Manchmal frage ich mich morgens in der S-Bahn: Seid ihr das gewesen? Der Mittvierziger im Business-Look oder die junge Frau mit Rucksack, die harmlos in Robert Seethalers „Trafikant“ vertieft ist. Habt ihr gestern Abend am Keyboard wieder die Sau rausgelassen? Irgendwer muss es ja sein. Wenn es ein Dunkeldeutschland gibt, dann im Netz. Die sozialen Netzwerke sind die Dark Rooms der entgrenzten Kommunikation. Hier wird hemmungslos gehetzt, gepöbelt und gehasst.
Die größte Kloake der Menschheit
Die größte Kloake der Menschheitsgeschichte hat Timothy Garton Ash zuletzt Facebook und Co. genannt – und für sein aktuelles Buch zur entgrenzten Freiheit im Netz zu Recht den Karlspreis zugesprochen bekommen. Facebook selbst wird offenbar auch blümerant, schaltet eine aufwendige Imagekampagne, in der junge sympathische Menschen von sich behaupten, natürlich würden sie nicht vor Tausenden von Scheinfreunden intimste Dinge ausbreiten.
In Deutschland hat Zuckerbergs Firmengigant eine winzige Recherchefirma damit beauftragt, den schlimmsten Schmutz und Unsinn von den Seiten zu bannen – was dem Versuch gleicht, den Atlantik mit einem Teelöffel leeren zu wollen. Was den Betreibern dieser immens profitablen Giganten wohl bewusst ist. Denn im Prozess, den einer der Selfie-Flüchtlinge von Angela Merkel wegen Verleumdungen bei Facebook angestrengt hatte, gab der Rechtsanwalt des US-Konzerns zu Protokoll: Zum wirklichen Filtern der Beiträge bräuchte es eine „Wundermaschine“. Die digitalen Umwälzpumpen von Müll und Unflat hingegen laufen prächtig.
Die Neue Mündlichkeit
Unser Titelautor, der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, sieht eine Kulturrevolution, ein Zeitalter der Neuen Mündlichkeit, in der das Rotzige und der Affekt dominieren. Online, sagt Bolz, „kritisiert man nicht mehr. Online hasst man“ Die Bundesregierung versucht, den digitalen Müllmaschinen rechtliche Grenzen aufzuzeigen. Vielleicht sollten wir User es mit einem kategorischen Imperativ des Netzzeitalters versuchen: Schreibe nur das, was du der betreffenden Person auch direkt ins Gesicht sagen würdest. Ich bin ganz sicher: Viel Fürchterliches bliebe dann ungeschrieben und ungepostet.
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Ich bin ein Pöbler. Und daher möchte ich mal eine Lanze für den Pöbel brechen. Das Wort ¨Pöbel“ ist aus dem Französischen eingewandert, wo es „Peuple“ – die „Bevölkerung“, bedeutet. Eigentlich müsste das Wort Pöbel einen Migrationsbonus bekommen. Nur in der deutschen Sprache hat das Wort einen negativen Bedeutungswandel durchgemacht. Hier bedeutet der Pöbel: das Pack, Dunkeldeutsche, Rassisten, Hetzer, Populisten, Irrationale. Die Politiker und ihnen gewogene Medien verachten den Pöbel. Ganze Bundesländer werden unter den Generalverdacht gestellt, voller pöbelnder Nazis zu sein. Selbst die Mitte der Gesellschaft ist verdächtig. Die Diskussion über den Pöbel ist schrill und hysterisch. Und sie soll etwas verdecken. Etwas, das geschlichen und unbemerkt daherkommt, auf leisen Sohlen sozusagen. Etwas, das der Pöbel um Gottes Willen nicht bemerken soll.
Auf leisen Sohlen hat sich nämlich die Demokratie davongemacht. Der freiwerdende Platz wurde von einer Merkelokratur eingenommen, die den Bundestag nur noch als Beifallskulisse für die einsamen Entscheidungen einer stammelnden Frau benötigt. Eine Opposition gibt es nur noch durch gelegentliches Aufheulen innerhalb der regierenden Partei, das aber stets in rauschendem Beifall untergeht. Die Kontrollfunktion der vierten Gewalt hat sich in eine Zujubel-Orgie verwandelt. Und wer es wagt, das zu sagen, ist ein Pöbler, so wie ich.
Auch der Rechtsstaat macht sich auf leisen Sohlen davon. Justizia hat die Augenbinde abgenommen. Das Messen mit zweierlei Recht hat sich in Helldeutschland breitgemacht. Die Einen sind pädophile Straftäter, die Anderen heiraten Kinder. Die Einen gehen zum Einwohnermeldeamt und die Anderen werfen ihre Pässe weg. Die Einen kommen für böse Worte in den Knast und die Anderen kommen mit Vergewaltigung oder Totschlag davon. Und selbst wenn die Richter wollten – was sie nicht tun – die Knäste quellen über: „Leider keine Zelle frei, meine Herrn Verbrecher“.
Die deutsche Industrie ist auf dem Weg in die dritte Welt, im doppelten Sinne des Wortes
Auf leisen Sohlen verdrückt sich die energieintensive Industrie, nachdem die Energieversorger an den Bettelstab gebracht wurden. Schon lange ist Deutschland nicht mehr imstande, ein AKW zu bauen, das freut die Politik, ob grün, ob rot, ob schwarz, ob gelb. Als nächstes ist die Autoindustrie dran, die nun ins Fadenkreuz unserer politischen Weltenretter geraten ist. Die Wirtschaft brummt? Wie lange noch? Warum sollten Unternehmen in Deutschland investieren, wenn sie damit rechnen müssen, von der Regierung unter Zuhilfenahme einer Ethikkommission für die guten Sache enteignet zu werden? Die deutsche Industrie befindet sich auf dem Weg in die dritte Welt, im doppelten Sinne des Wortes, aber eben auf leisen Sohlen.
Auf leisen Sohlen sind suchen auch jährlich 140.000 höchstqualifizierte Deutsche ihr Glück anderswo. So macht sich auch deutsches Knowhow irgendwann demnächst in Deutschland rar. Auf leisen Sohlen macht sich das Vermögen der Deutschen aus dem Staub. Der Staat gibt inzwischen ein Drittel seiner Einnahmen für die Energiewende, die Griechen/Bankenrettung und die Zuwanderer aus. Da muss zwangsläufig an jeder Beitragsschraube gedreht werden, müssen atmende Steuern erfunden und Umlagen statt Steuern kräftig erhöht werden, klingt ja viel besser.
Die Europäische Union druckt nach wie vor monatlich 80 Milliarden Euro und ist somit gänzlich insolvenzunfähig, da die Sparer mit ihrem Vermögen für ihr irres Schneeballsystem haften. Nullzinsen oder gar Strafzinsen enteignen mühsam erarbeitetes Geld, das eigentlich für die eigene Rente angespart wurde. Wie sagt ein Merkel-Vertrauter? „Die Enteignung der Sparer ist notwendig. Was dem Sparer schadet, trägt zum Haushaltsausgleich bei“.
In der Welt-Online fand sich kürzlich ein Artikel, der sich damit beschäftigt, was wäre, wenn Angela Merkel nicht wieder kandidiert. Und dort – oh Wunder – findet eine Pöbelabstimmung statt. Der Leser kann wählen, ob sie wieder kandidieren soll. Und bums – 85 Prozent der fast 80.000 User stimmen gegen die in den offiziellen Umfragen ach so beliebte Kanzlerin. Der großen Koalition der Meinungsmacher laufen die Kunden in Scharen davon, ebenfalls auf leisen Sohlen .
Der Pöbel soll’s nicht merken, dumm wie er nun mal ist
Auf leisen Sohlen heißt, „sich zurückhaltend, sanft und milde gebend; geschlichen und unbemerkt kommend oder gehend“. Der Pöbel soll’s nicht merken, dumm wie er nun mal ist. Nur wenn’s ans „Ausnehmen“ geht, dann ist sich der Politiker nicht zu fein: Steuergeld stinkt nicht. Der Lammert jammert: Die Bevölkerung ist selber schuld an der Politikverdrossenheit. Die sehen das falsch! „Es gibt keine zweite politische Institution in Deutschland, bei der die Diskrepanz zwischen erbrachter Leistung und Wahrnehmung der erbrachten Leistung so groß sei wie bei politischen Parteien“. Dabei sei die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ohne den Beitrag der Parteien nicht denkbar. Wie weit muss man von der Realität weg sein, um so einen Schmarrn daherzureden?
Gibt es schon irgendwelche Anzeichen, dass es nicht ewig so weitergehen kann? Was bringt uns die Wahl 2017? Es fühlt sich ein bisschen wie 1989 an, ein Knirschen in allen Fugen des Systems, aber keiner weiß was als Nächstes kommt. Niemals seit der Zeit des Feudalismus gab es eine derartige Verachtung der Kaste der Herrschenden gegenüber dem Volke, dem Pöbel, dem dummen Plebs, wie heute. Die „Honecker-Eliten“ hatten eher Angst vor ihrem Volke. Aber die heutigen „Repräsentant du peuple“ – die Volksvertreter – verachten das eigene Volk aus tiefster Seele. Das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine Regierung gegen die eigene Bevölkerung arbeitet, sie ausplündert, sie beschimpft und sich dabei überlegen fühlt.
Extremistische Gewalt in Deutschland nimmt zu, meist jedoch gerät nur die politisch motivierte Kriminalität der Rechten in den Blick. Ist die Öffentlichkeit auf dem linken Auge blind?
Linksautonome aus der Hausbesetzerszene attackieren im Juli 2016 Polizeikräfte in der Rigaer Strasse in Berlin. (Bild: Maurizio Gambarini / EPA)
Gedacht ist der 3. Oktober als freudiges Innehalten, aber Dresden, Zentrum der diesjährigen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit, erwartet neben hoher politischer Prominenz auch «Störungen von links und rechts». Ein Plakat der Antifaschistischen Aktion (Antifa) hat schon im Vorfeld verdeutlicht, wie sich Linksradikale den Nationalfeiertag vorstellen. Ein brennendes Gebäude ist darauf zu sehen. Vermummte liefern sich eine Strassenschlacht mit der Polizei. Unten ziert das Plakat die Zeile: «Einheitsfeier zum Desaster machen». Man muss das wohl als Aufruf lesen.
Zweierlei Mass
Als die deutsche Bundesregierung kürzlich den Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit präsentierte, stand allerdings nicht die Warnung vor dem Links-, sondern diejenige vor dem Rechtsextremismus im Vordergrund. Die Bombenanschläge vom letzten Dienstag auf eine Moschee und ein internationales Kongresszentrum in Dresden scheinen diese Gewichtung zu bestätigen. Ostdeutschlands wirtschaftliche und soziale Entwicklung sei durch den «braunen Spuk» gefährdet, hiess es im Jahresbericht zur Einheit.
Darin steckt nicht nur die Sorge, Anschläge auf Flüchtlingsheime könnten von einer engherzigen Brutalität künden, die Touristen und Investoren abschreckt. Eine derartig dramatische Einschätzung besagt: Mit der Ausbreitung rechter Gewalt steht die Humanität einer Gesellschaft auf dem Spiel. Diese Wahrnehmung, es drohe mit ihm ein Zivilisationsbruch, hat der Rechtsextremismus dem Linksextremismus voraus.
Der Holocaust erschüttert uns mehr als der Archipel Gulag. Für die westliche Welt und für Deutschland zumal gilt, dass die Erinnerung an den braunen Terror «heiss», jene an den roten Terror «kalt» ist. Das hat seine guten Gründe, wie man bei dem US-Historiker Charles S. Maier lernen kann. Die geschichtliche Erfahrung, die uns heute auf Neonazis besonders wachsam reagieren lässt, sollte aber nicht dazu führen, die politisch motivierte Kriminalität auf der Linken als lässliche Sünde abzutun. «Aus der Perspektive der Zivilgesellschaft sind extremistische Gewalttaten unabhängig von ihren politischen Zielen gleichermassen abzulehnen», schreibt der Berliner Politologe Klaus Schroeder. «Dennoch fällt zumeist die Einschätzung insbesondere der politisch links motivierten Gewalttaten verklärend aus.»
Die Bundesrepublik fühlt, auch wo ihre Bürger anders wählen, mehrheitlich sozialdemokratisch. Den meisten Deutschen ist, solange sie diese nicht selber erleiden, linke Gewalt sympathischer als rechte, denn sie assoziieren mit der Linken eine Robin-Hood-Gesinnung, mit der Rechten Chauvinismus. Misst also das Gros der Kommentatoren in Medien und Politik, misst die Öffentlichkeit mit zweierlei Mass?
Für die Rechtspopulisten von Pegida und die Nationalkonservativen der Alternative für Deutschland (AfD) hat sich die Frage längst beantwortet: Die «Lügenpresse» und das politische Establishment sind auf dem linken Auge blind. Die AfD muss feststellen, dass das Ausmass ihrer Drangsalierung durch Linksautonome, Antifa und Anarchos unerträglich ist, dies aber ausserhalb des eigenen Lagers kaum jemanden interessiert.
AfD-Wahlhelfer werden attackiert, Wohnhäuser von Parteimitgliedern mit Farbe beschmiert, Büros demoliert, Autos angezündet. Es gibt Morddrohungen und Schüsse auf Geschäftsstellen. Die Zahl der Übergriffe, derentwegen Strafanzeige gestellt wurde, soll in die Hunderte gehen. Um sie zu sammeln, hat die AfD die «Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter» eingerichtet. Unter demselben Namen war bis 1992 eine westdeutsche Einrichtung tätig, die das Unrecht der DDR gegen ihre Bürger dokumentierte. Wenn sich nun die AfD mit ihrer Sammelstelle als Opfer eines Unrechtsstaates geriert, zeugt das von einem ebenso ausgeprägten wie zweifelhaften Märtyrer-Bewusstsein. Aber das ändert nichts an dem Faktum, dass diese Partei unentwegt von links aussen attackiert wird, und dies eben nicht nur verbal, sondern gewaltsam.
Die Vorstellung, linke Gewalt richte sich wesentlich gegen Sachen, rechte Gewalt aber gegen Personen, darf man getrost verabschieden.
Der Bericht des deutschen Verfassungsschutzes für 2015 verzeichnet einen sprunghaften Anstieg politisch motivierter Straftaten. Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor, eine Tendenz dürfte sich indessen auch in diesem Jahr fortschreiben: Links wie rechts nimmt die Brutalität an Intensität zu. Überraschen muss, wie dicht die linksextreme Gewalt zur rechtsextremen aufgeschlossen hat. Politische Morde durch Extremisten gab es 2015 keine, jedoch hat das Bundeskriminalamt für beide Seiten je acht «versuchte Tötungsdelikte» gezählt. 1116 Körperverletzungen durch Rechtsextreme stehen 986 Körperverletzungen durch Linksextreme gegenüber. Wenn sich die Extremisten nicht gerade miteinander prügeln, was sie vermehrt tun, sind ihre bevorzugten Opfer Polizisten (bei Linken) und Fremde (bei Rechten). Die Vorstellung, linke Gewalt richte sich wesentlich gegen Sachen, rechte Gewalt aber gegen Personen, darf man getrost verabschieden.
Politische Argumente schrumpfen dabei zu Parolen, die Verletzung ziviler Regeln trägt ihre Genugtuung in sich selbst.
Ein fliegender Pflasterstein entwickelt enorme Wucht. Treffer können tödlich sein, und man rätselt, was sich sogenannte Linksautonome und Antifaschisten dabei denken, wenn sie an Demonstrationen oder im Kampf um besetzte Häuser solche Geschosse auf Polizisten schleudern. Dass es sich um legitime Mittel handelt, ist für sie ausgemacht, zur Begründung reicht oftmals das Bekenntnis, wütend zu sein. Die Eskalation der Proteste gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt im März 2015, die Krawalle des linken Mobs in Leipzig im Dezember oder die aggressive Solidarität, welche das Hausprojekt Rigaer Strasse 94 in Berlin erfährt, zeugen von einer Karnevalisierung der Gewalt: Mummenschanz, Verhöhnung staatlicher Autorität, Genuss am Ausnahmezustand. Politische Argumente schrumpfen dabei zu Parolen, die Verletzung ziviler Regeln trägt ihre Genugtuung in sich selbst.
Zwar gibt es Aktionsfelder der Linksextremen, auf denen sie sich als politisch handelnde Subjekte verstehen: in der Opposition zu Faschismus und Kapitalismus, Rassismus, Repression und Gentrifizierung. Was aber den aus Autonomen und Antifa bestehenden gewaltbereiten Kern betrifft, so fällt es schwer, hier noch politische Köpfe zu erblicken – es sei denn Hohlköpfe. Deren «Bock» auf Randale ist mit keiner politischen Theorie in Einklang zu bringen, und als Akt zivilen Ungehorsams lässt sich auch nicht beweihräuchern, wenn Glasscheiben aller Art eingeschlagen werden, vom Schaufenster eines Luxusshops bis zum Windschutz einer Tramhaltestelle. «Entglasen» nennt das lustvoll verniedlichend die Szene. Typisch auch die Mülltonnen und Barrikaden aus Autoreifen, die brennen, wenn die Demonstration noch gar nicht angefangen hat oder längst zu Ende ist. Das ist gleich doppelt sinnlos und nur durch Lustgewinn zu erklären.
Linke Rechtfertigungen
Ihrem Selbstverständnis nach ist linke Gewalt immer Gegengewalt. Argumentativ bringt das den Linken in eine komfortable Lage, denn er sagt: Ich wehre mich doch bloss. Um Notwehr zu reklamieren, ist eine konkrete Notwehrsituation gar nicht nötig. Es muss sich kein rechter Hooligan mit Baseballschläger vor dem Linken aufbauen. Es reicht der Verweis auf die «strukturelle Gewalt» der Verhältnisse. Justiz und Polizei stehen auf der Seite der Mächtigen, der Besitzenden, des Kapitals. Der Reichtum der einen produziert die Armut der anderen. Ökonomische Abhängigkeiten haben die buchstäbliche Knechtschaft ersetzt, aber an den Zwangslagen der Ohnmächtigen nichts geändert.
Diese linke Sicht hat Tradition. «Die Gewalt ist die allen Regimen gemeinsame Ausgangssituation», urteilte etwa Maurice Merleau-Ponty 1947 in «Humanismus und Terror». Der französische Philosoph, zeitweilig ein Weggefährte Sartres, sprach nicht von linker Notwehr, zog aber sinngemäss die dementsprechende Folgerung: «Sich den Gewalttätigen gegenüber der Gewalt zu enthalten heisst, sich zu ihrem Komplizen zu machen.»
Das Denkmuster, wonach linker Gewalt immer eine Repression oder ein rechter Gewaltakt vorausgeht, ist in den Köpfen fest verankert.
Zwanzig Jahre später vermeinte der revolutionär gestimmte Teil der Studentenbewegung bei Herbert Marcuse die theoretische Legitimation für Widerstandsakte gegen die staatliche und ökonomische Ordnung zu finden. Geschätzte Referenzlektüre war Marcuses Essay über «repressive Toleranz». Der Kaufhaus-Brandstifter und spätere RAF-Terrorist Andreas Baader soll sich vor Gericht zu seiner Verteidigung auf den Schluss des Essays berufen haben, wo «überwältigten Minderheiten», denen keine gesetzlichen Mittel mehr helfen, ein Naturrecht auf Gegenwehr zugestanden wird: «Wenn sie Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte.»
Die linksextreme Szene von heute wird wohl kaum noch Marcuse lesen, dazu ist sie viel zu sehr mit Aktionen und Gewalt-Tourismus beschäftigt. Das Denkmuster indes, wonach der Eruption linker Gewalt immer eine Repression oder ein rechter Gewaltakt vorausgeht, ist in den Köpfen fest verankert. Brennt, wie jüngst in Leipzig, das Auto von Frauke Petry, heisst es auf der Internet-Plattform «linksunten.indymedia» prompt, das sei bloss die Quittung für eine «geistige Brandstifterin». Der Anschlag auf den Wagen erfolgte nur wenige Tage nach dem Versuch der AfD-Chefin, das Prädikat «völkisch» für den Sprachgebrauch zu rehabilitieren.
Opfer sind selber schuld
Oder es gilt das Abfackeln von Luxuskarossen im Berliner Umland als legitime Antwort auf die Teilräumung der Rigaer Strasse 94. Dort im Grünen wohnten ja «die Profiteure einer besitzstandswahrenden Gesellschaftsordnung», schrieb ein Kommentator und meinte: «Ein ‹bedroht ihr uns in unseren Räumen, bedrohen wir euch in euren› ist auf jeden Fall wirkungsvoll.» Pardon wird nicht gegeben, und die Toleranz gegenüber Minderheiten, auf die man so stolz ist, bleibt reserviert für Gesinnungsgenossen. Die Opfer linksextremer Gewalt hingegen sind in dieser Perspektive vor allem immer eins: selber schuld.
Dummheit ist, wenn man nicht weiß, was man wissen könnte.
Wie hat sich Deutschland seit der faktischen Selbstabdankung der Regierung Merkel im Amt und der darauf folgenden Massenzuwanderung geändert? Wie kam es dazu und wie geht es weiter? Wie verändert sich Deutschland?
Die in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 25. Mai 1933 als Offener Brief von Gottfried Benn publizierte Antwort auf den an in privat gerichteten Brief von Klaus Mann leitet die Redaktion mit den perfiden Worten an: „Gottfried Benn, der Arzt und Dichter, hat von Berufsgenossen, die zu Beginn der deutschen Umwälzung ins Ausland gingen, verschiedene Zuschriften mit Vorwürfen wegen seiner politischen Haltung gegen den neuen deutschen Staat empfangen. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei festgestellt, daß es sich um Briefschreiber nichtjüdischer Abstammung handelt. Er hat Mittwoch abend im Rundfunk auf diese Briefe geantwortet: wir geben hier seine Ausführungen, die er uns zur Verfügung gestellt hat, gerne wieder, da sie uns grundsätzlich wichtig erscheinen.“[1]
„Sie schreiben mir einen Brief aus der Nähe von Marseille. In den kleinen Badeorten am Golf de Lyon, in den Hotels von Zürich, Prag und Paris, schreiben Sie, säßen jetzt als Flüchtlinge die jungen Deutschen, die mich und meine Bücher einst so sehr verehrten. Durch Zeitungsnotizen müßten Sie erfahren, daß ich mich dem neuen Staat zur Verfügung hielte, öffentlich für ihn eintrete, mich als Akademiemitglied seinen kulturellen Plänen nicht entzöge.“
Während Klaus Mann die Entbehrungen des Exils, die Not der mittellosen Emigranten in den „kleinen Hotels“ anspricht, so schreibt Benn scheinheilig von den „kleinen Badeorten am Golf de Lyon“ und vom Leben „in den Hotels von Zürich, Prag und Paris“ – so, als ob die deutschen Flüchtlinge lediglich luxuriöse Ausflüge unternommen hätten. Über die Flüchtlinge schreibt Benn, mit den Flüchtlingen, die ins Ausland reisten, könne man nicht reden.[2]
Immer wieder verfälscht Benn die angeblichen Zitate aus dem Brief von Klaus Mann und wird offen höhnisch und beleidigend:
„In Ihrem Brief lautet die Stelle so: ‚Erst kommt das Bekenntnis zum Irrationalen, dann zur Barbarei, und schon ist man bei Adolf Hitler.‘ Das schreiben Sie in dem Augenblick, wo doch vor aller Augen Ihre opportunistische Fortschrittsauffassung vom Menschen für weiteste Strecken der Erde Bankerott gemacht hat, wo es sich herausstellt, daß es eine flache, leichtsinnige, genußsüchtige [!] Auffassung war, daß nie je in einer der wahrhaft großen Epochen der menschlichen Geschichte das Wesen des Menschen anders gedeutet wurde als irrational, irrational heißt schöpfungsnah und schöpfungsfähig. Verstehen Sie doch endlich dort an Ihrem lateinischen Meer, daß es sich bei den Vorgängen in Deutschland gar nicht um politische Kniffe handelt, […] sondern es handelt sich um das Hervortreten eines neuen biologischen Typs, die Geschichte mutiert [!] und ein Volk will sich züchten.“
Über die biologische Züchtung des deutschen Volkes und des Neuen (arischen) Deutschen Menschen veröffentlicht Benn einen ganzen Aufsatz, in dem er u.A. schreibt:
„Welches werden sonst seine (des Neuen Deutschen Menschen) Ziele sein? Halb aus Mutation und halb aus Züchtung hieß im vorigen Abschnitt, und wieviel Geist, mehr Zentaur (halb Stier, halb Mensch)oder mehr aus der Phiole (Reagenzglas), fragen wir uns, und wieder stoßen wir, und zwar in geistigen Reichen, auf das Wort Züchtung, von dem viele meinen, das es den neuen Menschen infolge eines gewissen legislativen (von der Gesetzgebung) von vernherein moralisch belaste und jeder inneren höhe beraube, wir müssen daher zur Verteidigung des neuen Menschen diesen Begriff genau und aus seiner eigenen Geschichte leiten.“[4]
[1] Benn, G. (1933, 25. Mai). Antwort an die literarischen Emigranten. Nr.242 S-1-3, wieder abgedruckt in: Der neue Staat und die Intellektuellen, Stuttgart, Berlin, S.22-34, Deutsche Allgemeine Zeitung, 25. Mai1933,S. 1-2.
[2] Benn, G. (1933, 25. Mai). Deutsche Allgemeine Zeitung, Antwort an die literarischen Emigranten. Nr.242 S-1.
[3] Benn, G. (1933, 25. Mai). Antwort an die literarischen Emigranten. Nr.242 S-1-3, wieder abgedruckt in: Der neue Staat und die Intellektuellen, Stuttgart, Berlin, S.22-34, Deutsche Allgemeine Zeitung, 25. Mai1933,S. 1-2.
[4] Benn, G. (1933). Züchtung. In G. Benn (Hrsg.), Der neue Staat und die Intellektuellen (S. 151-164). Stuttgart, Deutschland: Deutsche Verlagsanstalt. S.158.
Gottfried Benn, Profiteur der Nazizeit und überzeugter Nazi, erhält den Georg-Büchner-Preis 1951, den Bundesverdienstkreuz 1953, es erscheint zu seinen Ehren eine Briefmarke der Deutschen Bundespost 1956[1],
Ein Ehrengrab der Stadt Berlin 1956, während z.B. der politisch unbescholtene Wolfgang Koeppen kaum Absatz für seine Bücher findet. Viele Biographen entschuldigen Benn (und damit sich selbst, ihre Generation und ihrer Väter), daß Benn nur gezwungener Maßen ein Nazi war, weil ihm sonst Armut gedroht hätte.[2] (Wolfgang Koeppen wählte zur selben Zeit den Anstand und die Armut). Oder bringen zu seiner Entschuldigung, daß andere auch nicht besser waren, wie z.B. C.G.Jung.[3]
[3] „Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jungverteidigt im Januar-Heft 1934 des in Berlin erscheinenden, gleichgeschalteten Zentralblatts für Psychotherapie sogar „das arische Unbewußte“ gegen „den Juden Freud“, der „die germanische Seele nicht kannte, so wenig wie alle seine germanischen Nachbeter sie kannten“, und behauptet: „Das arische Unbewußte hat ein höheres Potential als das jüdische.“ In: Dyck, J. (2009). Gottfried Benn. Berlin, Deutschland: De Gruyter. S.94.
Am Anfang war das Wort. Das haben wir aus der Schöpfungsgeschichte gelernt. Aber wenn es falsch ist, dieses Wort, vergiftet?
Das falsche Wort I
Irgendwann im Frühjahr 2015 tauchte das Wort „Flüchtling“ auf, verbreitete sich und setze sich fest, erst in den Zeitungen, dann in den Hirnen. Es fühlt sich warm und menschlich an, und ist doch ein vergiftetes Wort, weil es als Propagandainstrument benutzt wird. Denn es überdeckte alle Gründe, warum Menschen den Ort wechseln: Asylbewerber wurden zum Flüchtling, Wirtschaftsflüchtlinge sowieso. Auswanderer, Einwanderer, reisende IS-Terroristen, syrische Bombenopfer und syrische Schergen, Legale, Illegale, Gastarbeiter. Und weil das immer noch nicht reicht, werden Klimaflüchtlinge erfunden und schließlich die Auflösung aller Grenzen propagiert: kein Mensch ist illegal. Nun ist nichts dagegen einzuwenden, Flüchtlingen zu helfen, Aufnahme zu gewähren, Verfolgte zu unterstützen. Aber die Unterschiedlosigkeit ist das Problem, wenn alle irgendwie zum Flüchtling gemacht werden.
Die intellektuell unredliche unterschiedlose Verwendung des Sammelbegriffs Flüchtlinge für alle Arten von Zuwanderern praktizieren nur die Medien in Deutschland und Österreich; in allen anderen europäischen Ländern von Spanien bis Schweden berichten die Medien von “illegalen Immigranten”. Wer aber Motive und Fluchtursachen begrifflich auflöst, löst jede Differenzierungsmöglichkeit, jede besondere Vorgehensweise, jede spezielle Notwendigkeit, Verpflichtung und Verantwortung in der Salzsäure des Willkürlichen auf.
Das F-Wort ist die Falle, in die immer mehr Medien, Menschen und schließlich die sonst kühl kalkulierende Angela Merkel im Sommer 2015 liefen: Die Unterschiedslosigkeit der Begrifflichkeit führte zur Hilflosigkeit und Aufgabe jeder eigener Handlungsmöglichkeit. Weil alle Flüchtlinge genannt werden und damit alle Anspruch zumindest auf Überprüfung ihres Anspruchs auf Asyl haben, entstand eine Welle von Merkel-Flüchtlingen, der nicht standzuhalten war. Im Sommer 2015 gab Deutschland die Kontrolle über seine Außengrenzen auf, und wer wollte konnte anschließend frei einreisen, sich um Asyl bewerben, untertauchen oder wieder zurückkehren, seine Identität verschleiern und neu erfinden.
Das falsche Wort II
Seither perfektioniert die Regierung Merkel die Verwendung falscher Begriffe, statt durch richtige Benennung die Voraussetzung für Handeln zu schaffen: Monatelang behauptete Merkel, 3.600 Kilometer deutsche Grenze ließen sich nicht kontrollieren. Es ist die offenkundige Unwahrheit; es soll ja Länder geben, die schaffen das 10-fache. Und immer wurde verschwiegen, dass es nur um ein kurzes Stück entlang Österreichs ging; dass Flüchtlinge aus Polen, Tschechien, Holland oder Frankreich und der Schweiz nach Deutschland kommen war ja nicht die Bedrohung für die Grenzschützer. Sind vielleicht 200 Kilometer wirklich unkontrollierbar?
Und dann folgte die Debatte über „Obergrenzen“, die es nicht geben dürfe, könne, solle. Was spricht eigentlich dagegen, eine Grenze des Machbaren zu definieren und dann eben die notwendigen Gesetze und Maßnahmen zu ergreifen? Niemand verlangt eine punktgenau Einhaltung einer politisch definierten Größe. Aber dass Deutschland an seiner Belastungsgrenze angelangt war, ist unstrittig. Warum dann nicht stoppen? Kein Gesetz schreibt vor, dass eine Gesellschaft sich über alle Maßen belasten, über ihre Leistungsfähigkeitsgrenzen verstoßen muss, bis es gar nicht mehr helfen kann. Das Asylgesetz ist änderbar, zumal von einer Großen Koalition mit einer noch nie da gewesenen Parlamentsmehrheit; weit jenseits der verfassungsgemäßen Zwei-Drittel-Grenze. Es sind Wortgirlanden einer Regierung, die Handlungsunwilligkeit vertuschen will.
Andere Begrifflichkeiten wurden abgeschliffen: So forderten und fordern Ungarn und andere Osteuropäische Staaten die „Kontrolle“ über die Person der Flüchtlinge – wer ist und warum kommt diese Person? Erst danach könne über Einreise entschieden werden, so verlangt es auch das Abkommen von Dublin. Kontrolle heißt nicht automatisch „Ablehnung“. Aber im Neusprech der Regierung Merkel und der deutschen Medien wurde genau diese Unterscheidung aufgehoben: Wer nur für Kontrolle nach EU-Recht eintritt, war ein „Ablehner“ und damit inhuman, egoistisch und menschenfeindlich. Dabei widersetzt sich der, der Kontrolle fordert, nur der Auflösung und fordert Differenzierung nach Migrationsursachen. Wären die Begriffe Flüchtlinge und Asylbewerber, Kontrolle und Ablehnung genutzt, wäre die Massenflucht nicht in Gang gesetzt worden.
Wie ein falscher Tweet Europa verändert
Die organisierte Tatenlosigkeit und Begriffsverwirrung einer unfähigen
Regierung gipfelt in dieser fatalen Twittermeldung vom 25. August des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, in der neudeutschen Kleinkindsprache zu „BAMF“ verkürzt: „#Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt.“
Das ist der eigentliche Wendepunkt in der Geschichte der Masseneinwanderung: Von dem Tag an weigerten sich Migranten, die in Ungarn und im Bahnhof von Budapest angekommen waren, sich weiterhin kontrollieren und registrieren zu lassen. Ab diesem Tag begann die Große Wegwerfe der Pässe: Seither haben sich Syrer sehr schnell vermehrt. Und wer sich nicht zum Syrer machen konnte oder wollte, tauchte unter im riesigen Treck, der nach Deutschland zog. Mit diesem Tag und diesem Tweet, der sich in kürzester Zeit und den mit Smartphones bewaffneten Zuwanderern ausbreitete, begann der unaufhörliche Strom nach Deutschland – dem sich dann Ungarn und Österreich nicht mehr widersetzten. Warum auch? Das Ziel war Deutschland. Warum sollte sich Victor Orban, Ungarns Ministerpräsident, weiterhin als herzloser Schlächter bezeichnen lassen, wenn doch die Durchreise zu den Ländern, aus denen die Schimpfkanonade kommt, mit Bussen so leicht zu bewerkstelligen ist?
Hier beginnt die Veränderung Deutschlands und der Riss innerhalb Europas, der zum Brexit beitrug und nicht nur die osteuropäischen Staaten zur Opposition gegen die einsamen Entscheidungen Deutschlands führte. Es ist nicht der 4. September, wie DIE ZEIT jetzt in Nr. 35 meint: „In Budapest stellt Mohammad Zatareih Flüchtlinge in Fünferreihen auf. Sie marschieren los.“ Der Auslöser ist die Erkenntnis der sogenannten Flüchtlinge, dass Deutschland die Grenzen bereits an jenem 25. August per Twitter faktisch geöffnet hat – und nur die ungarische Regierung nicht ebenfalls auf Tweets des BAMFs gehorsam alle europäischen Abkommen aufgibt.
Von der Kontrollaufgabe zum Kontrollverlust
Der BAMF-Tweet ist die Kapitulationsurkunde der Regierung Merkel, die seither nur noch eine amtierende „Regierung Ratlos“ ist; nicht einmal der von bitteren Briten geprägte Begriff von der deutschen „Hippie-Regierung” trifft es noch – es ist die Selbstaufgabe, die Abdankung im Amt: das Über-Bord-Werfen von Rechtsgrundsätzen und Verfahren, dass Kontrollmöglichkeiten gar nicht mehr versucht und die Grenzen geöffnet werden für alle, die sich Syrer nennen und auch für jene, die erkennbar keine sein können. Seither leben Hunderttausende ohne Kontrolle in einem Land, in dem sonst Kehrwoche, Mülltrennung und jedes Knöllchen penibel verfolgt werden.
Der Kontrollaufgabe an den Grenzen folgte der Kontrollverlust im Innern: Das Sex-Silvester von Köln, die Attentate von Würzburg und Ansbach, Übergriffe in vielen Freibädern, explodierende Gewalt und Kriminalität, eine Lawine von Kosten – menschlicher, wirtschaftlicher und politischer – überrollt Deutschland und schwächt in der Mitte Europas das bisherige wirtschaftliche und soziale Kraftwerk des Kontinents. Eigentlich kann man die Menschen, die aus unterschiedlichsten Motiven nach Deutschland kommen, nur mit einem Begriff fassen: Sie sind alle Merkel-Flüchtlinge, die die Scheunentür des falschen Wortes für sich nutzen – und Deutschland und Europa einer großen Umwälzung unterwerfen. Aus Sicht der Zuwanderer ist das verständlich, welche Enttäuschungen auf sie warten, hat ihnen niemand gesagt.
Das Narrenschiff Europas
Aber es wäre falsch, der Regierung Merkel/Gabriel die alleinige Schuld zuzuweisen, auch wenn sie unbestreitbar die Verantwortung trägt. Opposition und Medien verwandelten ein komplettes Land zum Narrenschiff. Statt die Regierung zu kontrollieren, applaudierte die Opposition; unvergessen Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen, die davon faselte, wie sie sich über diese Veränderung freue und darüber, dass Deutschland „Menschen geschenkt“ bekomme. Die Eliten des Landes torkelten mit im Rausch, und selbst so kühle Manager wie Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkten, als sprächen sie in einem Zustand der kompletten Verkehrsuntüchtigkeit in Fernsehkameras und Mikrophone: Zetsche sah in den weitgehend unausgebildeten, schwer integrierbaren und kaum integrationsbereiten Migranten ein neues Wirtschaftswunder. Forschungsinstitute wie das regierungsnahe DIW rechneten flugs neue Wachstumsraten aus. Die akademische Milchmädchen müssten sich heute schon schämen für ihren bedingungslosen Applaus für eine Regierung, die nicht weniger als ihre Selbstaufgabe vorgeführt hatte. Wie in einem kollektiven Rausch wurde die Grenzenlosigkeit zum Redaktionsprogramm aller wesentlichen Medien und hat an den Fehlentscheidungen und Folgen großen Anteil.
Flüchtlingsmädchen Reem und die Eiskönigin
Der große Rausch der veröffentlichten Meinung und das Flüchtlingsbesäufnis in den Medien begann spätestens mit der manipulierten Berichterstattung über Merkels Gespräch mit dem Flüchtlingsmädchen Reem. Ihm erklärt Merkel noch, dass nicht alle Flüchtlinge bleiben können. Ihre Worte werden von einem Team des NDR aufgezeichnet, geschnitten und gesendet, in einer manipulativen Zusammenfassung. „Über Filmschnitt, Rollenbilder und beflügelte Empörungskultur“, so lautete der Titel einer Analyse, wie die nüchterne Kanzlerin vom NDR zur herzlosen Eiskönigin manipuliert wurde. Dieser Film ist ein historisches Dokument – denn darauf und auf die rechten Pöbeleien in Heidenau reagiert die Kanzlerin mit einer beispielslosen Woge der Emotionalität, die letztlich zur Abdankung im Amt führte.
Als der Stern den Titel „Eiskönigin“ druckte, war die Krönungsmesse für Merkel als infantile Königin der Herzen schon angelaufen. Seither regiert die Gefallsucht, und der Gefallsucht haben sich die Medien verschrieben; sie gefallen sich in ihrer moralischen Überlegenheit, deren Rechnung andere bezahlen sollen. Wolfgang Herles hat den Begriff in Buchform gefasst; Gefallsucht regiert und redigiert, nicht mehr Recht, Gesetz, oder die Interessen der Bevölkerung. Gefallsüchtig vollführt Merkel ihre 180-Grad-Wende zur bedingungslosen Grenzöffnung und Masseneinwanderung. In der Folgezeit durfte sich die Kanzlerin im medialen Beifall suhlen. Die Medien titelten angesichts der Abdankung ein „Willkommen“ wie die ZEIT, die BILD „Refugees welcome“. Die Verantwortung der Medien ist gewaltig.Die reichweitenstarken Medien hatten sich das Motto der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das“ – unkritisch und wiederum völlig undifferenziert zu eigen gemacht, kritisiert im Sommer 2016 der Medienforscher Michael Haller nach Auswertung von über 34.000 Artikeln und TV-Beiträgen. Die Bürger spürten es schon früher, seither spukt das Wort von der „Lügenpresse“ herum. Haller hat es empirisch bestätigt. Er zitiert dazu beispielgebend DIE ZEIT, die im August 2015 mit „Willkommen!“ titelte; aber zur Ehrenrettung der ZEIT gilt: Es waren praktisch alle daran beteiligt. Und Giovanni di Lorenzo übt Selbstkritik.
Denn 82 % der Berichte in den tonangebenden Medien hätten zunächst „übersehen“, dass die Aufnahme von Zuwanderern in großer Zahl und die Politik der offenen Grenzen die Gesellschaft vor neue Probleme stellen würden, so Haller in der Studie. 82% der Berichterstattung zum Flüchtlingsthema muss man in der Abteilung “Jubelmeldung” ablegen; sachlich oder gar kritisch ging nur der verschwindende Rest damit um. Die Wörter wurden falsch.
Und bekanterweise, gibt es kein richtiges Leben im falschen.
Im Sommer des Jahres 1985 trafen sich die Regierungschefs der Bundesrepublik Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande in Schengen, einem an sich der Beachtung nicht werten Weinort an der Mosel, dessen Betulichkeit die Belanglosigkeit ihres Vorhabens hervorheben sollte, um ein Abkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Grenzen zwischen ihren Staaten zu unterzeichnen. Zu dieser Zeit umfasste die Europäische Gemeinschaft ein mit ruhiger Hand verwaltetes Gebiet mit nur einer gefährlichen Außengrenze, jener im Osten, die Deutschland in zwei ungleiche Hälften, Europa aber in das Aufmarschgebiet feindlicher Militärblöcke und die Welt in zwei miteinander konkurrierende Gesellschaftsysteme aufteilte. Für die Bewachung dieser Grenze waren letztlich jedoch nicht die Europäer selber, sondern die beiden Supermächte zuständig. Aus Sicht der Westeuropäer sorgte der atomare Schutzschirm der USA an dieser Hauptfront des Kalten Krieges für eine provinzielle Idylle, die auch durch das andauernde Gezeter Franz Josef Strauß’ darüber, dass Westdeutschland zwar ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg sei, nur bestätigt wurde. Unter den Westeuropäern waren die Deutschen, die ja schon zwei Weltkriege verloren hatten und nun wieder direkt an der Front wohnten, ein Vorbild dafür geworden, wie man sich in einer Welt zurechtfindet, in der andere die Verantwortung tragen: Zum Beispiel indem man zu Hundertausenden gegen amerikanische Atomraketen protestierte, die Waffen also, mit denen die eigene unverantwortliche Weltfremdheit geschützt wurde. Für eine Mehrheit der Deutschen, die aus der Geschichte gelernt hatten, waren alle Soldaten schlicht Mörder. Die Bundeswehr musste sich deswegen, weniger spöttisch gemeint als um die Gunst der Landsleute ringend, selber als die wahre Friedensbewegung im Lande darstellen. „Der Bund war eher wie ein Picknick“ (1), erinnerte sich kürzlich ein in Deutschland geborener Jude, der in der Bundeswehr den Wehrdienst geleistet hatte und heute als Pressesprecher der israelischen Streitkräfte arbeitet. In diesem politischen Umfeld schien der schrittweise Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten daher eine staatsrechtlich zwar spektakuläre, sicherheitspolitisch jedoch ebenso harmlose Angelegenheit darzustellen, zumal mit der Ankunft einer größeren Zahl von Flüchtlingen aus Afrika oder dem Mittleren Osten an den Außengrenzen des Schengen-Raums noch nicht zu rechnen war.
Die Ostgrenze der Union
Während des Kalten Krieges, der als unumstößliche geopolitische Tatsache aufgefasst wurde, weil sein Ende nicht absehbar war, konnten sich die europäischen Institutionen, die nur als westeuropäische gedacht werden konnten, somit in einem von anderen militärisch geschützten Raum ganz gemütlich herausbilden. Noch im selben Jahr bahnte sich allerdings in Moskau ein Regimechange an, der die weltpolitischen Spielregeln so sehr verändern sollte, dass auch die westeuropäische Nachkriegsprovinzialität davon nicht unbeeinträchtigt bleiben konnte – wiewohl keine Hellseherin damals die folgenden Ereignisse und das Tempo, in dem sie sich abspielten, voraussehen hätte können. Im Frühjahr 1985 wurde Michail Gorbatschow Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Die von ihm losgetretenen Reformen brachten auch die kommunistischen Parteien in Osteuropa in Bedrängnis, die teils schon seit Beginn des Jahrzehnts von innenpolitischen Krisen heimgesucht wurden, wie in der Volksrepublik Polen, wo die Generäle Anfang der 1980er Jahre vorübergehend das Kriegsrecht ausgerufen hatten, um mit der Opposition fertig zu werden. Doch gegen Ende des Jahrzehnts waren die alten Regimes kaum noch zu halten, vor allem nachdem die Sowjetunion 1988 die Breschnew-Doktrin annulliert hatte, nach der ein unerwünschter Machtwechsel in einem ihrer Satellitenstaaten notfalls durch eine Militärintervention vereitelt werden sollte, wie zuletzt in Afghanistan, wo die Rote Armee allerdings von islamischen Gotteskriegern geschlagen wurde und sich bereits auf dem Rückzug befand.
In Polen und Ungarn war ein Machtwechsel bereits Anfang 1989 absehbar, aber erst die Öffnung der Grenzen zum Westen brachte später den Durchbruch. In Polen gipfelten die von Streiks in den Kohlebergwerken im Spätsommer 1988 ausgehenden Massenproteste im Juni 1989 in Parlamentswahlen, bei denen die Kandidaten der die Proteste anführenden Gewerkschaft Solidarność fast alle Stimmen gewannen. In Ungarn hatten die Gorbatschowisten innerhalb der Kommunistischen Partei im Herbst 1988 die Führung errungen und bereits grundlegende demokratische Reformen umgesetzt. Im Februar 1989 wurde in Budapest beschlossen, die Befestigungen entlang der mit Stacheldraht und einem Meldesystem gesicherten Grenze zwischen Ungarn und Österreich, den „Eisernen Vorhang“, abzubauen. Im Mai des Jahres machten sich ungarische Soldaten an die Arbeit und im Juni trafen sich der österreichische und der ungarische Außenminister mit Bolzenschneidern an einem der übriggelassenen Zaunstücke zu einem Fototermin. Wer in der DDR Zugang zum Westfernsehen hatte, konnte das Spektakel am Bildschirm mitverfolgen und daraus seine Schlüsse ziehen – und wird dabei eine ähnliche Lockung verspürt haben, wie ein Vierteljahrhundert später viele Syrer angesichts der Nachrichten über die offenen Grenzen Europas.
Die Republikflüchtlinge
Nach dem Fototermin setzte sich in der DDR der Treck der Republikflüchtlinge langsam in Bewegung. Im August strömten zunächst nur ein paar Hundert noch als Urlauber getarnte Ostdeutsche auf die grenznahen Campingplätze in Ungarn, um zu sehen, was da los war. Von da aus gelang es den Entschlosseneren, vereinzelt über die zwar nicht mehr befestigte, aber noch bewachte Grenze nach Österreich zu gelangen; dem ungarischen Grenzschutz war der Gebrauch von Schusswaffen, außer zur Selbstverteidigung, bereits untersagt worden.
Auch in der deutschen Botschaft in Prag hatten sich bereits ein paar Dutzend Fluchtwillige verschanzt. In der zweiten Augusthälfte veranstalteten ungarische und österreichische Friedensaktivisten ein „Paneuropäisches Picknick“ auf der ungarischen Seite der Grenze – eine willkommene Gelegenheit für rund 900 Ostdeutsche nach Österreich zu flüchten. Anfang September machten sich schon ein paar Tausend auf den Weg gen Westen, und nachdem Ungarn am 11. September die Kontrolle der Grenze zu Österreich von Amts wegen gänzlich preisgab, stieg die Zahl der Flüchtenden binnen Tagen auf über zehntausend. Jetzt gab es auch in Prag kein Halten mehr. Über das Schicksal derer, die dort immer noch in der deutschen Botschaft festsaßen, wurde Ende September am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York bei Verhandlungen zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Außenminister entschieden. Der damalige deutsche Botschafter in Prag berichtete: „Außenminister Genscher gelingt es schließlich, vor allem mit Unterstützung des sowjetischen Außenministers Schewardnadse, eine Lösung für das Flüchtlingsdrama zu erreichen, der auch die DDR zustimmen kann [soll heißen: muss, Th.B.]. In Prag wissen wir von all dem noch nichts. Bei uns steigt inzwischen die Zahl der Zufluchtsuchenden rapide weiter an. Schon sind sämtliche Stufen des großen Treppenhauses belegt. Jeweils zwei Personen schlafen auf einer Treppe. Am 29. September erfährt unsere Delegation in New York, dass die DDR am 30. 9. einer Lösung entsprechend Genschers Vorschlag zustimmen will [wollen muss]. Die Delegation fliegt noch am selben Tag zurück nach Bonn, kommt dort am 30. 9. um 8:00 Uhr an und fliegt um 16:00 Uhr weiter nach Prag. Jetzt erfahren auch wir, dass sich etwas bewegt. Ich hole den Minister am Flughafen ab. Um 18:30 Uhr treffen wir in der Botschaft ein. Wir bahnen uns einen Weg in meine Wohnung im obersten Stockwerk. Um 18:58 betritt der Minister den Balkon des mit Stockbetten vollen Kuppelsaals. Von dort spricht er zu den Flüchtlingen ,Liebe Landsleute, ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland bevorsteht.‘ Der Jubel der ca. 4.000 Menschen im Park ist unbeschreiblich.“ (2)
Neben dem Zerschneiden des Zauns an der ungarisch-österreichischen Grenze vor laufenden Kameras im Juni und der Ankunft von größeren Haufen die deutsche Fahne schwenkenden Republikflüchtlingen auf westdeutschen Bahnhöfen im Herbst gehört diese Szene in der Botschaft zu jenen Ereignissen, über die alle westlichen Fernsehkanäle live berichteten und die den damaligen Ausnahmezustand bebilderten. Die Öffnung der Grenze zwischen Ungarn und Österreich am 11. September erschien erst einmal als die zwar nicht vorhergesehene, gleichwohl noch innerhalb der Grenzen des Ostblocks selbst kontrollierte Folge des keine fünf Jahre zurückliegenden Führungswechsels in Moskau. Aber erst mit der Öffnung der Grenze zwischen der DDR und der BRD am 9. November, die auf den ersten Blick als einfache geographische Ausweitung der von Ungarn ausgehenden Politik erscheinen konnte, in Wirklichkeit aber nicht die bloße Öffnung dieser Grenze, sondern ihre komplette Beseitigung bedeutete, zeigte sich, dass die Sowjetunion die Macht über Osteuropa vollständig verloren hatte. Die Beseitigung der sogenannten innerdeutschen Grenze, die nicht nur zwei separate Staaten voneinander schied, sondern zugleich die Frontlinie des Kalten Krieges war, hatte eine ganz andere Wirkung als die Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze: Die Flucht von Ost nach West wurde durch sie gestoppt und jetzt ging es in umgekehrter Richtung voran. Denn das Machtvakuum, das sich aufgetan hatte, konnte der Westen nun ungehindert füllen.
Bis zum Ende des Jahres 1989 fielen nacheinander die alten Regimes in Warschau, Budapest, Prag und Sofia; das sich seinem Schicksal noch widersetzende Regentenpaar Ceauçescu wurde am ersten Weihnachtsfeiertag hingerichtet. Im nächsten Jahr ging es mit den Unabhängigkeitskämpfen im Kaukasus und im Baltikum weiter. Der gescheiterte Staatsstreich des alten Apparats in Moskau besiegelte am 21. August das Ende der Sowjetunion. Zwei Tage später erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Die Öffnung der Grenze zwischen Ungarn und Österreich und die Beseitigung der innerdeutschen Grenze hatte also letztlich dazu geführt, dass im Osten Europas dutzende während des Kalten Krieges von der Sowjetunion beherrschte Nationalstaaten ihre Souveränität zurückgewannen und alte Grenzen neu gezogen wurden. Innerhalb der neuen Grenzen dominierten nun in der überwiegenden Zahl der Fälle die gesellschaftlichen und politischen Gruppen das Geschehen, die ihren Staat nach westlichem Modell verwalten wollten. So gut wie alle diese Staaten wurden wenige Jahre darauf zuerst in die Nato, dann in die Europäische Union integriert. Auf diese Weise wurde die Außengrenze Europas, quasi die Ostgrenze des Westens, neu gezogen. Doch die Integration Georgiens und der Ukraine wusste Putins Rote Armee bis dato zu verhindern.
Der Balkan
Das unmittelbar nach der Maueröffnung begonnene Ringen um die deutsche Wiedervereinigung, die bereits vor ihrem von den Besatzungsmächten abgesegneten formellen Vollzug durch die Währungsunion vom 1. Juli 1990 faktisch hergestellt worden war, erschien als die erste souveräne Handlung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen gerieten in eine aufgebrachte Stimmung, ganz so als hätten sie den Krieg doch noch gewonnen, aber es nicht verdient.
Sie waren sich zwar sicher, dass das ihre Revolution gewesen war, so dass sie stolz auf diese sein durften, aber das Ganze konnte auch einfach das Geschenk fremder Mächte und äußerer Umstände gewesen sein, für das man hätte dankbar sein müssen. Da war man sich doch nicht ganz sicher. Helmut Kohls persönliche Bedeutung jedenfalls lag darin, das Geschenk ohne falsche Bescheidenheit an sich gerissen zu haben. Anlässlich des 20. Jahrestags der Maueröffnung erinnerte er daran: „Die Mauer fiel schließlich ganz friedlich, ohne einen Schuss, ohne Blutvergießen. Es war wie ein Wunder… Ich zitiere für die Situation, in der ich mich damals wiederfand, gerne Otto von Bismarck, denn es gibt kein besseres Bild: Wenn der Mantel Gottes durch die Geschichte wehe, müsse man zuspringen und ihn festhalten. Dafür müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: Erstens muss man einen Blick dafür haben, dass es den Mantel Gottes gibt. Zweitens muss man ihn spüren, den historischen Moment, und drittens muss man springen und ihn festhalten (wollen).“ (3)
Während die Deutschen so ihre nationale Wiedergeburt feierten, wehte der Mantel Gottes schon über dem Balkan, wo die jugoslawischen Völker ihren historischen Moment verspürten. Im Oktober 1990 warnten die Geheimdienste der USA vor einem unmittelbar bevorstehenden Auseinanderbrechen der Bundesrepublik Jugoslawien: „Binnen eines Jahres wird Jugoslawien aufhören als Bundesstaat zu funktionieren und sich innerhalb von zwei Jahren auflösen. Ökonomische Reformen werden das Auseinanderbrechen nicht aufhalten können. Ein regelrechter Krieg zwischen den Republiken ist unwahrscheinlich, aber ein ernster Konflikt zwischen den Kommunen wird den Zusammenbruch begleiten und andauern. Es wird zu anhaltender und bitterer Gewalt kommen. Es gibt wenig, was die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten tun könnten, um die Einheit Jugoslawiens zu bewahren.“ (4)
Die deutschen Geheimdienste dachten zur selben Zeit umgekehrt darüber nach, was man tun könne, um den Niedergang Jugoslawiens zu befördern, eines Landes, das man bereits als Völkergefängnis identifiziert hatte. Dem kroatischen Volk könne nicht verwehrt werden, sagten sich die Deutschen, was uns gerade geschenkt wurde: die nationale Selbstbestimmung. Aber die Kroaten bekamen die Selbstbestimmung nicht geschenkt. Sie mussten dafür kämpfen. Der Krieg begann im Sommer 1991 in Kroatien und verlagerte sich ein Jahr später nach Bosnien-Herzegowina, wo er drei weitere Jahre andauerte. Die Europäer waren außerstande, den Krieg, den die Deutschen angefeuert hatten, wieder zu beenden. Eine von Frankreich und Großbritannien angeführte Blauhelmtruppe scheiterte daran, dass sie zu schwach ausgerüstet war, um sich selbst zu verteidigen. Erst die Intervention der USA beendete den Krieg im Sommer 1995.
Die Europäische Union
Als das zehn Jahre vorher unterzeichnete Schengener Abkommen im Frühjahr 1995 in Kraft trat, hatte sich Europa gründlich verwandelt. Die Wiedervereinigung Deutschlands hatte das schon früher bemerkbare Ungleichgewicht zwischen der Produktivkraft der deutschen Wirtschaft und der Leistungsfähigkeit der anderen europäischen Staaten noch vergrößert. Mit 80 Millionen Einwohnern übertraf die deutsche Bevölkerung die der vorher fast gleich großen europäischen Nationen Frankreich, Großbritannien und Italien jetzt um ein Drittel. Parallel zu ihrer Integration in die Nato und die EU traten in den kommenden Jahren zuerst die Staaten Südeuropas dem Schengen-Raum bei, dann einige nordeuropäische, osteuropäische und die baltischen Staaten. Die Balkanländer sind entweder nicht oder noch nicht vollständig in den Schengen-Raum eingebunden. Seit dem Vertrag von Amsterdam, der 1999 in Kraft trat, ist der Beitritt zum Schengen-Raum Teil des EU-Vertrags. Die EU-Mitglieder Großbritannien, Irland und Dänemark folgen den Regeln des Schengen-Abkommens allerdings nur unter dem Vorbehalt der nationalen Souveränität über ihre jeweiligen Staatsgrenzen.
Nach dem Kroatien- und Bosnienkrieg kehrten die Europäer zu der geduldigen Arbeit der Verfeinerung der Institutionen ihrer Union zurück, als wäre nichts geschehen. Der Wegfall der Grenzkontrollen im Schengen-Raum schien zunächst auch keine unlösbaren Sicherheitsprobleme zur Folge zu haben. Natürlich durfte die Öffnung der Grenzen nicht etwa so weit führen, dass Deutschland die liberalere Drogenpolitik der Holländer aufgezwungen worden wäre, aber solche Probleme meinte man leicht durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei in den Griff zu bekommen, die parallel zur Erweiterung des Schengen-Raums intensiviert werden sollte. Nur auf dem Balkan blieb ein Problem ungelöst: die Selbstbestimmung der Kosovo-Albaner – denn erst durch sie, hörte man von deutschen Professoren, konnte die Aufteilung Jugoslawiens in voneinander nach Volkszugehörigkeit unterschiedene und gegeneinander abgegrenzte Gebiete als vollendet angesehen werden. Als es 1999 so weit war, mussten die USA noch einmal auf dem Balkan intervenieren, um einen Krieg auf europäischem Boden zu entscheiden. Die Union hatte damit erneut demonstriert, dass sie keiner ernsten Krise auf dem von ihr beanspruchten Gebiet standhalten konnte. Aber da es vorerst zu keiner ernsten Krise mehr kam, meinte man sich darum nicht weiter kümmern zu müssen – notfalls käme der Ami halt wieder.
Die Außengrenze der Union hatte sich inzwischen weit nach Osten und bis tief in den Balkan hinein ausgedehnt. Zusammengerechnet beherbergte die EU jetzt eine halbe Milliarde Menschen und ihre Wirtschaft leistete ebenso viel wie die der USA und Chinas. Sogar das in der Union vorhandene Waffenarsenal hätte, zusammengenommen, wahrscheinlich genügt, um eine Weltmacht zu verteidigen. Aber die Weltpolitik war eben nicht das Feld, auf dem Europa sich verdient machen sollte.
Die Koalition der Willigen
Gleich ihre erste weltpolitische Herausforderung, der durch 9/11 ausgelöste Krieg gegen den internationalen islamischen Terror, offenbarte die Handlungsunfähigkeit der Union als Union. Zunächst konnte sich kein Mitgliedsstaat der Nato seinen Verpflichtungen entziehen, als die USA den Angriff auf New York zum Bündnisfall erklärten und zum Sturz der Taliban aufriefen, unter deren Schutz Al-Kaida den Angriff von Afghanistan aus geplant hatte. Selbst die Deutschen, die schon manchen Krieg verloren hatten und deshalb von allen europäischen Staaten am hartnäckigsten daran glaubten, dass man einen Aggressor dadurch besänftigen könne, dass man ihm gibt was er will, kamen nicht umhin, den Amerikanern ihre „bedingungslose Solidarität“ (Gerhard Schröder) anzudienen und Soldaten nach Afghanistan abzukommandieren. Allerdings kam die Bundeswehr erst Monate nach Beginn des Afghanistan-Krieges an den Hindukusch, nachdem amerikanische und britische Truppen Kabul schon erobert hatten. Stationiert wurden die deutschen Soldaten im Norden Afghanistans, in einem Gebiet, in dem nicht mehr gekämpft wurde, weil es bereits von den mit den Taliban verfeindeten Truppen der Nordallianz und Kriegsherren wie Abdel Rashid Dostum erobert worden war.
Aber schon bei der zweiten Etappe des Krieges, dem Irakkrieg, schien die transatlantische Solidarität der Europäer nahezu aufgebraucht. Genauer betrachtet zeigte sich allerdings, dass das nur einen Teil der Union betraf. Lediglich das „alte Europa“ (Donald Rumsfeld) verweigerte sich der von George W. Bush ausgerufenen „Koalition der Willigen“, die den Irak von der Diktatur Saddam Husseins befreien sollte. Recht eigentlich waren es auch nur zwei EU-Staaten, die nicht mitmachen wollten: Deutschland und Frankreich; die beiden Staaten, um die herum die Europäische Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, und die sich immer noch als das Herzstück der Union betrachteten. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Während Deutschland und Frankreich mit Russland eine „Achse des Friedens“ konstruierten, um den Krieg zu verhindern, stellten sich Großbritannien und Spanien demonstrativ auf die Seite der USA. Unter der Führung Polens schlossen sich ihnen sämtliche osteuropäischen und einige Balkanstaaten an, von denen drei bereits Mitglieder der Nato, aber noch nicht der EU waren: Polen, Tschechien und Ungarn. So scheiterte der Versuch, Europa auf einem anti-amerikanischen Ticket zu vereinen. In den folgenden Jahren wurden dafür Spanien (2004) und Großbritannien (2005) mit Terroranschlägen für ihre Beteiligung am Irakkrieg abgestraft. Die Front der Kriegsgegner fühlte sich damit nachträglich bestätigt. Der Anschlag in Madrid war gezielt nur drei Tage vor den Parlamentswahlen zur Unterstützung der Opposition lanciert worden, die Spaniens Beteiligung am Irakkrieg ablehnte und die Wahlen prompt gewann. Keinen Monat nach seinem Wahlsieg ordnete der neue Ministerpräsident den Rückzug der spanischen Truppen an. „So kann es kommen!“, sagte sich Gerhard Schröder, denn genau davor hatte er die Vorgängerregierung in Madrid ja gewarnt, als er eine Woche nach Beginn des Irakkriegs erklärte: „Man muss wissen, was es bedeutet, wenn sich Kollegen im totalen Gegensatz zur Volksmeinung verhalten müssen – oder wollen oder beides. Das darf kein Dauerzustand werden, weil sonst eine Kluft in demokratischen Gesellschaften zwischen dem Willen des Volkes und dem Handeln der Führung auftaucht, die irgendwann nicht mehr zu schließen ist.“ Den Vorwurf, die Friedensachse mit anti-amerikanischem Ressentiment geschmiert zu haben, entkräftete der deutsche Regierungschef damals mit der gewitzten Formel: „Es gibt nicht zu viel Amerika, es gibt zu wenig Europa.“ (5)
Die Koalition der Unwilligen
Mehr Europa – in Gestalt von 100.000 Soldaten, jeweils die Hälfte davon aus Deutschland und Frankreich (Großbritannien allein war mit 100.000 Soldaten dabei) – hätte den nach dem Sturz Saddam Husseins notwendig gewordenen Krieg gegen Al-Kaida im Irak vermutlich erleichtert und vielleicht eine politische Entscheidung für eine dauerhaftere Besatzung nach der prekären Befriedung des Landes im Jahre 2008 ermöglicht. Aber die Front der Kriegsgegner fühlte sich nicht nur durch die Terroranschläge in den europäischen Staaten bestätigt, die sich der Koalition der Willigen angeschlossen hatten, sondern auch durch die zusätzlichen Schwierigkeiten, die der Krieg den Amerikanern bereitete. Die USA hatten die Macht des islamischen Terrors selbst unterschätzt und darauf vertraut, den Krieg mit einer zu knapp bemessenen Streitmacht gewinnen zu können. Der spätere Truppennachschub konnte dann zwar eine militärische Niederlage noch abwenden, aber die ursprüngliche Fehlkalkulation trug dazu bei, dass der Krieg härter wurde und andauerte, bis die Kriegsmüdigkeit auch die USA ergriff und den bis dahin regierenden Republikanern eine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2008 bereitete.
Der Wahlkampfslogan des nächsten Präsidenten – „Yes We Can!“ – klang damals nicht zufällig wie später der Schlachtruf der deutschen Regierung. „Wir schaffen das!“, so klingen die Hilferufe derer, die sich dem nahenden Unheil nicht mit aller Entschlossenheit in den Weg stellen wollen. Wie beim Motto der Europäischen Union: „In Vielfalt vereint“ verbirgt sich hinter solchen Slogans kraftmeierisch aufgeputzt der in Wirklichkeit ungeglaubte Glaube an eine Welt, die sich dem eigenen Willen, der in Wirklichkeit Kapitulantentum ist, dann schon fügen werde. Unter diesem Vorzeichen brachte die Präsidentschaft Barack Obamas eine Koalition der Unwilligen zusammen, die diesmal ein wahrhaft transatlantisches Bündnis etablierte.
Für die osteuropäischen Staaten, die zwanzig Jahre zuvor ihre nationale Souveränität wiedergewonnen hatten, konnte das nichts Gutes bedeuten. Litauen und Polen, die EU-Staaten, deren Gebiete direkt an Russland grenzen, können sich ohne fremde Hilfe nicht gegen einen immerhin möglichen russischen Angriff verteidigen. Dort weiß man welch hoffnungsloses Wunschdenken es wäre, im Ernstfall auf die Hilfe der Staaten des alten Europa oder gar auf die Solidarität der gesamten Union zu bauen. Sichere Staatsgrenzen kann ihnen nur die Nato, d.h. das Militärbündnis mit den USA garantieren. Aber wie gefährlich die Lage dieser Staaten wirklich geworden ist, seit die transatlantische Koalition der Unwilligen die Überwachung der Ostgrenze der EU übernommen hat, und wie sehr ihre Sicherheit davon abhängt, dass Amerika der europäischen Ideologie nicht komplett verfällt, wurde erst durch die nunmehr seit fast zwei Jahren andauernde Ukrainekrise deutlich.
Die Annexion der Krim durch Russland und der von Moskau gesteuerte Sezessionskrieg im Osten der Ukraine stießen lediglich auf rhetorischen Widerstand der Nato. Die wiederholten Waffenstillstandsvereinbarungen, die der Ukraine jeweils nach erfolgreichen Offensiven der Sezessionisten, also in einer Position der Schwäche, durch die sogenannte internationale Gemeinschaft aufgezwungen worden waren, hielten stets nur so lange, wie die von Russland geführten Truppen zur Vorbereitung neuer Offensiven brauchten. Das Abkommen vom Februar 2015, Minsk 2, dem mehrere Offensiven der Sezessionisten vor allem um die strategisch gelegenen Städte Mariupol und Debaltseve vorausgingen, hielt, und das war ohne Schwierigkeit absehbar, nicht einmal eine Woche: „Als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande am Wochenende aus Minsk zurückkehrten, gab es die kleine Hoffnung, dass das Waffenstillstandsabkommen, das sie erreicht hatten, die Kämpfe im Osten der Ukraine stoppen würde. Diese Hoffnung zerschlug sich diese Woche in Debaltseve, einem Eisenbahnknotenpunkt zwischen den von den Rebellen gehaltenen Städten Donetsk und Luhansk […] Sprecher der Volksrepublik Donetsk, wo die maßgebliche Fraktion der Separatisten ihre Basis hat, verkündeten nur wenige Stunden bevor das Minsker-Abkommen in Kraft treten sollte, dass sie das Abkommen nicht beachten würden, soweit es Debaltseve betreffe. Dies begründeten sie damit, dass die Stadt ja schon vor dem Inkrafttreten des Abkommens eingekesselt gewesen und damit im Sinne der Vereinbarung keine aktive Front sei.“ (6) Unmittelbar vor Minsk 2 war Angela Merkel in Washington, wo sie feierlich erklärte: „Als jemand, der aus Europa kommt, kann ich nur sagen: Wenn wir diese territoriale Integrität der Länder aufgeben, dann werden wir die Friedensordnung Europas nicht erhalten können.“ Barack Obama stimmte ihr ebenso feierlich zu: „Wir sind uns einig, dass wir im 21. Jahrhundert nicht einfach dabei zuschauen dürfen, wie die Grenzen Europas unter Waffenbeschuss neu gezogen werden.“ (7)
Doch während im Weißen Haus auch einen Monat danach noch darüber gesprochen, aber nicht entschieden wurde, ob „lethal weapons“ an die Ukraine geliefert werden sollten oder lieber nicht, zeigte Vladimir Putin schon einmal, welche Waffen im 21. Jahrhundert für ihn zur Verfügung stehen. Ein amerikanischer Think Tank berichtete im März über russische Militärübungen der nicht ganz alltäglichen Art: „Obwohl das nicht das größte Manöver ist, das Russland jemals durchgeführt hat, sind der geographische Umfang und die beteiligten Waffensysteme offenbar bewusst ausgewählt worden, um der Nato eine Warnung zu übermitteln; die Übung selbst scheint mit der Vorverlegung atomar bewaffneter U-Boote, ballistischer Raketen und strategischer Bomber eine großangelegte Konfrontation mit der Nato zu simulieren […] Besondere Beachtung verdienen dabei die mobilen ballistischen Inkander-Raketen und Kampfflugzeuge, die in Kaliningrad, und die Tu-22M3, strategische Langstreckenbomber, die auf der Krim stationiert wurden, sowie die mit ballistischen Raketen ausgerüsteten U-Boote […] Angesichts der militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine kann die, wenn auch unwahrscheinliche, Möglichkeit einer Ausweitung der Operationen nicht ausgeschlossen werden. Deshalb, und weil Russland die Übungen absichtlich so gestaltet hat, dass sie einen möglichen Konflikt mit Europa nachahmen, müssen die Manöver Europa alarmieren […] Die Durchführung dieser Militärübung in einem Gebiet, das sich von Norwegen über das Baltikum durch Polen bis zur Krim erstreckt, richtet sich klar an die Adresse der Nato und ihre osteuropäischen Mitglieder.“ (8)
Als Folge ihrer staatlichen Unabhängigkeit nach dem Ende des Kalten Krieges war die Ukraine Anfang der 1990er Jahre plötzlich im Besitz des weltweit drittgrößten Arsenals an atomaren Waffen, da ein wesentlicher Teil des sowjetischen Arsenals auf ukrainischen Stützpunkten untergebracht worden war. In dem 1994 von Russland, der Ukraine, den USA und Großbritannien unterschriebenen Budapest-Memorandum verzichtete die Ukraine auf diese Waffen und erhielt als Gegenleistung von den übrigen Unterzeichnern das feierliche Versprechen, „die Unabhängigkeit und Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine“ (9) zu garantieren. Ein ukrainischer Präsidentschaftskandidat sagte im März 2015 in Erinnerung daran: „Wir gaben die Atomwaffen aufgrund dieser Vereinbarung ab. Jetzt haben wir in der Ukraine das Gefühl, dass das ein großer Fehler war.“ (10)
Im Sommer 2015 zeigte sich nun, dass die Scheinwelt der Europäischen Union, die auf einem Vertragswerk beruht, das bei sommerlichem Wetter in der Provinz formuliert wurde, auch mit Atomwaffen nicht mehr zu retten wäre. Eine „Weltmacht“, die ihre Außengrenzen mit Frontex sichern zu können glaubt, zerfällt schon beim Ansturm unbewaffneter Flüchtlinge in ihre einzelnen Bestandteile. So ging der schöne Traum von einem Schengen-Raum, in dem sich alle Welt lieb hat und jeder willkommen ist, mit Bildern zu Ende, in denen bewaffnete Grenzpolizisten auf der einen und Steine werfende Araber auf der anderen Seite von mit Stacheldraht hastig improvisierten Grenzbefestigungen auftauchten. Doch noch schlief halb Europa. Erst der Alptraum von Paris führte zum Erwachen – zunächst der Grand Nation.
Der Krieg gegen den Islam
Mit der Bombardierung des IS in Syrien und der Entsendung des Flugzeugträgers Charles de Gaulle ins Mittelmeer, von dem aus auch Angriffe auf IS-Stellungen im Irak geflogen wurden, demonstrierte Frankreich, dass die Verteidigung seiner nationalen Interessen und der Außengrenzen der Union zusammen gedacht werden müssen, und dass dafür ein Krieg gegen die Wächter der Hölle, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas aufgetan hat, unausweichlich geworden ist. Die Verhängung des Ausnahmezustands in Frankreich und dann in Brüssel folgte schließlich der erschrockenen, weil allzulange verdrängten Einsicht, dass der Feind längst im Land ist. Unmittelbar nach dem Angriff ordnete die französische Regierung die Schließung der Landesgrenzen an und rief die anderen EU-Staaten dazu auf, dem Beispiel zu folgen. Aber nach zwanzig Jahren einer Politik der offenen Grenzen ließ sich diese Anordnung auf die Schnelle kaum umsetzen, wie man kurz darauf aus der Washington Post erfuhr: „Es schien ein drastischer Schritt zu sein für ein Land, das Teil der Schengen-Zone in Europa ist und seit Jahren keine systematischen Grenzkontrollen mehr durchgeführt hat. Aber was dann passierte, zeigte wie fragil das kontinentale europäische Sicherheitskonzept wirklich ist. Tatsächlich ist Frankreich außerstande seine eigenen Grenzen zu kontrollieren. Hunderte von Straßen führen von den Nachbarstaaten Belgien, Italien, Deutschland, der Schweiz und Spanien in das Land. Reisende, die am frühen Samstagmorgen versuchten, Frankreich von Großbritannien aus durch den Eurotunnel zu erreichen, waren keinen umfangreichen Ausweiskontrollen oder Gepäckkontrollen ausgesetzt. Die Konfusion wuchs, nachdem Fluglinien und Bahnunternehmen verkündeten, dass ihr Service zwischen Frankreich und den Nachbarstaaten wie üblich weiterlaufen werde. Dabei dürfte die Grenze zwischen Großbritannien und Frankreich sicherer als andere sein, bedenkt man dass das Vereinigte Königreich nicht Teil des Schengen-Gebiets ist.“ (11)
Die Schließung der Grenzen mochte kurzfristig den Zweck haben, den noch lebenden Angreifern die Fluchtwege abzuschneiden. Längerfristig könnte sie nützlich sein, um den geschätzten 1.200 Franzosen, die gegenwärtig in Syrien und Irak auf der Seite des IS kämpfen, die Rückkehr zu erschweren – idealerweise würden sie gar nicht erst versuchen, nach Frankreich zurückzukommen, oder sie würden gleich an der Grenze abgefangen und eingebuchtet. Nicht zuletzt braucht Frankreich, das im europäischen Vergleich schon jetzt mit der größten Zahl islamischer Einwanderer mit einem gefährlich hohen Anteil solcher arabischer Herkunft zu kämpfen hat, gerade jetzt gesicherte Grenzen, um sich gegen den von Deutschland geförderten und nicht mehr kontrollierten Zuzug von noch mehr islamischem Gewaltpotenzial abzusichern. Allerdings wird Frankreich diesen Krieg gegen den Terror weder durch die Vernichtung des IS noch durch die Schließung seiner Grenzen allein gewinnen können, denn die Armee des Islam ist – wie gesagt – schon im Land. Selbst wenn Frankreich irgendwann, vielleicht schon nach dem nächsten Angriff, nicht mehr davor zurückschrecken wird, die überfällige Kolonialisierung der Banlieues in Angriff zu nehmen, könnte kein EU-Staat diesen Krieg gewinnen, wenn er ihn alleine führen müsste. Belgien, Großbritannien, Schweden und andere EU-Staaten haben dasselbe Problem, oder werden es noch bekommen, wenn auch in unterschiedlicher Form und unterschiedlichem Maß. Die Flüchtlingskrise wird dazu beitragen. Aber ausgerechnet mit dem mächtigen Nachbarn, ohne den in der Union nichts gehen soll, ist nicht gut Krieg zu führen. Die Deutschen glauben immer noch, dass Allahs Zorn berechtigt und nur durch Appeasement zu bekämpfen ist, und nur weil sie auch den Zorn ihrer Bündnispartner fürchten, tun sie was unbedingt nötig ist, damit keiner sagen kann, sie hätten nichts getan. Zunächst wollen sie mit Aufklärungsflugzeugen und Aufklärungssatelliten das Spektakel, das sie eigentlich nichts anzugehen scheint, aus sicherer Entfernung beobachten. Aber so sicher ist die Luft über Syrien und dem Irak gar nicht mehr, seit postsowjetische S-400 Raketen dort operieren. Weil von der Europäischen Union also kein ernsthafter Beistand zu erwarten ist, sucht Frankreich Hilfe in Moskau. Daraus ergibt sich aber ein neues Problem: Will die Union den Krieg gegen einen Feind, der sie vom Süden her angreift, ausgerechnet im Bund mit einer Macht gewinnen, die ihre Grenzen im Osten bedroht? Mit Polen wird man sich auf eine solche Verteidigungsstrategie schwerlich verständigen können. Vielleicht wird ein Regierungswechsel in den USA und die Solidarität Großbritanniens die Osteuropäer davor bewahren, in eine neue Abhängigkeit von Russland zu geraten.
Be patient, work hard, follow your passions, take chances and don’t be afraid to fail.
Атеисты всех стран, соединяйтесь!
„И жить торопиться, и чувствовать спешит“ –
Цитата из стихотворения П.А. Вяземского Первый снег (1822). Поставлена А.С. Пушкиным эпиграфом к 1-й главе Евгения Онегина
„Wir wollen schnell leben und eilig empfinden“ –
(Übersetzung: JSB). Zitat aus einem Gedicht von P.A.Vjazemskij Erster Schnee (1822). Verwendet von A.S.Puschkin in erstem Kapitel von Eugen Onegin (1833).
La bêtise insiste toujours, on s’en apercevrait si l’on pensait pas toujours à soi. (Albert Camus, La peste.)
All national institutions of churches, whether Jewish, Christian or Turkish, appear to me no other than human inventions, set up to terrify and enslave mankind, and monopolize power and profit. (…)
The whole religious complexion of the modern world is due to the absence from Jerusalem of a lunatic asylum. – Thomas Paine
„Ehe für alle“ ist ein Anschlag auf jede lustvolle Form der Sexualität.
Antikapitalisten sin Kapitalisten ohne Kapital.
Menschen, die interessante Geschichten erzählen können, benötigen keine Psychotherapie.
Psychotherapie ist grundsätzlich für langweilige Menschen, die sich sich wichtig machen wollen, sowohl als Patienten als auch als ihre Psychotherapeuten.
Die herrschenden Eliten verteidigen ihre Uversehrtheit und ihre Privilegien mit allen gesetzlichen und ungesetzlichen Mitteln, während sie die mörderischen Attentate der islamofaschisten auf einfache Bürger achselzuckend mit der Bemerkung quittieren „Man muß sich halt daran gewöhnen.“
Das Leben hat weder Sinn noch Wert, es hat nur ästhetische Eigenschaften: entweder ist es schön oder häßlich, lustvoll oder schmerzhaft.
Wer keine Lebensfreude hat, der hat Moral.
Es ist schwierig eine Tyrannei zu bekämpfen, die keinen Tyrannen hat.
Empörung ist der Agens des moralisierenden Narzißmus.
Moral / Ethik ist nicht mehr als eine narzistische Bessetzung des eigenen aggressiven Triebes, desssen ausagieren unter dem Deckmantel der Moral als extrem lustvoll empfunden wird, so daß Zufügen von Schmerzen, verbreiten von Angst und Schrecken, schädigen und vernichten des Lebens sogar als etwas Edles und Wertvolles gepriesen wird, weil es im Namen der Moral betrieben wird. Alles Monströse fängt immer mit der Verfolgung der Sexualität an. Wer keine Lebensfreude hat, der hat die Moral. Die Moralisten haben keine Freude an etwas Schönem, sondern lediglich die Schadenfreude, wenn sie jemandem dessen Spaß verderben. Der Orgasmus der Moral ist die Empörung. Die Geschichte der Moral ist die Geschichte einer grausamen Perversion. Lebensfreude ist eine Lust, die man empfindet, wenn man dabei weder sich noch jemand anderem schadet.
Das beste Mittel gegen Depressionen ist das zu tun, was getan werden soll.
Merkel hat einen Haufen Psychopathen nach Deutschland eingeschleust, zufällig dunkelhäutige.
Die Deutschen gehen zwar immer seltener in die Kirche, dafür jedoch predigen sie selbst ohne Ende.
Kassandra sei für den fortschrittlichen Trojaner eine „populistische Hetzerin“.
„Das Leben sei ein Märchen, erzählt von einem Idioten“ – Shakespeare in Macbeth.
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – Grabinschrift von Ingeborg Bachmann
„Statt der Dialektik erfolgte das Leben, und das Bewußtsein mußte es verarbeiten, das es etwas ganz anderes ist.“ – Verbrechen und Strafe (Fjodor Dostojewski)“ (Übersetzung JSB.)
Wer widerspricht, wird nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht. (Norbert Bolz)
Geschlossenheit ist gut, Diskurs ist Streit, also verwerflich. Sagen ausgerechnet die, die Kritik an den Regierenden als Grundprinzip ihrer Profession ausgegeben hatten. Aber nur, bis sie die Meinungsführerschaft errungen hatten. An der halten sie nun fest.
Die sich in ihrem Aufgeschlossensein und ihrer Weltoffenheit Sonnenden sind weder aufgeschlossen noch weltoffen. Sie sind Besserwisser, die es besser wissen wollen, als es die Fakten nahe legen. Die Toleranten sind intolerant. Die Gleichmacher spalten. Die Diversitätsprediger streben nach Hegemonie. Die Antibürgerlichen sind die übelsten Spießbürger. Die Faschisten gebärden sich als Anarchisten, und die frei gewählte Monarchin kennt keine Parteien mehr.
In Deutschland herrscht ein Neuer Totalitarismus der selbsternannten „Guten“, die jede andere als eigene, herrschende Ansicht mit Geschrei, Diffamierungen, Ausschluß und Denunziation zum Schweigen zu bringen versuchen. In Deutschland ist Faschismus nicht verschwunden, er hat nur die Seiten gewechselt und neue inoffizielle mediale helldeutsche Reichsschrifttumskammern aufgestellt, die darüber wachen, daß über ihre Fetische (z.B. die Invasion der Heiligen, pauschal Flüchtlinge genannt) nur huldigend und anhimmelnd gesprochen wird. Für mich sind diese in eigener Moral mit Schaum vor dem Mund sich selbst zur Extase des Hasses hochgeputschten Hetzer gegen jede von ihrer eigenen abweichende Meinung die neuen Nazis. Antifa ist Nazifa. Wie Max Liebermann angesichts des Nazi-Deutschland zuletzt sagte, ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.Wie zu Kaisers Zeiten – Der Mainstream-Populismus gefährdet die offene Gesellschaft.
Während in der Türkei Menschen verfolgt, ermordet, drangsaliert und gequält werden, der Islamofaschismus zunehmend erstarkt, und nach Europa greift,
echauffieren sich Deutsche über Trumps Wahl auf dem Niveau von Diskussionen über Ergebnisse von Eurovision Song oder DSDS und der große Freund von Erdogan zum deutschen Bundespräsidenten gewählt werden soll.
Die Erkenntnis ist kein fertiges Ding, sondern ein dialektischer Prozeß, in dem eine neue Erkenntnis nur durch Negation und Aufhebung einer bestehenden Erkenntnis gebildet werden kann. Die gegenwärtige Gesellschaft und vor allem ihre selbsternannten „Eliten“ verhindern, diffamieren und bekämpfen andere als gerade herrschende, etablierte Meinungen und verwandeln damit lebendige Erkenntnis in eine tote, verdinglichte Ideologie, die damit vom Wissen zum Unwissen, zum Fetisch wird. Das gilt für alle institutionalisierten lediglich eigene Macht selbst akkumulierenden Bürokratien, die Politik, die Wissenschaft, die Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse und andere.
Die Psychoanalyse muß sich hüten, erbaulich sein zu wollen.
Nicht die Flutwelle der Ankömmlinge, sondern die hier Ansäßigen sind traumatisiert.
„Der Nationalsozialismus lebt nach, und bis heute wissen wir nicht, ob bloß als Gespenst dessen, was so monströs war, daß es am eigenen Tode noch nicht starb; oder ob es gar nicht erst zum Tode kam; ob die Bereitschaft zum Unsäglichen fortwest in den Menschen wie in den Verhältnissen, die sie umklammern.“ (Theodor W. Adorno, 1959)
Deutsche neigen zur Wahnbildung einer „Willkommenskultur“ zwecks Angstverdrängung ihres schwachen ICHs angesichts des Islamofaschismus, ihr Autoritärer Charakter (Adorno) erträgt Ambivalenzen nicht.
Der Mensch ist ein Text, der eine wie von Marcel Proust, der andere wie aus der Apotheker Umschau. In einer Beziehung wird immer ein Buch geschrieben, ein Gedicht, ein Essay, eine Erzählung, ein Roman, ein Polizeiprotokoll, eine Bankbillanz, ein Einkaufszettel, eine Notiz – je nachdem. Liebe ist Hermeneutik, beide Texte gemeinsam zu lesen und gegenseitig in Einem mieinander weiterzuschreiben. Sex ist dabei die Typografie und das Papier, das Aussehen das Cover, die Illustrationen.
Der Mensch ist ein sich aus sich selbst heraus fortschreibender (eo ipso) Text, und Psychoanalyse (falls sie eine solche ist) ist Hermeneutik dieses Textes, im psychoanalytischen Prozeß wird der Text verstanden und unter Mitwirkung des Analytikers vom Analysanden weitergeschrieben, weitergestaltet.
»Die Sprache ist [.] ein Werkstück, und jeder kann auf sie draufhauen« (Elfriede Jelinek)
In seinem Vortrag „Marxismus und Dichtung“, gelesen 1935 auf dem Congrès pour la Défense de la Culture in Paris, schreibt Bloch, dass im sozialistischen Denken als dem einzig orientierenden, mancher marxistischer Dichter meint, „…er sei durch die Kälte dieser Berührung behindert. Das Innen kommt nicht gut dabei weg, das Gefühl und die sorgsame Lust, es zu sagen, werden nicht immer zur Kenntnis genommen. Jede Blume gilt dann als Lüge, und der Verstand scheint nur als trocken, oder, wenn er Saft hat nur als Säure erlaubt.“[1]
[1] [1] Ernst Bloch: Literarische Aufsätze. Frankfurt a. Main 1985, S. 138.
Deutschland ist eins der am meisten, wenn nicht das am meinsten durchtherapierte Land der Welt, Psychotherapie, Selbsterfahrung, Coaching, psychologische Seminare überall, vom Flüchtling bis Bankvorstand. Deutschland ist das Land der Betreuten und der Betreuer, der Behandelten und der Behandler, der Patienten und ihrer Therapeuten. Kein Wunder, daß auch in der Politik Deutschland die Rolle eines Psychotherapeuten für den Rest der Welt, für ihren Patienten, beansprucht. Nach so viel Psychotherapie müssten Deutsche die Vernünftigsten, die Mutigsten und die Zufriedensten in der Welt sein, anstatt die Irrationalsten, die Ängstlichsten und die Unzufriedensten. Wieso ist es so?
Es ist so, weil Deutsche Selbsterkenntnis mit Selbstsucht und Tiefsinnigkeit mit Selbstbezogenheit verwechseln und was sie für Psychotherapie und Selbsterkenntnis halten, lediglich eine Bestärkung eigener narzistischer Opferrolle ist, mit Erklärungen, daß für das eigene Schicksal nur andere verantwortlich, also schuldig seien, vorwiegend die Mutter, der Kapitalismus, die Amerikaner und die Juden (Israel, Zionisten). Reflektion niergendwo, überall nur Beschuldigungs- und Betreuungsindustrie. Das ist, was Deutsche für Psychotherapie halten, das ist die herrschende Psychokratie in Deutschland, ein Werkzeug der Volksverdummung. Nirgendwo Aufklärung, nirgendwo Reflektion, die Unwissenheit ist Stärke, rot-rot-grüner Anton Reiser überall, Theodor Wiesengrund nirgends mehr.
Man ist das, was man in der Welt wahrnimmt und in seinem Leben macht. Wer sich mit sich selbst beschäftigt, beschäftigt sich mit gar nichts, außer daß man sein narzisstisches Selbst aufbläst.
Wenn 1.000.000 Menschen an ein Kalb mit 3 Köpfen glauben , dann nennt man es Religion, wenn 10.000 Menschen an ein Kalb mit 3 Köpfen glauben, dann nennt man es eine Sekte, wenn 1 Mensch an ein Kalb mit 3 Köpfen glaubt , dann nennt man es Paranoia.
Die Linken und Grünen sind heute der Staat, sie feiern sich selbst und ihre Politik unter den knatternden Fahnen. Der Protest der Jugend kommt deswegen von Rechts.
Da die Herrschenden heute sich Links und Grün nennen, kann Opposition nur Rechts heißen.
Zur Psychoanalyse, psychoanalytischer Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierter (psychoanalytisch orientierter) Psychotherapie gehören als zentrales Thema gesellschaftliche Probleme. Es geht nicht immer nur um die Mutterbrust, sondern auch um Konflikte in der Gesellschaft, in der der Mensch lebt und von der er formiert und deformiert wird.
Die real existierende Psychoanalyse in Deutschland ist ein politisch korrekter institutionalisierter Kastrat, der jedes konflikthafte Thema meidet, verhindert, zensiert, kontroverse Psychoanalytiker mundtot macht. Was Carl Müller-Braunschweig, Felix Boehm, Schultz-Hencke, Ernest Jones eingebrockt und Annemarie Luise Christine Dührssen für die nächsten 1000 Jahre dingfest festgebacken hat, ist für die Katze. „Zwar war Freuds Psychologie des Unbewußten längst von deutschen Mandarinen »verwissenschaftlicht« und die Psychoanalytische Bewegung durch Hitlers Terror zum Stillstand gebracht worden. Doch auch in den aktuellen Theorie- und Praxis-Gestalten der reimportierten, medizinalisierten und konventionalisierten Psychoanalyse glomm noch der Funke der Freudschen Ideologiekritik.“ – (Helmut Dahmer, In: Konkret 02/92, S. 52.) Die Medizinalisierung und Technokratisierung der Psychoanalyse machte sie zum toten Ding, zum Fetisch im saturierten Strukturalismus, der weder die Postmoderne noch den Dekonstruktivismus erfahren hat.
Ich haben nach vielen Auseinandersetzung mit der herrschenden Psychokratie verstanden: das Psychokraten-Racket präsentiert sich aktuell als selbstveredelte Omertà mit Enigma-Chiffriermaschine und Vertuschungshoheit, Verschweigeprivileg, Bemäntelungsbefugnis, Lizenz zum Retouchieren, Zensieren, Relativieren. Aufdeckende Methoden in der Psychotherapie sind damit verbannt und werden bald verboten. Nihil novi sub sole. Unwissenheit ist Stärke.
Rackets – nach Adorno mafiaartige bürorkatische alienähnliche selbt machtakkumulierende Verwaltunsorgane, mächtiger als Kapitalismus.
Die Welt ist nicht von Oberlehrern geschaffen. Ihr wesentliches Element ist das noch ungelebte Wirkliche. – Ernst Bloch
Materialismus ist, die Welt ohne vorgefaßte idealistische (religiöse) Schrullen zu betrachten.
Die stärkste alles beherrschende, selbstakkumulierende Macht ist nicht mehr der Kapitalismus, sondern die Bürokratie, die Rackets der Verwaltung.
Islam ist eine gewaltverherrlichende faschistische menschenverachtende Antikultur
Die Natur macht das Ei und das Kind, Gott macht den Hahn und den Mann.
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ – Karl Marx
Der Bescheidene weiß bescheid.
Deutsche erkennen die Verkommenheit der Ankommenden nicht, weil sie die Eigene verdrängen. Das macht Angst.
Intelligenz und Charakter sind angeboren, vererbt, wie Augenfarbe, Nase, Füße, usw.
Seit 2001 bestimmt eine einzige Religion die Debatte: Der Islamofaschismus.
Es gibt keinen richtigen Islam im falschen.
Das Gutmenschen-Syndrom : die Gedankenlosigkeit, die Ignoranz, die Heuchelei (Hypokrisie) und die Verleumdungssucht.
Der Blick aufs Leben ist übergegangen in die Ideologie, die darüber betrügt, daß es keines mehr gibt. (Adorno)
Was nicht anfaßbar ist, wird unfaßbar, das Unberühbare wird zum Fetisch.
Der Mensch ist nicht nur ein gesellschaftliches und psychisches Wesen, er ist auch ein natürliches, biotisches Wesen.
Der kategorische Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. (Karl Marx)
Ohne daß die Massen, und zwar gerade wegen ihrer sozialen Integration, ihr gesellschaftliches Schicksal irgend mehr in der Hand hätten als vor 120 Jahren, entraten sie nicht nur der Klassensolidarität, sondern des vollen Bewußtseins dessen, daß sie Objekte, nicht Subjekte des gesellschaftlichen Prozesses sind, den sie doch als Subjekte in Gang halten. (Adorno) Die Beziehung zwischen objektivierten Subjekten und subjektivierten Objekt kennzeichnet die gesellschaftliche Struktur der kapitalistischen Gesellschaft. Aber um das zu begreifen, müsste man das andere Kapital lesen. (Paul Stegemann)
Nur der Tod ist vorhersehbar, das Leben nicht.
Empörungskollektive behindern die Erkenntnis.
CYNIC, n. A blackguard whose faulty vision sees things as they are, not as they ought to be. – Ambrose Bierce [pseudonym Grile Dod]
Reiche sind Arme mit viel Geld
Deutsche Psychoanalyse verwechselt Leblosigkeit mit Abstinenz und Beziehungslosigkeit mit Sachlichkeit.
Die ersten sechs Generalbundesanwälte der BRD waren sämtlich ehemals Mitglieder der NSDAP.
Wer nicht klar schreiben kann, der kann auch nicht klar denken.
Islam eine totalitäre Ideologie der Unterwerfung, der religiös verbrämten Machtergreifung. Täter sind Muslime, Muslime sind Sympatisanten der Täter.
Dreams unite, ideas divide.
Politik: Widerwertigkeit einer zum Staat gewordenen Kloake.
„Sooft ich eine politische Rede höre oder lese, was die uns Regierenden schreiben, bin ich entsetzt, seit Jahren nichts zu vernehmen, was einen menschlichen Klang hätte. Es sind immer die gleichen Worte, die die gleichen Lügen berichten. Und daß die Menschen sich damit abfinden, daß der Zorn des Volkes diese Hampelmänner noch nicht zerschmettert hat, ist für mich der Beweis, daß die Menschen ihrer Regierung keinerlei Bedeutung zumessen und daß sie spielen, ja wahrhaftig mit einem ganzen Teil ihres Lebens und ihrer sogenannten lebenswichtigen Interessen spielen.“ – Albert Camus
Für Antisemitismus braucht man keine Juden, man braucht nur Antisemiten.
Jeder ist anders. Wirklich. Einheitliche Front ist eine Illusion, eine Täuschung, eine Lüge. Konflikte und Koalitionen werden in Masken ausgetragen. Realität ist anders. Angela Merkel ist an Andreas-Lubitz-Syndrom erkrankt und fliegt Deutschland gegen die Wand.
„Die Wilden sind nicht bessere Menschen“ – Adorno
Der „autoritäre Charakter“ mit seiner narzisstischen Kränkung und seinem Sado-Masochismus, offenbart eine reaktionäre „Furcht vor der Freiheit“.
Ex Oriente Tenebris
Um Menschen zu verstehen, muß man den Sinn fürs Absurde haben.
Faschismus hat die Seiten gewechselt
Fakten können Vorurteile (bzw. Nachurteile) schüren.
Morbus Germanicus: Jemand belästigt jemand, man weiß nicht wer, man weiß nicht wen, alles sei nur ein sozialer Konstrukt.
»Der Nationalsozialismus lebt nach, und bis heute wissen wir nicht, ob bloß als Gespenst dessen, was so monströs war, daß es am eigenen Tode noch nicht starb, oder ob es gar nicht erst zum Tode kam; ob die Bereitschaft zum Unsäglichen fortwest in den Menschen wie in den Verhältnissen, die sie umklammern.« (- Adorno GS 10.2, 554)
„The only reason people do work for airlines is because the Nazi party is no longer hiring.“ – Iliza Shlesinger Die beste Therapie ist das Wissen
Angela Merkel in BILD-Zeitung, 29. November 2004 auf die Frage, welche Empfindungen Deutschland in ihr weckt: „Ich denke an dichte Fenster! Kein anderes Land kann so dichte und so schöne Fenster bauen.“
„Wenn ein Truthahn nach tausend Tagen geschlachtet wird, erscheint der Todestag dem Truthahn als unvorhersehbar, nicht aber dem Metzger.“ – Nassim Nicholas Taleb
Die FAZ, das intellektuelle Flagschiff der Republik hat sich zu Merkel mit der Breitseite gewendet. Dummköpfe, in Deutschland „Eliten“ genannt, werden diesen Ausdruck für eine freundliche Geste halten, für eine deutche Übersetzung des „Always Look on the Bright Side of Life“. In den geistigen Anal-Phabetismus dieser „Eliten“ sind die „Flüchtlinge“ ohne Weiteres integrierbar, einer geht immer noch herein. „Wart Pac pałaca, a pałac Paca“, sagen dazu die Polen, “ der eine taugt sowenig wie der andere“. Steht doch diesem Staat eine Frau ohne Eigenschaften vor, die den von Robert Musil beschriebenen Zerfall kurz vor 1914 (huch, was war denn da?) repräsentiert und betreibt.
„Das deutsche Volk kann Revolution machen nur noch gegen sich selbst.“ – Ulrich Sonnemann
„Weil das Notwendige nicht getan werden will, eröffnet sich der Spielplatz der Selbstverwirklichung; wem Vernunft als dogmatisch gilt, der hat jedenfalls Verstand genug, seine Halluzinationen auf Punkt und Komma zum totalen System der Sozialreform auszuarbeiten. Die materialistische Kritik hatte zwar 1848 versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, denn „Ökonomisten, Philantrophen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter“ wetteiferten schon damals darum, den „wahren“ deutschen Sozialismus (der besten, größten, stärksten in der Welt Philantropie, nämlich der deutschen, à la Merkel) auf Touren zu bringen.“ – Joachim Bruhn
»Kann sein«, fuhr er in seiner Schilderung der Zukunft Österreichs fort, »daß uns, wenn wir mit den Türken Krieg führen, die Deutschen in den Rücken falln, weil die Deutschen und die Türken zusammenhalten. Wir können uns aber mit Frankreich verbünden, das seit dem Jahr einundsiebzig auf Deutschland schlecht zu sprechen is. Und schon wirds gehn. Es wird Krieg geben, mehr sag ich euch nicht.« – sagte Schwejk.
„Es gibt doch tatsächlich eine verständige Definition der Widervernunft als solcher, statt den Massenmord als den irren Versuch scharfsinniger Rindviecher zu entziffern, die paradoxe, an sich selbst unbegreifliche Identität des Kapitals als automatisches Subjekt zu liquidieren und es als fixe Qualität zu verdinglichen, als Versuch daher des volksgemeinschaftlichen Mordkollektivs, das Kapital als naturale Eigenschaft sich einzuverleiben, d.h. das „Geldrätsel“ zu lösen, indem man G — G‘ (Geld macht Geld Anm.JSB) zum Wesen des Deutschtums erhob. Weil das Mordkollektiv vom Wahn inspiriert war, in der jüdischen „Gegenrasse“ sei das Geheimnis endlos gelingender Akkumulation quasi genetisch inkorporiert, so daß es des kollektiven Raubmords bedürfe, dieses Geheimnis den Juden aus dem Leib zu reißen und den Deutschen einzuverleiben, weil es ihre negative Utopie ausmacht, sich in den „Kapitalfetisch“ zu verwandeln und sich selbst als „reiner Automat“69 darzustellen: daher konnte der Versuch, das „Tausendjährige Reich“ der definitiven Abschaffung aller Vermittlung und der Selbstdarstellung des Deutschtums als des automatischen Fetischs schlechthin nur in der barbarischen Einheit von Verstandesdiktatur und Apokalypse münden. Der Nationalsozialismus war in dieser Perspektive „nichts anderes als“ der Versuch des Subjekts, sich selbst zu rassifizieren, um das Kapital unmittelbar als natürliche „Eigenschaft“ sich anzueignen, d.h. sein „Naturrecht“ auf die so endlos wie krisenfrei gelingende Akkumulation zu verwirklichen : eben das ist der (ja, auch: Lust-) Gewinn, den das Kollektiv aus Verfolgungswahn und Massenmord einstrich. Das war die Geschichte des Nationalsozialismus als Produktionsverhältnis, das ist der Grund dafür, daß die Deutschen nie deutscher waren als am 9. Mai 1945, daß sie seitdem die absolute Transzendenz ihrer Geschichte niemals werden vergessen können, bis endlich die „Emanzipation der Deutschen zu Menschen“(Marx) doch noch revolutionär gelingen möge. Es ist diese Überbietung jedweder Vermittlung im Mord an den Juden, die seitdem „aufgearbeitet“, bzw. voller Sehnsucht rekapituliert wird. Der öffentliche ,Diskurs‘ über den NS gleicht nicht nur einer nicht enden wollenden Trauerrede — wenn etwa die FAZ jammert, Hitler habe „das Selbstbewußtsein der einfachen Menschen gestärkt und seine Arbeitsleistung gewürdigt. Der Sinn für das Allgemeinwohl, dessen Träger der Staat ist, wurde wieder geweckt.“ — , sondern dieser ‚Diskurs‘ ist nichts anders als die Selbstdressur in die doch noch gelingen mögende Erfüllung des Hitlerschen Vermächtnisses. Es ist sein „Politisches Testament“ vom 29. April 1945, das seitdem abgearbeitet wird, sein letzter Wille, dem „internationalen Judentum und seinen Helfern“ den totalen Krieg zu erklären und dafür immer wieder aufs Neue im deutschen Staat die so klassenübergreifende wie die Klassen in sich aufhebende Volksgemeinschaft zu verschweißen, d.h. das Mordkollektiv, daß in erlogener präventiver Notwehr dagegen sich erheben solle, daß „die Völker Europas wieder nur als Aktienpakete dieser internationalen Geld- und Finanzverschwörer angesehen werden.“ Die restlose Verschmelzung der Individuen als Körper mit ihrer gesellschaftlichen Subjektfunktion hat stattgefunden, die deutsche Utopie war schon einmal Wirklichkeit gewesen: das ist der Grund für das allseits festgestellte Ausbleiben einer jeden Panik und Hysterie in der größten Krise des Kapitals seit 1929, der Grund auch dafür, das die konformistischen Revolteure etwa der Bewegung gegen das Stuttgarter Bahnhofsgrab selig identisch und zur Melodie von „Freude, schöner Götterfunken“ singen können: „Wir sind das Volk, wir sind das Geld.“ Das Urvertrauen in den Souverän ist ungebrochen (wenn nur diese Regierung nicht wäre!). (…) Der Warenhüter, das (juristische) Subjekt, in die Antinomie von Bourgeois und Citoyen, deren Synthese der Souverän in der Gestalt negativer Versöhnung ist, wie sie zuerst in der Form des Soldaten erscheint: kasernierte Mordenergie, bedingungslose Bereitschaft zum Töten und Getötetwerden, damit die Dezision (Entscheidung Anm.JSB) über Leben und Tod in letzter Instanz. (…) Im Normalzustand der Akkumulation ist der Souverän als Bedingung der Möglichkeit der Existenz von Staatsapparaten unsichtbar. Aber die Souveränität als reines Verhältnis von Befehl und Kommando, als die bedingungslose Pflicht zum Opfer und als unbedingte Freiheit zum Morden, wie sie im allgemeinen Menschen präsent ist, tritt in der großen Krise hinter den Staatsapparaten hervor und aus ihnen heraus, hebt die Gewaltenteilung auf und setzt sich absolut als „frei aus sich selbst Anfangendes“, als so ableitungs- und begründungs- wie rechtfertigungsloses „Ich will.“ (Hegel)
Die Begriff des Nationalsozialismus ist demnach, d.h., wie ihn auch der Materialist Johann Georg Elser praktisch zu fassen suchte, in der Perspektive zu entwickeln, daß Hitler als Erscheinung des allgemeinen Deutschen, als der Souverän, hinter den Staatsapparaten hervortrat und als Person unmittelbar alles, was deutsch ist, verkörperte. Darin nun konvergieren die Kritik der politischen Ökonomie und gewisse Einsichten der Psychiatrie, denn eine barbarische Gesellschaft kann nur von einem Subjekt repräsentiert und ausagiert werden, das seiner psychischen Konstitution zufolge nichts anderes als ist als eben: die negative Aufhebung des Subjekts, d.h.: ein Barbar sondergleichen. (…) Die Gestalt des unmittelbar allgemeinen Deutschen, der in einer Person inkarnierten Souveränität, ist der archimedische Punkt, zu dessen Begriff die materialistische Kritik dringend ihrer Belehrung durch Psychiatrie und Psychoanalyse bedarf. (…) In der Konsequenz der unmittelbaren Erscheinung des allgemeinen Deutschen erblüht ein grandioses Verschmelzungserlebnis von Masse und Macht: das Glück vermittlungsloser Identität in der verkehrten Gesellschaft. Es ist, „als ob“ die Utopie des wahren deutschen Sozialismus, „man könne allen Waren den Stempel unmittelbarer Austauschbarkeit aufdrücken“, d.h. „alle Katholiken zu Päpsten machen‘, sich in der Volksgemeinschaft realisiert hat. Das Verhältnis von Volk und Führer mündet, je intensiver der Mordwille sich ausagiert, in zwar geborgter, gleichwohl fugenloser Identität, zumindest solange, wie auch nur ein Jude noch am Leben ist und die Jagd weitergehen darf bzw.: muß. (Darum ist Israel den Deutschen Verheißung und Schrecken zugleich, eben: „Das letzte Tabu deutscher Außenpolitik“90, d.h. Objekt von Angstlust par excellence.) Der Nazifaschismus war ein Traum — das ist der Profit, den Babi Jar und Treblinka den Deutschen abgeworfen haben, denn im Massenmord hatten sie sich die absolute Transzendenz einmal schon angeeignet. Die gern beschwatzte „Unfähigkeit zu trauern“ gründet darin, daß man die Verschmelzung niemals wird vergessen können und den Staat als den Garanten sine qua non ihrer möglichen Wiederkehr versteht, d.h. als Versprechen. Es ist die Hoffnung auf das organisierte Pogrom, was gegen Panik immun macht.
Das bedeutet nicht, daß dem System des erst pazifizierten, dann oberflächlich parlamentarisierten Wahns der deutschen Ideologie keine bemerkenswerten Einsichten in die Zukunft der Krise möglich sind, auch wenn dessen Lautsprecher nicht wissen, was sie denken, bevor sie hören, was sie sagen oder lesen, was sie schreiben — so der FAZ-Kolumnist Frank Schirrmacher, der, mutmaßlich den Einflüsterungen Dietmar Daths erlegen, dies zu bedenken gibt: „Wer meint, daß die aktuelle Vernichtung des Grundvertrauens in die Rationalität ökonomischen Handelns ohne Folgen bleibt, wird sich spätestens bei den nächsten Wahlen enttäuscht sehen. Über Nacht ist die Welt des Geldes fiktionalisiert worden. Die Flucht in die Verstaatlichung, die von den Banken selbst angeführt wird ist der Bankrott der Metaphysik des Marktes.“ So verständig schreibt kein „Neues Deutschland“. Und weiter: „Jetzt, da völlige Unklarheit darüber herrscht, was ist und was nicht ist, kann nur der Staat noch dezisionistisch darüber verfügen, daß etwas und nicht vielmehr nichts existiert.“ Noch ist nicht von Juden, sondern vom Geldwert die Rede, aber jeder weiß, was gemeint ist, nämlich die Erklärung des obersten Volkswirts in der Wolfsschanze. In derlei traumwandlerischen, aber zielsicheren Inszenierungen des Staatlichkeitswahns wird die sehnsüchtige Erinnerung an wie die tätige Hoffnung auf das (neuerliche) Erscheinen des unmittelbar allgemeinen Deutschen beschworen, denn wenn schon die aktuellen „Notstandsgesetze“ nichts weniger bedeuten als eine „Revolution von oben“ — wo ist dann der Kyffhäuser, wo wartet der authentisch deutsche Revolutionär? Es ist diese unheimliche Sehnsucht, die die Linkspartei mit der Rechtspartei trotz aller, oberflächlich betrachtet, verschiedener Terminologie lange schon eint, bevor sie nun, im sich warmlaufenden „Extremismus der Mitte“, zur Volksfront sich finden werden, zugleich der Grund dafür, warum ein ausgemachter Prä-Faschist wie der „Professor für BWL an der FH Worms“, Max Otte, den Horst Köhler und die Sarah Wagenknecht in einem Atemzug und fürs haarscharf Gleiche loben kann, für deren Programm „Werden Sie ,Volkskapitalist‘!“ und für ihren Appell: „Gebt das Geld in unsere Hände!„93 Denn wer, wenn nicht wir, ist das Geld? (…) Der Traum der deutschen Ideologie ist die Verwandlung der Volksgenossen in die lebendige Münze. In diesen Verschmelzungsphantasien läuft sich die neuerliche Transformation des bürgerlichen wie des proletarischen Besitzindividuums langsam warm in das, was Johann Most treffend die „Eigentumsbestie“94 genannt hat, d.h. die selbstbewußt zynische Verschmelzung der Individuen als homogene Subjekte mit der Akkumulation. Die gesellschaftliche Mitte, d.h. der Angelpunkt der falschen Gesellschaft wie der Nullpunkt ihres Bewußtseins zugleich, hat längst G — G‘ als ihr Naturrecht proklamiert und sinnt jetzt auf Rache dafür, daß niemand „den echten Wert der Bilanzen“‚ kennt. Denn, so Marx, „in dem zinstragenden Kapital ist die Vorstellung vom Kapitalfetisch vollendet, die Vorstellung, die dem … Geld die Kraft zuschreibt, durch eine eingeborene geheime Qualität, als reiner Automat, in geometrischer Progression Mehrwert zu erzeugen, so daß es … allen Reichtum dieser Welt für alle Zeiten als ihm von Rechts wegen gehörig und zufallend schon längst diskontiert hat.“96 Das ist die historische Mission der Eigentumsbestie, daß es den Fetischismus und die Naturalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht länger, wie es der akademische Marxismus glauben machen möchte, als die nur historische „zweite Natur“, d.h. bloße Kulisse und Simulation des „als ob“ dulden mag, sondern als die erste, rassische Qualität des Deutschtums setzen und sich einverleiben will.
„Aller Reichtum dieser Welt für alle Zeiten“, und dies von Staats und „von Rechts wegen“, sagt Marx, d.h. eben: das tausendjährige Reich glücklich gelingender Akkumulation im endlich doch noch vollbrachten Endsieg vollendeter Selbstrassifizierung. (…) Wo alle darum kämpfen, ein kleines Licht in einer großen Finsternis zu sein, wo ein jeder seine Utopie „vorlebt“, da treibt man sich gegenseitig in die allgemeine Umnachtung und hat sein Spaßvergnügen dabei “ – Joachim Bruhn
„Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv.“ – Max Horkheimer/Theodor W. Adorno
Der Mensch ist nur noch eine staatsnotwendige Fiktion und als solche ist er das natürliche Material des Staates, der homogenisierte Lehm, der gelehmte Homo, aus dem die Staatspyramiden entstehen.
Zum Lernen muß man alleine sein. Wer nicht alleine sein kann, kann nicht lernen. Beziehuhngssüchtige, die ständig in Gruppen sein wollen, die ständig Kontakte suchen, auch elektronisch, im Internet, Handy, Kneipe, in sonstigen Gemeinschaften, Communities, werden zu Loosern, wenn sie es nicht bereits sind. Der Mensch ist ein Idividuum, er will jedoch lieber wie ein Regenwurm in einem Wurmhaufen vegetieren. Wo ein Wir ist, verschwindet das Ich. Aber nur ein Ich kann denken, das Wir kann lediglich fühlen, wie Würmer, die nur aus Bäuchen bestehen. Dann gibt es eine Volksgemeinschaft, die nicht denken kann, aber auf ihr Bauchgefühl stolz ist. Die Folge vom Bauchgefühl ist, was hinten herauskommt. Und darauf, was hinten herauskommt sagt der Deutsche, kommt es ja an. Und hinten kommt bestenfalls nur heiße Luft und Scheiße heraus.
“I think it’s very healthy to spend time alone. You need to know how to be alone and not be defined by another person.” ― Oscar Wilde
Das Leben: zum Teil Freiheit, zum Teil Sicherheit
Totale Freiheit, totale Sicherheit bringen nur den Tod.
„Nie waren die Deutschen deutscher als am 9. Mai 1945, und deshalb war der Nazi-Faschismus keine Enthüllung und keine Offenbarung, sondern ein Produktionsverhältnis im durchschlagendsten Sinne: die Produktion der Barbarei als einer qualitativ neuen, dem Kapital im doppelten Sinne des Wortes entsprungenen Gesellschaftlichkeit. Der Antisemitismus erschöpft sich keineswegs ,schon‘ darin, eine Verfolgungs- und Vernichtungspraxis zu initiieren, d.h. die sog. „Endlösung“, sondern er war zugleich die Produktion des Deutschen an und für sich, d.h. die Transformation der Bevölkerung in das deutsche Volk, d.h. dessen tatsächliche Enderlösung. Die entscheidende Frage ist also, was eigentlich das Mordkollektiv davon gehabt hat, was sein Movens war, die Tat zu begehen, und wie es sich selber begierig, lustvoll und leidenschaftlich in der Verfolgung und Ermordung der Juden als etwas substantiell Neues konstituiert hat — und wie das, was schließlich konstituiert worden ist, in der Gegenwart als die zum „Tausendjährigen Reich“ noch fehlenden 988 Jahre fortwest und die Bedingung der Möglichkeit dessen ist, daß die Krise, wie sie seit Jahren in den schwarzen Messen des nationalökono -mischen Okkultismus abgefeiert wird, von den Landsleuten so überaus gelassen, fast stoisch schon, hingenommen wurde und wird.“ – Joachim Bruhn
Die Kontrolle über die unkontrollierte Masseneinwanderung haben sich Einwanderer erkämpft.
Es gilt die Gesinnung, nicht die Realität«Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus.» – Ignazio Silone
«Antifa ist die linke Ausprägung des Faschismus. Sie ist also selbst das, was sie vorgibt zu bekämpfen.»
Sklaven träumen nicht davon, freie Menschen, sondern Sklavenhalter zu werden.
„Wer widerspricht, wird nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht.“ – Norbert Bolz
„Die Sprache ist im Guten wie im Schlechten nicht mehr Medium der Erkenntnis, sondern der kulturellen Hegemonie. (..) Wo sich statt Antagonismen Spannungsfelder auftun, hat der Geist bereits kapituliert. (…) Eine Welt, in der alle einander wechselseitig als kompatibel anerkennen und stets »das Gemeinschaftliche im Auge behalten«, kann schwerlich etwas anderes als die Hölle auf Erden sein. (…) Die Beliebigkeit ist also nicht harmlos, sondern hat hier wie auch sonst ein bestimmtes Ziel: die Zerstörung individueller Urteilskraft zugunsten einer Logik der »Anerkennung«, in der jeder Lüge Recht gegeben und jede triftige Erkenntnis in die Schranken ihres »Standorts« verwiesen wird.“ – Magnus Klaue
„Hochverrat ist eine Frage des Datums“ – Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord
Die Skandalisierung eines Skandals ist eine in deutschen Medien meisterhaft beherrschte Disziplin.
„Es ist eine alte Weisheit, dass Macht stets die Verführung mit sich bringt, sie zu missbrauchen.“ – Wolfgang Schmidbauer
„C.G.Jung war ein psychoanalytischer Faschist, ein faschistisch schäumender Psychoanalytiker. “ – Ernst Bloch
„Die tatsächlich bestehenden und einsichtigen Leuten schon längst bekannten Verschiedenheiten der germanischen und jüdischen Psychologie sollen nicht mehr verwischt werden, was der Wissenschaft nur förderlich sein kann“ (…) „Die Gesellschaft (die Internationale Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie (IAÄGP). Anm.JSB) setzt von allen ihren schriftstellerisch und rednerisch tätigen Mitgliedern voraus, daß sie Adolf Hitlers grundlegendes Buch ›Mein Kampf‹ mit allem wissenschaftlichen Ernst durchgearbeitet haben und als Grundlage anerkennen. Sie will mitarbeiten an dem Werke des Volkskanzlers, das deutsche Volk zu einer heroischen, opferfreudigen Gesinnung zu erziehen.“ C.G.Jung
„Ich weiß nicht, was passieren muss, bis endlich was passiert.“ „Ulrike Maria Stuart“ von Elfriede Jelinek
„Auch der sublimste erkenntnistheoretische Idealismus führt unweigerlich zum Solipsismus, zur Vergottung des Ichs, einer Elite, einer Rasse und endet schließlich im blutigsten Imperialismus.“ John F. Rottmeister
„Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist.“ – Angela Merkel
Psychoanalyse ist eine Erhebung über die Situation. Von oben hat man bessere Aussicht.
„Kritische Theorien, wie die Freudsche, artikulieren eine Erfahrung, die mit den jeweils herrschenden Denk- und Wahrnehmungsweisen unvereinbar ist. Gerade in dem, was der Konvention als unbrauchbar, als Abfall gilt und wovon in Wissenschaft und Lebenspraxis methodisch abgesehen wird, entdecken die Revolutionäre der Denkart das Neue, das ei¬ne bestehende Einrichtung des Lebens in Frage stellt. Indem sie an das Ausgegrenzte und erfolgreich Vergessene erinnern, markieren sie den Mangel der Ordnung, die über dem Grab der verworfenen Alternativen triumphierend sich erhebt. Und das dem Status quo verschworene Kollektiv stempelt solche Alchimisten, die aus Dreck Gold zu machen schei¬nen, stets zu Außenseitern6 . Aus der Erfahrung dessen, was den vorherrschenden, institutionalisierten Zwecken widerstrebt, erschüttern die Neuerer deren fraglose Geltung.“ – Helmut Dahmer
Die Umwälzung nach 1945 führte nicht zur Überwindung des Nationalsozialismus als Ideologie der deutschen Volksgemeinschaft, sondern rief lediglich die eitle Illusion hervor, daß mit der Kritik am Nationalsozialismus das nationalsozialistische Dünken selbst und seine innere Konflikthaftigkeit mit dem Judentum überwunden sei.
„Wie es Tatbestände gibt, die die Sinne in die Irre führen, wie im Fall der optischen Täuschung, so gibt es welche, die die unangenehme Eigenschaft haben, dem Intellekt Schlüsse zu suggerieren, die gleichwohl falsch sind.“ – Christoph Türcke
Das Geschlecht ist ein sozialer Konstrukt? Berg, Tal, See und das Meer auch!
Bereits Marx diagnostizierte den Deutschen das Umkippen von Ideologie in Wahn und Lüge. Wie gegenwärtig der Fall ist, neigen die Deutschen zu Ausbrüchen des kollektiven Wahns, der Massenpsychose mit zunehmendem Realitätsverlust. Der Wahn ist kurz, die Reue lang, pflegte meine Großmutter zu sagen.
Nach dem I. Psychosputnik-Gesetz verwandelt sich der frei florierende Zynismus ab gewissem Verdichtungsgrad seiner Intensität in hochprozentige Heuchelei, analog zu einer atomaren Kernschmelzereaktion. Diesen Prozess der zunehmenden Zynismuskonzentration mit anschliessender Explosion der Heuchelei kann man sehr deutlich gegenwärtig in Deutschland beobachten. Das Denken ist weggeblasen, pulverisiert, das (Hoch)Gefühl ist voll an seine Stelle getreten.
»Indem (der gesunde Menschenverstand) sich auf das Gefühl, sein inwendiges Orakel, beruft, ist er gegen den, der nicht übereinstimmt, fertig; er muß erklären, daß er dem weiter nichts zu sagen habe, der nicht dasselbe in sich finde und fühle; – mit anderen Worten, er tritt die Wurzel der Humanität mit Füßen. Denn die Natur dieser ist, auf die Übereinkunft mit anderen zu dringen, und ihre Existenz nur in der zustande gebrachten Einheit der Bewußtseine. Das Widermenschliche, das Tierische besteht darin, im Gefühle stehenzubleiben und nur durch dieses sich mitteilen zu können.« – G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes
„Die Verschleierung eigener Positionen durch Zitate und Zitatselektion dient dazu, eigene Positionen unkenntlich zu machen.“ – Ursula Kreuzer-Haustein
„Die Neurose ist das Wappen der Kultur.“ – Dr. Rudolf Urbantschitsch, Seelenarzt; „Sehr schön, aber es laufen derzeit schon weit mehr Heraldiker als Adelige herum.“ – Karl Kraus, Schriftsteller
„Zuerst verlieren die Menschen die Scham, dann den Verstand, hernach die Ruhe, hierauf die Haltung, an der vorletzten Station das Geld und zum Schluß die Freiheit.“ – Karl Kraus
„Ausbeutung heißt Beute machen, sich etwas durch Gewalt aneignen, was nicht durch eigene Arbeit geschaffen wurde, sich etwas nehmen, ohne Gleichwertiges zurückzugeben“ – Maria Mies
»Die Psychoanalyse ist eine Panne für die Hierarchie des Denksystems« – Pierre Legendre
Psychoanalyse entwickelt sich nicht weiter, weil sie nicht angewandt wird, es wird nur über sie gesprochen.
»Sie wissen, daß der Kampf des wissenschaftlichen Geistes gegen die religiöse Weltanschauung nicht zu Ende gekommen ist, er spielt sich noch in der Gegenwart unter unseren Augen ab … Die erste Einwendung, die man hört, lautet, … die Wissenschaft ist zur Beurteilung der Religion nicht zuständig. Sie sei sonst ganz brauchbar und schätzenswert, solange sie sich auf ihr Gebiet beschränkt, aber die Religion sei nicht ihr Gebiet, da habe sie nichts zu suchen … Die Religion darf nicht kritisch geprüft werden, weil sie das Höchste, Wertvollste, Erhabenste ist, was der menschliche Geist hervorgebracht hat, weil sie den tiefsten Gefühlen Ausdruck gibt, allein die Welt erträglich und das Leben lebenswürdig macht … Darauf braucht man nicht zu antworten, indem man die Einschätzung der Religion bestreitet, sondern indem man die Aufmerksamkeit auf einen anderen Sachverhalt richtet. Man betont, daß es sich gar nicht um einen Übergriff des wissenschaftlichen Geistes auf das Gebiet der Religion handelt, sondern um einen Übergriff der Religion auf die Sphäre des wissenschaftlichen Denkens. Was immer Wert und Bedeutung der Religion sein mögen, sie hat kein Recht, das Denken irgendwie zu beschränken, also auch nicht das Recht, sich selbst von der Anwendung des Denkens auszunehmen … Eine auf die Wissenschaft aufgebaute Weltanschauung hat außer der Betonung der realen Außenwelt wesentlich negative Züge, wie die Bescheidung zur Wahrheit, die Ablehnung der Illusionen« (Freud, 1933, S. 182 ff. und S. 197).
„Freuds »Religions«-Kritik galt den »Neurosen« genannten Privatreligionen (Heiraten, romantische Liebe, Gier, Ethik und Moral, etc. Anm. JSB) ebenso wie den kollektiven (Nation, Gutmenschen, Sport, etc. Anm. JSB);“ – Helmut Dahmer
Freud prognostizierte, die bestehende Gesellschaft werde an einem Übermaß nicht absorbierbarer Destruktivität zugrundegehen. (sofern nicht »Eros« interveniere (Eros ist nicht Ficken, sondern Caritas. Anm. JSB)).
„Wer dem Kult der »Werte« frönt, kann unsanft erwachen, wenn im Kampf der Klassen und Parteien, von dem er sich fernhält, Gruppen obsiegen, auf deren Programm eine »Umwertung der Werte«, z. B. die Aufwertung von »Unwerten« steht.“ – Helmut Dahmer
»Hinsichtlich der allgemeinen nervlichen Belastung wirkte die Lage im Dritten Reich auf den psychischen Zustand des Volkes ziemlich ambivalent. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß die Machtergreifung zu einer weitverbreiteten Verbesserung der emotionalen Gesundheit führte.Das war nicht nur ein Ergebnis des Wirtschaftsaufschwungs, sondern auch der Tatsache, daß sich viele Deutsche in erhöhtem Maße mit den nationalen Zielen identifizierten. Diese Wirkung ähnelte der, die Kriege normalerweise auf das Auftreten von Selbstmorden und Depressionen haben. (Das Deutschland der Nazizeit verzeichnete diese Erscheinung zweimal: nämlich 1933 und 1939.) Aber gleichzeitig führte das intensivere Lebensgefühl, das von der ständigen Stimulierung der Massenemotionen herrührte, auch zu einer größeren Schwäche gegenüber dem Trinken, Rauchen und Vergnügungen« – Richard Grunberger
Von Anfang an hatte Hitlers Regime auch den Anstrich der Rechtmäßigkeit
„Die psychiatrischen Truppen der »kaiserlichen deutschen Psychiatrie« (Alexander und Selesnick, 1966, S. 214) jedoch, die 1914 ins Feld zogen, bekriegten immer noch die Krankheit, den äußeren Eindringling in ein gesundes System, und nicht die Neurose, das innere Ungleichgewicht zwischen Psychodynamik, Umwelt und Geschichte.“ – Geoffrey C. Cocks (Diese Einstellung herrscht bis heute in der deutschen Psychotherapie und findet explosionsartige Vermehrung im KOnzept der sog. „Traumatisierung“. Anm- JSB)
Der Plural hat kein Geschlecht.
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ -Albert Einstein
„Der psychoanalytische Beitrag zur Sozialpsychologie der jüngsten Vergangenheit (und Gegenwart Anm.JSB) und ihrer Verarbeitung ist heute ebenso unerwünscht wie die Libidotheorie zu Anfang des Jahrhunderts.“ – I.Kaminer
»Ein böses und nur durch Unkenntnis gerechtfertigtes Mißverständnis ist es, wenn man meint, die Psychoanalyse erwarte die Heilung neurotischer Beschwerden vom >freien Ausleben< der Sexualität. Das Bewußtmachen der verdrängten Sexualgelüste in der Analyse ermöglicht vielmehr eine Beherrschung derselben, die durch die vorgängige Verdrängung nicht zu erreichen war. Man kann mit mehr Recht sagen, daß die Analyse den Neurotiker von den Fesseln seiner Sexualität befreit.« – Sigmund Feud, Gesammelte Schriften«, Band XI, S. 201 ff.)
Liebe: nur bestenfalls eine Mutter akzeptiert ihr Kind, so wie es ist, ansonsten muß man Erwartungen anderer erfüllen, um akzeptiert zu werden.
Früher galt als mutig, wer ein Revolutionär war, heute reicht es schon, wenn einer seine Meinung behält.
“Jeder fünfte Bewohner des Westjordanlandes ist ein israelischer Siedler”, greint die Generaldelegation Palästinas heute auf ihrer Homepage. Und jeder fünfte Bewohner Israels ist ein palästinensischer Araber. So what?
Nonkonformistische Attitüde und affirmative Inhalte – einer Kombination, die schon immer die linksdeutsche Ideologie gekennzeichnet hat. – Stephan Grigat
Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein soziales Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein soziales Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.
„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .
Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.
„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.
Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären Staat.
„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die
vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das
lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die
Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße
Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der
vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision
endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,
ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)
„Historische Wahrheit wird nach dem Modell von Meinungsumfragen vorgestellt;
kein Sample jedoch wird je repräsentativ genug sein,
um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.
Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der
Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu
scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der
allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn
Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.
Der Himmel, wenn er sich schon öffnet, zitiert sich am liebsten selbst.
Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.
Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel
Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)
Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an.Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand:Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –
Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus.Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS
„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl
„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)
„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“ – Max Horkheimer
„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten
Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.
Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.
„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk
„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk
„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno
„Ich bin eine Feministin. Das bedeutet, daß ich extrem stark behaart bin und daß und ich alle Männer haße, sowohl einzelne als auch alle zusammen, ohne Ausnahmen.“– Bridget Christie
„Die Tragödie isolierter persönlicher Leidenschaften ist für unsere Zeit zu fade. Aber weshalb? Weil wir in einer Epoche der sozialen Leidenschaften leben. Die Tragödie unserer Epoche ist der Zusammenstoß der Persönlichkeit mit dem Kollektiv.“ – LeoTrotzki 1923
“I think it’s very healthy to spend time alone. You need to know how to be alone and not be defined by another person.” ― Oscar Wilde
They are the samewho claimthe sex/genderwould not bebiologicallyinnate, butonlyasocialconstruct, andat the same timethathomosexualitywas not asocialconstruct, butbiologicallyinnate.
„Reasonandrationalityarechance-less than everinthistotallymediatisedworld. An unpleasanttype„Sniper“ terrorizedsociety. Hiscurrent weapon: Thephobiaaccusation.“ – Bettina Röhl
„AShitstormhas also itspositiveside. Aspolitically correctmanure it isusuallythrowninthe direction oforiginality, creativity and intelligence, she fliesoftentopeople whoare really worth to read.“ – Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out, only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
„We needdamagedbuildings, so you can seethroughtheircrackedwallsto winat least one viewpoint to startto begin to think.“ –VictorTausk
„What good is health if you are an idiot then?“ – Theodor Adorno
„What one must be judged by, scholar or no, is not particularised knowledge but one’s total harvest of thinking, feeling, living and observing human beings.“ (…) „While the practice of poetry need not in itself confer wisdom or accumulate knowledge, it ought at least to train the mind in one habit of universal value: that of analysing the meanings of words: of those that one employs oneself, as well as the words of others. (…) what we have is not democracy, but financial oligarchy. (…) Mr. Christopher Dawson considers that “what the non-dictatorial States stand for today is not Liberalism but Democracy,” and goes on to foretell the advent in these States of a kind of totalitarian democracy. I agree with his prediction. (…) That Liberalism is something which tends to release energy rather than accumulate it, to relax, rather than to fortify. (…) A good prose cannot be written by a people without convictions. (..) The fundamental objection to fascist doctrine, the one which we conceal from ourselves because it might condemn ourselves as well, is that it is pagan. (..) The tendency of unlimited industrialism is to create bodies of men and women—of all classes—detached from tradition, alienated from religion and susceptible to mass suggestion: in other words, a mob. And a mob will be no less a mob if it is well fed, well clothed, well housed, and well disciplined. (…) The rulers and would-be rulers of modern states may be divided into three kinds, in a classification which cuts across the division of fascism, communism and democracy. (…) Our preoccupation with foreign politics during the last few years has induced a surface complacency rather than a consistent attempt at self-examination of conscience. (…) What is more depressing still is the thought that only fear or jealousy of foreign success can alarm us about the health of our own nation; that only through this anxiety can we see such things as depopulation, malnutrition, moral deterioration, the decay of agriculture, as evils at all. And what is worst of all is to advocate Christianity, not because it is true, but because it might be beneficial. (…) To justify Christianity because it provides a foundation of morality, instead of showing the necessity of Christian morality from the truth of Christianity, is a very dangerous inversion; and we may reflect, that a good deal of the attention of totalitarian states has been devoted, with a steadiness of purpose not always found in democracies, to providing their national life with a foundation of morality—the wrong kind perhaps, but a good deal more of it. It is not enthusiasm, but dogma, that differentiates a Christian from a pagan society.“ (…) It would perhaps be more natural, as well as in better conformity with the Will of God, if there were more celibates and if those who were married had larger families. (…) We are being made aware that the organisation of society on the principle of private profit, as well as public destruction, is leading both to the deformation of humanity by unregulated industrialism, and to the exhaustion of natural resources, and that a good deal of our material progress is a progress for which succeeding generations may have to pay dearly. I need only mention, as an instance now very much before the public eye, the results of “soil-erosion”—the exploitation of the earth, on a vast scale for two generations, for commercial profit: immediate benefits leading to dearth and desert. I would not have it thought that I condemn a society because of its material ruin, for that would be to make its material success a sufficient test of its excellence; I mean only that a wrong attitude towards nature implies, somewhere, a wrong attitude towards God, and that the consequence is an inevitable doom. For a long enough time we have believed in nothing but the values arising in a mechanised, commercialised, urbanised way of life: it would be as well for us to face the permanent conditions upon which God allows us to live upon this planet. And without sentimentalising the life of the savage, we might practise the humility to observe, in some of the societies upon which we look down as primitive or backward, the operation of a social-religious-artistic complex which we should emulate upon a higher plane. We have been accustomed to regard “progress” as always integral; and have yet to learn that it is only by an effort and a discipline, greater than society has yet seen the need of imposing upon itself, that material knowledge and power is gained without loss of spiritual knowledge and power. “ – T.S.Eliot
“I am a feminist. All this means is that I am extremely hairy and hate all men, both as individuals and collectively, with noexceptions.” – Bridget Christie
Die in diesem Aufsatz formulierte These kratzt an einem Tabu: dem des linken Antisemitismus. Obgleich in zahlreichen Studien historische Ausprägungen von linkem Antisemitismus bis in die 1990er Jahre untersucht worden sind,1[ii] scheint die Affinität zu antisemitischen Positionen im rechten und rechtsextremen Spektrum offenkundig, die im linken und linksextremen wirkt hingegen eher als Rand oder Ausnahmeerscheinung.2[iii]Angesichts der jüngeren Entwicklungen innerhalb der Partei »Die Linke« wollen wir hier exemplarisch zeigen, dass linke Selbstimprägnierungsstrategien darüber hinwegtäuschen, dass sich sogar im parlamentarischen Spektrum der bundesdeutschen Linken inzwischen eine Kraft etabliert hat, die — obgleich sie nach Regierungsfähigkeit strebt —antisemitische Positionen in ihren Reihen toleriert. Hinsichtlich konkreter policies, insbesondere der internationalen Politik, scheinen diese innerparteilich immer dominanter zu werden und prägen inzwischen die äußere Wahrnehmbarkeit der Partei.
Denn die parteiinternen Kontroversen über die Haltung der »Linken« zum Nahostkonflikt, die verbunden ist mit einer Dämonisierung der Politik Israels und einer einseitigen Parteinahme zugunsten der Palästinenser, bis hin zu einer offenen Solidarisierung mit den terroristischen Kräften innerhalb dieses Spektrums,3[iv] dominiert seit Anfang des Jahres 2010 zunehmend die öffentliche Wahrnehmung der Bundespartei.4[v] Kritische Stimmen — die sich auf einen Dialog und eine ausgewogene Auseinandersetzung mit dem Thema hin orientieren5[vi] — verlieren immer mehr an Bedeutung, wobei eine Intervention des Fraktionsvorstandes aus dem Juni diesen Jahres auch den Auftakt für eine Umorientierung der Partei bilden könnte.6[vii]
Nun ist das Themenfeld des Antisemitismus, zumal in seiner antizionistischen bzw. antiisraelischen Spielart stets ein vermintes Gelände, da neben der inhaltlichen Diskussion immer auch eine Form von politische Skandalisierung mitschwingt;7[viii]gleichwohl kann inzwischen davon ausgegangen werden, dass ein antizionistischer Antisemitismus die öffentlichkeitswirksamen Positionierungen der Partei »Die Linke« seit dem Jahr 2010 dominiert.Diese Haltung ist zugleich in der sozialwissenschaftlichen Forschung deutlich zu wenig reflektiert worden. Dies ist von exponierter Bedeutung, als gerade unter dem Blickwinkel einer kritischen Extremismusforschung diese Wende in der Partei »Die Linke« deshalb Beachtung verdient, weil sie damit letztlich ihr Ziel, politische Verantwortung in der Bundesrepublik zu übernehmen, fundamental in Frage stellt:8[ix] eine Partei, die sich explizit zu einer Artikulationsform des Antisemitismus bekennt, hat in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik noch nie auf Bundesebene in Regierungsverantwortung gestanden.9[x]
Dass die Extremismusforschung dieser Entwicklung in der Partei »Die Linke«, die wir im folgenden genauer analysieren wollen, noch so gut wie keine Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist letztlich der Sache selbst geschuldet: wir haben es mit einem sehr jungen Phänomen zu tun. Die zentralen politischen Verlautbarungen und Beschlüsse datieren auf das Jahr 2010. Von den jüngeren Studien über die Partei »Die Linke«10[xi] hat lediglich Viola Neu den antisemitischen Tendenzen größere Aufmerksamkeit gewidmet,11[xii] allerdings datiert ihre Studie noch vor den Schlüsselereignissen des Jahres 2010 und analysiert vor allem die Ambivalenzen innerhalb der »Linken« mit Blick auf den Nahostkonflikt, die — letztlich im Kontext der so genannten Gaza-Flottille des Frühsommers 2010 — sich mehr und mehr zu Eindeutigkeiten gewandelt haben. Die Anfänge der antisemitischen Entwicklungen in der Partei »Die Linke« hat überdies auch Peter Ullrich in den Blick genommen, der bereits erste Nuancen einer Radikalisierung in Richtung eines antizionistischen Antisemitismus aufgrund einzelner Äußerungen von Funktionsträger(inne)n der Partei beschreibt.12[xiii]
Dieser Wandlungsprozess soll Thema unseres Beitrags sein. Zunächst wird es darum gehen, eine knappe Skizze über Begriff und Geschichte des linken Antisemitismus in der Arbeiterbewegung und vor allem in den beiden deutschen Staaten seit 1945 zu formulieren, um so die historischen Kontexte der Entwicklungen innerhalb der Partei »Die Linke« kenntlich zu machen. Daran anknüpfend sollen die programmatischen und konzeptionellen Entwicklungen innerhalb der Partei »Die Linke« dargestellt und diskutiert werden, die uns zu der These Anlass geben, dass der antizionistische Antisemitismus nicht mehr nur eine marginale Strömung innerhalb der Partei ist, sondern sich auf Bundesebene (mindestens bis Ende Mai 2011) zunehmend zur außenpolitisch dominante Positionierung verdichtet hat — auf der einen Seite, weil Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Partei »Die Linke«, die sich antizionistisch äußern, die öffentliche Wahrnehmung dominieren, andererseits, weil eventuelle Gegner dieser Position sich entweder
gar nicht oder nur sehr zurückhaltend zum Problem geäußert haben.12a[xiv] Mit dieser These ist explizit keine Aussage über die Verankerung des antizionistischen Antisemitismus in der Parteibasis getroffen, da unser methodisches Vorgehen hierüber keine Erkenntnisse ermöglicht.13[xv](Ha, ha! Ich sehe die Äpfel am Baum, ich weiß aber nicht, was für ein Baum es ist? Anm.JSB)
Der Begriff des antizionistischen bzw. antiisraelischen Antisemitismus ist innerhalb
der sozialwissenschaftlichen Antisemitismusforschung vielfältig diskutiert worden14[xvi] und gilt als eine der wesentlichen Spielarten des linken Antisemitismus.15[xvii] In der Arbeitsdefinition der Europäischen Union sind dabei die zentralen Charakteristika als Elemente eines antizionistischen bzw. antiisraelischen Antisemitismus zusammengefasst, die sozialwissenschaftlich als gegenwärtiger Minimalkonsens innerhalb der Antisemitismusforschung angesehen werden können. Als Kernbestandteile eines antizionistischen Antisemitismus werden hier genannt:
»Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen. (Delegitimierung. Anm.JSB)
Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird. (Doppelte Standards Anm. JSB)
Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmord-legende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben. (Diffamierung. Anm.JSB)
Vergleiche (und Gleichsetzung. Anm. JSB) der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten. (Diffamierung. Anm.JSB)
Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen. «16[xviii]
Obgleich gerade in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht noch weiterer Spezifizierungsbedarf dieser Arbeitsdefinition besteht,17[xix] soll sie für unsere Analyse des antizionistischen bzw. antiisraelischen Antisemitismus in der Partei »Die Linke« zu Grunde gelegt werden.
Historischer Hintergrund
Die Frage nach der historischen Existenz eines genuin linken Antisemitismus stellt sich im Kontext dieses Beitrags als die nach der Grundlage für den heutigen antizionistischen Antisemitismus in der Partei »Die Linke«. Unabhängig von den aktuellen parteiinternen Auseinandersetzungen über deren grundsätzliche Ausrichtung lassen sich zwei geschichtliche Traditionen benennen, die ihren Ursprung bilden und die in den beiden Parteien »Partei des Demokratischen Sozialismus« (PDS) und der »Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit« (WASG) manifest werden, deren Fusion zur Gründung der Partei »Die Linke« führte: die DDR[xx] und die westdeutsche Linke. Beide wiederum hatten in der deutschen Arbeiterbewegung ihren historisch-theoretischen Referenzpunkt.18[xxi]
1, Theoretische Referenzpunkte: Marx und Kautsky
Die Frage der Judenemanzipation war bereits im Vormärz eine heftig diskutierte Thematik. Die sozialistische Diskussion beginnt 1844 mit der Schrift Zur Judenfrage von Karl Marx. Marx befürwortete im Gegensatz zu vielen anderen die politische Emanzipation der Juden, merkte aber an, dass diese nicht mit der allgemein menschlichen Emanzipation verwechselt werden dürfe. Die Judenfrage sei zu einer wirklich weltlichen Frage geworden, deren gesellschaftlichen Grundlagen offen gelegt werden müssten. Marx schrieb: »Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist seinweltlicher Gott? Das Geld.«19[xxii] ( L Anm. JSB) Die Lösung bestehe folglich in der Aufhebung der säkularen Basis des Judentums. Es bedürfe dazu einer vollständigen Umwälzung der Gesellschaftsordnung, also der Abschaffung des Privateigentums. In der sozialistischen Diskussion wurde die Marxsche Position jahrzehntelang unkritisch rezipiert und als erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Judenfrage gesehen.20[xxiii] Andererseits wurde Marx offener Antisemitismus vorgeworfen.21[xxiv] Die Schrift blieb lange Zeit der kanonische Bezugspunkt für die Debatte über die Judenfrage in der Arbeiterbewegung und ist es zum Teil bis heute.
Die Schrift Rasse und Judentum von Karl Kautsky stellte den zweiten wichtigen theoretischen Referenzpunkt innerhalb linker Selbstverständigungsdiskussionen dar und markierte historisch den Abschluss der Diskussion der Zweiten Internationale, da der Erste Weltkrieg die Bedingungen der sozialistischen Bewegung völlig verändert hatte.
Lange Zeit war Kautsky der wichtigste Theoretiker des Marxismus. Seine Position zur
Judenfrage ist nur vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Entwicklungen zu verstehen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wandelte sich der Antisemitismus qualitativ.
Der traditionelle christliche Antijudaismus wurde von einem rassisch geprägten Antisemitismus abgelöst. Auch die antisemitische Bewegung wurde immer stärker. Im Jahre 1894 kam es in Frankreich zur Dreyfus-Affäre.22[xxv] Nachdem die internationale Arbeiterbewegung zuerst eine abwartende Haltung eingenommen hatte, weil sie die Affäre als eine Auseinandersetzung innerhalb der Bourgeoisie interpretierte, verurteilten schließlich einige namhafte Führer der Arbeiterbewegung den Antisemitismus. Im Jahre 1896 veröffentlichte Theodor Herzl auch als Konsequenz aus der Affäre das Buch Der Judenstaat, das die theoretische Begründung des Zionismus darstellte.23[xxvi] Für Herzl war die Assimilation der Juden in Europa gescheitert, weil selbst im Land der bürgerlichen Revolution von 1789 der Antisemitismus derart stark war.
Der Gegensatz zwischen Zionismus und Assimilation, die Frage, ob die Juden ein Volk seien oder nicht, und das Verhältnis von Marxismus und nationaler Frage wurden in der internationalen Arbeiterbewegung intensiv diskutiert.24[xxvii] In diesem Kontext ist auch die einflussreiche Schrift von Kautsky zu verorten. Er sah die Juden nicht als Rasse, sondern als erbliche Kaste, deren Sonderstellung durch die ökonomische Rolle bedingt sei. Diese habe die Juden zum Wucher und Hausierhandel gezwungen. Erst die Entstehung des “Kapitalismus habe eine günstigere Situation geschaffen. Das Streben nach Emanzipation der Juden in den industrialisierten Ländern sei also das notwendige Nebenprodukt des Aufkommens der demokratischen Staatsform und der kapitalistischen Gesellschaftsformation. Durch Mischehen und eine zunehmende Abkehr von religiösen Traditionen zeige das Judentum als Religion Auflösungserscheinungen. Dieser Entwicklung stehe aber der Antisemitismus entgegen, den Kautsky ökonomistisch erklärt.
In Osteuropa sei die Situation anders. Dort hätten sich die Juden nicht assimiliert, sondern ihre kulturelle Identität bewahrt (stimmt nicht. Anm. JSB). Durch die Migration von Ostjuden in den Westen werde einerseits der Antisemitismus angeheizt, andererseits entstehe eine zunehmende Kluft innerhalb des Judentums und die Klassengegensätze träten klar zutage. Deshalb sei eine Instrumentalisierung des Antisemitismus für sozialistische Ziele nicht mehr möglich, wie von vielen sozialistischen Theoretikern angenommen wurde. Der Antisemitismus sei »eine Abart des Kampfes gegen das Proletariat, die feigste und brutalste seiner Abarten, er ist die Sozialistenfresserei des dummen Kerls von Wien geworden.«25[xxviii]
Die Juden hätten nun verschieden auf die neue Situation reagiert. Der eine Teil habe sich dem Sozialismus zugewandt, der andere dem Zionismus.26[xxix] Kautsky sieht den Zionismus jedoch als Komplizen des Antisemitismus, da beide eine Absonderung der jüdischen Bevölkerung anstrebten. Die Ideen des Zionismus hielt er für utopisch. Somit könne der Zionismus die Probleme nicht lösen, sondern verlagere sie nur in den Nahen Osten. Er brächte in Palästina lediglich ein »Weltgetto« hervor und schade letztendlich dem Sozialismus, da er die Juden an der Teilnahme am Klassenkampf hindere.27[xxx]Allein der Sieg des Proletariats sei der Weg zur wahren Emanzipation der Juden.
Die gesamte Diskussion zur Judenfrage in der Arbeiterbewegung zeichnet sich dadurch aus, dass rein ökonomistisch argumentiert und die Gefährlichkeit des Antisemitismus stark unterschätzt wurde. Nicht selten wurde argumentiert, dass der Antisemitismus ungewollt den Sozialisten in die Hände spiele, weil er die Feindschaft der Massen gegen Auswüchse des Kapitalismus, wie Geld und Finanzkapital, anstachle. Der Zionismus als politische Emanzipationsbewegung der Juden wurde abgelehnt, weil nur die sozialistische Revolution zur Lösung der Judenfrage führen könne.
Linker Antisemitismus in Ost- und Westdeutschland
Der Massenmord an den europäischen Juden hat die Positionen der sozialistischen Theoretiker auf grausame Weise widerlegt. Dennoch wirken sie in der linken Diskussion bis heute fort und vor allem die antizionistische Haltung ist lange Zeit ein integraler Bestandteil linker Identität gewesen und ist dies teilweise bis heute. Während Kautsky seine Kritik am Zionismus noch mit der Perspektive einer universellen Aufhebung der Diskriminierung und Unterdrückung verband, ist der Antizionismus gerade in Teilen der Partei »Die Linke« zu einem Ressentiment geworden, das häufig antisemitische Züge aufweist.
Die Vorzeichen der Diskussion in der politischen Linken und der Arbeiterbewegung haben sich dabei nach dem Nationalsozialismus und Auschwitz vollkommen verändert.
Während ein kleiner Teil der linken Intellektuellen aus dem Kreis der Kritischen Theorie den Zivilisationsbruch in den Mittelpunkt der Reflexion stellte und eine Neubestimmung der Gesellschaftsanalyse vornahm,28[xxxi] hielt die Mehrheit der traditionellen Linken an ihrem Weltbild fest und beurteilte die neue gesellschaftliche Situation mit den Kategorien der Arbeiterbewegung. Die Judenfrage, die nach dem Massenmord tabuisiert war, wurde bald durch die Frage nach dem Verhältnis zum jüdischen Staat Israel abgelöst, das bis heute für ständige Kontroversen sorgt.
Die Anfangs positive Haltung in der westdeutschen Linken nach 1945 gegenüber Israel kippte mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 in ihr Gegenteil.29[xxxii]Das Existenzrecht Israels wurde negiert und Israel als ‚zionistisches Staatengebilde‘ bezeichnet. Dieser nurschwach als Antizionismus kaschierte Antisemitismus wurde in einigen Fällen auch in die Tat umgesetzt. Die Tupamaros Westberlin verübten am 9. November 1969, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, einen Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Westberlin30[xxxiii]Diese Aktion sollte Solidarität mit dem als Speerspitze der antiimperialistischen Revolution bewerteten Kampf der Palästinenser demonstrieren. Von den zahlreichen antisemitische Aktionen der westdeutschen Linken seien hier lediglich noch zwei weitere erwähnt: 1976 entführte ein palästinensisch-deutsches Kommando ein Flugzeug nach Entebbe und selektierte die Passagiere in Juden und Nicht-Juden. 1983 erschien ein »Grüner Kalender« mit der Überschrift: »Israel die Mörderbande«, unter der es hieß:
»Angesichts der zionistischen Gräueltaten verblassen jedoch die Nazigräuel und die
neonazistischen Schmierereien, und nicht nur ich frage mich, wann den Juden ein Denkzettel verpasst wird, der sie aufhören lässt, ihre Mitmenschen zu ermorden […].«31[xxxiv]
In der DDR gestaltete sich die Situation anders.32[xxxv] Aufgrund des Selbstverständnisses als antifaschistischer Staat und der orthodox-kommunistischen Auffassung vom Charakter des Nationalsozialismus stand die Ermordung der europäischen Juden nie im Zentrum der Erinnerungspolitik,33[xxxvi] gedacht wurde primär der kommunistischen Widerstandskämpfer. Einer der Hauptgründe für diese Haltung war die hegemoniale Faschismusanalyse in der DDR. Sie basierte auf der Definition des XIII. Plenums des Exekutivkommitees der Komintern vom Dezember 1933. Darin heißt es, der Faschismus sei »die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.«34[xxxvii]Der Nationalsozialismus erschien in dieser Analyse als die Verschwörung einer kleinen Gruppe von Finanzkapitalisten. Dadurch werden die Massenunterstützung für das System und die aktive Teilnahme großer Teile der deutschen Bevölkerung an den Verbrechen ausgeblendet. Des Weiteren wird der Antisemitismus nicht als zentrale Ideologie des NS-Staates verstanden, die eine auf Vernichtung zielende Eigendynamik entfaltete. Vielmehr wurde er als ,Überbauphänomen‘ abgetan, das der Bourgeoisie dazu diene, das Proletariat zu spalten. Als angemessene Konsequenz aus dem Nationalsozialismus erschienen somit die Verstaatlichung der Produktionsmittel und eine Bodenreform. In dieser Hinsicht war das antifaschistische Selbstverständnis der DDR eine staatliche Legitimationsideologie, die zur Feindschaft gegen Israel und zur Unterstützung arabischer Diktatur als Verbündete im antiimperialistischen Kampf diente.
Die vehement antiisraelische und pro-arabische Außenpolitik ist zum einen dem Kontext des Kalten Krieges geschuldet, in dem die DDR sich den Maßgaben der Sowjetunion unterzuordnen hatte.35[xxxviii] Die DDR zielte zugleich darauf, die diplomatische Isolierung zu durchbrechen und den Alleinvertretungsanspruch der BRD zu unterminieren. Die machtpolitische Konstellation der Blockkonfrontation stellt jedoch keine ausreichende Erklärung für die Feindschaft der DDR gegen Israel dar. Der antisemitische Antizionismus resultierte vielmehr aus einer Ideologie, die in enger Verbindung zur nationalsozialistischen Vergangenheit stand. Nur so ist die Vehemenz des Antizionismus und dieGleichsetzung von Israel mit Nazi-Deutschland zu verstehen, die deutlich über eine politisch motivierte Kritik an Israel hinausging.36[xxxix]
Der antizionistische Antisemitismus der Partei »Die Linke«
Die grundlegenden Prinzipien eines großen Teils der Partei »Die Linke« sind der Antiimperialismus und damit einhergehend die radikale Gegnerschaft zum Staat Israel, die bisweilen verdeckt, aber nicht selten auch offen antisemitisch formuliert wird. Das aktuellste Beispiel dafür sind die Vorfälle rund um das Gaza-Solidaritätsschiff »Marmara«. Diese könnten sich langfristig als entscheidend für die weitere Entwicklung der Partei »Die Linke« erweisen, so dass der Journalist Ivo Bozic sogar schon von der Entstehung einer »Mavi-Marmara-Linken« sprach und vor einer »links-jihadistischen Querfront« warnte.37[xl]
2.1. Die Gaza-Flotille
Ende Mai 2010 setzte sich ein Schiffskonvoi in Richtung Gaza in Bewegung. Maßgeblich wurde er von der türkischen Organisation »Ins an Hak ve Hürriyetleri ve insani Yardim Valdi« (IHH) organisiert, die in engem Kontakt zu islamistischen Organisationen steht und Teil eines weltweit agierenden Netzwerks ist. Nach Untersuchungen von Evan Kohlmann, der für das »Danish Institute for International Studies« einen Bericht verfasste, ließ die IHH radikalen Islamisten in Afghanistan, Bosnien und Tschetschenien logistische und finanzielle Unterstützung zukommen.38[xli]Wie Kohlmann ausführt, finden sich nach einem Bericht des französischen Geheimdienstes Terroristen in den obersten Rängen der IHH und Mitglieder der Organisation haben sich islamistischen Terrororganisationen angeschlossen.
Bereits beim Auslaufen der Gaza-Solidaritätsschiffe aus dem Hafen von Istanbul wurden von einer Menge, die die Flottille verabschiedete, antisemitische Gesänge angestimmt. Gerufen wurde unter anderem »Erinnert Euch an Khaibar, Khaibar, oh Juden! Die Armee Mohammeds wird zurückkehren! «39[xlii] Damit sollte an das Niedermetzeln eines jüdischen Stammes durch die Armee Mohammeds erinnert werden. An Bord der Schiffe waren rund 70 Prominente, darunter etwa der schwedische Autor Henning Mankell und die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan. Auch zwei aktuelle und ein früherer Parlamentarier des Deutschen Bundestages befanden sich an Bord der Mavi Marmara, alle drei gehören der Partei »Die Linke« an: Annette Groth, Inge Höger und Norman Paech.
Die israelische Regierung hatte schon im Vorfeld der Flottille angekündigt, dass sie
eine Durchbrechung der Blockade nicht zulassen und dies, wenn nötig, mit allen Mitteln verhindern werde. Stattdessen wurde von ihr das Angebot unterbreitet, die Hilfsgüter im israelischen Hafen Aschdod zu entladen und nach einer Sicherheitsüberprüfung auf dem Landweg nach Gaza zu bringen40[xliii]Dies wurde von den Organisatoren des Free-Gaza-Movements zurückgewiesen. Auf die Warnungen der israelischen Marine, die per Funk übermittelt wurden, antwortete ein Aktivist auf den Schiff mit »Geht zurück nach Auschwitz« und »Wir helfen den Arabern gegen die USA. Vergesst,9/1 1 ‚ nicht, Jungs. «41[xliv]
Am 31. Mai 2010 eskalierte die Situation, als ein Kommando der israelischen Armee das Schiff Mavi Marmara stürmte. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen neun türkische Passagiere das Leben verloren. Über den genauen Ablauf existieren sehr unterschiedliche Schilderungen, allerdings kann als sicher gelten, dass Aktivisten auf den Schiffen die israelischen Soldaten mit Messern, Eisenstangen, Zwillen und Stöcken angriffen. Vier Soldaten wurden überwältigt, gefangen genommen und unter Deck gebracht. Einige Bilder davon wurden später von der Zeitung Hiirriyet veröffentlicht.42[xlv] Zugleich existieren Aufnahmen vom israelischen Militär, die den brutalen Angriff auf die Soldaten dokumentieren.43[xlvi] Die Authentizität dieser Bilder und des Audiomaterials wird bis heute von den Unterstützern des Konvois in Frage gestellt und als israelische Propaganda abgetan.
2.2. Die Reaktion der Partei »Die Linke«
Die deutschen Parlamentarier wurden von der israelischen Armee festgenommen, aber kurz danach wieder freigelassen. Es ist interessant zu fragen, was nach ihrer Rückkehr nach Deutschland passierte. Die Abgeordneten mussten sich keineswegs innerhalb ihrer Partei dafür rechtfertigen, dass sie mit radikalen Islamisten und proto-faschistischen Organisationen zusammen gearbeitet haben, die die fundamentalsten Menschenrechte missachten.
Nach ihrer Rückkehr wurde vielmehr eine Pressekonferenz einberufen, auf der eine
der Vorsitzenden der Partei »Die Linke«, Gesine Lötzsch, ihren Stolz über die Aktion
zum Ausdruck brachte und den Einsatz der israelischen Armee als »Verbrechen« bezeichnete.44[xlvii] Inge Höger sagte auf der Pressekonferenz, sie habe sich wie im Krieg gefühlt, allerdings nichts von dem Angriff mitbekommen, weil sie auf dem Frauendeck eingeschlossen war. Dies sei aber wohl zu ihrem Schutz geschehen. Annette Groth sprach von einem »geplanten killing« der israelischen Armee und merkt an, dass »der vergessene Krieg« in Gaza nun wieder auf der internationalen Agenda stehe. Sie fügt hinzu, dass »vielleicht erst so viele Leute sterben mussten«, damit das geschehe. Der ehemalige außenpolitische Sprecher der Partei und emeritierte Professor für Völkerrecht, Norman Paech nennt den israelischen Einsatz einen »Akt der Piraterie«, der »vollkommen unverhältnismäßig« sei. Die israelischen Soldaten seien nur leicht verletzt worden und es habe auch keine Messer oder Eisenstangen an Bord gegeben. Wörtlich sagt er, dass er persönlich »nur zweieinhalb Holzstöcke« gesehen habe, eine Position, die er in zahlreichen Interviews wiederholte.45[xlviii]
Die einzige wahrnehmbare Stimme innerhalb der Linkspartei, die ihre Kollegen kritisierte, war Petra Pau, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Sie verfasste einen Brief an die jüdische Gemeinde in Bremen, in dem sie ihre Position zur Gaza-Flottille darlegte.46[xlix] Die Aktion habe die Hamas gestärkt und sei einem Frieden im Nahen Osten nicht dienlich gewesen. Außerdem sei mindestens eine türkische Organisation beteiligt gewesen, die in einem »pro-faschistischen Ruch« stehe. Eine Teilnahme sei deshalb für Linke inakzeptabel. Pau selbst sah sich danach einem Ansturm der Kritik aus den Reihen der Partei »Die Linke« ausgesetzt. Höger, Groth und Paech schrieben ihr einen Offenen Brief, in dem sie ihre Beteiligung rechtfertigten und alle Kritikpunkte von Pau zurückwiesen.47[l]Außerdem reisten die drei Parlamentarier in viele Städte, um ihre Erlebnisse aus erster Hand zu schildern. Nicht selten wurden diese Veranstaltungen für antisemitische und antiisraelische Propaganda genutzt. In einer Diskussion in Hamburg, die von dem Linken MdB Jan van Aken organisiert wurde, machte ein Zuhörer unter dem Gejohle des Publikums den Vorschlag, dass der nächste Konvoi doch von der türkischen Armee geschützt werden und so dem »faschistischen Regime in Israel eins vor den Latz geknallt« werde könne. Norman Paech nannte dies »eine Idee« und ging so weit vorzuschlagen, dass das nächste Gaza-Schiff von der deutschen Marine begleitet werden könnte, die an der libanesischen Küste patrouilliert. Dies würde faktisch, das muss hervorgehoben werden, den Einsatz des deutschen Militärs gegen Israel bedeuten. Die Veranstaltung wurde von Radiojournalisten des Freies Sender Kombinat (FSK) in Hamburg aufgezeichnet.48[li] Trotz mehrmaliger Nachfragen wollte Aken zur mitgeschnittenen Veranstaltung nicht Stellung nehmen.
In einer Sendung von Report Mainz wurde Annette Groth von Journalisten damit konfrontiert, dass sie mit faschistischen und islamistischen Organisationen zusammengearbeitet habe. Einige Passagiere auf dem Schiff seien Mitglieder der rechtsextremen »Büyük Birlik Partisi« (BBP) gewesen.49[lii] Diese Organisation steht den faschistischen »Grauen Wölfen« nahe. Als Beleg dafür führten die Journalisten eine Kleine Anfrage der Fraktion »Die Linke« aus dem Jahr 2007 an – also ein Dokument aus der eigenen Partei,in dem Groths Parteigenossen Ursula Jelpke, Sevim Dagdelen und Wolfgang Neskovic die Weltanschauung der aktuellen Bündnispartner der »Linken« folgendermaßen charakterisiert hatten: als »eine rassistisch-nationalistische Orientierung, Antisemitismus, Antikommunismus, eine stark islamisch gefärbte Ideologie, Gewaltbereitschaft und am Führerprinzip ausgerichtete totalitäre Strukturen«50[liii] Groth antwortete darauf ausweichend. Im gleichen Beitrag kam Inge Höger zu Wort, die sagte, dass vielleicht islamische, aber keine islamistischen Organisationen an der Flottille teilgenommen hätten und Norman Paech sprach lediglich von humanitären Gruppen, die sich auf die Gewaltlosigkeit als Konsens geeinigt hätten. Alle hätten ihre »gewalttätigen Phantasien« an Land gelassen. Die israelische Darstellung wurde von den drei Parlamentariern immer wieder als Propaganda abgeta51[liv] Sie inszenierten sich selbst als Opfer, die für eine gute Sache stritten. Im besten Falle sind ihre Äußerungen Ausdruck einer Haltung, die mit gutem Gewissens und aus voller Überzeugung meint, für eine bessere Welt und gegen Unterdrückung zu kämpfen. Dies wäre angesichts der Zusammensetzung der Flottille zwar naiv und wirklichkeitsfremd, allerdings wäre es etwas anderes als eine Handlung, die aus ideologischer Überzeugung resultiert. Es steht allerdings zu vermuten, dass die Zusammenarbeit der Partei »Die Linke« und anderer orthodoxer Linksradikaler mit islamistischen Kräften nicht auf Naivität zurückzuführen ist, sondern auf eine Veränderung der linken Ideologie nach dem Ende des Kalten Krieges hindeutet. Dies führte zu einer Zerstörung des linken Weltbildes und brachte die Notwendigkeit einer ideologischen Neuausrichtung hervor. Dies wird auch dadurch nahe gelegt, dass derartige Positionierungen lediglich den Höhepunkt einer längeren Entwicklung in der Partei »Die Linke« darstellen, die sich immer weiter zuzuspitzen scheint.
2.3. Die Vorgeschichte
Bereits im Jahre 2006 wollte der MdB der »Linken«, Wolfgang Gehrcke, Repräsentanten der Hamas zu einer Konferenz nach Deutschland einladen. Letztlich wurde ihnen die Einreisevisa verweigert.52[lv] Viele Anhänger der Linken sehen in der Hamas die legitime, demokratisch gewählte Regierung der Palästinenser. Die ideologische und zutiefst anti-demokratische Struktur der Hamas wird ausgeblendet und der virulente Antisemitismus geflissentlich ignoriert.53[lvi]
Während des Libanon-Kriegs im Jahr 2006 nannte die ehemalige Ideologin der trotzkistischen Gruppierung Linksruck, Christine Buchholz, die heute für die Partei »Die Linke« im Bundestag sitzt, in einem Interview mit der orthodox kommunistischen Tageszeitung „Junge Welt“ Israel und die USA kriegshetzerische Staaten. Sie fuhr fort: »Auf der anderen Seite stehen in diesem Konflikt die Hisbollah, die Friedensbewegung in Israel und die internationale Antikriegsbewegung. Das ist die Seite, auf der auch ich stehe.«54[lvii] Dass eine Politikerin der Linken sich ganz offen auf die Seiten der terroristischen, antisemitischen Hisbollah schlägt, verweist auf eine grundlegende Verschiebung in der linken Ideologie und Politik.
Diese Positionierung sollte kein Einzelfall bleiben, sondern sich weiter radikalisieren: Der am 4.11.2008 angesichts des 70. Jahrestages der Reichpogromnacht im Deutschen Bundestag verabschiedeten Resolution »Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern« (der — bei einem Gegenantrag der Linkspartei — ansonsten interfraktionell eingebracht worden war) konnten elf Abgeordnete der »Linken« nicht zustimmen, darunter neben Wolfgang Gehrke, Inge Höger und Norman Paech auch die innenpolitische Sprecherin der Partei, Ursula (Ulla) Jelpke, der europapolitische Sprecher Dieter Dehm, die migrationspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen und die bildungspolitische Sprecherin Cornelia (Nele) Hirsch.55[lviii] Explizit lehnten die »Linken«, wie sie in einer Erklärung feststellten, »die deklaratorische Feststellung, die Solidarität mit Israel entspreche der deutschen Staatsräson« ab, da mit dieser »nicht nur das Existenzrecht Israels« bestätigt werden solle, sondern sie dazu vielmehr dazu diene, »jegliche Kritik an der israelischen Politik für illegitim zu erklären.56[lix] In der Erklärung des Deutschen Bundestages war unter anderem die Solidarität mit Israel als »unaufgebbarer Teil der deutschen Staatsräson« beschrieben, das Verbrennen israelischer Fahnen auf Demonstrationen abgelehnt und die Solidarisierung mit »terroristischen und antisemitischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah« scharf kritisiert worden.
Wer sich mit diesen Kräften solidarisiere — so die einhellige Auffassung des Deutschen — »sprengt den Rahmen zulässiger Kritik an der israelischen Politik.57[lx]
Kurze Zeit später veröffentlichte der ehemalige DKP-Funktionär Gehrcke, der zusammen mit Paech einer der federführenden Köpfe bei der antizionistischen Neuausrichtung seiner Partei ist (beide nicht zuletzt in ihrer aktuellen bzw. ehemaligen Funktion als außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion), zusammen mit Jutta von Freyberg
Harri Grünberg ein Buch mit dem Titel „Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahost-Konflikt“ (2009) im Kölner PapyRossa Verlag, das nicht nur israelfeindliche Positionierungen reproduzierte, sondern auch mit einer erstaunlichen Referenz aufwartete: im Kapitel V mit dem Titel »Antizionismus, Antisemitismus, Wiedergutmachung« findet sich als Beleg zu den von der Bundesrepublik an Israel geleisteten Zahlungen in den 1950er Jahren der Verweis auf eine Arbeit mit dem Titel »Die Wiedergutmachung als Plan und Wirklichkeit. Die westdeutschen Zahlungen an Israel und das Weltjudentum«, veröffentlicht in der rechtsextremen Zeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart (DGG) von Mark Weber. Man muss Weber, der Leiter des pseudowissenschaftlichen »Institute for Historical Review« in den USA und ein weltweit agierender Geschichtsrevisionist und Holocaust-Leugner ist, sicher nicht kennen, aber wenn man nur einmal einen Blick in eine Ausgabe der DGG im Original geworfen hätte, würde man unzweifelhaft deren Lokalisierung im geschichtsrevisionistischen und NS-verherrlichenden Milieu erkennen. Nicht umsonst wird die DGG regelmäßig im deutschen Verfassungsschutzbericht erwähnt. Auch der Begriff »Weltjudentum« sollte — sofern ein Minimum an Sensibilität für das Thema vorhanden ist — stutzig machen, da es sich bei ihm offensichtlich um eine antisemitische Vokabel aus dem Jargon des Nationalsozialismus handelt.58[lxi]
Die Sympathien für terroristische Organisationen, wie sie Buchholz bereits 2006 bekundet hatte, führten wenig später auch zu einer Amalgamierung des antiisraelischen und antizionistischen Ressentiments mit einer ähnlichem erinnerungspolitischen Affront, wie er bereits in der Ablehnung der Bundestagsresolution gegen Antisemitismus bestand: In der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2010 sprach der israelische Staatspräsident Schimon Peres. Demonstrativ blieben mehrere Abgeordnete der Linkspartei nach der Ansprache von Peres, dessen Großvater von den Nazis ermordet wurde, sitzen, während sich das übrige Parlament erhob. Unter den Sitzenbleibern: wieder Dagdelen, die Peres nicht glauben wollte, dass der Iran Atomraketen besitze, die »angeblich« die Welt bedrohen und ihm außerdem unterstellte, seine Rede zur »ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran« genutzt zu haben,59[lxii]wieder Buchholz, die sich ebenfalls für den Iran stark machte und in warnenden Hinweisen von Peres eine »Kriegsdrohung des Westens« sah,60[lxiii] und Sahra Wagenknecht. Wagenknecht, immerhin stellvertretende Parteivorsitzende der Linkspartei, rechtfertigte ihr Verhalten im Nachhinein damit, nicht den Opfern der Shoa das Gedenken zu verweigern, sondern gegen einen Staatsmann zu protestieren, der »selbst für Krieg mitverantwortlich« sei».61[lxiv]
Noch vor der Gaza-Flottille verabschiedete die Bundestagsfraktion der Partei »Die Linke« einen Beschluss, der den antizionistischen Kräften nachhaltig den Rücken stärkte und zugleich die wenigen parteiinternen Kritiker (wie etwa Petra Pau oder den Bundesarbeitskreis Shalom innerhalb der Jugendorganisation der Partei) in ihre Schranken wies.
Der am 20. April 2010 von der BundeStagsfraktion mit nur einer Gegenstimme und fünf Enthaltungen verabschiedete Beschluss zum Nahost-Konflikt trug den Titel »Position der Fraktion Die Linke zum Nahost-Konflikt« und blieb in den überregionalen Medien weitgehend unbeachtet.62[lxv] Darin bekannte man sich zwar zu einem Existenzrecht Israels, das allerdings mit einer Fülle propalästinensischer Forderungen flankiert wurde, die faktisch Israels Existenz infrage stellen:63[lxvi] Denn wie ließe sich die Forderung nach einem souveränen palästinensischen Staat mit der Freilassung aller »politischen Gefangenen«, dem Abbau der israelischen Grenzsicherungsanlangen und der sofortigen Öffnung des Gazastreifens interpretieren, wenn nicht als fundamentale Infragestellung des israelischen Selbstverteidigungsrechtes ?
Den Gipfel bildete allerdings die Forderung der Linkspartei, die Hamas in politische
Gespräche einzubeziehen. Denn in der Charta der Hamas ist die Vernichtung Israels ein ausgewiesenes Ziel, den ideologischen Kern der Organisation bilden Islamismus und Antisemitismus. Auch hier wurde erneut der offene Pakt mit einer antisemitischen Terrororganisation beschworen.
2.4. Die Nachgeschichte
Während die Entwicklungen innerhalb der Partei »Die Linke« vor der Teilnahme von
zwei aktuellen und einem ehemaligen Bundestagsabgeordneten an der Gaza-Flottille auf eine Zuspitzung der Positionen innerhalb der Partei hindeuten, hat der antizionistische Antisemitismus der Partei seit der antiisraelischen Aktion auch eine zusätzliche innenpolitische Radikalisierung erfahren.
Den wohl markantesten Einschnitt bildete dabei die Diskussion um die finanzielle
Unterstützung des Neubaus der Herforder Synagoge durch die Stadt Herford, über die der Stadtrat am 18.6.2010 zu befinden hatte. Die Herforder Linkspartei-Ratsfrau Erika Zemaitis stimmte als einzige gegen die Bezuschussung — ein für die Linkspartei bisher beispielloser Vorgang einer antisemitischen Positionierung. Nachdem das Verhalten der Parteifunktionärin nicht nur in der Lokalpresse Erwähnung gefunden hatte, sondern auch in einem Online-Portal, das sich kritisch mit Rechtsextremismus befasst, ausführlich darüber berichtet worden war,64 fühlte sich Inge Höger — seinerzeit auch Kreissprecherin der »Linken« in Herford — bemüßigt, ihrer Parteigenossin Zemaitis zu widersprechen.65[lxvii]
Die von der »Linken« eingeschlagene Strategie, die Ablehnung des Zuschusses zum Synagogenneubau nun offiziell als Ablehnung eines »undifferenzierten Sparkurses der Stadt« darzustellen, offenbart sich aber schnell als Lüge: denn in derselben Erklärung ist die Rede davon, dass es »vorerst keinen Platz für das Partikularinteresse einer Religionsgruppe« geben könne,66[lxviii] während wenige Wochen zuvor die »Linke« noch vehement die Yezidische Gemeinde bei ihrem Anliegen der Schaffung eines Kulturzentrums in Herford unterstützte: »Es darf nicht sein, dass Menschen sich in unserer Stadt nicht versammeln können, um ihren kulturellen oder religiösen Interessen nachzugehen. Diese Menschen leben und arbeiten hier unter uns und natürlich müssen sie auch einen geeigneten Treffpunkt haben.«67[lxix]Dies zeigt, dass die »Linke« hier — völlig unabhängig von Sparmaßnahmen der Stadt — explizit Partei ergriffen hat für eine Religionsgemeinschaft (die der Yeziden) und es somit um eine vorsätzliche und zielgerichtete Verweigerung der Unterstützung für eine jüdische Einrichtung ging.
Der damit zum Ausdruck kommende Antisemitismus bedient sich nun keiner Ka-schierung mehr, sondern wird offen vorgetragen und erst nach dem überregional wahrnehmbaren Protest mühsam zu kaschieren versucht. Die Bezugnahme bei dieser antisemitischen Aktion auf die Gaza-Flottille wird dabei bemerkenswerter Weise von der »Linken« selbst formuliert. Zemaitis wies ungefragt — darauf hin, dass ihre Ablehnung nicht in einem Zusammenhang mit der Beteiligung Högers an der Gaza-Flottille stehe und sie es insofern auch ablehne, dass »die Herforder Synagoge als pro-jüdisches ‚Gegenargument‘ instrumentalisiert« werde.68[lxx]
In eine ähnliche Richtung wies zudem eine Auseinandersetzung um eine linke Solidaritätsdemonstration in Bremen, die nach der Gaza-Flottille durchgeführt wurde. Während der Demonstration wurde unter anderem ein Transparent gezeigt, auf dem eine Karikatur zu sehen war, die einen Mann mit langem Bart und großer Nase zeigte, der mit einem bluttriefenden Messer einen Wal erlegt hatte, über dem das Wort »Hilfskonvoi« zu lesen war. Auf die Schiffermütze des Mannes war ein großer Davidstern gemalt. Während dies sogar für die Lokalpresse ein unmissverständlicher Fall einer Darstellung in »reinster Stürmer-Manier« und insofern die Analogiebildung zum nationalsozialistischen Antisemitismus offensichtlich war,69[lxxi] warfen die Organisatoren der Jüdischen Gemeinde Bremen und der Bremer Bürgermeisterin (die einige Tage nach der Demonstration bei einer Podiumsdiskussion über das Transparent und die Gefahren eines neuen Antisemitismus diskutierten) vor, sie hätten in »totalitärer« Weise darauf verzichtet, die Veranstalter der linken Demonstration mit an dem Podium zu beteiligen. Überdies sei der Hinweis auf den Antisemitismus und die Kritik an der Demonstration lediglich mit der Intention formuliert worden, von der »völker- und menschenrechtswidrigen Politik Israels« abzulenken.70[lxxii]
Noch deutlicher wurde die Artikulation von antizionistischen Ressentiments an der Parteibasis dadurch, dass nicht nur der Bremer Landesverband der Partei, sondern auch der Duisburger Kreisverband zu Boykottaktionen von israelischen Waren aufrief und auf der Homepage der Duisburger »Linken« Monate lang eine antisemitisches und im offen nazistischen Jargon verfasstes Flugblatt mit antiisraelischer Hetze zum Download angeboten wurde, dessen Kopfzeile ein mit einem Hakenkreuz verschlungener Davidstern zierte, das erst nach Erstattung mehrerer Strafanzeigen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft entfernt wurde.71[lxxiii] Der dortige Ratsfraktionsvorsitzende der »Linken« wies mit der alten Mär einer Antisemitismusimmunität antifaschistischer Gruppen jeden Verdacht von sich, um anschließend gleich wieder den Boykott israelischer Waren zu rechtfertigen. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Vorfalls in Duisburg trat dann wiederum die Bundestagsabgeordnete Inge Höger bei einer Palästina-Solidaritätskonferenz mit einem Schal auf, auf dem der Staat Israel unter dem Schriftzug »Palestine« auf
einer Landkarte des Nahen Ostens scheinbar ausradiert war.72[lxxiv] Noch im Januar 2011 hatte Höger in einem auf ihrer Homepage veröffentlichten Papier von Synagogen als »Symbolen der Besatzung« und von der »Judaisierung Jerusalems« gesprochen.73[lxxv]
Resümee
Es ist anzunehmen, dass die Partei »Die Linke« ihre Position in der deutschen Parteienlandschaft festigen und in den kommenden Landtagswahlen weiter konsolidieren wird.
Die Linkspartei ist als Faktor der deutschen Politik nicht mehr wegzudenken. Die Partei ist dabei allerdings von internen Auseinandersetzungen zerrissen. Auf der einen Seite existiert ein pragmatisch orientierter Flügel, der sich vor allem aus ostdeutschen Abgeordneten zusammensetzt und sich im »Forum Demokratischer Sozialismus« (FDS) zusammengeschlossen hat. Angestrebt werden eine Übernahme politischer Verantwortung und eine linksreformerische Politik. Dies bedeutet eine Öffnung hin zur SPD und den Grünen und eine klare Absage an orthodox-kommunistische Positionen. Eine klare Kritik am Realsozialismus formuliert auch die Strömung der »Emanzipatorischen Linken« (Ema.li), die für radikaldemokratische und libertäre Grundsätze steht.
In den außenpolitischen Stellungnahmen der Partei »Die Linke« haben allerdings die
orthodox-kommunistischen Stimmen im letzten Jahr mehr und mehr die Oberhand gewonnen, wobei vor allem westdeutsche Abgeordnete aus dem vormals »antiimperialistischen« Spektrum federführend sind. Moderate Positionen aus der Partei waren in der Öffentlichkeit seit der Gaza-Flottille kaum noch wahrzunehmen, was sich vor allem hinsichtlich des Nahost-Konflikts zeigt. Auch von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei wird ein antizionistischer Antisemitismus immer offensiver geäußert. Israel wird das Existenzrecht abgestritten und die Politik des jüdischen Staates mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Während die Heftigkeit der Kritik an Israel kaum zu übertreffen ist, wird zu unterdrückerischen Verhältnisse in arabischen Staaten geschwiegen und die Situation im Iran beschönigt. Die Anwendung doppelter Standards
wird durch die Forderung nach Zusammenarbeit mit radikalen Islamisten ergänzt. Auch wenn die offene Kooperation mit Islamisten und Terrororganisationen, wie sie bei der Gaza-Flottille 2010 geschah, noch die Ausnahme darstellt, könnte darin ein Trend manifest werden: der einer links-jihadistischen Querfront.
Aber auch ein anderes Szenario ist denkbar: nachdem die Frankfurter Rundschau Anfang Mai über einige Erkenntnisse, die im vorliegenden Aufsatz formuliert werden, exklusiv vorab berichtet hatte74[lxxvi] und das Thema über mehrere Tage nahezu alle bundesdeutschen und auch einige internationale Medien beschäftigte, wurde der Druck auf die Parteiführung so groß, dass sie sich — nach zunächst vordergründigen Abwehrversuchen in der Öffentlichkei75[lxxvii] — dem Problem des antizionistischen Antisemitismus in den eigenen Reihen annehmen musste. Während »Die Linke« noch bei einer in diesem Kontext eigens anberaumten »Aktuellen Stunde« des Deutschen Bundestages am 25.5.2011 die einzige Partei war, die keine selbstkritischen Töne in Sachen Antisemitismus fand und stattdessen die Kritik aller anderen Parteien und das offensichtliche Problem weit von sich wies,76[lxxviii] führten neuerliche Vorfälle (u.a. eine Vortragsveranstaltung mit Unterstützung der Partei »Die Linke« in Hamburg wenige Tage nach der »Aktuellen Stunde« des Bundestages, bei der laut Ankündigung einer palästinensischen »Einstaaten-Lösung« —also faktisch einer Vernichtung Israels — das Wort geredet werden sollte)77[lxxix] dazu, dass die Bundestagsfraktion der Partei einen einstimmigen Beschluss mit folgender Kernaussage fasste: »Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer ‚Gaza-Flottille‘ beteiligen. Wir erwarten von unseren persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeitern, sich für diese Positionen einzusetzen.78[lxxx]
Die »Einstimmigkeit« kam jedoch nur dadurch zustande, dass mehr als zehn Abge-ordnete der Fraktion, darunter Ulla Jelpke und Annette Groth, direkt vor der Abstim-mung den Raum verlassen hatten79[lxxxi] — was zeigt, wie dominant die Israel feindliche Position in der Bundestagsfraktion der Partei inzwischen geworden ist, wenn schon ein solcher Minimalkonsens nicht mitgetragen wird, wobei sogar Petra Pau — eine der wenigen regelmäßigen Kritikerinnen des antizionistischen Antisemitismus innerhalb der eigenen Partei — darauf hinwies, dass dieser Beschluss lediglich bedeute, dass derartige Parolen künftig nicht mehr unter dem Label der Partei »Die Linke« geäußert werden sollen, was allerdings keineswegs ein »Maulkorb« für die betroffenen Personen sei.80[lxxxii]
Dass die Fraktionsführung einen solchen Beschluss herbeigeführt und durchgesetzt hat, zeigt nichts desto trotz, dass das Problem parteiintern seit kurzem anerkannt wird und der Konflikt, der zum Schlüsselkonflikt der Partei »Die Linke« werden könnte, zumindest nach Monaten des Schweigens nun doch geführt wird. Ob es sich bei der Erklärung der Bundestagsfraktion allerdings letztlich um eine folgenlose Proklamation handelt oder ob diese Erklärung im Falle von Zuwiderhandlungen auch zu Konsequenzen führt (z.B. zu Parteiausschlussverfahren), ist vollkommen offen.
Insofern sind die Auseinandersetzungen innerhalb der Linkspartei nicht entschieden, ja werden seit Anfang Juni 2011 überhaupt erstmals so geführt, dass eine innerparteiliche Kritik am antizionistischen Antisemitismus ernsthaft öffentlich artikuliert wird und das »dröhnende Schweigen« ein Ende hat.81[lxxxiii] Aufgrund der Relevanz der Linkspartei im europäischen Kontext könnte der Ausgang dieser Auseinandersetzung auch folgenschwer für die europäische Linke im Allgemeinen sein. Sollte der antizionistische Antisemitismus am Ende doch die Dominanz behalten, die er seit Mitte des Jahre 2010 hatte, bleibt zu hoffen, dass ein Grundsatz der bisherigen deutschen Politik gewahrt bleibt: Antisemiten können keine Koalitionspartner sein.
Zusammenfassung
In jüngerer Vergangenheit nehmen antisemitische Positionierungen innerhalb der Partei »Die Linke« deutlich zu. Diese Entwicklung, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2010 hatte, wird nachgezeichnet und die Bedeutung eines vor allem antizionistisch ausgerichteten Antisemitismus herausgearbeitet. Die These ist, dass der antizionistische Antisemitismus innerhalb der »Linken« inzwischen zu einer die öffentliche Wahrnehmung dominierenden Position geworden ist. Die besondere Brisanz dieser Positionsverschiebungen innerhalb der PDS- und WASG–Nachfolgepartei besteht darin, dass die »Linke« immer mehr nach Regierungsbeteiligung strebt und so — aufgrund ihres Stimmenpotenzials vor allem im Osten Deutschlands — die Möglichkeit auf die Agenda tritt, dass erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine Partei in Regierungsverantwortung stehen könnte, in der sich eine einflussreiche Strömung affirmativ zum Antisemitismus positioniert.
Since decades the German Left has a problem with the Jewish state of Israel. The anti-Zionist and antisemitic tendencies of the Western German Left and the GDR merged in the party »Die Linke«, that has changed the political system in the last years. The discussion about the Middle East and Israel regularly causes a lot of uproar within the party. Especially after the Gaza Flotilla in May 2010 an antisemitic position seems to have become dominant. As the party has consolidated its position in the German party system and as it is an important political player, the discussion about »Die Linke« is not only interesting in Germany. The party might determine the development of the Left parties in whole Europe.
Samuel Salzborn and Sebastian Voigt, Antisemites as coalitions partners? The Left Party between anti-Zionist Antisemitism and the quest for the capacity to govern.
Organ der Hochreh Politik München 58, Jahrgang Seite 241- 366
Gegründet im Jahre 1907 durch Adolf Grabowsky und Richard Schmidt
Herausgeber: Prof. Dr, Maurizio Bach, UniversItat Passau; Prof, Dr, Franz liniipfle, Universität Augsburg; Prof, Dr. Dr, h.c. Heinrich Oberroutere Universität Passau; Prof. Dr, Dr. Sabine von Schorlemer„Irechnische’ll,niversität Dresden; Prot. Dr. Theo Stummen, Universität Augsburg; Prof. Dr. Rupert Stettner, Universität der Bundeswehr München, Rektor der Hochschule für Politik Miirtche4Prof, Dr. Roland Sturm, Universität Erlangen-Menber Prof. Dr. Hans
ner, Universität München; Prof. Dr. Andreas Wirsehing, UniversitätM nchen; Prof,1Dr, W fdiether Zippel, Technische Universität München
Redaktion! 1.)r. Andreas Vierecke; Hochschule für Politik Münch n
Wissenschafdicher Be•at Prof. Dr, Ulrieh Belt; Prof. Dr, Alain Besanon; Prof. 1)r. Dry h,e. muh. Karl Dietrich eradler; Prof. Pr. Dr, hic. Werner Gummi; Prof. Dr. Dr, h.c. mult, Peter }Jäheric; Prof. Dr., Wilhelm Hennis3 Prof. Dr, Hans Mathias Kep,plinger.; Prof.. Dr, Peter _Graf Nelimosegg; Prof. Dr, Dr, h,c, Gottfried-Karl Kinder tann; Prof. Dr. Dr, h.c. Hermann Lübbe; Prof. Dr, Harvey C, Mansfielet., Prof. Dr. Julian Nida -RUinclinj Prof, Dr. Dr. kr, Dieter Oberndörfer; Prof, Dr, Dr, hic. Hans Jürgen Papier; lit.of, Dr. Fritz Piasser Prof, Roberto.
Raelnarn; Prof. Dr. Alois Riklin; Prof. Dr. Hans Heinrich; P . Manfred G.
Schmidt; Prof. Dr. Charles Taylor; Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig
Inhalt
Eckart Schütrumpf
Aristoteles‘ Essays zur Verfassung — politische Grundkonzeptionen in der
Politik in einer genetisch-analytischen Interpretation. Eine Erwiderung 243
Lucian Kern
Utopischer Utilitarismus
Bernard Bolzano und der Entwurf frühbürgerlicher Institutionen 268
Samuel Salzborn/Sebastian Voigt
Antisemiten als Koalitionspartner?
Die Linkspartei zwischen antizionistischem Antisemitismus und dem Streben
nach Regierungsfähigkeit 290
Zum Thema: Wahlrechtsdebatte in Deutschland
Dieter Nohlen
Zur Reform von Wahlsystemen
Internationale Erfahrungen und der deutsche Fall 310
Stephan Klecha
Zum Zusammenhang von Wahlrechtsreformen und Parteiensystem
Eine Debatte um Henne und Ei 324
Literaturbericht
Robert Chr. van Ooyen
Das Politische der Verfassungsgerichtsbarkeit im Vergleich
[ii] 1 Vgl. exempl. Matthias Brosch/Michael Elm/Norman Geißler/Brigitta Elisa Simbürger/Oliver von Wrochem (Hg.), Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland. Vom Idealismus zur Antiglobalisierungsbewegung, Berlin 2006; Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, 2. erw. Aufl., Frankfurt 1994; Thomas Haury, Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR, Hamburg 2002; Andrei S. Markovits, Amerika, dich haßt sich’s besser: Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa, Hamburg 2004; Lars Rensmann, Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2004.
[iii] 2 Vgl. hierzu ausführlicher Claudia Globisch, Gegenwärtige linke und rechte Semantiken: Zwischen Antisemitismus, antisemitischem Antizionismus und Israelfeindschaft, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.), Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, CD-Rom-Anlage, Frankfurt/New York 2008, S. 55785592.
[iv] 3 Christine Buchholz, »Im Krieg muss sich Die Linke positionieren«. Interview in: junge Welt vom 15.8.2006.
[v] 4 Wolfgang Gehrcke / Jutta von Freyberg / Harri Grünberg, Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahost-Konflikt, Köln 2009; Marcus Hawel 1 Moritz Blanke, (Hg.), Der Nahostkonflikt. Befindlichkeiten der deutschen Linken, Berlin 2010.
[vi] 5 Gregor Gysi, »Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel. Vortrag von Gregor Gysi auf einer Veranstaltung >60 Jahre Israel< der Rosa-Luxemburg-Stiftung« (2008). Dokumentiert auf http://www.hagalii.com/arehiv/2008/04/gysi.htm (Stand: 12.1.2011).
[vii] 6 Das Manuskript dieses Beitrags wurde am 15.6.2011 abgeschlossen. Der weiter unten noch genauer vorgestellte Bundestagsfraktionsbeschluss der Partei »Die Linke« zum Thema Antisemitismus konnte mit Blick auf seine Auswirkungen hier noch nicht berücksichtigt werden, da nicht prognostizierbar ist, ob es sich lediglich um eine folgenlose Proklamation oder den Auftakt für eine substanzielle Auseinandersetzung der Linkspartei mit ihrem Antisemitismusproblem handelt.
[viii] 7 Lars Rensmann, Demokratie und Judenbild, aaO (FN 1).
[ix] 8 Dietmar Bartsch, »Linke will endlich regieren« Interview in: Berliner Zeitung v. 22.12,2010.
[x] 9 Davon unbenommen ist die Tatsache, dass sich in fast allen Parteien der Bundesrepublik in der Geschichte immer wieder auch antisemitische Äußerungen finden, die sich aber von der Situation in der Partei »Die Linke« einerseits dadurch unterscheiden, dass sie niemals zur dominanten Strömung geworden sind und andererseits dadurch, dass ihr Bedeutungszuwachs stets öffentlich diskutiert wurde.
[xi] 10 Vgl. exempl. Eckhard Jesse / Jürgen P. Lang, »Die Linke« — der smarte Extremismus einer deutschen Partei, München 2008; Uwe Jun 1 Henry Kreikenbom / Viola Neu, Kleine Parteien im Aufwind. Zur Veränderung der deutschen Parteienlandschaft, Frankfurt 2006; Andreas Malycha / Peter Jochen Winters, Geschichte der SED. Von der Gründung bis zur Linkspartei, ZfP 58. Jg. 3/2011
[xii] 11 Viola Neu, »Die Linke und Israel« in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.), Der Fall der Berliner Mauer: Die deutsche friedliche Revolution und die folgenden zwei, ahrzehnte, Jerusalem 2009, S. 60-75.
[xiii] 12 Peter Ullrich, »Neuer Antisemitismus von links? Nahostkonflikt, Antizionismus, Antiserni-tismus und Linke in Großbritannien und der Bundesrepublik« in: Berliner Debatte Initial 19, H. 1-2/2008, S. 57-69,
[xv] 13 Siehe hierzu demnächst: Maximilian Imhoff, Antisemitismus in der radikalen Linken. Ergebnisse einer quantitativen Befragung, Frankfurt 2011 (i.V.).
[xvi] 14 Phyllis Chesler, The new anti-Semitisrn. The current crisis and what we must do ahmt it, San Francisco 2003; Bernd Fechler / Gottfried Käßler / Astrid Messerschmidt / Barbara Schäuble, (Hg.), Neue Judenfeindschaft? Perspektiven für den pädagogischen Umgang mit dem globali-sierten Antisemitismus, hgg. im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und der Jugendbegegnungs-stätte Anne Frank, Frankfurt/New York 2006; Walter Laqueur, The changing Face of Antise-mitisrn. From Ancient Times to the Present Day, New York 2006; Doron Rabinovici / Ulrich Speck / Natan Sznaider, (Hg.), Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte, Frankfurt 2004.
[xvii] 15 Philipp Gessler, Der neue Antisemitismus. Hinter den Kulissen der Norrnalität, Freiburg/Basel/ Wien 2004, S. 83ff.; Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke, aaO (FN 1).
[xxi] 18 Klaus Kinner, »Die Linke« — Erbe und Tradition. Teil 1: Kommunistische und sozialdemokratische Wurzeln, Berlin 2010; ders., (Hg.), »Die Linke« — Erbe und Tradition. Teil 2: Wurzeln des Linkssozialismus, Berlin 2010. ZfP 58. Jg. 3/2011
[xxii] 19 Karl Marx, »Zur Judenfrage« (1844) in: MEW 1, Berlin 1970, S. 347-377, hier: S. 372.
[xxiii] 20 Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage, ihre Kritik, ihre Lösung durch den Sozialismus, Wien/Berlin 1931; Walter Mohrmann, Antisemitismus. Ideologie und Geschichte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Berlin 1972.
[xxiv] 21 Vgl. exempl. Edmund Silberner, Kommunisten zur Judenfrage. Zur Geschichte von Theorie und Praxis des Kommunismus, Opladen 1983.
[xxvi] 23 Theodor Herzl, Der Judenstaat, Leipzig/Wien 1896.
[xxvii] 24 Michael Löwy, Internationalismus und Nationalismus. Kritische Essays zu Marxismus und »nationaler Frage«, Köln 1999.
[xxviii] 25 Karl Kautsky, »Rasse und Judentum« (1914) in: Iring Fetscher, (Hg.), Marxisten gegen Anti-semitismus, Hamburg 1974, S. 87-119, hier: S. 104.
[xxxi] 28 Dan Diner, (Hg.), Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt 1996; Theodor W. Adorno / Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Amsterdam 1947,
[xxxii] 29 Vgl. hierzu ausführlicher Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke., aaO (FN 1).
[xxxiii] 30 Wolfgang Kraushaar, Die Bombe im jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005.
[xxxiv] 31 Zit. n. Eike Geisel, Lastenausgleich, Umschuldung, Berlin 1984.
[xxxv] 32 Angelika Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997; Sebastian Voigt, »Das Verhältnis der DDR zu Israel« in: Bundeszentrale für politische Bildung, (Hg.), Dossier 60 Jahre Israel (2008) http://www.bpb.de/thernen/XEBFILO,O,DasVerh%E4ltnis_der_DDR_zu_lsrael.html (Stand: 12.1.2011); Anetta Kaliane / Heike Radvan / Anette Leo, »Das hat’s bei uns nicht gegeben!« Antisemitismus in der DDR: Das Buch zur Ausstellung der Amadeu Antonio Stiftung, Berlin 2010; aus linker Perspektive Kurt Pätzold, Die Mär vom Antisemitismus. Mit dem Begleitbuch zur Wanderausstellung »Das hat es bei uns nicht gegeben! — Antisemitismus in der DDR« beginnt ein neues Kapitel der Anti-DDR-Propaganda, Berlin 2010.
[xxxvi] 33 Kritisch hierzu Detlef Joseph, Die DDR und die Juden: Eine kritische Untersuchung — mit einer Bibliografie von Renate Kirchner, Berlin 2010.
[xxxvii] 34 Zit. n. Wolfgang Wippermann, Faschismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, 7. überarb. Aufl., Darmstadt 1997, S. 21.
[xxxviii] 35 Arno Lustiger, Rotbuch: Stalin und die Juden, Die tragische Geschichte des Jüdischen Antifa-schistischen Komitees und der sowjetischen Juden, Berlin 1998.
[xxxix] 36 Thomas Haury, Antisemitismus von links, aa0 (FN 1).
[xl] 37 Ivo Bozic, »Die Entstehung der Mavi Marmara Linken« in: jungle World vom 5.8.2010.
[xli] 38 Evan F. Kohlmann, »The Role of Islamic Charities in International Terrorist Recruitment and Financing« DIIS Working Paper no 2006/7, Copenhagen 2006.
[xlii] 39 Palestinian Media Watch, Gaza flotillaparticipants created war atmosphere before confronting Israel. Participants chanted Islamic battle cry invoking killing of jews and called for Martyrdom, by Itamar Marcus and Nan Jacques Zilberdik (2010), http://palwatch.org/main.aspx? fi=1578zdoc_ic1=2323 (Stand: 12.1.2011).
[xliii] 40 MFA, Israel invites the international flotilla to unload its cargo in Ashdod port, Press release, Jerusalem 2010, http://w-vvw.mf a.gov.il/MFA/About+the+Ministry/MFA+Spokesni an/2010/ Israel-invites-the-international-flotilla-to-unload-its-cargo-in-Ashdod-port-27- May-2010.htm?88f3ee40 (Stand: 12.1.2011).
[xliv] 41 Michael Borgstede, »Die Brutalität der Blockadebrecher. Immer mehr Details über Ereignisse auf der Gaza-Flottille — Internationale Untersuchungskommission wahrscheinlich« in: Die Welt vom 7.6.2010.
[xlvii] 44 Die Linke, »Pressekonferenz nach der Rückkehr von Inge Höger und Annette Groth aus Israel« (2010), http://w-w-w.youtube.comtwatch?v=uY0c6CZ0MoM (Stand: 12.01.011); kritisch dazu Thomas Vitzthum / Miriam Hallstein / Fabian Wolff, »Wir sind stolz auf Ihren Einsatz. Nach der Kommandoaktion im Mittelmeer dürften sich in der Linken endgültig die radikalen Israel-Kritiker durchsetzen« in: Die Welt vom 2.6.2010.
[xlix] 46 Petra Pau, Brief an die jüdische Gemeinde Bremen vorn 23.6.2010.
[l] 47 Inge Höger / Annette Groth / Norman Paech, Offene Antwort an Petra Pau auf ihren Brief an die Bremer Jüdische Gemeinde, Schreiben vom 14.7.2010.
[lii] 49 Report Mainz, Deutsche Linke in einem Boot mit türkischen Islamisten und Rechtsextremisten, Sendung vorn 7.6.2010, Mitschnitt und Teiltranskript unter http://3m.swr.de/report/-/ id=233454/nid=233454/did=6324366/1deci0w/ (Stand: 12.1.2011.).
[liv] 51 Report Mainz 2010, Deutsche Linke in einem Boot mit türkischen Islamisten und Rechtsextremisten, aa0 (FN 49).
[lv] 52 Ulrich W. Sahm, »Nahostkonferenz im Berliner Reichstag: Halms-Sprecher erhält kein deutsches Visum« in hagalil,com vom 23.10.2006, h t tp ://w wvv.ha galil.c om/0 1 ide/ind ex.php ? itemid=23 (Stand: 12.1.2011).
[lvi] 53 Vgl. »Charta der Hamas« (1988), übersetzt von Matthias Küntzel und R.R.C., in: Jungle World vom 27.11.2002.
[lvii] 54 Christine Buchholz, »Im Krieg muss sich Die Linke positionieren« Interview in: junge Welt vom 15.8.2006.
[lviii] 55 Plenarprotokoll 16/185, S. 19768 D u. 19792 B.
[lix] 56 Plenarprotokoll 16/185, 5. 19792 B. Bundestages, der die elf Linkspartei-Abgeordneten nicht zustimmten
[lxi] 58 Armin Pfahl-Traughber, »Eklatanter Fehlgriff. Politiker der Partei Die Linke beruft sich auf rechtsextreme Publikation« in: blick nach rechts vom 31.5.2010.
[lxii] 59 Sevim Dagdelen, Sie wissen, dass es nicht stimmt. Stellungnahme zum offenen Brief der Pfr. Barbara von Bremen, Pfr. Thomas Sches und Pfr. Thomas Nessel vom 4.2.2010, Pressemit-teilung vorn 5.2.2010; dies., Erklärung zur Rede von Shimon Peres im Bundestag am 27. Januar 2010, Pressemitteilung vom 5.2.2010.
[lxiii] 60 Christine Buchholz, Ich klatsche nicht für ideologische Kriegsvorbereitungen, Pressemitteilung vom 2.2,2010.
[lxiv] 61 Sahra Wagenknecht, Erklärung zur Rede des israelischen Staatspräsidenten Shimon. Peres im Bundestag am 27. Januar 2010, Pressemitteilung vom 1.2.2010.
[lxv] 62 Matthias Meisner, »Linke bekennt sich zum Existenzrecht Israels« in: Der Tagesspiegel vom 21.4.2010.
[lxvi] 63 Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, Position der Fraktion Die Linke zum Nahost-Konflikt vom 20.4.2010.
[lxvii] 65 Hartmut Braun, »Die Linkspartei im Dauerstreit« in: Neue Westfälische vom 30.6.2010.
[lxviii] 66 Erika Zernaitis, Für kulturelle Vielfalt und Gleichbehandlung. Kommentar zum Artikel in der NW am 30.6.2010 zu Abstimmung über zusätzlichen Zuschuss zur Synagoge, Pressemitteilung vom 2.7.2010.
[lxix] 67 Erika Zernaitis, zit. n. Die Linke Herford, Die Linke Herford für ein yesidisches Kulturzentrum, Pressemitteilung vorn 11.4.2010.
[lxx] 68 Erika Zemaitis, Für kulturelle Vielfalt und Gleichbehandlung, aaO (FN 67).
[lxxi] 69 Norbert Holst, »Ein Transparent macht sprachlos. Angst vor Antisemitismus-Welle: Jüdische Gemeinde sucht Gespräch mit dem Senat«, in: Weser-Kurier vom 16.6.2010.
[lxxii] 70 Am Strohmeyer, »So viel Chuzpe macht sprachlos. Offener Brief auf den Weser-Kurier-Artikel vom 16. Juni 2010 über die Demonstration auf dem Bremer Marktplatz gegen Israels Überfall auf den Gaza Schiffskonvoi« (2010), http://www.dielinke-bremen.de/ncipoliük/ak-
[lxxiii] 71 Pascal Beucker, »Antisemitismus bei Duisburger Linkspartei: >Wahrheit macht frei!<« die tageszeitung vom 28.4.2011; Matthias Meisner, »Studie sieht Zunahme von Antisemitismus bei der Linken« Der Tagesspiegel vom 20.5.2011.
[lxxiv] 72 Henryk M. Broder: »Das Problem einer Linken mit lebenden Juden« Welt Online vom 13.5.2011.
[lxxv] 73 Inge Höger, »Vertreibung, Flucht, Besetzung, Blockade — Die Politik Israels von der Nakba bis zur Mavi Marmara« Papier vom 25.1.2011, abrufbar unter http://www.inge–hoeger.de (Stand: 24,5,2011; inzwischen gelöscht),
[lxxvi] 74 Jan-Philipp Hein, »Ein verdrängtes Problem. In der Partei Die Linke äußern sich regelmäßig Antisemiten« in: Frankfurter Rundschau vom 19.5.2011.
[lxxvii] 75 Parteivorstand Die Linke, Linke weist Antisemitismus-Vorwürfe zurück, Pressemitteilung vom 22.5.2011.
[lxxviii] 76 Deutscher Bundestag, 110. Sitzung vom 25.5.2011, TOP ZP 1 Aktuelle Stunde: Untersuchun-gen zu möglichem Antisemitismus in der Partei Die Linke.
[lxxix] 77 Palästina Arbeitskreis mit Unterstützung von Die Linke und dem Hamburger Forum für Völ-kerverständigung und weltweite Abrüstung, Die Einstaatenlösung. Einladungsschreiben zu ei-ner Diskussions- und Informationsveranstaltung (Flugblatt), Hamburg 2011.
[lxxx] 78 Die Linke Bundestagsfraktion: Entschieden gegen Antisemitismus, Pressemitteilung vom 8.6.2011.
[lxxxi] 79 Jan-Philipp Hein, »Linke vor Spaltung?« in: Frankfurter Rundschau vom 10.6.2011.
[lxxxii] 80 Petra Pau: Linke und Antisemitismus. Klarstellung war überfällig, Pressemitteilung vom 11.6.2011.
[lxxxiii] 81 Philip Kuhn, »Studie enthüllt Antisemitismus in der Linkspartei« in: Die Welt vom 19.5.2011.
Be patient, work hard, follow your passions, take chances and don’t be afraid to fail.
Die Kontrolle über die unkontrollierte Masseneinwanderung haben sich Einwanderer erkämpft.
Es gilt die Gesinnung, nicht die Realität«Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus.» – Ignazio Silone
«Antifa ist die linke Ausprägung des Faschismus. Sie ist also selbst das, was sie vorgibt zu bekämpfen.»
Sklaven träumen nicht davon, freie Menschen, sondern Sklavenhalter zu werden.
„Wer widerspricht, wird nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht.“ – Norbert Bolz
„Die Sprache ist im Guten wie im Schlechten nicht mehr Medium der Erkenntnis, sondern der kulturellen Hegemonie. (..) Wo sich statt Antagonismen Spannungsfelder auftun, hat der Geist bereits kapituliert. (…) Eine Welt, in der alle einander wechselseitig als kompatibel anerkennen und stets »das Gemeinschaftliche im Auge behalten«, kann schwerlich etwas anderes als die Hölle auf Erden sein. (…) Die Beliebigkeit ist also nicht harmlos, sondern hat hier wie auch sonst ein bestimmtes Ziel: die Zerstörung individueller Urteilskraft zugunsten einer Logik der »Anerkennung«, in der jeder Lüge Recht gegeben und jede triftige Erkenntnis in die Schranken ihres »Standorts« verwiesen wird.“ – Magnus Klaue
„Hochverrat ist eine Frage des Datums“ – Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord
Die Skandalisierung eines Skandals ist eine in deutschen Medien meisterhaft beherrschte Disziplin.
„Es ist eine alte Weisheit, dass Macht stets die Verführung mit sich bringt, sie zu missbrauchen.“ – Wolfgang Schmidbauer
„C.G.Jung war ein psychoanalytischer Faschist, ein faschistisch schäumender Psychoanalytiker. “ – Ernst Bloch
„Die tatsächlich bestehenden und einsichtigen Leuten schon längst bekannten Verschiedenheiten der germanischen und jüdischen Psychologie sollen nicht mehr verwischt werden, was der Wissenschaft nur förderlich sein kann“ (…) „Die Gesellschaft (die Internationale Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie (IAÄGP). Anm.JSB) setzt von allen ihren schriftstellerisch und rednerisch tätigen Mitgliedern voraus, daß sie Adolf Hitlers grundlegendes Buch ›Mein Kampf‹ mit allem wissenschaftlichen Ernst durchgearbeitet haben und als Grundlage anerkennen. Sie will mitarbeiten an dem Werke des Volkskanzlers, das deutsche Volk zu einer heroischen, opferfreudigen Gesinnung zu erziehen.“ C.G.Jung
„Ich weiß nicht, was passieren muss, bis endlich was passiert.“ „Ulrike Maria Stuart“ von Elfriede Jelinek
„Auch der sublimste erkenntnistheoretische Idealismus führt unweigerlich zum Solipsismus, zur Vergottung des Ichs, einer Elite, einer Rasse und endet schließlich im blutigsten Imperialismus.“ John F. Rottmeister
„Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist.“ – Angela Merkel
Psychoanalyse ist eine Erhebung über die Situation. Von oben hat man bessere Aussicht.
„Kritische Theorien, wie die Freudsche, artikulieren eine Erfahrung, die mit den jeweils herrschenden Denk- und Wahrnehmungsweisen unvereinbar ist. Gerade in dem, was der Konvention als unbrauchbar, als Abfall gilt und wovon in Wissenschaft und Lebenspraxis methodisch abgesehen wird, entdecken die Revolutionäre der Denkart das Neue, das ei¬ne bestehende Einrichtung des Lebens in Frage stellt. Indem sie an das Ausgegrenzte und erfolgreich Vergessene erinnern, markieren sie den Mangel der Ordnung, die über dem Grab der verworfenen Alternativen triumphierend sich erhebt. Und das dem Status quo verschworene Kollektiv stempelt solche Alchimisten, die aus Dreck Gold zu machen schei¬nen, stets zu Außenseitern6 . Aus der Erfahrung dessen, was den vorherrschenden, institutionalisierten Zwecken widerstrebt, erschüttern die Neuerer deren fraglose Geltung.“ – Helmut Dahmer
Die Umwälzung nach 1945 führte nicht zur Überwindung des Nationalsozialismus als Ideologie der deutschen Volksgemeinschaft, sondern rief lediglich die eitle Illusion hervor, daß mit der Kritik am Nationalsozialismus das nationalsozialistische Dünken selbst und seine innere Konflikthaftigkeit mit dem Judentum überwunden sei.
„Wie es Tatbestände gibt, die die Sinne in die Irre führen, wie im Fall der optischen Täuschung, so gibt es welche, die die unangenehme Eigenschaft haben, dem Intellekt Schlüsse zu suggerieren, die gleichwohl falsch sind.“ – Christoph Türcke
Das Geschlecht ist ein sozialer Konstrukt? Berg, Tal, See und das Meer auch!
Bereits Marx diagnostizierte den Deutschen das Umkippen von Ideologie in Wahn und Lüge. Wie gegenwärtig der Fall ist, neigen die Deutschen zu Ausbrüchen des kollektiven Wahns, der Massenpsychose mit zunehmendem Realitätsverlust. Der Wahn ist kurz, die Reue lang, pflegte meine Großmutter zu sagen.
Nach dem I. Psychosputnik-Gesetz verwandelt sich der frei florierende Zynismus ab gewissem Verdichtungsgrad seiner Intensität in hochprozentige Heuchelei, analog zu einer atomaren Kernschmelzereaktion. Diesen Prozess der zunehmenden Zynismuskonzentration mit anschliessender Explosion der Heuchelei kann man sehr deutlich gegenwärtig in Deutschland beobachten. Das Denken ist weggeblasen, pulverisiert, das (Hoch)Gefühl ist voll an seine Stelle getreten.
»Indem (der gesunde Menschenverstand) sich auf das Gefühl, sein inwendiges Orakel, beruft, ist er gegen den, der nicht übereinstimmt, fertig; er muß erklären, daß er dem weiter nichts zu sagen habe, der nicht dasselbe in sich finde und fühle; – mit anderen Worten, er tritt die Wurzel der Humanität mit Füßen. Denn die Natur dieser ist, auf die Übereinkunft mit anderen zu dringen, und ihre Existenz nur in der zustande gebrachten Einheit der Bewußtseine. Das Widermenschliche, das Tierische besteht darin, im Gefühle stehenzubleiben und nur durch dieses sich mitteilen zu können.« – G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes
„Die Verschleierung eigener Positionen durch Zitate und Zitatselektion dient dazu, eigene Positionen unkenntlich zu machen.“ – Ursula Kreuzer-Haustein
„Die Neurose ist das Wappen der Kultur.“ – Dr. Rudolf Urbantschitsch, Seelenarzt; „Sehr schön, aber es laufen derzeit schon weit mehr Heraldiker als Adelige herum.“ – Karl Kraus, Schriftsteller
„Zuerst verlieren die Menschen die Scham, dann den Verstand, hernach die Ruhe, hierauf die Haltung, an der vorletzten Station das Geld und zum Schluß die Freiheit.“ – Karl Kraus
„Ausbeutung heißt Beute machen, sich etwas durch Gewalt aneignen, was nicht durch eigene Arbeit geschaffen wurde, sich etwas nehmen, ohne Gleichwertiges zurückzugeben“ – Maria Mies
»Die Psychoanalyse ist eine Panne für die Hierarchie des Denksystems« – Pierre Legendre
Psychoanalyse entwickelt sich nicht weiter, weil sie nicht angewandt wird, es wird nur über sie gesprochen.
»Sie wissen, daß der Kampf des wissenschaftlichen Geistes gegen die religiöse Weltanschauung nicht zu Ende gekommen ist, er spielt sich noch in der Gegenwart unter unseren Augen ab … Die erste Einwendung, die man hört, lautet, … die Wissenschaft ist zur Beurteilung der Religion nicht zuständig. Sie sei sonst ganz brauchbar und schätzenswert, solange sie sich auf ihr Gebiet beschränkt, aber die Religion sei nicht ihr Gebiet, da habe sie nichts zu suchen … Die Religion darf nicht kritisch geprüft werden, weil sie das Höchste, Wertvollste, Erhabenste ist, was der menschliche Geist hervorgebracht hat, weil sie den tiefsten Gefühlen Ausdruck gibt, allein die Welt erträglich und das Leben lebenswürdig macht … Darauf braucht man nicht zu antworten, indem man die Einschätzung der Religion bestreitet, sondern indem man die Aufmerksamkeit auf einen anderen Sachverhalt richtet. Man betont, daß es sich gar nicht um einen Übergriff des wissenschaftlichen Geistes auf das Gebiet der Religion handelt, sondern um einen Übergriff der Religion auf die Sphäre des wissenschaftlichen Denkens. Was immer Wert und Bedeutung der Religion sein mögen, sie hat kein Recht, das Denken irgendwie zu beschränken, also auch nicht das Recht, sich selbst von der Anwendung des Denkens auszunehmen … Eine auf die Wissenschaft aufgebaute Weltanschauung hat außer der Betonung der realen Außenwelt wesentlich negative Züge, wie die Bescheidung zur Wahrheit, die Ablehnung der Illusionen« (Freud, 1933, S. 182 ff. und S. 197).
„Freuds »Religions«-Kritik galt den »Neurosen« genannten Privatreligionen (Heiraten, romantische Liebe, Gier, Ethik und Moral, etc. Anm. JSB) ebenso wie den kollektiven (Nation, Gutmenschen, Sport, etc. Anm. JSB);“ – Helmut Dahmer
Freud prognostizierte, die bestehende Gesellschaft werde an einem Übermaß nicht absorbierbarer Destruktivität zugrundegehen. (sofern nicht »Eros« interveniere (Eros ist nicht Ficken, sondern Caritas. Anm. JSB)).
„Wer dem Kult der »Werte« frönt, kann unsanft erwachen, wenn im Kampf der Klassen und Parteien, von dem er sich fernhält, Gruppen obsiegen, auf deren Programm eine »Umwertung der Werte«, z. B. die Aufwertung von »Unwerten« steht.“ – Helmut Dahmer
»Hinsichtlich der allgemeinen nervlichen Belastung wirkte die Lage im Dritten Reich auf den psychischen Zustand des Volkes ziemlich ambivalent. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß die Machtergreifung zu einer weitverbreiteten Verbesserung der emotionalen Gesundheit führte.Das war nicht nur ein Ergebnis des Wirtschaftsaufschwungs, sondern auch der Tatsache, daß sich viele Deutsche in erhöhtem Maße mit den nationalen Zielen identifizierten. Diese Wirkung ähnelte der, die Kriege normalerweise auf das Auftreten von Selbstmorden und Depressionen haben. (Das Deutschland der Nazizeit verzeichnete diese Erscheinung zweimal: nämlich 1933 und 1939.) Aber gleichzeitig führte das intensivere Lebensgefühl, das von der ständigen Stimulierung der Massenemotionen herrührte, auch zu einer größeren Schwäche gegenüber dem Trinken, Rauchen und Vergnügungen« – Richard Grunberger
Von Anfang an hatte Hitlers Regime auch den Anstrich der Rechtmäßigkeit
„Die psychiatrischen Truppen der »kaiserlichen deutschen Psychiatrie« (Alexander und Selesnick, 1966, S. 214) jedoch, die 1914 ins Feld zogen, bekriegten immer noch die Krankheit, den äußeren Eindringling in ein gesundes System, und nicht die Neurose, das innere Ungleichgewicht zwischen Psychodynamik, Umwelt und Geschichte.“ – Geoffrey C. Cocks (Diese Einstellung herrscht bis heute in der deutschen Psychotherapie und findet explosionsartige Vermehrung im KOnzept der sog. „Traumatisierung“. Anm- JSB)
Der Plural hat kein Geschlecht.
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ -Albert Einstein
„Der psychoanalytische Beitrag zur Sozialpsychologie der jüngsten Vergangenheit (und Gegenwart Anm.JSB) und ihrer Verarbeitung ist heute ebenso unerwünscht wie die Libidotheorie zu Anfang des Jahrhunderts.“ – I.Kaminer
»Ein böses und nur durch Unkenntnis gerechtfertigtes Mißverständnis ist es, wenn man meint, die Psychoanalyse erwarte die Heilung neurotischer Beschwerden vom >freien Ausleben< der Sexualität. Das Bewußtmachen der verdrängten Sexualgelüste in der Analyse ermöglicht vielmehr eine Beherrschung derselben, die durch die vorgängige Verdrängung nicht zu erreichen war. Man kann mit mehr Recht sagen, daß die Analyse den Neurotiker von den Fesseln seiner Sexualität befreit.« – Sigmund Feud, Gesammelte Schriften«, Band XI, S. 201 ff.)
Liebe: nur bestenfalls eine Mutter akzeptiert ihr Kind, so wie es ist, ansonsten muß man Erwartungen anderer erfüllen, um akzeptiert zu werden.
Früher galt als mutig, wer ein Revolutionär war, heute reicht es schon, wenn einer seine Meinung behält.
“Jeder fünfte Bewohner des Westjordanlandes ist ein israelischer Siedler”, greint die Generaldelegation Palästinas heute auf ihrer Homepage. Und jeder fünfte Bewohner Israels ist ein palästinensischer Araber. So what?
Nonkonformistische Attitüde und affirmative Inhalte – einer Kombination, die schon immer die linksdeutsche Ideologie gekennzeichnet hat. – Stephan Grigat
Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein soziales Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein soziales Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.
„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .
Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.
„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.
Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären Staat.
„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die
vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das
lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die
Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße
Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der
vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision
endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,
ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)
„Historische Wahrheit wird nach dem Modell von Meinungsumfragen vorgestellt;
kein Sample jedoch wird je repräsentativ genug sein,
um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.
Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der
Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu
scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der
allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn
Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.
Der Himmel, wenn er sich schon öffnet, zitiert sich am liebsten selbst.
Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.
Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel
Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)
Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an.Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand:Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –
Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus.Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS
„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl
„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)
„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“ – Max Horkheimer
„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten
Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.
Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.
„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk
„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk
„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno
„Ich bin eine Feministin. Das bedeutet, daß ich extrem stark behaart bin und daß und ich alle Männer haße, sowohl einzelne als auch alle zusammen, ohne Ausnahmen.“– Bridget Christie
„Die Tragödie isolierter persönlicher Leidenschaften ist für unsere Zeit zu fade. Aber weshalb? Weil wir in einer Epoche der sozialen Leidenschaften leben. Die Tragödie unserer Epoche ist der Zusammenstoß der Persönlichkeit mit dem Kollektiv.“ – LeoTrotzki 1923
They are the samewho claimthe sex/genderwould not bebiologicallyinnate, butonlyasocialconstruct, andat the same timethathomosexualitywas not asocialconstruct, butbiologicallyinnate.
„Reasonandrationalityarechance-less than everinthistotallymediatisedworld. An unpleasanttype„Sniper“ terrorizedsociety. Hiscurrent weapon: Thephobiaaccusation.“ – Bettina Röhl
„AShitstormhas also itspositiveside. Aspolitically correctmanure it isusuallythrowninthe direction oforiginality, creativity and intelligence, she fliesoftentopeople whoare really worth to read.“ – Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out, only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
„We needdamagedbuildings, so you can seethroughtheircrackedwallsto winat least one viewpoint to startto begin to think.“ –VictorTausk
„What good is health if you are an idiot then?“ – Theodor Adorno
„What one must be judged by, scholar or no, is not particularised knowledge but one’s total harvest of thinking, feeling, living and observing human beings.“ (…) „While the practice of poetry need not in itself confer wisdom or accumulate knowledge, it ought at least to train the mind in one habit of universal value: that of analysing the meanings of words: of those that one employs oneself, as well as the words of others. (…) what we have is not democracy, but financial oligarchy. (…) Mr. Christopher Dawson considers that “what the non-dictatorial States stand for today is not Liberalism but Democracy,” and goes on to foretell the advent in these States of a kind of totalitarian democracy. I agree with his prediction. (…) That Liberalism is something which tends to release energy rather than accumulate it, to relax, rather than to fortify. (…) A good prose cannot be written by a people without convictions. (..) The fundamental objection to fascist doctrine, the one which we conceal from ourselves because it might condemn ourselves as well, is that it is pagan. (..) The tendency of unlimited industrialism is to create bodies of men and women—of all classes—detached from tradition, alienated from religion and susceptible to mass suggestion: in other words, a mob. And a mob will be no less a mob if it is well fed, well clothed, well housed, and well disciplined. (…) The rulers and would-be rulers of modern states may be divided into three kinds, in a classification which cuts across the division of fascism, communism and democracy. (…) Our preoccupation with foreign politics during the last few years has induced a surface complacency rather than a consistent attempt at self-examination of conscience. (…) What is more depressing still is the thought that only fear or jealousy of foreign success can alarm us about the health of our own nation; that only through this anxiety can we see such things as depopulation, malnutrition, moral deterioration, the decay of agriculture, as evils at all. And what is worst of all is to advocate Christianity, not because it is true, but because it might be beneficial. (…) To justify Christianity because it provides a foundation of morality, instead of showing the necessity of Christian morality from the truth of Christianity, is a very dangerous inversion; and we may reflect, that a good deal of the attention of totalitarian states has been devoted, with a steadiness of purpose not always found in democracies, to providing their national life with a foundation of morality—the wrong kind perhaps, but a good deal more of it. It is not enthusiasm, but dogma, that differentiates a Christian from a pagan society.“ (…) It would perhaps be more natural, as well as in better conformity with the Will of God, if there were more celibates and if those who were married had larger families. (…) We are being made aware that the organisation of society on the principle of private profit, as well as public destruction, is leading both to the deformation of humanity by unregulated industrialism, and to the exhaustion of natural resources, and that a good deal of our material progress is a progress for which succeeding generations may have to pay dearly. I need only mention, as an instance now very much before the public eye, the results of “soil-erosion”—the exploitation of the earth, on a vast scale for two generations, for commercial profit: immediate benefits leading to dearth and desert. I would not have it thought that I condemn a society because of its material ruin, for that would be to make its material success a sufficient test of its excellence; I mean only that a wrong attitude towards nature implies, somewhere, a wrong attitude towards God, and that the consequence is an inevitable doom. For a long enough time we have believed in nothing but the values arising in a mechanised, commercialised, urbanised way of life: it would be as well for us to face the permanent conditions upon which God allows us to live upon this planet. And without sentimentalising the life of the savage, we might practise the humility to observe, in some of the societies upon which we look down as primitive or backward, the operation of a social-religious-artistic complex which we should emulate upon a higher plane. We have been accustomed to regard “progress” as always integral; and have yet to learn that it is only by an effort and a discipline, greater than society has yet seen the need of imposing upon itself, that material knowledge and power is gained without loss of spiritual knowledge and power. “ – T.S.Eliot
“I am a feminist. All this means is that I am extremely hairy and hate all men, both as individuals and collectively, with noexceptions.” – Bridget Christie
Als Aufklärung gilt gemeinhin die schwarze Kunst, Leuten etwas beizubiegen, die überhaupt gar nichts begreifen wollen, weil sie sich längst schon entschieden haben, rundum informiert zu sein und allseits Bescheid zu wissen. Die marxistische Spielart dessen: Dialektik, die als große Methode in Anschlag gebracht wird, verfährt zwar mit dem Objekt ihrer pädagogischen Begierde, der Arbeiterklasse, mit deren “An sich” und “Für sich” sie jongliert, auch nicht anders als jeder Studienrat, der die Goofen zu Staatsbürgern dressiert. Aber der marxistoide Mittelsmann hat dafür ein blitzblankes Gewissen, d.h. eine historische Mission, was naturgemäß dann am schlimmsten sich auswirkt, wenn er sich der Popularisierung des Marxschen Hauptwerkes widmet, dem “Kapital”. Wenn der Röntgenblick des Theoretikers Marx sich zuwendet, wenn das Bedürfnis, hinter die Kulissen der Erscheinungswelt zu gucken, übermächtig wird, wenn er gar versucht, seine höhere Einsicht nach den Maßgaben des gesunden Menschenverstandes plausibel zu machen – dann ist das Erste, was regelmäßig auf der Strecke bleibt, ausgerechnet der Untertitel des Werkes, der die “Kritik der politischen Ökonomie” verspricht und damit diskret andeutet, daß es hier nichts zu verstehen, sondern etwas bestimmt zu begreifen, d.h. gesellschaftlich abzuschaffen gilt. Und so betrügt der Theoretiker sein Publikum allererst um die (wenn auch negative) kommunistische Egalität, die im kollektiven gesellschaftlichen Unverständnis der Vergesellschaftung durchs Kapital angelegt ist, d.h. um die Erfahrung, daß es sich als objektiv irrational und widervernünftig darstellt.
Marx ist unter die Rechthaber gefallen. Seit das Kapital abermals vom Gespenst seines definitiven Zusammenbruchs sich verfolgt fühlt, boomt das Theorie-Gewerbe und nicht nur die Linksdeutschen überbieten sich gegenseitig mit Produkten wie “Warum Marx recht hat” oder “Wo Marx Recht hat”, grübeln nachhaltig “Hatte Karl Marx doch recht?”, konstatieren frech “Warum Marx unrecht hat” oder schwelgen selig in der Gretchenfrage “Feiert Marx sein Comeback?” [ 1 ] Es geht unter den Intellektuellen zu wie auf einer großen Auktion – und man muß gewiß die These riskieren, daß die Inflation volkstümelnder Marx-Einführungen ein untrügliches Indiz kommender historischer Katastrophen darstellt. [ 2 ] Denn die Sucht, “Das Kapital” als eine Theorie sich verständlich zu machen (und d.h.: es aus “Arbeit” abzuleiten), stellt die nur akademische Schauseite eines mit allen Wassern gewaschenen und gesalbten Etatismus dar, eines seit Lassalle und Lenin grassierenden Staatlichkeitswahns also, der unter der gesellschaftsnotwendigen Halluzination leidet, der Souverän könne, unter die Leitung der Marxistoiden gestellt, das kapitale Unwesen derart kurieren, daß endlich “der Kapitalismus seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird”, so Sahra Wagenknecht [ 3 ] , denn, sekundiert eilfertig die FAZ, “die Gefahr einer Entkoppelung des Finanzsektors von der Realwirtschaft ist in der Tat eine Achillesferse des Kapitalismus.” [ 4 ]
Im höheren Auftrag des Souveräns liquidieren die Linksdeutschen Begriff und Sache der Kritik, damit den kategorischen Imperativ, man habe sich gefälligst an Vernunft und Wahrheit zu orientieren, und substituieren ihn durch die Verpflichtung auf Verstand und Schlauheit. Denn “Kritik” meint allerdings – und dies Programm hatte Marx schon in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie auf den Weg gebracht – nicht den “halbherzigen Gegensatz zu den Konsequenzen, sondern den allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen des deutschen (!) Staatswesens” [ 5 ] , insbesondere zu seiner als “Volkswirtschaft” verniedlichten Ausbeutungs- wie zu seiner als “Volkssouveränität” angehimmelten Herrschaftspraxis.Zu begreifen ist, daß der Begriff dieser an sich selbst widersinnigen, daher unvernünftigen Sache, keineswegs Definition sein kann, sich weder im Zuge von Multiple-Choice-Verfahren noch von Meinungsumfragen ergibt, nicht via Lehrplan vermittelt noch abiturmäßig abgefragt werden kann, sondern vielmehr, daß der Begriff des Kapitals dessen Aufhebung resp. Abschaffung bedeutet.Denn die Menschheit wird “Das Kapital” erst dann verstanden haben, wenn es das Kapital nicht mehr gibt und man das Buch endlich nicht mehr lesen muß.Daraus folgt erstens: sein Begriff kann unmöglich ein theoretischer sein, sondern nichts anderes als die durchgeführte “freie Assoziation” selbst, und zweitens: es wäre unsachlich, das Kapital nicht polemisch zu behandeln.Unterm Diktat des “wissenschaftlichen Sozialismus” allerdings betrügen die Intellektuellen sich und ihr Publikum gewerbsmäßig um die Einsicht, daß die kommunistische Kritik vor dem Kommunismus so unbeweisbar wie nach der Revolution schlicht überflüssig ist. Diese ‘Position’ ist so dialektisch, daß sie über die Hutschnur geht.
Seit allerdings Friedrich Engels die Marxsche Kritik des Kapitals als die “Bibel der Arbeiterklasse” [ 6 ] auslobte, ist das Werk unter die säkularisierten Theologen gefallen, d.h. zur Beute der Akademiker und zum Koran der Linksintellektuellen geworden. Kritik ist ihnen Hekuba [ 6a ] (d.h. egal. Anm. JSB), nach Begriff und Sache. Und so lesen sie das Buch als Theorie der kapitalistischen Entwicklung und als alternatives Handbuch der Volkswirtschaftslehre. Folgerichtig ist die Geschichte der Versuche, “Das Kapital” nach Maßgaben des Common sense zu popularisieren, gemeinverständlich aufzubereiten und häppchenweise zur ideologischen Verköstigung zu servieren, nicht nur die Geschichte der systematischen Verfehlung seines Gegenstandes, sondern zugleich eine Chronik fortgesetzter Ersatzhandlungen, und nicht umsonst praktiziert sich diese volkstümliche Zurichtung der Kritik oft über die Ausmerzung der Fremdworte. Nun hat die “Generation Facebook” diese Erbschaft angetreten, und, finanziert natürlich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und zu Zwecken der Linkspartei sowie ihrer ideologischen Staatsapparate, “Das Kapital” auf das Niveau ihres eigenen Infantilismus heruntergezwungen: Marx zum Anglotzen, d.h. im Power-Point-Format, als Treibsatz der sog. Kapital-“Lektüre-Bewegung”. [ 7 ]
Das von Valeria Bruschi u.a. mit freundlicher Unterstützung des Berliner Marxistoiden Michael Heinrich erarbeitete Machwerk PolyluxMarx. Bildungsmaterial zur Kapital-Lektüre. Erster Band ist von Anfang bis Ende eine Katastrophe, darin aber zugleich die objektive Bilanz eines mehr als 100jährigen fleißigen Popularisierungsgewerbes, das 1873 mit Johann Mosts Buch Kapital und Arbeit. Das ‘Kapital’ in handlicher Zusammenfassung begann (das Marx, leider vergeblich, zu verhindern suchte), und das mit Karl Kautskys Marx’ ökonomische Lehren (1886) und Louis Althussers Das ‘Kapital’ lesen (1968) leider noch lange nicht am Ende war, sondern sich in Traktaten wie Elmar Altvaters Kapital.doc (1999) und neuerdings Marx neu entdecken (2012) oder Michael Heinrichs Wie ‘Das Kapital’ lesen? in die Gegenwart fortschleppt. Die systematische Verfehlung der Marxschen Kritik beginnt stets am Anfang und mündet in die immer gleiche, den Akademismus stimulierende Ersatzhandlung. Die falsche Frage ist, spätestens seit Lenin [ 8 ] , selbst zum Dogma geworden, und Bruschi u.a. formulieren sie so: “Warum beginnt Marx seine Analyse mit der Ware?” (S. 13) Damit steht glücklich zugleich das Resultat fest: “Das Marxsche Werk ist eine analytische Baustelle, ein Torso, also alles andere als eine abgeschlossene, kohärente und zu Ende gedachte Theorie.” (ebd.).
Wunderbar! Es soll sich also um ein Forschungsprogramm handeln, und Materialismus soll daher wohl sein das Bemühen, logische Stringenz, theoretische Kohärenz, klippklare Definitionen und politischen Konsens zu erzeugen! Da hilft es auch nicht, daß “PowerPoint-Folie 1” den ersten Satz des “Kapital” zeigt und dazu auffordert, “den Satz von einer Person laut vorlesen und von anderen in eigenen Worten wiedergeben zu lassen” (S. 25), auch nicht, daß überall “Fragespeicher” und “Raum für eigene Notizen” angeboten werden. Denn wie soll der erste Satz des “Kapital” verstanden werden, wenn mit der “Kritik der politischen Ökonomie” angeblich “ein ganzes Theoriefeld” (S. 21) eröffnet wurde, das der akademische Bauer zu beackern hat? Wenn es sich nicht um Begriffe handelt, sondern um Worte? Um Phrasen also, die jeder je nach Gusto, aber so originell wie möglich erbrechen können soll? Denn dieser erste Satz lautet ja: “Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‘ungeheure Warensammlung’, und die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.” [ 9 ] Der Kommentar der PowerPointler merkt sogleich an, dies “kläre noch nichts”, sondern solle “erstmal nur für bestimmte Begriffe sensibilisieren” (S. 25), und man mag sich vorstellen, wohin der Versuch führen wird, all dies “in eigenen Worten wiederzugeben”, wenn schon der Unterschied zwischen Wort und Begriff liquidiert wurde: bestenfalls in den wissenschaftlichen Beirat von Sahra Wagenknecht.
Warum bloß können Marxisten nicht lesen, wollen es auch partout nicht lernen? Denn “Das Kapital” beginnt ja, “PowerPoint-Folie 1” zeigt es, mit dem Reichtum, keineswegs mit der Ware, und außerdem unterscheidet Marx im Interesse der Kritik noch zwischen dessen “Untersuchung” und dem, was er “Analyse” nennt. Es geht also um die Konstitution der Ware, um ein Gesellschaftsverhältnis, das das Objekt einer zuerst “Untersuchung”, sodann “Analyse” genannten intellektuellen Operation erst stiftet, und d.h.: mit deren Mitteln offenkundig nicht einholbar oder gar: denkbar ist. Wo es der Kritik um die Konstitution des Reichtums in seiner kapitalistischen, d.h. selbstnegatorischen Form zu tun ist, um den Skandal seiner Konstitution, die ihn nötigt, als das gerade Gegenteil seiner selbst zu “erscheinen”, da widmet sich die Analyse der Weise, wie das Kapital diesen Widerspruch ausagiert, d.h. in Antinomien sich bewegt, um seines eigenen Begriffs auch praktisch inne zu werden: ein ebenso zwanghaft notwendiges wie vollendet sinnloses Unterfangen, das allerdings Weltgeschichte gemacht hat. Polylux Marx löst dies auf, indem es das Publikum zum einen um die Unterscheidung von Kritik, Untersuchung und Analyse betrügt, es zum anderen damit beschäftigt, sich wie ABC-Schützen von einer “Ebene der Darstellung” (S. 49) zur nächsten zu hangeln. Nicht nur, daß die marxsche Kritik als ein Unternehmen denunziert wird, das vom Abstrakten zum Konkreten aufsteige, nicht allein, daß die Luxemburg-Stiftung glauben machen will, die Verfolgung der Antinomie, die den Anfang setzt, könne je in “Theorie” münden statt in der Abschaffung eines Gesellschaftszustandes, der die Individuen unter den logischen Denkzwang des Entweder-Oder setzt und damit systematisch um die Einsicht betrügt, daß der Wert ein Sowohl-als-auch darstellt, das als Entweder-Oder-Verhältnis nur zu erscheinen und zu sein vermag – als genüge dies alles nicht, wird das Publikum “zunehmend facettenreicher” mit der Frage bedrängt, “welche Strukturprinzipien, Funktionsweisen und Handlungsrationalitäten den Kapitalismus zum Kapitalismus machen” (S. 13), bis es sich seiner Infantilisierung ergibt und, endlich auf der “Ebene” der einfachen Warenzirkulation angelangt, allerlei “szenischen Auflockerungen” sich hingibt: Dort darf man zuschauen, wie der Liebeskummer an der Leinwand nagt: “Ich bin etwas wert, aber ich habe nichts und niemanden, der meinen Wert ausdrücken würde. Lieber Rock, bitte drück’ meinen Wert aus.” Darauf der Rock (leicht grummelig, und man darf nur hoffen, daß die “Sender-Empfänger-Hierarchie im Raum” (S. 6) der “geschlechtlichen Quotierung der Redner_innen” (S. 10) gerecht wird): “Na gut. Du weißt, daß ich das nicht mag, weil dann niemand mich als Rock will, sondern nur als Deinen doofen Wertausdruck.” Worauf die Leinwand erleichtert säuselt: “Das ist nett von Dir. Dann habe ich endlich etwas gefunden, und jeder kann jetzt sehen, was ich wert bin: 1 Rock” (S. 49). [ 10 ]
Da es Polylux Marx nicht um die Sache selbst geht, d.h. um die Selbstnegation der Gattung in einem Herr-Knecht-Verhältnis, das sich selbst als Zusammenhang von nichts als egalen Subjekten darstellt und darin die negative Qualität dieser Gesellschaft als Klassenkampf um die Quantität der erst als Geld, sodann als Kapital erst dinglich, dann prozessierend erscheinenden Vermittlung durch den Wert ausdrückt und reproduziert, kann man sich im folgenden und systematisch um all jene Passagen des Kapital drücken, in denen die “Analyse” vor ihrem Gegenstand kapituliert und zu Metaphern greift wie “Transsubstantion” oder gar “automatisches Subjekt”. Derlei überschreitet den theoriesüchtigen Verstand, weil es ein an sich selbst und daher für uns widersinniges Verhältnis angreift, als “sinnlich-übersinnlich” denunziert und ergo kritisiert. Der etatistische Wahn, der Wert aus der Arbeit “abzuleiten” [ 11 ] und den Proleten das klassenbewußte Wahlverhalten beizubringen, geht schnurstracks über den tatsächlichen Sachverhalt hinweg, wonach “die Arbeit”, als von der Wertform als kapitalproduktiv gesetzte Lebensäußerung, allenfalls die Wertgröße bestimmt, keineswegs den Wert selbst als die Vermittlung der falschen Gesellschaft konstituiert. Was etwa, so Marx, “die Auffassung des Geldes in seiner vollen Bestimmtheit als Geld besonders schwierig macht … ist, daß hier ein Gesellschaftsverhältnis, eine bestimmte Beziehung der Individuen aufeinander, als ein Metall, eine rein körperliche Sache außer ihnen erscheint” [ 12 ] , ist den Polylux Marx-Pädagogen nicht der Rede wert, denn der Gedanke, ein Verhältnis könne sich aus sich selbst verdinglichen um überhaupt gesellschaftliche Geltung gewinnen zu können, d.h. sein “Wesen” nur zu haben, indem es in dessen “Erscheinung” restlos aufgeht, liegt im Jenseits jeder nur möglichen Theorie. Sie flüchten sich stattdessen in staatstragende Pädagogik, die ihnen schon als halbe Miete der Praxis gilt und diskutieren lieber über das Geschlecht des Kapitals und über die grundstürzende Frage “In, _, *, /in, oder -in?”: “Wir haben nächtelang diskutiert und konnten uns nicht einigen. Kein Kompromiß war befriedigend, und das Ergebnis bleibt umstritten: ‘PolyLux Marx’ verwendet für die Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie ausschließlich die Marxsche, d.h. männliche Schreibweise: Warenproduzent, Arbeiter, Kapitalist. Es ist uns bewußt, daß wir dem Problem, damit herrschende Sprechformen zu reproduzieren, nicht entkommen.” (S. 7) Daß Kategorien ein Genital haben sollen, das ist mindest so verwunderlich und also aufklärungsbedürftig wie das Phänomen, daß Sonne und Mond, überschreitet man nur die Grenze nach Italien, plötzlich als il sole und la luna über uns erscheinen; daß Marx dagegen sein Buch “Das Kapital” nannte, müßte die Polylux-Marx-Autoren, ginge es hier mit rechten Dingen zu, so erschüttern wie einen Franzosen, der erfährt, daß es hierzulande “das Mädchen” heißen muß. Derlei Mühen um das Geschlecht des Kapitals illustrieren ganz unfreiwillig, daß “es die innerlich verzweifelte Armut (ist), die die Grundlage des bürgerlichen Reichtums und seiner Wissenschaft bildet” [ 13 ] wie auch seiner linksdeutschen Theoretisierung.
Daß derlei nach Form und Inhalt konterrevolutionäre Marx-Lektüre sich um ihr linksdeutsches Publikum nicht sorgen muß, beweisen die Rezensionen des Machwerks von Analyse & Kritik über die taz bis hinein ins Neue Deutschland. Der AK lobt ausdrücklich “die Auflockerungen durch Comic-Darstellungen, szenisches Durchspielen der Tauschverhältnisse und sukzessive ‘Bühnenauftritte’ derjenigen Kategorien, die eine kapitalistische Gesellschaft ausmachen”, die dazu geeignet seien, “Panik, Kopfschwirren oder Ungeduld” zu therapieren [ 14 ] , die taz die “Bildungsarbeiter” für “Allgemeinverständlichkeit und Witz, die nicht zulasten der inhaltlichen Differenzierung gehen” [ 15 ] , während das ND zwar zu bemäkeln weiß, daß Polylux Marx zwar auch nicht “ganz ohne abstrakte Begriffe und Theorien auskommt”, aber immerhin einigen “Sinn für die Visualisierung von Bildungsthemen” beweise. [ 16 ] Angesichts ihres Markterfolges erweist es sich als gute Investition der Polylux Marx-Autoren, ihr Publikum nicht weiter mit dem Zusammenhang von Gesellschaft und Erkenntnis, von Warenform und Denkform, gar von Kritik und Revolution belästigt zu haben, insbesondere nicht mit dem Hegel-Zitat, das Marx im Kapital anführt: “In unserer reflexionsreichen und räsonierenden Zeit muß es einer noch nicht weit gebracht haben, der nicht für alles, auch das Schlechteste und Verkehrteste, einen guten Grund anzugeben weiß. Alles, was in der Welt verdorben worden ist, das ist aus gutem Grund verdorben worden.” [ 17 ] Aber das macht nichts, ging es doch um weiter nichts, als “dem Verdrängen der Marxschen Analyse aus der Universität etwas entgegenzusetzen” (S. 5), d.h. um ein Pöstchen in den ideologischen Staatsapparaten – und dafür ist die absurde Theorie, das Kapital entstünde aus der Selbstentfremdung der Arbeit allemal gut genug. So ist Polylux Marx nur eine zwar ganz überflüssige, allerdings für Linksdeutsche höchst nützliche akademische Turnübung auf dem Kadaver des deutschen Proletariats, das alles andere zu sein bezweckt als die Klasse der Kritik und vielmehr ganz und gar nicht daran denkt, seine am 1. Mai 1933 in Szene gesetzte “Eindeutschung” revolutionär zu widerrufen. Diesen “Soldaten der Arbeit” (Hitler) muß man den Marx der Linkspartei nicht erst noch beibiegen.
Joachim Bruhn
Anmerkungen
[ 1 ] Vgl. nur Terry Eagleton, Warum Marx recht hat, Berlin 2012; Fritz Reheis, Wo Marx recht hat, Darmstadt 2011; Rainer Hank, Hatte Karl Marx doch recht? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 13. Juni 2010; Nikolaus Piper, Warum Marx unrecht hat, in: Süddeutsche Zeitung vom 21. September 2012; http://www.zdf.de/ZDFmediathek/Feiert -Marx-sein-Comeback%253F
[ 2 ] So erschien 1931 in Berlin das Buch des Linkssozialisten Julian Borchardt Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie. Gemeinverständliche Ausgabe, das sich anheischig machte, “’Das Kapital’ lesbar zu machen”, denn “Marx’ Lehren zu kennen ist eben heute für 100.000e geistig erweckte Menschen eine materielle Notwendigkeit. Sie hungern nach seiner Botschaft; die Lektüre ist für sie ein Labsal.” (S. XV) – und ganz konsequent entfernte Borchardt als erstes alle Fremdworte, d.h. die “Juden der Sprache” (Adorno), um dann kein Wort über den Antisemitismus zu verlieren und vielmehr gegen die “Finanzaristokratie” (S. 317) zu wettern. Was die Intellektuellen, die den Proleten Marx selbst nicht zumuten wollen, stattdessen im Auge haben, machte Walter Schellenberg, ein DKP-Marxist, klar, denn sein “‘Grundkurs’ ist vor allem für junge Arbeiter gedacht, die den Willen haben, aktiv an der Gestaltung der Zukunft des Volkes mitzuarbeiten.” (Wie lese ich das “Kapital? Einführung in das Hauptwerk von Karl Marx, Frankfurt 1969, S. 6).
[ 3 ] So die Werbung für ihr Buch Freiheit statt Kapitalismus im Philosophie-Magazin 5/2012.
[ 4 ] Rainer Hank, a.a.O. – Zwar verwahren sich die Polylux-Marxisten S. 14 ihres Werkes gegen diese Spaltung des Kapital-Begriffs in produktives und spekulatives; da sie aber an keiner Stelle (offenkundig, um nicht ihren Genosken, den Antizionisten, in die Quere zu kommen), die Gesellschaft des Kapitals als objektiv antisemitisch bestimmen, bleibt dieses Modul im weiteren ohne jede Fortsetzung..
[ 5 ] Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 1, S. 390.
[ 6 ] Friedrich Engels, Vorwort zur englischen Ausgabe (1886), in: Karl Marx, Das Kapital Bd.1 (MEW 23), S. 39.
[ 6a ] selten, gehoben; Hekuba war in der griechischen Mythologie die Gemahlin des Königs Priamos von Troja und die Mutter von Hektor und Paris. In Homers „Ilias“ (6,449 ff) sagt Hektor zu seiner Gattin, das zukünftige Leid und Schicksal seiner Mutter Hekuba sei ihm gleichgültiger als das ihre. Nach dem Fall Trojas wird Hekuba die Sklavin des Odysseus. Die Redensart ist ein geflügeltes Wort aus Shakespeares Hamlet, wo es (2,2) heißt: „Was ist ihm Hekuba, was ist er ihr, dass er um sie soll weinen?“ (What’s Hecuba to him, or he to Hecuba, that he should weep for her?
[ 7 ] Siehe dazu Jörg Finkenberger, Zur Kritik der Lesekreisbewegung, in: Das große Thier 3/2012, S. 15f.
[ 8 ] W. I. Lenin, Karl Marx (1914), in: Ders., Ausgewählte Werke, Bd. 1, Berlin 1970, S. 39: “In der kapitalistischen Gesellschaft herrscht die Produktion von Waren, und die Marxsche Analyse beginnt daher mit der Analyse der Ware.”
[ 10 ] Siehe im übrigen Magnus Klaue, Lebenslang Feedback: die Krake Pädagogik, in: FAZ vom 27. Februar 2012.
[ 11 ] “Marx hatte Recht als er sagte: ‘Nur menschliche Arbeit schafft Werte’”, so der ehemalige Chef der Linkspartei, Klaus Ernst (solidrostock.blogsport.de/2011/08/30).
[ 12 ] Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1857/58), in: MEGA II.1.1, S. 161.
[ 13 ] Karl Marx, Grundrisse, Berlin 1953, S. 139.
[ 14 ] Anne-Kathrin Krug, Kapital-Lesekreise: Aufgepaßt! Bildungsmaterial zu Marx’ Hauptwerk erleichtert nicht nur TeamerInnen die Arbeit, in: AK 572 vom 18. Mai 2012.
[ 15 ] Kolja Lindner, Marx auf dem Markt, in. die tageszeitung vom 21. April 2012.
[ 16 ] Jürgen Amendt, Marx für Einsteiger, in: ND vom 29. Juni 2012.
Die Häßlichkeit der linken Kameradschaftscommunities (Wehrsportgruppen off- und online)
Antikapitalistisches Kameradschaftstreffen in Heiligendamm-Bahamas und ihr Demobilisierungsversuch
ID 17116
Für über 100.000 Leute war es keine Frage, ob sie gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 protestieren und randalieren werden…Nun war mit Justus Wertmüller jemand im CoraxStudio, der genau darauf keine Lust hatte. Mehr noch, für den Bahamas Redakteur ist die radikale Linke hässlich…warum nur – fragten wir uns und ließen ihn reden. Zusammen mit Jörg Depta.
Autoren: tagesaktuelle redaktion Radio: corax, Halle im wwwProduktionsdatum: 29.05.2007
Mod.: Ich würde dich eigentlich mal fragen, Justus, was ist denn so hässlich an dieser radikalen Linken?
Wertmüller: Na ja, fangen wir doch einfach mal mit den Äußerlichkeiteni an. Der innere Kern der radikalen Linken besteht ja nun aus relativ verwahrlosten Elendsgestalten, denen man gar nicht zutrauen würde, dass sie einen solch erheblichen Avantgarde-Einfluss auf die Geschehnisse in der Republik hat. Bei der radikalen Linken ist alles stehen geblieben, was auch schon, als es noch neu war, nicht so besonders war. Immer noch trägt man diese schrecklichen Dreadlock-Wursthaare, immer noch ist man auf dem veganen Trip, immer noch ist man auf dem Kreativtrip, obwohl man zu nichts in der Lage ist, weder in der Kunst noch im Schreiben noch im Reden noch in der Beziehung. Immer noch hält man sich für etwas Besseres, obwohl einem das psychische und physische Elend grinst. So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa, nehmen wir mal diese beiden Dinge oder ExKa-Grüppler oder was es da noch so gibt, die Antirassisten und Antisexisten, natürlich nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deswegen eigentlich ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.
Mod.: Gut, ich weiß ja nicht, wo du deine Erfahrungen gemacht hast. Also bei mir sieht das ein bisschen aus, ich sehe das, glaube ich, nicht so schrecklich wie du und möchte das auch nicht völlig verteufeln, auch wenn es natürlich ein paar Sachen gibt, die man nicht unbedingt erstrebenswert findet in der radikalen Linken, aber das ist doch eine sehr heterogene Masse und nichts Homogenes, wo man als radikale Linke reden kann. Also ich verstehe so diesen Hass von dir auf diese, wie du auch geschrieben hast, Wursthaarträger, die du ja unappetitlich findest, ich verstehe nicht, wo das so von dir herkommt, also wo sich das bei dir gebildet hat.
Wertmüller: Ich würde das nicht hassen nennen. Würde das einen Grad schlimmer bezeichnen. Ich nenne es Verachtung. Ich nenne es ein verachtenswertes Volk. Ich will das auch sagen, wenn du sagst, die wären heterogen, dann mag das sein in ihrer Selbstdarstellung und wie sie dann outfittechnisch manchmal in etwas auseinander driftende Gruppen und Fraktionen zerfallen. Was sie aber zu einer sehr streng homogenen Einheit macht, ist erstens, der immer lauter hallende Ruf, sich um Gottes Willen nicht gegenseitig zu kritisieren, was die Linke früher mal ausgemacht hat und was teilweise ja auch noch ein Vorteil war, dass man sich wenigstens gestritten hat. Das tut man heute nicht mehr, man hat ein gemeinsames Ziel. Was heißt schon No Global, was heißt schon Attack, was heißt schon Heiligendamm. Es ist ein fanatischer, durch nichts irre zu machender Hass auf die vereinigten Staaten von Amerika und alles, was damit zusammenhängt. Es ist damit verbunden, der antizionistische Vernichtungswunsch und es ist wiederum damit verbunden der Wunsch nach homogenen, nach Ethnien gegliederten Gemeinschaften, die in der ganzen Welt, so ist ja die No-Global-Ideologie jedes für sich, also volksgemeinschaftlich, autoritär und etatistisch ein Reich der Gleichheit in Armut, Kärglichkeit und unter Zwang stiften soll. Das macht sie auch so bezeichnend ähnlich zu ihren scheinbaren Hauptfeinden und das sind ja nun die Nazis. Die bezeichnen sich doch immer als antifaschistisch. Jetzt in Heiligendamm, aber nicht erst jetzt, aber da wird das nochmal ganz deutlich, dass zwischen Nazis und ich rede jetzt von den jüngeren Nazis, zum Beispiel den jungen Nationaldemokraten und der No-Global-Linken in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, da gibt es fast keine Ausnahme, eigentlich kaum mehr ein Blatt dazwischen geht. Ich kann das an einem Accessoire verdeutlichen: Beide angeblich so spinnefeindlichen Fraktionen tragen das Bluttuch der Judenvernichtung mit aller größter Selbstverständlichkeit, das Palästinensertuch. Damit ist eigentlich schon alles über die Gemeinsamkeit von zwei gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mobilisierenden Fraktionen, hier die radikale antiglobalisierungskritische Linke, dort die radikale globalisierungskritische Rechte.
Mod.: Korrigiere mich bitte, aber du wirfst halt sozusagen der radikalen Linken vor, dass sie in sich ein antisemitischen Vernichtungswillen trägt, habe ich das richtig verstanden?
Wertmüller: Sie trägt den in sich, würde es aber so nicht sagen. Sie drückt es in Form der vornehmsten deutschen Diskurseigenschaft vor, sie nennt das Israelkritik und sie nennt das natürlich auch Solidarität mit den unterdrückten Völkern, hier den palästinensischen. Beides zusammen geht auf den Vernichtungswunsch gegen den jüdischen Staat hinaus. Beides zusammen geht sehr wohl auf den Generalverdacht gegen sich in die Debatte einmischende Juden, auch hier in Deutschland zum Beispiel, ein. Ich erinnere nur an die Niederträchtigkeiten, die jetzt vor einigen Tagen anlässlich einiger Äußerungen von Ralph Giordano gegen ihn von der Linken losgegangen sind, der nun, nur weil er sehr zurecht sich gegen einen Moscheemonsterbau in Köln ausgesprochen hat, als Quasinazi und Schlimmeres denunziert wird von der sicherlich immer globalisierungskritischen Linken.
Mod.: Ich verstehe schon… Also ich verstehe es überhaupt nicht, muss ich sagen, aber ich versuche deine Gedankengänge irgendwie nachzuvollziehen und deswegen denkst du, dass dieser Protest, der in Heiligendamm und Rostock stattfinden wird, absolut sinnlos ist oder warum? Warum denkst du das denn, dass man nicht durchaus dieses Wirtschaftssystem, was es ja halt ist, das halt Ungerechtigkeit schafft und ich weiß nicht, ob du das leugnen möchtest oder nicht, dass dieses Wirtschaftssystem nicht auch kritisiert werden darf. Das verstehe ich nicht, warum du das so ablehnst. Das heißt ja, du möchtest für die Gesellschaft, wie sie jetzt gerade besteht, dieses System als solches erhalten?
Wertmüller: Ich möchte es jedenfalls nicht eintauschen gegen etwas Schlechteres, gegen eine verkommene Vorform in neuem Gewand. Die Heiligendammprotestler, ob sie junge Nazis oder junge Linke sind, ob sie die junge Freiheit lesen oder die junge Welt, sind sich ja darin einig, dass sie Antikapitalisten seien. Nun wäre uns tatsächlich weiterhin eine zu übende Disziplin, die würde aber erstens ein Mindestmaß an Kenntnis voraussetzen und dieses Mindestmaß an Kenntnis, dass man bitte nicht auf Lenin, bitte nicht auf Mao und bitte nicht auf No-Global- oder No-Logo-Sprüche hin konstruieren sollte. Darauf also aufruhend müsste sie beinhalten, dass den Kapitalismus zu kritisieren, nur ein Recht hat, wer nicht hinter ihn zurück, sondern über ihn hinaus will. Wer also in der Lage und bereits ist, zu begreifen, dass die kapitalistische Welt, die kapitalistische Wirtschaftsform und der ihr angemessene Staatsform, also die bürgerliche Republik, die bis jetzt am höchsten entwickelte und befördert hat zwischen Menschen am weitesten ausgreifende und ihre Anlagen am meisten vervollkommnende Vergesellschaftungsform je gewesen ist. Es geht darum, die Hässlichkeiten, die Scheußlichkeiten, die verratenen Versprechungen der Republik und ihres ökonomischen Systems des Kapitalismus anzugreifen aus der Position heraus, dass genau das, was der Kapitalismus durch seine Ideologen, durch seine Philosophen, durch seine Kritiker versprochen hat, dass das einzulösen wäre und nicht, dass hässliche Formen der negativen Kollektivität, der Versuch die Menschheit in eine Viehherde zu verwandeln, in der alle gleich sind, jeder nach seiner Kultur, jeder nach seiner Tradition, in dem nichts Darübergehendes, nicht Verallgemeinerbares ist, das was man sehr zurecht und wenn ich mir den Vorwurf ein Eurozentrist zu sein damit zuziehe, dann nehme ich das sehr gerne in Kauf. Es ginge darum, die Zivilisation und es gibt nur eine und die ist westlich, die ist dezidiert westlich von der Herkunft der Aufklärung, von der Kritik an der Aufklärung, die auch nicht gegen sie, sondern über sich hinaustreibt, ist, von der Vorstellung von Zivilisation als eine menschheitsumfassenden kosmopolitanen Aufgabe, die sich nicht niederzwingen lässt von Gewalt- und Terrorreligionen, wie der Islam, der sich nicht niederzwingen lässt von dem Islamischen oder Faschistischen, sprich Neonazis oder pseudokommunistischen Antiimperialismus, der nicht in den Kategorien von Völkern denkt, nicht in den Kategorien von Gemeinschaften, sondern der die Vervollkommnung des je einzelnen im sehr freiwilligen Miteinander und Kooperation mit anderen. Es geht zunächst wirklich um das Individuum, um den Individualismus, es geht um den Luxus, es geht um die Vervollkommnung in der künstlichen Welt, die der Mensch sich als ein nicht mehr nur naturhaftes Wesen geschaffen hat. Das bekämpft die Linke, ich kann es anhand der radikalen Linken nochmal sehr, sehr schön auf den Punkt bringen, auch was Globalisierungskritik überhaupt heißt. Vor einigen, vor zwei Wochen, nein vor einer guten Woche in Kreuzberg wurden mal wieder sogenannte Luxuslimousinen angegriffen, zum Glück brannten die dann nicht und die Täter haben als die Pissspur wieder unterm Baum, als Graffiti an der Wand Folgendes zurückgelassen: Gegen Reichtum in Kreuzberg. Wer so etwas sagt, wer so etwas fordert, wer auf so eine wahnsinnige Idee kommt, den Reichtum zu verteufeln, statt ihn einzufordern, ist für mich erstens von einem Faschisten kaum mehr zu unterscheiden und zweitens als ein Ge-sprächspartner, ein Diskussionspartner, gar als ein Kombatant im gleichen kommunistischen Unternehmen nicht diskutabel, sondern ist zu bekämpfen.
Mod.: Lieber Justus, das klingt für mich, muss ich sagen, wirklich recht wirr. Ich kann es schwer nachvollziehen, obwohl ich ja denke, dass die Kritik an vielen Kritiksachen, die gerade ausgeübt wird, durchaus berechtigt ist, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass du dich mit deiner Position in eine Ecke stellst, wo du ziemlich alleine stehst und wo ich mich frage eigentlich, warum machst du das eigentlich und wer sind eigentlich noch die Leute, mit denen du zusammenarbeiten möchtest und zusammenarbeiten kannst.
Wertmüller: Also ich bin offen gestanden nicht gewöhnt, wenn ich zum Interview gebeten werde, mich als Wirrkopf beschimpfen zu lassen. Ich würde mir das also wünschen, dass das unterbleibt, sonst gehe ich nämlich. Ganz abgesehen davon ist es ja bekannt, dass die Antideutschen und das ist ja zum Glück sehr viel mehr als die Redaktion und die ja nun doch in vielen Tausenden zu zählenden Leser der Zeitschrift Bahamas, dass die Antideutschen also als Abbruchunternehmen der Linken längst am Start sind. Die Antideutschen bestehen ja aus Leuten, die, sei es das es bei mir schon ziemlich lange her ist, heißt, dass es bei der Mehrheit der Freunde, Genossen oder wie man sie nennen möchte, die ja noch sehr jung sind, erst kurz zurückliegt, sie kommen ja alle aus der radikalen Linken. Sie haben ja alle ihre einschlägigen Erfahrungen gemacht und sie haben alle festgestellt, dass sie Lebenszeit verschwendet haben, dass sie mit Verrückten und Wahnsinnigen umgegangen sind, dass sie selber bis über beide Ohren in diesem Morast dringesteckt sind, aus dem sie sich dann eben herausgearbeitet haben und vor dem Hintergrund bin ich ganz, ganz optimistisch, dass das ja nicht mehr zu bestreitende moralische, inhaltliche, praktische oder wie auch immer man die Existenz der Linken, dieses Scheitern, diese Katastrophe, die sie ja nun eigentlich längst hinter sich hat, natürlich dazu führt, dass die Linke in der traditionellen Form, wie anscheinend du oder dieser Sender hier es vertritt, bald zu existieren aufgehört wird. Es wird auf der einen Seite die antideutsche Kritik geben und es wird auf der anderen Seite eine grüne Islam, rot Stalo, Mao, wie auch immer, kommunistisch und braun, junge Nationaldemokraten, Volksgemeinschaft geben.
Mod.: Ich glaube Justus, ich wollte dich auch gerade nicht böse angreifen. Es tut mir leid, dass du dich jetzt so angegriffen fühlst. Also selbst zu Corax muss ich sagen, das ist hier ein sehr heterogener Haufen. Hier kann man nicht von einer Einheit sprechen und ich glaube auch, das wäre sehr schlimm und das einzige, ich würde nochmal darauf zurückkommen, mit wem siehst du denn für dich, also auch als Bahamas-Redaktion, wer sind denn noch die Gruppen, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten möchtet in Deutschland?
Wertmüller: Ich kenne gar keine. Schau, das unterscheidet uns ja nur als Antideutsche, Bahamas oder andere, ja nun mal schon ganz grundsätzlich von der Linken, wir diskutieren nicht, wir denken nicht in Organisierungskategorien. Also es muss irgendwie Verletzung der Organisation und dann werden wir es gemeinsam dann irgendwie bewaffnet oder wie auch immer schaffen und das große Ding wuppen, dass sie dann Revolution nennen. Es würde mir völlig reichen und so ist es ja jetzt schon, lose Zirkel respektive auch Einzelpersonen, die als beständig miteinander korrespondierende Kritiker, diskutierende, korrespondierende Kritiker sich miteinander ins Benehmen setzen. Erstens: Warum sie sich miteinander ins Benehmen setzen, um eine antifaschistische Aufgabe, die das Wort wenigstens einmal verdient, zunächst mal nur anzugehen, nämlich der Kampf gegen die antisemitische Internationale, wie wir das nennen, die wie gesagt von der Sozialdemokratie, jetzt aber wirklich weit über Deutschland hinaus sondern ganz Old-Europe, begreift, was Sozialdemokratie über die grünen Alternativen bis zu den Linksradikalen einerseits und die jeweiligen Bewegungen der autochthonen Völker, was jetzt Communityvertreter sein sollten oder irgendwelche quasi faschistische Regime, die jetzt hofiert werden, wie das in Venezuela eines Hugo Chávez, der gerade die einzigen freien Radiosender abgeschafft hat, um also gegen diese Verschwörung, nein Verschwörung ist das falsche Wort, ich nehme es zurück, um gegen dieses informelle Bündnis, das sich wahrscheinlich am schönsten in Form der Vereinigten Nationen, die UN, auszeichnet, wo es bekanntlich darum geht, in erster Linie sich zusammenzutun mit den schlimmsten Terrorregimen, Iran angefangen, von den großen Brüdern China und Russland gefeatured, zunächst mal rhetorisch, aber zunehmend praktisch einen Weltkrieg gegen die Zivilisation anzuzetteln, an dessen vorderster Front erstmal der politische Islam marschiert, wo aber hinten drein sozusagen eben die gesamte linke Intelligenz mit ihrem Anhang aus Westeuropa usw. dann dranhängt.
[1] Äußerlichkeiten: Mit diesem einfachen Wort rekurriert Wertmüller auf Adornos geniale Entdeckung, daß ohne Berücksichtigung der ästhetischen Empfindung das ganze Denken des Mensch blind wie frischgeborene Kätzchen ist. Denn das Leben ist immer konkret, und ohne die Empfindung, die ja immer sinnlich ist, kann der Mensch endlos seine paranoiden Systeme (wie z.B. Antisemitismus, Genderismus, sexuelle Diversität, Islamismus, sinnentleerte Psychokratieen, etc. etc.) entwickeln, die keinerlei Entsprechung im Konkreten haben, also einfach nichtexistent sind. Denn alles, was tatsächlich existiert, zeigt sich, äußert sich, der Sinn des Lebens ist nichts anderes, als sich zu äußern. Das macht jede Mücke und jede Blume. Nur der Mensch versteckt sich in seiner Angst und in seinen Lügen, die meistens auch Selbstlügen sind. Some grow up and some grow down. Und Haß ist häßlich, und Leben ist schön. Das ist doch eine sehr einfache und sehr effektive Handhabe, oder? Nur daß das Schöne nicht immer dekorativ sein muß, und nicht daß, was uns mancher Museumsdirekto auftischt, um Kasse zu machen. (Eine Gemeinsamkeit mit Max Hollein ist reinzufällig.)
Ästhetik und Kulturindustrie nach Adorno – Ein Vortrag von Marc Grimm
Am Ende seines Lebens fühlte sich Adorno wie Hebbels Meister Anton, dessen letzte Worte lauten: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Der Frankfurter Philosoph verstand sie nicht mehr, weil er, der radikale Gesellschaftskritiker, sich gegen die Radikalität jener Neuen Linken zur Wehr setzen mußte, deren gesellschaftskritischen Elan er selbst mitentfacht hatte.
So wurden dem im August 1969 Verstorbenen die letzten Lebensjahre zur Qual: Protestierende Studenten, darunter viele seiner Schüler, überschütteten ihn, der mit Max Horkheimer die Frankfurter Schule und ihren kritischen Marxismus begründet hatte, mit Hohn und Spott. Eine Berliner Kommilitonin wollte ihm 1967 bei einer Diskussion unter dümmlicher Anspielung auf seinen Spitznamen „Teddy“ ein rotes Gummibärchen überreichen; Flugblätter kursierten: „Er soll sich alleine zu Tode adornieren!“; sein Frankfurter Institut für Sozialforschung wurde 1968 von Studenten besetzt und durch die vom Rektor herbeigerufene Polizei geräumt; junge Oben-ohne-Damen sprengten im April 1969 seine Vorlesung, „Adorno als Institution ist tot“, hieß diesmal das Flugblatt.
Das Zerwürfnis zwischen Adorno und seinen Studenten war entstanden, als sie von ihm Rezepte für Ihre Rebellion, sein unvermitteltes Engagement in der Situation verlangten. „Erhebung über die Situation“, wie Adorno mit Horkheimer die Philosophie verstand, war für die Linken pure Selbstbefriedigung.
Adorno hingegen kritisierte die Demonstrationen der Studenten als Barrikaden-Spiel: „Schwache, Verängstigte fühlen sich stark, wenn sie rennend sich an den Händen halten. Das ist der reale Umschlagspunkt in Irrationalismus.“
Für irrational hielt der Philosoph vor allem die kunstfeindlichen Parolen und Happenings der Studenten. Gegen diese „Amusie“ der Neuen Linken polemisiert er in seinem unvollendeten Hauptwerk, der „Ästhetischen Theorie“, das seine Frau Gretel Adorno und sein Schüler Rolf Tiedemann im Spätherbst 1970 herausgegeben haben*.
Kunst, vor allem die moderne, autonom gewordene Kunst, ist für Adorno subversive „Bewegung gegen die Gesellschaft“. Sie stellt jede Art von Herrschaft in Frage, denn sie ist als „Gedächtnis des akkumulierten Leidens“ die „bewußtlose Geschichtsschreibung“ der Menschheit. Gerade in einer unbarmherzigen Welt ist sie der Sprengstoff“ weil sie an Not und Unterdrückung erinnert, weil sie ausspricht, was aus der Welt und den Menschen geworden ist.
Zwar sei, meint Adorno, die Kunst auch „soziales Faktum“ und daher schuldhaft in die unversöhnte Welt sozialer Kämpfe und Leiden, in die Ideologie positiver Herrschaft verstrickt. Aber wollte sie sich wegen dieser Schuld selbst abschaffen, so „leistete sie erst recht der sprachlosen Herrschaft Vorschub und wiche der Barbarei“: „Die Abschaffung der Kunst in einer halbbarbarischen und auf die ganze Barbarei sich hinbewegenden Gesellschaft macht sich zu deren Sozialpartner.“
Insofern paktieren die radikalen Linken als kunstverachtende „Neotroglodyten“, als neue Höhlenbewohner, gerade mit denjenigen, die sie eigentlich stürzen wollen: mit den Managern und Bürokraten der verwalteten Welt. Auch für sie sei die Kunst überlebt.
Aber auch mit den geschmähten Veranstaltern der Kulturindustrie stimmen die revolutionären Linken, so Adorno, darin überein, daß sie Kunst praktisch nutzbar machen wollen. Zwar verwenden sie nicht wie die Kulturmanager Kunst als Mittel des Profits, aber als Mittel politischer Agitation und Aktion und heben damit die Autonomie der Kunst auf: jene Autonomie, durch die Kunst als absoluter Protest subversiv jede — kapitalistische wie sozialistische — Gesellschaftsform als Herrschaft des totalen Nutzens negiert.
Adorno distanziert sich deshalb von dem Aktionismus der Apo, die Kunst radikal politisieren will, die von der „Schönheit der Straßenschlachten“ schwärmt oder Revolution als eine
* Theodor W. Adorno: „Ästhetische Theorie“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 548 Seiten; 32 Mark.
„Gestalt des Schönen“ bejubelt. Das sei nichts anderes als „schlechter Ästhetizismus kurzatmiger Politik“.
Dieser Ästhetizismus sei zugleich ein „Erschlaffen ästhetischer Kraft“ und lasse sich auf die „Empfehlung von Jazz und Rock and Roll anstelle von Beethoven“ ein, einen Gegensatz, „gegen den manche Musikerohren bereits taub zu werden beginnen“.
Ebenso wirft er den Jazz-Fans vor, sie würden die vorgeblich „unverschandelten Qualitäten“ der Pop-Produkte nicht als Waren der Kulturindustrie durchschauen: „Sie sind synthetisch von eben jenen Mächten aufbereitet, denen angeblich die große Weigerung gilt: erst recht verschandelt.“
Dem Philosophen der großen Weigerung, Herbert Marcuse, der In seinem Buch „Der eindimensionale Mensch“ zum Widerstand gegen die Konformisten-Kultur aufgerufen hatte“ hielt Adorno entgegen: „Rabiate Kulturkritik ist nicht radikal“, und er verspottete die Abstraktheit der großen Weigerung, die pauschal Kultur verwirft, als Weg zum „Antikulturbund“. Marcuse gab nach Adornos Tod zu, daß ihn dessen Sätze „manchmal in Raserei gebracht“ hätten: „Aber ich glaube, das sollten sie*.“
Zwar nennt auch der radikale Kritiker Adorno die Kultur „Müll“, aber Kunst, die zu ihr gehört, ist für ihn „doch ernst als Erscheinung der Wahrheit“, einer Wahrheit, die das Absurde einer von Herrschaft entstellten Welt ausspricht.
Für Adorno gibt es deshalb keine Versöhnung zwischen Kunst und Herrschaft. Er sieht auch Im vermeintlich Versöhnung spiegelnden sozialistischen Realismus ein „Diktat“, das künstlerische Produktivkraft „gebrochen“ habe: „Lieber keine Kunst mehr als sozialistischer Realismus.“
Wahrhaft realistisch — und keineswegs abstrakt oder dekadent — dünkte ihn daher Samuel Beckett, dem er die „Ästhetische Theorie“ hatte widmen wollen. Becketts „kindisch-blutige Clownsfratzen“, so Adorno, sagten die „historische Wahrheit“ darüber, was aus den Menschen geworden sei; wahrhaft kindisch sei hingegen der sozialistische Realismus, weil er so tue, als ob im Sozialismus Unterdrückung beseitigt sei, weil er „Versöhnung“ vorspiegle.
Zwar ist auch für Adorno die Idee der Kunst „Bild der Versöhnung“, aber nur deshalb, weil sie unversöhnlich ist gegen die unversöhnte Welt — gegen eine Welt also, in der Gewalt herrscht.
Ihren Protest gegen Herrschaft drückt sie in ihrer Form, nicht ihrem Inhalt aus. Neue Kunst ist „soziale Kritik zur Form erhoben“, während sie sich von jedem „manifesten sozialen Inhalt“ distanziert, zu ihm keine Stellung mehr nimmt. In einer Welt des totalen Nutzens sind alle Inhalte gleichgültig geworden, die Form selbst wird zum Politikum: „Die neugriechischen Tyrannen wußten, warum sie
* Hermann Schweppenhäuser (Hrsg.): „Theodor W. Adorno zum Gedächtnis“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 244 Selten; 20 Mark.
Becketts Stücke verboten, in denen kein politisches Wort fällt.“
Auch In Becketts berühmtestem Stück „Warten auf Godot“ fällt kein politisches Wort. Adorno jedoch sieht in der stummen Schlußszene — die drei Landstreicher treten auf der Stelle — ein präzises Bild für die Situation der gegenwärtigen Gesellschaft, die sich Fortschritt nur vorspiegelt, ohne von der Stelle zu kommen.
In der Nutzlosigkeit dieses stummen Gestus wird laut Adorno der emphatische Wahrheitsgehalt moderner Kunst deutlich: ihre Nutzlosigkeit. Denn gerade als nutzlose ist sie der absolute Protest in einer Welt des totalen Nutzens. Je totaler die Gesellschaft zum „einstimmigen System“ sich entwickelt, desto mehr werden die Kunstwerke, die diese Entwicklung ausdrücken, zum Protest gegen die Gesellschaft, zum Ausdruck der Sehnsucht nach einer versöhnten Welt.
Kunst, die zum Nutzen des politischen Protests, wie es die Neue Linke will, oder zum Nutzen eines bestehenden Gesellschaftssystems, wie im sozialistischen Realismus, verwendet wird, verliert ihre Autonomie und ist für Adorno daher keine Kunst mehr. Kunst deutet immer auf eine andere Welt hin, sie ist „die imaginäre Wiedergutmachung der Katastrophe Weltgeschichte“, Erinnerung an die Möglichkeit von Freiheit.
Die Liebe zur Kunst und deren Verkennung Adornos Modernismus
Yves Saint Laurent (Kampagne 2003)
In Kunst und Liebe gibt es Gebiete, in denen die ihnen beiden konstitutive Eigengesetzlichkeit ihre Gültigkeit einbüßt: in der Warenförmigkeit und in der Prostitution. Und diese beiden Begriffe spielten in Adornos „Ästhetischer Theorie“ schon deshalb eine besondere Rolle, weil er das Kunstwerk in einem dialektischen Feld zwischen Konsum und Anerkennung sah, das er auch in Bezug auf Liebe zur Anwendung brachte. Juliane Rebentisch untersucht Adornos Übertragung der Beschreibung von Prostitution auf den Autonomieverlust des Kunstwerks.
Wahrhaft autonome Kunst, das ist der ethische Kerngedanke der modernen Ästhetik, unterscheidet sich von der Ware dadurch, dass man sie nicht konsumieren, sondern allein anerkennen kann. Darin ähnelt sie nicht nur einem anderen Subjekt eher als einem dinglichen Objekt. Das Verhältnis zu ihr ist überdies einem Ideal von Liebe nachgebildet, bei der die erste Phase bloßer Verliebtheit überwunden, die rosa Brille euphorisch hemmungsloser Projektion auf den anderen abgelegt ist und dieser bedingungslos als anderer angenommen wird. Liebe existiert diesem Ideal zufolge nur unter den Bedingungen solcher Bedingungslosigkeit: sofern sie den anderen nicht zum Besitz macht, ihn weder idealisiert (das Idol der Persönlichkeit ist die Spiegelung von Besitz, sagt Adorno [1]) noch zum Eigentum erklärt. Am Beginn wahrer Liebe steht demnach eine Erfahrung von Unverfügbarkeit der andere ist nicht für mich. Das negative Gegenstück hierzu ist der käufliche Liebesdienst. Denn dieser besteht nicht zuletzt darin, dass sich die Prostituierte dem Kunden als Screen für dessen Projektionen zur Verfügung stellt. Eben deshalb ist sie für diesen auch, anders als die Geliebte, austauschbar. Als Tabula rasa subjektiver Projektionen ist sie nichts als „sein“ Objekt.
In genauer Entsprechung wird diese Unterscheidung, die von Geliebter und Prostituierter, in der „Ästhetischen Theorie“ Adornos auf die kunst- kritische von autonomer Kunst auf der einen und bloßen „Kulturwaren“ auf der anderen Seite übertragen. In dem Maße, wie sich die Kunstwerke den Projektionen ihrer Betrachter „ausliefern“, kommen sie zu bloßen Dingen, zu Kulturwaren herunter. Aber nicht nur das: Indem sie den Betrachtern, wie Adorno sprechend formuliert, „zu Willen sind“, „betrügen“ sie diese zugleich. [2] Denn die in der Projektion realisierte Verschmelzung von Betrachter und Kunstwerk ist nur das Symptom einer tiefer liegenden Distanz, einer grundlegenden Entfremdung zwischen Subjekt und Objekt. Aus den ver- dinglichten Kunstwerken vernimmt der Betrachter, wie der Freier bei der Prostituierten, letztlich nur das „standardisierte Echo seiner selbst.“ [3] Damit wird das Subjekt im Moment seiner Verfügung über das Objekt aber um eine Erfahrung betrogen, in der Subjektivität sich regte, weil sie sich von Ande-rem anrühren lässt, [4] statt an der ewigen Rückkoppelung mit dem vermeintlich Eigenen abzustumpfen.
Dass Kunst diesen nach Adorno von der Kulturindustrie in Gang gesetzten und ausgebeuteten Mechanismus brechen, das ebenso asymmetrische wie entfremdete Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufheben muss, dies ist für Adorno, und in diesem Motiv trifft er sich mit so unterschiedlichen Figuren wie Stanley Cavell, Michael Fried, Hans-Georg Gadamer oder Martin Heidegger, die entscheidende Bestimmung ihrer Autonomie. Damit Kunst sich nicht an die Verfügung durch die Subjekte ausliefert (und diese dadurch zugleich betrügt), muss, so schließt der ästhetische Diskurs der Moderne relativ einstimmig, in den Kunstwerken selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein. Dies ist auch der tiefere, nämlich ethische Grund für die modernistische Kritik an aller Kunst, die ihre Objekthaftigkeit hervorkehrt, sei es die von Tony Smith, von Marcel Duchamp oder von John Cage. Die modernistische Idee, dass im authentischen Kunstwerk selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein muss, darf allerdings nicht so verstanden werden, dass sich im Kunstwerk die empirische Subjektivität des Künstlers ausdrückt. Denn die Vorstellung, dass das Kunstwerk lediglich Ausdruck des Künstlersubjekts sei, reproduzierte ja das Problem der subjektiven Verfügungsgewalt über das Objekt auf der Ebene der Produktion. Das ist auch der tiefere, nämlich ebenfalls ethische Grund für die moderne Kritik an der Genieästhetik.
Bei Adorno (darin unterscheidet er sich natürlich nicht unwesentlich von Heidegger) artikuliert sich die Kritik der Genieästhetik als Kritik der Unmittelbarkeit. Entsprechend sieht er auch etwa das Verdienst der Surrealisten weniger in deren Selbst(miss)verständnis, dem zufolge surrealistische Kunst unmittelbarer Ausdruck des Unbewussten ihrer Produzenten sei, als darin, dass der Surrealismus registriert, wie das Subjekt bis ins Innerste durch die Gesellschaft geprägt ist, in der es lebt. Surrealistische Collagen sind für Adorno denn auch nicht „Bilder eines Inwendigen als vielmehr Fetische Warenfetische an die einmal Subjektives, Libido sich heftete“: Pornografie. [5] So, wie Adorno übrigens auch die Idee einer vermeintlichen Ursprünglichkeit weiblicher Sexualität immer wieder als zutiefst ideologisch zurückweist (in einem Brief an Erich Fromm formuliert Adorno, der einzige Ausweg aus der allgegenwärtigen Fetischisierung von Sexualität in der Warengesellschaft sei vermutlich der sexuelle Fetischismus), [6] so ist für Adorno auch die bürgerliche Vorstellung, dass Kunst wie ein Klischee von Liebe „rein spontan, unwillkürlich, unbewußt“ sein soll, nichts als Ideologie. [7] Moderne Kunst kann sich Adorno zufolge weder dadurch erhalten, dass sie sich zum Refugium des Irrationalen in einer durchrationalisierten Welt erklärt, noch dadurch, dass sie sich in Gefilden jenseits der Ware wähnt. Im Gegenteil: „Emphatische Moderne“, schreibt er, „schärft sich durch deren Erfahrung hindurch.“ [8]
Soll Kunstproduktion der Logik der Verdinglichung und der mit ihr verbundenen Entfremdung von Subjekt und Objekt dennoch entkommen, so kann dies Adorno zufolge mithin nicht durch die Prätention von Unmittelbarkeit, sondern nur vermittels eines Mehr an Mittelbarkeit geschehen, eines Mehr nämlich an Technik und Rationalität. Der moderne Künstler ist nach Adorno das äußerste Gegenteil des Universalgenies: ein technisch höchst spezialisierter Arbeiter. Allein die „Steigerung des Spezialistentums zur Universalität, die verrannte Intensivierung der arbeitsteiligen Produktion“, schreibt er (mit Valéry), „enthält das Potential einer möglichen Gegenwirkung gegen jenen Zerfall der menschlichen Kräfte“ in der bürgerlichen Gesellschaft, den Adorno im psychologischen Vokabular seiner Zeit immer wieder als „Ichschwäche“ kritisiert. [9] Nicht durch vermeintlich unmittelbaren Ausdruck, sondern durch eine Selbstbeschränkung seiner Individualität vermag der Künstler Adorno zufolge etwas zu schaffen, das seine empirische Subjektivität transzendiert und gerade dadurch der Idee einer versöhnten Subjektivität die Treue hält. Denn diese Selbstbeschränkung ist eine doppelte. Sie besteht zum einen in der bis zum „Opfer der Individualität“ [10] vorangetriebenen technischen Spezialisierung des Künstlers, zum anderen aber darin, dass der Künstler seine technischen Fertigkeiten in den Dienst einer Eigenlogik des Materials stellt statt es zum Objekt bloßer Materialbeherrschung zu machen. Wenn der technisch avancierte Künstler gleichsam interpassiv „einer von der Sache erzwungenen Gesetzmäßigkeit“ folgt, dann kann, so glaubt Adorno, auch das Wesen des Kunstwerks nicht mehr „nach dem Muster des Privateigentums“ schlicht dem gutgeschrieben werden, der es hervorgebracht hat. [11] Es steht wie ein Subjekt eher denn wie ein Objekt für sich.
Zugleich aber, und spätestens hier setzen die Probleme mit Adornos Konzeption ein, ist die so gedachte Quasi-Subjektivität des Kunstwerks eine Subjektivität von dezidiert allgemeiner, nicht bloß individueller Geltung. Kunst produziert der Künstler Adorno zufolge ja nicht dadurch, dass er genialisch seine individuelle Subjektivität ausdrückt, sondern dadurch, dass er sie durch Selbstbeschränkung transzendiert: objektivierend ins Kunstwerk transponiert. Weshalb für Adorno auch das sich spontan in der Improvisation artikulierende „Jazz-Subjekt“ ebenso suspekt ist wie der sich scheinbar des subjektiven Eingriffs in die Kunstproduktion überhaupt enthaltende Cage. Beide gelten ihm gleichermaßen die Sprache verrät die normalisierende Dimension des ästhetischen Universalismus als ästhetisch „impotent“, als Symptome eines Zeitalters der „Ichschwäche“. [12] Sie verspielen ihm zufolge gleichsam vorab jenes versöhnende Moment an Kunst, das er für deren Essenz hält. Allein durch eine in der Produktion gelungene Vermittlung von Subjekt und Objekt bewahrt sich nach Adornos Konzeption im Kunstwerk nämlich die utopische Idee einer überindividuell wahren, das heißt von Herrschaftsansprüchen ebenso wie von Selbstunterwerfung befreiten Subjektivität. In diesem Sinne wird der Künstler nach Adorno zum „Statthalter des gesellschaftlichen Gesamtsubjekts“. [13]
Das zentrale Problem mit dieser universalistischen Konzeption liegt allerdings weniger in dem ihr latent zugrunde liegenden Gender Plot (die Ware ist weiblich, das Wahre ist hetero-männlich) denn in der Struktur ihrer universalistischen Pointe selbst. Am deutlichsten wird dies wohl im Blick auf Adornos Begriff ästhetischer Rezeption. Ästhetische Subjektivität nach Adorno meint die des Kunstwerks mit derjenigen der konkreten Hörer oder Betrachter hat der Begriff bei ihm dezidiert nichts zu tun. [14] Kunst ist hier nicht für andere, nicht für ein Publikum. Ästhetische Erfahrung besteht Adorno zufolge mithin auch nicht in der Projektion auf, sondern in der Entäußerung an das Kunstwerk. Darin liegt denn auch schließlich das quasi-erotische Moment in der modernistischen (Liebes-)Beziehung zur Kunst. [15] Die Identifikation, die das Subjekt in der ästhetischen Erfahrung nach Adorno idealerweise vollzieht, ist nicht eine, die das Kunstwerk sich, sondern die sich dem Kunstwerk gleichmacht. [16] Das, was Adorno mit Hegel zuweilen auch „Dabeisein“ nennt, „setzt den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion“. [17] Nun ist diese Vorstellung nicht nur objektivistisch, insofern sie voraussetzt, dass sich die durch den Künstler zu leistende Vermittlung von Technik und Material, von Subjekt und Objekt so objektivieren lässt, dass sie als „Bestimmung der Sache selbst“ auch von den Rezipienten als „eigenes Desiderat“ wahrgenommen werden kann. [18] Diese Vorstellung ist zudem deshalb problematisch, weil sie voraussetzt, dass dies alle Rezipienten gleichermaßen tun werden. Im ästhetischen Dabeisein kommen die Subjekte überein. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie alle prinzipiell eine der Struktur nach vergleichbare Erfahrung machen (wie bei Kant), sondern in dem weiter gehenden Sinne, dass sie gewissermaßen in ihrer Subjektivität übereinkommen, ästhetisch am Vorschein des „Gesamtsubjekts“ partizipieren. Entsprechend seiner Vorstellung, dass sich im Kunstwerk dialektisch die Utopie einer versöhnten Menschheit bewahrt, spricht denn auch nach Adorno aus der überindividuellen Subjektivität autonomer Kunst ein Wir, und zwar „desto reiner, je weniger es äußerlich einem Wir und dessen Idiom sich adaptiert“. [19] Adornos Antwort auf das ethische Problem eines asymmetrischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses gipfelt in einer Erneuerung der Schiller’schen Idee von einer ästhetisch erwirkten Einheit des Menschen. [20]
Es ist offensichtlich, dass sich die Kunst der letzten drei bis vier Dekaden einer solchen Theorie sperrt. So arbeitet sie etwa mit expressiven Gesten ebenso wie sie im Gefolge der Minimal Art ihre Objekthaftigkeit betont in beiden Richtungen scheint sich Kunst heute, folgte man Adorno, einer überaus „ichschwachen“ Produktionsweise zu verdanken. Dazu kommt, dass sie dem Betrachter und seinen Projektionen offenbar eine für die jeweiligen Werke konstitutive Funktion zuweist. Sie liefert sich, so könnte man meinen, geradezu entschlossen an die Betrachter aus. Aus Adornos Perspektive wäre Kunst damit endgültig zur Hure der Kulturindustrie verkommen. Allerdings steht zu vermuten, dass dieses reichlich düstere Bild Ausdruck einer Krise weniger der Kunst denn eine ihrer modernistischen Theoretisierung ist. Dann aber wäre etwa die direkte Adressierung konkreter Betrachter, deren „Einbeziehung“ in die zeitgenössische Kunst, nicht einfach als Verfallssymptom abzutun, sondern zum Anlass zu nehmen, die Frage nach dem Begriff des ästhetischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses neu zu stellen. [21]
Kunst heute ist nicht nur dezidiert für ein Publikum. Als politisch engagierte adressiert sie darüber hinaus auch dessen konkrete Zusammensetzung. Politisch engagierte Werke teilen das Publikum entlang der Linien von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft und/oder Klassenzugehörigkeit. Je nach Situierung im Netz dieser Identitätskoordinaten werden die Rezipienten die feministisch, queer, postkolonial, sozialistisch und/oder subkulturell motivierten Werke unterschiedlich erfahren. Damit stehen diese in äußerster Opposition zum Schiller’schen Kunstideal. Sofern hier von ästhetischer Erfahrung gesprochen werden kann, ist sie wesentlich individuell und widerspricht schon auf dieser Ebene der Idee des ästhetischen Dabeiseins. Dies gilt aber nicht nur hinsichtlich des Gehalts, sondern auch hinsichtlich der Struktur dieser Erfahrung. Denn der meisten Kunst heute korrespondiert ja tatsächlich deutlich eine Erfahrung, bei der der Betrachter auf sich und die Aktivität seiner eigenen Bedeutungsproduktion oder -projektion zurückgeworfen wird.
Was aber aus der Perspektive Adornos sich nur als Entfremdung vom Objekt und damit auch vom Selbst verstehen lässt, ließe sich in der Tradition nach Kant auch als genuin ästhetische Form des Objekt- und Selbstbezugs begreifen. Aus dieser Perspektive brächte die zeitgenössische Kunst durch ihre verschiedenen Strategien, den „impliziten Betrachter“ [22] an sich selbst zu thematisieren, Grundzüge ästhetischer Erfahrung heraus, die durch die modernistische Reduktion der ästhetischen auf eine ethische Erfahrung verdrängt werden: ihren projektiv-performativen ebenso wie ihren selbstreflexiven Aspekt. Nun liegt allerdings umgekehrt natürlich der Verdacht nahe, dass eine solche Argumentation lediglich den Subjektivismus reinstalliert, gegen den Adorno seinen begrifflichen Apparat ursprünglich in Stellung gebracht hatte. Dagegen wäre erstens einzuwenden, dass das Subjekt hier in einem Verhältnis zum Objekt gedacht wird, das konstitutiv experimentell und das heißt: gerade nicht verfügend ist. Die ästhetischen Objekte gehen, und darin liegt aus einer erfahrungstheoretischen Perspektive ihre Autonomie, nie in unseren Projektionen auf, vielmehr ziehen sie sich immer wieder vor diesen zurück und konfrontieren uns durch diesen Entzug mit uns selbst. Zudem aber wäre angesichts der Erfahrung zeitgenössischer Kunst zu spezifizieren, dass sich die so konzipierte Selbstreflexion, anders als bei Kant, der das Objekt auf einen bloßen Anlass und die ästhetische Erfahrung auf die Selbstreflexion einer abstrakten Subjektivität und ihrer Vermögen reduzierte, ausdrücklich im Modus des Objektbezugs vollzieht. Und zwar in einer Weise, in der die je konkrete empirische Subjektivität der Rezipienten nicht transzendiert, sondern auf spezifische Weise reflektiert wird.
Dies wird in der Erfahrung gesellschaftspolitisch engagierter Werke besonders evident. Aus diesen empfängt das erfahrende Subjekt nicht einfach politische Botschaften, wie es ein ästhetisch stumpfes Missverständnis zeitgenössischer Kunst will, sondern an ihnen wird das erfahrende Subjekt vielmehr mit den eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen konfrontiert. Sofern die Objekte dem Betrachter gleichsam mit Bedeutungen entgegenzukommen scheinen, die weder vom Betrachter intentional hineingelesen wurden noch aber am Kunstwerk einfach objektiv vorfindlich sind, wird der am Werk entbundene Prozess der Bedeutungsproduktion und -subversion zu etwas wie einem „Eingedenken der Gesellschaft im Subjekt“ führen zu einer Erfahrung, in der den Betrachtern die eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen im Modus des ästhetischen Scheins eigentümlich fremd entgegentreten. Entgegen Adornos universalistischer Konzeption ästhetischer Erfahrung setzt hier das ästhetische Verhältnis zum Objekt offensichtlich nicht „den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion.“ [23] Vielmehr handelt es sich hier um eine Erfahrung der Entäußerung an die „Sache“ des jeweiligen Werks, ohne dass sich diese Entäußerungserfahrung jedoch je in der objektiven Universalität bloßen „Dabeiseins“ beruhigen könnte. Sofern man hinsichtlich einer solchen Erfahrung überhaupt von einem quasi-erotischen Moment sprechen will, wäre dieses nicht abzutrennen von der Logik der Projektion und den individuellen, immer schon von Gesellschaftlichem durchzogenen Ökonomien des Begehrens, die ihr unterliegen. Das transformative Potenzial einer solchen Erfahrung liegt mithin nicht darin, dass solche Aspekte konkreter „Ichschwäche“ in ihr ethisch aufgehoben, sondern dass sie reflexiv distanziert werden. Die spezifisch objektbezogen-performativ-selbstreflexive Gestalt, die das Subjekt in der so verstandenen ästhetischen Erfahrung annimmt, taugt daher konsequenterweise auch nicht zum Inbegriff einer zur Ethik befreiten Subjektivität. Vielmehr ist sie der Schauplatz einer spezifisch ästhetischen Operation der Reflexion, die sich weder auf theoretische noch aber auf praktische Erkenntnis reduzieren lässt. Die ästhetische Erfahrung steht so auch nicht mehr Modell für Formen erkennender oder ethischer Subjektivität, sondern autonom neben den Sphären der theoretischen und der praktischen Vernunft.
Aufgrund ihres expliziten Widerstands gegen den modernistischen Universalismus sind es interessanterweise gerade die politisch engagierten Werke, die besonders nachdrücklich zu einer Neufassung ästhetischer Subjektivität herausfordern, die sie von ihrer modernistischen Ethisierung freisetzt und in ihrer Spezifik thematisiert. Dieser genuin ästhetische Einsatz impliziert nun aber keine einfache Abkehr von der Frage, was Kunst mit der Utopie einer versöhnten Menschheit zu tun haben könnte. Vielmehr rückt er sie von einem ethisch-ästhetischen an einen politischen Ort: Kunst wirkt, wenn überhaupt, nicht deshalb in die Gesellschaft zurück, weil in ihrer Erfahrung selbst sich „etwas wie ein Gesamtsubjekt“ [24] konstituierte, sondern deshalb, weil sie die empirischen Subjekte potenziell mit der gesellschaftlichen Schicht an sich selbst konfrontiert. Dass dies für gesellschaftlich unterschiedlich situierte Subjekte zu unterschiedlichen Erfahrungen führt, schlägt sich notwendig, so immer wieder auch in dieser Zeitschrift, in Form einer Politisierung im ästhetischen Diskurs nieder. Das aber heißt: Das ästhetische Wir, auf das jedes ästhetische Urteil zielt, ist konstitutiv umstritten. Indem die avancierteste Kunst heute darauf insistiert, dass Kunst der politischen Perspektivierung bedarf, bewahrt sie mithin weniger die abstrakte Utopie einer versöhnten Menschheit denn das Bewusstsein dafür, dass es für deren Realisierung mehr brauchte als Kunst oder Liebe.
Vgl. hierzu die in ihrer sexuellen Metaphorik expliziten Passagen in Theodor W. Adorno, „Über Jazz“, in: ders., Musikalische Schriften IV, GS 17, Frankfurt/M. 1982, S. 74108, hier bes.: S. 97100.
„Der Begriff des musikalischen Subjekts“, schreibt Adorno in „Vers une musique informelle“, wäre „in sich zu differenzieren. Mit potentiellen Hörern hat er überhaupt nichts zu tun, alles mit dem Menschenrecht auf das, was Hegel Dabeisein nannte; dem Recht darauf, daß Subjektivität in Musik selbst, als Kraft ihres immanenten Vollzugs gegenwärtig ist“. Theodor W. Adorno, „Vers une musique informelle“, in: ders., Musikalische Schriften I-III, GS 16, Frankfurt/M. 1978, S. 493540, hier: S. 539.
Für eine Kritik an Adorno in diesem Punkt vgl. auch Christoph Menke, „Subjekt, Subjektivität“, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5, hrsg. von Karlheinz Barck u.a., Stuttgart, im Druck.
Wo Kapitalismuskritik oder gar Antikapitalismus draufsteht, ist mit ziemlicher Sicherheit (die Wahrscheinlichkeit beträgt ca. 99%) nichts als deutsche Ideologie drin, also der Appell an den Staat oder die Staatengemeinschaft, endlich den Staat des ganzen Volkes in Szene zu setzen, statt nur der des Kapitals zu sein und die Lösung der Krise „des Kapitals“, das mit uns allen nichts mehr zu tun hat, sondern lediglich durch 1% der Bevölkerung, die es zu liquidieren gelte, repräsentiert wird, in die eigene Hand zu nehmen. Eine solche Linke, die weder vom Kapital noch vom Souverän einen Begriff hat, flüchtet sich also zwangsläufig in die Arme des autoritären Staates.
Exemplarisch für einen solchen autoritären Antikapitalismus steht die Occupy-Bewegung, die auch nachdem sich der mediale Hype gelegt hat, ihre Thesen fröhlich unter das Volk bringt und so die autoritäre Krisenlösung vorzubereiten hilft, die in Zukunft noch gebraucht werden wird. Unter dem Namen Blockupy Frankfurt versammeln sich in Deutschland die üblichen Globalisierungsgegner und regressiven Kapitalismuskritiker wie „Attac-AktivistInnen, Gewerkschaften, antirassistische Netzwerke, Parteien wie Die Linke, Occupy-AktivistInnen, Erwerbsloseninitiativen, studentische Gruppen, Nord-Süd-, Friedens- und Umweltinitiativen, die Linksjugend [‘solid], die Grüne Jugend sowie linksradikale Zusammenschlüsse wie die Interventionistische Linke und das Ums-Ganze-Bündnis“, über deren Agenda Karl Marx bereits wusste: „In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter dem der Freihandelspartei.“
Der antiinternationalistische und antiuniversalistische Charakter linker Protestbewegungen bringt allerdings nicht nur einen bedingungslosen Etatismus mit sich, sondern führt in der Konsequenz auch in die totale Affirmation des Kapitalverhältnisses. Wie das geht, beweist Blockupy Frankfurt in dem uns zufällig in die Hände gefallenen Aufruf zum „Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes 31. Mai und 1. Juni 2013“, der keineswegs zufällig auf das den Häusern Bertelsmann und Springer entlehnte, als Nationalstaat-Werbeparole konzipierte Motto „Wir sind Blockupy“ endet. Bereits in der Beschreibung der Lage wird deutlich, dass „die Krise“ und deren „Bewältigung“ in den Köpfen von Blockupy-AktivistInnen, zur Gesellschaft vollkommen äußerliche Phänomene sind, die mit der Krise der Gesellschaft und des Einzelnen nicht zusammenhängen. Vielmehr erscheinen diese Vorgänge als ein Ausfluss von Machenschaften, die von dunklen Mächten in Szene gesetzt werden:
Am 31. Mai und 1. Juni 2013 wollen wir den Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika – der EZB, der EU-Kommission und des IWF – in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes tragen: an den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) und vieler deutscher Banken und Konzerne – den Profiteuren dieser Politik.
Die Verarmungs- und Privatisierungsprogramme, die schon vor Jahrzehnten den Ländern des Globalen Südens aufgezwungen wurden, sind jetzt in Europa angekommen. Die deutsche Agenda 2010 war nur ein Modellprojekt für das, was in noch dramatischerem Umfang gegenwärtig insbesondere in Südeuropa durchgesetzt wird. Diese Verelendung wird sich – auch hier – noch weiter verschärfen, wenn wir uns nicht wehren: Es droht der weitere Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Damit soll die Zahlungsfähigkeit für die Renditeerwartungen der großen Vermögen erhalten bleiben und durch die Verbilligung und Prekarisierung von Lohnarbeit die „ökonomische Wettbewerbsfähigkeit“ Deutschlands und (Kern-)Europas auf dem kapitalistischen Weltmarkt gesteigert werden.
Der Gedanke, dass Spar- und Privatisierungsprogramme, Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, Verbilligung der Lohnarbeit, Abbau sozialer Rechte im Sinne einer „ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit“ aus der Logik des Kapitalverhältnisses und seiner Krisentendenz bereits logisch folgen, ist solchen Antikapitalisten fremd. Beharrlich schweigt man sich darüber aus, während man umso lauter die Profiteure und politischen Akteure anklagt. Weswegen das so ist, zeigt der unmittelbar folgende Satz, den frau sich auf der Zunge zergehen lassen muss:
Gemeinsam mit den Menschen im Süden Europas sagen wir: „Don’t owe, don‘t pay!“ (Wir schulden nichts, wir zahlen nichts!) und wehren uns dagegen, dass die Sanierung des Kapitalismus in Europa auf dem Rücken der Lohnabhängigen, der Erwerbslosen, der Rentner_innen, der Migrant_innen und der Jugendlichen ausgetragen wird.
Ginge es um die Herstellung menschenwürdiger Lebensverhältnisse und hätte man von der Kritik der politischen Ökonomie auch nur wenige Seiten überflogen, hätte man schreiben müssen, dass der Kapitalismus erstens nicht zu sanieren ist, zweitens nicht saniert werden soll (egal auf wessen Kosten!) und drittens zwangsläufig auf Kosten der ihm unterworfenen Subjekte fortexistiert. Blockupy Frankfurt ruft aber dazu auf, den Kapitalismus zu sanieren, und zwar auf Kosten der Kapitalisten – eine Idee, die wahnsinnig und ultrarealistisch zugleich ist, die den autoritären Staat beschwört, die Sache der Kapitalakkumulation selbst in die Hand zu nehmen und die Schädlinge auszumerzen.
In der Hoffnung, dass es so weit nicht kommen wird, erhält Blockupy Frankfurt die Auszeichnung „Wutbürger_in der Woche“.
Wie es einem Haufen von Israelfeinden beinahe gelungen wäre, in Bonn den Vortrag eines Bahamas-Redakteurs zu sprengen, und weshalb es kein Zufall ist, dass der entsprechende Versuch gerade in der früheren Bundeshauptstadt unternommen wurde.
VON MATHEUS HAGEDORNY
Bonn ist eine Stadt von geradezu betörender Langeweile. Seitdem sie durch den Regierungsumzug ihrer weltpolitischen Bedeutung beraubt wurde, versucht sie als Sitz von UN-Büros, deutschen Weltkonzernen, NGOs und Rest-Bundesministerien, diese narzisstische Kränkung zu überwinden. Und es geht den Bonnern nicht schlecht damit. Doch einige können nicht verwinden, dass das Schicksal Deutschlands und der Welt woanders bestimmt wird, und machen unbeirrt weiter. Für notorische „Israelkritiker“, ewige Nine-Eleven-Skeptiker, radikale Muslime und andere antisemitische Weltenrichter zum Beispiel ist die Stadt ein bequemes Pflaster, weil die hiesige „Et kütt, wie et kütt“-Gleichgültigkeit perfekte Bedingungen für einschlägige Avantgardebewegungen bietet.
Und so macht sich beispielsweise niemand etwas daraus, dass das antizionistische Institut für Palästinakunde mit seinem Sitz in der Richard-Wagner-Straße eine der großartigsten Steilvorlagen für beißenden Spott liefert, die Bonner Friedensdemonstration am 11. September 2010 vor allem haufenweise verschwörungsideologische Bekenntnisse zutage förderte und der deutschlandweit ersten muslimischen Wählervereinigung, die sich die unbescheidene Parteibezeichnung BIG gegeben hat, ein umtriebiger Multifunktionär namens Haluk Yildiz vorsteht, der am kriegerischen Djihadismus einiger seiner Bonner Schäfchen rein gar nichts auszusetzen hat. Angesichts einer derart abgebrühten Bonner Öffentlichkeit verwundert es kaum, dass auch die im Zuge der Affäre um die „Free Gaza“-Flotte aufflammenden Hasstiraden gegen Israel, wie sie sich in Bonn am 31. Mai 2010 während einer Kundgebung auf dem Münsterplatz entluden, niemanden zu stören scheinen, zumindest, solange sich in diese sehr deutsche Angelegenheit kein unbedarfter Amerikaner einmischt, der sich die darauf folgenden Schläge natürlich selbst zuzuschreiben hat.
Diese Bönnsche Wurstigkeit, die solche Milieus duldet respektive erst ermöglicht, bringt andererseits auch manches Erträgliche mit sich: Im Rahmen des autistischen Universitätsbetriebs, der von der konsequenzlosen Vergleichung zahlloser Expertisen lebt, kann manch abweichende Stellungnahme und Kritik, die ganz bewusst mehr als nur eine begründete Einzelmeinung sein will, zeitweilig eine Nische finden. So wurde es beispielsweise dem AStA-Referat für Politische Bildung in den letzten Monaten gestattet, Referenten einzuladen, die ihren Gegenstand nicht als Experten und Bescheidwisser liebevoll bewirtschaften, sondern unmöglich machen wollen. Kurzum: Es gab den zarten Versuch, Gesellschaftskritik einem größeren Publikum in der Universität zugänglich zu machen.
Im Zuge dessen wurde zum Beispiel das deutsch-europäische Appeasement gegenüber dem iranischen Terrorregime ebenso kritisiert wie das sinnentleerte Gefasel in der deutschen Bildungsdebatte. Die Vorträge erreichten ein breites Publikum und regten im Nachgang – wie gewünscht – oft kontroverse und zumeist lehrreiche Diskussionen an. In diesem Sinne sollte auch die Veranstaltung, von deren Verlauf im Folgenden berichtet wird, vonstatten gehen.
Tumulte gegen den Intellekt
Am Abend des 12. November 2010 waren knapp 200 Menschen in den Hörsaal 17 des Hauptgebäudes der Universität Bonn gekommen, um an der Veranstaltung „Der Sarrazin-Komplex – Warum seine Kritiker im Unrecht und seine Thesen trotzdem verkehrt sind“ teilzunehmen. Diese Debatte und die in ihr angesprochenen Probleme waren für viele bislang anscheinend nicht zufriedenstellend behandelt worden. Der eingeladene Referent, Justus Wertmüller, Redakteur der Zeitschrift Bahamas, wollte sich ganz bewusst des Bekennertums in der Causa Sarrazin enthalten und sowohl den ehemaligen Bundesbank-Vorstand als auch dessen Kritiker einer kritischen Würdigung unterziehen.
Dass nicht alle bereit waren, den Vortrag anzuhören und sich in der anschließenden Diskussion mit dem Referenten auseinanderzusetzen, wurde bereits im Vorfeld deutlich. Schon vor Beginn des Vortrags wurde das Mikrofon von einem jungen Mann – über den noch ausführlicher zu sprechen sein wird – unerlaubt beansprucht, um Wertmüller ohne Begründung unter anderem als „Rassisten“ zu titulieren (1). Nach dieser Initialzündung versuchten mehrere Personen, dem Referenten mit Zwischenrufen die Veranstaltung ebenso zu verunmöglichen wie dem interessierten Publikum. Der Wortschatz dieser Störer bestand lediglich aus den zunehmend aggressiver gerufenen Vokabeln „Rassist“, „Kriegstreiber“ und – immer wieder –„Imperialist“. Justus Wertmüller versuchte zunächst, auf die Schreihälse nicht einzugehen, doch diese ließen nicht locker.
Weil der Referent die Erwartungshaltung der zahlreich anwesenden Antiimperialisten enttäuschte und sein Vortrag wider deren Erwarten keinen Anlass für die Bestätigung der Verleumdungen bot, griff der bereits erwähnte Anstifter der Störaktion, Simon Ernst mit Namen, zur ultimativen Schmähung: Wertmüller, rief er, sei ein „Gelehrter“. Dieses geistfeindliche Ressentiment, das seinem Urheber im Saal vor allem Gelächter eintrug, bekommt eine besonders bittere Note, weil Ernst sich seit mehreren Jahren als Avantgarde der Bildungsproteste in Bonn und sogar über Deutschland hinaus inszeniert (2) und erfolgreich darin ist, junge Menschen, die sich beispielsweise im Rahmen des „Bildungsstreiks“ gegen eine immer stärkere Zurichtung und Disziplinierung in Schule und Studium wenden, für seine autoritären Anwandlungen zu gewinnen.
Mehrfache deutliche Ermahnungen zur Ruhe führten nicht zur Mäßigung, sondern wurden vielmehr als Ermutigung verstanden, die Belästigungen zu intensivieren. Die Veranstalter vom AStA-Referat für Politische Bildung waren nicht bereit, diese beabsichtigte Verhinderung ihrer Diskussionsveranstaltung hinzunehmen, forderten die Störer mehrfach auf, den Saal zu verlassen, und alarmierten zwecks Durchsetzung des Hausrechts schließlich die Polizei. Daraufhin entstand ein Tumult, bei dem eine anwachsende Menschenmenge handgreiflich versuchte, Wertmüller zum Schweigen zu bringen und die Mikrofone an sich zu reißen. Notwendig wurde die Hinzuziehung der Staatsmacht umso mehr, als einer der Angreifer einen Laserpointer zum Einsatz brachte, um den Vortragenden zu blenden. Den AStA-Referenten für Politische Bildung der Fachhochschule Köln, der sich mit einigen anderen Gästen schützend vor Wertmüller gestellt hatte, traf ein Laserstrahl ins Auge; er musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Dort diagnostizierte die diensthabende Ärztin Verbrennungen der Bindehaut. Auf ihre Empfehlung hin erstattete der Verletzte Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung; die Polizei ermittelt. (3)
„Antideutsche klatschen“
Erst das Eintreffen der Polizei verhinderte eine weitere Eskalation. Anschließend konnte der Vortrag fortgesetzt werden. Eine etwa 30 Personen umfassende Störergruppe kehrte allerdings nach dem Abrücken der Polizei in die Nähe des Hörsaals zurück. Nachdem einigen von ihnen der erneute Zutritt zum Hörsaal verweigert worden war, ertönte von außen der Schlachtruf: „Intifada bis zum Sieg!“ – eine Parole also, mit der zur Vernichtung des jüdischen Staates und darüber hinaus zur restlosen Liquidierung aller politischen, sexuellen und religiösen Abweichler unter den Palästinensern aufgerufen wird. Man gab damit die Stoßrichtung der militanten Aktion ganz unverhohlen preis. War bei Simon Ernsts ungebetenem Eingangsstatement noch ominös davon die Rede, beim mit Israel solidarischen Justus Wertmüller handle es sich um einen kriegstreiberischen „Antideutschen“, so wurde die antisemitische Weltanschauung nun in ihrer vollen Tragweite sichtbar: Wer sich mit dem jüdischen Staat solidarisiert, kann nur ein Feind der Deutschen sein, lautete die Botschaft. Diese Ideologie begründet eine Feindbildpflege, die durch die im Hörsaal eifrig verklebten Sticker mit der gewaltverherrlichenden Parole „Antideutsche klatschen“ pointiert wurde. Zur Illustration seiner intellektuellenfeindlichen Zielrichtung bildet der Aufkleber einen Brillenträger ab, dem mit der Faust ins Gesicht geschlagen wird. Dass ausgerechnet diese vermeintlichen Vorkämpfer des Friedens den Referenten Justus Wertmüller einen „Kriegstreiber“ hießen, verrät den Charakter ihres Pazifismus.
Nicht minder ressentimentgetränkt gestaltete sich die Erklärung der Roten Antifa Köln vom 13. November 2010, die in gewisser Hinsicht als Gründungsmanifest dieser bis dato völlig unbekannten Gruppierung gelesen werden kann. In ihr wird Wertmüller vorgeworfen, ein „Philosemit“ zu sein und durch seine Antisemitismuskritik „provozierende Thesen“ zu verbreiten. Am Tumult im Bonner Hörsaal nahmen außer ihr auch Mitglieder der Ruhrgebiets-Sektion der Roten Antifa NRW teil, die sich in den letzten Jahren durch antisemitisch und frauenfeindlich motivierte Übergriffe einen Namen gemacht hat. An diesem Abend also fanden die Glorifizierung des antisemitischen Palästinensertums, die Verfemung von Intellektuellen, Kritikunfähigkeit und Gewaltverherrlichung – das heißt: bestimmende Momente des linken deutschen Antiimperialismus – zusammen.
Es ist wohl der bereits genannten Bönnschen Gleichgültigkeit zu verdanken, dass der Pöbelprimus Simon Ernst vor Ort seit Jahren nicht nur in Schüler- und Studentenprotesten mitwirken, sondern sogar als Vorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd arbeiten kann, obwohl er mindestens seit 2007 zahlreiche antisemitische Aktivitäten entfaltet hat. Zu den Betätigungsfeldern dieses antiimperialistischen Handlungsreisenden gehört nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit linken Antisemiten aus dem Umfeld des Internationalistischen Zentrums B5 in Hamburg, das die gewaltsame Verhinderung einer Vorführung von „Pourquoi Israël“, Claude Lanzmanns filmischem Plädoyer für den jüdischen Staat, zu verantworten hatte. Wie sehr es Ernst umtreibt, keine Verfügungsgewalt über das jüdische Leben im Nahen Osten zu haben, gab er als Redner der eingangs erwähnten antiisraelischen Kundgebung in Bonn zu Protokoll: „Es fällt auf, wie sicher sich dieser Staat ist bei seinen Verbrechen, wie sicher er glaubt, vor den Augen der ganzen Welt morden zu können.“ Bereits 2007, als er Felicia Langer in ihrer Funktion als Kronzeugin des deutschen Israelhasses an die Bonner Universität einlud, begegnete er der geäußerten Kritik an Langers Antizionismus mit einem verschwörungsideologischen Gedankengebäude über „geschickt lancierte Fragen“ einer durch „Sprachpsychologie“ geschulten „Israel-Lobby“ im Saal.
Es ist verstörend, dass es Simon Ernst und seine zahlreichen Kombattanten vermochten, dumpfen, antiintellektuellen Hass gegen Justus Wertmüller zu entfalten, der im Gegensatz zu diesen deutschen Ideologen tatsächlich etwas zur Kritik der Ausländerfeindlichkeit und des Leistungswahns beizutragen hat. Die antiimperialistische Agitation im Hörsaal hingegen hat nur Raum für einen blindwütigen Furor geschaffen, der einen verletzten Gast und die zeitweilige Unterbrechung des Vortrags zur Folge hatte. Wer die bisherigen Veranstaltungen des Bonner AStA-Referats für Politische Bildung aufmerksam beobachtet hat, wird festgestellt haben, dass jeder noch so aberwitzige Diskussionsbeitrag zugelassen und nicht abwürgt wurde. Eben auf diese weitgehende Toleranz der Veranstalter bauten die Störer, weshalb insbesondere Simon Ernst erst dann seine großsprecherischen Kapriolen dämpfte und den Rückzug antrat, als er realisierte, dass die Polizei tatsächlich auflaufen wird.
Ochlokratie und Emanzipation
Zu einer zivilisierten Aussprache jedenfalls wollte es dieser Mob in keinem Fall kommen lassen; vielmehr verlegte er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf argumentfreie Diffamierung und Gewalt. Diese Taktik entstammt der alten Schule des Denunziantentums: Wenn man mit genügend Dreck wirft, wird schon irgendetwas hängen bleiben. Statt überhaupt zuzuhören, was Wertmüllers – bis dato unveröffentlichter – Vortrag inhaltlich zu vermitteln hat, sollte von Beginn an ein Klima der Angst und Unsicherheit erzeugt werden, das eine Diskussion verunmöglicht, zumindest aber nachhaltig beeinträchtigt. Auch nach dem Polizeieinsatz verblieben Störer im Saal, von denen einer die Glaubwürdigkeit seines Engagements gegen Diskriminierung dadurch zu erkennen gab, dass er während seines lautstarken Abgangs den Referenten mit der behindertenfeindlichen Beleidigung „Spasti“ bedachte.
Wie man den Tonaufnahmen (4) entnehmen kann, waren die Störer zu keinem Zeitpunkt imstande, ihre Anwürfe am Vortrag plausibel zu machen; sie ergingen sich daher in verleumderischer, aggressiver und zuletzt offen antisemitischer Pöbelei. Es zeugt von einem durchaus bedrohlichen autoritären Geist im Modus der Rebellion, sich ernsthaft anzumaßen, in Übereinstimmung mit einer kleinen Gruppe selbstgerechter „israelkritischer“ Kampfgefährten eine Aussprache zu sabotieren, die ein großes öffentliches Interesse findet. Gerade weil sich unter den Störern mehrere Anhänger der Bonner „Bildungsstreik“-Bewegung befanden, die Simon Ernst und Seinesgleichen in ihrem geistfeindlichen Sinne formen möchten, muss die Frage gestellt werden, inwiefern die innerhalb des „Bildungsstreiks“ aufgestellte Forderung nach „radikaler Demokratisierung“ zu verstehen ist. Die Vorgänge im Zuge dieser Veranstaltung werfen zudem die Frage auf, ob die übrigen Teilnehmer dieser Proteste es auch in Zukunft dulden werden, dass sich unter ihnen Personen befinden, die „radikale Demokratie“ in Form einer Ochlokratie – also als schrankenlose Herrschaft eines aufgehetzten Pöbels – praktizieren wollen. Wer das geistige und praktische Elend des nachbürgerlich-kapitalistischen (Aus-)Bildungsbetriebs überwinden will, darf nicht zulassen, dass ein traditionell mit dem Antisemitismus verquickter Antiintellektualismus das bisher erreichte Maß an zivilen Umgangsformen zunichte macht, wie es aus Anlass von Justus Wertmüllers Vortrag ein weiteres Mal versucht wurde.
Anmerkungen
(1) Zu Wertmüllers Kritik an Sarrazin siehe „Frei nach Thilo Sarrazin – Leistung und Intelligenz in der Beamtenrepublik Deutschland“, erschienen in der Bahamas Nr. 59.
(2) Simon Ernst ist Förderer einer Gruppe, die im November 2009 in Bonn die Erfolgswelle des deutsch-österreichischen Bildungsstreiks so betitelte: „Wien, Deutschland, und dann die ganze Welt.“ Der eingängige Name dieser bis heute aktiven Vereinigung lautet: „Bonner Jugendbewegung“.
(3) An dieser Stelle ergeht die Bitte an Zeugen des Vorfalls, sich mit Täterbeschreibungen, Audio-, Foto- oder Videoaufnahmen an das AStA-Referat für Politische Bildung (polbil@asta.uni-bonn.de) oder direkt an die Polizei zu wenden.
(4) Die gesamte Veranstaltung ist in zwei Teilen hier online anzuhören: [1], [2].
Das Bild zeigt das Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz. Fotomontage: Lizas Welt.
Alles ging noch ganz gut bis zum 11.9.2001. Die Bahamas zerdepperte gutes altes kommunistisches Porzellan, liebgewonnene Sammeltassen und Teller mit Aufschriften wie „Klassenkampf“, „Solidarität der Völker“, „Kampf dem Imperialismus“, „Kampf dem Zionismus“, „Das Kapital hat Name und Anschrift“ und bekam dafür von den zünftigen Kommunisten sogar noch eine Zwei minus für Analyse, aber nicht mehr als ein noch Ausreichend fürs Betragen. Nach dem 11.9.2001 wurde klar, dass zusammengeklebtes Geschirr sogar eine noch haltbarere Zier ist als das ganzheitliche Modell von früher und alles war wieder wie neu: Anstelle der Kapitalisten bekämpft man jetzt die globalisierte Kapitalherrschaft und hält sich dabei noch zugute, keine „verkürzte Kapitalismuskritik“ zu betreiben, statt Klassenkampf gibt es nun widerständige Praxen, statt von Völkern spricht man von Multitudes, die in der Vorstellung der neu-alten Kommunisten im Kampf gegen die Herrschaft zu allem fähig sind. Seither stehen die Kommunisten wirklich an der Spitze der deutschen Volksbewegung – lange vor Oskars Aufstieg mit der Linkspartei. Zwar braucht man sie nicht wirklich, weil das Volk und seine Sprecher auch ohne kommunistische Avantgarde wissen, dass man sich im Kampf gegen die Kapitalherrschaft hinter einem Westwall verschanzen müsse, der nicht mehr wie früher nur Großdeutschland und seine Komplizen, bzw. die von ihm besetzten Länder, sondern ganz Europa vor seinem einstigen Befreier, den Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen hat. Aber gerade ihre Entbehrlichkeit garantiert den Kommunisten ihren Handlungsspielraum: Weil man sie nicht wirklich braucht, können sie weiter machen wie bisher und dem nationalen Vollzug mit enorm antikapitalistischen Vorschlägen vorauseilen, die von den „Herrschenden“ vorläufig noch in der Schublade „Visionen“ abgelegt werden. Dies hat nicht zuletzt den Vorteil, dass man sich weiterhin als radikaler Staatsfeind selber abfeiern kann, wenn man sich zusammen mit der Hamburgerin Ulla Jelpke von der Linkspartei einen lächerlichen Prozess gegen ein paar politisch motivierte Kleinkriminelle anschauen geht, denen vorgeworfen wird, sie hätten beschleunigen wollen, was die Mehrheit im Land sich ohnehin herbeiwünscht.
Weiße Rasse – schwarze Klasse
Hervorstechendes Kennzeichen des neuen Kommunismus ist, dass er vom historischen Vorbild die autoritäre Grundkonzeption, die dekretorische Willkür im Umgang mit Begriffen, die Verachtung von Sprache und Wahrheit übernimmt, aber im Unterschied zu diesem auf eine Art und Weise, die als aufgeklärt und fortschrittlich durchgeht, den Übergang zum Volkstumskampf ganz offen vollzieht. Der von einer Volkskommunistin wie Jutta Ditfurth einst auf dem Konkret-Kongreß 1993 als Rassist geschmähte Christoph Türcke hatte Linken ihres Schlages damals schon prophezeit, dass die Rede von der Rasse als bloßem „sozialen Konstrukt“ über kurz oder lang notwendig dazu führen werde, dass man die Gesellschaft als eine rassifizierte, ihre Akteure als Rassen und soziale Konflikte als Rassenkampf auffassen und diese Inflation des Rassenbegriffs noch als antirassistische, widerständige Handlung abfeiern werde. Wer oder was „Ethnie“ ist, wer fortschrittlich und wer der Schuldige ist, das bestimme ich nach freiem Ermessen – das ist das Grundprinzip des neuen Antikapitalismus. Wie das geht, macht die Kölner Gruppe Somost in einem Leserbrief „Zur Sache Justus W. vs. Salih“ in Konkret 10/08 vor: Sie weiß zu berichten, dass Salih als Köln-Kalker, der im Januar 2008 öffentlich und teilweise gewalttätig von seinen Kumpanen zum Opfer der rassistischen Scheißdeutschen hochstilisiert worden war, von einem „weißen Jugendlichen erstochen worden war. Höchstwahrscheinlich [!] […] in Notwehr auf einen Angriff Salihs“ hin, . Noch im Frühjahr galt der „weiße Jugendliche“ als Deutscher, was er der Staatsangehörigkeit nach auch ist, und Täter. Seit man aber weiß – weil es nicht nur in der Kölner Lokalpresse, die man noch totschweigen konnte, sondern auch in der Bahamas zu lesen war – dass er unzweifelhaft in Notwehr gehandelt hat und so richtig deutsch nicht ist, sondern nur ein Russlanddeutscher, mithin einer von jenen, um deren Integration in die Gesellschaft es auch nicht so gut bestellt ist, hat man sich bei Somost überlegt, wie man einen aus Russland, der sich höchstwahrscheinlich gegen einen Raubüberfall gewehrt hat, weiterhin verunglimpfen könnte. So wurde aus dem deutschen Mörder ein Weißer – was in der rassenkundlich versierten Szene so viel wie Täter bedeutet.
Die von Somost wissen also genau, wer von Natur aus schuldig ist und wer zum widerständigen Subjekt der nicht-weißen „Multitude“ gehört. Deren Abfeierung bedeutet de facto nichts anderes als die schnöde Affirmation krimineller Banden und ihrer ungeschriebenen, durch keinerlei Vermittlung gemilderten Disziplin, die sie nach innen und nach außen durchzusetzen sich mühen. Was früher einmal „Sieg im Volkskrieg“ hieß, findet heute seine adäquate Fortsetzung im Eintreten von Kommunisten für kulturell befreite Zonen hier und weltweit: „Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft und das Militär anzugreifen“, sei legitim, formulierte ein Angeklagter zum Auftakt eines Prozesses am 25.9.2008 in Berlin gegen ihn und zwei weitere Männer, die versucht haben sollen, in Brandenburg an der Havel Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden, und denen darüber hinaus vorgeworfen wird, eine kriminelle Vereinigung namens Militante Gruppe gegründet zu haben. Mit dem Krieg, dessen Gewalt Widerstand entgegenzusetzen sei, war der afghanische Bürgerkrieg gemeint, in dem auch deutsche Soldaten als Teil einer amerikanisch geführten UNO-Truppe sich auf Seiten der afghanischen Regierung engagieren. Afghanistan soll nach Ansicht dieser Kommunisten endlich wieder den Afghanen gehören, also den Taliban und den Clanchefs. Wenig Phantasie gehört dazu, um zu folgern, dass dieselben Leute sich wünschten, über von Zivilisation befreite Zonen auch in Deutschland etwas unbefangener zu diskutieren und etwa zunächst zwei der drei Kreuzberger Brüder Hatun Sürücüs als Opfer rassistisch motivierter Vorverurteilungen nachträglich zu rehabilitieren, was sich bislang nur mutige Einzelgänger getraut haben, wie zum Beispiel Professor Schiffauer von der Viadrina-Universität, der als entlastender Prozess-Gutachter tätig gewesen ist und zum Dank dafür am 10.9.2008 von jungen klassenkämpferischen Kommunisten der Gruppe T.O.P in Berlin zum Vortrag vor 150 Leuten geladen wurde, darunter nicht wenigen, die noch vor kurzem mit Israelfahnen auf Demonstrationen gegangen sind.
Nun gibt es einen, der in Sachen Rassentheorie nie so weit gehen würde wie einige Kölner Antifas, die aus „schwarzer“ Rasse revolutionäre Klasse machen wollen, aber ihnen die Hand zum Mitmachen gereicht hat, seit er die Verhinderung der offenbar bevorstehenden Vernichtung – nicht etwa Israels oder der Juden – sondern der „Kanaken“ in Köln-Kalk und anderswo zum obersten kommunistischen Ziel erklärt hat. Er ist einer, der sich bisher mal reingeritten und dann wieder rausgewurstelt hat, der sich antisemitische Krawallakte gegen Freunde Israels und Amerikas 2004 in Hamburg live angeschaut, aber darüber Stillschweigen verhängt hat und zum scheinbaren Ausgleich frohgemut Israel seine Solidarität erklärte, die er tags darauf widerrief, weil er einen antizionistischen Scharfmacher gefunden hat, der es mit Adorno gehabt haben soll. Den Kerl komplimentierte er dann, wiederum schweigend, hinaus, weil der sich mit Querfrontpolitikern in Köln getroffen hatte, um sich zuletzt in der Position der Äquidistanz gegenüber Israel und seinen Feinden und Ayaan Hirsi Ali und ihren Verfolgern auszuruhen. Er ist es nie gewesen, war für Kritik stets offen, natürlich nur für solche in emanzipatorischer Absicht, und hätte immer so weiter gemacht, wenn die Bahamas den Betriebsfrieden nicht gestört und ihm nachgewiesen hätte, dass er längst mit den Multitudes aller Länder und damit der Mehrheit im Land paktiert. Seither hält es Hermann Ludwig Gremliza nicht mehr und er schnappt nach der Bahamas, die er bislang so tapfer ignoriert hat.
Herr Scharang verkündet die Ankunft des heiligen Ludwig
Alles ist ihm seit dem Frühjahr 2002 misslungen, als ich mir scheinbar noch unentschieden in der Bahamas die Frage stellte: „Konkret kaputt?“. Nachdem ich im August 2008 eine Gegendarstellung in seinem Express erzwungen und damit sein Lebenswerk in Frage gestellt habe, schart er seine letzten Spezis um sich und lädt sie zum intellektuellen Selbstmord ein. Den Schriftsteller Michael Scharang, dessen großer Roman „Auf nach Amerika“ (1992) gegen seinen Urheber Zeugnis ablegt, hat er in großer Not um eine Liebesgabe gebeten, die besonders niederschmetternd ausgefallen ist, weil Scharang ausgerechnet Karl Kraus gegen mich ins Feld führt, was Gremliza aus guten Gründen, die in der Bahamas nachzulesen sind, schon lange nicht mehr wagt. Der Wiener Schriftsteller legte Hand an sich und nicht an Justus W., als er ihm unterstellte, er „winde“ sich als Teil einer „Lumpenbourgeoisie“, „in rasender Verzweiflung, vielleicht doch noch von den Herrschenden gebraucht zu werden, auf einem nichtexistierenden Markt, in der Hoffnung, dass seine Verrenkungen, die er für solche des Geistes hält, wahrgenommen werden“ (Leserbrief in Konkret 10/08). Nicht genug, dass die Unterstellung, ich wände mich „in Verzweiflung, von den Herrschenden gebraucht zu werden“, noch nicht einmal als Österreichisch durchgeht – er hat sich auch schrecklich in seinem Satz verwickelt, in dem ich mich am gleichen nichtexistenten Ort mal „in Verzweiflung, gebraucht zu werden“ winde und dann „in der Hoffnung, wahr genommen zu werden“ verrenke, als wäre das nicht das gleiche. Was tut man nicht alles, um die doch etwas zu schlichte und vor allem zu kurze Botschaft, Justus W. schleime sich bei den Herrschenden ein, die ihn gar nicht haben wollten, gescheit, ja, aufwendig klingen zu lassen.
Aber selbst das hätte er noch überlebt – es war ja nur von mir und nicht von Karl Kraus die Rede. Doch ein bisschen mehr als folgsam nachzutreten war er seinem Ruf als Dichter und Kritiker dann doch schuldig: „Brecht, dem Kämpfer, war der Geist das Wort“ heißt es im ersten Buch Michael, das die Ankunft des Erlösers Ludwig verkündet, der von Bertolt Brecht und Karl Kraus, die in „schöner […] Arbeitsteilung […] eng verbunden und tief getrennt ihre Arbeit machten“, gesalbt ward und heute alles auf einmal macht: „Das Lehrstück, die Satire, den Essay, die sprachverliebte poetische Glosse und die Polemik gegen die Menschenverachtung, die sich aufwendig [?] als Verachtung der Sprache zu erkennen gibt, ehe sie sich zum simplen Totschlag bequemt [??].“ Dass Brecht, obwohl er zunehmend zum ordinären Parteikommunisten mit Sicherheitsabstand zur wirklichen Partei und noch größerem zum Vaterland der Werktätigen sich wandelte (,das er im Frühsommer 1941 in Todesängsten Richtung Wladiwostok zum rettenden Schiff gen Amerika durchquert hatte), „trotz und mit allem, womit er bewusst seinem dichterischen Wert entgegenwirkt“ (1) ein großer Dichter sei, hat Karl Kraus mehrfach betont. Weiter ging die Wertschätzung, von einer „Zusammenarbeit“ ganz zu schweigen, schon deshalb nicht, weil Kraus den Dichter Brecht immer gegen seine literarische Umgebung, der er sich ideologisch und oft genug auch poetisch immer mehr gleichmachte, hervorgehoben hat. Mit Blick auf „die bürgerliche Gedankenwelt, wie sie sich in den Werken der Shakespeare, Goethe, Gogol, Raimund, Nestroy und Offenbach darstellt“, kam Kraus zu dem so gar nicht nach „Arbeitsteilung“ klingenden Ergebnis, „dass die bürgerliche Gedankenwelt, selbst dort, wo sie tief unter dem Niveau der genannten Schöpfer liegt, Leistungen hervorbrachte, die berghoch über alles ragen, was die sozialistische, in sozusagen deutscher Sprache, bis heute produziert hat (wenn man Brechts eigentlichen Sprachwert rechtens von ihr ablöst, aber dafür die Gehirnschande aller Kampfliteratur und ‚proletarischer Satire‘ gründlich berücksichtigt).“ (2) Wenige Monate vor Erscheinen des Fackel-Heftes, aus dem dieses Zitat stammt, hatte Brecht die Gehirnschande begangen, mit einem Schmähgedicht als Kampfliterat gegen Kraus, den „guten Unwissenden“ aufzutreten, in dem es heißt:
„Er rühmte die Mörder. Er beschuldigte die Ermordeten.
Dem Hungernden zählte er die Brotkrumen nach, die sie erbeutet hatten.
Den Frierenden erzählte er von der Arktis.
Denen, die mit den Stöcken der Pfaffen geprügelt wurden
Drohte er mit den Stahlruten des Anstreichers.
So bewies er
Wie wenig die Güte hilft, die sich nicht auskennt (…)“ (3)
So erging es einem, der in den führenden SP-Genossen, die allen Ernstes noch nach dem 30.1.33 den Anschluss Österreichs ans deutsche Reich nicht aus dem Programm streichen wollten, keine Antifaschisten zu erkennen vermochte, wohl aber Kollaborateure mit den Nazis, und der den Arbeiteraufstand vom Februar 1934 gegen die herrschenden, von Dollfuß geführten Austrofaschisten offen kritisierte, die bis zu Mussolinis Schwenk den Anschluss ans Dritte Reich mit verhinderten, und der die österreichischen Sozialdemokraten mitverantwortlich für den Tod von fast 200 Arbeitern machte:
„Der da auszog gegen die Unterdrückung, selber satt
Wenn es zur Schlacht kommt, steht er
Auf der Seite der Unterdrücker.“
Wenn er sich nimmer auskennt, der satte Unwissende, also gegen die Doktrinen des Stalinismus verstößt, dann wird ihm mit dem Gestus des Auskenners und Bescheidwissers heimgeleuchtet, wird er gemäß der infamen Lehre „reich und reich gesellt sich gern“ des gleichzeitig entstandenen grotesk-peinlichen Parabelstücks über die Judenverfolgung in Deutschland, „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ nicht mit dem Geist und auch nicht mit dem Wort bekämpft, sondern degradiert in den Stand der Mehrwertmullahs, die schon in „Menschenverachtung“ gemacht haben, „ehe sie sich zum simplen Totschlag“ bequemten. Michael Scharang hat einen hohen Preis dafür bezahlt, dass er, den Kampfliteraten gebend, einem beigesprungen ist, der anders als drei Berliner Antiimps oder ein paar Kölner Antifaschisten, die nicht wissen, was sie daher stammeln, die Sabotage der Kommunisten am Kommunismus über das Jahr 1989 hinaus exemplarisch verkörpert.
Sprachverliebte Hetze
Obwohl ja die antirassistischen Kim il Pots seit Jahren durchs Netz pfeifen, dass auf Seiten der Unterdrücker, ja, Mörder von Salih aus Kalk satt und sich anbiedernd der Mehrwertmullah steht und derselbe samt Konsorten längst als Antisemit geoutet wurde, hat Hermann Ludwig Gremliza lange den Mund gehalten und außer einigen homophoben Invektiven gegen die wunderlichen Gewänder des Papstes und einem nicht minder zwielichtigen Verweis auf Daniel Küblböck die Bahamas tapfer ignoriert, was nicht gut gehen konnte.
Weiter zu schweigen, um sich die endgültige Blamage zu ersparen, hätte bedeutet, bei so überragenden Kommunisten wie Jutta Ditfurth, die für Uli Krug schon ein Standgericht zusammengerufen hat, in den Verdacht zu geraten, satt lächelnd die Salihs auf den Barrikaden von Köln verbluten zu lassen, wie einst der angebliche Kompagnon von Bertolt Brecht die Arbeiter von Wien. Es hat ihm alles nichts mehr geholfen, weil er sich jahrelang nicht mehr ausgekannt hat, was ihn gelegentlich dazu verleitet hatte, zwischen den Stahlruten der Mullahs und den Stöcken des amerikanischen Präsidenten zu unterscheiden, also auch zwischen Elendskapitalismus ohne und Elendskapitalismus mit Sharia und Djihad. Wollte er weiterhin als größter Kommunist im Land gelten, musste er tun, wovor er lange zurückgeschreckt war und bündeln, was in einem Nebensätzchen hier und einem Aperçu dort längst schon durch seine Lehrstücke und sprachverliebten Glossen herumirrte: Die Brücke vom Salih zum Itzig musste geschlagen, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus gleichgesetzt werden, auf dass der „Hauch von Gas“ (Uli Krug), der aus den toten Trakten bundesrepublikanischer Gefängnisse von tagebuchführenden Gefangenen herbeihalluziniert wurde, sich mit dem Gestank verbrannten Menschenfleisches aus den Kaminen von Auschwitz vermische und auf diese Weise ein moralischer Mehrwert für den deutschen Kommunismus akkumuliert werde.
Im Juli dieses Jahres hat er es nicht mehr ausgehalten und alles musste heraus. Im „Express“, also dort, wo alle möglichen Gestalten früher wegen schlechtem Deutsch, falschen Zitaten und anderer ideologisch motivierter Angriffe auf die Wahrheit kurz, aber zumeist treffend der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, erschien etwas auffällig Längliches, ja, um mit dem Wiener Dichter zu sprechen, sogar Aufwändiges:
„Justus W., im Laufe der Jahre wie viele seiner Genossen zum Pfaffen der Kapitalherrschaft, ihrer Polizei und ,Bildzeitung‘ gereift, wirft noch einmal ein Schäufelchen Kot auf Ulrike Meinhof, die ,völkische Antisemitin‘, der er ihr Gerede von ,Israels Nazi-Faschismus‘ und ,Israels Himmler‘ (Moshe Dayan) vorhält – die Halluzinationen einer im Toten Trakt mit vollständiger Isolierung Gefolterten, die, ein paar Jahre zuvor und ganz bei Sinnen, die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt hatte. Wozu hingegen andere schon in ihrer gut beheizten Wohnstube fähig sind, führt der zum Mehrwertmullah konvertierte Exkommunist an sich selber vor. Über einen Mann aus Köln-Kalk, der einen türkischen Jugendlichen namens Salih mit seinem Messer tödlich verletzt hat, schreibt er:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte …
,Ein Salih‘ ist das Singularetantum für jeden Kanaken, wie im ,Völkischen Beobachter‘ ,ein Itzig‘ für jede Judensau. Und weiter geht’s:
Ein deutscher Feuerwehrmann, der ein kleines Kind, das ihm aus dem dritten Stock des brennenden Gebäudes zugeworfen wurde, geschickt aufgefangen hatte, wurde z.B. von der ,Hürriyet‘ deshalb gelobt, weil seine Eltern Türken sind und er damit auch einer zu sein hat.
Man glaubt ihm aufs Wort – wer kann schon Türkisch? Zwar gibt ,Hürriyet‘ sich schon dadurch als chauvinistisches Drecksblatt zu erkennen, dass sie Springers ,Bild‘-Chef Kai Dieckmann in ihren Beirat berufen hat, allerdings hat das Blatt in diesem Fall die gesamte Ludwigshafener Polizei für ihren Einsatz gelobt, bevor sie in einem weiteren Bericht tatsächlich erwähnte, dass der rettende Polizist Hakki Paker heiße, und ,türkischstämmig‘ sei. An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt.“ (Gremlizas Express, 8/08)
Eine erste Antwort wurde ihm im eigenen Blatt gegeben auf eben jener Seite, die bis zum Septemberheft 2008 vielen Lesern als ein Höhepunkt der Sprachkritik galt:
„Gegendarstellung
In KONKRET Heft 8 / August 2008 in der Rubrik Gremlizas Express wird mit Nennung des Namens Justus W. folgender Satz als Zitat ausgewiesen:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…
Dieses Zitat ist falsch.
Tatsächlich habe ich Folgendes geschrieben:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger ,deutscher‘ Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…
Berlin, den 6.8.2008
Justus Wertmüller“ (Gremlizas Express, 9/08)
Dem satten Karl Kraus ist Vergleichbares in 37 Jahren Fackel und mehr als 10.000 Seiten eigenen Textes voller Zitate nicht unterlaufen. Ihm war das Zitat heilig, und wenn er den Zitierten noch so sehr verachtet hat – zur Fälschung war er schon deshalb nicht fähig, weil es die unwiderrufliche Entwertung seines Werks bedeutet hätte, und zwar nicht auf dem Markt, auf dem er in den letzten Jahren seines Lebens so wenig nachgefragt war, dass aus dem Nachlass kaum mehr als die Bestattungskosten bestritten werden konnten, sondern vor dem eigenen Wahrheitsanspruch, den er noch auf dem Totenbett bekräftigte, als er gegenüber einer Freundin darauf insistierte, niemandem Unrecht getan zu haben.
Wer kann schon Türkisch?
Bevor er mich um einen „ertmüller“ kürzer gemacht hat, habe ich ihn nicht etwa meinerseits beraubt, sondern bereichert und dem geheimnisvollen L. ein „udwig“ angefügt – als symbolische Würdigung eines Lebenswerks, in dem für Polemik (oder Kommunismus) kein Platz mehr ist, seit das Singularetantum „Atta“ für alle Mitglieder einer Hamburger Schule der praktischen Imperialismuskritik steht, auch für jene, denen die Eltern nicht mit dem Glaubensstärke signalisierenden Mohammed schon im Säuglingsalter den Heilsauftrag verpasst hatten. Noch vor wenigen Jahren, als Gremliza noch nicht mit den Kalker Barrikaden-Salihs für Gerechtigkeit gestritten hatte, wäre mir das als Indiskretion und Verleumdung erschienen. Der Verfassungsschutz, dessen Angestellte längst wieder unverkrampft der deutschen Sache nützlich sind, und nicht mehr das Hohelied der Westbindung singen müssen, hatte in dem 2004 erschienen Buch „Extremismus in Deutschland“ hämisch die Frucht einer kleinen Recherche präsentiert und gegen den Willen des Herausgebers das L. kassiert und vom „‚Bellizist(en)‘ und ‚konkret‘-Herausgeber Hermann Ludwig Gremliza“ gesprochen. Im gleichen Buch hat ein früherer Konkret-Autor und Antisemitismus-Spezialist vor „Wortführern wie Hermann Gremliza (Konkret) und Julius Werthmüller (Bahamas)“ gewarnt, die gemeinsam „ihren Israel-Kult, ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen“ betrieben. Darauf hat die Redaktion im Editorial der Bahamas Nr. 47 geantwortet: „Was den Ludwig und den Julius ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen eint, ist der Abscheu vor den Kreaturen einer staatlichen Agentur für Gesinnungsschnüffelei, die ausgerechnet dann, wenn den Hauptamtlichen nichts mehr einfällt, mit einem erweiterten Verfassungsschutzbericht gegen Wortführer in die Bresche springen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Volksgenossen äußern“.
Das war einmal. Wo es keine Geheimnisse mehr gibt und keine Überraschung ins Haus steht, also dort, wo ein deutscher Reiseunternehmer türkischer Herkunft, der anderswo den Beitrag der türkischen Frau zur deutschen Wirtschaft in ihrer überdurchschnittlichen Gebärfreudigkeit erkannt hatte, im Interview mit Konkret (8/08) als Stimme der Freiheit daherschwadroniert wie sonst nur das chauvinistische Drecksblatt gleichen Namens (Hürriyet), damit der natürlich völlig unbegründete Verdacht, die Türkei verwandle sich in eine islamisch-kemalistische Autokratie, ausgeräumt ist, braucht man sich nichts mehr vorzumachen, auch kein „L.“ mehr für einen Ludwig. Wo der führende Kommunist Hermann heißt und Kolumnen schreibt, bleibt für den Polemiker und Liebhaber der sprachverliebten Glosse, die vom falschen Zitat zu getürktem Türkisch voranschreitet, nur noch der Ludwig übrig.
Wie war das noch mit dem Ludwigshafener Lebensretter, der von mir irrtümlich in einer Fußnote als deutscher Feuerwehrmann ausgegeben wurde, obwohl er doch deutscher Polizeibeamter ist? Ist er in der Hürriyet vom 5.2.2008 jetzt als „türkischstämmig“ (türk kökenli) oder türkisch (Türk) präsentiert worden? Tatsächlich war im Kleingedruckten eines Artikels zu lesen, dass das Kleinkind Onur von „dem türkischstämmigen deutschen Polizisten Hakki Paker gerettet“ worden sei. Ich habe zwar geschrieben, dass es egal sei, welche Staatsbürgerschaft einer hat, der Hakki heißt, weil er, ob er will oder nicht, in ein Volkskollektiv eingemeindet werden soll, dessen berufene Sprecher in der Diaspora wie z. B. der Konkret-Interview-Partner Vural Öger, bejubeln, was unter laizistischen Türken als Ausweis der Rückschrittlichkeit gilt: zahlreiche Kinder und immer neue Moscheen zum Beispiel. Aber ich schließe mich trotzdem dem Herausgeber an und rufe aus: Und weiter geht’s: Über die Botschaften bunter Zeitungen, das sollte man als geschulter Kritiker der Bild-Zeitung doch gelernt haben, gibt die Überschrift überzeugender Auskunft als jedes Wort im nachfolgenden Text. Und die schrie in der Hürriyet vom 5.2.2008 in fetten Lettern aus: „Bebegi Türk polis kurtardi.“ (4) Zu Deutsch heißt das immer noch: „Das (oder besser: dieses) Baby rettete ein türkischer Polizeibeamter.“ Mit Überschriften, in denen dem „Türk polis“ gehuldigt wurde, warteten zur gleichen Zeit übrigens auch die Tageszeitungen Tercüman, Aksam, Yeni Safak und Sabah auf.
Aber wer kann schon Türkisch? Für die deutschen Gänsefüßchen, die gerade dort verloren gehen mussten, wo etwas richtig entlarvend Antideutsches gegen einen Antideutschen, etwas mit „Judensau“ und Völkischem Beobachter herauskommen sollte, kann er nicht seine Praktikanten für die schlampige Recherche haftbar machen, sondern nur den inneren Ludwig, der für sich ganz wie der L. von früher nicht nur in Anspruch nimmt, deutsch zu können, sondern auch Karl Kraus verpflichtet zu sein.
Wo Polemik beginnt
Leicht ist es ist nicht, im Stande des Ludwigs leben zu müssen, als Sprachkritiker blamiert, als Kolumnen schreibender Kommunist zwischen Elsässer und Ebermann hin und her geworfen, den Einflüsterungen des Mehrwertmullahs widerstehend Ulrike, der einzigen Braut zu huldigen, die heute aus dem Munde des Mediums Jutta zu ihm spricht. Aber irgendwie geht’s schon. Ich werde ihn jedenfalls nicht schaffen und nie mehr bewirken, als ihm zu schaffen zu machen. Ich kann ihn unwidersprochen öffentlich einen Geschichtsfälscher nennen, wenn er Mussolinis Faschisten mit Hitlers Nationalsozialisten gleichsetzt und ihnen unterstellt, was sie nicht getan haben, sie hätten die italienischen Juden den Deutschen ausgeliefert und ins Gas geschickt (Bahamas 43, S. 70). Ich kann ihm in Sachen Glasauge, Hinkebein und Modell Analita recht liebloser Körperschau und entsprechend ergebnisorientierter Vorlieben beim Gebrauch des Körpers zeihen (Bahamas 42, S. 67), aber Konkret schweigt, Rechtsanwalt Oliver Tolmein schreibt mir nicht und keiner wundert sich, warum das keine Folgen hat. Ich führe Karl Kraus gegen ihn ins Feld, weise nach, dass er Privatpost ohne Zustimmung der Briefeschreiber veröffentlicht hat (Bahamas 45, S. 54) , dass er einen israelischen Feind Israels, aus dem es herausspricht wie aus Ludwig (!) Watzal, zum jüdischen Kronzeugen gegen Israel hat aufbauen helfen (Bahamas 42, S. 65) – und er schweigt, ohne dass es ihm schadet.
Das geht nur, weil sein Publikum ebenfalls schweigt und schweigend mitfühlt. Offenbar gibt es eine gefühlte Solidarität, deren Protagonisten immer dann mit mir hadern, wenn ich ihn blamiere, ihm allerdings öffentlich unter Hinterlassung ihres Namens niemals recht geben würden. Obwohl ich niemals einen erklärten Kommunisten nur deswegen einen Faschisten nennen würde, weil er das Kapital vom Staat regiert sehen will, habe ich gegen die Feststellung „An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt“, wenig einzuwenden. Zwar kann man an mir nichts lernen, sondern höchstens an meiner Bemühung des Hamburger Presserechts gegen verschwundene Gänsefüßchen als einer Maßnahme gegen Press-Hetze – demonstrieren läßt sich in der Sache Gremliza gegen Justus W. allerdings, in welchem Verhältnis Polemik und Hetze zueinander stehen.
Zum Argumententausch gedeiht eine Kontroverse nie, in der ein Polemiker Partei ist, denn wo der Kritiker polemisch auftritt, gibt es nichts mehr auszutauschen. Wenn heute noch behauptet wird, es habe zwischen 1911 und 1932 eine Polemik zwischen Karl Kraus und Alfred Kerr gegeben, dann ist das schon eine Verleumdung, und zwar des Polemikers Kraus. Auf der einen Seite steht immer ein Lügner, ein Verleumder, ein Polterer und auf der anderen der Kritiker. Einer ereifert sich, bläst sich auf, mimt den Empörten und fühlt sich als Florett-Fechter, wenn er mit dem Dreschflegel hantiert und ist doch längst damit befasst, aus hoffnungsloser Defensive heraus mal die Autorität, mal den Mob gegen eine Kritik aufzuhetzen, der er mit Argumenten nicht gewachsen ist. Doch nicht ihm, sondern seinem Gegenüber, dem Polemiker, wird regelmäßig zum Vorwurf gemacht, er reagiere unsachlich, habe sich nicht mehr im Griff und wäre deshalb dafür verantwortlich, dass ein fürs Publikum Gewinn bringender fairer Wettstreit nicht zustande käme, weil alles von Persönlichem, ja Kränkendem überlagert sei.
Als man noch wusste, dass Poltern nicht deutsche Manneszier, sondern rüpelhaftes, autoritäres Verhalten ist, schrieb Gotthold Ephraim Lessing gegen einen Hamburger Hauptpastor, der in Buch- und Zeitschriftenform Bannflüche gegen alle Abweichungen von der reinen lutherischen Lehre veröffentlicht hatte: „Ich muß, ich muß entbrennen – oder meine Gelassenheit selbst, meine Kälte selbst, machen mich des Vorwurfs wert.
Wie, Herr Hauptpastor? Sie haben die Unverschämtheit, mir mittelbare und unmittelbare feindselige Angriffe auf die christliche Religion Schuld zu geben? Was hindert mich, in die Welt zu schreiben, daß alle die heterodoxen Dinge, die Sie itzt an mir verdammen, ich ehedem aus Ihrem eigenen Munde gehört und gelernt habe? Was hindert mich? Eine Unwahrheit wäre der anderen wert. Daß ich Ihre Stirn nicht habe: das allein hindert mich. Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann, und Sie – Sie tun alle sieben Tage, was Sie nur einen Tag in der Woche tun sollten. Sie schwatzen, verleumden und poltern; für Beweis und Eviction mag die Kanzel sorgen.“ (5).
In Sachen Polemik gibt es immer nur Lessing gegen einen lutherischen Dogmatiker, Heine gegen einen deutschen Jakobiner mit nationalen Tugenden, Marx gegen reihenweise deutsche Sozialisten und Karl Kraus gegen den deutschnationalen „Friedmenschen“ Alfred Kerr, der im Weltkrieg in schlechten Reimen Blut und Eisen gespuckt hat. Das gilt auch dann, wenn ein Herausgeber, dessen Medienmacht gering ist, gegen einen Kritiker hetzt, der nach der Meinung seines Wiener Kronzeugen „im Register der Schmach einen festen Platz hat“. Dem Gegenüber des Polemikers versagt das Wort, ist die Verleumdung beständiges Hilfsmittel, und der drohende und schimpfende Sprachgestus gibt nur noch vor, wenigstens auf Orthodoxie und damit kanonisierte Wahrheit sich zu berufen, während längst blinder Dogmatismus die zweifelnde Gemeinde einschwören soll, auf deren autoritären Charakter meist erfolgreich spekuliert wurde und wird.
Wo Polemik versagt
Polemik, die nicht durch die Erfahrung persönlicher Kränkung motiviert wäre, ist undenkbar. Und im entbrannten Vortrag von Beweisen und Evictionen gegen den Verursacher der Kränkung ist diese aufbewahrt und bewältigt zugleich: aufbewahrt, weil die Polemik aus der präsenten Kränkungserfahrung ihre Vehemenz bezieht, ansonsten sie zu harmlos-feinsinnigem Geplänkel geriete; bewältigt, weil die Empörung sich stilisiert und sachlich vermittelt artikuliert, ansonsten sie, wie sich bereits an Lenins einschlägigen Schriften ablesen läßt, zu Gezeter und Gepolter geriete. Als Polemiker tritt der entbrannte Kritiker auf, der gekränkt ist, weil ihn das nichtswürdige Agieren des Kontrahenten genauso empört wie der von ihm ausgehende und über seine Person hinausweisende Anschlag auf die Wahrheit. Gegen den Hauptpastor der linken Gemeinde muss ich mich mit Lessing fragen, „was hindert mich, in die Welt zu schreiben, dass all die heterodoxen Dinge, die Sie jetzt an mir verdammen, ich ehedem aus ihrem eigenen Mund gehört und gelernt habe?“, um mit Lessing zu antworten: „Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann“. Ich habe es aufgegeben, einem kommunistischen Herausgeber die Ersprießlichkeiten der Wahrheit, die Rettung seines Namens vor dem Schimpf unter fragwürdiger Beweisführung über früher von ihm Erreichtes, hinter das er nun zurückgefallen sei, schmackhaft zu machen. Denn es ist nicht wahr. Ich habe am „Express“ manches gelernt, als ich vor langer Zeit einmal einige Jahrgänge Konkret nur auf diese Rubrik hin gelesen habe, ohne zu erkennen, dass der zweifellos hochpeinliche Theo Sommer von der Zeit, über den Gremliza Jahrzehnte lang seine Witze gerissen hat, schon in seinen besten Jahren für nicht viel mehr stand als unzulängliches Deutsch an herausgehobener Stelle in einer Wochenzeitung, deren andere Autoren es zumeist besser konnten. Darüber hinaus war an den Abfertigungen Theo Sommers und anderer kaum mehr dran als die stets falsch begründete Gewissheit, dass auch die Bundesrepublik des Jahres 1980 eine schlechte Welt war, überlagert von dem unverbesserlichen Bescheidwissen, dass es sich bei USA und Nato jedenfalls um Teufelszeug handele. Gelernt habe ich immerhin einiges über Stilblüten – über den Zusammenhang von Nato, westlichem Bündnis und schlechtem Deutsch dagegen nichts. Vor wenigen Jahren dachte ich noch, ich könnte ihn unter Verweis auf die heterodoxen Dinge über den politischen, journalistischen und schriftstellerischen Betrieb, dem er immer angehörte und den er jetzt mit schlechten Gründen an mir verdammt, Dinge, die ich doch nicht zuletzt von ihm gelernt zu haben glaubte, auf einen Weg zurückbringen, der seiner nie war. So wie ein Hauptpastor Goeze in stilleren Zeiten im Rahmen der lutherischen Orthodoxie mancher Einsicht zugänglich war, der er sich im Streit mit Lessing wohl schämen musste, blitzten aus Gremlizas Produktion zuweilen Einsichten auf, deren Tragweite man nicht ermessen und deren logische Konsequenzen man nicht an Ort und Stelle ziehen musste. Heute ist klar zu erkennen: sie waren die Dreingabe, nicht die Hauptsache. In ruhigen Zeiten, in denen die Feinderklärungen unerschütterlich feststanden und jeder seinem Lager angehörte, wurde es für einen etwas gewitzteren Publizisten allmählich langweilig, immer in Treue fest zu den Seinen zu stehen, weshalb Gremliza in seine Auslese publizierten Sprachmülls immer wieder auch linke oder linksradikale Stimmen aufgenommen hatte, während in der Zeit keineswegs nur sprachferne Atlantiker wie Theo Sommer sich verlautbarten, sondern zunehmend auch korrektes Deutsch schreibende Ökologen, Dritte-Welt-Kenner und andere im Widerstand gegen das transatlantische Bündnis stehende Europäer.
Nach 1989 fand die nach dem Sieg der Sowjetunion über Deutschland einzige humane Großtat aller Regimes des realen Sozialismus, nämlich unter weitgehendem Verzicht auf letzte Gefechte sich von der Bühne der Geschichte getrollt zu haben, keineswegs Anerkennung bei deutschen Sozialisten. Sie nannten sich nicht deshalb ab 1990 alle Kommunisten, um die seit spätestens Mitte der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts so schmählich verratene Verbesserung des Menschengeschlechts in kommunistischer Absicht endlich ohne Zuhilfenahme von Stahlruten oder Stöcken auf den Weg zu bringen. Den Realsozialismus kritisierte man nicht, weil er zu autoritär war, sondern weil er es in den Augen der Linken nicht genug war, also nicht wegen der entsetzlichen Umerziehungs- und Mordanstalten der Sowjetunion, deren Alltag Solschenizyn in seinem genialen Kurzroman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ beschrieben hat, sondern wegen seines als schmählich und kapitulantenhaft empfundenen Abtretens. Auch wenn es in den Jahren zwischen 1990 und 2001 zeitweilig so aussehen wollte, als ob über den Kommunismus endlich ohne Lenin und Stalin, Mao und Frantz Fanon verhandelt werden und die Befreiung der Menschen endlich wieder eine Sache menschlichen Zuschnitts werden könnte – der Bruch mit den autoritären Sozialismuskonzeptionen ist in Wirklichkeit nicht nur nicht gelungen, er war gar nicht vorgesehen. Das kurze Intermezzo der Pro-Israel-Kampagne, die diese Zeitschrift, auch hier einigen Versprechern des Hamburger Herausgebers scheinbar folgend, in den Jahren 2000 (Beruf Palästinenser) bis 2002 (der unheimliche Aufmarsch) angezettelt hatte, endete im Frühjahr 2003 mit dem Irak-Krieg jäh und unwiederbringlich. Längst schon rasselten in den Phantasien der Ideologen zu befreiende Völker mit Ketten, gegen die sie nur einzuwenden haben, dass sie von kolonialer Machart seien, tummelten Klassen und Rassen sich im Jargon aller Kommunisten, auch dann, wenn die einen bis heute etwas von den JüdInnen und ihrem besonderen Schicksal raunen und andere Israelfahnen auf Demonstrationen entrollen, auf denen vor Islamophobie gewarnt wird.
Aus dem Manifest des deutschen Kommunismus
Die Israel-Solidarität hat sich als zu schweres Gewicht um den Hals des Herausgebers und aller deutschen Kommunisten guten Willens erwiesen. Sie verlangt einem mehr ab als ein bekennerhaftes Wort, sie fordert den ganzen Kritiker, der immerhin zu begründen hätte, worum Gremliza sich herumwindet: dass jede von außen geübte Kritik an Israel als im Kern antisemitischer Anschlag auf den jüdischen Staat und mit ihm auf die westliche Zivilisation zu gelten hat. Hinter Israel steht nicht jener Kommunismus, dessen Künder mit Serkan aus München oder Salihs Brüdern aus Köln ins Geschäft zu kommen sich mühen, unter deren Stiefelabsätze oder vor deren Fäuste immer auch jene Träger des Namens Serkan oder Salih geraten, die den autochthonen Abzockern die Brüderschaft aufkündigen. Weil „ein Salih“ nicht für jeden „Kanaken“ steht, sondern durchaus verallgemeinernd für die Zugehörigkeit zu einer Bruderschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig und mehr noch solche, die nicht dazugehören, abzocken, steht das Singularetantum Salih weder für angeborene noch für zugeschriebene Eigenschaften einer bestimmten Gruppe, sondern als Ausdruck der von ihren Mitgliedern freiwillig angenommenen Verhaltensweisen, die ihnen häufig sehr wohl zur Eigenschaft werden.
Der Ausländerfeind ist sich sicher, dass nicht Salih und seine Brüder, sondern ganz verallgemeinernd Ali, verschiedene schlechte Eigenschaften von Natur und Herkunft hat, zuvörderst die, an allem Schuld zu sein. Ali kann mal als Jobkiller, mal als unheilbar arbeitsscheu präsentiert werden, mal als schmutzig, dann wieder als sauberkeitsfanatischer Wasserverschwender. Ali ist gerissener Händler, der uns alle mit plumpen Tricks hereinlegen will, dann wieder verächtlicher Anbieter des letzten Schunds, der es nie zu etwas bringen wird. Mal hat er viele Kinder, um uns zu überfremden, mal sind die Kinder schlicht sein Unglück, weil man so nicht zu Wohlstand kommt, und als mehr oder weniger kriminell gilt er je nachdem, ob er einen deutschen Kalker oder nur einen „deutschen“ Kalker abzieht. Zusammengefasst: Der Ausländerfeind mag ihn nicht, aber er erkennt auch keine bestimmten schlechten Eigenschaften am Ali, denn alle auf einmal sind keine. Der Ausländerfeind ist vor allem davon überzeugt, dem Ali nicht nur überlegen zu sein, sondern auch gegen ihn zu bestehen. Alis Verbindungen, das weiß man, reichen nicht weiter als nach Anatolien, und dort gibt es keine Schätze. Der Itzig, die „Judensau“ unterscheidet sich beim Antisemiten, der deutsch und eingeboren sein kann, aber gerne auch jung, islamisch und ausländischer Herkunft, vom Ali des Ausländerfeinds durch sogenannte jüdische Eigenschaften, die ihren Ursprung im Geld haben sollen, von dessen gleichermaßen wundersamen wie gemeinschädigenden Mehrung ohne reelle Arbeit er mehr verstehe als jeder andere. Das gelinge ihm, weil er geheimnisvolle Verbindungen nicht etwa in eine bestimmte Region – denn die bestreitet man ihm energisch – sondern in Bankzentralen und Schatzämter, Handelszentren und zur Börse weltweit unterhalte, von wo aus er Regierungen und Armeen beauftrage, alles zu unternehmen, was dem fleißigen Arbeitsmann und Mittelständler, also „uns allen“ schade.
Während sich selbst ostzonale Nazis inzwischen angewöhnt haben, zwischen dem Ali, der weg müsse, und dem Spremberger Döner-Imbiss-Betreiber Ali Demirel zu unterscheiden, also zwischen den generell schlechten Ausländern, die verfolgt werden und gar nicht so wenigen konkreten, die er kennt und großzügig unter seinen Schutz stellt, ist der Antisemit keineswegs gewillt, zwischen einheimischen und abstrakten Juden zu unterscheiden – auch dann nicht, wenn es ihm vorläufig noch fern liegt, sie anzugreifen.
Dass es so ist, bestätigen die weiterhin guten und unter der Hand weitergetuschelten Kenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse eines Menschen, in dessen Ahnenreihe ein Jude vorgekommen sein soll, während eine türkische Mutter, besser Großmutter, einen jungen Deutschen aus Kalk oder anderswo interessanter machen, als wenn seine Vorväter nicht weiter als bis Köln-Mühlheim zurückverfolgt werden können. Das wissen mit Gremliza auch die Mehrheit seiner Leser, und dass Ali der Itzig von heute sei, glaubt im Grunde keiner.
Der irre Weg von Salih und seinen Brüdern über die Zwischenstufe „jeder Kanake“ zu „dem“ Juden, der von der Bahamas zum Völkischen Beobachter führen soll, verschlägt Gremliza nicht wie seine antirassistischen Bündnispartner, die wirklich mit Gangstern packeln wollen, in die nächtlichen Straßen von Köln-Kalk, sondern in die paranoide Welt deutscher Antiimperialisten, deren Ikone ich Kot aufs Grab geworfen haben soll.
Salih und Ulrike – zwei jüdische Opfer
Man könnte sich darauf einigen, dass die monatelange Isolation Ulrike Meinhofs im sogenannten Toten Trakt eine Form der Folter war, aber unter keinen Umständen zu vergleichen ist mit dem Weg, den die europäischen Juden, beginnend im Ghetto oder im Sammellager bis zur Selektion, die sie in die Gaskammern brachte, wie Primo Levi es in „Ist das ein Mensch?“ beschrieben hat. Man könnte hinzufügen, dass die Halluzinationen eines Menschen in Situationen besonderer Not, einerlei, ob sie durch die Folgen von Isolationshaft oder durch eine Psychose hervorgerufen werden, immer auch Unverarbeitetes des noch freien oder gesunden Menschen offenbaren. Ulrike Meinhof war keine Antisemitin aus Passion. Sie hat sich sogar einmal bemüht, wenn auch ohne Folgen für ihren weiteren Weg, Israels Existenzrecht zu verteidigen (6), was ohne Folgen für ihren weiteren Weg bleiben musste, denn sie hatte sich bereits zwei Jahre zuvor in Konkret 03/1965 festgelegt, als sie die Bombardierung Dresdens und die Vernichtung der Juden in Auschwitz auf eine Stufe der „Barbarei und Unmenschlichkeit“ „der Regierenden“ gegen die Völker gestellt hatte. Das Bedürfnis, als Intellektuelle endlich einmal dem „Volke dienen“ zu dürfen, wie der Titel der zweiten RAF-Erklärung nicht zufällig lautete, hat sie notwendig zur Antisemitin werden lassen. Aus einer Bewegung kommend, die den Antisemitismus offiziell als zu wehrendes Übel im Katalog hatte, die aber nicht anders konnte, als sich die „Argumente“ ihrer Gegner zu eigen zu machen, weil sie eine Kapitalistenherrschaft anprangerte, wo es um eine Kritik der kapitalen Vergesellschaftung gegangen wäre, war sie schon volkstümlich gestimmt, als sie sich in den 50er Jahren für den Frieden, also gegen die Westbindung der Bundesrepublik unter Konrad Adenauer an der Seite der USA, engagierte. Damals schon ging es darum, gegen das vorhandene deutsche Volk eine vermeintlich fortschrittliche deutsche Volksbewegung in Stellung zu bringen – ein Vorhaben, bei dem die Mittäterschaft der Volksgenossenschaft am Nationalsozialismus zwangsläufig ausgeblendet werden mußte. Als 1964 der Auschwitzprozess eröffnet wurde, ging es um Opfer, über die auch Kommunisten nicht recht reden wollten, Opfer, denen als bestimmter Gruppe weit Schlimmeres angetan worden war als zum Beispiel den deutschen Kommunisten, die doch als Speerspitze des Antifaschismus an der Seite der roten Armee, den Status, Opfer des Nationalsozialismus zu sein, möglichst nur für sich und das leidgeprüfte, verführte deutsche Volk verbuchen wollten. Ulrike Meinhof war vom Schicksal der Juden zweifellos tief beeindruckt und wohl auch mitgenommen, auch im Jahr 1972 im toten Trakt – und doch agierte sie als völkische Antisemitin bei der Niederschrift einer RAF-Erklärung genauso wie als Protokollantin ihrer Phantasien. Sie hat sich „eingefühlt“ und den Abstand verwischt, sie musste zwanghaft die eigene Situation überhöhen und rationalisieren, gebärdete sich als Jüdin, die ins Gas geführt werden sollte und dadurch als arische Staatsanwältin gegen jene, die dem wirklichen Zyklon B noch entkommen sind. Sie hat ein Lehrstück geschrieben, das im Unterschied zu Bertolt Brechts „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ in dem Wissen entstand, dass der Gemeinplatz von den Reichen, die sich immer gegen das Volk verbündeten, aufs furchtbarste blamiert ist, seit sich das nichtjüdische deutsche Volk mit den nichtjüdischen Reichen gegen alle Juden verbündet hatte. Das unterm Imperialismus leidende und gegen ihn sich erhebende Volk, das Meinhof wie alle Antiimperialisten für ihr politisches Konzept braucht, ist nur als ein an den Juden leidendes zu haben – das bestätigt sie mit ihren Halluzinationen, in denen das eigene Schicksal als ein kollektives, völkisches imaginiert wird und von den ermordeten Juden der Opferbonus und die Leidensprämie abgestaubt und Meinhof selbst, stellvertretend für das geknechtete deutsche Volk, zuerkannt wird.
Zum Fluch des Parteikommunismus nach 1945 gehörte neben dem vollständigen Missverstehen des Nationalsozialismus die Eifersucht auf die von ihm am schlimmsten Heimgesuchten, Leuten zumeist, die noch nicht einmal im Widerstand gewesen waren und doch durch ihr Zeugnis ein schlimmes Licht auch auf Volk und Arbeiterklasse warfen – also das, was Eike Geisel einmal „Opfersehnsucht und Judenneid“ nannte. Vielleicht kommt es deshalb bei Gremlizas österreichischem Kronzeugen Scharang vor allem auf „Brecht, den Kämpfer“ an, hinter den Kraus in der ominösen „Arbeitsteilung“, in der er mit Brecht „seine Arbeit machte“, als Mann ohne Eigenschaften, der jedenfalls nicht gekämpft hat, zurücktritt. Dabei wird dieser „Judenneid“ nicht mehr im Abfeiern des kämpfenden palästinensischen Volkes gegen die jüdischen Siedlerkolonialisten ausagiert – das traut man sich nicht zuletzt wegen Interventionen dieser Zeitschrift nicht mehr; heute ist es die Einführung des bedrohten Migranten, des zum Verdammten dieser Erde stilisierten Salihs, der dem kämpfenden Palästinenser aus den Phantasien eingesperrter und freier Antiimperialisten der frühen 70er Jahre so auffällig gleicht.
Freunde haben in Konkret 09/08 gegen Gremliza einen Leserbrief untergebracht, in dem sie ihm „Hetze gegen einen ehemaligen Autor“ vorwarfen, „der ein anderes Verständnis von kommunistischer Kritik hat als der Herausgeber.“ Damit liegen sie dann doch falsch. Solange einer wie Hermann Ludwig Gremliza als Kommunist durchgeht, wird es immer auch Kommunisten geben, die eine andere Vorstellung von der antikolonialen Befreiung der Salihs weltweit und sicherlich auch über Israel haben als er (das entsprechende antisemitische Geschmier des Papyrossa-Verlags wird dann in Konkret 10/08 als Annonce abgedruckt) – und selbst wenn es sich nur um eine Nuance handeln würde, wäre die Differenz zwischen Manfred Dahlmann, Stephan Grigat, Philipp Lenhard, Horst Pankow, Thomas von der Osten Sacken, Gerhard Scheit und mir auf der einen Seite und Gremliza auf der anderen eine ums Ganze. Mit dem Kommunismus verhält es sich genauso wie mit der Wahrheit: beide sind unteilbar, und zitatenfälschende Ideologen und Kritiker spielen nicht im selben Stück. Solange unter Gremlizas Regie sprachverliebte Lehrstücke zur Aufführung gelangen, in denen die „Judensau“ Salih über Köln wie weiland Ulrike über den Toten Trakt bekundet: „meine auschwitzphantasien da drin waren realistisch“, gilt für alle Kommunisten in Deutschland das gleiche, was hinter dem Leserbrief von Dahlmann u.a. eingerückt worden war, um sie zu blamieren: „,So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa oder Ex-K-Grüppler (nennt), die Antirassisten und Antisexisten nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deshalb ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.‘ Aus einem Interview mit Justus W. – Die Red.“
Justus Wertmüller (Bahamas 56/2008)
Anmerkungen:
1) Die Fackel, Nr. 868–872, März 1932, S. 36
2) Die Fackel, Nr. 890–905, Ende Juli 1934, S. 52
3) „Über den schnellen Fall des guten Unwissenden“, zitiert nach, Bertolt Brecht: Die Gedichte, Frankfurt/Main, 1981, S. 501
5) Lessing: Anti-Goeze, zweiter Beitrag, 1778. Werke und Briefe. Hg. v. Wilfried Barner. Bd. 9. Frankfurt am Main 1993, S. 152
6) Die Behauptung Gremlizas, Meinhof hätte, als sie „noch ganz bei Sinnen“ gewesen sei, „die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt“, ist erklärungsbedürftig. In Konkret 7/1967 schrieb sie wie Gremliza heute: „Die Solidarität der Linken mit Israel kann sich nicht von den Sympathien der USA und der BILD-Zeitung vereinnahmen lassen, die nicht Israel gilt, sondern eigenen…“ Israel gegenüber feindlichen Interessen? Nein, ,,eigenen der Linken gegenüber feindlichen Interessen“ gelten diese Sympathien. Damals war Moshe Dayan auch noch nicht „Israels Himmler“, sondern ein ganz normaler Faschist: „Die Solidarität der Linken schließt auch einen Mann wie Moshe Dayan ein, wenn er ermordet werden sollte, nicht aber seinen Rechtsradikalismus, seine Eroberungspolitik; so wie sie selbstverständlich [!] mit dem arabischen Nationalismus sympathisiert, nicht aber mit Nassers…“ antisemitischen Vernichtungsphantasien? Weit gefehlt: „nicht aber mit Nassers Kommunistenverfolgung.“ Meinhof war 1967 schon, was Gremliza seit spätestens 2007 gegenüber Israel und seinen Feinden geworden ist – äquidistant: „Die Frage nach vernünftigen, stabilen, politischen Lösungen droht gegenwärtig von pro- und anti-israelischem Freund-Feind-Denken erdrückt zu werden, dem auch die Linke erliegt …“. Zwar ist die Sowjetunion tot, aber die Gemeinsamkeit aller Linken ist zweifelsfrei wichtiger als Israel. Meinhof: „… dem auch die Linke erliegt, wo sie sich zwischen sowjetischer und israelischer Politik entscheiden zu müssen glaubte und davon doch nur auseinanderdividiert wird.“
Sich als „Nazijägerin“ mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa heraus, ohne adäquate und mutige Missbilligung hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm. Aber es offenbart vor allem einen irrlichternden und geschichtslosen Bundespräsidenten.
Die Tragik der Entscheidung des Bundespräsidenten Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse an die „Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld zu verleihen, offenbart ein Stück weit die Tragik der deutschen Politik insgesamt. Joachim Gauck enttäuscht nicht das erste Mal als Bundespräsident. Ohne historisch saubere Einordnung schickt der Bundespräsident die deutsche Öffentlichkeit in die Irre.
Alte Nazi-Täter mit den Mitteln des Rechtsstaates zu überführen und abzuurteilen, ist eine der vornehmsten Aufgaben der deutschen Justiz. Sich im Vorfeld daran zu beteiligen Nazi-Täter aufzuspüren, wie es im Kontext heißt, und diese den Strafverfolgungsbehörden bekannt zu machen, ist eine ehrenvolle Aufgabe. Spielen der engere und der weitere Sachzusammenhang und die Motivlage der Nazi-Jäger deswegen keine Rolle mehr? Sie spielen, wie immer im Leben, eine entscheidende Rolle.
Die heutige Linkspartei, die Rechtsnachfolgerin der PDS, ihrerseits Rechtsnachfolgerin der stalinschen SED, hat Klarsfeld bekanntlich auf ihren Schild gehoben und diese als Bundespräsidentenkandidatin 2012 ins Rennen geschickt. Und in den letzten Jahren hat die Linkspartei mächtig gedrängelt, dass Klarsfeld das Bundesverdienstkreuz bekomme.
Wie die Westlinke und deren Erben ticken, scheint der frühere Leiter der Stasi-Aufklärungsbehörde, deren Chef und zeitweiliger Namensgeber Joachim Gauck war, bis heute nicht richtig verstanden zu haben. Die 1989 untergegangene DDR, die bis heute in vielen Köpfen und auch in der Linkspartei, wenn auch notdürftig verdeckt, immer noch als der eigentlich bessere Staat auf deutschem Boden herumspukt, war ein antidemokratischer, ein antisozialistischer Anti-Rechtsstaat.
Die Westlinke: geschmeidig vom Regen in die Traufe
Dass sich nach der Nazidiktatur eine neue Diktatur auf deutschem Boden entwickeln konnte, war das Werk des Völkermörders Josef Stalin. Von ihm setzte sich die New Left, die Westlinke, die Neue Linke, links von der SPD und in deren linken Flügel, Stichwort Jusos, festverankert mit viel Jahrmarktgeschrei ab. Die Westlinke sprang dabei geschmeidig vom Regen in die Traufe und eiferte dem wahrscheinlich effektivsten Völkermörder der Menschheitsgeschichte, Mao Tse Tung, geradezu hündisch hinterher. Stalin war fortan im linken Lager der Böse und Mao Tse Tung die Lichtgestalt der Neuen Linken, die geradezu mondiale, um nicht zu sagen kosmische Lichtgestalt.
Das allerdings hat die Westlinke, und noch weniger die Linkspartei, je veranlasst Stalinismustäter-Jäger hervorzubringen. Im Gegenteil, Stalins Täter und Stalins Taten, immerhin die Taten des eigenen Staatsgründers und des eigenen Lagers, wurden und werden weiterhin gedeckt und vertuscht. Die Opfer des Stalinismus werden aktiv, frei von jedem Schutz des Bundespräsidenten, angegriffen, diffamiert, totgeschwiegen. Wer sich regt und droht Aufklärung zu leisten, wurde früher, auch in der DDR, aus dem Verkehr gezogen, ermordet, hingerichtet oder später mit dem bösesten Rufmord überzogen und bis zur Existenzvernichtung ausgeschaltet. Und das gilt im Prinzip bis heute.
Hier könnte Putin einen positiven Beitrag zur Geschichte leisten und den Westen, in dem die Westlinke die politischen Grundweichen in die grundfalsche Richtung stellte, beschämen. Die russische Führung würde sich und der Welt einen großen Dienst erweisen, würde sie Stalins Verbrechen, die nicht vor dem zweiten Weltkrieg und auch nicht nach dem zweiten Weltkrieg endeten, sondern erst mit dessen Tod, sachlich und konkret aufarbeiten.
Katja Kippings 68er-Startschuss-Legende
Zurück zum Fall Klarsfeld: Die Linkspartei in Gestalt ihrer heutigen Vorsitzenden Katja Kipping tönte im März 2012, als während Klarsfelds Bundespräsidentschaftskandidatur die umfangreichen Stasi-Connections von Klarsfeld oberflächlich ruchbar wurden: „Mit ihrer Ohrfeige haben Sie den Startschuss für die 68er-Bewegung gegeben.“
Dass Kipping etwas von linker Propaganda versteht und sich persönlich ins rechte Licht zu rücken weiß, ist ebenso offensichtlich wie ihre sachpolitische und historische Ahnungslosigkeit. Wenn überhaupt, war es Karl-Heinz Kurras, der in der Uniform eines Westberliner Polizisten am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnsorg erschoss und damit die schon brodelnde 68er-Bewegung auslöste. Was die 68er und die sich auf die Schenkel klopfende DDR ja auch vierzig Jahre lang gemeinsam als Startschuss der 68er-Bewegung gefeiert haben.
Bis im Mai 2009 herauskam: Kurras war ebenfalls von der DDR finanziert und munitioniert als spätes Werkzeug Stalins. Verkauft wurde er vierzig Jahre lang, mit Unterstützung der DDR, von der gesamten 68er-Bewegung und deren Kindern und Kindes Kindern als symptomatische Nazi-Unperson Westdeutschlands, der in seiner Person eklatant bewiesen hätte, dass die Bundesrepublik insgesamt ein Nazistaat wäre, den es galt abzuschaffen und radikal zu bekämpfen.
Als im Mai 2009 Kurras als Stasi-Mann enttarnt wurde, machte es in den deutschen Medien und in der deutschen Gesellschaft und katastrophaler Weise auch in der deutschen Politik ein paar Mal Blubb Blubb und alle alten Gewissheiten waren wieder da, ganz so, als wäre nichts geschehen.
Die peinlichen 68er und ihre peinliche 68er-Bewegung
Die peinliche 68er-Bewegung, die peinlicherweise das Koordinatenkreuz dieser Bundesrepublik zerstört und die Reste auch noch verdreht hat, schüttelte sich kurz ein bisschen angenervt und sitzt schon wieder in ihren behaglichen und unverdienten Rentnerstübchen.
Bereits im Juni 1968, so lehren die bis über beide Ohren persönlich verstrickten Deutungsgewaltigen wie der notorische 68er-Forscher Wolfgang Kraushaar aus dem Hamburger Reemtsma-Institut, sei die Luft aus der „Bewegung“ rausgewesen. Die Schüsse auf Rudi Dutschke waren gerade einige Woche her, der Pariser Mai, der einen gewissen Daniel Cohn-Bendit ins europäische Rampenlicht spülte, waren schon über die Bühne gegangen. Und der Anti-Vietnam-Kongress in Berlin vom Februar des Jahres war schon Kalter Kaffee. Die Kommune 1 war Kalter Kaffee und der erste Kaufhausbrand ( Baader-Ensslin) war Kalter Kaffee. Und dann kam Katja Kippings „Startschuss der 68er-Bewegung“ in Gestalt der Klarsfeldschen Ohrfeige am 7. November 1968. Verblödeter kann man Geschichte nicht fälschen.
Klarsfeld hat mit dem Entstehen der 68er-Bewegung nicht das Geringste zu tun, wie sie auch mit der „Enttarnung“ des von ihr wiederholt öffentlich „Nazi, Nazi, Nazi“ genannten Kurt-Georg Kiesinger nichts zu tun hatte.
Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und sein Job in der Presseabteilung des Außenministeriums waren lange vorher bekannt und auch schon in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Klarsfelds Wirken war nicht Conditio für das Bekanntwerden irgendeiner Tatsache Kiesinger betreffend. Ihre Ohrfeige allerdings war conditio sine qua non für die Begründung ihres zweifelhaften Ruhms und sie war Conditio für eine anhaltende Bemakelung Kiesingers und eine anhaltende Bemakelung der alten Bundesrepublik.
Anhaltende Bemakelung der Bundesrepublik
Esoterisch ausgedrückt hat Klarsfeld ein Stück des Ruhmes von Kiesinger übernommen, für Nichts, absolut gar nichts, jedenfalls nichts Positives, das Klarsfeld geleistet hätte. Willfähriges eigennütziges Werkzeug der DDR der Anti-West-Agitation zu spielen, mag der eine oder andere gar als Niedertracht empfinden. Den Holocaust zu instrumentalisieren, ist stets per se verwerflich und ist immer eine Missachtung der Opfer des Naziregimes.
Klarsfelds Ohrfeige fiel in die Zeit, in der die Westlinke und die 68er im Speziellen frenetische Applaudierer der damals im sozialistischen Kampf gegen Israel stehenden Palästinenser, Stichwort PLO, Ostberlin-Moskau, Kalaschnikow- waren. Die Frankfurter Schüler, Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer, bewegten sich wie Maos Fische im Kampf der Westlinken gegen die “neuen Nazis” in Gestalt der Israelis. Allzu weit her war es mit der Fürsorge für die Menschen, die vor den Nazis nach Israel geflüchtet waren, also nicht.
Klarsfeldselber gab sich zwar proisraelisch, kooperierte aber de facto mit der antiisraelischen DDR und speziell mit dem antiisraelisch und auch antijüdisch eingestellten SED-Polibüromitglied Albert Norden, selbst jüdischer Abstammung, in dessen Aufgabenbereich auch die antiisraelische Propaganda der DDR fiel. Für ihren Kampf gegen Kiesinger arbeitete sie mit Nazigrößen aus der DDR bestens zusammen.
Ein hoher Prozentsatz der SED-Mitglieder waren alte NSDAP-Mitglieder. Klarsfeld sah sich wie Albert Norden dem großen Ziel des Sozialismus verpflichtet, der alle Menschheitsprobleme auflösen würde, wie sie selber in einem „Interview“ mit DDR-Propagandamedien (und andere Medien gab es in der DDR nicht) sehr gestelzt und mühselig einstudiert zum Besten gab.
Klarsfeld über ihre Ohrfeige, „die Deutschland brauchte“
Am 14. November 1968 gab es diesen einstudierten Propaganda-Dialog zwischen einem DDR-Sprecher und Klarsfeld im DDR-Radio zu hören: „Beate Klarsfeld über die Ohrfeige, die Deutschland brauchte: Es brauchte sie, damit die Schuld bewiesen wird, der Millionen, die grausam, gierig, feige und blind folgend geglaubt haben, dass sie uns auf ewig den echten Sinn des Wortes „Ehre des deutschen Volkes“ verbergen könnten. Es brauchte sie, um zu rächen die Toten von Stalingrad, Russen, die ihr Vaterland verteidigten und die deutsche Jugend, die man zu täuschen versucht hatte und deren Tränen zu Eis erstarrten, wenn sie an die ihrigen dachten, die für sie verloren waren. Es brauchte sie für den Rauch, der aus den Kaminen der Todesfabriken in Ausschwitz stieg und dessen Geruch den Deutschen anhaften wird bis zu dem Tag, an dem alle Deutschen die Leiden derer, die hinter Stacheldraht saßen, mitempfinden werden (….)“
In anmaßender Selbstüberschätzung und völliger Verkennung ihrer eigenen Realität sah sie 25 Jahre nach Hitlers Selbstmord ihre lächerliche Ohrfeige an einem Bundeskanzler, dem bis heute keine Nazitaten nachgewiesen wurden, als erfolgreichen Widerstandskampf mit befreiender Wirkung für Deutschland West.
Ihren selbstattestierten Heldenmut bringt sie heute zum Ausdruck, in dem sie behauptet, sie hätte aus Anlass der Ohrfeige auf dem damaligen CDU-Parteitag „erschossen“ worden sein können. Die Gefahr bestand tatsächlich nicht. Wer in der DDR ein öffentliches Stalinbild mit einer Blume bemalte, musste allerdings mit lebensbedrohlichem Kerker rechnen. In der Bundesrepublik ließ sich Klarsfeld wegen ihrer Ohrfeige durch den Rechtsanwalt Horst Mahler verteidigen. Bei korrekter Lesart war die Ohrfeige gegen Kiesinger von Beginn an eine lang geplante DDR-Aktion mit einem dolosen Werkzeug namens Klarsfeld.
Für die DDR handelte es sich um deren Kalten Krieg gegen die Bundesrepublik, an dem sich Klarsfeld nach Kräften beteiligte. Diktatur gegen Demokratie. Verkorkster Kommunismus gegen eine sich bemühende soziale Marktwirtschaft. Eine Pro-israelisch eingestellte Bundesrepublik gegen eine anti-israelisch eingestellte DDR.
Klarsfeld versagte dem Nazi-Jäger der DDR, Bernd Heller, die Ehre
Dem mutigen DDR-Bürger Bernd Heller, der sich als wahrhaft mutiger Nazijäger in der DDR betätigte, und dieserhalb in Bautzen eingeknastet wurde, versagte die Bundespräsidentenkandidatin von 2012 ausgerechnet der Linkspartei, Beate Klarsfeld, die Ehre. Fragen nach ihrer Stasi-Connection beantwortete sie 2012 aggressiv nicht. Worin denn ganz genau ihre Aufklärungsleistungen in späteren Jahren bestanden haben, ohne deren Existenz verurteilte Nazitäter nicht verurteilt worden wären, mag Joachim Gauck offenbar nicht benennen.
In dem teuersten deutschen Film aller Zeiten, namens „Der Baader-Meinhof-Komplex“ aus dem Jahr 2008, wollten sich die persönlich involvierten Bernd Eichinger und Uli Edel ein persönliches Denkmal setzen und der von der DDR nach Kräften unterstützten 68er-Bewegung die Ehre erweisen. Mit dem Auffliegen des erwähnten Karl-Heinz Kurras als Stasi-Agent implodierte „Der Baader-Meinhof-Komplex“, der auf dem Fall des vermeintlichen Nazis Kurras, der Benno Ohnesorg erschießt, als Gründungsmythos für den 68er-Widerstand aufgebaut war.
Dem gewalttätigen Staat Bundesrepublik West wollte die 68er-Bewegung mit ihrer durch nichts zu rechtfertigenden Gewalt entgegentreten. In diesem Fahrwasser fuhr Klarsfeld und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung für die NS-Verbrechen, die sie immer dann, wenn sie es für passend hielt, thematisierte, kein tieferes Interesse aufbringen mochte. Und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung eine Kopie der völkermörderischen Kulturrevolution Mao Tse Tungs war, die sich zur selben Zeit in China abspielte.
In diesem historischen Kontext Kiesinger zu ohrfeigen war in Wahrheit eine besondere Form von Populismus und hatte nichts, aber auch wirklich nichts mit Widerstand zu tun. Und auch nichts mit Aufklärung. Das Gedächtnis an den Holocaust wach zu halten, um nie wieder einen Holocaust zu haben – das ist keine besondere Intelligenzleistung. Aber sich als Nazi-Jäger unbedingt mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus auch heraus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa ohne adäquate und mutige Missbilligung durch die Gaucks, Merkels, Hollandes und Co. hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm und Geltung.
Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen Der Algerier Augustinus, Theologe und Ketzerverfolger in Hippo
Also, das ist mir heute Nacht eingefallen: Es gibt ja so Dinge, die in meinen Kreisen nicht nur verboten sind, sondern so verboten, dass sie Kindern gegenüber gar nicht erwähnt werden. Das sind illegale Drogen, Glücksspiel und Prostitution. Niemand sagt zu uns, dass man nicht ins Spielcasino darf. Das tut man einfach nicht. Entsprechend verrucht fühlte man sich dann, wenn man in den 90er Jahren im Babalu tanzen war, einer ehemaligen Rotlichtbar, in der sich damals die Jeunesse Doree der norditalienischen Metropole München drängte. Als ich vor ein paar Jahren im Casino von Monte Carlo speiste, kam ich mir mächtig verdorben vor. Und meine Gemälderestauratorin hat ihr Atelier ebenfalls in einem früher äusserst verrufenen Haus der Stadt. Es ist ein prickelndes Gefühl, 270 Jahre alte Adlige in so einen früheren Animierbetrieb zu tragen, wo dann ihr Teint aufgefrischt wird.
Heute Nacht ist mir dann allerdings eingefallen, dass mir meine Eltern auch nie verboten haben, anderer Leute Eigentum mittels Brandmitteln zu entzünden. Eine eigens durchgeführte Recherche nun hat ergeben, dass sie mir dafür auch nie ein Placet erteilt hätten. Nachdem meine Erziehung vorbildlich war, darf ich daraus ableiten, dass ein derartiges Verhalten wirklich, absolut und ohne Ansehen der Umstände stets unhöflich ist, sich aus sich selbst verbietet und ganz ehrlich, wer ein gutes Buch hat, der kann doch auch lesen. Allerdings musste ich nun gestern vernehmen, dass Unholde im sächsischen Freital das Auto des Fraktionsvorsitzenden der Linken ihrer Gemeinde angezündet haben, was nicht nur etwas über ihre Bibliothek, sondern auch mutmasslich etwas über ihre Befindlichkeit angesichts der Zuwanderung ausdrückt: In Freital wird von sog. „besorgten Bürgern“ versucht, eine Unterkunft für Asylbewerber zu verhindern. Und wer anderer Meinung ist, wird unter Druck gesetzt. Nun eben wohl auch vermittels eines Brandanschlags gegen ein Auto.
Autos sind, so habe ich in letzter Zeit allerdings von Ignoranten ohne Erfahrung mit der Mille Miglia häufig gelesen, nichts wert. Da sollte man sich nicht so haben, sagte man etwa bei Twitter und Grünen angesichts von Bloccupy, obwohl damals auch Menschen – Polizisten nämlich – in Autos sassen. Man hörte so etwas auch bei den Flora-Krawallen und vor allem bei den vielen Brandanschlägen gegen Autos in Berlin. Linke Zeitgenossen finden die empörten Reaktionen auf solches Treiben angesichts des Rechtsextremismus völlig verfehlt – und es sind eben jene Zeitgenossen, denen das Wort „Rechtsterrorismus“ leicht von den Lippen geht, wenn ein Auto eines Linkenpolitikers in Freital brennt. Der ideologische Heizwert eines Autos ist also nie gleich, sondern rührt von der Einstellung des Halters her: Ist es das Autos eines B.Z.-Autors Schupelius, sieht man bei Indymedia gute Gründe für den Anschlag und brüstet sich, hat Schupelius doch Kritisches zur Migration geschrieben. In Freital dagegen ist es ganz anders. Umgekehrt sehen sich die dortigen Gewalttäter mutmasslich ebenfalls eher im Recht, und vielleicht schütteln sie sich wiederum vor Abscheu angesichts dessen, was man Schupelius angetan hat.
Ich wurde, wie gesagt, gut erzogen und zwar nicht so, dass ich, wie es das alte Herkommen empfiehlt, beiderlei Herrschaften darauf hinweise, wie weh es tut, wenn eine dicke Platzpatrone im Drilling einen traditionellen Hagel von grobem Salz und gehackten Sauborsten in primäre Körperteile von Sachbeschädigern treibt. Das machen wir hier schon lang nicht mehr und ich weiss davon auch leider nur aus Erzählungen meiner nicht immer so friedfertigen Familie. Daher möchte ich nun den Versuch unternehmen, die beiden Gruppen, die so gern Autos anzünden und sich beschweren, wenn es das falsche Gefährt ist, ein wenig Verständnis für einander zu lehren. Weil, es ist doch so: Der Nazi, nennen wir den um Brandbeschleuniger besorgten Bürger einmal traditionell, der Nazi also hasst Asylbewerber. Die nämlich nehmen ihm in seinen Augen den Job weg, verunstalten seine Heimat, verdrängen ihn aus seiner wenig erbaulich eingerichteten Wohnung, machen laute, fremdartige Musik, essen komische Dinge, haben teure Smartphones und sind eigentlich von der Obrigkeit nur hier angesiedelt worden, um sein Volk, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mehr aufzumucken wagt, aber er, der Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.
Der andere, der rotlackierte Nazi, um einmal einen historisch gewachsenen Begriff zu verwenden, sitzt also in Berlin und lebte bislang ganz gut von Solikonzerten, den Überweisungen seiner Eltern, Bafög, irgendeiner umgeleiteten Förderung zum Kampf gegen Nazis und Aufträge seiner bei der ARD arbeitenden Freunden oder wie solche Leute eben leben. Die finden nun, dass es in ihrem Kiez zu einer massiven Migrationsbewegung kommt. Leute, die ihm und seinesgleichen die Räume für die finanzierende Aktionen nehmen, Leute, die Heimat der Alteingesessenen mit einer perversen Neigung zur Sauberkeit verunstalten, Leute, die sie aus ihren dank Mietstreik und Dauerprozess billigen Wohnungen verdrängen, Leute, deren Kinder sehr laut Violinkonzerte von Mozart hören, Leute mit nichtveganem Nichtvolxküchengeschmack, Leute mit teuren Smartphones, und sie kommen nur her, weil die Obrigkeit sie hier ansiedelt, um das Volk der Freiheit, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mal mehr am Ersten Mai eine anständige Randale gegen das Schweinesystem hinbekommt, aber er, der rotlackierte Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.
Ich lese berufsbedingt oft im Internet Texte, denen ich mich nicht anschliessen kann, und wir reden leider auch viel zu wenig über Gemälderestaurierung und Petersburger Hängung, und zu oft, leider, über unerfreuliche Entwicklungen. Eigentlich müsste ich mich qua Herkunft von beiden besagten Gruppen ebenfalls verfolgt fühlen, aber privat habe ich keine Angst, denn sie sind vermutlich zu beschränkt, auch nur eine Fahrkarte an den Tegernsee zu lösen. Wäre ihre Intelligenz auch nur auf dem Niveau eines deutschen Schäferhundes oder einer Giftnatter auf dem Leuchtenden Pfad, würde ihnen auffallen, dass sie nicht nur Repräsentanten der anderen Weltsicht gleichermassen die Autos anzünden, sondern in der Begründung auch zeigen, dass ihre Interessen deckungsgleich sind: Sie finden, dass sie im Recht sind, sie fühlen sich aber durch Veränderungen bedroht, die möglicherweise die Welt ganz anders betrachten, und zünden deshalb etwas an. Beide empfinden sich als Opfer, das in Notwehr handeln muss und darf. Beide haben Verständnis dafür, dass es das Auto der anderen erwischt, und hätten gern ihren VW Golf II Diesel behalten. Und beide hören auf ihren Solikonzerten Musik, deren Text gebrüllt und gewaltverherrlichend ist, lehnen den Staat ab und stehen Drogen nicht ablehnend gegenüber. Ja, sie könnten sich sogar mit wenigen Worten Veränderung gegenseitig die Bekennerschreiben und Vorwürfe formulieren. Und weil das Anzünden von Autos nicht immer ganz ungefährlich ist, in der Nacht und häufig blau wie eine Strandhaubitze, könnten sie doch auch ihre eigenen Autos in Brand setzen und es dann der Gegenseite zuschreiben.
In der gewonnenen Zeit könnten sie auch mal wieder für Mutter einen Strauss Feldblumen pflücken, einen roten Johannisbeerkuchen oder braune Muffins backen und sich überlegen, ob ein paar hübsche Antiquitäten ihr Wohnumfeld nicht freundlicher gestalten. Oder einen Spielplatz aufräumen. Es gibt da jede Menge Synergien im politischen Kampf, da hat man viel Zeit für anderes, und nicht auszuschliessen ist, dass man sich nach dem vierten Bier und dem dritten Joint doch ganz prächtig versteht und zusammen die Titelmelodie der Biene Maja intoniert. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, egal ob Demokrat oder Totalitärer, Benzin brennt immer gleich, und es ist ihm egal, welches Fahrzeug es verzehrt. Wenn man Adressen tauscht, kann man das vielleicht auch direkt unter Freunden machen und die Linkenpolitiker und den Schupelius in Ruhe lassen. Ich stimme vermutlich beiden Meinungen gar nicht zu, ich bin nämlich für die Zerschlagung Deutschlands, Bayern in den Grenzen von 979 bis zur Adria und für die offizielle Wiedereinführung der ohnehin schon vorhandenen Leibeigenschaft, nur halt mit friedlichen Mitteln ohne Brandanschläge. Dennoch würde ich gern andere Meinungen hören, weil sie mich interessieren, und jedes öffentlich geäusserte Argument besser als ein verbranntes Fahrzeug ist. Egal wer der Halter auch immer sein mag.
Abgesehen davon wird den Leuten mit den Kanistern ohnehin wenig anderes übrig bleiben, denn die Gentrifizierung in Berlin treibt die Autonomen so oder so vor die Stadt zu ihren Noch-Feinden, und da kann es nicht schaden, sich frühzeitig zu integrieren. Das klappt auch in Bayern recht gut: Die Münchner treiben bei uns am Tegernsee zwar die Preise für gebrauchte Lederhosen nach oben, aber auch, wenn wir über sie schimpfen, lassen wir sie kommen und zünden ihre Autos nicht an.
Denn mit denen fahren sie am Ende auch wieder weg.
Rollback Die Ohnmacht und die Sprachlosigkeit der europäischen Linken lassen sich nur durch eine Wiederentdeckung des Kommunismus überwinden
Ich beginne mit einem Gefühl, einem Affekt. Vielleicht ist er nicht angebracht, aber angesichts dessen, was mir an Informationen zur Verfügung steht, verspüre ich ein Gefühl allgemeiner politischer Ohnmacht. Und das, was derzeit in Griechenland geschieht, sorgt für eine Art Konzentrat dieses Gefühls. Natürlich sind der Mut und taktischer Einfallsreichtum linker und antifaschistischer Demonstranten Grund zur Freude. Solche Dinge sind absolut notwendig. Neu aber sind sie in keiner Weise. Es handelt sich vielmehr um unveränderliche Merkmale, die jede Massenbewegung beseelen: die Idee der Gleichheit oder Massendemokratie, der Mut zu spontanen Reaktionen und so weiter. Wir haben dies 1968 in Frankreich nicht anders erlebt als jüngst auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Es muss diese Phänomene schon zu Zeiten von Spartakus und Thomas Münzer gegeben haben.
Lassen Sie uns, vorläufig, einen anderen Ausgangspunkt nehmen. Griechenland hat eine lange Geschichte von universalem Wert – ein Land des Widerstandes gegen mehrere aufeinanderfolgende Formen der Repression und Besatzung. Dort war die kommunistische Bewegung einst sehr stark, was auch mit ihrem Vermögen zum bewaffneten Kampf zusammenhing. In Griechenland revoltiert die Jugend heute in beispielhafter Weise gegen die EU-Diktate. Man hat es mit einer Gesellschaft zu tun, in der die klassischen Kräfte der Reaktion gleichfalls bestens organisiert sind und couragierten Volksbewegungen gegenüberstehen. Ein Land mit gewiss respekteinflößenden faschistischen Organisationen, aber auch mit einer Linksallianz wie Syriza, die – geführt von Alexis Tsipras – über entschlossene Wähler wie militante Anhänger verfügt.
Alles, was in Griechenland geschieht, hat den Anschein, als sei die von seiner eigenen Krise entfesselte Dominanz des Kapitalismus durch nichts zu brechen. Als ob es unter der Ägide von Ad-hoc-Ausschüssen und servilen Regierungen keine Alternative gäbe, als unpopulären Dekreten der europäischen Bürokratie Folge zu leisten. Der Widerstand dagegen wirkt teils so, als wolle er diese Prozesse nur verzögern, anstatt eine politische Alternative anzubieten.
Fluch der Selbstaufgabe
Deshalb müssen wir nicht nur den großen Mut des griechischen Volkes mit aller uns zur Verfügung stehender Kraft unterstützen, sondern auch darüber nachdenken, was gedacht und getan werden muss, damit dieser Mut nicht vergeblich bleibt. Denn auffällig – in Griechenland, aber nicht minder in Frankreich – sind die Ohnmacht und das Unvermögen der Linken, auch nur den geringsten Rückzug jener ökonomischen und politischen Kräfte zu erzwingen, die nichts unversucht lassen, die Bevölkerung permanent den Gesetzen eines extremen Liberalismus zu unterwerfen. Nicht genug damit, dass die Linke kaum vom Fleck kommt – zugleich gewinnen faschistische Kräfte an Boden und schwingen sich mit ihrem xenophoben Nationalismus zum Anführer der Opposition gegen die Dekrete der EU-Administration auf.
Nach meinem Gefühl besteht der Hauptgrund dieser linken Ohnmacht nicht in der Trägheit der Menschen oder darin, dass eine Mehrheit die „notwendigen Übel“ unterstützt. Es fehlt vielmehr an einem neuen Denken, das die Massen ergreifen könnte, und an einer Rhetorik des Protestes, die ein ungewohntes Vokabular zutage fördert. Die politischen Begriffe, die von den Aktivisten verwendet werden, bleiben – so wie sie sind – weitgehend wirkungslos. Die Gründe liegen auf der Hand.
Nach den radikalen, ungestümen Bewegungen der sechziger und siebziger Jahre gab es eine lange Phase des politischen und ideologischen Rollbacks. Das Vertrauen in die Wirkungsmächtigkeit der grundlegendsten Begriffe emanzipatorischer Politik wurde systematisch zerstört. Das galt für Termini wie „Klassenkampf“, „Generalstreik“, „Revolution“ oder „Massendemokratie“, um nur einige zu nennen. Der Schlüsselbegriff „Kommunismus“, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus der politischen Debatte nicht wegzudenken war, fiel einer historischen Verleumdungskampagne sondergleichen zum Opfer. Dass die Gleichsetzung von Kommunismus und Totalitarismus mittlerweile als völlig natürlich erscheint und einmütig akzeptiert wird, ist ein Indikator dafür, wie sehr die Revolutionäre in den Achtzigern gescheitert sind.
Natürlich können wir nicht auf eine scharfe und ernsthafte Kritik der Entwicklung verzichten, die es in den sozialistischen Staaten, besonders der Sowjetunion, gab. Doch die Kritik sollte die unsere sein und der eigenen Theorie und Praxis dienen, anstatt zu einer Art von mürrischem Verzicht zu führen, der das politische Kind mit dem historischen Bade ausschüttet. Das hat zu einem erstaunlichen Phänomen geführt. In einer Epoche wie der jetzigen, die für die Linke von kapitaler Bedeutung ist, haben wir praktisch uneingeschränkt den Standpunkt des Gegners übernommen. Und diejenigen, die das nicht taten, haben einfach die alte Rhetorik beibehalten, als wenn nichts geschehen wäre. Von allen Siegen unseres Feindes hat dieser symbolische Sieg die größte Tragweite.
Früher, in Zeiten der „alten Kommunismen“, machten wir uns über das lustig, was wir langue de bois oder die Sprache der Klischees nannten – leere Worte und wichtigtuerische Phrasen. Eine der großen Stärken der offiziellen Ideologie heute besteht genau darin, dass ihr eine langue de bois zur Verfügung steht, die in allen Medien und ohne Ausnahme von jedem Regierungsvertreter gesprochen wird. Wer würde glauben, dass Begriffe wie „Demokratie“, „Freiheiten“, „Menschenrechte“, „ausgeglichenes Budget“ oder „Reformen“ etwas anderes sind als Elemente einer omnipräsenten langue de bois? Die authentischen Linken, denen eine Strategie der Emanzipation fehlt, sind hingegen die wirklich Sprachlosen! Und sympathische Parolen der Bürgerrechtsbewegung werden uns nicht retten: „Nieder mit diesem und jenem!“ oder „Zusammen sind wir stark“oder „Widerstand!“ Das mag genügen, um für den Augenblick kollektive Affekte heraufzubeschwören, und taktisch sehr hilfreich sein. Doch taugt diese Sprache nicht für eine Diskussion über die Zukunft emanzipatorischer Praxis.
Kollektive Affekte
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kraft des Aufstands, seinem Umfang und dem Mut dazu. Aber ebenso in seiner Disziplin und den positiven Aussagen, zu denen er in der Lage ist. Nur so eröffnet sich eine positive strategische Zukunft. Sie offenbart Möglichkeiten, die bisher unter der Propaganda des Feindes unsichtbar blieben. Hier liegt der Grund, warum eine mitreißende Massenbewegung nicht aus sich heraus eine politische Vision hervorbringt. Wird eine Bewegung durch individuelle Affekte gefestigt, trägt das stets negativen Charakter. Slogans in Griechenland wie „Nieder mit dem Kapitalismus“ oder „Stoppt die Entlassungen“ oder „Nieder mit der Troika“ bewirken streng genommen nichts anderes, als die Bewegung mit der Negativität ihrer Affekte zu verschweißen. Bestimmtere Negationen wie „Nieder mit Mubarak“ können zwar zu einem Ergebnis führen, weil ihr Ziel klar benannt ist, aber sie sind nie in der Lage, die Politik zu bestimmen, die dieses Ergebnis zur Folge haben wird. Ägypten und Tunesien liefern den Beweis. Reaktionäre religiöse Parteien ernten die Früchte einer Bewegung, zu der sie keinen wirklichen Bezug haben.
Politik ist immer das Resultat von positiven Vorschlägen und Vorstellungen, nicht von Negation und Ablehnung – sie ist ein Gedanke in Aktion, der auf unbekannte Möglichkeiten hinweist. Schlagworte wie „Widerstand!“ sind sicherlich geeignet, Menschen zu vereinen, aber sie sind auch ein Zeichen politischer Schwäche. Es ist nicht der negative Affekt des Widerstandes, der einen Rückzug der reaktionären Kräfte erzwingt, die heute versuchen, jede Form des Denkens und Handelns zu zersetzen, wenn sie nicht auf Gefolgschaft hinausläuft. Dies kann nur die Disziplin einer gemeinsamen Idee leisten, die sich auf eine homogene Sprache stützt.
Eine solche Sprache zu rekonstruieren, ist von entscheidendem Wert. Zu diesem Zweck habe ich versucht, all das wieder einzuführen und neu zu bestimmen, was am Begriff „Kommunismus“ hängt. Das Wort bezeichnet drei grundlegende Dinge: Zunächst die analytische Beobachtung, der zufolge die Freiheit, mit deren Fetischisierung wir alle vertraut sind, in den heutigen Gesellschaften vollends vom Begriff des Eigentums beherrscht wird. „Freiheit“ ist nichts anderes als die Freiheit, uneingeschränkt zu konsumieren. Das Recht, zu tun und zu lassen „was man will“, wird allein am Ausmaß dieses Konsums gemessen. Einer, der jede Möglichkeit zum Erwerb verloren hat, genießt keinerlei Freiheiten mehr. Das konnte man einst nur allzu gut an den vagabonds erkennen, die englische Liberale im Zeitalter des aufstrebenden Kapitalismus bedenkenlos erhängen ließen.
Freie Assoziation
Aus diesem Grund erklären Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest, alle Forderungen des Kommunismus könnten in gewisser Weise auf eine einzige reduziert werden: die Aufhebung des Privateigentums.
Des Weiteren vertritt „der Kommunismus“ die historische Hypothese, dass die Freiheit von Eigentum und Gesellschaften nicht notwendigerweise durch eine mächtige Oligarchie aus Geschäftsleuten, Politik, Polizei, Militär und Medien beherrscht werden muss. Vielmehr ist eine Gesellschaft möglich, in der die Produkte der Arbeit vergesellschaftet werden, die großen Widersprüche der Ungleichheit verschwinden und Entscheidungen, die alle angehen, auch von allen getroffen werden. Marx nannte das „freie Assoziation“.
Schließlich bezeichnet „Kommunismus“ die Notwendigkeit einer internationalen politischen Organisation. Das heißt, jenseits des jeweiligen Staates handeln zu können und die Wirklichkeit in eine Richtung zu lenken, die sich ergibt, wenn die aktive Subjektivität all derer, die bereit sind, den vorhandenen Zustand zu verändern, mit Prinzipien verknüpft wird.
Der Begriff „Kommunismus“ meint somit den gesamten Prozess, in dem Freiheit von ihrer Unterwerfung unter das Eigentum befreit wird. Dass deshalb das Wort „Kommunismus“ von unseren Feinden besonders hartnäckig bekämpft wird, hat damit zu tun, dass sie einen Prozess nicht ertragen können, der in der Tat ihre Freiheit zerstören würde. Wenn es das ist, was unsere Feinde am meisten hassen, dann müssen wir mit der Wiederentdeckung des Kommunismus beginnen.
All dies mag uns weit von Griechenland weggeführt haben. Aber Politik entsteht nun einmal, indem die Disziplin von Ideen und die Überraschung der Umstände zusammentreffen. Ich wünsche Griechenland und uns allen, dass es zum universalen Schauplatz einer solchen Begegnung werden möge.
Gekürzte Fassung eines Artikels aus der Zeitschrift Radical Philosophy
Alain Badiou, geboren 1937 in Marokko, gehört zu den führenden Theoretikern der europäischen Linken. Nach den Mai-Unruhen 1968 in Frankreich befasste er sich unter anderem mit einer Adaption des Maoismus auf die Verhältnisse westlicher Industriestaaten. 1985 gründete er die Union des Communistes de France marxiste-léniniste (UCFML), die sich einer Revision der Einwanderungspolitik ebenso verschrieb wie einer Erneuerung der französischen Gewerkschaftsbewegung. Badiou bemüht sich stets um den Brückenschlag zwischen Politik und Philosophie
Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein sozialer Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein sozialer Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.
„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .
Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.
„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.
Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären
Staat.
„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die
vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das
lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die
Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße
Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der
vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision
endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,
ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)
„Historische Wahrheit wird nach dem Modell
von Meinungsumfragen vorgestellt; kein Sample jedoch wird je repräsentativ
genug sein, um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.
Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der
Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu
scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der
allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn
Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.
Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.
Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel
Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)
Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an.Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand:Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –
Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus.Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS
„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl
„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)
„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“ – Max Horkheimer
„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten
Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.
Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.
„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk
„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk
„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno
They are the samewho claimthe sex/genderwould not bebiologicallyinnate, butonlyasocialconstruct, andat the same timethathomosexualitywas not asocialconstruct, butbiologicallyinnate.
„Reasonandrationalityarechance-less than everinthistotallymediatisedworld. An unpleasanttype„Sniper“ terrorizedsociety. Hiscurrent weapon: Thephobiaaccusation.“ – Bettina Röhl
„AShitstormhas also itspositiveside. Aspolitically correctmanure it isusuallythrowninthe direction oforiginality, creativity and intelligence, she fliesoftentopeople whoare really worth to read.“ – Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out, only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
Der islamische Faschismus, das Elend der Postmoderne und das Verschwinden der politischen Urteilskraft
Als Angela Merkel die Deutschen sogar in ihrer traditionell richtungsweisenden Neujahrsansprache vor der Pegida-Bewegung warnte, musste auch der letzte Idiot verstanden haben, dass ausländerfeindliche Massenaufmärsche aus der Sicht des Staates unerwünscht sind. Die 17.000 Dresdner, die gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straßen gegangen waren, gelten der Kanzlerin als Volksmob, der gefährlichen Rattenfängern auf den Leim gegangen sei. Zwar beeilten sich die Politiker von links bis rechts, vor Pauschalvorwürfen gegen ihre potentielle Wählerschaft zu warnen, aber insgeheim müssen auch sie kapiert haben, dass zumindest in Ostdeutschland die Fremdenfeindlichkeit immer schon ein einigendes Band der sich bedroht und betrogen wähnenden Volksgenossen war. Allerdings ist es nicht nur aus wahlstrategischen Gründen unstatthaft, die Dresdner als das zu bezeichnen, was sie sind – autoritäre Volksfreunde –, sondern auch, weil sich die Xenophobie mit Argumenten schmückt, die einem politischen Diskurs entlehnt sind, der in respektableren Kreisen gepflegt wird. Ein Tor, wer leugnen wollte, dass Islamfeindlichkeit heute in Deutschland nur die Herzensangelegenheit der einschlägig Verrückten aus den Internetforen wäre. Publizisten aus dem tatsächlich meinungsbildenden Umfeld der liberalen Website „Achse des Guten“, konservative Transatlantiker und Abendlandschützer, aber auch antideutsche Ideologiekritiker schreiben seit Jahren gegen eine Islamisierung des Westens an. Ihnen gegenüber steht eine linke und linksliberale Öffentlichkeit, die zwar penetrant und unermüdlich im Auftrag der Staatsräson unterwegs ist, aber längst nicht mehr die Mehrheit repräsentiert, nicht einmal die der herrschenden Klasse. Der ostdeutsche Mob, der nicht nur ausländer-, sondern auch staatsfeindlich ist, hat nun die linke Dauerwarnung vor „Islamophobie“ aufgegriffen, um sich als mundtot gemachte Minderheit zu inszenieren; die linke Elite, gegen die Pegida demonstriert, bevormunde das Volk und führe damit die Demokratie ad absurdum – wobei mit „Demokratie“ selbstverständlich nicht die westlich-repräsentative, sondern die Paranoia des Volkszorns gemeint ist, der in Herrschaftspraxis übersetzt werden soll. Auch die islamfeindlichen Intellektuellen stellen sich als Hüter der Demokratie dar und gehen konsequenterweise ein Bündnis mit dem Mob ein. Henryk Broder etwa ist ein Beispiel für die absurde Situation, dass ein politischer Autor mit seiner Europa- und Islamkritik gerade bei jenem Publikum besonders beliebt ist, das ihm antisemitische E-Mails schreibt, wenn es um deutschen Antisemitismus geht. Der Konservatismus, der tendenziell immer schon fremdenfeindlich, wertekonservativ und nationalistisch war, hat in der „Berliner Republik“ nach Jahren des Außenseitertums wieder an politischem Gewicht gewonnen. Dieser Erfolg verdankt sich der Strategie, sich als Fürsprecher der vom linken Mainstream unterdrückten Opfer aufzuführen und den Marginalisierten eine politische Stimme zu verleihen. Und tatsächlich ist diese Stimme in fast allen politischen Spektren mittlerweile wieder vernehmbar. Die Regierung steckt dadurch in einer Zwickmühle: Einerseits ist der islamfeindliche Konservatismus – der auch ostzonal-staatsfeindlich daherkommen kann – fest im eigenen Wählerkreis verankert, andererseits gefährdet der politische Bodensatz dieser Strömung – von Pegida bis zu Moscheen anzündenden Neonazis – Deutschlands Bild als weltoffene, kosmopolitische Republik. Verschärfend hinzu tritt, dass die Untaten der islamischen Community ja keine Erfindungen der Islamfeinde sind, sondern die demokratische Freiheit ganz real bedrohen. Insofern ist die Regierung gezwungen, ständig hin und her zu schwanken zwischen Signalen an die verschiedenen Wählerschichten – an die konservativen Kräfte, die Zivilgesellschaftsideologen, die pro-israelischen Liberalen (einschließlich der Antideutschen) und natürlich auch an die Muslime selbst. Ein Eiertanz, der der Sache geschuldet ist.
Verdrängung der Gefahr
In dieser konflikthaften Situation ist es jedem politischen Lager ein leichtes, Konsequenzen zu fordern. Die linken Ideologen nutzen die Gunst der Stunde und denunzieren jeden, der nicht nur gegen „radikal-fundamentalistische Islamisten“ das Wort erhebt, sondern auch auf den Zusammenhang von islamischem Faschismus und islamischer Kultur verweist, ein Pegida-Aktivist im Geiste – also ein Staatsfeind – zu sein.Das musste zuletzt auch die Georg-Weerth-Gesellschaft Köln (GWG) erleben, als sie angesichts der antisemitischen Aufmärsche während des letzten Gazakrieges gegen die islamistische Vereinigung Millî Görüş demonstrierte, die unaufhörlich gegen Israel hetzt. In der vielgelesenen Online-Zeitschrift „Ruhrbarone“, die auch in israelsolidarischen Kreisen eine gewisse Reputation hat, durfte der Redakteur Sebastian Weiermann seine Meinung kundtun, die GWG sei „auf der Überholspur Richtung Pro NRW unterwegs“. Scheinheilig fragte er, „ob es wieder so weit ist, dass junge Deutsche vor Gotteshäuser von Minderheiten ziehen“, als ob die SA-Kundgebungen vor Moscheen von antisemitischen Islamverbänden abgehalten und gegen Antizionismus protestiert hätte. Die implizite Gleichsetzung der Juden mit antisemitischen Türken, die beide vielsagend als „Minderheiten“ bezeichnet werden, diente nur einem Zweck: Kritiker des islamischen Faschismus als Wiedergänger der Nazis bloßzustellen.
„Islamfeindschaft“ gilt als Makel, von dem sich sogar die Dresdner distanzieren: Man sei nicht gegen den Islam, sondern nur dagegen, dass die Muslime nach Deutschland kämen.Dass Gruppen wie die GWG sich mehrfach deutlich gegen die deutsche Abschiebepraxis positioniert haben, weil das zwar banal, aber angesichts der politischen Situation notwendig ist, hält ihre Gegner nicht davon ab, immerzu eine ideologische Nähe zu behaupten, die schlicht nicht da ist. Aus Gründen der Vernunft gegen die islamische Kultur und Religion zu sein, weil sie das Individuum unterdrücken und für den Wahn anfällig machen, der heute massenhaft zur Gewalt gegen die „Ungläubigen“ führt, bedeutet nicht, Muslime ausweisen, entrechten oder inhaftieren zu wollen. Anders als die Staatsanwaltschaft, die sehr zu Recht nur gegen Straftäter (etwa Personen, die Terroranschläge planen oder terroristische Vereinigungen unterstützen) vorgeht, richtet sich der kommunistische Kritiker gegen die Ideologie des Einzelnen, um diesen zur besseren Einsicht zu bewegen, von seinem Vorhaben abzubringen oder zumindest einzuschüchtern. Mehr kann kritische Theorie, die notwendig interventionistisch gestimmt ist, nicht ausrichten, will sie ihr aufklärerisches Erbe nicht preisgeben; zugleich aber bedeutet das, gegen den Islam nicht wirklich etwas ausrichten zu können.
Diese Ohnmacht muss bewusst gemacht werden, ohne dass dies eine Rechtfertigung dafür wäre, die bescheidenen Waffen zu strecken, über die man dann eben doch noch verfügt. Angesichts der Vernichtungswut und des imperialistischen Anspruchs des islamischen Faschismus käme das Verstummen einer gleichsam suizidalen Kapitulation gleich. Es mag im scheinbar sicheren Deutschland albern klingen, aber der „Islamische Staat“, Hamas, Hisbollah, Al Kaida, Boko Haram und nicht zuletzt der Iran sind Europa näher, als so mancher glaubt. Diese Wahnsinnigen kennen allenfalls temporäre Waffenstillstände, ihr Endziel ist – das sprechen sie immer wieder aus – die Weltherrschaft.Man sollte sich nicht täuschen und nicht beschwichtigen lassen: Auch wenn es dem IS nicht gelingt, die schwarze Fahne auf dem Weißen Haus zu hissen, wie er vollmundig verkündet, so kann er doch mit relativ einfachen Mitteln Angst, Schrecken und Tod auch in Europa verbreiten. Was schon jetzt in Nordafrika und im Nahen Osten geschieht, ist ein gigantischer Massenmord.Dieses Grauen kleinzureden, indem die Islamfeindlichkeit, die in eben jenem Grauen auch einen rationalen Grund hat, allen Ernstes zur ebenbürtigen Gefahr erklärt wird, ist eine Form der Verdrängung, die dem islamischen Faschismus sein Werk erleichtert.Nicht zufällig führen die salafistischen Prediger, die in Deutschland durch die Talkshows tingeln, ständig das Wort „Islamophobie“ im Munde.
Der deutsche Staat jedoch glaubt noch immer, durch Handelsbeziehungen, diplomatisches Appeasement und Outsourcing des Islamismus ruhig seinen Geschäften nachgehen zu können. Konsequenterweise will man arabische Terroristen wahlweise abschieben oder in ihrer Reisefreiheit beschränken – nicht, weil man fürchtet, sie könnten in Syrien Verbrechen begehen, sondern weil sie irgendwann nach Deutschland zurückkommen. Um seine Politik ideologisch zu rechtfertigen, zieht der Staat sich seit eh und je Geisteswissenschaftler heran, die ein feines Gespür für die Nöte der Nation haben. Bezogen auf den Islam werden die plumpen Apologeten, die in den letzten Jahren so sehr genervt haben, zunehmend unbrauchbar. Es bedarf Theoretikern, die den Eiertanz beherrschen, die also auf der einen Seite Islamismus, Antisemitismus und Sexismus ablehnen, auf der anderen Seite aber den Appeasementkurs der Regierung zu legitimieren in der Lage sind. All jene, die dazwischenfunken und die Islamisten durch ungebührliches Verhalten „provozieren“ könnten, müssen stillgestellt, die Kritik am islamischen Terror in staatsmännische Hände unter universitärer Aufsicht gegeben werden.
Ein Ideologe bewirbt sich
Einer, der sich hierfür seit einigen Jahren besonders eifrig bewirbt, ist Floris Biskamp. Er war jahrelang im antideutschen Umfeld unterwegs und hat dort gelernt, dass Antizionismus und Islamismus schlecht, der „Westen“ und der Rechtsstaat aber gut sind. Die Antideutschen als intellektuelle Avantgarde des deutschen Weges in den postnazistisch-postnationalen Westen haben nolens volens Figuren wie ihn hervorgebracht, die sich besonders für den (freilich prekären) Posten des Staatsideologen eignen. Doch Biskamp ist noch in der Probezeit, er muss noch unter Beweis stellen, dass er kein Kommunist mehr ist, sondern nur die „legitimen Anteile“ der antideutschen Kritik aufgesaugt hat. Und so nutzt er jede Gelegenheit, sich von seinen ehemaligen Genossen zu distanzieren und zugleich seine Tauglichkeit für Staatszwecke unter Beweis zu stellen. Weil das nicht ausreicht, klatscht er unter jedes Elaborat, das er verfasst, noch den Hinweis, dass er bald ein akademisch zertifizierter Denker sein wird: „Floris Biskamp promoviert [sic!] über kritische Theorie, Postcolonial Studies und antimuslimischen Rassismus in Deutschland“.
Bevor es soweit ist, verlegt sich Biskamp aber auf linke und linksradikale Medien, die ihn drucken, weil sie den Jargon auch gern so gut beherrschen würden wie er selbst. Ohne Frage strebt Biskamp nach Höherem: Es soll nicht die Phase 2sein, sondern eines Tages einmal die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung. Einen Vorgeschmack gab er Ende November auf dem journalistischen Nachwuchsblog Publikative.org, das unter dem vielsagenden Motto „Die vierte Gewalt klärt auf!“ von der Amadeu Antonio Stiftung betrieben wird und 2013 völlig zurecht den Alternativen Medienpreis erhalten hat. Unter dem Titel „Abgründe der Israelsolidarität“ rechnete Biskamp mit den Organisatoren der Kölner Demonstration „Es gibt kein Menschenrecht auf Israelkritik!“ ab, die gegen die antizionistischen Aufmärsche im Sommer 2014 gerichtet gewesen war. Genau wie der bereits erwähnte Weiermann behauptete auch Biskamp, das temporär bestehende „Bündnis gegen Israelkritik NRW“ (in dem die GWG Mitglied war) sei „tendenziell rassistisch“. Um diesen ja doch harten Vorwurf zu begründen, führte Biskamp weitschweifig vor, dass sich sein Studium der Politikwissenschaft gelohnt hat: Wie in akademischen Qualifikationsarbeiten üblich, referierte er zunächst die verschiedenen Rassismustheorien, die in „der Forschung“ kursieren. Selbstverständlich – das gehört zum Ritual dazu – seien diese Theorien alle mangelhaft, weshalb er eine eigene vorlegen müsse, die die Stärken der anderen vereine und deren Schwächen vermeide. Wie instrumentell er dabei vorging, hatte schon etwas Hemdsärmeliges: Allzu