimentieren, staunten sie über die vielen Kontrollhebel, unbeschwert von störenden Kenntnissen und beseelt vom eigenen Sendungsbewusstsein, die Welt nun endlich „ein Stückweit“ besser machen zu können.  Nach jahrelangem Studium etwa der „Vergleichenden Erziehungswissenschaften Deutsch-Türkisch“ dann „was Praktisches“ zu machen – kompetente Artikel zu Atomkraft oder Feinstaubbelastungen schreiben oder sogar im Stadtrat den örtlichen Gewerbetreibenden mal so richtig die Grenzen setzen zu können – wer wäre da nicht in heiteren Zukunftsoptimismus verfallen.

Noch ganz im frischen Bewusstsein der Erfahrungen aus Kommune und Kinderladen, der Arbeit am „Bewusstsein“ und der zügellosen Experimente zur Befreiung der kindlichen Sexualität wurde zu deren erster Großbaustelle das deutsche Bildungssystem. Von verlässlichen Vorbildern inspiriert – Stalin, Mao, Pol Pot oder auch dem Mordgesellen Che – unter deren Herrschaft jedem, der 3 und 3 in einem Zielkorridor zwischen 5 und 7 einordnen konnte, als reaktionärem Intellektuellen das Lager drohte – wurde nun das deutsche Bildungssystem „modernisiert“.

Konsequent orientiert an der eigenen Vorliebe zur Leistungs- und Bildungsverweigerung wurde der verbindliche gesellschaftliche Maßstab bei allen Veränderungen von nun an der jeweils niedrigste Ausgangspunkt.

An ihren neuesten Erfolgen zur Sexualisierung des Schulunterrichts in den deutschen Ländern, dem kindlichen Erlernen des Umgangs mit Dildo und Lederpeitsche statt mit Bunsenbrenner und Dampfmaschine, kann man gut beobachten, wie diese Triebtäter immer wieder zum Ausgangspunkt Ihrer Begierden und Obsessionen zurückkehren.

Meter um Meter haben diese bildungsfernen Schichten inzwischen die Gesellschaft umgepflügt, kein Stein der Erkenntnis blieb mehr auf dem anderen. Die europäische Aufklärung, sapere aude, der ungestüme Wunsch nach Erkenntnis und wissenschaftlichem Fortschritt  wurde von tiefer Technik- und Fortschrittsabneigung und  naturreligiöser Weltsicht ersetzt.

Wissen ist von den bildungsfernen Schichten konsequent ersetzt worden durch Glauben und Angst, das kleine Latinum durch das große Moralium abgelöst, und leider hat auch die 50 Jahre währende Umerziehung „der Massen“ Früchte getragen. Die Schweigespirale tut ein Übrigens, weshalb sich der deutsche Michel auch die Nachtmütze tief über die Ohren gezogen hat und fortan, trotz allem Widerwillen, den grünen Frosch küsst, der aber partout kein Prinz werden will sondern weiter quakt und Sumpfbewohner bleibt. So leben trotzdem alle glücklich bis ans Ende aller Zahltage.

Glücklich – und sehr auskömmlich, muss man hinzufügen.

Denn viele Mitglieder der bildungsfernen Schichten haben es bis in den Bundestag und die deutschen Landtage geschafft. Nach 15, 20 Semestern Studium, nicht selten ohne Abschluss, nach „Arbeit“ in steuersubventionierten „Initiativen“ und Kampagnen zur Niederringung des verachteten Systems,  ist man spätestens mit Fischer 1985 an der Spitze der Geldverteilungsmaschine angekommen.

Die deutsche Variante des chinesischen „großen Sprungs nach vorn“, die Deindustrialisierung eines der modernsten und erfolgreichsten Industrieländer der Erde, schreitet mit Riesenschritten voran. Energie, Chemie, Physik, Elektrochemie, Biologie – alles steht unter dem Betroffenheitsvorbehalt der Bildungsfernen. Arbeitsplätze entstehen vor allem in den Kontrollzentren: 9.000 neue Zöllner sind im Gespräch zum Beispiel durch dilettierende, aber vorsätzliche, Gesetzgebungen. Sogar die Flüchtlingsfrage wird, wie gerade zu lesen war, zum „Jobmotor“. Sage und schreibe 6.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Und wo? Sie haben es erraten, nicht dort, wo Steuern erwirtschaftet werden. Wer diesen „Jobmotor“ für leise Ironie hält, vergisst, dass auch Humor etwas mit Bildung zu tun hat.

Eine schier endlose Zahl von Betreuungs- und Kontrolljobs ist entstanden, der Staatapparat zum Platzen aufgebläht mit Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, Mobbingschutz, Flüchtlings-, Migranten und Armutsindustrie, Genderkomikern und natürlich Sozialarbeitern, Sozialarbeitern, Sozialarbeitern.

Am Leben gehalten und befeuert wird diese Nomenklatura von den alten und neuen Seilschaften  – den ebenfalls oft maximal bildungsfernen Kultur- und Medienarbeitern. Gerne auch „Kulturschaffende“ genannt.

Woran die größten Geister seit Leonardo da Vinci gescheitert waren, gemeinsam haben sie es geschafft: das Perpetuum mobile. Die sich selbst erhaltende Macht- und Einkommensmaschine.

Schauspieler, Schriftsteller, Modemacher, Strassenkämpfer, Bombenleger und besonders gerne Aussteiger dürfen sich in endlosen Talkrunden und Interviews als Experten an den großen Welterklärungen versuchen. Menschen, die Lohnarbeit nur aus Sekundärliteratur oder aus Gesprächen mit Betroffenen kennen und die mit „Markt“ nichts assoziieren als eine Leistungsschau des Biobauern. Nur wer völlig unbeleckt ist von jedem Funken wirtschaftlicher und naturwissenschaftlicher Bildung und zudem über eine, dem Normalmenschen völlig fremde, Selbstüberschätzung verfügt, übernimmt diese Rolle gerne und mit Sendungsbewusstsein.

Wenn dann große Teile der  „Betroffenheit und Angst“ verursachenden Industrie das Land verlassen hat und der Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen nicht mehr von den Dilettanten aufzuhalten ist, was soll es – es wird trotz allem keine Kehrtwende geben. Denn Dummheit hat zwei enge Begleiter: Verantwortungslosigkeit und die Befreiung von Selbstzweifeln. Auch der Kommunismus in seinem Endstadium neigte nie zur Infragestellung seiner Visionen und Umsetzungsmodelle. Am Ende, die Geschichte hat es gezeigt, werden immer andere dafür zahlen und einstehen.

Und unser bildungsferner Zeitgeist operiert ja heute schon nicht anders als die historischen Vorbilder:

Frage an Radio Eriwan: „Stimmt es, dass in den USA jeder Bürger ein Auto hat?“
„Im Prinzip ja, aber bei uns hat dafür jeder einen Parkplatz“

http://www.deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/2015_08_10_dav_aktuelles_mittelmass.html

line-wordpress

Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

Psychoanalytische Arbeitsstation

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!

Be patient, work hard, follow your passions, take chances and don’t be afraid to fail.
I think for food

molon labe

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Dummheit äußert sich heute als empörter Moralismus.

Liebe: nur bestenfalls eine Mutter akzeptiert ihr Kind, so wie es ist, ansonsten muß man Erwartungen anderer erfüllen, um akzeptiert zu werden.

Früher galt als mutig, wer ein Revolutionär war, heute reicht es schon, wenn einer seine Meinung behält.

“Jeder fünfte Bewohner des Westjordanlandes ist ein israelischer Siedler”, greint die Generaldelegation Palästinas heute auf ihrer Homepage.
Und jeder fünfte Bewohner Israels ist ein palästinensischer Araber.
So what?

Werte ohne Einfühlungsvermögen sind nichts wert.

Manche Menschen fühlen physischen Schmerz, wenn sie ihre gewohnten Vorstellungen zugunsten der Realität korrigieren sollen, sie wenden ihre gesamte Intelligenz mit Unterstützung ihrer Agressivität auf, um die Realität nicht zu erkennen und ihr Selbstbild unverändert beizubehalten.

Immer mehr fühlen, immer weniger denken – Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht durch Gefühle, denn Säugetiere haben die gleichen Gefühle, wie der Mensch: Trauer, Angst, Wut, Liebe, sondern durch sein Denken. Wenn er denkt, falls er denkt.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

„Sagen Sie meiner Mutter nicht, daß ich in der Werbung arbeite. Sie denkt, ich bin Pianist in einem Bordell.“ – Jacques Seguela

BILD: FAZ für Hauptschüler

Wer „ich will frei sein“ sagt, und es sagen viele, der ist ein Idiot. Denn das höchste was der Mensch als Freiheit haben kann, ist die Freiheit, seine Pflicht frei zu wählen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Nonkonformistische Attitüde und affirmative Inhalte – einer Kombination, die schon immer die linksdeutsche Ideologie gekennzeichnet hat. – Stephan Grigat

Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein soziales Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein soziales Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .

Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.

„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.

Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären Staat.

„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die

vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das

lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die

Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße

Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der

vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision

endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,

ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)

„Historische Wahrheit wird nach dem Modell von Meinungsumfragen vorgestellt;

kein Sample jedoch wird je repräsentativ genug sein,

um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.

Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der

Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu

scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der

allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn

Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.

 Der Himmel, wenn er sich schon öffnet, zitiert sich am liebsten selbst. 

Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Aus Deutschland erreicht mich „tiefe Sorge um den Friedensprozess“. Vorsicht: Wo ist es im Nahen und Mittleren Osten derzeit so friedlich und vergleichsweise gewaltarm wie in Israel? Wo leben Araber derzeit sicherer als in Israel? Wo haben sie besseren Zugang zu Bildung, Arbeit, Konsum und medizinischer Versorgung? – Götz Aly

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten. Es sind Sozio-, Pädago- und Psychokratien, Rackets, die Erkenntnis nicht fördern, sondern verhindern.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

Deutschland gestern: der Wille zur Macht.
Deutschland heute: der Wille zur Verblendung.
Deutschland morgen: 德國

Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.

Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.

Smart phones for stupid people.

Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.

Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?

Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.

Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.

Islamisierung bedeutet Verblödung.

…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)

Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es  muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann. (…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat  die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte.  (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit.  (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7)  (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert.  (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann

„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer

„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
„Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus.  (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind. Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann

„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit.
Am Schluss Gleichmacherei.
Ihr seid aber nicht alle gleich.
Noch nie wart ihr alle gleich.
Ihr lasst es euch aber einreden.
So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander.
Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben.
Weil ihr tatsächlich alles verwechselt.
Behauptungen mit Beweisen.
Gerechtigkeit mit Maß.
Religion mit Moral.
Desinteresse mit Toleranz.
Satire mit Häme.
Reform mit Veränderung.
Nachrichten mit Wirklichkeit.
Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung.
Ihr habt die Maßstäbe verloren.
Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.

Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …

Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen.
Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf.
Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln.
Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken.
Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.

Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch.
Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“– Hans Dieter Hüsch

Es gibt zweierlei Ethik: die moralische, der die Realität egal ist und die der Verantwortung, die reale Folgen der ethischen Forderungen berücksichtigt. Die erste ist gut gemeint, die zweite ist gut gemacht.

Was dem einen seine Souveränität, ist dem anderen seine Eigenmächtigkeit.

Das Schöne am Euro war, dass die Gewinner immerzu gewinnen konnten, ohne dass ihnen gleich die Quittung präsentiert wurde. Denn sie verdienen ja am Ausland, was heißt, eigentlich ein im Maße des Verdienens zunehmend schlechtes Geld – das ist durch den Euro aufgehoben worden: Man konnte ständig an einer anderen Nation verdienen, ohne dass das Geld dieser Nation darunter gelitten hat, weil sie gar kein eigenes hat. Der Wert dieses Geldes repräsentiert nicht die Leistungsfähigkeit dieser Nation. So hat der Euro von dem innereuropäischen Verdienen aneinander sogar noch gelebt; er hat vor der Krise absurderweise nur den Konkurrenzerfolg der Gewinner repräsentiert.

— Das ist ja mit der Idylle charakterisiert. Dass zunächst mal alle Seiten Gewinner des neu eingeführten Euro waren. Auch die, die ihre vergleichsweise Weichwährung gegen den Euro getauscht haben und damit auf einen Schlag Kredit zu ganz anderen Konditionen und Möglichkeiten hatten. Insofern waren die späteren Verlierer erst mal auch Gewinner.

Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)

Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an. Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand: Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –

 Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus. Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS

„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl

„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)

„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“  – Max Horkheimer

 

„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten

Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.

„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht

Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.

„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch­ sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk

„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk

„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno

„Ich bin eine Feministin. Das bedeutet, daß ich extrem stark behaart bin und daß und ich alle Männer haße, sowohl einzelne als auch alle zusammen, ohne Ausnahmen.“Bridget Christie

„Die Tragödie isolierter persönlicher Leidenschaften ist für unsere Zeit zu fade. Aber weshalb? Weil wir in einer Epoche der sozialen Leidenschaften leben. Die Tragödie unserer Epoche ist der Zusammenstoß der Persönlichkeit mit dem Kollektiv.“ –  LeoTrotzki 1923

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Stupidity manifests itself as outraged moralism

Love: only, and not always, a mother loves her child, just as it is, otherwise you have to meet the expectations of others, to be accepted.

Values without empathy are worth nothing

Some people feel physical pain when they should correct their accustomed ideas in favor of reality, they turn all their intelligence with the support of their aggression, for not to recognize the reality and maintain their self-image

More and more feel, think less and less Man does not differ from animals by feelings, because mammals have the same feelings, like man, sadness, fear, anger, love, but by his thought. When he thinks, if he thinks.

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

They are the same who claim the sex/gender would not be biologically innate, but only a social construct, and at the same time that homosexuality was not a social construct, but biologically innate.

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

„There are two things,“ said Hitler in 1923, „which can unite people: common ideals and common crime“

After the violent termination of Murder by the Allies were the German (and have remained so to this day) more german than before.

The depraved human creature, the more she feels insulted, disrespected, offended in their honor.

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

Heroes of today know nothing, can not and do not want anything. They just look like heroes, that’s all.

It may be that early fathers ate their children. Today, the mothers will eat anything, fathers, children and the rest. Everything Mommy, anyway!

Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow:

German psychoanalysis? Great, like German charm, German humor and German wit.

The resistance starts with its own language other than that of the dictatorship.

Smart phones for stupid people.

A leftist can, but do not have to be stupid.

If you do not blame states, when they commit suicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149 dead?

Only the purity of the means justify the end.

A German is a person who can speak no lie, without actually believe Adorno

„Reason and rationality are chance-less than ever in this totally mediatised world. An unpleasant type Sniperterrorized society. His current weapon: The phobia accusation.“ – Bettina Röhl
„A Shitstorm has also its positive side. As politically correct manure it is usually thrown in the direction of originality, creativity and intelligence, she flies often to people who are really worth to read.“ Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out,  only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
PostPop era: the triumph of fashion over the morals.
„We need damaged buildings, so you can see through their cracked walls to win at least one viewpoint to start to begin to think. Victor Tausk
„What good is health if you are an idiot then?“ – Theodor Adorno
„What one must be judged by, scholar or no, is not particularised knowledge but one’s total harvest of thinking, feeling, living and observing human beings.“ (…) „While the practice of poetry need not in itself confer wisdom or accumulate knowledge, it ought at least to train the mind in one habit of universal value: that of analysing the meanings of words: of those that one employs oneself, as well as the words of others. (…) what we have is not democracy, but financial oligarchy. (…) Mr. Christopher Dawson considers that “what the non-dictatorial States stand for today is not Liberalism but Democracy,” and goes on to foretell the advent in these States of a kind of totalitarian democracy. I agree with his prediction. (…) That Liberalism is something which tends to release energy rather than accumulate it, to relax, rather than to fortify. (…) A good prose cannot be written by a people without convictions. (..) The fundamental objection to fascist doctrine, the one which we conceal from ourselves because it might condemn ourselves as well, is that it is pagan. (..) The tendency of unlimited industrialism is to create bodies of men and women—of all classes—detached from tradition, alienated from religion and susceptible to mass suggestion: in other words, a mob. And a mob will be no less a mob if it is well fed, well clothed, well housed, and well disciplined. (…) The rulers and would-be rulers of modern states may be divided into three kinds, in a classification which cuts across the division of fascism, communism and democracy. (…) Our preoccupation with foreign politics during the last few years has induced a surface complacency rather than a consistent attempt at self-examination of conscience. (…) What is more depressing still is the thought that only fear or jealousy of foreign success can alarm us about the health of our own nation; that only through this anxiety can we see such things as depopulation, malnutrition, moral deterioration, the decay of agriculture, as evils at all. And what is worst of all is to advocate Christianity, not because it is true, but because it might be beneficial. (…) To justify Christianity because it provides a foundation of morality, instead of showing the necessity of Christian morality from the truth of Christianity, is a very dangerous inversion; and we may reflect, that a good deal of the attention of totalitarian states has been devoted, with a steadiness of purpose not always found in democracies, to providing their national life with a foundation of morality—the wrong kind perhaps, but a good deal more of it. It is not enthusiasm, but dogma, that differentiates a Christian from a pagan society.“ (…)  It would perhaps be more natural, as well as in better conformity with the Will of God, if there were more celibates and if those who were married had larger families. (…) We are being made aware that the organisation of society on the principle of private profit, as well as public destruction, is leading both to the deformation of humanity by unregulated industrialism, and to the exhaustion of natural resources, and that a good deal of our material progress is a progress for which succeeding generations may have to pay dearly. I need only mention, as an instance now very much before the public eye, the results of “soil-erosion”—the exploitation of the earth, on a vast scale for two generations, for commercial profit: immediate benefits leading to dearth and desert. I would not have it thought that I condemn a society because of its material ruin, for that would be to make its material success a sufficient test of its excellence; I mean only that a wrong attitude towards nature implies, somewhere, a wrong attitude towards God, and that the consequence is an inevitable doom. For a long enough time we have believed in nothing but the values arising in a mechanised, commercialised, urbanised way of life: it would be as well for us to face the permanent conditions upon which God allows us to live upon this planet. And without sentimentalising the life of the savage, we might practise the humility to observe, in some of the societies upon which we look down as primitive or backward, the operation of a social-religious-artistic complex which we should emulate upon a higher plane. We have been accustomed to regard “progress” as always integral; and have yet to learn that it is only by an effort and a discipline, greater than society has yet seen the need of imposing upon itself, that material knowledge and power is gained without loss of spiritual knowledge and power. “ – T.S.Eliot
“I am a feminist. All this means is that I am extremely hairy and hate all men, both as individuals and collectively, with no exceptions.” – Bridget Christie

Raubtiersozialismus: Der Verstand schafft sich ab.

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„Durch die Suche nach Halt im Sturz nach vorn entsteht das Paradies der Überregulierung. (…) In der  überlegitimierten Gesellschaft kann es keine Fehler mehr geben, sondern nur Sabotagen. Zweite Meinungen sind nicht mehr vorstellbar, nur konterrevolutionäre Pläne. Auch freie Zusammenkünfte sind nicht plausibel, nur noch Verschwörungen. Ein Animismus zweiten Grades durchdringt die revolutionäre Logik: Aus ihrer Sicht sind neutrale Ereignisse inexistent, sie sind vielmehr allesamt Taten von agierenden Subjekten. Es gibt keine objektiven Schwierigkeiten, sondern allein die Wirkungen eines feindlichen Willens. Wichtiger als die Lösung von Problemen wird die Frage, wer an ihrem Auftreten schuld sei – weswegen sich jeder Problem-Melder in Lebensgefahr begibt. “  Peter Sloterdijk Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“

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Schweiz: Drogenmillionär lebte von Fürsorge | Die Weltwoche, Ausgabe 16/2015

Der Nigerianer J. M., einst unter falschem Namen als Asylbewerber in die Schweiz eingereist, handelte mit kiloweise Kokain. Daneben bezog er jahrelang Sozialhilfe. In seiner Heimat besass er Luxusimmobilien. Nur durch Zufall flog der Betrug auf.

Von Philipp Gut

Die Sozialhilfe ist bloss das Taschengeld.Bild: Bildmontage Weltwoche (Vorlage: Getty Images, Image Source)

J. M. kam vor rund zehn Jahren als Asylbewerber in die Schweiz. Bald begann er als Kleindealer in den Gassen einer mittelgrossen Schweizer Stadt sein Geld zu verdienen. Mit seiner Laufbahn ging es rasch aufwärts, auch sein Aufenthaltsstatus verbesserte sich. J. M., damals Mitte zwanzig, heiratete eine Prostituierte. Die gebürtige Thailänderin war zwar dreissig Jahre älter als er, aber sie besass einen Schweizer Pass. So erhielt J. M. eine sogenannte B-Bewilligung, also eine Aufenthaltsgenehmigung für Bürger aus Drittstaaten. Eine offizielle Erwerbstätigkeit ist nicht Voraussetzung für den Erhalt eines solchen Titels.

Um die B-Bewilligung zu bekommen, musste J. M. seinen Pass hinterlegen, wobei es sich herausstellte, dass er ursprünglich mit falschen Papieren und unter einem Fantasienamen in die Schweiz eingereist war. Konsequenzen hatte das nicht, im Gegenteil. Ausgestattet mit der B-Bewilligung, baute der Nigerianer seine Dealerkarriere zügig aus. Ums Jahr 2009 geriet J. M. in den Fokus der Kriminalpolizei. Die Ermittlungen zeigten, dass er Kokainhandel im gros­sen Stil betrieb. Er galt als der grosse Koksdealer der Stadt und trat unter vielen verschiedenen Identitäten auf. Die Polizei fand auch heraus, dass der ­Nigerianer in seiner Heimat Luxus­immobilien mit Wohnungen und einem Laden besass, die er vermietete.

Zahlungen sogar im Gefängnis

2011 wurde J. M. rechtskräftig verurteilt, für Verbrechen gegen das Betäubungsmittel­gesetz, namentlich Handel im Mehrkilobereich mit Kokain, und zusätzlich Geldwäscherei. Nach Abzug der Untersuchungshaft musste er zwei Jahre ins Gefängnis.

Das ist die eine Seite des Falls: die Falschaussagen und gefälschten Papiere im Asylverfahren, die mutmassliche Scheinehe zur Erlangung der Aufenthaltsbewilligung und die Laufbahn als Drogenhändler. Doch J. M. war nicht nur ein Fall für die Migrationsbehörden sowie für Polizei und Justiz, er ist auch ein ­Sozialfall. Mehrere Jahre lang bezog er Für­sorge, wie übrigens auch seine thailändisch-schweizerische Ehefrau.

Die übertriebene Auslegung des Datenschutzes verhinderte, dass die Sozialbehörde über die Erkenntnisse der Ermittler und das Gerichtsurteil informiert wurde. Dass der ­Sozialhilfebezüger J. M. gleichzeitig ein erfolgreicher Drogenkrimineller war, hohe illegale Einkünfte erzielte und in Nigeria eine Zwanzig-Zimmer-Villa sowie eine Eigentumswohnung samt Laden besass, erfuhr das Sozialamt nur durch Zufall. Es stoppte zwar die Zahlung der Fürsorgegelder, aber viel zu spät. Denn es bezahlte auch dann noch eine Zeitlang munter weiter, als J. M. im Gefängnis sass und nur schon deshalb gar keinen Anspruch mehr auf die Leistungen gehabt hätte.

Nach seiner Haftentlassung scheute sich J. M. nicht, erneut beim Sozialamt vorstellig zu werden und wieder Fürsorgeleistungen zu beantragen, als hätte er nie solche erschlichen und als hätte er nie illegale Einkünfte erzielt, die er verschwieg. J. M. kannte den Schweizer Rechts- und Sozialstaat genau. Er wusste, dass seine kriminelle Vergangenheit keine Grundlage bildete, um ihn von neuerlichen Sozialhilfebezügen auszuschliessen. Im konkreten Fall wurde der Antrag zwar abgewiesen, weil J. M. gemäss den Gerichtsakten über umfangreiche finanzielle Mittel in der Heimat verfügte.

Bei Bedarf kann der Abgewiesene aber Nothilfe geltend machen (300 Franken pro Monat). Und es steht ihm auch in Zukunft jederzeit frei, ein weiteres Gesuch um Sozialhilfe einzureichen. Wenn er glaubhaft geltend machen kann, dass er mittellos sei, muss das Gesuch erneut geprüft werden. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass J. M. dereinst wieder Fürsorgegelder vom Schweizer Staat beziehen wird.

Auch ausländerrechtlich braucht der Nige­rianer kaum etwas zu befürchten. Da er offiziell mit einer Schweizerin verheiratet ist, konnte er davon ausgehen, dass die Behörden ihn nicht ausweisen – auch als verurteilter Drogenhändler und Schwerkrimineller. Denn Ausschaffungen von Personen, die mit einem Schweizer oder einer Schweizerin verheiratet sind, werden nach geltender Praxis kaum vorgenommen.

Der verurteilte Kokaingrosshändler geniesst seit seiner Haftentlassung den Wohlstand, den er sich mittels seiner kriminellen Aktivitäten und dank der Sozialleistungen aus der Schweiz aufgebaut hat. Er kann frei hin- und herreisen, zwischenzeitlich lebte er in Nigeria. Heute soll er sich wieder bei seiner Frau in der Schweiz aufhalten.

Das Geld der Steuerzahler bleibt verloren

Obwohl die Fakten bekannt und gerichtlich festgestellt sind, haben die Schweizer Steuerzahler das Nachsehen. Die Sanktionsmöglichkeiten der Sozialbehörde sind beschränkt. ­Eine Anzeige wegen Sozialhilfebetrugs ist nicht möglich, da J. M. bereits aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes verurteilt worden ist. Damit gelten seine illegalen Einkünfte gewissermassen als gesühnt. Er kann also juristisch nicht für den Sozialhilfebetrug zur Rechenschaft gezogen werden, obgleich ein solcher zweifelsfrei vorliegt.

Und es kommt noch besser für den Täter. Die unrechtmässig erworbenen Fürsorgegelder wird Drogenmillionär J. M. wohl kaum je zurückbezahlen. Da er gemäss eigenen Angaben nun mittellos ist und eine Betreibung im Heimatland aussichtslos wäre, wird er sie mit grösster Wahrscheinlichkeit behalten können. Dass Sozialleistungen zurückbezahlt werden, komme praktisch nie vor, sagt ein Insider. Im Normalfall bleibt das Steuergeld verloren.

Der Fall J. M. ist kein Einzelfall. «Es ist ein offenes Geheimnis, dass Nigerianer oft Scheinehen eingehen, um sich ein Bleiberecht zu ­sichern», sagt ein Spezialist der Kriminalpolizei. «Sie mischen gross im Kokainhandel mit und beziehen nebenbei noch Sozialhilfe oder IV. Dabei sind monatliche Einnahmen durch den Kokainhandel im hohen vier- bis fünfstelligen Bereich die Normalität. Mit dem Geld aus der Schweiz kaufen sie im Heimatland ­Immobilien und Ländereien», so der Insider.

Der Fall J. M. erinnert fatal an den Fall Jeton G. Der mutmassliche Todesschütze im Zürcher «Türstehermordfall» bezog ebenfalls jahrelang Sozialhilfe, obwohl er illegale Einkünfte erzielte. Und auch bei Jeton G. zahlte die Gemeinde zu allem Überfluss noch fleissig weiter, als der «Klient» im Gefängnis sass. In beiden Fällen erwies sich der Datenschutz als Täterschutz.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-16/schweiz-drogenmillionaer-lebte-von-fuersorge-die-weltwoche-ausgabe-162015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 13/2015

Die staatliche Fürsorge wird von einer Interessengemeinschaft der Sozialbranche gesteuert. Sie hat ähnliche Interessen an einer Ausweitung der Zahlungen wie ihre «Klienten». Die Gemeinden sollten sich von diesem Diktat lösen.

Von Beat Gygi

«Im Grunde genommen ist seit langem klar, welches die grundlegenden Mängel in der So­zialhilfe sind, wir haben dem Kanton die Prob­leme aus Sicht der Gemeinden immer wieder dargelegt.» Hans-Peter Hulliger wirkt nicht aufgebracht, eher fast etwas resigniert, wenn er auf all die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Sozialhilfe zu sprechen kommt. Früher lag diese eher noch in der Gemeindekompetenz, heute dagegen lassen gesamtschweizerische Richtlinien der Fachorganisation Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) und kantonale Gesetze, die für die Gemeinden die Skos-Ansätze verbindlich machen, viel weniger Spielraum. Hulliger ist ein altgedienter Milizpolitiker mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung in Gemeindepolitik, von 1986 bis 2014, ­also 28 Jahre lang, war er Gemeindepräsident von Bäretswil im Zürcher Oberland. Zudem präsidierte er von 2006 bis 2014 den Gemeindepräsidentenverband (GPV) des Kantons Zürich, der oft als Hebel dient, um Anliegen der Gemeinden gegenüber dem Kanton zu vertreten. Umso ernüchternder ist für ihn heute die Einschätzung, es sei «nicht viel passiert», um die Mängel im gesamten Sozialhilfebereich zu beheben.

Auf der Suche nach Linderung

Dabei hätten sich die Zürcher Gemeindepräsidenten seit Jahren intensiv mit dem Thema ­Sozialkosten beschäftigt und bei den jährlichen Treffen mit dem Regierungsrat sowie Kontakten mit der kantonalen Verwaltung mindestens seit 2010 immer wieder auf die unkontrollierte Ausgabenentwicklung hingewiesen, die Fehler benannt und auf Gegenmassnahmen gedrängt. Die Mängel seien klar: Erstens sei heute für viele Sozialhilfeempfänger die Schwelle zur Aufnahme einer Arbeit zu hoch, weil der Lohn kaum höher oder manchmal gar geringer sei als das Geld vom Staat. Das Prinzip «Arbeit kommt vor Sozialleistungen» werde nicht überall angewendet, oft gälten bestimmte Arbeiten als unzumutbar. Zweitens sei die Skalierung der Unterstützung falsch, indem diese pro zusätzlich unterstützte Personen in der Familie so stark steige, dass Arbeitslöhne erst recht nicht mithalten könnten. Und drittens werde missbräuchlicher Bezug zu wenig geahndet; in Behörden und Verwaltung gebe es zu viel Toleranz gegenüber Renitenten. Dabei handle doch eine Behörde widerrechtlich, wenn sie einem Klienten die Sozialhilfe auszahle, obwohl dieser gesetzliche Auflagen nicht erfülle und beispielsweise nicht alle Belege vorweisen könne. Bei Steuern etwa werde das ja auch so gehandhabt.

Hulliger sieht die Kostenprobleme allerdings nicht nur im Zusammenhang mit Sozialhilfe, auch bei Ergänzungsleistungen im Alter, bei Einweisungen in Heime oder bei all den speziellen Schulsozialleistungen müssten die Gemeinden immer mehr bezahlen. Er findet dies umso tragischer, als beispielsweise die aufwendige integrative Schule eine Fehlkon­struktion sei, denn das Zusammennehmen von schlechteren und besseren Schülern bremse der Tendenz nach die Besseren und lasse die Schwächeren der Klasse erst recht in ungünstigem Kontrast erscheinen – was wiederum zu mehr teuren Einweisungen in Sonderschulen führe. Für Jörg Kündig, Gemeindepräsident von Gossau ZH und Hulligers Nachfolger im Präsidium des GPV, stehen die steigenden Sozialkosten im weiteren Sinn denn auch ganz oben auf der Traktandenliste, wenn es um die finanzielle Zukunft der Gemeinden geht.

Die kommunalen Rechnungen mit gestiegenen Sozialposten sprechen eine deutliche Sprache, und die Politiker stehen praktisch im Bann der steigenden Sozialkosten. Auf der Suche nach Linderung ist man vor allem in stärker belasteten Gemeinden auf die Idee gekommen, im kantonsinternen Finanzausgleich einen neuen Topf einzurichten, der ­einen Teil der Soziallasten quer über die Gemeinden ausgleichen soll. Politiker von SP, BDP und Grünen reichten im Zürcher Kantonsrat Mitte 2014 eine parlamentarische Ini­tiative ein, die einen speziellen Soziallastenausgleich fordert: Die besonderen Lasten einer politischen Gemeinde sollen ausgeglichen werden, soweit es nicht beeinflussbare Soziallasten sind. Gemeint ist damit mehr oder weniger die Quote der Sozialhilfeempfänger.

­Ausserhalb ­demokratischer Strukturen

Debatten über Lastenumverteilung lenken allerdings nur vom Hauptproblem ab. Der zen­trale Konstruktionsfehler der Schweizer Sozialhilfe besteht darin, dass die landesweit tonangebende Organisation, die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos), als privater Fachverband sozusagen ausserhalb der demokratischen Strukturen arbeitet und entsprechend schwach kontrolliert wird, zugleich aber die Anwendung der Hilfe in den meisten Gemeinden wie von einer Zentrale aus steuert. Das Gremium setzt sich aus rund fünfzig Vertretern von Mitgliedern zusammen, darunter alle 26 Kantone sowie Abgeordnete von kommunalen Sozialdiensten (Städte, Regionen, Gemeinden) und privaten Organisationen des Sozialbereichs. Mit beratender Stimme sind Bundesämter, kantonale Sozialkonferenzen und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK) vertreten. Die von der Skos erlassenen Richtlinien werden in vielen Kantonen via kantonale Sozialgesetze automatisch zu verbindlichen Vorgaben für die Gemeinden. Anliegen von Bürgern und Steuerzahlern sind sehr indirekt vertreten, oder pointierter ausgedrückt: Das Rückgrat der Sozialhilfe ist im Grunde eine wenig demokratische und wenig föderalistische Interessengemeinschaft der Sozialbranche.

Die Skos gibt es schon seit 1906, aber warum sind die Ausgaben für Sozialhilfe erst seit jüngerem stark am Wachsen? Dies hängt zum ­einen damit zusammen, dass es 2005 einen Regimewechsel in den Vergabekriterien gab: Man wechselte vom sogenannten Sanktionsmodell auf ein Anreizsystem, das mehr mit Belohnungen als mit Auflagen operieren sollte. Zum andern ist die «Kundschaft» zunehmend auf die Optimierung ihrer Bezüge ausgerichtet, auf das «Abholen des Maximums», zumal ein wachsender Teil der Klienten aus dem Ausland stammt, wo andere soziale Normen gelten als in der Schweiz. Sozialhilfe ist ein Beispiel dafür, dass Solidarität in der kleineren, überschau­baren Gruppe funktionieren mag, wird sie aber im grossen Massstab organisiert und erzwungen, führt sie leicht dazu, dass «Profis» die Gutgläubigen ausnehmen. Andere formulieren es so: Es ist nicht einmal der Missbrauch, sondern der einfache Gebrauch der Sozialhilfe, der die Kosten in die Höhe schnellen lässt.

Nach der Ansicht von Linda Camenisch, Gemeinderätin mit Ressort Soziales in Wallisellen, ist dies ein Anreizsystem, das sich zum ­eigentlichen Fehlanreizsystem entwickelt hat. Wenn man alle Leistungen wie Grundbedarf, Wohnkosten, medizinischen Grundbedarf mit Krankenkassenprämie, Franchise und Selbstbehalt, Zahnarztkosten, sämtliche situationsbedingten Leistungen wie Kinderbetreuung et cetera zusammenzähle, komme man bei einem Vierpersonenhaushalt rasch einmal auf ein «Jahreseinkommen» von 70 000 bis 80 000 Franken, und dies steuerfrei. Ein Paradigmenwechsel sei dringlich.

Dass die Skos nicht mehr um eine Reform herumkommt, hat man in der Organisation selber eingesehen. Soeben wurde eine Vernehmlassung zu möglichen Anpassungen abgeschlossen. Nach Kündigs Beurteilung, der mit dem GPV Druck macht, wird nun immerhin in einer Umfrage versucht, eine Gesamtschau zu erarbeiten, diese sei aber nicht wirklich umfassend. Eine Reduktion des Schwellen- effektes etwa sei nur damit zu erreichen, dass der Einkommensfreibetrag deutlich reduziert werde, der GPV habe beispielsweise 200 Franken postuliert. Und um den Skaleneffekt zu kontrollieren, sollten die Leistungen für Haushalte ab vier Personen reduziert werden. Vor allem aber müsse auch die Umstellung auf das Anreizmodell damals im Jahr 2005 in Frage gestellt werden.

Kurt Spillmann, Stadtrat und Sozialvorstand in Dübendorf, formuliert es noch schärfer. Nach der Logik der Skos müsse heute ein Sozialhilfebezüger belohnt werden, damit er seine Arbeitskraft zur Linderung seiner Notlage verwende. Auf eine solche Idee komme nur, wer die Einstellung vertrete, dass die Sozialhilfe ein vom Staat bedingungslos geschuldetes Grundeinkommen darstelle. Sozialhilfe müsse aber ein Einkommensersatz sein, der in einer Arbeitsgesellschaft fühlbar unter dem Minimaleinkommen liegen müsse, wenn die Grundwerte der Selbsthilfe gelten sollen. Das absolute Existenzminimum nach Art. 12 der Bundesverfassung bestimme, dass jeder in der Schweiz Anspruch auf die Mittel habe, die für ein menschenwürdiges Überleben wichtig sind, also auf Nahrung, einen Schlafplatz und die medizinische Grundversorgung. In der Praxis bedeute das ungefähr zwölf Franken pro Tag, die Grundversicherung einer Krankenkasse und einen Schlafplatz.

Ist die Skos (Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS) reformierbar?

Zweifel sind angebracht, ob die Skos überhaupt grundlegend reformierbar ist. Linda Camenisch erwartet, dass es nach der laufenden Vernehmlassung marginale Anpassungen geben werde, aber nicht im erforderlichen Umfang. Es seien immer noch zu viele Vertreter aus der Verwaltung und den Fachverbänden im Vorstand und in der zuständigen Richtlinienkommission, und die Linke strebe letztlich ein Sozialversicherungsgesetz analog zur AHV/IV an.

Es gibt jedoch einen zweiten Hebel, der zuverlässiger wirken dürfte: die verbindliche Wirkung der Skos-Regeln auf die Gemeinden aufheben und Richtlinien wieder unverbindlich machen. Heute, so Camenisch, hätten die Gemeinden im Kanton Zürich keinen Spielraum, die Skos-Richtlinien seien ohne Wenn und Aber verbindlich anzuwenden. Die Entscheidungskompetenz müsse deshalb den ­Gemeinden zurückgegeben werden. Die heutigen verbindlichen und einklagbaren Richtlinien seien ein grundsätzlicher Irrweg, denn diese hätten nicht die Bekämpfung von Armut zum Ziel, sondern eine Art materieller Gleichheit. Im vergangenen Oktober hat Camenisch im Kantonsrat eine Motion eingereicht, die ­eine Aufhebung der Rechtsverbindlichkeit der Skos-Richtlinien bei Sozialleistungen und beim Erlass kantonaler Regeln fordert. Der ­Regierungsrat stellt sich dagegen, unter anderem mit dem Argument, «eine Insellösung für den Kanton Zürich durch Ausscheren aus diesem System der Skos-Richtlinien würde von anderen Kantonen als Ausdruck mangelnder Solidarität gewertet». Damit macht der Regierungsrat klar, dass er bei der Sozialhilfe nicht die echte Solidarität zwischen Menschen im Mittelpunkt sieht, sondern die hoheitlich befohlene Umverteilung über weite Distanzen, der man eine sozial erwünschte Etikette umhängt.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-13/sozialhilfe-a-discretion-die-weltwoche-ausgabe-132015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 13/2015

Die in der Schweiz aufgenommenen Syrer sind kaum integrierbar und bleiben fast alle bei der Fürsorge hängen.

Von Alex Baur

Wir befinden uns in einer typischen ­Zürcher Agglomerationsgemeinde. ­Gegen sechzig «vorläufig Aufgenommene» – also abgewiesene Asylbewerber, die man nicht ausweisen kann oder will – werden von der kommunalen Sozialhilfe versorgt. Ein Sozialarbeiter, der anonym bleiben muss, weil er sonst seinen Job verlieren würde, sagt unter diesem Vorbehalt offen, was er über die Aufnahme von zusätzlich 3000 Syrern in die Schweiz denkt: «Die allermeisten von ihnen werden bei der Sozialhilfe bleiben – und sie werden noch mehr Landsleute nachziehen.»

Der Sozialarbeiter, selber einst ein Einwanderer, arbeitet seit Jahrzehnten in der Asylbranche. Die Illusion von der humanitären Schweiz ist ihm dabei längst abhandengekommen. Das Asylwesen ist für ihn ein Business wie jedes andere. Es gebe ein Heer von Anwälten, Betreuern, Übersetzern, Beamten und Sozialarbeitern, die vorerst einmal ihren eigenen Lebensunterhalt sichern. Und solange Bund und Kantone bezahlten, kümmere es sie wenig, ob sie ihren Klienten auch wirklich hälfen.

Richtig schmerzhaft wird es für die Gemeinde aber erst, wenn die letzten Zahlungen aus Bern und Zürich nach zehn Jahren auslaufen und sie selber für die ungebetenen Fürsorgegäste aufkommen muss. Doch dann ist es für einen Regimewechsel zu spät.

Mit Laissez-passer eingeflogen

Syrer machen in dieser Gemeinde bereits heute über zwei Drittel der fürsorgeabhängigen ­Asylanten aus. Die zweite wichtige Gruppe sind die Kriegsdienstverweigerer aus Eritrea sowie Somalier, gefolgt von Afghanen und neuerdings wieder von Kosovaren. Gemeinsam ist diesen Gruppen, dass sie zumeist in ganzen Clans angereist und kaum integrierbar sind. Gemessen an früheren Generationen von Asylbewerbern ist die Kriminalitätsrate zwar gesunken – allerdings auch die Bereitschaft, etwas zu leisten oder auch nur eine Landessprache zu lernen. «Sogar zum Klauen sind sie zu faul», witzelt der Sozialarbeiter.

Der moderne Flüchtling begnügt sich vollauf mit dem Dasein eines Sozialrentners. Und das ist nach der Meinung des Insiders kein Zufall, sondern «die Folge einer Negativselektion». Der Sozialapparat liefert den Zuwanderern alles, was sie brauchen, Übersetzer inklusive. Die finanziellen Leistungen nach den Richtlinien der Skos bringen ihnen für ihre Begriffe geradezu astronomische Einkünfte. Das hat sich herumgesprochen. Diese Migranten wissen genau, warum sie sich die Schweiz aussuchen. Ent­sprechend gross ist die Erwartungshaltung.

Unser Gewährsmann kennt die Lebensgeschichten seiner Klienten. Die wenigsten entsprechen dem Klischee des Flüchtlings, der mit letzter Not seine Haut gerettet hat und für jedes Stück Brot dankbar ist. Die meisten Syrer, die der Gemeinde zugeteilt wurden, lebten zuvor in der Türkei – wohl unter Entbehrungen, aber nicht bedroht an Leib und Leben. Die meisten von ihnen haben Angehörige in der Schweiz und anderswo in Europa, viele reisten unter dem Titel des Familiennachzugs ganz offiziell ins Land ein, mit dem Flugzeug, in einzelnen Fällen sogar mit einem Laissez-passer der Eidgenossenschaft. Das Blutvergies­sen in Syrien ist eine schreckliche Tatsache, die uns nicht gleichgültig sein kann. Millionen von Menschen wurden vertrieben, Hilfe vor Ort ist eine Selbstverständlichkeit. Doch die Aufnahme von Vertriebenen, die sich hier nicht integrieren lassen, trägt kaum etwas zur Linderung des Elends bei und schafft stattdessen neue soziale Probleme. Sie dient allein ­einer heuchlerischen Imagepflege – und dem Unterhalt eines Asylapparates, der längst in erster Linie der Erhaltung seiner selbst dient.

 http://www.weltwoche.ch/index.php?id=553629

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Politiker und Richter verschaukeln die Bürger. Kommt der Aufstand?

Von Philipp Gut

Die Schweizer Sozialhilfe ist aus den Fugen. Es ist ohne weiteres möglich, dass ein Fürsorgebezüger Jaguar fährt, in einer überteuerten Wohnung lebt, permanent kriminell ist und illegale Einkünfte bezieht. So war es im Fall Jeton G., dem mutmass­lichen Mörder beim «Türstehermord» von ­Zürich. Wie wir in der letzten Ausgabe gezeigt haben, sind solche Zustände Alltag im Schweizer Sozialstaat. Sanktionen? Gibt es kaum. ­Dafür hegen die Sozialarbeiter ein Verständnis für ihre renitenten Kunden, das für Aussen­stehende an Masochismus grenzt.

Die Reaktionen von der Front auf unseren Artikel zielten alle in dieselbe Richtung: «Ja, die Realität ist so, wie Sie sie beschreiben. Wer im Sozialbereich arbeitet, weiss das schon lange.» Das System ist todkrank, der Patient liegt auf der Intensivstation, aber die Beteiligten wursteln einfach weiter. Verantwortung will offenbar niemand wirklich übernehmen. Weder die Politiker noch die Betreuer, noch die Richter, die oft auch die dreistesten Rekurse der «Anspruchsberechtigten» gutheissen.

Dabei müsste man sich bei einer ehrlichen Analyse längst eingestehen, dass die Miss­stände nicht in erster Linie auf oberflächlichen Schlampigkeiten beruhen. Die Ursachen liegen in einer fundamentalen Dysfunktion des ganzen Systems. Die Fürsorge ist heute keine Hilfe in existenzieller Notlage mehr, sondern vielmehr eine eigene Existenzform, von der eine neue Klasse von Sozialrentnern besser lebt, als wenn sie arbeiten würde.

Insidern mag das Ausmass der Misere bekannt sein. Aber die Bürger ahnen es höchstens, wenn sie sehen, wie der fürsorgebeziehende Nachbar den neuen Flachbildschirm aus dem Mercedes hievt. Armut wird heute eben nicht mehr absolut definiert, sondern als arm gelten einfach die einkommensschwächsten zehn Prozent der Bevölkerung. In einer Gesellschaft von Milliardären ist gemäss dieser Definition auch ein Millionär bedürftig.

Ein Aspekt fehlt bisher in der Debatte: Es ist letztlich ein Verrat am Bürger und ein Missbrauch der vom Wähler verliehenen Macht, wenn die Behörden ein solch marodes System unterhalten. Das wird auch staatspolitische Folgen haben: Das Vertrauen schwindet. Jeder, der Steuern zahlt, muss sich verschaukelt vorkommen. Es kann doch nicht sein, dass sich der Staat eher auf die Seite eines Jeton G. schlägt als auf die Seite des ehrlich arbeitenden Bürgers, der diesen ganzen Wahnsinn finanziert.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-13/sozialwahnsinn-verrat-von-oben-die-weltwoche-ausgabe-132015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 13/2015

Die SP-Bundesrätin holt Tausende Syrer ins Land und bläht den Asylapparat künstlich auf. Die auf Aussenwirkung bedachte Aktion wird enorme Probleme und Kosten verursachen. Die Schweiz importiert künftige Sozialfälle. Das weiss sogar der Bundesrat.

Von Hubert Mooser

Einmal nicht die Musterschülerin hervorkehren fällt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) offenbar schwer: Das zeigte sich wieder beim Treffen der EU-Justiz- und -Innenminister am 12./13. März in Brüssel. Die Schweiz beteiligt sich unter dem Titel Schengen/Dublin seit Dezember 2008 an der Zusammenarbeit der europäischen Staaten in den Bereichen Justiz, Polizei, Asyl und Visa. Deshalb darf Sommaruga beim Treffen dabei sein. Ganz oben auf der Agenda standen diesmal die Themen Migration und Asyl. Die EU-Staaten planen die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen aus Syrien, einigen konnten sie sich aber noch nicht. Stolz konnte dagegen die übereifrige Sommaruga verkünden, der Schweizer Bundesrat habe schon am 6. März beschlossen, innerhalb von drei Jahren weiteren 3000 besonders verletzlichen Kriegsflüchtlingen aus Syrien Asyl zu gewähren.

Hier die 25 Schengen-Staaten, die sich über die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen streiten, da die kleine Schweiz, die in vorauseilendem Gehorsam 3000 Syrer bei sich aufnimmt. Dieses Missverhältnis und das Vorpreschen Sommarugas kamen bei den anderen Bundesräten nicht gut an. Vorbehaltslose Unterstützung fand sie nur bei Aussenminister Didier Burkhalter (FDP), der den Syrien-Antrag mitunterzeichnet hat und seine persönliche internationale Agenda verfolgt. Burkhalters Entourage geht seit Tagen bei Medienleuten mit der Geschichte hausieren, der Neuenburger sei als Nachfolger von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon im Gespräch.

Entscheid unter Druck

Sommaruga will der EU, Burkhalter der Uno gefallen, am 6. März musste dafür auf Biegen oder Brechen ein Entscheid zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge herbeigeführt werden. Zwei Wochen danach sprechen Bundesräte im kleinen Kreis von Druck und Zwängerei, weil der Doppelantrag Sommaruga/Burkhalter vorher schon in der NZZ ausgebreitet worden ist. Mehr noch: Einzelne Departemente hätten Anfragen von Journalisten erhalten, noch bevor die vertraulichen Unterlagen zu Syrien bei ihnen eingetroffen seien, monieren Bundesräte.

Und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) sprach das aus, was andere dachten: So könne man nicht mehr frei entscheiden. Man solle aber doch wenigstens nicht den Eindruck erwecken, die Schweiz habe die Türen für Flüchtlinge weit aufgesperrt. «Das EJPD gibt keine vertraulichen Informationen weiter», sagt Sommarugas Sprecherin, Agnès Schenker. Es sei unhaltbar, dass durch Indiskretionen Informationen vor einem Bundesratsentscheid an die Öffentlichkeit gelangten.

Der eigentliche Skandal ist jedoch ein anderer: Aus den schriftlichen Ausführungen Sommarugas geht der wahre Grund für die humanitäre Aktion mit den 3000 Syrern hervor. Die Asylzahlen steigen nicht ganz so dramatisch an, wie dies die Justizministerin noch im Dezember im Bundesrat darstellte. Sommaruga ging für 2015 von 29 000 bis 31 000 Asylgesuchen aus. Und der Bundesrat stockte vorsorglich das grosszügige Asylbudget noch einmal kräftig auf. Gut drei Monate später erklärte nun die gleiche Sommaruga im Bundesrat, aufgrund der im Januar (1424) und im Februar (1560) eingegangenen Asylgesuche präsentiere sich die Situation besser als erwartet. Deshalb könne man problemlos ein paar zusätzliche syrische Flüchtlinge aufnehmen. Mit anderen Worten: Anstatt die Budgets den neuen Asylrealitäten anzupassen, bläht die Justizministerin die Asylstrukturen künstlich auf. «Und das nur, damit sie selber gut dasteht», sagt Aussenpolitiker und Nationalrat Gerhard Pfister (CVP).

Schon mehr als 7000

Auch ohne Indiskretion und Winkelzüge wäre die Diskussion über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge schwer genug gewesen. Eine Woche vor der Bundesratssitzung hatte sich in der Sporthalle der Freiburger Gemeinde Giffers wegen des geplanten Bundesasylzentrums für 300 Asylsuchende ein Gewitter der Entrüstung entladen. Der Bund plant in sechs Regionen über ein Dutzend solcher neuen Zentren. In diesen sollen die Verfahren schneller abgewickelt werden. Bisher wurde nur Giffers als möglicher Standort vom Bundesamt für Migration bestätigt. Bundesbern tut sich schwer bei der Suche, obwohl man dafür eigens den umstrittenen früheren Chef des Inlandgeheimdienstes, Urs von Däniken, holte. Parlamentarier finden inzwischen: Von Däniken koste die Eidgenossenschaft viel, bringe aber im Gegenzug wenig.

Sommaruga wiederum kämpft, wie es ihre Art ist: Monat für Monat meldete ihr Amt die steigenden Asylzahlen, und die Justizministerin tut so, als wäre das kein Problem. Wenn es ihr politisch nützt, gibt sie wieder Entwarnung. Fakt ist, dass unter der SP-Bundesrätin die Asylzahlen Höchstmarken erreichen wie zum Beispiel im Juli 2014. Seit 1999 seien noch nie so ­viele Gesuche eingegangen, meldete das Staatssekretariat für Migration. Ausbaden müssen Sommarugas Asylpolitik die Kantone. Sie sind ständig auf der Suche nach Wohnraum und Unterkünften für die ihnen zugewiesenen Asylsuchenden, wie die Freiburger Sozialdirektorin Anne-Claude Demierre (SP) gegenüber den Freiburger Nachrichten klagte. «Wir finden keine Unterkünfte für die Leute», sagt der Walliser Polizeidirektor Oskar Freysinger (SVP) und kritisiert: Die Konferenz der kantonalen Justiz-und Polizeidirektoren (KKJPD) segne einfach alles ab, was Sommaruga ihr vorlege. Niemand wolle halt der Böse sein.

Der syrische Bürgerkrieg hat über 200 000 Tote gefordert, 15 Millionen Syrer sind auf der Flucht, die Uno agiert hilflos. Als 2013 Bilder vom Flüchtlingselend die Schweizer Seelen aufwühlten, beschloss der Bundesrat, innert dreier Jahre via Uno-Flüchtlingshilfswerk ­UNHCR ein Kontingent von 500 besonders verletzlichen Syrien-Flüchtlingen aufzunehmen. Der Öffentlichkeit verkaufte Somma­ruga die Hilfe als Pilotprojekt. Dieses Programm ist noch nicht einmal zur Hälfte abgespult, und jetzt sollen noch einmal 3000 Personen aus Syrien dazukommen. Dabei haben seit Ausbruch des Krieges in Syrien nebst den vom Bundesrat 2013 und 2015 beschlossenen Flüchtlingskontingenten über 7000 Syrer auf dem regulären Weg in der Schweiz Asyl erhalten. Das bedeutet, dass sie in die Schweiz einreisen durften, ein Asylgesuch deponierten und Aufnahme fanden.

Vor diesem Hintergrund zeichnete sich schon früh ab, dass die Bundesratssitzung vom 6. März für Sommaruga und Burkhalter kein Spaziergang werden würde. Wie er­wartet, ging Bundesrat Ueli Maurer (SVP) auf Konfrontationskurs. Maurer verfasste einen Mitbericht, in dem er eine Reihe von Fragen aufwarf. Ob das Vorgehen abgestimmt sei mit den anderen europäischen Staaten? Ob es nicht gescheiter sei, den Leuten vor Ort zu helfen? Denn mit dem Geld, das die Versorgung der Syrer in der Schweiz kostet, könne man in den Flüchtlingslagern erheblich mehr erreichen. Maurer wollte auch wissen, ob die Kantone Unterkünfte dafür bereitstellen würden und ob sie überhaupt informiert worden seien.

Sommarugas Antworten: Nein, die Aktion sei nicht eingebettet in die Syrien-Politik der europäischen Staaten. Ja, die Hilfe vor Ort sei prioritär, die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge müsse man jedoch als Unterstützung dieser Hilfe vor Ort begreifen. Und ja, die Kantone seien informiert und einverstanden.

Tatsächlich? So eindeutig ist das aber nicht mit den Kantonen. Am 29. Januar informierte Sommarugas Staatsekretär für Migration, ­Mario Gattiker, die involvierten kantonalen Sozial- und Polizeidirektorenkonferenzen. Die Kantone meldeten dabei prompt Bedenken an in Sachen Unterbringung der Syrer. Justizdirektoren-Präsident Hans-Jürg Käser (FDP) gibt sich zwar zuversichtlich: Gestützt auf die Erfahrungen mit dem Pilotprojekt des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) aus dem Jahr 2013 gehe er davon aus, dass in diesem Jahr «wohl nur 600 bis 700 kommen» würden. Diese Zahl könnten die Kantone stemmen. Der Rest wird in den kommenden Jahren einreisen. Aber man muss auch wissen: Der Berner Polizeidirektor steht nicht gerade im Ruf, Sommaruga beim Asyldossier auf die Füsse zu treten. Er begleitete die SP-Bundes­rätin auch schon zu Ministertreffen nach Brüssel. Bei anderen Vertretern der KKJPD spürt man mehr Skepsis: Man habe die Erklärungen von Staatssekretär Gattiker zur Kenntnis genommen, mehr nicht. Dies könne man jedoch nicht als Einverständnis betrachten.

Eines steht heute schon fest: Die Aktion könnte für die Kantone happige Folgekosten mit sich bringen, wie dies auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) in ­ihrem Mitbericht durchblicken liess. Sie machte geltend, dass es sich bei den syrischen Flüchtlingen um traumatisierte Menschen handle. Diese müssten aufgrund der bisherigen Erfahrungen sehr lange betreut werden. Und sie könnten wahrscheinlich nie durch Arbeit für sich selber aufkommen. Widmer-Schlumpf verwies dabei auch auf die zwei uigurischen Guantánamo-Häftlinge, denen die Schweiz 2010 Asyl gewährte.

Stellt der Bund die finanzielle Unterstützung wie üblich nach fünf Jahren ein, müssen die Kantone die Kosten für Unterhalt und Betreuung bezahlen. Doris Leuthard (CVP) ­wollte deshalb fürs Erste statt der geplanten 3000 nur 1000 schutzbedürftige syrische Flüchtlinge ins Land holen. Sie bekam dafür die Unterstützung von Schneider-Ammann, musste sich jedoch von Burkhalter vorwerfen lassen, dies sei eine Rappenspalter-Mentalität. Eine Rappenspalter-Mentalität? Weiss es Burkhalter nicht besser, oder tut er nur so: Der Asylapparat kostet die Steuerzahler inzwischen pro Jahr weit über eine Milliarde Franken. Das ist alles andere als ein Klecks, dieses Geld fehlt für andere Aufgaben.

Übereilt und letztlich unsin­nig

Widerwillig segnete das Siebnergremium trotzdem die Aufnahme von weiteren 3000 Syrern ab. Konkret soll das so ablaufen: 2015 will man maximal 1000 Personen aufnehmen. Laut ­Käser werden 2015 aber nicht so viele einreisen. Im Herbst soll der Bundesrat dann die Situation im Syrien-Konflikt erneut analysieren und beurteilen. Spätestens in drei Jahren sollen alle hier sein. Die Flüchtlinge werden vor Ort vom Uno-Hilfswerk UNHCR ausge­lesen. «Bundesrätin Sommaruga zeichnet schöne Konzepte, aber in der Praxis funktionieren diese nicht», sagt der Bündner Nationalrat Heinz Brand (SVP). Stattdessen werden sie die Kantone auf Jahre hinaus finanziell belasten.

Sommarugas auf positive Aussenwirkung bedachte, aber übereilte und letztlich unsin­nige Flüchtlingspolitik wird zu enormen Problemen und Kosten führen. Statt wirksam und effizient vor Ort zu helfen, importiert die Schweiz freiwillig ein Heer von zukünftigen Sozialfällen. Da hat Finanzministerin Widmer-Schlumpf für einmal recht.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-13/asyl-3000-syrer-fuer-die-galerie-die-weltwoche-ausgabe-132015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 13/2015

In Bern leben vierzig Prozent der Fahrenden von der öffentlichen Fürsorge. Ist die Quote auch ­anderswo derart hoch? Wer nachfragt, beisst auf Granit. Behörden und Betroffene schweigen.

Von Alex Reichmuth

Auf dem Standplatz Buech in Bern sind 116 Fahrende gemeldet. Etwa vierzig Prozent dieser Personen beziehen Sozialhilfe, sagt Felix Wolffers, Leiter des Sozialamts der Stadt Bern. Er bestätigt damit eine Meldung des privat ­betriebenen Bundeshaus-Radios. Die Quote ist horrend hoch, denn im landesweiten Durchschnitt beziehen nur 2,9 Prozent aller Einwohner Fürsorgegeld. Für Wolffers scheint klar, warum umherziehende Jenische so oft auf ­Sozialhilfe angewiesen sind: «Nach unserer Einschätzung können die Fahrenden ihren ­Lebensunterhalt in ihren traditionellen Geschäftsbereichen immer weniger decken.»

Schätzungsweise 3000 der Schweizer Jenischen pflegen die traditionelle Lebensweise als Fahrende und reisen im Sommer mit ihren Fahrzeugen umher. Einige von ihnen wohnen im Winter auf einem festen Standplatz und sind in der jeweiligen Gemeinde als Ein­wohner gemeldet. Andere haben keinen festen Wohnsitz. Viele Fahrende leben von wenig ­lukrativen Geschäften wie Altmetallhandel oder Scherenschleifen.

Es ist kaum anzunehmen, dass nur Fahrende in Bern so häufig Sozialhilfe beziehen. Die Weltwoche wollte von Gemeinden mit Standplätzen wissen, welcher Anteil der Fahrenden von der Fürsorge lebt und wie viel dies die ­Gemeinden insgesamt kostet. Nur wenige Gemeinden konnten – oder wollten – die Fragen beantworten. Dietikon ZH meldet, dass auf der Anlage mit sechs Standplätzen zeitweise eine Person Sozialhilfe bezogen habe. Kloten ZH schreibt, dass es unter den zwölf gemeldeten Fahrenden «einen Unterstützungsfall mit zwei Personen und jährlichen Kosten von rund 30 000 Franken» gebe. In Aarau ist die Sozialhilfequote derzeit angeblich null. Einsiedeln SZ bezahlt pro Jahr zwischen 100 000 und 200 000 Franken Unterstützung für Fahrende, die Einsiedeln als Heimatort haben.

Einige Gemeinden liefern keine Informationen, weil die entsprechenden Daten fehlten. Man erhebe nicht, ob Sozialhilfebezüger sesshaft oder fahrend sind, schreibt Winterthur. Auch Chur und Wil SG können keine Angaben machen. Eine andere Gemeinde bestätigt, dass die Sozialhilfequote unter den ansässigen ­Fahrenden weit über dem Durchschnitt der Gemeinde liegt, nämlich zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Wegen des Datenschutzes dürfe man den Namen der Gemeinde aber nicht nennen.

Auch die Stadt Zürich, die in Seebach einen grossen Standplatz betreibt, tut sich mit einer Antwort schwer. Die Sozialen Dienste der Stadt versichern zwar, die Sozialhilfequote unter den Fahrenden liege «absolut im Stadtzürcher Durchschnitt». Das wären etwa fünf Prozent. Trotzdem will man nichts zur Höhe der Bezüge sagen. Denn solche Angaben würden «die Persönlichkeitsrechte dieser Menschen ritzen». Diese Haltung ist schwer nachzuvollziehen, da ja Hilfsbedürftige nicht namentlich genannt werden müssten.

Fahrende mit schlechter Schulbildung

Die Recherche hinterlässt den Eindruck, dass man über Sozialhilfe für Fahrende höchstens dort etwas erfährt, wo die Bezüge gering sind. Ratlos gibt man sich auch bei der Radgenossenschaft der Landstrasse, dem Zusammenschluss der Schweizer Fahrenden. Man habe punkto Fürsorgebezüge «keine Ahnung», heisst es hier. Ebenso kennt man bei der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, die jährlich 150 000 Franken vom Staat bekommt, keine Zahlen. Geschäftsführer Urs Glaus hält es für unzulässig, Statistiken über Sozialhilfebezüge für Fahrende zu erstellen, geschweige denn zu veröffentlichen. Denn dafür fehle eine Rechtsgrundlage.

Immerhin finanziert die Öffentlichkeit aber die Sozialhilfe. Die Frage nach Fürsorgegeld ist auch darum brisant, weil viele Fahrende ­einen sehr schlechten Bildungsstand haben. Einige von ihnen verhindern, dass ihre Kinder in die Lage kommen, später für sich sorgen zu können. Fahrende haben das Recht, ihre Kinder während des Sommers, wenn sie umherziehen, für bis zu sieben Monate aus der ­Schule zu nehmen. Daneben halten aber einige Fahrende ihre Kinder auch während der Wintermonate vom regelmässigen Schulbesuch ab – meist mit dem Argument, diese lernten im Kreis der Familie alles, was für die traditio­nelle jenische Lebensweise nötig sei.

Die öffentliche Hand finanziert Stand- und Durchgangsplätze für Fahrende in der ganzen Schweiz. Sie bezahlt auch zusätzlichen ­Aufwand, um den Kindern von Fahrenden trotz ihrer vielen Abwesenheiten eine minimale Schuldbildung zu ermöglichen. Die Stadt Bern etwa hat vor kurzem beschlossen, zwei zusätzliche Lehrkräfte anzustellen, die je­nische Kinder schulen – im Sommer wie im Winter. Sind Fahrende tatsächlich überaus häufig von Sozialhilfe abhängig, muss man sich ­fragen, ob es auch an der Öffentlichkeit ist, ­eine Lebensweise zu finanzieren, die ­immer weniger existenzsichernd ist. Die Fahrenden genies­sen als staatlich anerkannte Minderheit zwar besonderen Schutz. Wo aber beginnt der Schutz der Steuerzahler?

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-13/jenische-undurchsichtige-hilfsgelder-die-weltwoche-ausgabe-132015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 13/2015

Siebeneinhalb Monate nach ihrer Einreise bringt die Nigerianerin Ese M. in der Schweiz ein Kind zur Welt. Ein ­Aargauer erklärt sich zum leiblichen Vater, obschon das offensichtlich nicht stimmt. Eine ­Justizposse, die den ­Steuerzahler viel Geld kosten wird.

Von Christoph Landolt

Ein Kind bei der Farbe zu nennen, könnte heute schnell einmal das Karriereende bedeuten.Illustration: Jonas Baumann

«Warum haben Sie das Kind anerkannt?» – «Ich habe in meinem ganzen Leben immer die Liebe gesucht. Das Kind hat mir Liebe gegeben.»

«Haben Sie sich nie gefragt habe, ob Sie wirklich der Vater sind?» – «Marvellous hat mich als Vater gesehen. Das reicht.»

Lange sah es so aus, als ob diese Antwort auch dem Staat reichen würde. Im Jahr 2010 wurde Philipp G. vom Zivilstandsamt im aargauischen Brugg als Vater des damals dreijährigen Marvellous M. eingetragen. Dies, obschon die Beamten hätten sehen müssen, was alle sahen: dass der kleine Junge mit dem Mann, der sich als sein Vater ausgibt, so verwandt ist wie Kofi Annan mit Adolf Ogi oder Robinson mit Freitag.

Nun aber, vier Jahre später, musste sich Philipp G. doch noch Fragen zu seiner Vaterschaft gefallen lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn zusammen mit Kindsmutter Ese M. wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung angeklagt. Er habe gewusst, dass er nicht der leibliche Vater von Marvellous sei, so der Vorwurf.

Philipp G., 48, ist ein grosser, athletischer Mann mit rasiertem Schädel. Vor dem Brugger Bezirksgericht gab er sich als gelernter Maler aus, der zurzeit aber nicht arbeitet. Er lebe von einer Erbschaft und von einigen tausend Franken, die er als Nachwuchs-Hockeytrainer verdiene, erklärte G.

Als die Richterin ihn zu seiner Vaterschaft befragte, wurden seine Angaben vage. Wann er Ese M. zum ersten Mal getroffen hat, ver­mochte Philipp G. nicht zu beantworten. Auch an den Ort des Kennenlernens konnte er sich nicht richtig erinnern: «Irgendwo im Welschland.» Zum Sex gekommen sei es beim ersten oder zweiten Treffen.

Mit einem Federstrich zum roten Pass

Aus den Akten geht folgender chronologischer Ablauf hervor: Ese M., Jahrgang 1987, betrat am 27. August 2007 in Genf-Cointrin erstmals Schweizer Boden. Die Asylbewer­berin aus Nigeria gelangte zunächst ins Empfangszentrum Vallorbe VD, dann wurde sie dem Kanton Aargau zugeteilt, welcher sie in der Gemeinde Birr unterbrachte.

Siebeneinhalb Monate nach ihrer Einreise, am 18. April 2008, gebar die attraktive Afrikanerin ­einen Sohn. Diesen taufte sie auf den ­Namen Marvellous – also «wundervoll» oder «blendend». Auf die Frage nach dem Erzeuger antwortete sie der Vormundschaftsbehörde: «He’s in Africa.»

Der Bund trat nicht auf ihr Asylgesuch ein. Dennoch verweigerte Ese M. die Ausreise. Mehrfacher illegaler Aufenthalt steht in ihrem Strafregister, aber nicht nur. Auch wegen Hausfriedensbruchs und Diebstahls wurde sie mehrfach verurteilt.

Ihr Sohn Marvellous wurde am 20. April 2011, kurz vor seinem dritten Geburtstag, von Philipp G. anerkannt. Der Bub wurde dadurch mit einem Federstrich zum Schweizer Staatsbürger.

Doch dann wendete sich für Ese M. das Glück. Als sie sich wieder einmal wegen illegalen Aufenthalts verantworten musste, geriet sie an die Falsche. Die zuständige Richterin des Bezirksgerichts Brugg misstraute den amtlichen Angaben, laut denen Marvellous Sohn eines Schweizers sei.

Ihre Anzeige landete auf dem Schreibtisch von ­Nicole Burger, einer jungen Staatsanwältin, die sich mit ihrer konsequenten Linie ­einen Namen geschafften hat («Staatsanwältin ausser Rand und Band», schimpfte das linke Netzwerk Asyl Aargau in seiner Mitgliederzeitschrift). Burger vernahm die Beteiligten ein und studierte die Akten. Für sie war klar: Philipp G. war nicht der Erzeuger. Er hatte sich als Vater nur zur Verfügung gestellt, weil Ese M. in der Schweiz bleiben wollte und er ihr ein Aufenthaltsrecht verschaffen konnte.

Der Plan des Paars war zunächst aufgegangen: Ese M. bekam eine B-Bewilligung. Wie sie dazu kam, verraten die Behörden nicht – Datenschutz. Dass Frauen, die mit einem Schweizer ein Kind haben, eine Aufenthalts- bewil­ligung bekommen, ist aber durchaus üblich. Man kann keine Mutter eines Schweizers ausschaffen, so der Leitgedanke in den Migrationsämtern.

Eigentlich, so würde man meinen, wäre es heute ein Leichtes, eine Vaterschaft festzustellen. Ein DNA-Test genügt. Das aber lehnten Ese M. und Philipp G. partout ab. Ihre Anwälte argumentierten, eine Genanalyse stelle einen unverhältnismässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Das Aargauer Obergericht entschied, dass keine DNA-Probe angeordnet werden darf. Es sei «kein dringender Tatverdacht gegeben», so das Urteil.

Der Richterspruch erstaunt, denn der Tatverdacht ist offensichtlich. Zwar müssen Kinder eines weissen und eines schwarzen Elternpaars nicht unbedingt eine mittelbraune Hautfarbe haben. Die einen sind heller, die anderen dunkler. Wenn der Sohn einer Nige­rianerin und eines Aargauers aber so gar kein bisschen nach Aargauer aussieht, müsste dies auch Oberrichtern auffallen.

Überraschende Urteilsverkündung

Doch die Justiz hat sich angewöhnt, farbenblind zu sein. Niemand wagt, die Hautfarbe anzusprechen – nicht die Anzeigeerstatterin, nicht die Anklägerin, nicht die Richter. Ein Kind bei der Farbe zu nennen, könnte in Zeiten der rasch niedersausenden Rassismus-Keule schnell einmal das Karriereende bedeuten.

Bezirksgerichtspräsidentin Gabriele Kerkhoven, eine Grünliberale, hatte keine Lust, sich an dieser Sache die Finger zu verbrennen. Sie wollte den Fall ohne Verhandlung einstellen, mit Verweis auf das Obergericht, das «keinen dringenden Tatverdacht» feststellen ­wollte. Staatsanwältin Nicole Burger aber kündigte an, gegen eine Einstellungsverfügung auf jeden Fall vorgehen zu wollen. Also kam es trotzdem zur Verhandlung. Das ehrlichste Beweismittel aber, die DNA-Probe, liess die Richterin nicht zu.

Folgte man den Verteidigern der Angeklagten, ist die biologische Vaterschaft aber auch gar nicht entscheidend. «Pater semper incertus est» (der Vater ist immer ungewiss), zitierte G.s Anwalt Wilhelm Boner einen Grundsatz aus dem römischen Recht, der «immer gelten wird». Deshalb gebe es Rechtsvermutungen wie etwa jene, dass der Ehemann als Vater des während der Ehe geborenen Kindes gilt. Folglich verlange das Gesetz nicht, dass der rechtliche Vater auch der biologische Vater sein ­müsse.

Sei es, weil ihr die Schwangerschaftsdauer von maximal siebeneinhalb Monaten zu kurz vorkam, sei es, weil ihr die Widersprüche in den Aussagen auffielen – zur allgemeinen Überraschung sprach Gerichtspräsidentin Kerkhoven die Angeklagten schuldig. Philipp G., der bei der Urteilsverkündung ausfällig wurde, verurteilte sie zu 600 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer Busse von 1000 Franken. Ese M. muss eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60 Franken bezahlen.

Massnahmen gegen Deutschdefizite

Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung bedeutet noch nicht, dass die Vaterschaft von Philipp G. aberkannt wird, und auch nicht, dass Ese M. des Landes verwiesen wird. Dazu müssten nun die Behörden aktiv werden. Weder die kantonale Aufsichtsbehörde über die Zivilstandsämter noch das Aargauer Migrationsamt – beide sind Regierungsrat Urs Hofmann (SP) unterstellt – wollten sich auf An­frage der Weltwoche äussern. Datenschutz.

Man muss davon ausgehen, dass die Geschichte die Aargauer Steuerzahler noch teurer zu stehen kommt, als sie ohnehin schon ist. Carmen Emmenegger, die amtliche Verteidigerin von Ese M., hat auf Anfrage angekündigt, das «Fehlurteil» an die nächste In­stanz weiterzuziehen. «Das Bezirksgericht stellt den biologischen Vater über den rechtlichen Vater.»

Ese M. arbeitet gemäss eigenen Angabe zwar seit einigen Monaten in einer Fabrik, für 3400 Franken Monatslohn. Philipp G. gibt an, er ­bezahle Kindesunterhalt. Wenn die Erbschaft dereinst aufgebraucht ist und sich am Aufenthaltsstatus von Ese M. nichts ändert, steht der Scheinfamilie der Gang aufs Sozialamt jederzeit offen. Der junge Marvellous, der die erste Klasse besucht, nimmt bereits Fördermassnahmen in Anspruch, um seine Deutschdefizite zu beheben.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-13/farbenblinde-richter-die-weltwoche-ausgabe-132015.html

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Der Fürsorgestaat bringt die meisten Probleme, die er lösen will, selber hervor. Das System ist nicht reformierbar. Man sollte es auflösen.

Ein gebürtiger Kosovo-Albaner, heute 31, wird eingebürgert, obwohl er bereits als Jugendlicher ein sogenannter Intensivtäter war. Er bricht die Lehre ab und lebt seither samt seiner wachsenden Familie auf Staatskosten. Er fährt einen Jaguar, verweigert sich jeder ordentlichen Arbeit, ist auch sonst renitent. Aus krimineller Tätigkeit erzielt er ille­gale Einkünfte, was den Behörden bekannt ist. Folgen indes hat das alles kaum. Die Sozialleistungen fliessen weiter.

Diese Beschreibung ist keine Fiktion eines bösartigen rechtsgerichteten Satirikers. Sie ist Realität. Im Fall des Papier-Schweizers ­Jeton G., der verdächtigt wird, einen Rivalen aus der Kampfsportszene in Zürich auf offener Strasse erschossen zu haben, spiegeln sich die Probleme des Fürsorgestaats wie in einem Brennspiegel. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Wie ist das nur möglich?

Im Zuge unserer Recherchen sind wir zur ernüchternden Einsicht gelangt, dass der zufällig ans Licht der Öffentlichkeit gelangte Fall ein Beispiel unter vielen ist (siehe Artikel ­Seite 22). Er illustriert, auf welch abschüssige Bahn das Fürsorgewesen geraten ist.

Einst als vorübergehende Hilfe für wirklich Bedürftige geschaffen, hat sich die Sozialhilfe längst zu einer eigenen Lebensform ent­wickelt, die sich selber reproduziert. Der Staat offeriert ein Angebot, auf das ein Rechts­anspruch besteht. Es steht jedem offen, der es nützen will. Der Schweizer hat über Jahrzehnte in der Regel nur dann auf die Fürsorge zurückgegriffen, wenn er in echte Notlage ­geriet. Und auch dann nur vorübergehend. Man schämte sich, auf Kosten der arbeit­samen Nachbarn und Mitbürger zu leben, von denen man viele noch persönlich kannte.

Niemand schaut genau hin

Heute ist das ganz anders. Gegen drei Viertel der Fürsorgebezüger haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Einem zugereisten Eritreer, Türken oder Montenegriner kommt es nicht im Traum in den Sinn, sich für die In­anspruchnahme von Leistungen zu genieren, die man ihm auf dem Silbertablett serviert. Und falls doch jemand zu stolz dafür sein sollte, so steht garantiert ein Schweizer Sozialarbeiter oder Anwalt bereit, der ihm einbläut, er solle doch unbedingt seine Rechte wahrnehmen.

Hinzu kommt die wachsende Anonymität in Städten und Agglomeration, wo die meisten Sozialhilfeempfänger leben. Niemand hat den Überblick, niemand schaut genau hin. Den Rest erledigen die Akteure selber: die ­Sozialarbeiter, die Verwaltung, die Gerichte, die Politiker. Die Mechanik des Systems ist grundlegend falsch eingestellt. Die Leistungen sind derart hoch, dass es sich für viele gar nicht lohnt, zu arbeiten. Eine vierköpfige ­Familie erhält im Schnitt staatliche Zuwendungen, die einem Einkommen von 70 000 bis 80 000 Franken entsprechen, steuerfrei.

Dann die Umsetzung. Es ist ein offenes Geheimnis, dass eine wirksame Überwachung und Kontrolle gerade der ausländischen Sozial­rentner kaum stattfindet. Wer beispielsweise auf dem Balkan ein Haus besitzt oder über legale oder illegale Einnahmequellen verfügt, müsste das theoretisch angeben, und die Leistungen würden entsprechend reduziert. Das geschieht aber höchst selten. Darauf ange­sprochen, verwerfen Behördenvertreter und Sozialdetektive bloss die Hände. Mission ­impossible.

Und wenn dennoch ein beherzter Sozialarbeiter oder Exekutivpolitiker durchgreift und Leistungen kürzen oder streichen will, kann er ­sicher sein, dass die Betroffenen alle möglichen juristischen Mittel anwenden, um keines ihrer Privilegien preisgeben zu müssen. Die verschiedenen Rekursinstanzen schlagen sich erfahrungs­gemäss lieber auf die Seite derer, die selbstbewusst auf ihre weitreichenden Ansprüche pochen, als auf die Seite jener, die den Sozialstaat mit ihrer Arbeit und ihren Steuern finanzieren.

Die Politik schliesslich geht offenbar vielfach noch vom veralteten Bild aus, es gebe hierzulande noch bittere Armut. Doch die grosse Masse der Sozialhilfeempfänger befindet sich heute nicht in einer existenziellen Notlage, Auto, Flachbildschirm, Auslandferien sind weitverbreitet. Die Sozialhilfe funktioniert vielmehr wie ein Magnet, der eine bestimmte Kundschaft anzieht und sie nicht mehr loslässt. Es sind Familien bekannt, in denen bereits die dritte Generation vom Staat lebt.

Mit ein paar Schraubendrehungen ist dieses kranke System nicht reformierbar. Wer nicht will, dass es sich weiter ausbreitet und dass auf Dauer eine neue Klasse von Sozialrentnern her­angezüchtet wird, der sollte ernsthaft über ­eine Abschaffung der Sozialhilfe in heutiger Form nachdenken.

Man könnte etwa den Kreis der Empfänger einschränken auf Personen, die mindestens dreissig Jahre hier gelebt und gearbeitet haben. Oder man könnte eine degressive Für­sorge einführen, bei der die Leistungen mit jedem Jahr zurückgehen. Vielleicht aber wäre es noch besser, die Sozialhilfe gleich ganz zu streichen. Verhungern muss in der Schweiz niemand. Und bei Notfällen könnten sich immer noch die vielen karitativen und gemeinnützigen Organisationen profilieren, auch die Kirchen. Der Staat müsste sich dann nicht mehr als Ernährer aufspielen und könnte die Bürger, die er teilweise bereits auf Generationen hinaus von sich abhängig gemacht hat, in die Freiheit und Selbstverantwortung entlassen.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-12/kommentar-sozialhilfe-abschaffen-die-weltwoche-ausgabe-122015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 12/2015

Er ist seit der Jugend kriminell und wurde trotzdem eingebürgert. Er hat nie gearbeitet, verfügt über illegale Einkünfte, fährt einen Jaguar und bekommt Sozialhilfe. Der Fall des mutmasslichen Mörders Jeton G. zeigt die Systemfehler im Fürsorgestaat.

Von Philipp Gut

Verkehrte Welt: Sozialhilfebezüger Jeton G. auf einem Bild, das er im September 2014 auf Facebook veröffentlichte.Bild: facebook

Für die Linke und die Verteidiger der real ­existierenden Sozialhilfe ist klar: Der Fall ­Jeton G. ist ein Einzelfall, ein bedauerlicher Unfall in einem ansonsten bewährten System. Schuld seien allenfalls die lokalen Behörden. Grundsätzliche Fragen stellten sich nicht, ­Reformbedarf bestehe keiner – so der Tenor der Links- bis Mitteparteien in der Debatte des Zürcher Kantonsrats vergangene Woche. «Weder die Gesetze noch das System sind das Problem», sagte SP-Fraktionspräsident Markus Späth.

Jeton G., Anfang dreissig, eingebürgerter Kosovo-Albaner, verheiratet mit einer Landsfrau, zwei Kinder, wohnhaft im zürcherischen Regensdorf, mehrfach vorbestraft, sorgt zurzeit für Schlagzeilen. Er wird verdächtigt, am 1. März in Zürich Affoltern einen Türsteher aus Montenegro auf offener Strasse erschossen zu haben. Das mutmassliche Tötungsdelikt ist das eine. Das andere, was letztlich noch mehr irritiert, sind die Abgründe des Schweizer ­Sozialstaats, die zwischen den Zeilen auf­blitzten. Das Verrückte an diesem Fall ist ­nämlich, dass er ganz normal ist. Es gilt der Satz aus Shakespeares «Hamlet»: «Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode.»

Überteuerte Wohnung à 1901 Franken

Jeton G. konnte sich alles erlauben. Und er hat immer alles bekommen. Es fing schon bei der Einbürgerung durch das Stadtzürcher Parlament 2003 an. Aufgrund des Datenschutzes wussten die Parlamentarier nicht, dass sie ­einen Intensivtäter einbürgerten. Auch die SVP stimmte zu. Seither lebt Jeton G. vom Staat.

2009 zog er mit seiner vierköpfigen Familie nach Regensdorf, wo diese in den letzten Jahren Hunderttausende Franken an Sozialhilfe bezog. Im Durchschnitt waren es gegen 5000 Franken im Monat, netto und steuerfrei. Der sogenannte Grundbedarf beträgt 2110 Franken. Hinzu kommen Krankenkassenprämien, eine grosszügige Wohnung sowie sogenannte situationsbedingte Leistungen – eine Art ­Vollkaskodeckung, die den Sozialhilfebezüger von der Zahnarztrechnung über Selbstbehalte bis zu Abos von jeder Eigenverantwortung ­befreit.

Für die Unterkunft der Familie bezahlten die Steuerzahler jeden Monat 1901 Franken. Dieser Betrag übersteigt sogar die internen Höchstwerte. Dennoch wurde er während zweier Jahre bezahlt. Begründet wird die ­Finanzierung der nach eigenen Massstäben zu teuren Wohnung mit dem Hinweis, dass ­Jeton G. sich in verschiedenen Sozialprogrammen engagiere. Die Sozialarbeiter beantragten sogar, ihn und seine Frau vorübergehend von der Pflicht zu entbinden, sich nach ­einer günstigeren Wohnung umzusehen, solange sie an der Abklärung und der möglichen späteren Umsetzung von sogenannten berufsintegrativen Massnahmen teilnähmen.

Bloss: Diese Massnahmen – das war aufgrund des bisherigen Lebenslaufs von Jeton G. absehbar – fruchteten nichts. Jeton G. hat seit dem Abbruch seiner Lehre nie legal gearbeitet. Der Staat fütterte ihn seit dem 18. Lebensjahr durch und stellte ihm ein ganzes Karussell von Beratungen, Kursen, Hilfeleistungen zur ­Verfügung. Nicht nur die Gemeinde, auch der Kanton kümmerte sich um ihn.

Das bürokratische Gebilde nennt sich Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ), beteiligt ist eine Armada von Behörden: das Amt für Wirtschaft und Arbeit, das kantonale Sozialamt, das Amt für Jugend und Berufsberatung, die Sozialversicherungsanstalt Zürich sowie die Sozialdienste der beteiligten Gemeinden. Die IIZ führt eine eigene Geschäftsstelle, welche die Bemühungen der verschiedenen Ämter und Stellen koordiniert. Ziel ist es, die ­«Klienten», wie es im Sozialjargon heisst, in den Arbeitsmarkt oder den Scheinarbeitsmarkt (den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt) zu integrieren.

«Arbeitsmarktfern»

Die Behörden beugten sich mit offensichtlich durch nichts zu erschütternder Duldsamkeit und Geduld über Jeton G. und seine gleichaltrige Frau Valentinë, als wären diese unmündige Kinder. Zwar seien sämtliche arbeitsintegrativen Massnahmen bei Herrn G. bis dato ohne Erfolg geblieben, schrieb der zuständige Sozialarbeiter der Gemeinde Regensdorf im September 2013 hoffnungsvoll, aber umso mehr sei nun der Weg über das IIZ zu unterstützen. Auch Frau G. sei «arbeitsmarktfern». Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie bereits mindestens zehn Jahre auf Kosten der Allgemeinheit, ohne dass auch nur einer der Ehepartner je einer legalen Arbeit nachgegangen wäre.

Doch die Hoffnungen und Erwartungen erfüllten sich – einmal mehr – nicht. Auch das Grossaufgebot des Kantons konnte Jeton G. nicht dazu bringen, sich für eine ordentliche Arbeit zu interessieren. Das IIZ-Verfahren wurde im folgenden Jahr ohne Resultat ein­gestellt, aufgrund «unklarer Zusammen­arbeit» und «keiner ersichtlichen Motivation des Klienten», wie es in den Akten heisst. ­Jeton G. sabotierte alle Bemühungen. Er sagte Termine jeweils kurzfristig ab und führte ­sowohl die Gemeinde- wie auch die Kantonsbehörden an der Nase herum.

Dabei wussten die zuständigen Behörden nur zu gut, mit wem sie es zu tun hatten. Be­lege dafür finden sich in der Sozialakte der ­Familie G. zuhauf. Die betroffene Gemeinde und der Kanton halten selber fest, dass sich ­Jeton G. und seine Frau systematisch querstellten. Es sei schwierig bis unmöglich, mit den «Klienten» ein konstruktives Gespräch zu führen. Konkreten Fragen weiche Jeton G. aus. Auch Ehefrau Valentinë erscheine nicht wie abgemacht zu Terminen. Jeton G. verhalte sich unkooperativ bis infantil. Ein ehrliches ­Gespräch sei mit ihm nicht möglich. Ent­weder sage er das, wovon er annehme, «dass wir es hören wollen», oder er sage nicht die Wahrheit.

Dennoch zahlte der Staat pünktlich immer weiter. Warum sollte sich Jeton G. auch ändern? Sein ganzes Erwachsenenleben lang haben Gemeinden und Kanton umfassend für ihn und seine wachsende Familie gesorgt. Seine Ausflüchte wurden stets mit Erfolg belohnt.

Zu dumm, um ehrlich zu sein

Die Behörden wussten nicht nur, dass ­Jeton G. einen Jaguar fuhr. Sie bezahlten nicht nur zeitweilig eine überteuerte Wohnung. Sie wussten auch, dass Jeton G. ein Krimineller war, dass er Waffendelikte beging, dass er Einkünfte aus kriminellen Quellen hatte. Seinen Betreuern sagte Jeton G. ganz offen, er beschaffe sich illegale Mittel, unter anderem durch Hanfanbau. Doch sanktioniert wurde er kaum. Bloss ein einziges Jahr lang wurde der Grundbedarf ­wegen mangelnder Kooperation um fünfzehn Prozent gekürzt.

Am Ende zahlten die Regensdorfer ­sogar zu viel: Weil das Amt für Justizvollzug aus ­Datenschutzgründen die Inhaftierung verschwieg, entrichtete die Wohngemeinde ­überflüssigerweise auch Sozialhilfe, während ­Jeton G. im Gefängnis sass. Diese ungerechtfertigten Zahlungen hat sie bis heute nicht ­zurückverlangt. Juristisch wäre das heikel, sagt ein Gemeindevertreter.

Die Sozialarbeiter zeigten weiterhin Verständnis und Zuversicht. Sie hoffe, dass sich Jeton G. von seinen illegalen Aktivitäten lösen könne, schrieb die zuständige kantonale Betreuerin an die Gemeinde. Sie merke, dass er grundsätzlich einen anderen Weg einschlagen wolle. Dazu sei er jedoch aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, «kognitiv, aber auch fehlender Ausbildung wegen». Im Klartext: Jeton G. sei zu dumm, um ehrlich zu sein. Eine erstaunliche Diagnose.

Wie weit man der renitenten Familie entgegen kam, zeigt auch folgende Episode. Sollte ­Jeton G. inhaftiert werden, sei die überhöhte Miete auch für einen Dreipersonenhaushalt zu übernehmen, um die Familiensituation möglichst stabil ­halten zu können, forderte ein fallbetreuender ­Sozialarbeiter.

Was musste Jeton G., der angeblich zu einer legalen Tätigkeit «kognitiv» nicht fähig war, aus all dem lernen? Der Schluss wurde ihm ­geradezu aufgedrängt: «Egal, wie du dich benimmst, ganz gleich, ob du sogar kriminell handelst, der Schweizer Sozialstaat zahlt und sorgt für dich.» Jede noch so dreiste Entgleisung wird toleriert, ja sogar belohnt. Die Leistungen werden nicht gekürzt, sondern in Relation zu den Profiteuren noch erhöht, wenn das Familienoberhaupt erklärtermassen kriminelle Geschäfte treibt. Verkehrte Welt.

Der Familienvater, der es sich in der sozialen Hängematte bequem eingerichtet hatte, Jaguar S-Type inklusive, handelte aus seiner Sicht völlig ­rational. Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Er nimmt, was er vorfindet und was man ihm zur Verfügung stellt. Jeton G. hat schlicht keinen Anreiz, zu arbeiten oder sich auch nur eini­germassen korrekt zu verhalten. Er kann beliebig über die Stränge hauen – sein Lebensmodell, auf Kosten der Mitbürger zu leben, die redlich arbeiten und Steuern abliefern, fun­ktioniert so oder so. Der Staat garantiert ihm und seiner vierköpfigen Familie mittels Sozial­hilfe und weiterer Transferzahlungen einen Lebensunterhalt, der einem Jahreseinkommen von rund 70 000 bis 80 000 Franken entspricht, steuerfrei. Ein solches Einkommen könnten der ungelernte Jeton G. und seine ebenfalls ungelernte Frau Valentinë durch ­Arbeit kaum erzielen.

Ein Fall unter vielen

Die Erkenntnis bleibt beunruhigend: Wäre ­Jeton G. nicht als Verdächtigter im sogenannten Türstehermordfall verhaftet worden – ­seine aufsehenerregende Sozialkarriere wäre wohl nie ans Licht gekommen. Datenschutz und Amtsgeheimnis sind zuverlässige Komplizen. Das hermetisch gegen aussen abgeschottete Sozialsystem bewahrt nicht nur sich selber, sondern auch seine Klienten vor jeder Kritik. Das zeigte auch die Tatsache, dass Behörden und Justiz nicht etwa gegen Jeton G. vorgingen, sondern lieber Anzeige gegen unbekannt erstatteten wegen eines vermuteten Lecks. Es ist ein fataler Kreislauf: Der Weg des geringsten Widerstandes zahlt sich für alle aus. Das zeigen Recherchen auch in anderen Kantonen und Gemeinden.

Wohnen — Theoretisch gibt es Höchstbeträge für Mieten, doch grosszügige und überteuerte Wohnungen gehören zum Sozialalltag. Der Weltwoche liegt ein ganz ähnlich gelagerter Fall aus einer anderen Gegend vor. Nur, dass hier die «Luxuswohnung» (Zitat aus den Fallakten) die an sich zulässige Obergrenze der Kosten noch viel deutlicher übertraf als im Fall G. Auch die Familiensituation ist vergleichbar: eine ausländische Frau mit zwei Kindern, der ebenfalls ausländische Gatte sitzt im Gefängnis. Die Wohnung kostete mehr als 2000 Franken, die Limite lag bei 1500 Franken – was einer Kostenüberschreitung von 25 Prozent entspricht.

Die Sozialbehörde wollte eigentlich handeln und wies die Frau an, eine günstigere Wohnung zu suchen. Doch dagegen legte die Betroffene, die lieber in der Luxuswohnung bleiben wollte, Rekurs ein. Und sie bekam recht. Die Auflage der Gemeinde, eine günstigere Wohnung zu suchen, sei «nicht verhältnismässig», urteilte die Rekursinstanz. Als Argument «für die Beibehaltung der aktuellen Wohnsituation» fügte sie unter anderem an: «Mit der Auflage, eine günstigere Wohnung zu suchen (und letztlich auch zu beziehen), würde die Chance anderer Sozialhilfebezüger auf eine günstige Wohnung eingeschränkt.» Was für eine Begründung!

Auto — Der Fall Jeton G. ist auch kein Einzelfall, was den Besitz von Autos, ja von Luxus­karossen betrifft. Die Weltwoche hat schon vor Jahren anhand von Beispielen aus der Stadt Zürich aufgedeckt, dass Sozialhilfebezüger auch schnittige Cabriolets und imposante Offroader steuern («BWM-Fall»). Dass Jeton G. einen Jaguar fahre, habe ihn nicht gewundert, sagt ein Sozialdetektiv. Es sei überhaupt kein Problem, als Fürsorgefall auch teure Autos zu besitzen. Eine griffige Kontrolle sei kaum möglich. Oft seien die Wagen auch auf Drittpersonen eingelöst.

Arbeit — Der Fall Jeton G. ist auch kein Einzelfall in Sachen Arbeitsverweigerung. Der Fehler liegt im System: Die von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) vorgegebenen Ansätze sind so hoch, dass sich Arbeit vor allem für Bezüger mit Kindern gar nicht lohnt. Sie bekommen alles gratis und franko: Grundbedarf, Wohnung, Krankenkasse, Franchise, Selbstbehalt, Zahnarzt, Brille, Möbel, Kinderbetreuung und so fort. Steuern? Null. Betreibungen? Müssen abgeschrieben werden, da offiziell ja kein Geld vorhanden ist. Und wie die zum Teil recht teuren Autos zeigen, kommt das grosszügig ausgeschüttete Kindergeld auch nicht unbedingt jenen zu­gute, für die es gedacht ist.

Einkünfte und Vermögen — Der Fall Jeton G. ist schliesslich auch kein Einzelfall, was illegale Einkünfte und verschwiegenes Vermögen betrifft. Eigentlich müssten sämtliche Einkünfte, Zuwendungen und Geschenke ­deklariert und ab einer bestimmten Höhe auch angerechnet werden. Aber wer kann das schon kontrollieren? Wie Jeton G. haben viele Fürsorgebezüger illegale Nebeneinnahmen, die, vor allem wenn sie aus dem Drogenhandel stammen, astronomische Höhen erreichen können. Berufskriminelle nutzen die Sozialhilfe gern als Alibi, um das Fehlen legaler Einkünfte zu verdecken.

Dass die Verantwortlichen oft lieber wegschauen als nachforschen und sanktionieren, zeigt das Beispiel eines Serben aus einer mittelgrossen Gemeinde.

Der Mann deklarierte die Leistungszahlung einer Sozialversicherung in der Höhe von 40 000 Franken nicht. Auch zusätzliche Einnahmen von 52 000 Franken verschwieg er. Er steckte das Geld in Konsum und verwendete es zur Rückzahlung privater Schulden. Die Gemeinde stand vor der Wahl: den Grundbetrag um 15 Prozent kürzen, Überwachung und allfällige Strafanzeige oder beide Augen zudrücken und nichts tun. Bei einer Kürzung des Grundbetrags dauerte es Jahrzehnte, bis die Betrugssumme wieder eingespielt wäre. Würde der Serbe angezeigt und auch verurteilt, würde er – da offiziell mittellos – die Busse oder Strafe nicht bezahlen. Am Ende riet die Ausländerberatungsstelle der Gemeinde, auf die Rückforderung wie auch auf die Kürzung zu verzichten. Der Serbe machte also die gleiche Erfahrung wie Jeton G.: «Du kannst dir alles erlauben.» Der Schweizer Staat toleriert und deckt sogar Betrug.

Ein weiteres Problem, das die Behörden nicht in den Griff kriegen, ist der verbreitete Immobi­lienbesitz im Ausland. Fachleute gehen davon aus, dass sogar die grosse Mehrzahl der ­Sozialfälle aus Ex-Jugoslawien Land und Haus in der alten Heimat besitzt. Auch hier sei eine Kontrolle schwierig bis unmöglich. Meist finde gar keine Überprüfung statt. Und wenn, dann ende sie meist ergebnislos: Es fehlen Einträge im Katasteramt, wenn es ein solches überhaupt gibt. Oder die Häuser sind pro forma auf Verwandte oder Bekannte überschrieben.

Den Mechanismus illustriert der Fall eines bosnischen Ehepaars, welcher der Weltwoche zugetragen wurde. Die Sozialbehörde ver­fügte über Bilder, die das Einfamilienhaus des Paars in seiner Heimat zeigen, und erstattete Strafanzeige. Doch auch dies nützte nichts. Das Ehepaar brachte daraufhin eine amtliche Bescheinigung bei, dass es keine Immobilie besitze. Wahrscheinlich ist diese Bescheinigung für ein paar Dutzend Euro gekauft worden. Aber das Schweizer Gericht musste sie akzeptieren. Die Gemeinde hatte das Nachsehen. Es liessen sich noch zahllose weitere Fall­beispiele anführen, die stets auf denselben Grundmissstand hinweisen: Die Sozialhilfe schafft erst ein Problem, das sie zu lösen vorgibt. Sie stellt ein Angebot zur Verfügung, samt Rechtsanspruch und vielfältigen Rekursmöglichkeiten, das für eine wachsende Zahl von «Klienten» nicht nur bequemer, sondern auch lukrativer ist als ehrliche Arbeit.

Das hat auch kulturelle Ursachen. Rund 50 Prozent der Fürsorgebezüger sind Ausländer, zählt man die Eingebürgerten dazu, dürften über 70 Prozent einen sogenannten Migrationshintergrund haben (genaue Statistiken existieren nicht, die Schätzung beruht auf Stichproben in Zürcher Agglomerations­gemeinden). Auch wenn die «Klienten», wie Jeton G., offiziell Schweizer sind, haben sie ­ihre mediterrane Mentalität bewahrt. Von der Sozialhilfe zu leben, erfüllt sie nicht mit Scham. Die Staatsrente ist für sie vielmehr ein Anspruch, den sie selbstbewusst einfordern. Darauf freiwillig zu verzichten, empfänden sie geradezu als absurd. Das hat kürzlich auch die St. Galler Ökonomieprofessorin Monika Bütler hervorgehoben, die von einer «tickenden Anstandsbombe» sprach. Irgendwann wird dieses feudalistische System, bei dem eine wachsende leisure class von Sozialrentnern auf Kosten der arbeitenden Klasse lebt, nicht mehr finanzierbar sein.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-12/schweiz-jeton-g-und-der-alltaegliche-sozialwahnsinn-die-weltwoche-ausgabe-122015.html

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Die Weltwoche, Ausgabe 12/2015

Der Bundesrat will 3000 weitere Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Damit droht ein bürokratisches, ­ungerechtes und vor allem teures Auswahlverfahren. Mit dem Geld könnte an Ort und Stelle viel besser geholfen werden.

Von Kurt Pelda

Dreissig Millionen Franken hat die reiche Schweiz letztes Jahr ausgegeben, um die Folgen der syrischen Flüchtlingskatastrophe zu lindern. ­Inzwischen sind rund elf Millionen Syrer auf der Flucht – in Syrien selbst oder im Ausland. Die offizielle Hilfe aus der Schweiz belief sich damit auf weniger als drei Franken pro Flüchtling und Jahr – eine Schande für die huma­nitäre Schweiz. Im laufenden Jahr will der Bundesrat die humanitäre Hilfe deshalb aufstocken, auf fünfzig Millionen Franken beziehungsweise Fr. 4.55 pro Flüchtling und Jahr.

Prioritäten der Hilfsplanwirtschaft

Auch wenn der Bundesrat gerne darauf verweist, dass die Schweiz seit Ausbruch der syrischen Revolution 2011 insgesamt rund 130 Millionen Franken für die Minderung der Krise ausgegeben hat, wissen alle, dass dieser Betrag beschämend klein ist. Lieber kümmern sich unsere staatlich besoldeten Profi-Helfer um die Probleme in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. Das Jahresbudget der Osthilfe bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) beträgt etwa so viel, wie Bern in vier Jahren für die gesamte syrische Tragödie ausgegeben hat, immerhin die grösste humanitäre Katastrophe der letzten Jahrzehnte. Und in Nordkorea, China und Sri Lanka gab die Deza insgesamt mehr Geld pro Jahr aus als für alle syrischen Flüchtlinge zusammen. Das sind die Prioritäten der staatlichen Hilfsplanwirtschaft.

Um das eigene Versagen zu kaschieren, hat der Bundesrat nun die Schnapsidee, 3000 zusätzliche Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dabei ist ein seit eineinhalb Jahren laufendes Pilotprojekt für 500 Syrer noch nicht einmal zur Hälfte abgeschlossen. Und nun sollen also 3000 Flüchtlinge dazukommen. Sollte das neue Programm im Schneckentempo des Pilotprojekts abgewickelt werden, würde die Schweiz schätzungsweise noch in zwölf Jahren damit beschäftigt sein, die letzten Syrer aufzunehmen. Bis dahin stehen die Chancen vielleicht aber gar nicht so schlecht, dass der Bürgerkrieg in Syrien zu Ende gegangen ist und die Leute endlich wieder zurück in ihre Heimat gehen können.

Kosten soll das neue Programm maximal 42 Millionen Franken pro Jahr – also 14 000 Franken pro Flüchtling und Jahr. Das ist das 3000-Fache von dem, was dem Bundesrat derzeit ein syrischer Flüchtling in Nahost wert ist. Dass in diesem Betrag auch die Kosten der ­Unterbringung und der Sozialhilfe enthalten sind, die viele der Flüchtlinge benötigen werden, ist zu bezweifeln. So viel Geld für so wenig Menschen auszugeben, ist zutiefst unmoralisch. Auch in der humanitären Hilfe sollte der ökonomische Grundsatz gelten, mit einem gegebenen Betrag möglichst vielen Menschen zu helfen. Bern will nun offenbar genau das Gegenteil. Dabei sollte sich die Schweiz lieber darauf konzentrieren, an Ort und Stelle zu ­helfen und die Flüchtlinge in Ländern ihres Kulturkreises unterzubringen, in Staaten, in denen Arabisch gesprochen wird und wo Muslime die Mehrheit bilden. Aufnehmen sollten wir Schwerverwundete und Traumatisierte, denen das Schweizer Gesundheitswesen das bieten kann, was es in Syriens Nachbarländern an Hilfe und Therapien nicht gibt. Und dafür sollte insgesamt sehr viel mehr Geld budgetiert werden. So könnte die Deza die Balkan- und Osthilfe drastisch kürzen und die Ein­sparungen für Syrien aufwenden. 2013 pumpte die Deza sagenhafte 120 Millionen Franken in den Balkan, die Hälfte davon ins Kosovo. Wofür genau?

Falsche Anreize

1000 der 3000 zusätzlichen Flüchtlinge sollen durch Familienzusammenführung in die Schweiz kommen. Einer, der jetzt auf das ­grosse Los spekuliert, ist der kurdische Syrer Dilshad (Name geändert), der bereits zwei Geschwistern mit einer ganzen Reihe von Lügengeschichten in der Schweiz zu Asyl verhalf. Bei einer seiner Schwestern fälschte er das Geburtsdatum, und er liess sie ein Märchen erzählen, laut dem ihr Verfolgung aus den eigenen kurdischen Reihen in Syrien drohe. Vom Rest der Familie fehle jede Spur, behauptete er während des Asylverfahrens. Dabei spricht er via Skype fast täglich mit seinen Eltern, die an einem sicheren Ort in Syrien leben.

Die anderen 2000 Menschen sollen im ­Rahmen eines Umsiedlungsprogramms des Uno-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in die Schweiz geholt werden. Das UNHCR trifft dabei die Vorauswahl in den syrischen Nachbarländern, bevor die Kandidaten in Bern vom Staatssekretariat für Migration und vom Nachrichtendienst des Bundes unter die Lupe genommen werden. Unter Millionen Flüchtlingen 3000 auszuwählen und mit einem Ticket ins Paradies auszustatten, ist immer ungerecht. Und es schafft falsche Anreize in Aufnahmeländern wie Libanon, Jordanien und der Türkei. Ein Helfer im Libanon erzählt zum Beispiel: «Wenn die Syrer glauben, dass alleinerzie­hende Frauen bessere Chancen auf Aufnahme haben, dann gibt es plötzlich ganz viele Mütter mit ­verschollenen Ehemännern.»

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-12/zutiefst-unmoralisch-die-weltwoche-ausgabe-122015.html

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  am 13.03.2015   auf Achgut.com

Fachkraft oder Flüchtling – Wer darf ins Wirtschaftswunderland?

Schon beim Titel der gestrigen Talkshow bei Maybritt Illner, zu der ich eingeladen war, hätte ich gewarnt sein müssen. Thema verfehlt, fünf, hätte es in der Schule geheißen, denn mit den gegenwärtigen dringenden Problemen, unter denen unser Land ächzt, hat diese Fragestellung nichts zu tun.

Es ist ja keineswegs so, dass irgendjemand entscheiden kann, wer hierher kommen darf und wer nicht, sondern wir haben es mit einem wachsenden Strom von Zuwanderern zu tun, die aufgenommen werden müssen.

Nehmen wir Rosenheim als Beispiel, wo täglich bis zu 600 /  800 oder 1000 Leute aus dem Kosovo ankommen. Ein Drittel der dortigen Bevölkerung hat sich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Der Exodus ist so schlimm, dass sich die Regierung des Kosovo an die deutsche Regierung gewandt und gebeten hat, ihre Landsleute wieder zurück zu schicken. Besonders die Fachkräfte werden im Land dringend gebraucht. Vorher müssen aber alle Asylanträge bearbeitet werden. Das dauert auch im beschleunigten Verfahren Wochen. Die von professionellen Schleuserbanden beförderten Menschen sind gut unterrichtet, was sie wie beantragen müssen.
In Rosenheim sind alle nur denkbaren Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Turnunterricht an den Schulen ist kaum noch möglich, denn die Hallen sind besetzt, Schwimmbäder geschlossen. Das Vereinsleben der Stadt ist fast zum Erliegen gekommen, denn die Vereinsheime sind belegt, sowie Kasernen , Gaststättensäle, Hotels. Die freiwilligen Sozialhelfer, egal ob Caritas , Diakonie oder Rotes Kreuz sind am Ende ihrer Kräfte. Die Stadt ist pleite. Geplante Renovierungen von Schulen, Kindergärten und Straßen nach dem Hochwasser, sind auf unbestimmte Zeit wegen finanzieller Schwierigkeiten verschoben.

Rosenheim ist nur ein Beispiel von vielen, aber von Problemen war in Illners Sendung nicht die Rede. Zwei Drittel der Sendung bestritt die Moderatorin mit den Vertretern der Großen Koalition Thomas Oppermann von der SPD und Andreas Scheuer von der CSU, die heile Welt spielten.

Oppermann durfte ausführlich über das kanadische Einwanderungsmodell referieren, das er vor Ort studiert hatte, wobei er der Frage auswich, ob ein Einwanderungsgesetz nach diesem Muster die bestehenden Zuwanderungsregeln ersetzen, oder auf sie draufgesattelt werden soll.

Scheuer vertrat die Ansicht, dass Deutschland über drei funktionierende Systeme verfüge ( Asylgesetz, Zuwanderungsgesetz, Blue- Card). Es gäbe keinen Bedarf für eine neue Regelung.

Es gelang mir einwenden, dass die Systeme eben nicht funktionieren. Es gibt mindestens sechzig Vorschriften, nach denen bei der Bearbeitung eines Asylantrags verfahren werden soll. Auch der erfahrenste Bearbeiter kann nicht zusätzlich zu den Gesetzestexten noch sechzig Ausführungsbestimmungen im Kopf haben. Das macht das Asylverfahren zum bürokratischen Hindernislauf.

Am Ende kommt heraus, dass höchstens zehn Prozent der Eingereisten durch das Asylverfahren anerkannt werden kann, um die dreißig Prozent erhalten aus unterschiedlichen Gründen Abschiebeschutz. Die restlichen sechzig Prozent verharren, so sie nicht freiwillig das Land verlassen oder abgeschoben werden, was immer seltener der Fall ist, in einem undefinierten Duldungsstatus.

Inzwischen ist die Zahl dieser Menschen auf geschätzte 600 000 angestiegen. Einen solchen Zustand als „funktionierendes System“ zu beschreiben, ist blanke Realitätsverweigerung.

Das Drehbuch der Sendung war sichtbar darauf angelegt, solche Probleme nicht zu diskutieren.

Stattdessen förderte Illner nach Kräften den üblichen öden Politiker- Schaukampf, in den ab und zu auch MP Ramelow einbezogen wurde, wobei es nicht um Inhalte, sondern um Apercus ging. Je weiter die Sendung fortschritt, desto prächtiger amüsierten sich Oppermann und Scheuer, bis im Studio eine schenkelklopfende Stammtischatmosphäre herrschte.

Am Schluss kam durch eine Zuschauerfrage doch noch mal ein Problem zur Sprache. Ob die zugewanderten Fachkräfte nicht zum Lohndumping eingesetzt werden würden. Sogar in der ARD hatte es, wenn auch zu mitternächtlicher Stunde, eine Sendung gegeben, die genau das bewies.

Aber die Vertreter der Gorko waren sich sofort einig, dass dies gar nicht sein könne, weil mit Mindestlohn und Tarifvertrag so etwas ausgeschlossen sei.  Wenn sich die Politiker die Mühe machen würden, die Zuschauermeinungen zur Sendung zu lesen, würden sie feststellen, wie sehr ihnen widersprochen wird und wie satt die Wähler ihre selbstverliebten Darstellungen haben.

Weil die Einwanderung aber ein drängendes Problem ist, das einer dringenden Debatte bedarf, werde ich in einem nächsten Beitrag veröffentlichen, was ich für Illner vorbereitet hatte, aber nicht vortragen konnte.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/fachkraft_oder_fluechtling_wer_darf_ins_wirtschaftswunderland

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Dieser Exodus ist ein unfassbar großes Geschäft

Weltweit vernetzt und mit modernsten Mitteln betreibt die organisierte Kriminalität das Schleusergeschäft. Wer das eindämmen will, muss diese Strukturen zerschlagen – alles andere nützt nichts.

Von Dirk Schümer, Die Welt, 02.04.l15

Das größte Reisebüro der Welt ist die Mafia. Hunderttausende von Armutsmigranten und Kriegsflüchtlingen aus aller Welt kommen über illegale Kanäle in Europa an. Wenn die Fernsehnachrichten ausgemergelte Boatpeople beim Anlanden in Lampedusa zeigen und wir über die schrottreifen Kähne erschaudern, wenn wieder einmal Hunderte von Leichen Verzweifelter in Sizilien angespült werden, dann zeigt uns das nur, wie umtriebig die Branche längst agiert.

Gewöhnlich gelingt die kriminelle Einreise nach Europa nämlich, und das ist auch ganz im Interesse der Schleuser. Wenn in afrikanischen Dörfern die glücklichen Auswanderer anrufen oder syrische Großfamilien einen der Ihren in Deutschland unterbringen konnten, dann bedeutet das neue Geschäfte für die Bosse: Der große Exodus geht weiter – und zugleich das große Geschäft.

Wir, die wir im befriedeten Sozialstaat unser Leben außergewöhnlich sicher verbringen, können über diese Verhältnisse schimpfen oder die Toten betrauern; wir können betroffen Geld für Hilfsorganisationen spenden; oder wir können Parteien mit knallharten Losungen gegen Zuwanderung wählen. Das ist alles nur Therapie für unsere sensible Seele.

Täter sind sehr einfallsreich

Ändern werden wir die Misere der Flüchtlinge damit genauso wenig wie den Strom von Millionen. Die italienischen Autoren Andrea Di Nicola und Giampaolo Musumeci ermöglichen in ihrem soeben erschienenen Buch „Bekenntnisse eines Menschenhändlers“ Einblicke ins internationale Schleusergewerbe. Der Einfallsreichtum und die Flexibilität der Täter sind staunenswert.

Bis in Weiler des Senegal kann man in Agenturen gegen einen horrenden Preis seine Passage nach Europa buchen. Aus Pakistan sind täglich Bataillone vorgeblicher Erntearbeiter mit echten Papieren nach Italien unterwegs. Türkische und griechische Grenzbeamte verdienen dreifache Gehälter mit dem Durchwinken Verzweifelter, und in den Häfen blüht der Bootsverkauf.

Steigert ein Land, wie kürzlich Albanien, die Grenzkontrollen, ändert sich die Route geschmeidig. Erkennen Holland oder Deutschland plötzlich Eritreer als Kriegsflüchtlinge an, sitzen mit Zauberschlag plötzlich ausschließlich Menschen mit gefälschten Pässen von Eritrea in den Seelenverkäufern.

Wer genug Geld – mindestens 7000 Euro – aus den kargen Volkswirtschaften im Irak oder im Jemen abzweigen konnte, der kann auch als Familienurlauber mit gefälschten saudischen Pässen in Mitteleuropa landen, Hawaiihemd und Fotoapparat inklusive. Oder die Gruppenreise geht in der gecharterten und dann geklauten Luxusyacht an allen Grenzkontrollen vorbei vom Peloponnes nach Apulien – und weiter über die Alpen.

Steuerfreie Blutgelder

Selbst sechsstellige Summen für ein Großboot ohne Rückfahrkarte sind für die Schleuserbosse kein Problem, wenn mit einem Schiff steuerfreie Blutgelder von über fünf Millionen Euro hereinkommen. Zum Vergleich: Frontex, die europäische Agentur zur Bewachung der Außengrenzen, verfügt über einen Jahresetat von 90 Millionen Euro.

Das alles mag zynisch klingen, aber es ist unser Alltag. Als 2013 mehrere Hundert Schwarzafrikaner vor Lampedusa im winterlichen Mittelmeer ertranken, sah die Polizei das nicht nur als humanitäre Katastrophe, sondern als Kollateralschaden: Die Schwarzen, die bei den libyschen Schleuserbossen wenig gelten, seien als reiner Testlauf ins stürmische Meer getrieben worden.

Wer sich aus Schwarzafrika auf den langen Treck nach Europa macht, weiß meist schon vorher: Wenn das spärliche Geld aufgebraucht ist, muss der Migrant unterwegs Drecksarbeit machen, muss sich von den Schleusern schlagen und demütigen lassen; Frauen werden oft vergewaltigt.

Und doch ist die Verzweiflung größer. Befragt nach ihren Motiven, antworten viele Reisende, dass sie den Tod nicht fürchten, denn sie hoffen auf ein Leben ohne Angst und ohne Hunger. Solange diese Kluft bestehen bleibt, können einzelne Schleuserbosse wie der Türke Moammar Küçük in ihrem Gewerbe zu Multimillionären aufsteigen, ohne je ein Boot zu betreten. Als Küçük 2011 von internationalen Fahndern verhaftet wurde, hatte er offenbar bereits allerbeste Kontakte, denn über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

Migranten sind mit GPS unterwegs

 

Die Fahnder wissen, dass für jede zerschlagene Schleuserbande mindestens eine neue nachrückt. Vom Anwerber in den „failed states“ in Afrika und Nahost über die Quartiermacher in Istanbul, Kairo oder Tripolis bis zu den Kapitänen und den Kontaktpersonen in Italien oder Deutschland – alles ist vorbereitet und technisch ausgestattet.

Täglich sind Migranten mit GPS-Geräten in der Sahara unterwegs oder peilen direkt die Routen der Handelsschiffe an, von denen sie dann gerettet werden. Die Geldflüsse – man schätzt die Einnahmen des Migrationsbusiness auf rund 20 Milliarden Dollar jährlich – werden oft über islamische Kleinhändler nach dem „Hawala“-System über gegenseitige Verrechnung abgewickelt und sind für die Finanzbehörden unauffindbar.

Viele Tausend Tote dieses Geschäftsmodells haben die Bosse, die sich als Dienstleister für Menschen in Not verstehen, ohnehin eingepreist. Und haben wir Europäer das nicht auch? Solange die Nachfrage für ein Ticket nach Europa für fast jede Summe besteht, solange ganze Dorfgemeinschaften auf die Überweisungen eines Migranten hoffen und solange ganze Staaten wie Irak, Syrien, Libyen oder Afghanistan in Bürgerkriegen kollabieren, die oft genug auf westliche Kriegshandlungen folgen – so lange wird auch der Exodus der Verzweifelten weitergehen.

Größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg

Erst wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich, Rechtlosigkeit und Gesetz, Dritter Welt und Europa ein wenig schlösse, würde die größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg abflauen – und den Schleusern das Geschäft vermiest. Doch wann werden sich die Bürgerkriegsgebiete in Afrika und Nahost wohl stabilisieren?

Wer sich wundert, wieso die zivilisierte Welt vor 1940 nicht ein paar Millionen jüdische Flüchtlinge aufnehmen wollte, die von der Vernichtung durch die Nationalsozialisten akut bedroht waren, der braucht nur in die Tagesnachrichten zu schauen. Die Todesnot in den Kriegsgebieten steht nun einmal in keinem Verhältnis zur bedrohten Saturiertheit in den friedlichen und reichen Ländern.

Wer will schon, dass Millionen Traumatisierte zu uns flüchten? Aber eine Wahl haben sie nicht. Syrer und Afghanen können einen Asylstatus in unserem sozialstaatlichen Paradies erwerben, aber vorher müssen sie dafür durch die Hölle gehen. Die Multimillionäre vom größten Reisebüro der Welt hören das gerne.

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Dieser Exodus ist ein unfassbar großes Geschäft

Weltweit vernetzt und mit modernsten Mitteln betreibt die organisierte Kriminalität das Schleusergeschäft. Wer das eindämmen will, muss diese Strukturen zerschlagen – alles andere nützt nichts.

Das größte Reisebüro der Welt ist die Mafia. Hunderttausende von Armutsmigranten und Kriegsflüchtlingen aus aller Welt kommen über illegale Kanäle in Europa an. Wenn die Fernsehnachrichten ausgemergelte Boatpeople beim Anlanden in Lampedusa zeigen und wir über die schrottreifen Kähne erschaudern, wenn wieder einmal Hunderte von Leichen Verzweifelter in Sizilien angespült werden, dann zeigt uns das nur, wie umtriebig die Branche längst agiert.

Gewöhnlich gelingt die kriminelle Einreise nach Europa nämlich, und das ist auch ganz im Interesse der Schleuser. Wenn in afrikanischen Dörfern die glücklichen Auswanderer anrufen oder syrische Großfamilien einen der Ihren in Deutschland unterbringen konnten, dann bedeutet das neue Geschäfte für die Bosse: Der große Exodus geht weiter – und zugleich das große Geschäft.

Wir, die wir im befriedeten Sozialstaat unser Leben außergewöhnlich sicher verbringen, können über diese Verhältnisse schimpfen oder die Toten betrauern; wir können betroffen Geld für Hilfsorganisationen spenden; oder wir können Parteien mit knallharten Losungen gegen Zuwanderung wählen. Das ist alles nur Therapie für unsere sensible Seele.

Täter sind sehr einfallsreich

Ändern werden wir die Misere der Flüchtlinge damit genauso wenig wie den Strom von Millionen. Die italienischen Autoren Andrea Di Nicola und Giampaolo Musumeci ermöglichen in ihrem soeben erschienenen Buch „Bekenntnisse eines Menschenhändlers“ Einblicke ins internationale Schleusergewerbe. Der Einfallsreichtum und die Flexibilität der Täter sind staunenswert.

Bis in Weiler des Senegal kann man in Agenturen gegen einen horrenden Preis seine Passage nach Europa buchen. Aus Pakistan sind täglich Bataillone vorgeblicher Erntearbeiter mit echten Papieren nach Italien unterwegs. Türkische und griechische Grenzbeamte verdienen dreifache Gehälter mit dem Durchwinken Verzweifelter, und in den Häfen blüht der Bootsverkauf.

Steigert ein Land, wie kürzlich Albanien, die Grenzkontrollen, ändert sich die Route geschmeidig. Erkennen Holland oder Deutschland plötzlich Eritreer als Kriegsflüchtlinge an, sitzen mit Zauberschlag plötzlich ausschließlich Menschen mit gefälschten Pässen von Eritrea in den Seelenverkäufern.

Wer genug Geld – mindestens 7000 Euro – aus den kargen Volkswirtschaften im Irak oder im Jemen abzweigen konnte, der kann auch als Familienurlauber mit gefälschten saudischen Pässen in Mitteleuropa landen, Hawaiihemd und Fotoapparat inklusive. Oder die Gruppenreise geht in der gecharterten und dann geklauten Luxusyacht an allen Grenzkontrollen vorbei vom Peloponnes nach Apulien – und weiter über die Alpen.

Steuerfreie Blutgelder

Selbst sechsstellige Summen für ein Großboot ohne Rückfahrkarte sind für die Schleuserbosse kein Problem, wenn mit einem Schiff steuerfreie Blutgelder von über fünf Millionen Euro hereinkommen. Zum Vergleich: Frontex, die europäische Agentur zur Bewachung der Außengrenzen, verfügt über einen Jahresetat von 90 Millionen Euro.

Das alles mag zynisch klingen, aber es ist unser Alltag. Als 2013 mehrere Hundert Schwarzafrikaner vor Lampedusa im winterlichen Mittelmeer ertranken, sah die Polizei das nicht nur als humanitäre Katastrophe, sondern als Kollateralschaden: Die Schwarzen, die bei den libyschen Schleuserbossen wenig gelten, seien als reiner Testlauf ins stürmische Meer getrieben worden.

Wer sich aus Schwarzafrika auf den langen Treck nach Europa macht, weiß meist schon vorher: Wenn das spärliche Geld aufgebraucht ist, muss der Migrant unterwegs Drecksarbeit machen, muss sich von den Schleusern schlagen und demütigen lassen; Frauen werden oft vergewaltigt.

Und doch ist die Verzweiflung größer. Befragt nach ihren Motiven, antworten viele Reisende, dass sie den Tod nicht fürchten, denn sie hoffen auf ein Leben ohne Angst und ohne Hunger. Solange diese Kluft bestehen bleibt, können einzelne Schleuserbosse wie der Türke Moammar Küçük in ihrem Gewerbe zu Multimillionären aufsteigen, ohne je ein Boot zu betreten. Als Küçük 2011 von internationalen Fahndern verhaftet wurde, hatte er offenbar bereits allerbeste Kontakte, denn über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

Migranten sind mit GPS unterwegs

Die Fahnder wissen, dass für jede zerschlagene Schleuserbande mindestens eine neue nachrückt. Vom Anwerber in den „failed states“ in Afrika und Nahost über die Quartiermacher in Istanbul, Kairo oder Tripolis bis zu den Kapitänen und den Kontaktpersonen in Italien oder Deutschland – alles ist vorbereitet und technisch ausgestattet.

Täglich sind Migranten mit GPS-Geräten in der Sahara unterwegs oder peilen direkt die Routen der Handelsschiffe an, von denen sie dann gerettet werden. Die Geldflüsse – man schätzt die Einnahmen des Migrationsbusiness auf rund 20 Milliarden Dollar jährlich – werden oft über islamische Kleinhändler nach dem „Hawala“-System über gegenseitige Verrechnung abgewickelt und sind für die Finanzbehörden unauffindbar.

Viele Tausend Tote dieses Geschäftsmodells haben die Bosse, die sich als Dienstleister für Menschen in Not verstehen, ohnehin eingepreist. Und haben wir Europäer das nicht auch? Solange die Nachfrage für ein Ticket nach Europa für fast jede Summe besteht, solange ganze Dorfgemeinschaften auf die Überweisungen eines Migranten hoffen und solange ganze Staaten wie Irak, Syrien, Libyen oder Afghanistan in Bürgerkriegen kollabieren, die oft genug auf westliche Kriegshandlungen folgen – so lange wird auch der Exodus der Verzweifelten weitergehen.

Größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg

Erst wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich, Rechtlosigkeit und Gesetz, Dritter Welt und Europa ein wenig schlösse, würde die größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg abflauen – und den Schleusern das Geschäft vermiest. Doch wann werden sich die Bürgerkriegsgebiete in Afrika und Nahost wohl stabilisieren?

Wer sich wundert, wieso die zivilisierte Welt vor 1940 nicht ein paar Millionen jüdische Flüchtlinge aufnehmen wollte, die von der Vernichtung durch die Nationalsozialisten akut bedroht waren, der braucht nur in die Tagesnachrichten zu schauen. Die Todesnot in den Kriegsgebieten steht nun einmal in keinem Verhältnis zur bedrohten Saturiertheit in den friedlichen und reichen Ländern.

Wer will schon, dass Millionen Traumatisierte zu uns flüchten? Aber eine Wahl haben sie nicht. Syrer und Afghanen können einen Asylstatus in unserem sozialstaatlichen Paradies erwerben, aber vorher müssen sie dafür durch die Hölle gehen. Die Multimillionäre vom größten Reisebüro der Welt hören das gerne.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article138971398/Dieser-Exodus-ist-ein-unfassbar-grosses-Geschaeft.html

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  09.04.2015  Achgut.com

Konsensdemokratie ohne Opposition

Einer der letzten Oppositionellen unter deutschen Politikern hat sich im Zorn verabschiedet. Wer weiß, wer Peter Gauweiler noch folgen wird, der spät, aber gerade noch rechtzeitig gemerkt hat, dass er nur mehr Feigenblatt im lauen Wind der geseehoferten CSU war. Wolfgang Bosbach könnte der nächste sein, er hat ja bereits erkennen lassen, dass es wenig Spaß macht, das einzige Pferd im Stall zu sein, das noch zu wiehern vermag. Eurokritik ist in den im Bundestag vertretenen Parteien, nachdem jüngst auch „Die Linke“ eingeknickt ist,  nicht mehr erwünscht, wer sie dennoch übt, macht sich verdächtig. Denn der Bundestag stimmt nicht erst seit dem Auszug der FDP in einer Einmütigkeit ab, die schon unheimlich ist: war nicht irgendwann einmal das Parlament als legitimer Ort gedacht, in dem stellvertretend für den Rest der Gesellschaft der Streit um die Belange und Interessen der Bürger ausgefochten wird?

Das ist entweder immer schon graue Theorie gewesen oder lange vorbei. Ein großer Teil der Bürger hierzulande, nicht nur als Nichtwähler, findet sich von keinem der weit nach links gerückten politischen Kombattanten mehr repräsentiert. Und was heißt schon Kombattanten? Sie streiten ja kaum noch, höchstens, wenn ein Wahlkampf nahe rückt, und auch dann wird nicht wirklich gestritten, das Absondern einschlägiger Vokabeln ersetzt keine gepflegte Argumentation. Die Groko verfährt nach dem Motto ‚Brot und Spiele’: viel Weltrettungspathos, dazu hier eine soziale Wohltat und dort ein bisschen Symbolpolitik.

Wofür sich insbesondere das Frauenthema anbietet, mitsamt all den Bizarrerien, die in der Frauenbewegung der 70er Jahre Mode waren, von deren Verwirklichung selbst ihre Erfinderinnen nur in schlechten Momenten geträumt haben dürften. Als frau nach „Gold, Liebe, Abenteuer“ rief, hat sie jedenfalls gewiss nicht an Aufsichtsratsposten gedacht.

Die Eurorettungspolitik hat schon jetzt unzählige Opfer zu verzeichnen, eines ist der deutsche Bundestag, der allerdings seiner Entmachtung mit satter Mehrheit selbst zugestimmt hat, und das, obwohl Bundestagspräsident Lammert in wünschenswerter Deutlichkeit bereits 2011 darauf hingewiesen hat, dass sich das deutsche Parlament des Herzstücks seiner Macht begibt, nämlich des Budgetrechts, wenn es in Sachen Euro-Rettungsschirm auf sein Votum verzichtet.

Aber was soll man machen, wenn die Kanzlerin etwas für alternativlos hält? Da wird dann eben herrschende Beschlusslage zu Makulatur erklärt oder Recht und Gesetz gebogen, das gebieten gefühlter Notstand und gefühlte Volksstimmung. Das Parlament wurde übergangen und ließ sich übergehen. So kann man sich auch überflüssig machen: Wer braucht schon Repräsentanten, wenn es auch mit Volksabstimmung á la Angela Merkel geht?
„Populistisch“ im Wortsinn sind hierzulande nicht Protestparteien und –bewegungen, sondern die Wohlfühlpolitiker der GroKo, die sich ganz und gar nicht redlich darum bemühen, alles in die rechte Ecke zu stellen, was nicht Gefolgschaft gelobt. Dass es rechts von der CSU keinen Platz für eine andere Partei geben dürfe, das einstige Versprechen von Franz-Josef Strauß, gilt schon lange nicht mehr. Rechts gähnen gleich mehrere Fußballstadien, und nur mit dem schärfsten Geschütz, das es hierzulande gibt, nämlich der Nazikeule, lässt sich noch verhindern, was in vielen anderen europäischen Ländern längst normal geworden ist: dass eine Partei entsteht, die eurokritisch und konservativ zugleich ist.

Die „Alternative für Deutschland“, die angetreten ist, das Vakuum zu füllen, das durch den Linksruck der Altparteien entstanden ist, bemüht sich derzeit, sich selbst zu erledigen. Verwunderlich ist das nicht: jede neue Partei sammelt erstmal ein buntscheckiges Milieu ein, man braucht nur an die Grünen der frühen Jahre denken, die lange Zeit eine der nachgesuchtesten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nachkriegszeit darstellten, von dem auch jene Journalisten profitierten, deren Kerngeschäft darin bestand, die neuesten Anekdoten aus den Flügelkämpfen der Grünen zu kolportieren. Stets war die Partei kurz vorm Auseinanderbrechen, eine Meldung, die sich ebenso regelmäßig als Ente erwies und doch jedem Beobachter nichts als plausibel war. Der Ton in den innerparteilichen Auseinandersetzungen war an Schärfe kaum zu überbieten, die Intrige blühte, persönliche Gemeinheiten waren an der Tagesordnung. Dagegen scheint es bei der AfD noch immer bürgerlich-gesittet zuzugehen.

Und doch ist der Konflikt dort womöglich schärfer als der bei den Grünen in den 80er Jahren dominierende Kampf zwischen „Fundis“ und „Realos“, also zwischen radikalen Systemgegnern und machtbewussten Pragmatikern. Die AfD müsste die liberale Kritik an der Eurorettungspolitik, der sich die FDP versagt hat, mit der Eroberung des Terrains verbinden, das CSU und CSU rechts freigelassen haben. Dabei darf sie jedoch nicht auf jene Nachsicht der Medien hoffen, die man einst den Grünen entgegengebracht hat, obwohl deren Demokratieverständnis in mehr als einem Punkt fragwürdig war.

Doch die AfD ist heute mindestens so nötig wie die Grünen es damals waren: schon aus hygienischen Gründen. Ein Parlament ohne Opposition ist eine furchtbare Vorstellung, und sie nähert sich der Realität von Tag zu Tag.
Die Grünen haben lange gebraucht, bis sie als Partei der Moralisierer mindestens so langweilig geworden sind wie all die anderen Altparteien. Die AfD sollte sich daran kein Vorbild nehmen, höchstens in einem Punkt: sie muss sich auf eine lange Durststrecke einstellen. Es sei denn, der Eurexit kommt früher als gedacht.

Siehe auch BLogisch

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/konsensdemokratie_ohne_opposition

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Letzte Woche starben im Mittelmeer wieder über tausend Flüchtlinge. Die Migrationsströme reissen nicht ab. Sie schwellen an. ­Afrika hat über eine Milliarde Einwohner, in Europa leben 733 Millionen Menschen. Der demografische Überdruck im Süden bricht sich gegen den wohlhabenden Norden Bahn. Im Jahr 2050, schätzt die Uno, werden zwei Milliarden überwiegend junge Afrikaner rund 691 Millionen alternden Europäern gegenüberstehen. Die Antwort unserer Politiker lautet, dass wir immer noch mehr Flüchtlinge aufnehmen sollen. Das freundliche Angebot wird die Nachfrage weiter verstärken.

Offen wie ein Scheunentor

Die europäische Südgrenze ist offen wie ein Scheunentor. Die Festung Europa gibt es nicht. Im letzten Jahr landeten 220 000 illegale Mi­granten an der italienischen Küste an. In diesem Jahr rechnet allein Deutschland mit einer Verdoppelung der Asylgesuche auf 500 000. Niemand fühlt sich verantwortlich für den verfassungsmässig verankerten Schutz der Aussengrenzen. Die Italiener wissen, dass die illegalen Migranten lieber in den reichen Norden ziehen und stecken sie in Züge, ohne sie zu registrieren. «Die Flüchtlinge verschwinden eben», erklärte uns kürzlich ein Römer Diplomat charmant und gestenreich.

Im Grunde ist es allen klar, aber niemand traut sich, es zu sagen: Was sich hier abspielt, ist ein grossräumig angelegter Missbrauch unseres Asylrechts durch illegale Wirtschaftsflüchtlinge. Es ist ein behördlich geduldeter Rechtsbruch im grossen Stil. Das Dubliner Flüchtlingsabkommen funktioniert nicht. In einem Europa der offenen Grenzen haben die überlasteten Italiener keinen Anreiz, die bürokratischen Vorgaben aus Brüssel umzusetzen. Ohnehin ist es eine Illusion, bei Hunderttausenden von hereinströmenden Migranten ­ordentliche Asylverfahren einzuleiten.

Junge Schwarze

Die Absurdität zeigt sich bereits in den Bildern und Statistiken. Die Medien berichten von «Kriegsflüchtlingen aus Syrien». Auf den Fernsehschirmen sehen wir hingegen Schiffe voller junger Schwarzer. Von Politikern wird uns eingeredet, man lasse nur Verfolgte aus dem ­Nahen Osten rein. Den aktuellen Zahlen entnehmen wir, dass die am schnellsten wachsende Asylantengruppe in der Schweiz die Kosovaren sind, in deren Heimat die Schweizer Armee und die Bundeswehr auf Kosten unserer Steuerzahler doch angeblich für Ordnung sorgen.

Mitleidlos zeigt der Rechtsstaat seine Klauen gegen Verkehrssünder und Steuer­betrüger. Wenn es darum geht, die Aus­sengrenzen abzuriegeln gegen illegale Einwanderer, ist auch die Toleranz fast grenzenlos. Asyl verdienen gemäss Uno-Definition nur Menschen, die unmittelbar an Leib und Leben bedroht sind, politisch durch den Staat Verfolgte. Selbst das liberale deutsche Asylrecht schreibt fest, dass Bürgerkriegsflüchtlinge, ­Armutsmigranten und Menschen in perspektivloser Situation kein Anrecht auf Asyl geltend machen können. Ein Asylrecht, das seinen eigenen Missbrauch toleriert, schafft sich ab.

Die Australier machen es richtig. Sie haben der illegalen Zuwanderung den Kampf angesagt. In einem Demonstrationsvideo verkündet ein uniformierter Offizier, dass man die gesetzwidrige Migration nicht dulden werde. Alle anlaufenden Schiffe werden von der Marine abgeblockt, auf Inseln abgeschoben, zum Teil in Partnerländer, denen die Australier dafür Geld bezahlen. Das ist nicht unmenschlich, sondern ein Gebot der Ethik: Wer dem moralischen Grös­senwahn erliegt, allen Armen Zuflucht zu gewähren, zerstört seine Lebensgrundlagen.

Asyl, einst und heute

Unser modernes Asylrecht ist ein Produkt des Zweiten Weltkriegs. Es wurde geschaffen für einzelne spezifisch Verfolgte nach den von Deutschen, Russen, Chinesen und Türken verübten Völkermorden des letzten Jahrhunderts. Es wurde nicht gebaut als Einfallsschleuse für Menschenmassen, die dem wirtschaftlichen und politischen Elend ihrer Heimatländer aus verständlichen, aber eben nicht legalen Gründen entfliehen wollen. Unter dem Rechtstitel des Asyls werden bald Millionen Richtung Norden marschieren, wenn wir nicht die Kraft aufbringen, unsere Rechtsordnungen endlich durchzusetzen. Jeder Flüchtling, der es nach Europa geschafft hat, ruft mit seinem Handy Kollegen und Verwandte an, die ihm baldmöglichst folgen werden. Was ist zu tun?

Erstens: Man muss den Todeskanal übers Mittelmeer schliessen. Die illegalen Zuwanderer sind sofort aufs afrikanische Festland zurückzuschaffen, die Schlepperboote umgehend zu zerstören. Man muss den Leuten unmissverständlich klarmachen, dass der Weg übers Mittelmeer die Investition nicht lohnt und dass die Menschenhändler Märchen erzählen, wenn sie ihre Kunden auf die Kähne locken. Niemand wird Tausende von Franken bezahlen für eine aussichtslose Überfahrt. Mit dieser Massnahme hatten die Italiener Erfolg, als zu Beginn der neunziger Jahre der ganze Staat Albanien nach dem Zusammenbruch des Kommunismus auf Schiffen über die Adria strebte. Sie schickten die Schiffe einfach zurück. Es gab damals allerdings noch kein Dubliner Flüchtlingsabkommen und keine offenen Schengen-Grenzen. Die Italiener waren selber für ihr Territorium verantwortlich. Heute herrscht die organisierte europäische Verantwortungslosigkeit, entsprechend gibt es an den Grenzen keine Ordnung mehr.

Zweitens: Die Europäer, und damit sind die Schweizer mitgemeint, müssen die humanitären Infrastrukturen, wo nötig und sinnvoll, in den Krisenregionen ausbauen. Mobile Anlagen eignen sich am besten. In den Lagern finden die Verfolgten Schutz und Zuflucht. Sie können den Häschern entfliehen, die es auf sie abgesehen haben. Sie bleiben allerdings in ­ihren Herkunftsregionen, eingebettet in die vertraute Kultur. Sobald die Konflikte enden, können sie in ihre Heimat zurückkehren, um beim Wiederaufbau zu helfen. Das hat zudem den Vorteil, dass der Brain-Drain aus den ohne­hin schon armen Staaten nicht noch asylpolitisch verschärft wird. Der linksliberale ­britische Entwicklungsökonom Paul Collier spricht sich entschieden dafür aus, die Dritte Welt nicht weiter «auszubluten».

Drittens: Die Rettungslager sind im Umfeld der Konfliktherde zu bauen, nicht etwa an der nordafrikanischen Grenze, wie jetzt auch von Bundespräsidentin Sommaruga gefordert wird. Man muss alles daran setzen, dass die echten Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimatstaaten geschützt werden und dort bleiben. Flüchtlingslager in Nordafrika würden nur weitere illegale Migranten aus Afrika anziehen und den Druck auf Europa konstant erhöhen.

Islam und Nächstenliebe

Ziel muss sein: Rettung der wirklich Verfolgten vor Ort. Nicht Migration, Schutz ist das Wesen des Asylgedankens. Es braucht keine Flüchtlingstrecks über Tausende von Kilometern. Wenn die Uno in Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, den Regionalmächten und, wenn es sein muss, auch mit dem Westen in den Krisenzonen die humanitären Infrastrukturen für die echt Verfolgten zur Ver­fügung stellt – in vielen Fällen gibt es sie schon –, dann ist das Ziel erreicht.

Gewiss: Es ist nicht verboten, dass sich die ­reichen Industriestaaten weltweit humanitär engagieren. Neben dem Herz braucht Hilfe aber auch Verstand. Nehmen wir den Syrienkrieg. Wieso mischt sich der Westen derart ein? Der Libanon und Jordanien, das ist ehrenhaft, beherbergen Flüchtlinge. Aber was ist mit den steinreichen Saudis, den fussballverrückten ­Katarern und dem Multimilliarden-Emirat Oman? Sie rühren keinen Finger für ihre Glaubensgenossen. Dabei hätten die saudischen Förderer des Fundamentalismus nun endlich die Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass der Koran eine Religion der Nächstenliebe formuliert und nicht nur Alibis für Terroristen.

Europa ist nicht schuld an allem

Selbstverständlich darf der Westen helfen, aber er sollte die Regionalmächte nicht von ihrer eigenen Verantwortung befreien. Seit Jahrzehnten pumpen wir Milliarden in die Entwicklungshilfe. Trotzdem geht es den meisten afrikanischen Staaten seit dem Ende der Kolonialzeit schlechter. Ghana, Nigeria, und Burkina Faso hatten einst das höhere Pro-Kopf-Einkommen als China oder Südkorea. Selbst der Kongo verfügte zur Zeit seiner Befreiung über eine exportorientierte Landwirtschaft und einen konkurrenzfähigen Bergbau. Umgekehrt waren einige der ärmsten Regionen der Welt nie westliche Kolonien: Afghanistan, Tibet oder Liberia. Europa ist nicht schuld am wirtschaftlichen Elend in den Flüchtlingsstaaten. Was eigentlich unternehmen die afrikanischen Regierungen, um die tödliche Mi­gration übers Mittelmeer zu stoppen?

Gute Absichten produzieren oft schlechte ­Ergebnisse. Der von Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy mit Feuereifer betriebene Sturz seines früheren Freunds Gaddafi war ein grosser Fehler. Natürlich war Gaddafi ein übler Diktator, aber zusammen mit Berlusconi hielt er das Mittelmeer wenigstens einigermassen von Menschenhändlern frei. Nach dem Einsturz Nordafrikas stellen wir fest, dass es im Süden Europas nur noch eine grosse offene Grenze gibt. Die EU wird von ihrem aussenpolitischen Leichtsinn eingeholt.

Nicht die Schlepper, nicht die Flüchtlinge, die europäischen Regierungen sind hauptsächlich schuld am Massensterben im Mittelmeer. Weil sie ihr Asylrecht nicht umsetzen, senden sie lockende, mitunter tödliche ­Signale aus. Die europäische Vollzugsmisere im Migrationsbereich produziert die Leichen im Mittelmeer, aber sie belohnt eben auch Hunderttausende von illegalen Armutsmigranten, von denen 80 bis 90 Prozent lebenslang in den europäischen Sozialsystemen landen.

Deshalb ist es nicht nur ein Gebot des Rechts, sondern auch der Ethik, die Gesetze endlich umzusetzen und den Todeskanal im Mittelmeer für die illegale Migration zu schliessen. Indem wir die Südgrenze abriegeln, retten wir Leben.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-17/editorial-moralische-pflicht-die-weltwoche-ausgabe-172015.html

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Jeder Migrant, der es nach Italien schafft, bringt dem Schleuser zehn Neukunden: Schlepperbande in Zuwara, Libyen, 2014.Bild: Nathan Beck

Wenn es um den Anstrom von Migranten und Flüchtlingen geht, sprechen die Medien gerne von der «Festung Europa». Das mag stimmen, wenn man an den Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei denkt, mit dem das EU-Land Bulgarien vor allem syrische Flüchtlinge fernhalten will. Doch wer Europa die Schuld an den jüngsten Schiffskatastrophen im Mittelmeer gibt, bei denen schätzungsweise 1200 Migranten umgekommen sind, macht es sich zu leicht. Selbsternannte Experten sind nun dabei, die europäische Flüchtlingspolitik an den Pranger zu stellen, und fordern grossangelegte Rettungsaktionen auf hoher See.

Es versteht sich dann natürlich auch von selbst, dass den so dem Ertrinkungstod Entronnenen quasi automatisch Asyl gewährt werden soll. Allerdings müsste sich die EU dazu erst einmal auf einen Schlüssel einigen, nach dem die Migranten auf die Mitgliedsländer verteilt würden. Denn es kann ja nicht sein, dass man Italien und Griechenland im Regen stehenlässt, wenn es um die Aufnahme Hunderttausender geht. Genau so sieht allerdings die derzeitige Regelung aus: Verantwortlich für ein Asylgesuch ist jenes Land, in dem der Migrant erstmals europäischen Boden betritt. Und das sind im Fall der Bootsflüchtlinge in erster Linie Italien und Griechenland. Zurücklehnen können sich wegen ihrer geografischen Lage dagegen Staaten wie Schweden. Stockholm gewährt zwar jedem Syrer Asyl, der es aus eigener Kraft bis zur schwedischen Grenze schafft. Doch ­dafür müssen die Flüchtlinge erst einmal die Fahrt übers Mittelmeer überleben und dann unentdeckt – wieder mit Hilfe von professionellen Schleusern – quer durch Europa bis nach Skandinavien gelangen. Was Stockholm wohl entgangen ist: Seine grosszügige Asylpolitik wirkt wie ein Magnet auf syrische Flüchtlinge. Fast alle Syrer, mit denen ich in den letzten drei Jahren inner- und ausserhalb Syriens gesprochen habe, geben Schweden und Deutschland als bevorzugte Zielländer an. In Italien, Griechenland oder Bulgarien will dagegen niemand enden. Sie dienen nur als Durchgangsländer. Allein das zeigt schon, dass es hier nicht nur um Schutz vor Verfolgung oder Bürgerkrieg geht, sondern eben auch um wirtschaftliche Motive.

Letztes Jahr gelangten rund 220 000 Migranten übers Mittelmeer nach Europa. Ein grosser Teil von ihnen wurde von der italienischen ­Marine und von Handelsschiffen aus dem Meer gefischt. Wäre etwas dran an der Mär von der «Festung Europa», dann hätte man die Geretteten schnurstracks zurück nach Nordafrika gebracht, zum Beispiel nach Libyen, ins wich­tigste Ausgangsland für die gefährliche Reise nach Europa. Doch was hat die italienische Marine in Wirklichkeit mit den Migranten getan? Sie wurden allesamt nach Sizilien gebracht und aufgepäppelt. Danach verschlossen die Behörden beide Augen, denn man wollte sich nicht um die Ankömmlinge kümmern, sondern sie so schnell als möglich loswerden: Von Sizilien mit dem Taxi zur Fähre, dann aufs Festland und danach mit dem Zug nach Milano Centrale. Dort warten Schleuser in der Bahnhofshalle auf Kunden und bieten Autofahrten zum Beispiel nach Hamburg für 1500 Euro pro Person an. Das Ganze ist ein Bombengeschäft.

Von den 220 000 Bootsflüchtlingen des letzten Jahres kamen rund 3500 um. Das entspricht einer Mortalität von 1,6 Prozent. Von tausend Migranten riskieren im Schnitt also sechzehn den Tod durch Ertrinken. Im laufenden Jahr haben es bereits etwa 23 000 Menschen nach Italien geschafft, doch wegen der beiden jüngsten schrecklichen Unglücke schnellte die Zahl der Toten auf ein trauriges Rekordhoch. In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind schätzungsweise bereits 1600 Migranten ertrunken – dies obwohl der Winter wegen der schlechten Witterung und der hohen Wellen Niedrigsaison für das Schleppergeschäft ist. Die Mortalität schoss damit auf rund sieben Prozent, also im Schnitt auf siebzig Tote von tausend Bootsmigranten. Viele «Experten» machen jetzt das Ende der ­italienischen Marineaktion «Mare Nostrum» für diese Tragödie verantwortlich, ohne jedoch die wahren Gründe für das Hochschnellen der Flüchtlingszahlen zu recherchieren. Dazu muss noch gesagt werden, dass kaum einer dieser sogenannten Fachleute jemals in Libyen war und die Verhältnisse an Ort und Stelle kennt.

Die Geldnöte der Milizen

Es sind weder die chaotischen Zustände in Li­byen noch ist es das Ende von «Mare Nostrum», was den Flüchtlingsstrom anschwellen lässt und die Zahl der Ertrunkenen sogar überproportional nach oben katapultiert. Erst gerade von einer Reise durch Libyen zurückgekehrt, kann ich nur Folgendes konstatieren: Es ist das zynische Kalkül einer Kriegspartei, das in erster ­Linie für die vielen Toten verantwortlich ist. Ein Schlepperboss aus der westlichen Hafenstadt Zuwara berichtet, dass die Milizen der «Operation libysche Morgenröte» dringend Geld für ihren Krieg benötigen und dazu übergegangen sind, mit den Schleusern zusammenzuarbeiten.

Die «Morgenröte»-Milizen kontrollieren praktisch die gesamte Küste im westlichen ­Libyen, also jenen Landesteil, der den italienischen Mittelmeerinseln geografisch am nächsten gelegen ist. Vor dem Bürgerkrieg, der im Sommer 2014 zwischen der «Morgenröte» und den Truppen der international anerkannten Regierung im östlichen Tobruk ausbrach, hatten auch die Milizen in den westlichen Landesteilen dafür gesorgt, dass der Menschenhandel nicht ausser Kontrolle geriet. Es gab ein paar ­Patrouillenboote der libyschen Marine, und ­regelmässig wurden mit Migranten überfüllte Schlauchboote und Fischerkähne bei der Überfahrt nach Italien erwischt und von den Libyern zur Küste zurückgebracht. Nun aber ist es zur Kollusion zwischen den Milizen und dem organisierten Verbrechen gekommen.

Der erwähnte Schlepperboss, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben will, ­erzählt, dass er direkt von den «Morgenröte»-­Milizen in der Hafenstadt Misrata Aufträge erhalten habe. Die leeren Fischkutter sollen aus Misrata nach Westen der Küste entlangfahren und dabei mit Flüchtlingen «gefüllt» werden, die von Sandstränden im Schlauchboot zu den im offenen Meer wartenden Schiffen gebracht werden. Dabei kommen nicht nur mehr Kähne als früher zum Einsatz, sondern sie werden auch stärker überladen als in der Vergangenheit. Noch vor einem Jahr waren Passagierzahlen von 250 bis maximal 400 üblich bei Fischkuttern. Nun wollten die Milizen die Schiffe mit jeweils 600 bis 800 Migranten vollstopfen, sagt der Schlepper. Das massive Überladen spült zusätzliches Geld in die Kassen der Milizen, ist zugleich aber direkt für die beiden ­letzten Katastrophen mit zusammen ungefähr 1200 Toten verantwortlich. Und da kein Ende des Bürgerkriegs abzusehen ist, sind weitere Desaster programmiert.

Die Finanznöte der «Morgenröte»-Milizen sind nicht nur auf den Krieg gegen die international anerkannte Regierung zurückzuführen, sondern auch auf das Auftauchen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Libyen. Die ­wenigen hundert IS-Kämpfer in der zentral­libyschen Stadt Sirte binden Milizionäre und Ressourcen der «Morgenröte»-Truppen. Wer also wirklich den Migrantenstrom eindämmen will, sollte dafür sorgen, dass die Friedens­gespräche zwischen den beiden rivalisierenden Regierungen Libyens endlich vorankommen und diese sich am Ende auf den Kampf gegen den IS konzentrieren, statt sich gegenseitig zu zerfleischen.

Omar ist ein junger Schleuser, vom Format her nicht vergleichbar mit dem erwähnten Schlepperboss. Aber er weiss, wovon er spricht. Um Platz zu sparen, dürfen die Flüchtlinge eigentlich nur ihre Handys mitnehmen. Denn wenn sie in Italien ankommen, rufen sie als Erstes ihre Verwandten an und erzählen von der ­erfolgreichen Überfahrt. Sie alle hätten seine Nummer und gäben sie bereitwillig weiter, erzählt Omar. Jeder Migrant, der es nach Italien schaffe, bringe ihm so zehn Neukunden. Das bedeutet: Je mehr Migranten die Überfahrt schaffen und in Europa aufgenommen werden, desto mehr Menschen werden nachkommen und im Mittelmeer ihr Leben riskieren. Nur ein konsequentes Zurückweisen aller Bootsflüchtlinge könnte – wenn man die rechtlichen Bedingungen anpassen würde – die Anreize drastisch senken, die gefährliche Reise überhaupt zu wagen.

Vergleich mit Vietnams Boat-People

Verbinden könnte man dies mit dem Recht jedes Zurückgewiesenen, bei der Rückfahrt mit der italienischen Marine einen Asylantrag zu stellen. Wo dies nicht möglich ist, könnte man den Migranten die Möglichkeit geben, in Nordafrika bei diplomatischen Vertretungen oder speziell dafür eingerichteten Stellen Asylanträge zu stellen. Denn es sollte wieder einen legalen Weg geben, Asyl in Europa zu beantragen, ohne dass man in Nussschalen übers Meer fahren muss.

Oft werden in letzter Zeit auch Parallelen zu den vietnamesischen Boat-People von Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre gezogen. Doch dieser Vergleich hinkt. Die ­Vietnamesen, viele aus dem im Bürgerkrieg unterlegenen Süden, flüchteten vor einem repressiven Regime. Viele von ihnen wurden wirklich verfolgt. Von den 220 000 Bootsflüchtlingen im letzten Jahr waren aber nur gerade dreissig Prozent Syrer. Vom Rest stammte der grösste Teil aus Schwarzafrika. Das einzig wirklich repressive Senderland war dabei Eritrea, mit einem Anteil von knapp sechzehn Prozent.

Aber selbst bei den Syrern spielt nicht nur die Angst vor Bürgerkrieg und Verfolgung eine Rolle. Die meisten Flüchtlinge reisen nicht direkt aus Syrien via Libyen nach Europa, sondern verbringen Zeit in Flüchtlingslagern, zum Beispiel in der Türkei oder in Jordanien. Dort sind sie den Gefahren bereits entkommen. Wenn sie weiterreisen, tun sie das also primär aus wirtschaftlichen Überlegungen und nicht, weil sie in den Flüchtlingslagern verfolgt wären. Mehr humanitäre Hilfe in Syriens Nachbarländern könnte somit ebenfalls dazu beitragen, die Zahl der Todesfahrten übers Mittelmeer zu senken.

http://www.weltwoche.ch/index.php?id=553843

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Der Massentod im Mittelmeer schockiert ­Eu­ropa. Allein in diesem Jahr hat die Flüchtlingstragödie bereits dreissigmal mehr Opfer gefordert als in den ersten Monaten des Jahres 2014. Politiker bekunden ihre Solidarität mit den Flüchtlingen. Die «europäische Apathie» sei nicht länger tolerierbar, meint zum Beispiel Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlamentes. In europäischen Städten werden Mahnwachen für die Toten organisiert, die ­Medien berichten ausführlich und mit grosser Anteilnahme über die Tragödie im südlichen Mittelmeer. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon ruft die EU zur Solidarität und zu einer ­Beschleunigung der Hilfe auf.

Interessanterweise stösst das Schicksal der Flüchtlinge ausgerechnet in ihren Heimat­ländern auf kein grosses Interesse. In den arabischen und afrikanischen ­Medien wird die Katastrophe im südlichen Mittelmeer unter «ferner liefen» abgehandelt. Kritische Fragen, weshalb Tausende von Menschen das Risiko der Flucht übers Meer auf sich nehmen, werden nicht gestellt. Länder wie Jordanien, der Libanon und die Türkei bieten zwar denjenigen Asyl, die dem Bürgerkrieg in Syrien oder im Irak entkommen sind. Die Hilfe ist aber nicht das Resultat von Nächstenliebe. Vielmehr sind diese Länder nicht in der Lage, ihre Grenzen effizient abzuschirmen. Auf die Menschen, die sich im Libanon oder in Jorda­nien in Sicherheit gebracht haben, warten denn auch keine Integrationsprogramme, sondern Ausgrenzungsmassnahmen. Solidarität mit Verfolgten sieht anders aus.

Obwohl ein Ende der regionalen Flüchtlingstragödie nicht in Sicht ist, lässt jetzt die Hilfs­bereitschaft im Libanon oder in Jordanien nach. Deren Flüchtlingspolitik besteht neuerdings darin, den geflohenen Syrern die Zukunft auch im Asyl zu verbauen. In Jordanien dürfen sie nicht arbeiten. Deshalb müssen sich viele Kinder auf dem Schwarzmarkt verdingen, damit die Eltern und die Geschwister wirtschaftlich über­leben. Ähnlich ist es im Libanon. Dort müssen syrische Flüchtlinge neuerdings schwören, ­keinen Job anzunehmen, sobald sie sich bei den Behörden registrieren. Die reichen Staaten am Persischen Golf unternehmen nichts, um die Not der Araber zu lindern. Die sonst immer ­gerne und schnell angerufene panarabische ­Solidarität entpuppt sich einmal mehr als das, was sie ist: eine Floskel ohne Substanz.

Die meisten arabischen Regime tun so, als ginge sie das Elend der flüchtenden Araber nichts an. Sie weigern sich, Verantwortung zu übernehmen. Sie schauen weg, weil sie sonst ­zugeben müssten, dass die Not der Flüchtlinge durch die Unfähigkeit der Regierungen verursacht worden ist, und weil sie befürchten, das Chaos könnte auch in ihrem Land ausbrechen. Denn auch dort, wo noch Ordnung herrscht und die staatlichen Strukturen intakt sind, fehlt es oft an legitimen Institutionen. Transparenz und Respektierung der Menschenrechte bleiben für viele ein Traum. Wer nur von Eu­ropa, nicht aber von den arabischen Regime Taten fordert, nennt die Dinge nicht beim Namen.

Stossend ist es auch, dass ausgerechnet die­jenigen Regime, die aufgrund ihrer Energie­einkommen über Milliardenvermögen ver­fügen, keine Solidarität zeigen. Im Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate liegen 773 Milliarden, in denjenigen Saudi-Arabiens, Kuwaits und Katars jeweils 757 Milliarden, 548 und 256 Milliarden Dollar. Aber niemandem kommt es in Doha, Abu Dhabi, Riad oder ­Kuwait in den Sinn, auch nur einen Mikro-Bruchteil dieser Gelder den Brüdern in Not zukommen zu lassen.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-17/nahost-flucht-aus-der-verantwortung-die-weltwoche-ausgabe-172015.html

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Wenn Sie ­derzeit in Deutschland punkten wollen, sei es bei ­Günther Jauch im Fernsehen oder bei einem Nachtmahl in einem Sterne-Restaurant, dann müssen Sie nur sagen: «Wir sind schuld!» Wir sind schuld, dass Millionen von Afrikanern aus ­Afrika flüchten – weil wir deren Fischbestände leergefischt haben. Wir sind schuld, dass ­Tausende im Mittelmeer ertrinken, weil wir uns abschotten und Europa zu einer Festung ausgebaut haben. Wir sind schuld an den ­Zuständen in Somalia, am Bürgerkrieg in ­Syrien, am Zerfall Libyens, an den vielen Toten im Irak – weil wir uns überall einmischen. Oder weil wir uns eben nicht einmischen.

Nun, es mag etwas dran sein, dass «wir» uns besser im Irak und in Libyen rausgehalten hätten. Dann wären Saddam Hussein und Muammar Gaddafi noch immer an der Macht, und «wir» hätten in diesen Ländern weiter «stabile Verhältnisse» statt Chaos, Gewalt und Verbrechen. Oder auch nicht. Denn kein Mensch kann retrospektiv sagen, wie sich die Dinge ent­wickelt hätten. In jedem Fall aber gilt das neue «mea culpa»: Wir sind schuld! Und deswegen müssen wir alle, die zu uns kommen wollen, aufnehmen, es sei unsere «christliche Pflicht», unsere Herzen und Türen weit aufzumachen und unseren Reichtum zu teilen, wie es vor ­kurzem ein bekannter deutscher Journalist ­forderte, der selbst nicht einmal daran dachte, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Was in diesem Zusammenhang nicht zur Sprache kommt: Was ist aus den vielen Milliarden Euro, Dollar und Schweizer Franken geworden, die «wir» nach Afrika gepumpt haben? Und man muss sehr lange warten, bis jemand mal die Frage stellt, warum die reichen arabischen Staaten nicht intervenieren, die Flüchtlinge auf­nehmen und für Ordnung vor der eigenen Tür sorgen. Sie haben genug Platz, viel Geld, allein, es fehlt der Wille. Wo bleibt die muslimische Solidarität, die sich immer dann machtvoll entfaltet, wenn Mohammed beleidigt wird? Man kann nicht tatenlos zusehen, wie Tausende ertrinken. Man muss nur wissen: Je mehr wir zu uns kommen lassen, umso mehr werden ihr Leben riskieren und verlieren, um zu uns zu kommen. Und daran sind wir tatsächlich schuld.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-17/die-deutschen-wir-sind-schuld-die-weltwoche-ausgabe-172015.html

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Unmissverständlich: australische Kampagne.Bild: zVg

Das Bild erinnert an jüngst ausgestrahlte TV-Aufnahmen vom Mittelmeer, und es spricht ­eine deutliche Sprache: Es zeigt eine zerbrechliche Nussschale von einem Boot inmitten ­einer rauen See. Aber das Bild zeigt keine tatsächliche Flüchtlingstragödie, sondern es will solche Dramen überhaupt verhindern. Denn das Foto illustriert ein Plakat, mit dem Australien Flüchtlinge abschrecken will. Sie sollen sich erst gar nicht gewissenlosen Menschenschmugglern und ihren seeuntüch­tigen Seelenverkäufern anvertrauen und zu ­einer ­lebensgefährlichen Reise ins vermeintlich ­gelobte Land aufbrechen.

«Keine Chance – ihr werdet Australien nicht zu eurer Heimat machen», lautet der Titel der Kampagne, die seit Ende 2014 online, mit Anzeigen, Plakaten und Videos in vielen Ländern Asiens und Afrikas geführt wird. Sie wurde von der seit anderthalb Jahren amtierenden konservativen Regierung von Premierminister Tony Abbott initiiert und zeigt, was man tun kann, wenn man den Flüchtlingstod auf hoher See stoppen will: Nicht hilflos die ­Hände ringen wie die ­Europäer, sondern hart, kon­sequent und vor allem unmissverständlich durchgreifen.

In siebzehn Sprachen – von Albanisch und Arabisch bis Urdu und Vietnamesisch – verbreitet die australische Einwanderungs- und Grenzschutzbehörde eine einfache Botschaft: Australien wird jedes Schiff, das illegal in seine Hoheitsgewässer eindringt, abfangen und es zu seinem Herkunftsort zurück eskortieren. Wo dies nicht möglich ist, werden die Flüchtlinge in Lagern in den Inselstaaten Papua-Neuguinea und Nauru untergebracht, wo sie sich auf unbestimmte Wartezeiten einstellen müssen, bevor ihre Anträge bearbeitet werden können.

Schonungslos räumen die Fernsehspots mit den Lügen und Legenden auf, die die Menschenschmuggler aus ­eigenem finanziellen ­Interesse verbreiten: Nein, es gibt keine Ausnahmen, nicht einmal für alleinreisende Kinder, nicht für Gutaus­gebildete, nicht für Menschen, deren Angehörigen schon in Australien leben. Auch den Versprechungen, man werde schon durch das um Australiens Küsten gezogene Netz schlüpfen, wird widersprochen: Kein Boot werde durchkommen. «Verschwendet nicht ­euer Geld, setzt nicht das Leben eurer Familien und Freunde aufs Spiel», warnt die Behörde. «Die Verbrecher stehlen nur euer Geld.»Menschenrechtsorganisationen haben Australien erwartungsgemäss für diesen harten Kurs kritisiert. In den Medien brach weltweit ein veritabler Shitstorm gegen die «Menschenverachtung» und «Grausamkeit» dieser Massnahme aus. Allerdings geniesst eine unnach­giebige Flüchtlingspolitik in Australien quer durch das Parteienspektrum Zustimmung. Schon Abbotts Labour-Vorgänger Julia Gillard und Kevin Rudd hatten Flüchtlinge in Nachbarstaaten untergebracht.

Der Erfolg der jüngsten Abschreckungskampagne gibt der Regierung in Canberra offensichtlich recht: Seit Anfang 2014 hat es kein einziges Schiff mehr an die Küste des fünften Kontinents geschafft. Im Jahr 2013 waren noch 20 000 Illegale an Land gegangen.

Obwohl sich die Behörden mit konkreten ­Angaben über die Operation zurückhalten, scheint aber auch die Zahl der ­Flüchtlingsboote zurückgegangen zu sein. Nach den Worten von Einwanderungsminister Peter Dutton wurden in den vergangenen zwei Jahren nur noch fünfzehn Schiffe mit insgesamt 429 Passagieren an Bord aufgebracht. Offensichtlich spricht sich die harte Botschaft schnell herum.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-17/modell-australien-keine-chance-die-weltwoche-ausgabe-172015.html

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7 Irrtümer der Flüchtlingspolitik

Von Roland Tichy 27.04.2015 auf Achgut.com

Die jüngste Flüchtlingskatastrophe vor der libyschen Küste hat eine heftige Debatte ausgelöst. Kann Europa tatenlos zusehen, wie Menschen vor unseren Augen ertrinken, nur weil sie Krieg und Elend zu entfliehen versuchen oder für sich und ihre Familien schlichtweg ein besseres Leben anstreben? Die ebenso brisante Frage lautet: Macht Europa sich durch seine als „Abschottung“ gebrandmarkte Politik nicht mitschuldig am Tod von Menschen? Aber ist eine Massenflucht nach Europa die Lösung und was wären die Konsequenzen?  Darauf gibt es viele emotionale Reaktionen – und kaum Analyse. Deshalb einige Fragen über den Tag und die Betroffenheit hinaus.

1. Die EU-Politik: Humanität oder Empörungs-Management?

Wann immer im Mittelmeer ein Seelenverkäufer oder ein Schlauchboot voller Migranten havariert oder sinkt, entfaltet sich ein Schauspiel von beschämender Vorhersehbarkeit, schreibt die Neue Zürcher Zeitung in einer Klarsichtigkeit, die es in Deutschland nicht mehr gibt: „Der betroffene Anrainerstaat verlangt Geld aus EU-Töpfen, die Brüsseler Kommission will ihre Zuständigkeiten ausbauen, und die Minister der Mitgliedstaaten erklären mit sorgenvollem Timbre, nochmals dürfe sich eine solche Tragödie nicht ereignen, während sie doch hauptsächlich ihre nationalen Interessen im Auge haben. Nirgendwo wird so viel geheuchelt und vernebelt wie in der Flüchtlingspolitik. Natürlich enthält die gegenwärtige Vorgehensweise ein Element der Abschreckung. Man stellt nicht genügend Schiffe bereit, um allen Schiffbrüchigen zu helfen, weil man keinen Anreiz zur Flucht über das Mittelmeer bieten möchte. Damit nimmt man den Tod von Menschen in Kauf, die nichts anderes wollen als ein besseres Leben. Dies ist, wer könnte es leugnen, ein zynisches Kalkül. Anderseits müssen die Regierungen die Aufnahmebereitschaft in ihren Ländern berücksichtigen. Es ist niemandem geholfen, wenn Populisten Zulauf erhalten, weil die Bürger fürchten, dass die Einwanderung ausser Kontrolle gerät…

Zwischen dem Anspruch auf Humanität und der Notwendigkeit, die europäische Identität zu bewahren, herrscht ein unlösbarer Zielkonflikt. Zur Ehrlichkeit gehört, dass sich hier keine einfachen Rezepte finden lassen – und dieses Dilemma wird nicht kleiner, wenn man gegen die «Festung Europa» und deren angebliche Unmenschlichkeit polemisiert oder das Totalversagen der europäischen Flüchtlingspolitik beklagt. Für die Kritiker gibt es das Hochgefühl moralischer Überlegenheit gratis; verantwortungsvolle Entscheidungen hingegen sind immer mit dem Wissen um die Unzulänglichkeit der getroffenen Massnahmen verbunden. Die EU wird nie eine für jeden Flüchtling sichere Brücke über das Mittelmeer bauen, schliesslich errichtet sie auch zu Lande Barrieren. Zäune schützen die Aussengrenzen der Union. Im Hinterland wiederum versuchen die Staaten mit bürokratischer Akribie zu verhindern, dass Flüchtlinge Asyl beantragen. Daran wird sich nichts ändern, und deshalb ist der von der Kommission vorgestellte Zehn-Punkte-Plan Augenwischerei. Etwas mehr Finanzmittel, ein paar zusätzliche Schiffe dienen vor allem dem Empörungs-Management in den Mitgliedsländern, in denen die Fernsehbilder der um ihr Leben kämpfenden Migranten Konsternation auslösen – bis dann eine andere Katastrophe die Aufmerksamkeit beansprucht.

Die Politik befindet sich in einem Dilemma: Die öffentliche Erregung pendelt zwischen Mitleid und Ablehnung von Flüchtlingen; sie ist in jedem Fall radikal und emotional. Die Kühle der Notwendigkeit aber erzwingt eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen – und nimmt damit massenhaften Tod in Kauf. Kurzfristige Lösungen gibt es nicht, alles andere ist Augenwischerei.

2. Sind Fähren aus Nord-Afrika die Lösung?

Immer wieder wird gefordert, Menschen direkt aus Afrika nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu bringen. Insbesondere die Grünen fordern in jeder Nachrichtensendung „sichere Fluchtwege nach Europa“. Das würde bedeuten: Da schon heute die massenhafte Flucht von den Behörden nicht bearbeitet werden kann und abgelehnte Bewerber ohnehin in den allermeisten Fällen in Deutschland bleiben, wäre es der Beginn einer wirklichen Masseneinwanderung. Nach Informationen der Berliner Zeitung sind beispielsweise die Mitarbeiter der Berliner Ausländerbehörde so überlastet, dass sie Duldungen für Asylsuchende jetzt für 18 Monate ausstellen, damit die Antragsteller nicht so schnell wiederkommen.  Aber ist das wirklich die Lösung?

Derzeit sind weltweit 50 Millionen Menschen auf der Flucht; die Allermeisten in den jeweiligen Ländern oder in den Nachbarstaaten. Aber kann Deutschland wirklich mehrere Millionen von Flüchtlingen aufnehmen? Ob wir es wollen oder nicht, es gilt auch die Aufnahmebereitschaft zu berücksichtigen.

Europa kann gar nicht anders, als den Zustrom zu steuern, und das heisst: ihn zu beschränken. Das mag grausam klingen. Aber wer unbegrenzte Einwanderung fordert, sollte sich schon mal dazu äußern, wo die Flüchtlinge wohnen sollen, welche Arbeitsplätze es für sie gibt,  oder woher die Sozialleistungen kommen sollen, wer sie leistet und wie die unvermeidlich notwendige Integration organisiert wird. Oder hört die Debatte schon auf, wenn wir neue Slums am Rande der Großstädte einrichten mit faktisch ausgegrenzten Einwanderern, die dann Bürger 2. Klasse sind? Und sind wirklich alle Flüchtlinge lieb im Sinne der grünen Ideologie? Schon jetzt zeigen sich massive Folgen der Nicht-Integration von Jugendlichen aus dem arabischen Kulturraum. Jagd auf Schwule, Angriffe auf Frauen, aggressive Jugendliche, die mit der IS in den Krieg zum Köpfe-Abschlagen ausreisen und es auch für Deutschland ankündigen – solche Nachrichten dürfen ja in Deutschland nicht mehr verbreitet werden, um ja keine rassistischen Untertöne zuzulassen – aber sie sind Folge eines Weltbildes, das nicht dem unserer “Wertegemeinschaft” entspricht, wenn es die denn noch außerhalb des Mainstreams gibt. Die viel beschworene rotgrüne Zivilgesellschaft bleibt dann als allererstes in immer größeren Stadtvierteln auf der Strecke. Auf eine derart massive Einwanderung ist Deutschland nicht vorbereitet, und es gibt kein mir bekanntes Land der Welt, das auch nur auf die Kontrolle so weitgehend verzichtet: Geprüft wird inzwischen nicht einmal mehr, ob Straftäter oder militante Dschihadisten ins Land kommen, schreibt die Berliner Zeitung in dem oben zitierten Bericht weiter. Denn wegen des hohen Arbeitsaufkommens wird auf die obligatorische Anfrage an die Sicherheitsbehörden verzichtet, bevor einem Bewerber die Erlaubnis zur Niederlassung erteilt wird.

3. Sind die Deutschen Rassisten?

Es gibt kaum ein Land in Europa, das in den letzten Jahrzehnten derart viele Einwanderer und Flüchtlinge aufgenommen hat wie Deutschland. Bei jedem Zwischenfall kommt dann wieder der Rassismus-Vorwurf. Aber das ist absurd. In Großbritannien, den Niederlanden oder Frankreich gibt es wesentlich härtere und massivere rassistisch motivierte Vorfälle. Und es ist das Recht jeden Bürgers, sich gegen eine derart massive Veränderung der Kultur und des gesellschaftlichen wie staatlichen Lebens auszusprechen, die hier faktisch stattfindet. Dabei ist die Aufnahmebereitschaft nach wie vor überwältigend groß. Jeder zweite Deutsche will mehr Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufnehmen. Das ist eines der Ergebnisse des DeutschlandTrends des ARD-Morgenmagazins. Mit 44 Prozent der Befragten sind aber auch viele Deutsche gegen eine verstärkte Aufnahme.

Die beste Hilfe bei der Bekämpfung künftiger Flüchtlingskatastrophen ist nach Ansicht der großen Mehrheit der Deutschen, die Beseitigung der Fluchtursachen in den Heimatländern. Dazu sei mehr finanzielle Hilfe nötig. Mehr als zwei Drittel der Deutschen (70 Prozent) sind laut der Befragung dafür, weitere legale Möglichkeiten zur Einwanderung nach Europa zu schaffen. Etwa jeder Vierte (27 Prozent) lehnt diese Idee ab. Mehr Geld für Rettungsschiffe finden 62 Prozent der Deutschen richtig. Seeblockaden für Flüchtlingsboote nach australischem Vorbild stoßen indes bei 63 Prozent auf Ablehnung, 32 Prozent finden diese Maßnahme richtig.

Der Deutschlandtrend ist eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins. Befragt wurden vom 20. bis 22. April 1.000 Bundesbürger. Rassismus sieht anders aus. Aber mit dem Rassismus-Vorwurf wird versucht, die kritische Diskussion zu vermeiden. Es ist ein widerlicher Tabuisierungsversuch, um demokratische Prozesse zu blockieren.

4. Wer profitiert von der Einwanderung?

So lange es eine wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern gibt, wird es auch Wanderung geben – und den Versuch der Reichen, diese zu beschränken. Wobei “reich” sich eher auf diejenigen bezieht, die in der Wohlstandspyramide in den reichen Ländern relativ weit unten rangieren. Es ist ja nicht so, dass es nur eine begrenzte Zahl von Arbeitsplätzen gäbe. Es hängt nur vom Preis der Arbeit ab: Niedrige Löhne ermöglichen mehr Beschäftigung. Generell sind beispielsweise die deutschen Arbeitgeberverbände extrem zuwanderungsfreundlich; klar, das drückt die Löhne und erhöht das verfügbare Arbeitskräftepotential. Der Wettbewerb um Arbeitsplätze wird am unteren Ende der Einkommenshierarchie ausgetragen; die Mieten billiger Wohnungen steigen, nicht so sehr in den Villenvierteln. Es sind die Schulen in den prekären Stadtvierteln, die zusammenbrechen, weil sie die Integrationsaufgabe nicht leisten können – nicht die teuren Privatschulen. Auch die Dienstmädchen werden wieder billiger. Deutschland hat sich in seinem Wohlstand wohlig eingerichtet. Wir haben Mindestlöhne, die aus globaler Sicht phantastisch hoch sind. Wir begrenzen wirtschaftliche Aktivität – gerade lese ich von einem Gewerbegebiet in einer Kiesgrube, das nicht gebaut werden darf, weil drei nicht sehr seltene Salamander gesichtet wurden. Wir schalten funktionierende Kraftwerke ab und investieren in Neue – das alles habe ich hier nicht zu kritisieren.

Aber: Der unfassbare gesellschaftliche Wohlstand wird in unfassbar hohen privaten Konsum investiert – und in gewaltige Sozialleistungen, riesigen Staatsverbrauch mit hohen Gehältern, alles im internationalen Vergleich. Der Wohlstand wird künstlich durch Wachstumsbeschränkungen und gewollte Ineffizienz reduziert; Bauvorschriften, Regulierungen, Mindeststandarts, was weiß ich. Das klappt ganz gut in einer stagnierenden Wirtschaft. Eine auch bevölkerungsmäßig wieder wachsende Gesellschaft müsste anders reagieren, robuster, wachstumsorienterter; mit mehr Beton statt Burn-Out. Wer umverteilen will, muss auch sagen: Wo wird weggenommen, wem wird weggenommen? Um es konkret zu machen: Flüchtlinge müssen irgendwo wohnen.

Wird dann das riesige, brachliegende Tempelhofer Feld in Berlin verbaut für neue Mietskasernen einfacher Wohnungen? Treiben wir die Baukosten weiter künstlich hoch durch irgendwelche gutgemeinten Auflagen für das Weltklima – oder bauen wir schnell und billig für die neuen Millionen? Oder halten wir das Feld frei für die, die bereits da sind und es für sich als zusätzliche Grünfläche und Schrebergarten nutzen? Das sind schmerzhafte Fragen, wie alle Verteilungsfragen. Dieser Wohlstand funktioniert nur, weil eine hocheffiziente Wirtschaft für immer mehr ineffiziente oder versorgte Bürger sorgt, sorgen kann. Aber auch das findet ein Ende. Mit Mietpreisbremsen werden die Wohnungen nicht gebaut, die wir brauchen, wenn wir die unmenschlichen Massenlager auflösen. Und das gilt auch für alle anderen gesellschaftlichen Luxus-Bereiche einer alternden Gesellschaft. Die natürlich auch ihren Charakter ändern wird. Hungrige Einwanderer könnten sich möglicherweise nicht an die flauschigen Regeln halten, die Deutschland so gemütlich machen. Die zornigen, jungen Männer werden sich holen, worauf sie glauben, Anspruch zu haben. Eine Einwanderungsgesellschaft ist von harten Konflikten geprägt zwischen denen, die schon lange da sind und das haben, was die dazukommenden erst wollen. Und das gilt nicht nur materiell; es gilt auch kulturell. Die rasante Veränderung in eine echte multikulturelle Gesellschaft wird anders aussehen, als sie in Sonntagsreden beschönigend beschworen wird.

5. Flüchtling ist kein Beruf. Oder doch?

Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich 400.000 Flüchtlinge aufnehmen – so viele Einwohner, wie in Münster oder Bochum leben, oder in Saarbrücken und Potsdam zusammen. Viele wollen, dass wir noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das klingt gut. Aber wer rettet, muss auch sagen, wie es weitergeht. Genau da werden die Empörten schnell leise. Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland wirklich aufnehmen? Antwort: Fehlanzeige. Wie werden sie in Lohn und Wohnung gebracht? Fehlanzeige. Heute dürfen Flüchtlinge meist nicht arbeiten. Das schützt Deutsche vor schwarzer Konkurrenz um Arbeitsplätze. Aber bei so vielen Flüchtlingen kann es so nicht bleiben. Keine Arbeit – das demotiviert, verhindert echte Integration. Anwohner ärgern sich über herumlungernde Asylbewerber – aber wer sie auch nur zum Schneeschaufeln beschäftigt, macht sich strafbar! Deshalb musste die Bahn ihren Pilot-Versuch stoppen: Kofferträger für 1 €. Von Beruf Flüchtling – das kann nicht sein, sagt der Arbeitsmarktforscher Klaus Zimmermann.

Aber wie bringt man Menschen in Arbeit, die nicht deutsch sprechen, keine Berufsausbildung haben oder die nicht nachweisen können, dass sie eigentlich Ärzte oder Ingenieure sind? Völlig neue Konzepte sind gefragt: Sie könnten bei „Handwerkern und Betrieben eine Lehre machen“, fordert der frühere Oberbürgermeister von Stuttgart, Wolfgang Schuster, der sich intensiv mit Integration befasst: „Aber weil wir alles können außer Hochdeutsch, sollen diese Lehrlinge intensiv mit Sprachlehrern im Betrieb und in der Berufsschule deutsch lernen“. Das klingt nach einem guten Vorschlag. Aber er scheitert am starren System der Besitzstandswahrung. Deutschland fehlen einfach die einfachen Arbeitsplätze für Unqualifizierte; dazu sind die tariflich und per Mindestlohn durchgesetzten Löhne einfach zu hoch.

Wollen wir wieder eine Billig-Lohn-Industrie? Flüchtlinge könnten etwa in der Landwirtschaft arbeiten; auf den Spargelfeldern Arbeitskräfte aus der Ukraine und Polen ersetzen. Ist das eine gesellschaftlich akzeptable Lösung? Weil sie nicht sehr produktiv sind, müssten allerdings die Mindestlöhne entfallen, damit unqualifizierte Arbeit ihr Geld wirklich wert ist. Das treibt die Gewerkschaften schnell auf die Palme. Flüchtlinge sollen massenhaft kommen – aber wovon sollen sie leben? Sollen sie immer als „Beruf Flüchtling“ angeben und von öffentlicher Unterstützung leben? Mit niedrigen Anfangslöhnen könnten Flüchtlinge ihren Unterhalt wenigstens teilweise verdienen, statt als Berufsflüchtlinge nur auf Hilfe angewiesen zu sein. Wer sich qualifiziert – steigt auf. Menschen mit Berufsausbildung gehen oft wieder zurück in ihr Herkunftsland; beobachtet Klaus Zimmermann, um sich dort eine Existenz aufzubauen. „Das würde Deutschland entlasten“. Aber dafür müßte das Lohnsystem aufgebrochen werden – und das hätte auch Folgen für den “White Trash”, um einen amerikanischen Ausdruck schonungslos zu verwenden – die wenig einsatzbereiten und einsatzfähigen Deutschen würden schnell endgültig verdrängt und schneller in den neuen Prekariatsvierteln landen, als wir uns das so vorstellen.

Und was vernünftig klingt, ist umstritten. Arbeitsverbote sollen Wirtschaftsflüchtlinge abschrecken. Wirtschaftsflüchtlinge haben kein Asylrecht und werden nur „geduldet“. Dabei sind gerade sie hoch motiviert und könnten den Fachkräftemangel beheben, den Bevölkerungsinfarkt lindern, weil die Deutschen zu wenig Kinder haben. So kommen die, die Deutschland nicht braucht und so wird ausgesperrt, wen Deutschland brauchen könnte. Deutsch lernen, Schulabschluss und Integrationskurse für Flüchtlinge allerdings sind teuer. Deshalb fordert der Professor Hermann Heußens (lehrt in Osnabrück „Recht der sozialen Arbeit“) eine „Demografie-Abgabe zu Gunsten der Flüchtlinge“: Die sollen Menschen bezahlen, die keine Kinder haben. „Wer keine Kinder hat, spart pro Kind im Jahr durchschnittlich 4.500 €.“ Mindestlöhne aussetzen, Demografie-Abgabe, Integrationskurse? Das klingt für viele radikal, riecht nach Ausbeutung von Flüchtlingselend. Aber wer Flüchtlinge rettet, muß auch sagen, wovon sie leben sollen – und wer für ihre Integration zahlt.

6. Ist Europa besonders grausam?

Es gibt Grenzzäune in den USA gegen Mexiko; Australien, das berühmte Einwanderungsland, schottet sich massiv ab. Die arabischen und muslimischen Flüchtlinge werden in den reichen Öl-Scheichtümern am Golf und Saudi-Arabien nicht akzeptiert, obwohl dort Millionen von Wanderarbeitern aus Asien die eigentliche Arbeit machen. Aufnahme der Flüchtlinge in diesen Ländern wäre sicherlich in jeder Hinsicht besser. Es ist schon seltsam, dass das immer noch christlich geprägte Europa, und dort das so rassistische Deutschland, plötzlich das Ziel der Migration ist – und die muslimischen und arabischen Staaten sich die Hände in Unschuld waschen.

7. Muß Europa eingreifen?

Wenn Europa nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann, müssen die Fluchtursachen bekämpft werden.
Aus dem Schwarzpeterspiel aller Beteiligten wird erst dann Politik, wenn es Europa gelingt, an drei zentralen Parametern des Flüchtlingselends anzusetzen: bei der Lage in den Herkunftsstaaten, den Transitrouten und der Politik der Aufnahmeländer; auch der arabischen. Die Europäer machen gerade die Erfahrung, dass man von einer Krise nicht verschont bleibt, nur, weil man diese wie in den vergangenen Jahren einfach ignoriert. In Syrien, wo derzeit die meisten Flüchtlinge herkommen, wurde durch Nichtstun die Chance verspielt, im Bürgerkrieg früh zu intervenieren. Heute herrscht dort ein grösserer humanitärer Notstand als in den neunziger Jahren auf dem Balkan. In Libyen, der wichtigsten Drehscheibe des Menschenhandels, folgte auf die Luftangriffe gegen Ghadhafi kein Engagement am Boden. Tatenlos schauten Nato und EU dem Zerfall des Landes zu. In diesem rechtsfreien Raum finden die Flüchtlingsströme ihren Anfang.

Allerdings wird der Aufbau funktionierender Staaten nicht einfach sein. Bekanntlich kriegt Europa ja nicht einmal Griechenland zu einem halbwegs funktionierendem Staat gewendet, weil die alten Klaukratien sich nur an den EU-Milliarden bedienen, statt zu reformieren. Viel Spaß mit Lybien! Willkommen in Syrien! Europas Beamte und Politiker – reformiert den Sudan? Wie wäre es gleich mit Somalia, einem der Länder mit dem massivsten Flüchtlingsexport? Wer hier eingreift, scheitert – oder ist zu einer Härte gezwungen, die in Europa niemand mehr vertreten kann. Sehr schnell werden die Kritiker von Neo-Kolonialismus sprechen. Denn darum geht es, wenn Sonderzonen für Flüchtlinge errichtet werden. Trotzdem muss Europa eingreifen. Aber schnelle Lösungen sind nicht in Sicht. So lange wird das Drama weitergehen – und sich verschärfen.

Dieser Text erschien zuerst hier auf Tichys Einblick

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/7_irrtuemer_der_fluechtlingspolitik

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Merlin-Katze

Neulich sagte mir eine junge Frau, daß sie das Buch „Der kastrierte Mann“ lesen möchte. Sie meinte damit zwar „Der dressierte Mann“ von Esther Vilar, aber in der Sache lag sie schon richtig. Aber nicht nur die Männer werden zunehmend von Institutionen kastriert, die Frauen und alle anderen Geschlechter, die es heute schon gibt, werden ebenso entmündigt, durch eine wachsende Schar von Pädagogen, Psychologen, Soziopathen, Psychotherapeuten, und, und, und… Schon im Kindergarten wird gegen den Krieg demonstriert, und natürlich wird von klein auf Israelkritik geübt, was sonst. Das Land verwandelt sich zurück in eine wogende Brabbelblase von Teletubbies, die nur noch Fressen, Saufen und Ficken im Sinn haben, was sie Selbstverwirklichung dann nennen, oder die Suche nach ihrem Selbst. Zwei Beiträge illustrieren im Folgenden diesen offenbar unaufhaltbaren Trend, von Alex Bauer und von Penelope Meyer. Viel Vergnügen beim Lesen! Und nicht vergessen: der Gutmensch hat immer recht!

 

Der dressierte Bürger

Laien im Sozialwesen werden zunehmend durch Profis ersetzt. Das System wurde damit nicht besser, nur teurer. Denn Lebenserfahrung kann man an keiner Hochschule lernen.

Von Alex Baur

Bevor sich die Bundesversammlung in die wohlverdienten Weihnachtsferien verabschiedete, brachte sie am 19. Dezember 2008, zusammen mit fünfzehn anderen Vorlagen zwischen Tabaksteuer, Musikförderung und Güterverkehr, noch schnell die Revision des Vormundschaftsrechts ins Trockene. Der Ständerat nickte das Gesetzeswerk einstimmig ab, an dem seit 1993 gewerkelt wurde. Im Nationalrat votierten lediglich zwei SVP-Vertreter (Christian Miesch, BL, und Pirmin Schwander, SZ) gegen eine Phalanx von 191 Ja-Sagern. Selbst Christoph Blocher, der die Vormundschaftsvorlage als Justizminister vorüber­gehend mit betreut hatte, unterstützte diese seinerzeit – was ihm der Blick letzte Woche genüsslich um die Ohren schlug.

Denn mittlerweile ist die grosse Eintracht in eine allgemeine Ernüchterung umgeschlagen. Während Journalisten mit Klagen über Amtsschimmel und Willkür bei den neugeschaffenen Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) überschwemmt werden, ächzen die Gemeinden unter einer Kostenexplosion, die sie auf das neue Vormundschaftsrecht ­zurückführen. Seit die Laien entmachtet ­wurden, so der Tenor, würden realitätsferne ­Fachteams in ihren Amtsstuben die «Sozial­industrie» mit teuren und oft fragwürdigen Aufträgen füttern.

In Basel-Stadt zum Beispiel stieg der Aufwand für vormundschaftliche Massnahmen in den letzten vier Jahren um satte 34 Prozent, auch im Baselbiet laufen die Kosten gemäss einer Recherche der BAZ unter dem neuen Regime aus dem Ruder. Professionalität habe eben ­ihren Preis, kontern Vertreter der KESB, das Problem liege auch bei den Gemeinden. Diese würden schwierige Klienten heute gerne an die Profis abschieben, selbst wo dies nicht ­nötig wäre.

Trügerische Botschaft des Bundesrates

In der Botschaft des Bundesrates zum neuen Abschnitt «Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht» im Zivilgesetz – der Begriff «Vormundschaft» wurde aus dem Vokabular gestrichen, da «stigmatisierend» – war von Geld keine Rede. Die Schrift vermittelt den Eindruck, dass es im Wesentlichen darum gehe, «das Selbstbestimmungsrecht zu fördern» und die Rechte der Betroffenen auszubauen. Eher beiläufig wird gegen Ende der Botschaft moniert, das Vormundschaftswesen sei «heute uneinheitlich und unübersichtlich organisiert». Die «politisch gewählten Laien ohne einschlägige fachliche Aus- bildung» sollten, wie von der Fachwelt schon lange gefordert, deshalb durch Profis ersetzt werden.

Was am Rande erwähnt wurde, erweist sich nun als Herzstück der Reform. Das Vormundschaftsrecht reiht sich damit ein in die Galerie der Gesetzesrevisionen, die als sanfte Modernisierung verkauft worden sind, tatsächlich aber tiefgreifende Systemänderungen nach sich zogen. Augenfällig ist die Analogie zum Strafrecht. Auch hier wurde vorweg der Geist des Gesetzes vernebelt, in dem man verständliche Begriffe («Zuchthaus», «Gefängnis») durch politisch korrekte Wortkreationen («Freiheitsentzug») ersetzte; auch hier urteilen heute Fachgremien in ihren Kabinetten unter Ausschluss der Öffentlichkeit; auch hier wurden die Laien aus dem Recht verbannt.

Dabei ging sträflich vergessen, dass das Laienelement im Staatswesen keineswegs ein Manko ist, sondern ganz bewusst herbei­geführt wurde. Historisch gesehen, handelt es sich um eine Errungenschaft der Aufklärung und der Französischen Revolution, welche das Institut der Geschworenen hervorbrachte. Die Laien sollten ein Brücke schaffen zwischen Regierung und Regierten, die Öffentlichkeit des Prozesses sollte vor Willkür schützen. Der Obrigkeit und der Beamtenschaft wurde damit das Privileg entzogen, selbstherrlich über Recht und Unrecht zu entscheiden. Juristen haben wohl über die Rechts­sicherheit zu wachen, doch was nicht nur recht, sondern auch gerecht ist, das entscheidet das Volk.

Fachleute nur, wenn alle Stricke ­reissen

Anders als die Medizin oder die Physik, die man getrost den Ärzten und Ingenieuren überlassen darf, sind Justiz und Politik keine exakten Wissenschaften. Das gilt erst recht für den sozialen Bereich. Wie man Kinder am besten erzieht, den Alltag bewältigt und mit anderen Menschen umgeht, das liegt in der Kernkompetenz eines jeden mündigen Bürgers. Es sind dies Fähigkeiten, die man nicht an einer Universität, sondern nur durch praktische Erfahrung erlernen kann. Fachleute haben auf diesem Feld höchstens eine beratende Funktion, und auch das nur, wenn alle Stricke ­reissen.

Jede soziale Institution, und sei sie noch so gut gemeint, untergräbt die natürliche Solidarität in der Gesellschaft. Wo der Staat die Verantwortung übernimmt, tritt der Bürger zurück, wird vom handelnden Subjekt zum passiven Objekt. Die öffentliche Wohlfahrt ist gleichsam eine sanfte Art der Dressur: Dem Individuum wird Sicherheit geboten, dafür soll es sich dem gutgemeinten Rat der Fachleute unterwerfen. Vom gesunden Essen (vegan ­wäre auch gut fürs Weltklima) über Gender-Mainstreaming (Puppen auch für Buben) und Sexualkunde (nur mit Gummi) bis zur täglichen Mobilität (ÖV gut, Auto böse) leiten sie den Bürger auf den Pfad der Tugend.

Bis Weihnachten 2008 galt für den mündigen Bürger gleichwohl das Prinzip: Wo eine formale Bevormundung unausweichlich ist, hat diese, wenn immer möglich, durch Freiwillige im nahen und vertrauten Umfeld zu erfolgen – in der Familie, im Quartier, in der Gemeinde. Das neue Gesetz degradiert die freiwilligen Helfer nun selber zu Bevormundeten. Und das ohne Not, obwohl sich das ­historisch gewachsene System leidlich bewährt hatte – und (fast) ohne lästige Wider­rede. Die Dressur zeitigte offenbar bereits Wirkung.

http://www.weltwoche.ch/index.php?id=552341

Der dressierte Bürger | Die Weltwoche, Ausgabe 40/2014

 

Nicht mit meiner Tochter

Jahrelang lebte ich glücklich mit meinem Kind im Kanton Schwyz. Bis ich plötzlich bei der Kindes- und ­Erwachsenenschutzbehörde (KESB) antraben musste. Damit begann ein nicht enden wollender Albtraum.
Ein Erfahrungsbericht in zwei Teilen

Von Penelope Meyer*

Sie wollen sich an Ihrem oder Ihrer Ex rächen, mit dem oder der sie ein Kind gezeugt haben, um das Sie sich aber nicht kümmern, weil Sie freiwillig irgendwo anders leben, zum Beispiel auf Bora Bora? Wenn Sie mit einem Schweizer oder einer Schweizerin verheiratet waren, dann haben Sie Glück: Sie gehen einfach zur Kindes- und Erwachsenenschutz­behörde (KESB).

Sie müssen sich dafür nicht einmal in die Schweiz bewegen, Sie können bequem auf ­Bora Bora bleiben und weiterhin Ihren Hobbys frönen. Alles, was Sie brauchen, ist Geld für ­einen Anwalt, der die Behörde mit Anträgen zuschüttet, vom Antrag auf Urlaub bis hin zum Antrag auf Erziehungsbeistand. Damit machen Sie Ihrem Ex-Partner, der sich Tausende von Kilometern von Ihnen entfernt tagtäglich um Ihr Kind sorgt, garantiert die Hölle heiss. Manchmal ist die Kombination von zu viel Zeit und zu viel Geld der Anfang von gros­sem Übel. Zu viel Zeit und Geld hat in diesem Fall nicht nur der auf Bora Bora weilende Antragsteller, sondern – was noch bedenklicher ist – die Schweizer Behörde, die in diesem ­Bericht im Fokus stehen soll.

Vor wenigen Monaten erhielt ich eine Ein­ladung vom Schweizer Fernsehen, um mich als Gast einer Diskussionsrunde zu einem Thema zu äussern. Das Thema interessierte mich, und ich wollte schon zusagen, da bekam ich – nur Minuten später – eine von meiner Anwältin weitergeleitete E-Mail von der KESB. Es hiess darin, es seien verschiedene Anträge eingegangen und ich solle sofort vorbeikommen, damit man mir «die Sachlage» erklären könne. Ich rief meine Anwältin an. Sie winkte ab: Die KESB sei juristisch nicht ­zuständig, aber vielleicht könne man das ja im Rahmen eines Vermittlungsgesprächs klären. Vor allem sollte man verhindern, dass immer wieder Anträge eingehen, denn das könnte der Antragsteller immer wieder tun, wenn er erst mal Spass daran gefunden habe. Das wäre dann gewisser­massen staatlich anerkannter und finanzierter Psychoterror.

«Unverzüglich!»

Man geht davon aus, dass in einer Behörde, die den Begriff «Schutz» im Namen trägt, vernünftige Menschen sitzen. Menschen mit Sach- und gesundem Menschenverstand. Mit anderen Worten: Ich ahnte nichts Böses.

Ich rief an, um einen Termin zu vereinbaren. Es hiess, ich müsse sofort kommen. Aus beruflichen Gründen gehe das erst die kommende Woche, erklärte ich, überrascht über die Dringlichkeit. Man beharrte: «Unverzüglich!» Mir entging nicht der drohende Ton. Kurzerhand sagte ich die Fernsehsendung ab und fuhr hin. Aber es machte mich doch stutzig: Hat die KESB wirklich nichts Besseres zu tun, als sich mit dem fragwürdigen Antrag auf einen massgeschneiderten Urlaub eines Elternteils aus­einanderzusetzen, der sich zwanzig Flugstunden weit weg befindet und – aus meiner Sicht – vollkommen unangemessene Sonderwünsche äussert? Aber auf den Schweizer Sozialbehörden hat man ja bekanntlich gerade für Sonderwünsche besonders viel Verständnis. Vielleicht beschäftigen sie sich einfach lieber mit Luxusproblemen von Leuten, die zu viel Zeit und Geld haben, als mit dem realen Elend, für das eine Kinderschutzbehörde eigentlich zuständig wäre.

Im oberen Stock eines modernen Gebäudes führt mich ein Mann in kariertem Hemd in ein Zimmer, eine Art Klassenzimmer mit Projektor. Eine Wandtafel ist da, unbenutzt, und alles ist neu. Die Möbel und der Teppich riechen, als wären sie gerade erst geliefert worden.

Sie sind zu zweit. Herr T. und Frau K. Die Frau fragt mich als Erstes, wie ich auf die Idee ­komme, einen Termin verschieben zu wollen. Überrascht von der Frage und dem abstrafenden, vorwurfsvollen Ton, erkläre ich, dass ich freiberuflich tätig bin. Manchmal müsse ich kurzfristig Entscheidungen treffen, zum Beispiel die Einladung in eine Fernsehsendung wahrnehmen. Ich hätte die jetzt aber abgesagt, damit ich hier mit ihnen reden könne. Herr T. und Frau K. nicken einmütig, irgendwie zu­frieden und als wäre das selbstverständlich.

Dann lehnt sich Herr T. zurück und packt ­einen Kaugummi aus. Kauend mustert er mich und beginnt Notizen zu machen. Innerlich schüttle ich den Kopf: Macht man das – Kaugummi kauen –, während man in einer An­hörung einer Mutter gegenübersitzt? Ist das jetzt mangelnde Erziehung, mangelnder ­Respekt, Machtgehabe oder alles zusammen? People skills, davon hat man bei der KESB offenbar noch nichts gehört.

Aber Herr T. hat keine Bedenken. Er ist sich sehr sicher. Genau genommen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie einen Menschen getroffen, der sich so sicher war wie Herr T., und ich habe einigen begegnen dürfen, und deshalb bin ich verblüfft und frage mich, wie es möglich ist, dass ein Herr T. sich wichtiger fühlt als – sagen wir – Prince Charles?

Herr T. ist ein Sozialarbeiter, Frau K. eine ehemalige Kindergärtnerin. So stellen sie sich vor. Ist das alles? Braucht man keine kinder­psychologische Ausbildung, eine gewisse Fachkenntnis, um auf einem Amt für Kinderschutz zu arbeiten? Offenbar nicht.

Irgendwo habe ich mal gelesen, die Leute, die für die KESB arbeiten, seien professioneller als diejenigen, die früher arbeiteten, als die ­Institution noch Vormundschaftsbehörde hiess – eine unrühmliche Behörde, die man mit Verdingkindern und grausamen, menschenverachtenden Aktionen in Verbindung bringt. Alles soll jetzt besser sein, nicht nur der neue Teppich.

Im Kreuzverhör

Schon kommen Zweifel auf. Noch keine drei Minuten sind vergangen, und ich merke, dass hier etwas massiv nicht stimmen kann. Aber ich habe in diesem Moment keine Zeit, da­rüber nachzudenken. Herr T. und Frau K. sind im Element. Sie müssen zumindest ziemlich gut geschult sein im Fragenstellen, denn was folgt, ist kein Gespräch und schon gar kein Vermittlungsversuch. Ich fühle mich wie in einem schlechten Vorabendkrimi, den ich spätestens zu diesem Zeitpunkt ausschalten würde, mitten im Kreuzverhör. Ich bin an­geklagt. Wie von aus­sen blicke ich ungläubig auf die ­Szenerie:

«Wie sieht der Alltag Ihrer Tochter aus?» – «Wenn sie nicht bei mir ist, besucht sie einen zweisprachigen Privatkindergarten», sage ich. – «Warum?» – «Warum nicht?», frage ich zurück. Eigentlich möchte ich fragen: «Was geht Sie das an?» – «Und sonst?» – «Einmal pro Woche geht sie ins Ballett. Sie tanzt gerne.» – «Wie viele Minuten?» – «Wie bitte? Was hat das mit der Sache zu tun?» – «Beantworten Sie die Frage!» – «Eine Unterrichtsstunde Kinderballett dauert 45 Minuten. Warum?»

Frau K. runzelt die Stirn und schaut mich an, als hätte ich gerade einen riesigen Fehler gemacht, den ich noch bereuen würde. «Ziemlich viel Programm für ein viereinhalbjähriges Kind», sagt Frau K., die selber keine Kinder hat. Ich ­atme tief. Will sie mir jetzt vielleicht sagen, ich überfordere meine Tochter? Das ist es ja, was Mütter bekanntlich am allerliebsten haben: Wenn Leute, die garantiert nicht wissen, wovon sie reden, bevormundend Ratschläge erteilen.

Ich bin also in Windeseile hierhergekommen, um mich über die Vorzüge eines Privatkindergartens und das relativ exklusive Freizeitprogramm meiner Tochter zu unterhalten? So ist es, ob man es glaubt oder nicht: Wir befinden uns im Kindergarten für Erwachsene, genau genommen auf dem supermodernen, State-of-the-Art-ausgerüsteten Spielplatz für KESB-Angestellte. Der Sozialarbeiter und die Ex-Kindergärtnerin toben sich aus. Ich schaue auf die Uhr.

Langsam wird es mir zu dumm, und ich will jetzt wissen, mit wem ich es zu tun habe, werfe ein paar Brocken hin: Entwicklungspsycho­logie, frühkindliches Bindungsverhalten – zufälligerweise mein Spezialgebiet. Man schaut mich an, als käme ich vom Mars. Nein, davon habe man noch nie gehört. Das ist bedauerlich, um nicht zu sagen: gefährlich, in ihrer verantwortungsvollen Position. Aber das denke ich nur. Denn ab sofort lässt man mich nicht mehr ausreden. Keinen einzigen Satz. So ist es wohl auch in China, wenn man verhört wird und weiss: Man hat keine Chance.

Reine Taktik

«Sie verdrehen die Dinge», erklärt man mir. Aha. Jetzt versucht man, mich zu verunsichern. Reine Taktik. Frau K. klopft auf einen Stapel mit Akten. Wir haben es im Griff, will sie damit sagen. Wir haben die Macht. Sie lehnen sich jetzt beide über den Tisch, reden von Massnahmen, Verfügungen. Betonen immer wieder ihre Zuständigkeit, als ob sie sich plötzlich selber nicht mehr so sicher wären. Und was sie alles so machen könnten – wenn sie denn wollten.

Unglaublich, diese Drohgebärden, denke ich. Dieses subkutane Angsteinjagen. Ein schwächerer Charakter wäre schon längst zermalmt. Dann schweift mein Blick über die ­Aktenschränke. Darin verbergen sich die Dossiers, Hunderte vielleicht. Ich sehe verzweifelte Mütter und Väter. Wehrlose Kinder. Wenn ich ­denke, dass die alle der himmelschreienden Inkompetenz von Leuten wie Herrn T. und Frau K. ausgeliefert sind, packt mich das nackte Grauen. Mir wird schlecht.

Jetzt reicht’s. Eigentlich möchte ich schon längst mit der Faust auf den Tisch hauen, aber ich bleibe ruhig und sage stattdessen druckfertige Sätze, erkläre einen mir wichtigen Sachverhalt, der unbedingt in das Protokoll gehört. Aber genau in diesem Moment hat Herr T. entschieden, auf taubstumm zu schalten. Ein Staatsdiener der gefährlichen Sorte. Leute, die Urteile fällen, bevor sie nachdenken, und auch niemals zuhören. Weil sie alles schon zu wissen glauben. Es ist jetzt klar, die beiden hatten sich ihre Meinung schon ge­bildet, bevor ich hierherkam. Was sich in ­diesen Räumlichkeiten gerade abspielt, ist nichts anderes als eine Farce.

«Das ist reine Schikane», sage ich. – «Ich höre Ihnen doch zu», sagt Frau K. und lächelt jetzt – zum ersten Mal. Ein gespielt unschuldiges Kindergärtnerinnenlächeln. – «Aber Sie schreiben nicht auf», sage ich. «Halten Sie mich für blöd?»


In diesem Moment stehen beide auf. Gleichzeitig. Gespenstisch, wie Marionetten.

Beim Hinausgehen komme ich an einem Bistrotisch vorbei, darauf steht eine Schale mit Schokolade. Es sind diese kleinen Schokoladen, die man auf dem Flughafen kauft, in Souvenirgeschäften, mit idyllischen Postkartenbildchen der Schweiz drauf. Die Schweiz im Kleinstformat. Die Brücke von Luzern. Ein Schwan auf dem Vierwaldstättersee. Meine Hand gleitet in die Schale. «Ich nehme eine Schokolade mit für meine Tochter», sage ich und blicke noch mal zurück, lächelnd, von ­einem Bedürfnis getrieben, diese insgesamt ungute und höchst selt­same Begegnung, die ich nur noch in der Kategorie Kuriositäten einordnen kann, irgendwie freundlich zu beenden. Doch nicht einmal das soll möglich sein. Frau K. starrt mich an mit tiefgefrorenem Blick. «Die Schokolade gehört den Angestellten hier», sagt sie in einem Ton, der so humorlos ist, dass ich von ganzem Herzen hoffe, diese Person möge nie wieder in ­ihrem Leben mit Kindern in Berührung ­kommen.

Tatsächlich hat Frau K., ohne es selbst zu ­ahnen, eine sehr interessante Frage aufgeworfen: Wem gehört die Schokolade? Dem Staat? Oder dem Bürger? Wer hat sie bezahlt? Ist es möglicherweise so, dass sich der Staat hier im übertragenen Sinne an der Schokolade – nämlich dem Geld des Steuerzahlers – fettgefressen hat unter dem Vorwand, Kinder zu schützen? Wird hier der Staat gar zur ­Gefahr für den Bürger?

Als ich wenig später das Protokoll lese, weiss ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Alles ist falsch, verdreht, lückenhaft. «Das ist inakzeptabel!», rufe ich in den Hörer. Die Anwältin ist selbst überrascht, nein, sie ist verzweifelt: Sie hat einen Fall auf dem Tisch, der das Kindeswohl massiv bedroht. Seit Monaten. Ein unbearbeitetes Dossier. Ein gefährdetes Kinderleben. Doch die KESB, die genau für solche Fälle ins Leben gerufen wurde, tut nichts. Stattdessen hat sie sich auf mich gestürzt wie eine Hyäne. Es ist unbegreiflich.

Im Namen des Kinderschutzes

Wir wissen jetzt: Die KESB hat ein neues Spiel erfunden – es heisst: verkehrte Welt. Oder: Wie eröffnet man in kurzer Zeit so viele Dossiers, dass einem garantiert für Jahrzehnte die ­Arbeit nicht mehr ausgeht? Und dann in den Medien gekonnt darüber jammern, man sei überfordert. Ich weiss jetzt, warum: Die KESB ist zu mindestens zwei Drittel damit beschäftigt, Fehler auszubügeln, die aus purer Inkompetenz entstanden sind. Um die misshandelten und missbrauchten Kinder in diesem Land kümmert sich niemand. Dafür hat man leider, leider keine Zeit. Allein mein Fall ist das Dokument eines unfassbaren Behördenpfuschs.

Trotzdem (oder gerade deshalb?) wird meine Aufsichtsbeschwerde abgelehnt. Immerhin erfährt man darin, dass Frau K. einen Bruder hat, der die Beschwerden bearbeitet. Einen grossen Bruder zu haben, der sich in der gleichen Firma karrieretechnisch ein paar Stufen weiter oben befindet, ist natürlich immer nützlich – ganz besonders, wenn man bedenkt, dass der Sprung von der Kindergärtnerin zur Staatsangestellten sicherlich eine erfreuliche Optimierung darstellt, auch was den Lohn betrifft.

Korrekterweise ist der Bruder von Frau K. bei der Bearbeitung meiner Beschwerde in den Ausstand getreten. Man will schliesslich keinen Skandal. Ein kluger Mann hat mir mal erklärt, wie das so vor sich geht, wenn in einem Gremium von drei Leuten einer in den Ausstand treten muss: Es ist ein bisschen wie in ­einem schlechten Theaterstück, bei dem am ­Ende alle auffliegen, man aber schon von der ersten Minute an weiss, wer welche Motive verfolgt.Übrigens ist kurz darauf auch Frau K. in den Ausstand getreten. Wegen Befangenheit. Was geht hier vor? Die Hyänen ziehen sich ins Dunkel zurück. Was sie dort im Namen des Kinderschutzes sonst noch so treiben, weiss niemand.

* Die Autorin ist eine Persönlichkeit des Schweizer Kulturbetriebs. Sie schreibt hier unter Pseudonym.
Lesen Sie nächste Woche: Wie mich die Sozialbehörde mit einzuschüchtern versuchte und den Kindesschutz missbraucht, um sich selber zu schützen.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2014-40/nicht-mit-meiner-tochter-die-weltwoche-ausgabe-402014.html

 

Amoklauf einer Behörde

­Wiederholt hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) meine Familie verfolgt und ­belästigt. Inkompetente Beamte leisten sich unglaubliche Fehler. Kaum je zuvor wurde das Wort «Kindeswohl» so missbräuchlich verwendet. Zweiter Teil des Erfahrungsberichts von Penelope Meyer*

Von Penelope Meyer

Man könnte es Ironie des Schicksals nennen. Nämlich das Unglück, eine Sozialbehörde aus zwei völlig verschiedenen Perspektiven betrachten zu können. Einmal als Kind und einmal als Mutter, dies in einem Zeitraum von 34 Jahren. Beide Male wirkte das Ganze absurd, vollkommen sinnlos. Der Stress und die Belastung durch die Belästigung der Behörde waren allerdings erheblich – man kann es nur als qualvoll bezeichnen. Um es vorwegzunehmen: Die sogenannte Kinderschutzbehörde, die sich herausgeputzt und sich einen neuen Namen gegeben hat, ist nicht besser geworden. Im Gegenteil, ich vermute, diese Behörde war noch nie so inkompetent, so erschreckend gefährlich für Kinder und Eltern und so skandalös verschwenderisch mit dem Geld der Steuerzahler.

Mein Vater gehörte zu den ersten alleinerziehenden Vätern in der Schweiz. Er hatte das alleinige Sorgerecht, was unstrittig war und friedlich beschlossen wurde. Ich hatte Glück, denn er arbeitete zu Hause und war immer für mich da. Trotzdem war es nicht leicht. Mit ­Sicherheit sah ich nicht aus wie ein Kind aus einem Katalog für Kindermode und trug die Secondhand-Kleider einige Tage länger, als ich es meiner ­eigenen Tochter je zumuten würde. Die italienische Gastarbeiterfamilie im oberen Stockwerk hielt ich für wohlhabend, weil sie einen Schwarzweissfernseher besass. Manchmal durfte ich dort «Lassie» schauen.

Privatsphäre im Kinderzimmer

Heute denke ich, dass das doch ein ziemlich weiter Weg war von da bis zu der fröhlich-bunten Welt von «Prinzessin Lillifee», die sich ­meine Tochter von einem bequemen Sofa aus auf einem Plasmabildschirm anschaut. Doch auch ich hatte mein eigenes Zimmer, meine ­Bücher, spielte auf der Schreibmaschine meines Vaters und war über weite Strecken ein sehr ­zufriedenes Kind. Ausser hin und wieder: Da tauchten seltsame Figuren von der sogenannten Vormundschaftsbehörde auf. Mag sein, dass allein schon die Tatsache, dass mein Vater alleinerziehend war und ausser Büchern hin und wieder auch Flugblätter für Demonstrationen druckte, gewissen Leuten das Gefühl gab, irgendwie einschreiten, uns vor unserer Lebensweise schützen, sich sorgen oder sich sonst wie bevormundend einmischen zu müssen.

Fünf- oder sechsmal schnüffelten in unserer Wohnung Beamte von der Fürsorge herum, am liebsten in meinem Zimmer, und gingen mir, um es klar zu sagen, unglaublich auf die Nerven. Schon mit sieben Jahren entwickelte ich ­eine enorme Abneigung gegen Personen, die sich in meine Privatsphäre einmischten, denn, das muss mal gesagt sein: Auch ein Kinderzimmer ist privates Territorium. Aber sie trampelten herein und schauten sich um, öffneten Schubladen und stellten blöde Fragen wie, was ich zuletzt gegessen hätte.

«Das sieht man doch!», sagte ich. «Schauen sie nur meinen Vater an!» Man konnte es eigent­lich nicht übersehen: An den Händen die Druckerschwärze, auf dem vom Arbeiten und Herumrennen verschwitzten Hemd die Spaghetti- sauce. Nein, diese Leute hatten schon damals keine Augen im Kopf. Eigentlich wollte ich ­ihnen sagen, dass sie zur Hölle fahren sollen, stattdessen lächelte ich ein 100-Watt-Lächeln und schenkte ihnen eine schöne Kinderzeichnung. Verdutzt zogen sie wieder ab.

Ich kann mich an kein einziges Gesicht erinnern. Nur an marionettenhafte Schattenköpfe, die sich zu mir hinunterbeugten, und diese murmelnden, gutmeinenden Stimmen, die ich sofort als Gefahr erkannte, und die unterschwellige Angst. An die Angst kann ich mich erinnern, als wäre es gestern gewesen – die furchtbare Drohung, sie könnten mich holen, aus meinem Zimmer, fort von meinem Vater, weg von meinem Reich. Und damit könnte ich auf einen Schlag all das verlieren, was jedes Kind auf dieser Welt am allermeisten und dringendsten braucht: Geborgenheit.

Phasenweise war mein Vater sicher überlastet. Perfekt war gar nichts, und es war gut so. Der amerikanische Schriftsteller William Burroughs sass nach einer durchzechten Nacht in unserer Küche und trank mein Glas aus mit der Morgenmilch, die er für Whisky hielt. Er war so betrunken, dass er es nicht einmal merkte. Ein pädagogisch einwandfreies, kindergerechtes Umfeld? Wahrscheinlich nicht – na und? Ich schüttelte den Kopf, liess Burroughs in der ­Küche sitzen und ging zur Schule.

Tausendmal lieber schreibe ich heute, 34 Jahre später, diesen Satz als: «Ich verbrachte meine Kindheit in einem gutgeführten Kinderheim und hatte mein Mittagessen immer pünktlich um 12 Uhr auf dem Tisch.» Auch ein von aussen chaotisch oder sogar desolat wirkendes Umfeld ist noch längst kein Grund, ein Kind seinem Zuhause und seiner Hauptbezugsperson zu entreissen. Zweimal wurde mein Vater durch ein Schreiben der Behörde aufgefordert, seine Kinder aufzugeben. Ich hätte fremdplatziert werden sollen. Diesem Albtraum konnte ich glücklicherweise entkommen – mein Vater unter- schrieb nichts. Ich kann nur ahnen, was für eine Hölle er damals durchmachte.

Heute kann ich sagen: Auch überlastete und arme Eltern sind noch tausendmal besser als ein Heim. Egal, wie empathisch und pädagogisch gutausgebildet das Heimpersonal sein mag, es kann niemals die einzigartige und existenzielle Bindung zu einem Elternteil ersetzen. Es ist im Übrigen auch vollkommen egal, ob Eltern am Existenzminimum leben, in einem Eigenheim mit Vorgarten oder einer Villa mit manikürtem Rasen. Es ist ein schlimmer Irrtum, zu glauben, dass Kinder aus sozial tieferen Schichten unglücklich sein müssen, dass ihnen etwas fehlt und dass man ihnen dringend helfen müsse. Es steckt dahinter eine unglaubliche Arroganz und ein grundsätzliches Missverständnis dar­über, was das Kindeswohl wirklich beinhaltet.

In den Leitlinien der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) steht, dass sie sich nur dann einmische, wenn es absolut notwendig ist. Das Gegenteil ist der Fall: Die KESB hat sich immer wieder mit fadenscheinigsten Argumenten aufgedrängt, um mich und meine Familie zu belästigen.

Eine Art Geheimpolizei

Es ist Sommer. Wir befinden uns auf dem Tennisplatz eines exklusiven Hotels in der Tos­kana, meine Tochter spielt gerade Tennis. Sie ist ziemlich gut, hat einen harten Schlag. Dann kommt der Anruf. Die Assistentin meiner Anwältin, die sich zu diesem Zeitpunkt selber im Urlaub befindet, teilt mir mit, die KESB habe sich gemeldet. Eine Frau H. – eine Person, von der ich noch nie etwas gehört habe – möchte augen­blicklich wissen, wo ich bin. Nein, es ist kein Witz: Die KESB spielt in den Sommerferien, wenn sich sonst nicht gerade viel tut, gerne Interpol. Bildet sich hier still und heimlich eine Art Geheimpolizei?

Während ich beobachte, wie meine Tochter mit jauchzender Begeisterung einen Ball nach dem anderen über das Netz fegt, führe ich folgenden absurden Dialog:

«Wir sind im Urlaub, und ich glaube kaum, dass es die KESB etwas angeht, wo ich den verbringe», antworte ich. «Was soll diese Frage überhaupt? Wollen Sie mich vielleicht abholen? Mich und meine Tochter vom Tennisplatz eines Fünfsternehotels zerren? Wozu?» Falls die Person, die es offenbar abermals geschafft hat, ­diese Behörde vom anderen Ende der Welt her zu instrumentalisieren, etwas wolle, solle sie sich doch bitte direkt bei mir melden. Meine Kontaktdaten seien bekannt. Prompt kam die Antwort von Frau H.: Sie würde natürlich nicht als Vertreter einer Partei anrufen, sondern im Auftrag des Kindeswohls. Das ist interessant, finde ich und will wissen, wie es kommt, dass sie, Frau H., die weder mich noch mein Kind je gesehen hat, über das Wohlbefinden meines Kindes so gut Bescheid weiss. Denn dazu brauchte es doch schon fast übermenschliche Fähigkeiten. Und dann frage ich, weil es mich wirklich interessiert, was der berufliche Werdegang von Frau H. sei und warum sie jetzt bei der KESB arbeite. Darüber gebe man keine Auskunft, heisst es. «Nein?» – «Nein.»

Als meine Anwältin aus dem Urlaub zurückkam, erklärte sie den sogenannten Profis der KESB, dass sie zu einer Vorladung juristisch gar keine Befugnis haben. Frau H. ist inzwischen, wie alle früheren Mitarbeiter, die so dringend mit mir Bekanntschaft schliessen wollten, im schwarzen Loch der Behörde verschwunden. Eine gewisse Frau L. sah schliesslich ein, dass es hier eigentlich nichts zu schützen gibt, ausser vielleicht die Freiheit von Mutter und Tochter, gemeinsam im Sommer in den Urlaub fahren zu können, wann und wohin es ihnen passt. Frau L. mache einen vernünftigen Eindruck, meinte meine Anwältin noch. Immerhin, ein Schritt in die richtige Richtung. Seither haben wir von der KESB nichts mehr gehört. Vielleicht hat sie zwischenzeitlich aber einfach jemand anderen gefunden, an dem sie sich ergiebiger austoben kann.

Tatsächlich, als wir damals aus dem Urlaub nach Hause kamen, war die Hauptstrasse meiner ansonsten so schön verschlafenen Wohngemeinde abgesperrt. Grosseinsatz der Polizei. Am nächsten Tag erfuhren wir durch die lokale Zeitung, dass ein Vater vor den Augen seiner zwölfjährigen Tochter an Handschellen abgeführt und ins Gefängnis geworfen wurde. Anordnung der KESB. Sie meldete bei der Polizei Entführungsgefahr. Ein Irrtum, wie sich herausstellte. Einer von unzähligen Irrtümern und Fehlern, die die KESB sich so erlaubt. Wird dafür jemand zur Rechenschaft gezogen? Nein. Dafür können Vater und Tochter für den Rest ihres Lebens ihr Trauma ausbaden. Man wird den Verdacht nicht los, dass diese Behörde unter dem Vorwand des Kinderschutzes eigentlich vor allem sich selber schützt.

Ich weiss nicht, wie viel die Papierarbeit und die vielen Arbeitsstunden solch unfassbarer Leerläufe insgesamt kosten. Wahrscheinlich einen skandalösen Betrag. Leider wird man ihn nie erfahren. Wer von der KESB Informationen will, blitzt ab. Sie befänden sich in der «Lernphase», hört man immer wieder über die Medien, in diesem larmoyanten Ton, der Harmlosigkeit suggerieren soll. In Wahrheit ist diese Behörde so leichtfertig wie brutal.

Kinder zahlen die Rechnung

«Beratungsresistenz» hatte man einer Mutter aus Eritrea vorgeworfen und als Grund angegeben, warum man ihr vier von sieben Kindern weggenommen und in ein Heim gesteckt hatte. Eine Mutter, die ihre Kinder weder geschlagen noch ihnen sonst etwas Schlechtes angetan hat. Wahrscheinlich hat noch keine an­dere Behörde so oft und ungestraft gegen die Kinderrechtskonvention verstossen wie die KESB. Das Wort «Kindeswohl» ist seit der Einführung der KESB derart missbraucht und verhunzt worden, dass man es vielleicht in Zukunft besser nicht mehr verwenden sollte.

Der Staat ist, wie es der Philosoph Karl Popper mit einem Satz auf den Punkt brachte, nicht mehr als «ein notwendiges Übel». Nicht mehr. Selbstverständlich braucht es eine Behörde, die Kinder vor gewalttätigen Übergriffen schützt. Sie muss agieren, wo Mütter und Väter ihre Kinder quälen, prügeln, missbrauchen und misshandeln. In solchen Extremfällen, von denen es nicht allzu viele geben dürfte – und wahrscheinlich wesentlich weniger, als in der Schweiz Beamte und Sozialarbeiter herumrennen –, muss der Staat eingreifen.

Eine vernünftige Kinderschutzbehörde, die ihre Aufgabe ernst nimmt, würde sich selbst am liebsten überflüssig machen, ja, sie müsste eigent­lich das Ziel verfolgen, sich abzuschaffen. Denn sie ist ein notwendiges Übel, kein Selbstzweck und schon gar keine Arbeitsbeschaffungsindustrie auf Kosten der Gemeinden und der Kinder. In erster Linie zahlen hier nämlich die Kinder die Rechnung.

Wäre die KESB eine Firma, würde man von krasser Betriebsblindheit sprechen. Ein Sanierer würde als superprovisorische Massnahme augenblicklich eine erste Entlassungswelle anordnen. Sparmassnahmen wären unumgänglich. Möglicherweise müsste die Firma aber auch augenblicklich die Tore schliessen und sich wegen Menschenrechtsverletzung und Konkursverschleppung vor Gericht verantworten.

 

* Die Autorin ist eine Persönlichkeit des Schweizer ­Kulturbetriebs. Sie schreibt hier unter Pseudonym. Mehr Informationen: www.kindergerechte-justiz.ch

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2014-41/amoklauf-einer-behoerde-die-weltwoche-ausgabe-412014.html

Amoklauf einer Behörde | Die Weltwoche, Ausgabe 41/2014

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  01.05.2015   Achgut.com

Alle lieben Deutschland, oder: “Diesen und die nächsten drei”

Es gibt ein paar Politikersätze, die ich nicht mehr hören will, wenn es um ein globales Problem und dessen Lösung geht: „Gerade wir als Deutsche“ steht ganz oben auf meiner Liste.

Wieso „gerade wir“? Das ist nichts als eine ziemlich unverfrorene Erpressung – als ob auch die Generationen nach Hitler sozusagen ein eliminatorisches Gen in sich trügen, an das man sie immer erinnern und vor dem man warnen müsse. Es ist auch eine glatte Beleidigung: als ob wir das hierzulande nötig hätten, mit dem Verweis auf die Geschichte aufs Gute verpflichtet zu werden. Doch selbst der sonst so kluge Bundestagspräsident Lammert meinte kürzlich eine Mitschuld der Deutschen am türkischen Völkermord an den Armeniern suggerieren zu müssen.

War das schon alles? Geht nicht noch mehr? „Diesen und die nächsten drei übernimmt das Großdeutsche Reich“ – die furztrockene Pointe aus der Nazizeit karikiert auch die Großkotzigkeit in moralischen Dingen.

Im Ernst: Aus dem notwendigen, berechtigten und von vielen so gefühlten Eingeständnis der Verantwortung auch der Nachgeborenen für die Verbrechen von Deutschen, an Deutschen und in Deutschland unter der Nazizeit ist schon lange ein probates Mittel der Einschüchterung geworden, eine Funktionalisierung des Holocaust, die schlichtweg unanständig ist.

Und deshalb: Schluss damit. Und was ganz konkret die Deutschen und die Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten betrifft, um die es derzeit geht: Nein, „Tröglitz ist überall“ ist eine glatte Lüge, das Anmahnen von mehr und größerer „Willkommenskultur“ auf Seiten der Deutschen ist anmaßend und der Kampf „gegen rechts“ und den dort verorteten Rassismus ist ein Ausweichen vor der Erkenntnis, dass Antisemitismus nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal glatzköpfiger Deutscher ist, dass Rassismus sich auch gegen „Bio“-Deutsche richten kann und dass auch von Seiten der politisch Superkorrekten eine Gefahr für Freiheit und Liberalität ausgeht.

Lasst sie doch mal in Ruhe, die Deutschen. Was wir in diesem Land derzeit erleben, ist eine enorme Hilfsbereitschaft gerade derjenigen, die von oben herab ständig ermahnt und belehrt werden: der Bevölkerung. Die einzigen, die das zu honorieren scheinen, sind die Flüchtlinge, die im Mittelmeer anlanden und alles daran setzen, nicht in Italien oder Griechenland bleiben zu müssen, sondern nach Deutschland zu dürfen.

Doch auch die größte Hilfsbereitschaft stößt auf Grenzen, und es heißt, sie auszubeuten, wenn man über diese Grenzen nicht sprechen will.

Flüchtlinge sind „eine Bereicherung“? Ja, auch. Meine Cousine und ihr Mann freuen sich darüber, einer syrischen Familie helfen zu können. Freunde erzählen ähnliches: wenn es konkret wird und das Leid fassbar, ist die Hilfsbereitschaft manchmal grenzenlos. Was im individuellen Fall glückt, ist jedoch keine Beschreibung der allgemeinen Situation. Manche, die nach Deutschland kommen, aus welchen Gründen auch immer, bereichern uns, andere bereichern sich, und einige zerstören das, weswegen sie hierhergekommen sind. Und zwar nicht deswegen, weil sie die Krätze mitbringen könnten, wie Innenminister Thomas de Maiziere kürzlich berichtete.

Sie bringen auch Gewalterfahrungen ihrer verlassenen Heimat mit, religiöse Konflikte und Stammesfehden,  Streitereien, die sie seit Tausend Jahren haben (wie die zwischen Schiiten und Sunniten). Auch traumatisierte Menschen sind nicht bloß Opferlämmchen, sie haben Gewalt nicht nur erlebt, sondern auch ausgeübt. Zwanzig junge Männer aus Eritrea oder Somalia schließlich sind für eine aufnehmende Gemeinde eine kaum zu kontrollierende Größe.

A propos Kontrolle: Wie kann man von elternlosen Jugendlichen aus gescheiterten Staaten erwarten, dass sie sich an unsere Rechtsnormen halten, dass sie begreifen, dass man nicht einfach nimmt, auf das man Anspruch zu haben glaubt? Wie sorgt man dafür, dass die Basis des Gemeinwesens, Vertrauen, nicht aushöhlt? Und wie lässt sich eine nationalstaatlichen Besonderheit, etwa der bundesdeutsche Sozialstaat, noch aufrechterhalten, wenn es seine Grenzen faktisch nicht mehr gibt?

Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland dürfte, solange sich in den Herkunftsländern nichts bewegt, anhalten. Wann man von Überforderung sprechen kann, hängt nicht allein davon ab, ob Deutschland „reich“ ist, sondern davon, was seine soziale Textur, seine Umgangskultur, was seine Institutionen und Rechtsnormen aushalten.

Es ist ein altes Missverständnis, in Flüchtlingen und Asylbegehrenden vor allem hilfsbedürftige Opfer zu sehen. Sie sind immer auch, jedenfalls wenn es gut geht, Konkurrenten: um finanzielle Ressourcen, um Wohnraum, um Arbeitsplätze. Das genau sollen sie ja auch werden, das ist der Sinn von Integration. Dass es ausgerechnet eine sozialdemokratische Errungenschaft ist, der Mindestlohn, der ihnen erschwert, unten einzusteigen, um mit Fleiß und der Arbeitskraft einer ganzen Familien weiter oben anzukommen, ist ein hübscher Witz. Der Mindestlohn gehört ganz sicher nicht zur Willkommenskultur.

„Wir als Deutsche“ sollten einander nicht moralisch überfordern, sondern die Lage halbwegs nüchtern bedenken. Des Übels Wurzel liegt nicht hier, sondern in der destabilisierten arabischen Welt und in vielen Ländern Afrikas. Unzweifelhaft haben die willkürlichen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg zur Lage beigetragen, aber auch ein Menschenrechtsinterventionismus, der regelmäßig die Folgen seines edlen Tuns übersieht. Der Sturz Saddam Husseins im Irak und Gaddhafis in Libyen hat zwar zwei mörderische Diktatoren beseitigt, aber eine katastrophale Lage hinterlassen, die man nicht im Ernst als Alternative bezeichnen kann.

Und in anderen Ländern Afrikas leiden die Menschen auch Jahrzehnte nach dem Ende des Kolonialismus noch an Stammesherrschaft und Despotenwillkür, an der Unfähigkeit zur Staatenbildung und zur Ausbeutung der üppig vorhandenen Landesschätze zu Gunsten aller. Keine einzige afrikanische Regierung hat, soweit man hört, Alarm geschlagen, weil sie die Ambitioniertesten aus ihrer Bevölkerung verliert, und keine tut etwas dagegen. Bis sich dort etwas ändert, dürften Jahrzehnte vergehen.

Wir stehen vor einem echten Dilemma, gegen das die ständige Moralisierung nicht hilft. Grenzen dicht, Flüchtlinge zurückschicken? Das ist nur schwer und nur auf Kosten europäischer Wertvorstellungen möglich. Ungehinderte Einwanderung aber greift die Basis des Zusammenlebens ebenfalls an (und womöglich ebenso gewalttätig). Am Ende dieses Prozesses könnte sich Deutschland so verändert haben, dass es für Einwanderer nicht mehr attraktiv ist. Das ist nun allerdings eine Lösung des Problems, die sich nur Leute wünschen können, die dieses Land nicht nur im Stillen verachten.

Immerhin: „Gerade wir als Deutsche“ hat sich dann erledigt.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/alle_lieben_deutschland_oder_diesen_und_die_naechsten_drei

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 02.05.2015   Achgut.com

Kommende Schlammschlachten

Von Quentin Quencher

Cora Stephan meint in ihren Blog und bei Achgut, dass ungehinderte Einwanderung, so wie sie sich derzeit abzeichnet, das Potential hat, Deutschland so zu verändern, dass es am Ende nicht einmal für Einwanderer attraktiv erscheint. Ihre Beschreibung, der ich unbedingt zustimmen möchte, ruft aber die Frage auf, welche Widerstände gegen eine solche Entwicklung entstehen. Gibt es einen »Selbsterhaltungstrieb« auch für Gesellschaften, und wenn ja, warum ist dieser in der unsrigen so wenig ausgeprägt? Dort wo moralisierend argumentiert wird, sind nicht selten andere Interessen im Spiel. Hier muss ich an erster Stelle natürlich an diejenigen bei den Grünen und Linken denken, für die das Prinzip des Nationalstaates ein Graus ist. Rebecca Harms, für die Grünen im Europaparlament, nannte den Nationalstaat einst eine gefährliche und hochriskante Idee.

Es könnte aber auch ganz anders kommen, nämlich dass dieser unkontrollierte Flüchtlingszustrom unsere Gesellschaft tatsächlich so zu verändern droht, dass in dieser der Selbsterhaltungstrieb erwacht. Richtig wohl ist mir bei diesem Gedanken nicht, es würde Auseinandersetzungen hervorrufen, die dann einer Schlammschlacht gleichen.

Eine wirklich gefährliche und hochriskante Idee ist aber nicht der Nationalstaat, wie das so manche Linken und Grüne glauben, sondern das Experiment, mittels ungehinderter Einwanderung unsere Gesellschaft so verändern zu wollen, um dann eigene Interessen, natürlich immer moralisch begründet, besser umsetzen zu können. Oft, vielleicht meistens, verbergen sich hinter moralischen Argumenten nämlich handfeste politische Interessen, Menschenrechte haben kein Ziel, werden so gut wie nie selbstlos vertreten, sondern dienen der Legitimierung der eigenen Politik.

»In der Geschichte hat sich noch jede Idee blamiert, die glaubte, ohne Interessen auszukommen«, meinte einst Karl Marx, womit er sicher Recht hat; eine Moral ohne Interesse auch, würde ich anfügen, weshalb wir bei moralischen Argumenten immer ganz genau hinschauen müssen, welches Interesse wohl dahinter steckt. Die Frage ist nur, ob dieses hinter dem moralischen Argument steckende Interesse, nämlich unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern, den Selbsterhaltungstrieb dieser aktiviert.

Wir sollten uns auf kommende Schlammschlachten einstellen.

Quentin Quencher betreibt den Blog Glitzerwasser.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/kommende_schlammschlachten

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  06.05.2015   Achgut.com

Die Sozialstaatslobbyisten

Sie lassen sich in Ihrem Furor für die Armen und Entrechteten von niemandem übertreffen. Sie kämpfen unermüdlich und rund um die Uhr für „soziale Gerechtigkeit“. Sie wollen mehr staatliche Transfers in allen Lebenslagen – von der Wiege bis zur Bahre! Sie erheben den Anspruch,  denen eine Stimme zu geben, die sonst keine Stimme haben. Kurz: Sie sind die Guten. Sie stehen nicht auf der Watchlist von LobbyControl. Sie tragen die Mitmenschlichkeit und Uneigennützigkeit wie eine Monstranz vor sich her. Alle anderen sind Lobbyisten, die nur egoistische Eigeninteressen vertreten: -allen voran die Organisationen der Wirtschaft. Wer daran erinnert, dass Sozialstaat auch bezahlt werden muss und auf der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit einer Volkswirtschaft beruht, ist ihnen suspekt.

Die Rede ist von der organisierten Sozialstaatslobby, exemplarisch repräsentiert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (PWV) und seinem Cheflobbyisten und Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Wenn die behauptete Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich in TV-Talks skandalisiert oder die „immensen Gerechtigkeitslücken“ in den öffentlich-rechtlichen Fokus genommen werden, dann sind Schneider et al. mit von der Partie.

Das aktuelle Paritätische Jahresgutachten liefert genügend Anschauungsmaterial, welches Zerrbild der Wirklichkeit von der Sozialstaatslobby gezeichnet wird. Während die amtlichen Statistiken einen Rückgang der atypischen Beschäftigung belegen, behauptet der Paritätische Wohlfahrtsverband einfach einen weiteren Anstieg. Während unzählige Ökonomen die „Mütterrente“ der Großen Koalition als Sündenfall gegen die Generationengerechtigkeit beklagen, fordert der PWV ohne Rücksicht auf die Kosten auch für vor 1992 geborene Kinder ein drittes Babyjahr. Der neue gesetzliche Mindestlohn wird als viel zu niedrig kritisiert. Seine negativen Beschäftigungswirkungen, die sich bereits bei der Zahl der Geringfügig-Beschäftigten statistisch abbilden, werden geleugnet. Dafür blüht die Schattenwirtschaft! Damit befindet sich der PWV in guter Gesellschaft mit Andrea Nahles.

Mehr als 800 Milliarden Euro geben der Staat und die deutschen Sozialversicherungen jährlich für soziale Leistungen aus. Diese gigantische Summe ist höher als alle Steuern, die Bürger und Unternehmen pro Jahr an den Staat abführen. Rund ein Drittel der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung in Deutschland fließt in den Sozialstaat. Doch der Sozialstaatslobby kann die Summe gar nicht hoch genug sein. Für sie liegt das Heil in noch mehr staatlicher Umverteilung. Wie weiland Robin Hood soll der Staat den Reichen nehmen und den Armen geben.

Dabei kämpft die Sozialstaatslobby bei jeder proklamierten Ausweitung von sozialen Leistungen auch um das Geschäftsmodell ihrer Mitgliedsunternehmen. Mehr Sozialstaat bedeutet für sie mehr Umsatz und mehr Beschäftigung. Ihr Schrei nach sozialer Gerechtigkeit ist oft genug ein Schrei nach neuen Geschäftsmodellen. Effizienz ist in den Sozialorganisationen wenig gefragt. Obwohl die Finanzmittel ganz überwiegend aus öffentlichen Kassen stammen, ist den Rechnungshöfen von Bund und Ländern die Kontrollbefugnis nach wie vor verwehrt. Kostentransparenz und unvoreingenommene Aufgabenkritik sind für die Sozialstaatslobbyisten des Teufels. Viel lieber rufen sie nach neuen sozialen Leistungen. Denn damit subventionieren sie immer auch ihre eigene teure Sozialbürokratie. Was diese Lobby-Spezies anderen Interessengruppen so gerne vorwirft, den Eigennutz, das fällt auf sie selbst zurück. Man kann es auch schlicht Doppelmoral nennen.

Zuerst erschienen auf dem Ökonomenblog

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_sozialstaatslobbyisten

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Die UN sind mindestens so versumpft wie die Fifa
Wer glaubt, die Fifa-Korruption sei eine Einzelerscheinung, der sollte sich einmal Institutionen der UN anschauen. Die sind ebenso Beispiel für eine Misswirtschaft, die sich „global governance“ nennt.

welt.de 03.06.15

Nur vier Tage nach seiner Wiederwahl zum Fifa-Chef ist Sepp Blatter dann doch dem Druck der Korruptionsermittlungen in den USA gewichen. Doch wer glaubt, es werde nun eine Zeit der Transparenz anbrechen, wird wohl enttäuscht werden. Es geht hier um mehr als nur einen Mann, es geht um ein System, das nicht nur den internationalen Fußball beschädigt hat. Es ist ein Problem, dass sich in vielen internationalen Organisationen wiederfindet, etwa auch den Vereinten Nationen.

Die sind moralisch in etwa genauso korrumpiert wie die Fifa. Man muss sich nur die Dysfunktionalität der UN-Generalversammlung anschauen oder die Zusammensetzung von Untergliederungen wie dem UN-Menschenrechtsrat. Dort sitzen derzeit Champions der Menschenrechte wie Algerien, China, Kuba, Äthiopien, Kasachstan, die Malediven, Katar, Russland, Saudi-Arabien und Venezuela.

Ursprünglich war das Gremium dafür gedacht, undemokratische, despotische Regime zur Rechenschaft zu ziehen. Inzwischen stellen die sich gegenseitig Persilscheine aus. Oder sie frönen ihrem liebsten Sport, den demokratischen Rechtsstaat Israel an den Pranger zu stellen.

Die Parallelen zwischen Fifa und UN sind offensichtlich. Sie zeigen, welches grundlegende Problem wir heute mit dem haben, was gerne als „Global Governance“ bezeichnet wird. Die meisten weltweiten Institutionen sind vom Westen ins Leben gerufen worden. Sie fingen an mit einer relativ kleinen Mitgliedschaft, die im Laufe der Zeit ins Unüberschaubare wuchs, je weiter die Welle der Entkolonialisierung in Afrika und Asien voranschritt. Alle bekamen einen gleichberechtigten Platz am Tisch, egal ob groß oder klein.

Ein Land, eine Stimme gilt in der UN als auch der Fifa. Ganz gleich, wie umfangreich das Land, wie viele Einwohner es hat, wie viel es zum UN-Budget beiträgt oder wie viele aktive Fußballer es in der Fifa nachweisen kann. Es ist der Fluch der großen Zahl. Einmal in der Minderheit, gelingt es den westlichen Nationen nicht mehr, ihre Standards zur Leitlinie zu machen. Gerade in Europa hält sich jedoch weiterhin ein hartnäckiger Sentimentalismus.

Der Traum von der Weltregierung

Man träumt davon, dass die Menschheit einst vereint wird unter einer gemeinsamen UN-Weltregierung. Solches Wunschdenken verdeckt jedoch den Blick auf die traurigen Realitäten. Der Westen war einst angetreten mit dem Ziel, Freiheit, demokratische Werte, gute Regierungsführung und die Achtung der Menschenwürde in der ganzen Welt zu verbreiten. Doch in globalen Organisationen ist es oft genug eine Mehrheit aus autokratischen Staaten und korrupten Demokratien, die die hehren Ziele hintertreiben. Sei es aus antifreiheitlicher Überzeugung, sei es aus purem Eigennutz. Man lässt sich bezahlen für seine Stimme oder schmiedet Zweckbündnisse. In vielen Institutionen haben inzwischen Halunken das Sagen oder sie organisieren ihnen gewogene Mehrheiten.

Sie beherrschen die institutionellen Regeln perfekt und missbrauchen die Legitimation, die etwa die UN-Organisationen verleihen, für ihre Zwecke. Wenn Länder wie China oder Kuba in den UN-Menschenrechtsrat gewählt werden oder der frauenfeindliche Iran in den Rat für Frauenrechte, dann ist das nicht allein eine Perversion der ursprünglichen Ziele dieser Institutionen. Die UN hilft dadurch auch, Unrechtsregime zu legitimieren. Ähnliches gilt für die Fifa, die einst auf dem Gedanken des Fair Play aufbaute, aber zum Inbegriff des Foul Play geworden ist.

Und die nichts dabei findet, Autokratien wie Russland oder Katar mit Image fördernden Turnieren zu versehen. Statt die Welt von autokratischen Regimen zu reinigen, helfen internationale Organisationen den Autokraten heute, sich mit Posten und Prestige reinzuwaschen.

Romantisch verklärtes Foul Play

Der Westen hat all dies jahrzehntelang geschehen lassen. Eine romantische Verklärung internationaler Institutionen spielte dabei genauso eine Rolle wie postkoloniale Schuldgefühle. Nach dem Fall der Mauer gab es in den 90er-Jahren noch einmal eine Welle der UN-Begeisterung in Deutschland. Im neuen Jahrtausend ist diese Euphorie ernüchtertem Desinteresse gewichen. In vielen Fällen versucht der Westen abstrusen Vorstößen in der UN nicht einmal mehr entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen. Auch von Reformen redet kaum noch jemand.

Der UN-Menschenrechtsrat war dafür ein warnendes Beispiel. Der alte hatte sich komplett diskreditiert. Inzwischen ist der neue fast schlimmer als der, den er einst ersetzte. Das sollte im Auge behalten, wer nun einer Reform der Fifa das Wort redet. Da es viele Verbände gibt, die von Blatters korruptem Regime profitierten, ist es durchaus möglich, dass eine „Reform“ alles noch schlimmer macht.

Vielleicht ist es deshalb an der Zeit, die Machtfrage zu stellen. Denn tatsächlich bringt der Westen noch immer weit mehr Gewicht auf die Waage als seine mageren Stimmenanteile in UN und Fifa nahelegen. Es sind noch stets die entwickelten Industrienationen des Westens, die den größten Teil des UN-Budgets bestreiten. Und es sind die zugkräftigen Klubs und Nationalteams Europas, die der Fifa milliardenschwere Fernsehdeals ermöglichen.

Weißwaschanlagen für Autokraten

Wenn der Westen sich aus beiden Organisationen zurückzieht und neue gründet, wäre das nicht nur ein schwerer wirtschaftlicher Schlag. Beide Organisationen verlören auch viel von ihrer Soft Power, ihrer Legitimation und ihrem Prestige – also das, was sie als Weißwaschanlagen für Autokraten so interessant macht.

Die US-Außenpolitikexperten Ivo Daalder und James Lindsay hatten vor mehr als zehn Jahren die Gründung einer „Liga der Demokratien“ angeregt, als Konkurrenz zur UN. In solch einen Klub der liberalen, gefestigten Demokratien würden nur etwa 60 Prozent der heutigen UN-Mitglieder Aufnahme finden. Das würde sicherstellen, dass diese neue Organisation nicht wieder von korrupten und autokratischen Regimen manipuliert wird und dass sie Legitimation nur denen verleiht, die sie auch verdienen.

Ähnliches wäre im Fußball denkbar, wenn Europa, das diesen Sport einmal erfunden hat, eine Neugründung zusammen mit gleichgesinnten Nationen wagt. Die Leute bezahlen schließlich nicht, um die Nationalmannschaften von Montserrat oder den Cookinseln zu sehen. Sie bezahlen, weil sie Deutschland gegen Spanien erleben wollen, oder die Champions League. Es wäre also durchaus möglich, den traurigen Zustand der Global Governance in vielen Bereichen zu verändern. Doch dafür bräuchte es den Mut zur Revolution. Die Frage ist, ob die westlichen Demokratien diesen Mut noch aufbringen. Oder ob sie sich fatalistisch fügen, zur Quantité négligeable zu werden.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article141914839/Die-UN-sind-mindestens-so-versumpft-wie-die-Fifa.html

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  06.05.2015   Achgut.com

Hilfe? Nein, danke!

Maltese patrol boats have not been picking up migrants at sea because the migrants themselves refuse to be rescued by Maltese boats, the commander of the AFM’s maritime unit, Lt Col Andrew Mallia has been quoted as saying by the Italian newspaper La Repubblica. He said that whenever Maltese patrol boats intercepted migrants’ boats the migrants invariably refused help. He explained that the migrants did not want to come to Malta because that would make it difficult for them to proceed to Northern Europe.

http://www.timesofmalta.com/articles/view/20150504/local/migrants-refusing-help-from-maltese-patrol-boats.566735

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/hilfe_nein_danke

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Die Misere heisst Sommaruga

Illegale Migration übers Mittelmeer: Eine Standortbestimmung aus schweizerischer Sicht.

Roger Köppel Die Weltwoche Ausgabe 22/2015

Die Schweiz marschiert asylpolitisch in die falsche Richtung. Die Attraktivität für illegale Migration wird laufend ausgebaut. Bundesrat und Justizdepartement weigern sich, das Asylrecht anzuwenden. Im Vollzug herrschen Missstände. Die Anerkennungsquoten sind so hoch wie nie. Die Rückführung abgewiesener Asylbewerber bleibt aus. Nicht das Elend der Welt, politische Unfähigkeit in Bern treibt die Asylzahlen in die Höhe.

«Alle [. . .] sollen bleiben»

Obschon die Schweiz bereits heute hinter Schweden Platz zwei unter den attraktivsten Asylländern Europas einnimmt, unternehmen die Behörden nichts gegen die illegalen Migra­nten. Der oberste Flüchtlingsbeauftragte des Bundes, Mario Gattiker, erklärte auf Radio SRF letzte Woche, eine seiner wichtigsten Prioritäten sei die Verbesserung der Infrastruktur zur Integration von Somaliern. Die Zeichen stehen auf Öffnung. Man ist bestrebt, die Aufnahmefähigkeit der Schweiz für Armutsmigranten aus Afrika nach Kräften zu verbessern.

Sinnbild der politisch gewollten Misere ist Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Die Justizministerin lässt jeden Willen vermissen, den Realitäten ins Auge zu sehen. In mehreren Interviews mit ihr wohlgesinnten Fernseh-Journalistinnen steht sie offen zu ihrer Haltung, die vom Souverän in zwei Gesetzesrevisionen seit 2006 geforderte Verschärfung des Asylrechts zu missachten.

Grenzen der Aufnahmefähigkeit sieht sie nicht. Über Missbräuche will sie nicht reden. Es sei viel wichtiger, so Sommaruga gegenüber der «Rundschau», dass die Schweiz «offen» und «solidarisch» bleibe. Es brauche jetzt vor allem «sichere Wege übers Mittelmeer», beteuerte sie in der Romandie. Italiens Ministerpräsident Renzi versprach sie bereits, auch die Schweiz werde sich an den «internationalen Flüchtlingskontingenten» beteiligen. Das auf Kosten der Steuerzahler grosszügige Fazit der Bundespräsidentin: «Alle, die unseren Schutz brauchen, sollen in der Schweiz bleiben können.»

Ist es Unwissenheit? Ist es Vorsatz? Sommarugas Aussagen laufen auf einen Aufruf zum grossräumigen Rechtsbruch hinaus. Tatsache ist: Das schweizerische Asylrecht wurde im Gefolge der Völkermorde des letzten Jahrhunderts geschaffen für Leute, die aus politischen Gründen direkt an Leib und Leben bedroht sind. Blosse Kriegsflüchtlinge, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Leute, die einer aussichtslosen sozialen und wirtschaftlichen Situation entfliehen wollen, gelten nicht als asylberechtigt. Man kann das ungerecht finden, aber so will es das Gesetz – sowohl in der Schweiz wie auch in der Europäischen Union.

Bundespräsidentin Sommaruga behauptet im Fernsehen, 50 Prozent der aus Nordafrika aufbrechenden illegalen Migranten seien asylberechtigte Flüchtlinge nach Genfer Konvention. Ihr oberster Flüchtlingsdiplomat, Mario Gattiker, bestätigte diese Zahl auch gegenüber dieser Zeitung. Es ist eine dreiste Lüge.

Die Realität ist: In Nordafrika steigen illegale Wirtschaftsmigranten an Bord. Es sind Leute, oft junge Männer, welche die Krisenregionen längst hinter sich gelassen haben. Diese illegalen Auswanderer sind, wenn sie es denn je ­waren, nicht mehr an Leib und Leben bedroht. Ihr Motiv ist ein besseres Leben. Das ist verständlich, aber eben nicht legal. Laut Uno sind weltweit 230 Millionen Migranten unterwegs. Nur 16 bis 20 Millionen davon, nicht einmal 10 Prozent, seien echte Flüchtlinge. Wer in Nordafrika ein Boot besteigt, ist definitionsgemäss nicht mehr asylberechtigt.

98 Prozent landen erfolgreich in Europa

Nicht die Ärmsten und Verfolgten drängen auf die Kähne. Es sind die Bessergestellten und relativ Wohlhabenden, die Tausende von Franken bezahlen, um die Schlepperdienste in Anspruch zu nehmen. Gewiss: Es ist tragisch und aufwühlend, dass für rund 2 Prozent die Überfahrt tödlich endet. Entscheidend aber ist die Tatsache, dass der überwiegende Anteil von 98 Prozent der Reisenden erfolgreich auf dem europäischen Kontinent anlanden. Indem die EU jetzt die Seerettung verbessert und damit die Erfolgsquote der illegalen Migration auf 100 Prozent anhebt, wird der Migrationskanal Mittelmeer an Attraktivität gewinnen.

Jäger und Sammler

Die Festung Europa gibt es nicht. In Afrika lebt über eine Milliarde Menschen. Wie viel von ­ihnen aus der Armut in den reichen Norden ziehen, wird sich weisen. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mutmasst, dass sich in diesem Jahr die Zahl der Asylgesuche in Deutschland von 200 000 auf 500 000 verdoppelt.

Interessanterweise verzichtet die Mehrheit der angeblich politisch Verfolgten auf Direktasyl in den Anrainerstaaten Spanien, Italien oder Griechenland. Sie ziehen es vor, unregis­triert in wohlhabendere Gegenden wie die Schweiz, Deutschland oder Schweden zu fahren. Viele der sogenannten Flüchtlinge kommen aus dem sicheren Drittstaat Türkei.

Niemand freilich sollte den migrationswilligen Afrikanern und Arabern einen Vorwurf machen, wenn sie das Angebot der sperrangelweit offenen europäischen Südgrenze benützen. Der Mensch ist Jäger und Sammler. Er nimmt alles, was man ihm hinstellt. Heute ist es eben leichter, die beschwerliche Reise in die freigebigen Sozialstaaten Europas zu unternehmen, als unter korrupten afrikanischen oder arabischen Regierungen am Aufbau der Heimatländer mitzuwirken. Wer Asyl ruft, darf in die EU kommen. Indem die europäischen Regierungen ihre Asylgesetze nicht mehr ernst nehmen, sind sie schuld an ihrem Missbrauch.

Vibrierende Ergriffenheit

Bei ihren Auftritten am Fernsehen verkörpert Bundespräsidentin Sommaruga vibrierende Ergriffenheit. Sie erzählt vom Elend syrischer Bürgerkriegsopfer und von den schlimmen Zuständen in jenen Armutsgegenden, denen die Schweiz – offenbar wirkungslos – seit Jahrzehnten Milliarden an Entwicklungshilfe zahlt. Das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer ist auch der handgreiflichste Beweis dafür, dass die in Bern gepriesene «Entwicklungszusammenarbeit» keine greifbaren Resultate liefert. Die investierten öffentlichen Gelder versickern. Wäre es anders, würden nicht jährlich Hunderttausende aus Afrika nach Europa auswandern. Dem Missbrauch des Asylrechts geht ein milliardenschwerer Betrug am Steuerzahler voraus.

Sommaruga pflegt die Klaviatur der grossen Gefühle. In der Tat spielen sich in Syrien und im Nahen Osten menschliche Dramen ab. Es ist richtig, dass sich die Schweiz an finanzieller ­Direkthilfe in den Krisenregionen beteiligt. Man soll im Umland der Kriegsgebiete Lager und Infrastrukturen bauen helfen, in denen die unmittelbar Verfolgten Schutz und Zuflucht finden. Nur so entzieht man dem illegalen Schleppergeschäft die Grundlage. Die syrische Tragödie freilich hat wenig mit den asylpolitischen Realitäten in der Schweiz zu tun. Hierzulande bilden die Eritreer die grösste Gruppe der Asylsuchenden, noch vor Sri Lanka, wo gar kein Krieg mehr herrscht. Die am schnellsten wachsende Gruppe sind die Kosovaren, in deren ­Heimat Schweizer Truppen angeblich für Ordnung sorgen.

Die von Sommaruga hervorgehobenen Syrer liegen erst an dritter Stelle. Ihre Asylgesuche erzielten im ersten Quartal 2015 eine Anerkennungsquote von lediglich 26,3 Prozent, während 48,2 Prozent aller Asylgesuche aus Sri Lanka angenommen wurden. Wie ist es möglich, dass Flüchtlinge aus einem realen Kriegsgebiet weit tiefere Anerkennungsraten erreichen als Asylgesuche aus einem von Schweizern gutbesuchten Ferienland? Hausgemachte Gesetze und Eigenheiten der Asylpraxis beeinfliussen die Flüchtlingsbewegungen eben stärker als das von Politikern wie Sommaruga bewirtschaftete angeblich objek­tive Elend der Welt.

Im Jahr 2006 verschärfte die Schweiz nach ­einem Volksentscheid ihr Asylrecht. Umgehend sank die Zahl der Gesuche. Seit 2011 steigt sie wieder. Es kommt entscheidend darauf an, ob die politische Führung den Mut aufbringt, die Asylgesetze anzuwenden. Der politische Wille lässt nach. Noch nie gab es so viel «vorläufig Aufgenommene». Das sind Personen, deren Gesuch abgewiesen wurde, die man aber trotzdem im Land bleiben lässt. 66 Prozent aller Personen im Asylprozess haben diesen Status, insgesamt sind es über 30 000. So viel gab es nicht mal während des Jugoslawienkriegs.

6800 Franken steuerfrei

Dass das Asylwesen im Argen liegt, belegen auch die Kriminalitätsraten. Obschon die Asylsuchenden nur 0,6 Prozent der wohnberechtigten Bevölkerung ausmachen, begingen sie zwischen 2011 bis 2014 ganze 9 Prozent aller Straftaten. Wer dermassen gegen die Gastfreundschaft seines Asyllandes verstösst, kann kein richtiger Flüchtling sein.

Natürlich: Die Schweiz könnte die Zahl der Asylgesuche drastisch senken. Wenn sie denn wollte. Unter CVP-Justizministerin Ruth Metzler schwankten die Gesuchszahlen von 2001 bis 2003 zwischen 27 000 und knapp 22 000. Metzler-Nachfolger Christoph Blocher (SVP) halbierte die Zahl auf unter 11 000. Bereits im Jahr eins nach Blochers Abwahl stiegen die Asylzahlen unter Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) wieder auf 16 000. Nachfolgerin Sommaruga (SP) produziert noch beunruhigendere Zahlen: Von 22 500 (2011) steuern wir jetzt auf rund 30 000 Gesuche zu. Staatssekretär Gattiker schwärmt von den «im EU-Vergleich hervorragenden» Werten. Unter Blinden ist der Einäugige König.

Die Kosten explodieren. Wie die SVP letzte Woche in einem von den Medien totgeschwiegenen Bericht aufzeigte, gibt es keine transparente Rechnung in Bern. Die Volkspartei kalkuliert mit einer Milliarde Franken allein auf Bundesebene sowie mit weiteren zwei Milliarden bei Kantonen und Gemeinden. Hinzu kommen die Kosten der Strafverfolgung sowie die Ausgaben für die Entwicklungshilfe. Die SVP geht von sechs Milliarden Franken jährlich aus.

Eine arbeitslose vierköpfige Flüchtlingsfamilie kann im Kanton Zürich mit einem steuerfreien Einkommen von rund 6800 Franken monatlich rechnen, eine «sozialpädagogische Familienbegleitung» im Wert von 2400 Franken pro Monat inbegriffen. Wer illegal in ein Haus einbricht, wird bestraft. Wer illegal in ein Land einbricht, wird mit Sozialhilfe belohnt. Wann bringt Bern die Kraft auf, diesen Wahnsinn zu beenden?

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-22/editorial-die-misere-heisst-sommaruga-die-weltwoche-ausgabe-222015.html

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Welt am Sonntag 31.05.15

Die falschen Flüchtlinge

Als vor 35 Jahren Hunderttausende in Lebensgefahr übers Meer auswandern wollten, forderten Linke im Westen: Helft ihnen nicht! Von

Es klang unerhört. Die Amerikanerin Joan Baez, berühmt als singende Aktivistin für Menschenrechte, gegen Rassismus und vor allem gegen Krieg, bat 1979 Präsident Jimmy Carter öffentlich, die 7. Flotte der US Navy in Stellung zu bringen, im Südchinesischen Meer. Täglich waren dort Hunderte Menschen umgekommen, manchmal Tausende. Carter reagierte und schickte die größte aller Kriegsflotten dorthin, wo sie gewünscht war von jener Ikone des Pazifismus. Jane Fonda, Hollywoodgröße und Sympathisantin der Linken, fuhr daraufhin schweres Geschütz auf: Baez paktiere mit dem Gegner.

Dabei war es eine Rettungsmission, zu der Carter die Schiffe schickte, und dies auch nur für kurze Zeit. 1979 war der Höhepunkt einer beispiellosen Katastrophe auf hoher See in Fernost, die von 1975, dem Ende des Krieges in Vietnam, bis etwa 1982 andauerte. Es gibt nur ungefähre Schätzungen, doch etwa eine Million Menschen waren dort in den Jahren auf der Flucht über das Meer. Zu Hause, in Südvietnam, drohten ihnen Zwangsarbeit, Umerziehungslager, Foltercamps, die die Nordvietnamesen nach ihrem Einmarsch für die ehemaligen Kriegsgegner eingerichtet hatten. Zweieinhalb Millionen mussten dort Torturen erleiden. Von denen, die den Ausbruch aus Vietnam wagten und in See stachen, fand jeder Vierte oder Fünfte den Tod, in sieben Jahren insgesamt wohl zwischen 200.000 und 250.000. Kaum weniger wurden von Piraten überfallen, ausgeplündert, vergewaltigt, verkauft, Frauen und Kinder zuerst.

Die einzelnen Bilder gleichen denen, die wir heute aus dem Mittelmeer kennen: überladene, seeuntüchtige Boote, Schiffbrüchige, verzweifelte Menschen, Leichen im Meer. Was die Bilder nicht ausdrücken können: Die Dimensionen der Katastrophe damals überstiegen die der heutigen grob gerechnet um das Zehnfache. Dennoch hielten sich die internationale Empörung und nennenswerte Rettungseinsätze in Grenzen. Dabei tauchten die Flüchtlinge in den Abendnachrichten durchaus häufig auf, hatten bald auch einen Namen: „Boatpeople“. Und in die Debatte über sie schlichen sich menschenverachtende Züge ein, auch in Westdeutschland.

Aus den Reihen der Linken, die den Sieg des kommunistischen Nordvietnams über den von den USA protegierten Süden noch lange nachfeierte, kamen Stimmen, die nur so zu interpretieren waren: Kümmert euch nicht um die Seenot der Boatpeople. So tat die damals in der Szene weit verbreitete Zeitschrift „Konkret“ die Flüchtlinge als Elemente ab, die es nicht wert seien, gerettet zu werden: „Schwarzhändler, Zuhälter und US-Kollaborateure“. Interessanterweise berief sich das Blatt auch auf einen Beitrag des ARD-Korrespondenten in Singapur, der 470 Boatpeople interviewt und bei fast allen wirtschaftliche und keine politischen Motive für die Flucht festgestellt habe. Unabhängig davon, ob die Recherche korrekt war: Heute bemühen sich die Medien, zumal die öffentlich-rechtlichen, diese Differenzierung tunlichst auszuklammern – auch dies ein markanter Unterschied zu 1979.

Dem Schriftsteller Peter Weiss („Ästhetik des Widerstands“) fehlte damals nicht nur das Mitleid mit den Schiffbrüchigen, er sah auch Sympathien dafür, dass die vietnamesischen Kommunisten die Zurückgebliebenen drangsalierten: „Um das Leben von 50 Millionen zu schützen, müssen einige Zehntausende, die die Nation gefährden, in Gewahrsam gehalten werden.“ Im neuen, sozialistischen Vietnam müsse man eben arbeiten. Die „Marxistische Studentenzeitung“ (MSZ) stritt das Problem schlicht ab, es werde nur aufgebauscht: „So dienen die Boatpeople dieser Tage ganz der Abrechnung mit den neuen Machthabern“, für eine weltweite moralische Kampagne gegen den Kommunismus. „Konkret“, „MSZ“ und andere sahen das Problem als eine Erfindung von „Bild“ oder gleich der „Stimme Amerikas“.

Insbesondere Weiss war wegen seiner Haltung allerdings auch harten Angriffen seitens der Linken selbst ausgesetzt. Der Politikwissenschaftler Wolf-Dieter Narr warf ihm „Zynismus“ vor, nach Ansicht des schwedischen Schriftstellers Jan Myrdal propagierte Weiss eine „faschistische Gesellschaft“, und die „taz“ brachte auf ihrer Titelseite ein selbst gedichtetes Anti-Weiss-Gedicht.

Die Aufnahmebereitschaft gegenüber den vietnamesischen Flüchtlingen in Deutschland war begrenzt. Dies musste der Journalist Rupert Neudeck feststellen, als er 1979 mithilfe einiger Prominenter aus Kultur und Politik wie Heinrich Böll oder Norbert Blüm das Schiff „Cap Anamur“ mobilisierte, um den Notleidenden vor Vietnam zu helfen. Die sozialliberale Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) sah es gar nicht gern, dass Neudecks „Cap Anamur“ die Menschen nicht nur rettete, sondern viele auch nach Deutschland brachte. Hessens Ministerpräsident Holger Börner (SPD) befand, es sei sinnvoller, die Vietnamesen „in ihrem Kulturkreis zu lassen“. Der Theologe Helmut Gollwitzer forderte Neudeck auf, lieber etwas im Lande Vietnam zu tun, als die Boatpeople zu retten. „Das Land ließ uns bis Herbst 1988 gar nichts im Lande tun“, klagte Neudeck Gollwitzers Haltung in einem Buchbeitrag an.

Mit dem Argument, Neudeck lade durch seine Einsätze nur noch mehr Vietnamesen ein, auf überladenen Booten in See zu stechen, torpedierten Bund und Länder seine Mission. Das Kontingent für die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge wurde auf wenige Tausend begrenzt. Allein der sehr persönliche Einsatz des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU), der viele Vietnamesen ins Land holte, sorgte später für Lockerung.

Auch in den USA kochte der Streit um die Flüchtlinge hoch, fokussiert in der Auseinandersetzung zwischen Joan Baez und Jane Fonda, die über Wochen in den Magazinen der USA ausgetragen wurde. Baez zeigte Mitgefühl mit den Flüchtlingen, hatte in einem offenen Brief Vietnams Regierung hart kritisiert. Fonda blieb auch nach Kriegsende absolut solidarisch mit Hanoi, fuhr gegen Baez schweres Geschütz auf. Die Einheitsfront der Anti-Vietnamkriegsbewegung war zerbrochen. An den Boatpeople.

http://www.welt.de/incoming/article141694178/Die-falschen-Fluechtlinge.html

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E-Book-Kolumne „E-Lektüren“ Ansichten aus dem Inneren unseres Asylsystems

Während gedruckte Bücher viele Monate Vorbereitungszeit erfordern, können sich E-Books der drängenden Themen der Zeit unmittelbar annehmen. Bei den Digitalverlagen ist die Aufarbeitung der Flüchtlingskatastrophe in vollem Gang.

FAZ 05.06.2015, von Elke Heinemann

© AP Vergrößern Ende Mai vor Lampedusa: Flüchtlinge warten darauf, ein Schiff der italienischen Küstenwache verlassen zu können.

Gemächlich geht es zu in der Welt des gedruckten Wortes. Ein bis zwei Jahre Vorlaufzeit muss man rechnen, bis ein Roman erscheint, ein Band mit Erzählungen, eine Essaysammlung. Der digitale Literaturbetrieb hat ein anderes Tempo: E-Books sind schnell. Zum einen werden wir aufgrund der raschen Produktionsweise mit literarischem Fast Food überschwemmt, zum anderen können anspruchsvolle Digitalverlage zeitnah Texte zu Themen von dringlicher Relevanz veröffentlichen, über die wir uns allabendlich vor dem Fernseher erregen.

Die Fernsehbilder, die mich aufwühlen, zeigen dunkelhäutige Frauen, Kinder, Männer mit ängstlichen Gesichtern. Dicht gedrängt riskieren sie auf überladenen Fischkuttern ihr Leben, um von der nordafrikanischen Küste übers Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Mehr als zweihunderttausend Menschen gaben 2014 den Schleusern ihr spärliches Hab und Gut für die gefährliche Überfahrt. Tausende ertranken, Tausende starben vor Erschöpfung an Bord. In Italien und Griechenland drohen den Überlebenden unzumutbare Lager, in Deutschland zermürbende Asylverfahren. Ich sitze in meinem katastrophenfernen Heim und frage mich, was man wohl tun könnte, um zu helfen.

Sterben sollen sie nicht – aber leben?

Die Berliner Digitalverlegerinnen Nikola Richter und Christiane Frohmann haben etwas getan. In den Programmen ihrer Verlage Mikrotext und Frohmann finde ich kuratierte Chats, Erlebnisprotokolle und literarische Essays über die Massenflucht nach Europa und über das Innere unseres Asylsystems.

Als „Doppel-Essay“ ist beispielsweise das E-Book ausgewiesen, das Patras Bwansi und Lydia Ziemke unter dem Titel „Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka“ bei Mikrotext veröffentlicht haben. Allerdings handelt es sich bei den Beiträgen des Textilkünstlers Patras „Bino“ Bwansi eher um autobiographisch ausgerichtete short cuts, in denen es um die Kindheit und Jugend des Autors in Uganda geht, um Flüchtlingshierarchien in Berlin, um ein Lager in Bayern, das man nur verlassen darf, wenn man Antrag um Antrag stellt und Geld zahlt, das man gar nicht hat: „Man will nicht, dass wir sterben, aber man will offenbar auch nicht, dass wir leben.“ Irgendwann nimmt er den Namen des ermordeten Vaters an, irgendwann verlässt er das Lager, irgendwann schlägt er sein Zelt im Garten eines Klosters auf trotz winterlicher Kälte und Drohungen der Neonazis.

Wer es nicht schafft, muss unsichtbar werden

„Kein Mensch ist illegal!“ Der Flüchtling ist nun „Flüchtlingsaktivist“. Auf dem Berliner Oranienplatz demonstriert er zusammen mit der Sudanesin Napuli Paul Langa, die vier Tage auf einem Baum ausharrt, um vom Senat Zugeständnisse zu erzwingen. Und er trifft die Theaterregisseurin Lydia Ziemke, die seine Texte aus dem Englischen ins Deutsche überträgt. Die Flüchtlinge, schreibt sie, „helfen uns mit ihrem Protest, der unsere Werte ernst nimmt, diese Werte selbst wieder ernst zu nehmen.“

Zudem reflektiert Lydia Ziemke in ihrem sehr guten kritischen Aufsatz über die „Paradoxien des Helfens“ den eigenen Versuch, einem jungen Marokkaner den Weg in den deutschen Alltag zu bahnen. Sie erfährt dabei „lebensecht“, was Hannah Arendt 1943 im Essay „We Refugees“ postuliert hat, nämlich dass „Nächstenliebe erst dann wirksam werden kann, wenn den Flüchtlingen staatliche Gerechtigkeit widerfahren ist“. Das rund hundert Jahre alte deutsche Asylrecht gewährt aber nur jenen Gerechtigkeit, die sich als „politische Flüchtlinge“ qualifizieren können. Wer es nicht schafft, muss unsichtbar werden. Seiner selbst beraubt, greift der junge Marokkaner zu Drogen. Dann schlägt die Selbstzerstörung um in Manipulation, Geldforderung, emotionale Erpressung. Lydia Ziemke sieht ein: „Ich kann das nicht. Ich könnte ihn zeitweise verstecken, aber ich kann nicht bewerkstelligen, dass sein Tag normaler und die Zukunft greifbarer wird. Ich hätte Schuldgefühle, und er hätte durch mich weder dauerhafte materielle noch emotionale Grundsicherung.“

Über Tripolis in die Sahara

Eindrucksvoll ist auch die essayistische Erzählung, die bei Frohmann unter dem Titel „Vor Lampedusa“ erschienen ist. Die Autorin Michaela Maria Müller, die einen Tumblr-Blog zu Flüchtlingspolitik und Migration betreibt, hat die italienische Insel bereist, vor der 2013 fast vierhundert Flüchtlinge bei einem Schiffsbrand ums Leben kamen. Auf dem Schiffsfriedhof durchsucht sie die Wracks der Schlepperboote, die bei der Bergung „ganze Menschenstapel“ enthielten. Unter den Habseligkeiten der ehemaligen Passagiere ist eine Handtasche, in der sich die Reste einer Lebensmittelkarte befinden, ausgestellt auf den Namen einer Frau. „Ayanna hat noch andere Dinge hinterlassen: Ein graues, gepolstertes Tragetuch, auf das weiße Schäfchen gedruckt sind. Einen schwarzen Kinderschuh in Größe 23. Eine leere Tetrapackung Milch des französischen Herstellers Délice Lait, abgepackt in Tunesien.“

Detailreich und empathisch erzählt Michaela Maria Müller vom Schicksal der Flüchtlinge auf Lampedusa, die ohne Verfahren nach Tripolis abgeschoben werden und von dort aus weiter zu einem entlegenen Ort in der Sahara. „Die Toten liegen überall in der Weite der Wüste, sie sind im Angesicht der sengenden Sonne wie zusammengerollte Embryonen verdurstet.“

Work in progress

„Vor Lampedusa“ ist Teil eines unveröffentlichten Projekts, einer postmodern anmutenden Mischung aus Doku-Roman und literarischer Reportage, in der sich Fiktion mit Nichtfiktion verbindet. Ähnlich wirkt der „Chat von der Flucht“ auf mich, den die Berliner Hörfunkautorin Julia Tieke und der syrische Medienaktivist Faiz unter dem Titel „Mein Akku ist gleich leer“ bei Mikrotext veröffentlicht haben. Der Protagonist selbst hat auf seiner Flucht durch Griechenland, Mazedonien, Serbien und Rumänien wiederholt den Eindruck, sich durch einen Abenteuerroman zu bewegen. Und doch handelt es sich bei seiner Reise um einen realen Horrortrip mit Verfolgungen, Verhaftungen, Internierungen. Faiz’ Herzenswunsch: „Ich will einfach nur ein Mensch sein.“ Aber die Behörden in seiner Heimat und in allen Ländern, die er ohne Papiere durchquert, verwehren es ihm.

33747599 © Heidi Scherm Vergrößern Unsere Kolumnistin Elke Heinemann, Jahrgang 1961, lebt als Schriftstellerin und Publizistin in Berlin

Seine Chat-Partnerin bietet einer Radioredakteurin den Facebook-Dialog zur Sendung an, den ich bühnenreif finde. Denn auch das Theater greift das Problem der Flüchtlinge auf. „Die Schutzbefohlenen“ heißt das Stück der österreichischen Autorin Elfriede Jelinek, mit dem vor kurzem die Berliner Theatertage eröffnet wurden. Regisseur Nicolas Stemann lässt nicht nur Jelineks chorischen Klagegesang von Schauspielern sprechen, sondern gibt auch den Flüchtlingen, die hier „Geflüchtete“ genannt werden, das Wort. Die Inszenierung, die von Mannheim über Amsterdam und Hamburg nach Berlin kam, wird immer wieder verändert durch die Geschichten, die die Betroffenen vor Ort erzählen. In Berlin ist der Ugander Patras „Bino“ Bwansi mit den Erlebnisberichten dabei, die er als digital first bei Mikrotext publiziert hat. So schließt sich der Kreis: Die prozesshafte Inszenierung und der Text, der auf Jelineks Homepage in fortlaufender Bearbeitung erscheint, stehen in der Tradition des work in progress, das im digitalen Literaturbetrieb eine feste Größe ist. Wenn Sie darüber mehr erfahren möchten, dann lesen Sie hier demnächst weiter.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/e-books/aufarbeitung-der-fluechtlingskatastrophe-in-e-books-13626335.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

 

E-Lektüren

Patras Bwansi/Lydia Ziemke: „Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka“. Doppel-Essay. Text von Patras Bwansi. Aus dem Englischen von Lydia Ziemke. Mit 6 Fotos und einigen Asyl-Dokumenten aus dem privaten Besitz von Patras Bwansi. Mikrotext, Berlin, Januar 2015. Ca. 140 Seiten auf dem Smartphone, 1,99 €.

Michaela Maria Müller: „Vor Lampedusa“. Eine Reise. Mit Bildern vom Schiffsfriedhof auf Lampedusa. Frohmann, Berlin, März 2015. Ca. 37 Seiten auf dem Kindle, 2,99 €.

Julia Tieke/Faiz: „Mein Akku ist gleich leer. Ein Chat von der Flucht“. Mit 8 Fotos, aufgenommen von Faiz auf der Flucht. Mikrotext, Berlin, April 2015. Ca. 50 Seiten auf dem Smartphone, 1,99€.

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Big-Business as usual, kein Makler ist illegal

In Berlin werden nach rbb-Informationen immer mehr Gebäude von privaten Vermietern zweckentfremdet und illegal als Einrichtungen für Asylbewerber genutzt. Hintergrund sind die pauschalen Kostenübernahmen durch das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Demnach zahlte das Lageso rund 186.000 Euro an Makler-Provisionen für die Beschaffung von drei Unterkünften in den Berliner Stadtteilen Charlottenburg und Pankow. Allein für ein Flüchtlingsheim in der Charlottenburger Soorstraße flossen 96.000 Euro an Provision an die Maklerfirma. Dabei sei nicht überprüft worden, ob Maklerfirma sowie Eigentümer und Betreiber der Immobilien miteinander verflochten waren, so die Sozialverwaltung. Auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Makler-Provisionen sei nicht vorgenommen worden.”Das Geschäft mit Flüchtlingen ist eine Lizenz zum Gelddrucken” im Rundfunk Berlin-Brandenburg

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_presseschau_zum_tage20

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Illegale Quartiere für Asylbewerber „Das Geschäft mit Flüchtlingen ist eine Lizenz zum Gelddrucken“

 

Immer mehr Gebäude in Berlin werden nach rbb-Recherchen von privaten Vermietern zweckentfremdet und illegal als Einrichtungen für Asylbewerber genutzt. Dies ist möglich, weil das Landesamt für Gesundheit die Einrichtungen offenbar nicht ausreichend überprüft, sondern die Wohnkosten pauschal übernimmt.

In Berlin werden nach rbb-Informationen immer mehr Gebäude von privaten Vermietern zweckentfremdet und illegal als Einrichtungen für Asylbewerber genutzt. Hintergrund sind die pauschalen Kostenübernahmen durch das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso).

Das Amt übernimmt Unterbringungskosten für Asylbewerber, ohne die jeweiligen Einrichtungen zu überprüfen. Die rbb-Abendschau hat einen Fall in der Talstraße, Ecke Thulestraße in Berlin-Prenzlauer Berg recherchiert, wo nach Angaben des Betreibers 80 Asylbewerber illegal untergebracht werden.

Doch der Pankower Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Bündnis/Grüne), hat die Unterbringung dort jetzt untersagt. „Insgesamt ist das Geschäft mit Flüchtlingen eine Lizenz zum Gelddrucken und erst recht, wenn nicht ordentlich kontrolliert wird und auch nicht kontrolliert werden kann“, kritisiert Kirchner.

Berliner Behörden greifen offenbar auch auf Makler zurück

Auf der Suche nach neuen Unterkünften für Flüchtlinge greifen die Berliner Behörden offenbar auch auf Makler zurück, wie aus einer am Wochenende veröffentlichten Antwort der Sozialverwaltung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus hervorgeht.

Demnach zahlte das Lageso rund 186.000 Euro an Makler-Provisionen für die Beschaffung von drei Unterkünften in den Berliner Stadtteilen Charlottenburg und Pankow. Allein für ein Flüchtlingsheim in der Charlottenburger Soorstraße flossen 96.000 Euro an Provision an die Maklerfirma. Dabei sei nicht überprüft worden, ob Maklerfirma sowie Eigentümer und Betreiber der Immobilien miteinander verflochten waren, so die Sozialverwaltung. Auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Makler-Provisionen sei nicht vorgenommen worden.

Bezirk Mitte will feste Kontingente für Flüchtlinge

Der Bezirk Mitte hat zudem kritisiert, dass sich einige Berliner Hostelbetreiber hemmungslos bereichern würden, während viele Flüchtlinge in den Hostels unter schlechten Bedingungen leben würden. Der Bezirk bemängelt vor allem eine unzureichende Kontrolle durch das Lageso und fordert, dubiose Betreiber stärker zu überprüfen, anstatt überteuerte Rechnungen zu akzeptieren.

Damit Flüchtlinge nicht Opfer dieser unseriösen Betreiber werden, will der Bezirk Mitte alle seine Hostelbetreiber anfragen, um feste Kontingente vorzuhalten. „Des Weiteren baut der Bezirk eine Datenbank auf, um alle Informationen über illegale Unterkünfte zu sammeln und zu verhindern, dass deren Betreiber durch fehlende Kenntnisse in der Verwaltung mit öffentlichen Mitteln reich werden“, heißt es in einer Mitteilung.

  • Wer darf bleiben? Asyl und Flüchtlingsschutz
    Es gibt drei Formen des Flüchtlingsschutzes: das Asylrecht für politisch Verfolgte, den Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den subsidiären („Hilfe leistender“) Schutz:Um Asyl oder den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu bekommen, muss der Asylsuchende eine begründete Furcht vor individueller Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe glaubhaft machen. Subsidiärer Schutz wird beispielsweise gewährt, wenn einer Person Folter oder unmenschliche Behandlung, die Todesstrafe oder eine konkrete Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit drohen, etwa infolge willkürlicher Gewalt in einem bewaffneten Konflikt oder aufgrund einer im Herkunftsland nicht behandelbaren schweren Krankheit.
  • Einreise über sichere Länder: Drittstaaten
    Wenn ein politisch verfolgter Flüchtling über ein Land einreist, das als sicher gilt, erhält er in Deutschland kein Asyl. Als sichere Drittstaaten gelten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie Norwegen und die Schweiz. Den Flüchtlingen wird die Einreise nach Deutschland verweigert oder sie werden in den Drittstaat zurück abgeschoben.
  • Der Weg zum Asyl: Das Asylverfahren
    Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Antrag auf Asyl. Dort werden die Personalien aufgenommen und der Flüchtling erhält eine Aufenthaltsgestattung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nimmt den Asylantrag auf und der Asylbewerber erhält einen Termin zu einer sogenannten Anhörung, wo er die Gründe für die Flucht aus der Heimat vorträgt. Dann wird darüber entschieden, ob dem Bewerber Asyl gewährt wird. Dieser Prozess kann viele Monate – teilweise sogar Jahre – dauern.
  • Dürfen Asylbewerber reisen? Die Residenzpflicht
    Am 1. Januar 2015 wurde die so genannte Residenzpflicht für viele Flüchtlinge abgeschafft. Sie verbat es Asylbewerbern, ein bestimmtes Gebiet – ein Bundesland, ein Regierungsbezirk oder eine Stadt – zu verlassen, dem sie zugewiesen wurden. Seit Januar dürfen sie sich in der Regel nach Ablauf von drei Monaten frei im Bundesgebiet bewegen.
  • Sitzen und Warten: Die Arbeitserlaubnis
    Anerkannte politische Flüchtlinge erhalten eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Für Asylbewerber und Geduldete wurde die Frist, in der sie in Deutschland nicht arbeiten dürfen, verkürzt: Ihnen ist es erlaubt, nach drei Monaten Aufenthalt zu arbeiten. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, beispielsweise müssen deutsche Bewerber und EU-Bürger bei der Vergabe von Tätigkeiten bevorzugt werden. Manchmal muss in konkreten Fällen auch die Bundeagentur für Arbeit zustimmen. Diese Einschränkungen entfallen nach 15 Monaten.
  • Asylantrag angenommen: Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnis

    Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und auch eine Arbeitserlaubnis. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann in diesen drei Jahren die Schutzberechtigung widerrufen, etwa wenn dem Flüchtling im Heimatland keine Verfolgung mehr droht. Wird der Schutzstatus nicht wiederrufen, kann ihnen nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis gewährt werden. Diese kann nicht widerrufen werden.

  • Wenn ein Asylantrag abgelehnt wird: Ausreise und Abschiebung

    Wird kein Asyl gewährt, erhält der Flüchtling einen Ablehnungsbescheid und die Aufforderung zur Ausreise sowie eine Abschiebungsandrohung. Dabei wird eine Frist von 30 Tagen gesetzt; bei „offensichtlich unbegründeten“ Anträgen beträgt die Frist sogar nur eine Woche. Als offensichtlich unbegründet wird ein Asylantrag gemäß § 30 Asylverfahrensgesetz abgelehnt, wenn der Asylvortrag widersprüchlich und nicht substantiiert genug war oder erst bei drohender Aufenthaltsbeendigung gestellt wurde. Gegen die Abschiebung kann der Asylbewerber innerhalb einer Frist entsprechend der Ausreisefrist vor dem Verwaltungsgericht Klage einreichen.

    Oft dauert es lange, bis ein Flüchtling tatsächlich abgeschoben wird. Im Jahr 2014 wurden von 40.000 abgelehnten Personen rund 11.000 abgeschoben.

  • Abschiebungsverbot und Abschiebungsschutz
    Ein Abschiebungsverbot gilt, wenn dem Flüchtling bei einer Rückkehr in die Heimat erhebliche Gefahr droht. Ein Abschiebungsschutz wird gewährt, insbesondere wenn die Gefahr einer wesentlichen gesundheitlichen Verschlechterung droht, z.B. weil im Heimatstaat die medizinische Versorgung fehlt.
  • Duldung
    Solange ein abgelehnter Asylbewerber nicht abgeschoben werden kann, erhält er eine Duldung. Grund kann ein von den Innenministern verhängter Abschiebestopp sein oder das Fehlen von Identitätspapieren (Reisepass). Diese Duldung gilt maximal sechs Monate und kann jederzeit widerrufen werden. Nach Angaben der Diakonie Deutschland lebten Ende 2013 rund 94.500 Personen im Duldungsstatus – etwa 10.000 von ihnen schon seit mehr als 15 Jahren. Für geduldete Personen gelten erhebliche Einschränkungen von Teilhaberechten wie etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt und sozialen Leistungen. Sie unterliegen ebenfalls der Residenzpflicht.
  • Bleiberecht

    In der Vergangenheit gab es sogenannte Altfallregelungen: Flüchtlinge, die seit mehreren Jahren in Deutschland geduldet wurden, konnten unter bestimmten Bedingungen ein Bleiberecht erhalten. Sie mussten vor einem bestimmten Stichtag eingereist sein, die deutsche Sprache sprechen, ihren Lebensunterhalt selbst sichern und straffrei geblieben sein. Derzeit gibt es keine gültige Regelung, da diese Altfallregelung ausgelaufen ist

    Derzeit erarbeitet das Bundesinnenministerium eine Bleiberechtsregelung, die stichtagsabhängig ist. Auch hier ist das Bleiberecht an strenge Bedingungen geknüpft. Es gibt jedoch bereits eine stichtagsfreie Bleiberechtsregelung für Jugendliche und Heranwachsende und für qualifizierte Geduldete.

  • § 23 AufenthG: Aufenthaltsgewährung durch das Land
    Nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes können die obersten Landesbehörden (etwa die Senatsverwaltung für Inneres) aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder auch zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis anordnen. Allerdings muss diese Anordnung mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt werden. Ehemals geduldete Personen, die ein Bleiberecht erhalten haben, bekommen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift.

Hintergrund zu Flüchtlingen in Berlin

  • Die Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland

    Die Aufteilung der Flüchtlinge regelt ein Verteilungsschlüssel, der sogenannte „Königsteiner Schlüssel“. Er wurde im Jahr 1949 eingeführt, ursprünglich um die Anteile der Länder bei der Finanzierung von Forschungseinrichtung festzulegen. Er wird jährlich neu festgelegt und berücksichtigt zu zwei Dritteln das Steueraufkommen und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes.

    Nach dem Verteilungsschlüssel 2014 muss Berlin 5 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen muss mit 21,2 Prozent die meisten Flüchtlinge aufnehmen.

  • Flüchtlinge in Berlin: Die Zahlen
    In Berlin leben derzeit rund 27.000 Flüchtlinge.

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Veröffentlicht am 16. März 2015 von Eric Zuesse. auf http://www.washingtonsblog.com

Eric Zuesse

Zwischen 2002-2003 handelte die größte Lüge der amerikanischen Regierung von Saddam Hussein und dem Irak. Wir haben bereits gesehen, was diese Lüge für Folgen hatte. Sie hat die Vereinigten Staaten über $3 Billionen gekostet, hat ISIS ins Leben gerufen und im Irak Todesfälle und Zerstörung in einem Ausmaß verursacht,  das Saddam Husseins Diktatur vergleichsweise gütig aussehen lässt. Machen sich die Amis diesbezüglich immer noch selbst was vor? (Manche schon; aber die Meisten tun das nicht.)

2014 und 2015 dreht sich die gr￶ößte Lüge der amerikanischen Regierung stattdessen um Vladimir Putin und die Ukraine – und diese ist sogar schlimmer und viel gefährlicher, denn diese kann sehr wohl zu einem nuklearen Krieg führen, einen mit Russland, das für die nationale Sicherheit  Amerikas unwichtig ist und die Sicherheit unserer ganzen Nation sogar gefährdet. Ursache hierfür sind die schändlichen Gründe der Aristokraten („Oligarchen“) in der USA und der Ukraine – jedoch überhaupt aus keinerlei realen Gründen der amerikanischen Bevölkerung.

Das ist jedoch trotzdem die Richtung, die wir ansteuern, denn die Aristokraten Amerikas zielen auf überwältigende Weise darauf ab (wie es hier gezeigt wird).

Radio Free Europe, Radio Liberty, oder RFE/RL, ist ein Rundfunk-Veranstalter der U.S. Regierung der, wie die NATO, unumgänglich war als der Kommunismus die Vereinigten Staaten aus der Soviet Union heraus bedrohte und den man, sowie die NATO auch, hätte verabschieden sollen als die UdSSR und deren kommunistisches Weltbild tatsächlich ein Ende nahmen. Wie die NATO ist es nun lediglich ein widerwärtiges Überbleibsel unseres Krieges gegen den Kommunismus, eines Krieges den es zwar nicht mehr gibt, den die Aristokraten Amerikas jedoch weiter führen möchten. Dies liegt daran, dass Amerikas Aristokraten die gesamte Welt erobern möchten und wollen, dass die Steuerzahler der USA diese Bemühung finanzieren. Die ideologische Ausrede gibt es nicht mehr, und sie wollen nicht, dass wir das bemerken.

Ein gutes Beispiel der aktuellen Widerwärtigkeit seitens RFE/RL war ein Artikel vom 12. März 15 mit dem Titel „Eine Sache die in Washington von beiden Parteien vertreten wird: Die Bewaffnung der Ukraine gegen Russland,“  in dem behauptet wurde “Die Übereinstimmung bei Abgeordneten der Demokraten und der Republikaner in der US-Hauptstadt nimmt zumindest bezüglich einer Angelegenheit rasch zu: Die Bewaffnung der Ukraine. Eine Ausnahme ist jedoch die Figur, die das meiste Sagen hat: Präsident Barack Obama.”

Der stillschweigende Vorstoß dieses Nachrichtenberichts ist laut deren Propaganda-Schreiber, dass „Obama sich sträubt derartigen Beistand zu leisten. Und das trotz des Drucks von Abgeordneten und der öffentlichen Aussagen hochrangiger Militärangestellter, einschließlich des US Verteidigungsministers Ashton Carter, der dafür ist Kiev mit todbringenden Hilfsmitteln zu unterstützen. ‘Der Präsident ist absolut dazu befugt es zu tun. Er muss bloß den Willen dazu haben,‘ teilte [Eliot] Engel [ein Demokrat des Repräsentantenhauses] RFE/RL mit.” Anders ausgedrückt: der Artikel erweckt den Anschein Obama sei gegen etwas, das angeblich getan werden muss und getan werden sollte.

Schon in der Vergangenheit feierte sich RFE/RL schamlos für den internationalen Erfolg seiner Kampagne, den Präsidenten Russlands, Vladimir Putin, zu verteufeln.

Und leider beruhte die gesamte Propaganda-Kampagne auf unverhohlenen Lügen, wie bereits die Propaganda den Irak im Jahr 2003 zu überfallen. Diese ist jedoch um einiges gefährlicher.

Zudem übersieht diese Propaganda-Kampagne (einschließlich dieses Artikels) völlig, dass die obersten Führer in der Ukraine, die fordern, dass die USA und andere Westnationen die ukrainische Regierung mit Waffen versorgen, ultra-nationalistische unverblümte Nazis sind, besonders die Führer der beiden Naziparteien der Ukraine, die beide als örtliche Kopien der Nazipartei Hitlers ins Leben gerufen wurden. Eine davon nennt sich sogar die Nationalsozialistische Partei der Ukraine um zu signalisieren, dass sie der Tradition Adolf Hitlers folgt, nur halt lokal – die ukrainisch-nationalistische Version eben. Der Führer dieser Partei, Andrei Parubiy, war der leitende Veranstalter der Maidan Demonstrationen die von der Obama Regierung als Vorwand für den Putsch, den die Obama Regierung geplant und ausgeführt hat, benutzt wurde und der die aktuelle, fanatisch Russen-hassende, rassistisch-faschistische Regierung der Ukraine an die Macht gebracht hat.

Ignoriert wird auch, dass Dmitriy Yarosh (der auch verlangt, dass Amerika Waffen schickt), Führer der anderen ukrainischen Nazipartei die sich der Rechte Sektor nennt, der Organisierer jener Amokschützen war, deren Schießerei in die Menschenmasse von Antikorruptionsdemonstranten dazu führte, dass der demokratisch gewählte Präsident der Ukraine seine Macht verlor und es so der Obama Regierung ermöglichte, den neuen Führer der Ukraine zu wählen (den Obamas Funktionärin, Victoria Nuland am 4. Februar 2014, 18 Tage vor dem Staatsstreich, ausgesucht hat).

Auch wird die Tatsache übersehen, dass der Führer der wirksamsten Streitkraft der Ukraine, dem Azov Battalion (Andrei Beletsky), die offizielle Aussage des „ukrainischen Nationalsozialismus“ verfasste, welche u.a. besagt: „Die historische Aufgabe unserer Nation, einem Wendepunkt dieses Jahrhunderts, darin liegt die weißhäutigen Menschen der Welt im letzten Glaubenskreuzzug für ihr Überleben zu führen. Es geht darum den Krieg gegen die Semiten und die Untermenschen die sie benutzen, zu führen.“

Außerdem ignoriert die Kampagne, dass der ukrainische Premierminister Arseniy Yatsenyuk, der am 4. Februar 2014 von Victoria Nuland des US Außenministeriums für seinen Stelle ausgesucht wurde laut ukrainischen Medien am Donnerstag dem 12. März 2015 mit den Worten zitiert wurde: „Die Ukraine befindet sich in einem Atomkriegszustand mit der Russischen Föderation.“ Er gab Russland die Schuld für alle momentanen Probleme der Ukraine und drängte „unsere Partner im Westen“ dazu Waffen zu schicken.

Offensichtlich sind diese Leute darauf aus als Satellitenstaat für Washingtons Russlandkrieg zu fungieren.

Außen vorgelassen wird auch, wie bereits von den deutschen Wirtschaftsnachrichten am 15. März mit der Schlagzeile „Ukraine: Rechtsextreme boykottieren Friedenspläne mit Russland“ berichtet wurde, dass einige der führenden Nazis der ukrainischen Regierung (welche durch Amerikas Putsch errichtet wurde und weiterhin enthusiastisch von President Obama und vom Kongress der USA unterstützt wird) Parolen verwenden wie: „Russland ist der ‚ewige Feind‘ der ‚Zivilisation‘.“ Dies ist das Ziel der amerikanischen Regierung, noch mehr amerikanische Waffen zu schicken (wir haben bereits viele geschickt, von denen manche bereits zerst￶rt auf dem Schlachtfeld verendeten nach dem ukrainische Streitkräfte kapitulierten).

Während es stimmt, dass sich in Washington jeder quasi einig ist (über 98% der Kongressmitglieder) der Ukraine weitere Waffen zu liefern, ist die amerikanische ᅱffentlichkeit laut Umfragen 2 zu 1 dagegen gestimmt.

In dieser Hinsicht ist die Öffentlichkeit der USA viel eher auf der Seite der Führer der EU als auf der Seite der Führer der Vereinigten Staaten.

Selbstverständlich ignoriert der RFE/RL Propagandabericht die Opposition der Europäer, sogar der Führer, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Er ignoriert auch die überwältigende Opposition der amerikanischen Öffentlichkeit.

Während der Hauptfokus der Außenpolitik Obamas darin besteht Russland zu schwächen oder gar zu zerst￶ren, scheinen einige Leute in Washington nicht mit der Intensität dieser Kampagne zufrieden zu sein und möchten, dass mehr passiert. Obama will jedoch vermeiden europäische Führer so sehr zu drängen, dass er sie ganz und gar verliert. Der Unterschied zwischen Obama und den Republikanern ist hier lediglich ein taktischer. Beide wollen Russland zerstören; es steht bloß zur Debatte wie dies getan werden soll.

Verrückt und global-lebensmüde ist einigen der verdorbenen Menschen die wir hier in Amerika ins öffentliche Amt reinwählen wohl nicht böse genug. Aber wir, die Öffentlichkeit, können da nichts dafür – die Aristokraten die die Politik finanzieren entscheiden über unsere Auswahlmöglichkeiten, sprich welche Kandidaten wir als unsere Führer wählen dürfen. So erkennen die Amerikaner erst zu spät, dass die Wahl zwischen Barack Obama und Mitt Romney im Jahre 2012 in Wirklichkeit eine Wahl zwischen Dick und Doof war, wie Ralph Nader im Jahr 2000 gelogen hat, was jedoch 2008 und 2012 der Wahrheit entsprach. Obama stellt sich als dunkelhäutiger Romney mit schönerer Rhetorik heraus.

Die Aristokraten bestimmen die politischen Auswahlmöglichkeiten die wir haben; und mittlerweile (in diesem Jahrhundert) sind die in Amerika alle schlecht.

Wie Martin Gilens und Benjamin I. Page in ihrer massiven Studie herausgestellt haben, welche von der American Political Science Association im Herbst 2014 ver￶ffentlicht wurde, ist die heutige USA eine Aristokratie (oder wie sie es in ihren Befunden nannten, eine „Oligarchie“), und der Wille der Öffentlichkeit hinsichtlich der Politik und Gesetzgebung der Bundesregierung bedeutet mittlerweile gar nichts mehr: die Aristokraten kontrollieren die Medien um die Politikangestellten zu kontrollieren und somit Resultate erzielen die den Sponsoren der Politiker am wichtigsten sind.

Und nun gehen sie sogar an die Grenzen der Revolution, denn ein Atomkrieg würde jedem schaden. Das Hauptmotiv der Aristokraten liegt in der Herrschaft; die Öffentlichkeit ist da anders: das blanke Überleben ist den unteren 99% der Bevölkerung wichtiger. Ein Atomkrieg stellt ein zu großes Risiko für die globale Herrschaft der Aristokratie dar, und wir sind auf direktem Kurs zu diesem Risiko. Die wollen, dass wir es so tun wie die Nazis der Ukraine und da mitziehen. Aber wir sind nicht so wie die Nazis der Ukraine – oder wie überhaupt welche. Nazis haben die Herrschaftskultur, sowie Aristokraten auch; aber wir nicht. Also: die Lügen kommen, fett und schnell, um uns darin zu verwickeln, einfach auf der Grundlage von Irreführung.

Wenn die Öffentlichkeit getäuscht wird, dann ist Demokratie unmö￶glich. Alle Optionen werden zu schlechten. Und genau an diesem Punkt befinden wir uns jetzt. Dinge wie diese sind einfach nicht anders zu erklären.

———-

Investigative historian Eric Zuesse is the author, most recently, of  They’re Not Even Close: The Democratic vs. Republican Economic Records, 1910-2010,  and of CHRIST’S VENTRILOQUISTS: The Event that Created Christianity, and of Feudalism, Fascism, Libertarianism and Economics.

http://www.washingtonsblog.com/2015/03/american-governments-biggest-lie-now-ukraine.html

Siehe auch:

Allen NATO-Verstehern, den Obamas, Merkels, Steinmeiers, Göring-Eckhards, Klitschkos, Nachrichtenklebers, Schönenborns, Wills, allen Russenhassern, Putin-„Kritikern“, usw. usw. ins Gewissen! – falls sie eins haben.

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  • Mme Porcelets dit Roi Ubuma: «Après nous le déluge!“ (deutsch / english)

Eric Zuesse

The American Government’s biggest lie in 2002-2003 was about Saddam Hussein and Iraq. We’ve already seen what that lie produced. It cost the U.S. more than $3 trillion, produced ISIS, and caused death and destruction in Iraq that make Saddam Hussein’s dictatorship look benign by comparison. Are Americans still fooling themselves about that? (Some are; but most are not.)

The American Government’s biggest lie in 2014-2015 is instead about Vladimir Putin and Ukraine — and it’s even worse, and far more dangerous, because this one can very possibly lead to a nuclear war, one with Russia that’s totally unnecessary for America’s national-security, and that actually places all of our nation’s security at risk, for the shameful reasons of aristocrats (“oligarchs”) in both the U.S. and Ukraine — not for any real reasons of the American people, at all. 

But, that’s where we are heading, nonetheless, because America’s aristocrats overwhelmingly want it (as will be shown here).

Radio Free Europe, Radio Liberty, or RFE/RL, is a U.S. government broadcaster which, like NATO, was necessary when communism threatened the United States from the Soviet Union, and which, also like NATO, should have been disbanded when the U.S.S.R. and its communist ideology effectively ended. It, like NATO, is now really just a vile vestige of our war against communism, a war that’s gone but which America’s aristocrats want to continue fighting, because America’s aristocracy want to conquer the entire world and want U.S. taxpayers to fund the effort. The ideological excuse is gone, and they want us not to notice that.

A good example of RFE/RL’s current vileness was a story they ran on March 12th, “A Bipartisan Cause In Washington: Arming Ukraine Against Russia,” and it reported that, “Consensus appears to be snowballing among Democratic and Republican lawmakers in the U.S. capital on at least one issue: arming Ukraine. One exception, however, is the figure who matters most: President Barack Obama.” 

The implicit thrust of this news article is that, as their propaganda-writer put it, “Obama has resisted providing such assistance despite the pressure from lawmakers and public statements by top military brass, including U.S. Secretary of Defense Ashton Carter, supporting lethal aid to Kyiv. ‘The president has all the authority he needs to do it. He just needs to have the will to do it,’ [Eliot] Engel [a House Democrat] told RFE/RL.” In other words: the article presents Obama as being obstructionist against something that supposedly needs to be done, and should be done.

Earlier, RFE/RL had brazenly reveled in the international success of its campaign to vilify Russia’s President, Vladimir Putin.

And, unfortunately, that entire propaganda campaign is based on blatant lies, just like the propaganda to invade Iraq in 2003 was. But this one is far more dangerous.

Furthermore, this propaganda campaign (including that article) ignores that the top leaders in Ukraine who are pressing for the U.S. and other Western nations to supply arms to the Ukrainian Government are Ukraine’s ultra-nationalist outright nazis, especially the leaders of Ukraine’s two nazi parties, both of which were created as local copies of Hitler’s Nazi Party, and one of which even called itself the Social Nationalist Party of Ukraine, in order to signal to Ukrainians that it’s in the tradition of Adolf Hitler but just the local, Ukrainian nationalist, version of it. That party’s leader (Andrei Parubiy) was the chief organizer of the Maidan demonstrations that were used by the Obama Administration as cover for the coup that the Obama Administration planned and carried out, which installed the current, rabidly Russia-hating, racist-fascist, Government in Ukraine.

It also ignores that the leader (Dmitriy Yarosh) of the other Ukrainian nazi party (also calling for America to send weapons), which party is called Right Sector, was the organizer of the gunmen whose shooting into the crowd of anti-corruption demonstrators actually brought down the democratically elected President of Ukraine, and thus enabled the Obama Administration to choose the new leader of Ukraine (which Obama’s operative, Victoria Nuland, chose on 4 February 2014, 18 days before the coup).

It also ignores that the leader of Ukraine’s most effective fighting force, the Azov Battalion (Andrei Beletsky), authored the official statement of “Ukrainian Social Nationalism,” including: “The historic mission of our Nation, a watershed in this century, is thus to lead the White peoples of the world in the final crusade for their survival. It is to lead the war against Semites and the sub-humans they use.” 

It also ignores that Ukrainian Prime Minister Arseniy Yatsenyuk, who on 4 February 2014 was selected for his post by Victoria Nuland of the U.S. State Department, was quoted by Ukrainian media on Thursday March 12th of 2015 as saying that, “Ukraine is in a state of war with a nuclear state, which is the Russian Federation.” He blamed all of Ukraine’s current problems on Russia, and urged “our Western partners” to send weapons.

Clearly, these people are eager to serve as the proxy-state for Washington’s war against Russia.

It also ignores that, as German Economic News headlined on March 15th, “Ukraine: Right-wing extremists boycott peace plans with Russia,” reporting that several of the leading nazis in the Ukrainian Government (which America’s coup installed and which still is enthusiastically supported by both President Obama and the U.S. Congress) employed such phrases as: “Russia is the ‘eternal enemy’ of ‘civilization’.” This is what America’s Government wants to send yet more American weapons (we’ve already sent lots, some of which have already turned up destroyed on the battlefield when the Ukrainian forces have surrendered). 

While it’s true that there is virtual unity (more than 98% among members of Congress) in Washington to supply arms to Ukraine, the U.S. public, when polled about this matter, are more than 2 to 1 opposed to doing so.

In this regard, the U.S. public are far more in line with the leaders of the EU than they are with the leaders of the United States.

The RFE/RL propaganda-article ignored, of course, the overwhelming opposition of Europeans, and even of their leaders, to supplying weapons to Ukraine. It also ignored the overwhelming opposition of the American public to doing so.

Whereas the central focus of Obama’s foreign policy is to weaken if not destroy Russia, some in Washington are not satisfied with the intensity of that campaign, and want it to be even more, but Obama is trying to avoid pushing European leaders so hard on this that he loses them altogether. The difference between Obama and the Republicans on this is merely tactical. Both want to destroy Russia; the debate is over how to get the job done.

Insane and globally suicidal isn’t bad enough for some of the rotten people whom we in America elect into public office. But we, the public, are not to blame for it — the aristocrats who fund politics determine what the field of candidates will be from which we get to select our leaders. And, for example, only too late are the American public starting to recognize that the choice between Barack Obama and Mitt Romney in 2012 was really a choice between, as Ralph Nader lied in 2000 but which was true in 2008 and 2012, “Tweedledum versus Tweedledee.” Obama turns out to be a dark-skinned Romney with prettier rhetoric.

The aristocrats determine the political choices that we have; and, now (in this century) in America, they’re all bad. 

As Martin Gilens and Benjamin I. Page found in their massive study published by the American Political Science Association during the Fall of 2014, today’s United States is an aristocracy (or as they call their findings, an “oligarchy”), and the will of the public no longer counts for anything in determining the federal government’s policies and laws: the aristocrats control the media so that they control the political personnel and outcomes that matter the most to politicians’ sponsors.

And, now, they’re even pushing the envelope of revolution, because nuclear war would harm everybody. Aristocrats’ chief motive is dominance; the public aren’t like that: mere survival is more important to the bottom 99% of the population. Nuclear war is too much of a risk to take for our aristocracy’s global dominance, and we’re heading now straight into that risk. They want us to do like Ukraine’s nazis are doing, and play along with it. But we’re not like Ukraine’s nazis — nor like any. Nazis have the dominance-culture, just as aristocrats do; but we don’t. So: the lies are coming, thick and fast, to make us go along, purely on the basis of deception.

If the public is deceived, then democracy is impossible. All choices become bad. And that’s where we now are. Things like this just can’t be explained any other way.

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Investigative historian Eric Zuesse is the author, most recently, of  They’re Not Even Close: The Democratic vs. Republican Economic Records, 1910-2010,  and of CHRIST’S VENTRILOQUISTS: The Event that Created Christianity, and of Feudalism, Fascism, Libertarianism and Economics.

http://www.washingtonsblog.com/2015/03/american-governments-biggest-lie-now-ukraine.html

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Remember: Do X! Don´t do Y!

Protect innocent, respect life, defend art, preserve creativity!

What´s Left? Antisemitism!

http://www.jsbielicki.com/jsb-79.htm

DJ Psycho Diver Sant – too small to fail
Tonttu Korvatunturilta Kuunsilta JSB
Tip tap tip tap tipetipe tip tap heija!
http://www.psychosputnik.com
http://www.saatchionline.com/jsbielicki
https://psychosputnik.wordpress.com/

They want 1984, we want 1776

They are on the run, we are on the march!

I think for food

molon labe

Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.

Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.

“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton

Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.

Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.

Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.

Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.

Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.

Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,

Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.

Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.

Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.

Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.

Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.

Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.

Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.

Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.

Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!

Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.

Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann  lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.

Denken ist immer grenzüberschreitend.

Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.

Legal ist nicht immer legitim.

Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.

Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten.

Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.

Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.

Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von  Feiglingen.

Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.

Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.

Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.

Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.

Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.

Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.

Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.

Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.

>>Evelyn Waugh, sicherlich der witzigste Erzähler des vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend aus einem Bunker während einer deutschen Bombardierung Jugoslawiens, blickte zum Himmel, von dem es feindliche Bomben regnete und bemerkte: “Wie alles Deutsche, stark übertrieben.“<< Joseph Epstein

Man muß Mut haben, um witzig zu sein.

Dumm und blöd geht meistens zusammen.

Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen”  ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.

Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“

Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.

“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel

Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.

Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.

Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.

Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.

Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Der Islam ist die friedliche Religion der Liebe George Orwell 2015

Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.

Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.

Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.

Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.

Die Psychoanalyse geht niemanden außer den Psychoanalytiker und seinen Patienten etwas an, und alle anderen sollen sich verpissen.

“Zeit ist das Echo einer Axt
im Wald.
Philip Larkin, Gesammelte Gedichte

Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.

„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“
―Mahatma Gandhi

„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“
―Mahatma Gandhi

Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”  – Ignazio Silone

Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.

Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.

Bunte Vielfalt, früher: Scheiße

Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.

Romantik ist scheiße.

Die Realität ist immer stärker als Illusionen.

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Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve

Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth

“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton

Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others

Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.

Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome

If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human

A man with roots should go for a pedicure

Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment

If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way

Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.

If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.

If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.

Happy slaves are the worst enemies of freedom.

Creativity is an intelligence having fun.

If working makes you sick, fuck off, leave the work!

If Germans talk about morality, they mean money.

A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.

Thinking is always trespassing.

The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.

Legal is not always legitimate.

Who can not do without, lives unhappy.

So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.

Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.

You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.

Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.

People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.

People are not equal, each single person is unique.

Insight applies to everyone, including Muslims, Albanians, women and homosexuals.

Islam belongs to Germany, Judaism belongs to Israel.

The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany.
There are no discussions anymore, but defamations only.
It is a culture of the mob. As it has already been.
Harmony is only if you do not communicate.

One should never go to bed with someone who has more problems than you already have.

>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein

One has to be brave, to have a wit.

Stupid and dull belong mostly together.

Charlie Hebdo: you don´t care if such murders are comitted to Jews, we will see how “adequate” you will react when (when, not if), Islamists will begin to bombard your cities with Kasam missiles.

Christopher Hitchens: In a free society, no one has the right not to be offended.

The more someone narcissistic inflates , the more he feels insulted and provoked.

“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell

 The problem with the Islamists in Europe should be solved exactly as Europe requires to the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims , with a common capital.

What may satire? Everything! Except be understood by the fool, because then it was not a satire.

Islamimus is Islam preaching violence.

Islam is a religion of love, and he who doubts is dead.

War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015

Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.

Islamists are satanists. Islamism is a religion of idiots.

People feel always terrible offended if you do not believe their lies.
Everyone is responsible for his feelings.
Psychoanalysis is nobody’s business except the psychoanalyst and his patient, and everybody else can fuck off.
“Time is the echo of an axe
Within a wood.”
― Philip Larkin, Collected Poems

If someone inflates endless his ego, as Islamists do, then he hurts his own feelings already in his morning own shit.

The seven deadly sins of modern society. Wealth without work pleasure without conscience, knowledge without character business without morality Science without humanity, worship without sacrifice Politics without principles
-Mahatma Gandhi

“Where there is only a choice between cowardice and violence, I would advise violence.”
-Mahatma Gandhi

 Why Allah does not shows himself? Because he does not want  to do anything with such assholes.
When fascism returns, he will not say, ‘I am the fascism‘. No, he will say, ‘I am the anti-fascism Ignazio Silone.
Political correctness requires a language for a poetry album.
 Psychoanalysis is frivolous, or it is not psychoanalysis.
Colorful diversity, earlier: shit.
What can not any longer be changed, can not any longer be reformed, it is no longer alive, but very dead (instead). What is dead should be, has to be buried: religion, marriage, Romanticism, etc.
Romantic sucks.
 The reality is always stronger than illusions.
 A delusion is characterized by increasing loss of reality, and can be attested to today’s leaders in Germany and the mass media. Loss of reality describes the mental state of a person who is not (any longer) be able to understand the situation in which it is located. So you are ruled by madmen and manipulated by the mass media.
Totalitarianism can only be defeated if one has the courage to call things by their right names, just as they are. Political correctness prevents it promotes totalitarianism and political cowardice and political lie.
The Extinction: Islam is like the sun, who comes too close to him, will burn itself and will flare the rest of the world with him.
Islam does not want any submission! Islam wants victory, destruction and annihilation.
The world was not created just for you.
Time needs time.
What has God with us when he freely admits the devil more and more territories?
It’s not the biggest fear when you look into an abyss, but to note that the abyss looks back at you.
I is different.
Muslim´s headscarf is less annoying than German mothers with their pushchairs.
Prostheses people – look like women and men, but they are not.
Global governance the political repair operation begins to repair before something was created.
The extremely increased, ostensibly critical, actually demonizing, German interest in Israel and Jews is perverse.
The Nonanti-Semite is by the current German law an anti-Semite who defames, discriminates, delegitimizes Israel, Jews, , but do not supports expressis verbis the aim of the Third Reich, the Holocaust, the extermination of the Jews.
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