Kategorie-Archiv: Erdogan

Über den türkischen Islamfaschismus und warum es keinen Widerstand gegen ihn gibt

Vortrag & Diskussion in Berlin

Am Mittwoch, den 15. Februar 2017, um 19:00 Uhr
im Laidak, Boddinstraße 42, 12053 Berlin Neukölln

Über den türkischen Islamfaschismus

und warum es keinen Widerstand gegen ihn gibt

mit Justus Wertmüller

Seit dem 20.1.2017 ist alles vor­bei. Das tür­ki­sche Par­la­mant hat mit den Stim­men von Edo­gans AKP und der Mehr­heit der Ab­ge­ord­ne­ten der na­tio­nal­chau­vi­nis­ti­schen MHP – zu­sam­men 80 % der Ab­ge­ord­ne­ten – für die Er­rich­tung einer Prä­si­di­al­di­kata­tur ge­stimmt. Damit hat sich im Grun­de wenig ge­än­dert, denn die Prä­si­di­al­dik­ta­tur, ist schon seit 10 Jah­ren im Vor­marsch und seit dem Putsch­ver­such vom 16.7.16 fak­tisch, wenn auch nicht recht­lich, Rea­li­tät.

Es soll nicht darum gehen, eine er­mü­den­de Auf­zäh­lung der Schreck­nis­se nach der Putsch­nacht zu prä­sen­tie­ren, denn zur Auf­klä­rung über das, was im ganz nahen Osten vor sich geht, trägt das nicht viel bei. Viel­mehr soll in dem Vor­trag Cha­rak­ter und Ent­ste­hung des tür­ki­schen Is­lam­fa­schis­mus’ aus dem Geist und der Pra­xis der ke­ma­lis­ti­schen Re­pu­blik er­klärt wer­den. Denn so bit­ter es ist, viele von denen, die als die nächs­ten Opfer des un­auf­halt­sa­men Durch­mar­sches des ein­fa­chen Vol­kes unter sei­nem ge­lieb­ten Füh­rer schon fest­ste­hen, haben am Un­ter­gang einer Re­pu­blik, in der es nie selbst­be­wuss­te Bür­ger ge­ge­ben hat, flei­ßig mit­ge­wirkt. Kaum ein tür­ki­scher So­zi­al­de­mo­krat oder Lin­ker würde zu­ge­ben, dass der selbst­be­wusst und ag­gres­siv Tür­ken­tum ge­hei­ße­ne Na­tio­nal­stolz, an dem kei­ner rüh­ren mag, auf dem Ge­no­zid an den Ar­me­ni­ern 1916 ge­nau­so wie den Mas­sen­mor­den an vor allem Grie­chen in den Jah­ren 1920 bis 1923 auf­ruht. Im Ge­gen­teil: Wenn einer die Grün­dungs­ver­bre­chen auch nur be­nennt, kommt es zum ganz gro­ßen Schul­ter­schluss, dann gibt es keine Par­tei­en mehr, son­dern nur noch Tür­ken. Zu­letzt war es am 17.1.2017 wie­der so weit:

Am fünf­ten Tag der Ma­ra­thon­de­bat­te um die Ver­fas­sungs­än­de­run­gen trat Garo Pay­lan von der pro­kur­di­schen Par­tei HDP ans Red­ner­pult, um für eine plu­ra­lis­ti­sche De­mo­kra­tie zu plä­die­ren: Kol­le­gen, zwi­schen 1913 bis 1923 haben wir vier Völ­ker ver­lo­ren – die Ar­me­ni­er, die Grie­chen, die As­sy­rer und die Juden. Sie sind aus die­sem Land ver­trie­ben wor­den, mit Mas­sa­kern und mit einem Völ­ker­mord. Liebe Kol­le­gen… Dann muss­te er seine Rede wegen der vie­len Un­muts­be­kun­dun­gen und Zwi­schen­ru­fe un­ter­bre­chen. In die­sem Land hat es nie einen Völ­ker­mord ge­ge­ben, schrien Ab­ge­ord­ne­te aus den Rei­hen der is­la­mi­schen Re­gie­rungs­par­tei AKP und der na­tio­na­lis­ti­schen MHP eben­so wie Ver­tre­ter der ke­ma­lis­ti­schen CHP, die sich als so­zi­al­de­mo­kra­tisch ver­steht. Hören Sie auf, die Ge­schich­te die­ser Na­ti­on zu be­lei­di­gen!, brüll­te ein Ab­ge­ord­ne­ter. Schließ­lich schal­te­te sich Sit­zungs­prä­si­dent Ahmet Aydin ein: Kol­le­ge Pay­lan, bitte be­rich­ti­gen Sie Ihre Worte. Es hat kei­nen Völ­ker­mord ge­ge­ben.
Be­schwich­ti­gend wand­te sich Pay­lan aber­mals an das Ple­num. Sehen Sie mal, Kol­le­gen, wir Ar­me­ni­er waren frü­her 40 Pro­zent der Be­völ­ke­rung, heute sind wir 0,1 Pro­zent, ir­gend­et­was muss uns doch pas­siert sein!, be­schwor er das Par­la­ment. Aber er wurde wie­der nie­der­ge­brüllt. Herr Pay­lan, pas­sen Sie auf, was Sie sagen, herrsch­te Par­la­ments­vi­ze Aydin den Ar­me­ni­er an. Ich habe Sie ge­warnt: Sie dür­fen hier nicht die Na­ti­on be­lei­di­gen. Die Sit­zung wurde un­ter­bro­chen. An­schlie­ßend schloss die Volks­ver­tre­tung mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit Garo Pay­lan für drei Sit­zun­gen aus dem Par­la­ment aus. Seine An­spra­che, so be­schlos­sen die Ab­ge­ord­ne­ten, wird aus dem Par­la­ments­pro­to­koll ge­löscht.
(Ta­ges­spie­gel, 18.1.17)

http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/20170215berlin.html

Merkels Hilfe für den Islamofaschisten Erdogan

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Merkels Hilfe für Erdogan

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Eine Wahlkampf-Reise in die Türkei

Autor: U. Gellermann
Datum: 02. Februar 2017

Ob sie nach dem Telefonat mit Trump einen Lachanfall hatte, die Kanzlerin? Als sie ihm erzählte, dass sie gegen ein Einreiseverbot für Menschen aus „bestimmten Ländern und Menschen mit einem bestimmten Glauben“ sei? Oder hatte sie einfach in ihrer frisch gebügelten Sicht auf die Welt vergessen welcher Religion die Flüchtlinge angehörten, die im letzten Jahr mit ihrer Billigung an der Flucht über die Balkanroute gehindert wurden? All die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak, die vor Krieg und Elend nach Deutschland fliehen wollten, waren natürlich Muslime. Und es waren ebenfalls Muslime, die von der Europäischen Union, orchestriert von der Meisterin aus Deutschland, in einem „Rücknahme-Abkommen“ mit der Türkei an den EU-Grenzen festgehalten wurden. Das Einreiseverbot stand. Die Mauer gegen die Flüchtlinge war gebaut. Frau Merkel hatte die Schluss-Steine mit eigener Hand poliert. Aber weil der neue Chef des US-Imperiums nicht nur ungehobelt ist sondern auch manches anders zu machen behauptet als gewohnt, konnte sich die Kanzlerin als Mutter Theresa der Muslime aufspielen. Und das am Vorabend ihrer Wallfahrt zum türkischen Diktator.

Die von Erdogan willkürlich aus dem Staatsdienst Entlassenen werden nicht mehr gezählt: Zuviel. Die Verhaftungen im Rahmen des türkischen Staatsstreichs von oben: Willkürlich. So wie im Fall eines Kantinenwirts, der zu sagen gewagt hatte: „Also wenn Erdogan kommt, kriegt der von mir keinen Tee“. Die Ziffer der Gefolterten? Dunkel. Wie die Gefängnisse des Erdogan-Reich. Düster auch das Erdogan-Netzwerk in Deutschland: Andersdenkende werden bespitzelt und denunziert. Es ist das Diyanet İşleri Başkanlığı, die staatliche Regierungsbehörde, dem Ministerpräsident unterstellt, die in den deutschen Moscheen Erdogan-Kritiker für das Gefängnis reif macht. Diyanet-Chef Mehmet Görmez nennt das Vorgehen der Religions-Polizei fürsorglich „Schutz“. Mit 1,8 Milliarden Euro jährlich aus Ankara ist die in Deutschland operierende Moscheevereinigung DITIB ausgestattet, um die Ziele des Erdogan-Staates umzusetzen. Zwar ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen die Vereinigung wegen Spionage, aber ernsthafte Schritte wurden bisher nicht unternommen.

Schritt für Schritt geht Merkel weiter auf Erdogan zu. Ausgerechnet kurz vor der Volksabstimmung über die Einführung eines von Erdogan gewünschten Präsidialsystems reist sie nach Ankara. Der Chef der türkischen Oppositions-Partei CHP, Kemal Kılıçdaroglu, nennt die Reise zu Recht „Wahlkampfhilfe“. Obwohl Erdogan in der gleichgeschalteten, verängstigten Türkei nicht mehr viel Wahlkampfhilfe braucht. Merkels Reise ist eher ein internationales Gütesiegel: Seht her, wenn die deutsche Kanzlerin den gefährlichen Mann vom Bosporus besucht, kann doch alles nicht so schlimm sein. Es handelt sich mehr noch um eine Wahlkampfhilfe von Erdogan für Merkel: Hält er ihr die Flüchtlinge lange genug vom Hals, kann sie noch eine Runde Kanzler drehen.

Spannend ist auch, dass man den Merkel-Besuch zuerst aus dem Außenministerium der Türkei erfahren konnte. Dann erst bestätigte ein Sprecher der Bundesregierung die Reisepläne. Es ist die Umkehrung der Informationskette, die Sorgen machen muss. Das Seibertchen, her Mistress Voice, hatte die Türkei-Reise der Merkel kurz vor dem Referendum, das die Diktatur in der Türkei zementieren soll, erstaunlich erklärt: Die Kanzlerin lege auf ihrem Weg zum EU-Gipfel in Malta nur einen Zwischenstopp in Ankara ein. Das ist normal, wenigstens für den Regierungssprecher, dass man über Ankara nach Malta fliegt.

Einen “Arbeitsbesuch“ nennt das Kanzleramt den erneuten Kniefall der Merkel. Eine Tagesordnung wollte das Amt bisher nicht bekannt machen. Andere schreiben offenkundig die Agenda. Unter ihnen der Brigadegeneral Duman, im türkischen Generalstab für auswärtige Beziehungen zuständig. Der hat auf dem Neujahrsempfang der türkischen Streitkräfte am 20. Januar erklärt, eine Genehmigung der deutschen Bauvorhaben im Stützpunkt Incirlik sei nur möglich, wenn die Aufklärungsbilder der deutschen “Tornados“ in Zukunft direkt und ohne Umwege an die Türkei geliefert würden. So funktionieren die neuen deutsch-türkischen Beziehungen im Schatten der Diktatur: Vom türkischen Außenministerium wird der Merkel-Besuch angekündigt und von der türkischen Armee erfährt die deutsche Öffentlichkeit, dass die Bundeswehr einen längeren Aufenthalt in der Türkei plant: In ein eigenes Flugfeld, einen mobilen Gefechtsstand für die deutschen Tornados und solide Unterkünfte für die Soldaten sollen Millionen Euro investiert werden. Und wie nebenbei teilte der türkische Generalstab auch noch mit, dass ihm die Tornado-Aufnahmen aus dem umkämpften Syrien nicht ausreichen. Das soll sich ändern. Aber zack. Sonst gibt es keine Genehmigung der deutschen Baumaßnahmen.

Eine große Informations-Lawine zu den neuen Verhältnissen in den USA rollt aus den deutschen Medien. Zu den deutsch-türkischen Verhältnissen in Zeiten der Diktatur gibt es eher Schneegestöber im Fernsehen und den Blättern. Und mitten aus der schlechten Sicht hört man fröhliche Laute: Man hätte nicht gedacht, dass die Merkel so herzlich lachen kann.

Merkel, Staatsfunk & Erdogan

Nun hat sie ihren Deal-Partner Erdogan besucht, die Kanzlerin. Und was referiert die TAGESSCHAU: „Merkel sagte Erdogan eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen jede Form des Terrorismus zu“. Wie schön. Hat die TAGESSCHAU mal nachgefragt: Ob die terroristischen Überfälle von türkischer Armee und Polizei auf kurdische Zivilisten gemeint sind? Nein. Dann verkauft die Dame via Staatsfunk noch diese trügerische Zeile: „Sie plädierte dafür, unabhängige Wahlbeobachter beim Referendum über das Präsidialsystem einzusetzen“. Wenn die 100.000 Entlassenen wieder eingestellt worden sind, wenn die 16.000 Verhafteten rehabilitiert sind, wenn die Gefolterten genesen sind, wenn oppositionelle Medien wieder zugelassen sind, wenn das Klima der Angst sein Ende gefunden hat, dann könnten Wahlbeobachter vielleicht eine reguläre Wahl beobachten. So beobachten sie eine Farce, in der brav die Zettel in die Urnen gestopft werden. Und dann zitiert der Staatsfunk noch einen Merkel-Satz: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es dort Bespitzelungen gibt“. Genau. Der Eindruck ist ihr peinlich. Sonst nichts.


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