Berechtigt und unwichtig
Nun, bei der inhaltlichen Richtigkeit werde ich mit Spiegel, Tagesschau und Co. ohnehin nicht überein kommen – das hat auch wenig mit dem aktuellen Thema zu tun.
Und klar ist natürlich, daß die Anliegen berechtigt sind. Denn jeder Bürger ist berechtigt, seine persönlichen Positionen vorzubringen.
Aber wieso sollen die Forderungen der „friedlichen Demonstranten“ wichtig sein?
„Blockupy“ ist eigentlich nur eine neue Organisationsform für die ganz übliche linksradikale Szene. Die halt mit Unterstützung aus ganz Europa ein paar tausend Gewaltbereite zusammengetrommelt haben, um den Klassenkampf zu inszenieren. Nicht jeder der Blockupy-Leute hat sich direkt an den Krawallen beteiligt. Aber es ist offensichtlich, daß sie diese Krawalle billigend in Kauf nehmen, sogar unterstützen und natürlich verbal verteidigen. Weswegen ich bei „friedliche Demonstranten“ auch Anführungszeichen setze. Auch die Blockupys die nicht direkt Steine werfen, sind nicht „friedlich“.
Ohne die Krawalle sind diese Gruppen aber nun völlig bedeutungslos. Der linke Narrensaum, der wenige Promille der Bevölkerung vertritt und seit Jahrzehnten die immer gleichen Parolen brüllt. Ist natürlich völlig legitim – solange es friedlich bliebe – aber auch absolut unwichtig. Über die müßte ein seriöses Medium nicht mehr berichten als über die Zeugen Jehovas, wenn sie im Bahnhof ihren Wachtturm anpreisen.
Diesmal hat sich nun eine Bundestagspartei, die sogenannten „Linken“, den übrigen Linksradikalen angeschlossen – das wäre dann vielleicht einen üblichen Dreispalter wert.
Aber mehr auch nicht.
Denn inhaltlich gab es nichts Neues oder gar Originelles. Alle Parolen und Forderungen sind altbekannt. Und haben eigentlich fast nichts mit dem Anlaß EZB zu tun. Wahrscheinlich hätte nicht ein einziger Demonstrant sagen können, was eigentlich konkret die EZB anders machen sollte. Die Proteste richteten sich ganz abstrakt gegen die Politik der Bundesregierung, die Großfinanz und den pösen Kapitalismus.
Im intellektuellen Niveau entsprach die Blockupy-Demo ziemlich der Pegida. Ein dumpfer Reflex gegen „die da oben“, und im offiziellen Anliegen ziemlich neben der Spur.
Ja, es gibt diverse islamistische Ärgernisse in Deutschland. Aber keine allgemeine Islamisierung, schon gar nicht Dresden mit seinen dreineinhalb Moslems.
Ja, es gibt ab und zu Kürzungen bei manchen Staatsmaßnahmen. Aber es gibt in keinem europäischen Staat eine „Sparpolitik“, überall steigen die Staatsausgaben und die Schulden. Und die EZB hat schon gar nichts mit Sparen zu tun, im Gegenteil unterstützt sie die Staatsverschuldung.
Natürlich kann man die Blockupy-Inhalte für richtig halten. Vielleicht ist das sogar naheliegend, wenn man sich nur aus Spiegel und Tagesschau informiert.
Aber wichtig sind sie eindeutig nicht. Sie werden von einer obskuren Minderheit vertreten, sie haben keinen konkreten Bezug zu aktuellen Maßnahmen, sie gehen auch völlig an den Wünschen und Interessen der Bevölkerung vorbei, die mit einer Demo eigentlich erreicht werden soll.
Die Krawalle haben also nicht die Inhalte in den Hintergrund gedrängt. Sondern sie haben Inhalte ins Scheinwerferlicht gebracht, die dort nicht hingehören.
BLOCKUPY 2015: Die kurze Amtszeit des Königs Karneval- Von Militanz und ritualisiertem Protest
Am 18.03.2015 konnte man in Frankfurt, mitten im Herzen des verschlafenen Merkel-Deutschlands, Bilder sehen, die man hier schon länger nicht mehr in dieser Intensität gesehen hatte: Brennende Autos, Barrikaden und heftige Straßenschlachten von Morgengrauen an.
Sich hiervon zu distanzieren mag durchaus notwendig sein, dennoch bleibt es eine bequeme Haltung. Natürlich wird es den Kapitalismus nicht stoppen, lokale Infrastruktur wie Straßenbahn-Haltestellen zu zerdeppern und natürlich ist es erst Recht hirnrissig und moralisch verwerflich, Rettungskräfte zu attackieren, indem man Steine auf Feuerwehrautos und Krankenwagen wirft. Politisch gesehen, wird man damit gewiss keinen Blumentopf gewinnen. Und wenn irgendwelche Polizisten nach dem Protest mit Prellungen und Gehirnerschütterung heimgehen müssen, so hat man damit keinesfalls ein wirksames Zeichen gegen Polizeigewalt gesetzt, sondern liefert vielmehr genau jenen repressiven Diskursen die Munition, welche Polizeigewalt hervorbringen und legitimieren.
Das Anzünden von Autos oder das Einwerfen von Scheiben wird den Otto-Normalverbraucher gewiss nicht zur Solidarisierung mit dem Protest motivieren, sondern zum genauen Gegenteil.
Diese Erkenntnisse sind allerdings so trivial, dass ich mich hier nicht weiter mit ihnen beschäftigen will.
Die Frage nach der politischen Militanz bleibt nämlich eine interessante und sie ist keinesfalls durch ein einfaches Gut-Böse-Schema im Sinne von „hier die friedlichen Demonstranten und dort die unverbesserlichen Randalierer“ zu lösen.
Tatsächlich ist nämlich ein Protest, dem keine gesellschaftliche Sprengkraft innewohnt, ein wirkungsloser Protest, der über das wohlfeile „ein Zeichen setzen gegen Pegida/Kapitalismus/Rassismus/Whatever“ nicht hinauskommt.
Kurzum: Ein Protest der nichts lahmlegt, der keine Abläufe stört, der niemandem unbequem ist, vor dem keiner Angst haben muss, ist sich selbst genüge. Er ist ein Ritual, welches nicht die Kraft hat, die Verhältnisse zu ändern, sondern vielmehr die Verhältnisse dadurch zementiert, dass er Widerstandspotentiale gesellschaftskonform integriert.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund protestierte etwa zeitgleich mit den Ausschreitungen rund um die EZB friedlich auf dem Römerberg und distanzierte sich hierbei natürlich simpel, reflexhaft und konsensfähig von jeder Gewalt. Dennoch sollte auch ein Gewerkschaftsfunktionär nicht vergessen, dass die Tatsache, dass es heutzutage überhaupt so etwas wie einen Deutschen Gewerkschaftsbund geben kann, den politischen Kämpfen vergangener Zeiten zu verdanken ist und dass diese Kämpfe eben nicht in Form von „friedlichen Demonstrationen“ mit Lichterketten und bunten Luftballons geführt wurden, sondern auf Barrikaden.
Soziale Rechte wurden der Bevölkerung immer erst dann zugestanden, wenn den Mächtigen der Arsch gehörig auf Grundeis ging. Ein Bismarck hätte beispielsweise ohne die Angst vor einer militanten Arbeiterbewegung niemals daran gedacht, ein mehr oder weniger flächendeckendes Sozialversicherungssystem für die Arbeiter einzuführen. Und wer noch weiter gehen will, wer nicht nur von den Mächtigen Rechte zugestanden bekommen will, sondern die Machtverhältnisse in Gänze angreifen will, der wird um Formen der Militanz kaum herumkommen.
Die Mechanismen heutiger globalisierter Ökonomie, sowie die unüberbrückbaren Distanzen zwischen den Mächtigen und den Ohnmächtigen, machen die politische Militanz in ihrer straßenorientierten Form dennoch zu einer unwirksamen bis kontraproduktiven Farce.
Von seiner erhabenen Position aus kann ein Anshu Jain ein mondän-großzügiges Verständnis für die Proteste äußern, selbst wenn auf Frankfurter Straßen die Autos brennen. Sein eigenes Auto wird gewiss nicht dabei sein und wenn doch, könnte er schnell einen Mietwagen nehmen und den Verlust von der Steuer absetzen. Ein Anshu Jain wird ungeachtet aller Barrikaden stets dorthin kommen wo er will.
Während der Durchschnittsbürger aufgrund der lahmgelegten öffentlichen Verkehrsmittel zu spät zur Arbeit kommt, machen die Führungsetagen der Banken und Konzerne ihren Job weit entfernt von den protestierenden Massen, den genervten Pendlern und den in ihren Uniformen schwitzenden Polizisten unbehelligt weiter. Die Kosten für kaputtrandalierte Straßenbahnen werden einfach bei der nächsten Preiserhöhung des RMV auf die Fahrgäste umgelegt und die Bild-Zeitung kann ihren zahlreichen Lesern selbstgefällig vorrechnen, was die „Blockupy-Chaoten“ den Steuerzahler gekostet haben.
Angesichts dieser Verhältnisse sind die brennende Barrikade und der geworfene Pflasterstein anachronistisch und haben längst nichts mehr mit einer militant linken Position zu tun. Sie sind vielmehr ebenso zu Politritualen geworden, wie Lichterketten und die alljährliche Maidemonstration, zu der sich die linke Szene zwecks Nabelschau, Selbstvergewisserung und Traditionspflege trifft. Die geradezu tragikomische Hilf- und Nutzlosigkeit ritualisierter Randale ließ sich nur allzu gut an den Chaostagen beobachten, jenen folkloristischen Punker-Festen, die früher mal in zahlreichen Städten stattfanden und von denen inzwischen wirklich keiner mehr spricht.
Wer noch immer in Bezug auf antikapitalistische Proteste wie Blockupy die Meinung vertritt, dass sich auf den Barrikaden sehr wohl noch etwas erreichen ließe und dies damit begründet, dass der militante Kampf auf der Straße auf dem Maidan oder im arabischen Frühling durchaus Erfolge gezeigt habe, der verkennt einen wichtigen Unterschied. Barrikadenkämpfe mögen sich zwar als Mittel bewährt haben, bestimmte diktatorische Nationalregierungen wegzuputschen (und oftmals durch andere Diktatoren zu ersetzen), aber den Kampf „ums Ganze“ wird man mit ihnen kaum gewinnen können.
Dem Kapitalismus macht es im Gegensatz zu einem klassischen Diktator herzlich wenig aus, wenn man seine Schergen verprügelt oder seine Denkmäler umstürzt. Es erweist sich hingegen sogar als kontraproduktiv und lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit weg von den eigentlichen Krisen hin zur puren Sensation um die Randale und zu letztlich fruchtlosen Diskussionen über die Schuldfrage an der Eskalation oder die Rechtfertigung bzw. Nichtrechtfertigung politischer Gewalt.
So waren auch die Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten eine durch und durch systemkonforme und karnevaleske Angelegenheit, in der (berechtigter) Zorn ausagiert wurde, anstatt ihn in tatsächliche gesellschaftliche Veränderung zu transformieren.
Das karnevaleske Element ließ sich denn auch gut in einigen der Aufrufe zu Blockupy-Demo erkennen, in denen Arbeitnehmer zum Blaumachen und Schüler zum Schuleschwänzen aufgefordert wurden, um an den Protesten teilzunehmen. Die Arbeitnehmer und Schüler werden nach einer solchen Veranstaltung wieder an ihre Arbeitsplätze und Schulen zurückgehen, im Bewusstsein, gegen die immer zudringlicher werdende Kapitalisierung aller Lebensbereiche, ihr Möglichstes getan zu haben. Nach dem kollektiven und emotional befreienden Ausrasten kommt aber bloß die Fastenzeit. König Karneval durfte einen tollen Tag regieren, doch danach wird seine Puppe verbrannt. Es werden ein paar Häupter mit seiner Asche bestreut und die Karnevalsvereine beginnen mit der Vorbereitung der nächsten „tollen Tage“ im nächsten Jahr.
Ein militantes politisches Bewusstsein hingegen würde die politische Aktion nicht aus den Arbeitsstätten hinaus in einen letztlich abgezirkelten und eingehegten öffentlichen Raum tragen, sondern sich dort betätigen, wo die kapitalistische Gesellschaft sich in ihrer hierarchischsten und klarsten Form zeigt, nämlich genau in den Schulen, Arbeitsstätten u.s.w.
Hier allerdings werden naturgemäß auch viele der sonst so militanten Linken zurückschrecken, denn hier geht es wirklich um die eigene wirtschaftliche Existenz.
Militanz in diesem Sinne müsste noch nicht einmal bedeuten, körperliche Gewalt anzuwenden und dennoch wäre sie eine Militanz im Sinne einer politischen Haltung, die kompromisslos das Äußerste wagt. Wer sich beispielsweise entschlösse, aufgrund der ungerechtfertigten Kündigung eines Arbeitskollegen einen spontanen solidarischen Protest zu starten und im Clownskostüm mit einer Vuvuzela bewaffnet in das Personalbüro seiner Firma zu stürmen um dort so lange die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, bis man ihn in Handschellen abtransportierte, dem wäre nicht nur die Kündigung sicher, sondern er könnte nach den gegenwärtigen Verhältnissen auch weder auf die Solidarität seiner Arbeitskollegen, noch auf die der institutionalisierten Träger der Solidarität (Gewerkschaften, Betriebsräte) bauen. Dies gälte es zu ändern. Denn wo kämen wir da hin, wenn das alle täten? Nun ja… vielleicht raus aus dem Kapitalismus…
Eine derartige Solidarität wäre in jedem Fall militanter, als im DB-Sonderzug aus Berlin zu den fröhlichen „EZB-Chaostagen“ in Frankfurt anzureisen, ein Bisschen Räuber und Gendarm zu spielen, noch ein paar Tage in der Jugendherberge zu verbringen, Sightseeing in der Stadt zu betreiben und ordentlich auf der Zeil shoppen zu gehen, um dann wieder abzureisen und weiter an der eigenen wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Karriere zu stricken.