Kategorie-Archiv: Flüchtilanten
Peter Sloterdijk: „Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Krieges nicht mehr.“
Von Moritz Mücke
Im Kielwasser von „Köln“ gibt es teils durchaus kreative Lösungsansätze für die negativen Begleiterscheinungen weitgehend männlicher Einwanderung aus sicheren Drittstaaten in die Kriminalitätsstatistik. Neben der an Frauen gerichteten – und auch international Schlagzeilen produzierenden – Empfehlung der Kölner Oberbürgermeisterin, einfach einen Arm Abstand zu potentiellen Vergewaltigern zu halten, hat die Bundeskanzlerin unlängst zur „Bekämpfung von Fluchtursachen“ aufgerufen. Ob sie zu den Fluchtursachen beispielsweise auch die sicheren, demokratischen Verhältnisse im immer wohlhabender werdenden Senegal zählt, wie es das amerikanische Wall Street Journal letztes Jahr getan hat, wäre herauszufinden, wenn die deutschen Medien ihrer Berufung nachkämen und der Kanzlerin kritische Fragen stellten.
Julia Klöckner allerdings, die ebenfalls der vermerkelten CDU angehört, ist weniger einfallsreich – vielleicht auch wenig hilfreich – vorgeprescht mit ihrer Forderung nach einer Integrationspflicht von Zugereisten aus integrationsbedürftigen Kulturkreisen. Unkreativ ist ihr Vorschlag deswegen, weil er lediglich die Steigerung eines bereits lange etablierten Prinzips ist, welches im Deutschland des Jahres 6 nach Sarrazin den einzigen Fortschritt in der Debatte um die Probleme des real existierenden Multikulturalismus darstellt, nämlich das Eingeständnis aller Parteien, dass „Integration“ nicht nur theoretisch wünschenswert, sondern praktisch geeignet ist, um sämtliche Probleme der jetzigen und zukünftigen Parallel- und Gegengesellschaften zu lösen. Dass diese Probleme bereits vor Merkels Entscheidung, ganze Völker nach Deutschland einzuladen, existierten, scheint ihrem Optimismus keinen Abbruch zu tun. Es ist wie damals: Die Welt zu Gast bei Freunden. Sie wissen schon.
Der Erfolg der Integrationsrhetorik deutscher Politiker kann nur schwer bezweifelt werden. Sie ist schließlich auch ideal geeignet, um den mäßig informierten und vermutlich durch Erwerbstätigkeit belasteten Wähler einzulullen, indem ihm vorgespielt wird, dass sämtliche Probleme, die mit Zugereisten aus bestimmten Kulturkreisen assoziiert werden – von Köln bis Neukölln sozusagen – sich in Luft auflösen werden, sobald von der Politik das Prinzip der „Integration“ in die Realität herabgeseilt bzw. par ordre de Mutti dekretiert wird. Der durchschlagende Erfolg dieses Paradigmas ist allenthalben vernehmbar, etwa wenn die frauenpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Bundestag, Ulle Schauws, mit den Worten zitiert wird, die Sexattacken in Köln hätten auch mit „verpasster Integration“ zu tun.
Währenddessen empfiehlt der hessische Scherzkeks Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD seinem CSU-Kollegen Andreas Scheuer „dringend einen Integrationskurs“ zu besuchen „um etwas über unser Grundgesetz zu erfahren“. Die Autorin und Moderatorin Amelie Fried hat noch konkretere Vorstellungen: „Wenn wir es schaffen, diese Menschen gut in unser Land zu integrieren, [werden wir] eines Tages mehr von ihnen [zurückbekommen], als wir ihnen jemals gegeben haben.“ Zumindest was das Geben betrifft ist ihr Andrea Nahles ein paar Schritte voraus. Sie fordert für ihr Ressort 500 Millionen zusätzliche Euro, um dem Ansturm Herr zu werden. Sie kommentiert das so: „Zum Nulltarif können wir die Flüchtlinge nicht integrieren.“ Tja, so ist das halt.
Integration ist das mittlerweile bewährte, säkulare Heilsversprechen eines durch den demographischen Fleischwolf gedrehten Deutschlands. Macht euch keine Sorgen um die Neuen, beschwört uns die politische Klasse, die werden sich alle integrieren! Wir müssen nur genug Geld dazu bereitstelle – ich meinte natürlich: investieren! Denn wir kriegen das ja alles tausendfach wieder zurück!
Fragwürdig bleibt, ob die Neuen überhaupt Anlass dazu haben, sich integrieren zu wollen. Die meisten unserer Politiker sind unkritisch dem Glauben verfallen, dass sämtliche Individuen in den zivilisatorisch weniger kompetenten Weltteilen den westlichen Lebensstil imitieren wollen und, da das in den Heimatländern offenbar nicht immer möglich ist, deshalb in westliche Länder strömen. Es muss zunächst offen bleiben, ob nicht ein ganz anderes Phänomen für die Migrationswellen verantwortlich ist, etwa die Möglichkeit, in Ländern wie Deutschland von Freiheit und Wohlstand zu profitieren, ohne dabei die eigene Lebensweise ändern zu müssen, während die des Westens gleichsam weiterhin ungestört verachtet werden kann. Aber dazu später mehr.
An dieser Stelle muss der Autor nämlich zunächst eingestehen, dass er die als eierlegende Wollmilchsau angepriesene „Integration“ der Neuankommenden für weitgehend illusorisch hält. Verantwortlich hierfür sind vier Hindernisse: Erstens, die Umdeutung des Integrationsbegriffs im politischen Diskurs, zweitens, der Abbau von Integrationsnotwendigkeiten, drittens, die quantitativen, und schließlich, viertens, die qualitativen Bedingungen der vorgeschlagen Integration.
Die Umdeutung des Integrationsbegriffs hat ihren Ursprung in den medial nicht vollständig totschweigbaren sozialen, kulturellen, und politischen Problemen, die in Deutschland durch die Zuwanderung der Vergangenheit entstanden sind und durch nicht hinreichend konformistische Querdenker, von Thilo Sarrazin bis Güner Balci, thematisiert wurden. Dem öffentlichen Zuspruch, den diese alarmistischen Stimmen erhalten, zuweilen untermauert durch millionenschwere Buchauflagen, konnte sich die deutsche politische Klasse damals wie heute nur schwer entziehen. Dementsprechend hat man sich quasi überparteilich geeinigt, die Probleme würden dadurch in Ordnung kommen, dass eine irgendwie geartete „Integration“ stattfinden werde. Womit man freilich zu einem neuen Problem gelangt, nämlich der Frage, wie dieser Integrationsbegriff zu definieren, und wer für dessen praktische Umsetzung verantwortlich ist.
Das unbescholtene deutsche Bürgertum, das sich für Zukunftsfragen in der Regel interessiert, glaubt unter dem Integrationsbegriff zu verstehen, dass Eingewanderte sich in die Mehrheitsgesellschaft integrieren sollten. Streng genommen handelt es sich bei diesem so verstandenen Prozess um Assimilation, also, noch strenger genommen, um eine von den Immigranten zu erbringende Imitation und Absorption der „Werte“ der Autochthonen. Dummerweise teilen Deutschlands Politiker diese Definition der von ihnen repräsentierten Bürger nicht unbedingt. Vielmehr wird sie gerne auf den Kopf gestellt, indem dem deutschen Staat, als Spiegelbild der Gesellschaft, die Verantwortung zugeschrieben wird, die Integration von Migranten dadurch besorgen zu müssen, dass er ihre aus den Herkunftsländern mitgebrachten Gepflogenheiten möglichst kulant akkommodiert.
So berichteten die Stuttgarter Nachrichten vor knapp zwei Jahren über die mit Rücksicht auf die muslimische Bevölkerung beschlossene Aufhebung der Sargpflicht in Baden-Württemberg. Da dieser Beschluss rhetorisch in den Dienst der umdefinierten und staatlich zu besorgenden „Integration“ gestellt werden konnte, herrschte „seltene Eintracht im Landtag“, waren sich doch „alle Fraktionen […] einig“. Konsequenterweise „lobten alle Redner das Papier als Meilenstein für die Integration“, während der SPD-Abgeordnete Thomas Reusch-Frey mit der folgenden, bemerkenswerten Sprechblase punkten konnte: „Integration darf nicht mit dem Tod enden.“
Nun habe ich prinzipiell nichts gegen die Aufhebung der Sargpflicht. Allerdings wäre es schön, wenn mir das Ganze nicht als Maßnahme zur Integration verkauft würde, sondern als das was es ist: ein staatlicher Anpassungsakt. Wer integriert sich hier eigentlich? Und in was? Durch die Umdeutung des Integrationsbegriffs wird echte Integration unmöglich gemacht. Das Resultat ist eine Einbahnstraßenintegration, besorgt durch einen Staat mit Tunnelblick. Das jüngste Beispiel dieses Objekt und Subjekt vertauschenden Integrationsprojekts liefert uns der Hamburger Professor Thomas Strothotte mit dem Vorschlag, in deutschen Schulen neben Deutsch auch Arabisch als Unterrichtssprache bis zum Abitur zwangsweise einzuführen. Der Wille zur totalen Integration, nur eben andersherum.
Damit wären wir beim zweiten Hindernis angelangt, dem Fehlen von Integrationsnotwendigkeiten. Dass diese einen positiven Effekt auf die Integration von Immigranten haben könnten, ist vielen Politikern sicherlich ein Dorn im Auge, zumindest insofern als deren ideologische Überzeugungen im Überwinden sämtlicher menschlicher Notwendigkeiten durch einen hemmungslos-aktivistischen Staat bestehen. Jedenfalls steht festzuhalten, dass die erfolgreichste Integrationsmaschine der Weltgeschichte, die Vereinigten Staaten von Amerika, ihre Einwanderer immer desto besser integrieren konnten, je weniger der Staat für sie tat, je größer die schiere Notwendigkeit des individuellen Erbringens von Integration war.
Ein schönes Beispiel für diese erfolgreichste aller Integrationsstrategien ist ein Brief aus dem Jahre 1819 von John Quincy Adams, damals amerikanischer Außenminister und späterer Präsident, an einen Bürokraten aus Deutschland, der sich mit dem Ansinnen, nach Amerika auszuwandern, an Adams gerichtet hatte und mit diesem Ansinnen unverschämterweise die Forderung verband, man möge ihm von Seiten des amerikanischen Staats doch bitte eine Anstellung anbieten. Adams‘ Antwort, welche die amerikanische Nachrichtenseite Federalist ausgegraben hat, hat es in sich: „Die amerikanische Regierung hat nie Maßnahmen ergriffen, um Emigranten aus Europa zu ermutigen oder einzuladen. Sie hat nie dazu angestiftet, Bürger anderer Staaten anzuregen, ihrem Land den Rücken zu kehren und Bewohner dieses Landes zu werden. […] Weder die Regierung des Bundes, noch jene der einzelnen Staaten, sind unkundig bezüglich des Zusatzes an Stärke und Wohlstand, der unserer Nation dank der Aufnahme einer Masse von gesunden, fleißigen, und frugalen Arbeitern zuteil wird. Bewusst sind wir uns auch der großen Vorteile, welche diesem Land widerfuhren, und weiterhin widerfahren, aufgrund der Einwanderung solcher Adoptivkinder aus Deutschland.“
„Aber es gibt ein Prinzip, das alle Institutionen dieses Landes durchsetzt, und das immer als Hindernis für die Vergabe von Privilegien an Neuankommende wirken wird. Dies ist ein Land nicht der Privilegien, sondern gleicher Rechte. Privilegien werden von europäischen Monarchen an bestimmte Klassen von Individuen vergeben […] aber die allgemeine Wahrnehmung hier ist, dass Privilegien, verliehen an eine Gruppe, nur schwer unterschieden werden können von der Erosion der Rechte anderer.“
„Emigranten aus Deutschland, oder anderswo, sollten daher, wenn sie hierher kommen, keine Gefälligkeiten von den Regierungen erwarten. Sie können erwarten, wenn sie Staatsbürger werden, die gleichen Rechte zu genießen wie hier Geborene. […] Sie kommen in ein Leben in Unabhängigkeit, aber auch ein Leben der Arbeit – und, wenn sie sich an den moralischen, politischen, und physischen Charakter dieses Land nicht anpassen können, mit all seinen sich ausgleichenden Stärken und Schwächen, dann steht ihnen immer der Atlantik offen, um in das Land ihrer Geburt und ihrer Väter zurückzukehren. Um eine Sache sollten sie sich Gedanken machen, wenn sie in Amerika ihr Glück zu finden versuchen. Sie müssen ihre europäische Haut abstreifen, für immer. Sie müssen nach vorne in die Zukunft schauen, und nicht zurück zu ihren Vorfahren.“
Es ist genau Adams‘ laissez-faire-Ansatz zum Thema Integration, der – schwanger mit unangenehmen Notwendigkeiten — aus den Vereinigten Staaten den weltbekannten Schmelztiegel gemacht hat. Und wenn wir in den letzten Jahrzehnten eine stärkere Balkanisierung der USA beobachten konnten, so ist das – wenn auch nicht ausschließlich – darauf zurückzuführen, dass die amerikanische Bundesregierung seit den 60er Jahren großzügige Wohlfahrtsprogramme aufgesetzt hat, die denen der europäischen Sozialstaaten nicht unähnlich sind. Je mehr Geld vom Staat kommt, desto weniger notwendig wird die Integration, insbesondere in den Arbeitsmarkt, wo die Landessprache oft gut zu erlernen ist – nicht zuletzt deshalb, weil sie notwendigerweise erlernt werden muss.
Zuviel staatliche Zuwendung wäre schon in der Zeit John Quincy Adams‘ problematisch für die Integration gewesen. Heute sieht die Sache noch schlimmer aus, denn durch Internet, Satellitenfernsehen, und mobil-globale Kommunikation ist es möglich geworden, in einer westlichen Gesellschaft zu leben, ohne ihr anzugehören, von Wohlstand und Freiheit zu profitieren, ohne zu partizipieren, den Schutz der staatlichen Ordnung zu genießen, ohne einen Beitrag zu ihrer Aufrechterhaltung zu leisten. Bestärkt werden solche Tendenzen freilich noch, wenn die als Enklaven zu bezeichnenden Parallel- und Gegengesellschaften durch noch weitere Zuwanderung vergrößert werden, womit dann sämtliche Integrationsnotwendigkeit unwiederbringlich weggefallen ist, da nun auch die Interaktion im eigenen Stadtviertel keine linguistische Herausforderung mehr darstellt – von „Werten“ ganz zu schweigen.
Womit wir beim dritten Integrationshindernis angelangt wären, dem quantitativen Faktor. Bereits vor der merkelschen Masseneinwanderung über die Asylgesetzgebung seit 2015 hat es in Deutschland, insbesondere in Großstädten, Schulklassen mit nur wenigen, oder oft auch gar keinen, „biodeutschen“ Schülern gegeben. Wie wird es aussehen, wenn die neuen Zuwanderer per Familiennachzug ihre Frauen und Kinder – oder wer auch immer von den Behörden als solche anerkannt wird – nach Deutschland holen? In der Abwesenheit von Integrationskatalysatoren, also Muttersprachlern und Trägern westlicher Zivilisation, wird es das deutsche Schulsystem schwer haben, dem neuen „Nachwuchs“ deutsche Sprache und europäische Kultur nahezubringen – auch hier: von „Werten“ ganz zu schweigen.
Was die Zahlen betrifft, sollte man auch das relative Verhältnis von Männern zu Frauen in den ankommenden Migrationswellen nicht außen vor lassen, schließlich hat ein Männerüberschuss – insbesondere ein Jungmännerüberschuss – negative Auswirkungen auf den sozialen Frieden und auf die Sicherheit von Frauen. Wer sich in der australischen Presse schlau macht (und das muss man heute offenbar), der weiß, dass Deutschlands „young adult“ Kohorte bereits jetzt auf eine „gender imbalance“ von 114 Männern zu 100 Frauen geschätzt wird (während in Schweden auf 100 Mädchen 123 Jungen kommen). Falls Sie sich fragen sollten, warum sie solche interessanten Fakten nie von den deutschen Medien erfahren, verweise ich Sie hiermit auf ein frisches Zitat von Peter Sloterdijk: „Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Krieges nicht mehr.“
Es ist vollkommen unabsehbar, wann genau ein Punkt erreicht ist, an dem die Zuwanderungszahlen schlicht zu groß sind, um Integration zu bewerkstelligen, wenn der deutsche Staat mit all seinen Muskeln nicht mehr Herr über die Massenmigration zu werden vermag. Über den Untergang Roms schrieb unlängst der Historiker Alexander Demandt: „Man liest von Dekadenz, von einer im Wohlstand bequem gewordenen Gesellschaft, die das süße Leben des Einzelnen erstrebte, aber den vitalen und aktiven Germanenhorden nichts entgegenzusetzen hatte, als diese, von der Not getrieben, über die Grenze strömten. Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf.“
Befände sich in jeder deutschen Schulklasse nur ein einziges Zuwandererkind, müsste man sich um Integration keine Sorgen machen. Sie würde sich aus reiner Notwendigkeit, quasi aus quantitativer „Alternativlosigkeit“ einstellen. Doch zwei Faktoren stehen dem im Wege. Erstens bevorzugen Zuwanderer aus nachvollziehbaren Gründen das Leben in der Großstadt, in der es normalerweise schon eine etablierte Gemeinschaft von Landsleuten gibt. In solchen Gegenden kommt es dann dazu, dass Schüler der öffentlichen Schulen mehrheitlich Einwandererkindern sind. Zweitens versteht es das hippe, biodeutsche Milieu, aus gleichsam nachvollziehbaren Gründen, ihre Kinder von „Problemschulen“ im Kiez abzuziehen und auf besseren, notfalls auch privaten, Schulen unterzubringen. Wer den deutschen Zukunftsausblick des Autors dieser Zeilen gelesen hat, wird verstehen, warum es in Deutschland demnächst zu einem Boom im Gewerbe der Privatschulen kommen könnte – entsprechende Investitionen seien hiermit wärmstens empfohlen.
Schließlich sind wir beim letzten Integrationshindernis angelangt, den qualitativen Bedingungen erfolgreicher Integration. Das Problem lässt sich nicht leicht mit Fakten oder Zahlen erklären, es handelt sich letztendlich um das zivilisatorische Selbstbewusstsein der Aufnahmegesellschaft. Eine Nation, die Fremden Integration abverlangen möchte, muss sich selbst als integrationswürdig betrachten und achten. Nur wer selbst an der Überlegenheit der eigenen Lebensweise keine Zweifel hegt, kann auch im Auge des Fremden zu einem berechtigten Modell für Imitation und Integration werden.
Ein gutes Beispiel für den zivilisatorischen Selbsthass, der Integration in Europa so schwierig macht, ist der stets für allerlei politische und kulturelle Defizite in nicht-europäischen Ländern Verständnis aufbringende Jürgen Todenhöfer. Indem er quasi sämtliche Verfehlungen, die auf diesem Erdbal – aber insbesondere in der islamischen Welt – anzutreffen sind, dem vergangenen oder gegenwärtigen Einfluss westlicher Länder zuschreibt, entlässt er die Träger der entsprechenden Zivilisationen aus der Verantwortung für Verfehlungen, die oft strukturell-kultureller Natur sind. Wie kann sich ein in Deutschland ankommender syrischer Flüchtling zur Integration aufgefordert fühlen, wenn ein Todenhöfer ihm mit sanfter Stimme erzählt, mit seiner Kultur sei alles vollkommen in Ordnung, der Krieg in seinem Heimatland sei von Israel oder den USA angezettelt, und der Westen sei überhaupt eine ziemlich üble Verschwörung gegen alles Gute und Reine in der Welt? Die Überlegenheit der kulturellen und politischen Prinzipien der westlichen Zivilisation leugnend, machen Deutsche wie Jürgen Todenhöfer eine Farce aus der – wohl auch von ihnen? – angestrebten „Integration“. Ob sie sich gegenüber der arabischen Welt dem „weichen Rassismus niedriger Erwartungen“ schuldig machen, muss zunächst offen bleiben.
Viele Leser werden sich an dieser Stelle fragen: „Zivilisatorische Überlegenheit? Ist das nicht ziemlich Nazi?“ Dem muss ich entgegenhalten, dass zivilisatorische Errungenschaften keine subjektiven „Werte“ sind, sondern objektiv messbare Verbesserungen des Wohlergehens des Menschen im Einklang mit seiner Natur. Ob es sich um Toleranz gegenüber Pluralismus und Meinungsfreiheit, Eigentumsrechte, die Emanzipation der Frau, oder um medizinische Versorgung handelt – überall hat der Westen die Nase vorn. Aus diesem Grund möchten viele Nigerianer gerne in Norwegen leben, aber nicht viele Norweger in Nigeria.
Zudem ist festzuhalten, dass zivilisatorisches Selbstbewusstsein – als gesunder Mittelpunkt zwischen dem zivilisatorischen Sadismus der Nationalsozialisten und dem zivilisatorischen Masochismus des grün-postmodernen Milieus — den natürlichen Zustand einer Nation darstellt. Wenn man nicht an die Richtigkeit der eigenen Lebensweise glaubt, warum übt man sie dann aus? Warum nicht in die Ferne schweifen und chinesischen Konformismus oder arabischen Fanatismus adoptieren? Warum „dient“ Claudia Roth noch im Bundestag, wenn sie sich längst im Iran von der Revolutionsgarde malträtieren lassen könnte?
Nein, wer Integration einfordert muss seine eigene Kultur auch selbstbewusst vertreten. Wenn der oben zitierte John Quincy Adams von Deutschen Einwandern forderte, sie sollen „ihre europäische Haut abstreifen“, so stand der Mann auf einem soliden Fundament aus Zuversicht und kulturellem Selbstvertrauen. Aber können Sie sich vorstellen, dass Claudia Roth – oder meinethalben auch Angela Merkel – einen anerkannten Asylbewerber aus Syrien beschwört, er möchte doch bitte seine „arabische Haut abstreifen“?
Sie kennen die Antwort. Ich derweil kann meinen deutschen Landsleuten nicht das Recht absprechen, ihre eigene Zivilisation zu verachten. Nur muss ich darauf bestehen, dass sie dann auf keinen Fall der Illusion verfallen sollten, sie könnten je ein „Einwanderungsland“ sein, ohne dabei das preiszugeben, was zu verachten sie so stolz macht.
Moritz Mücke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan. 2015 ist er ein Publius Fellow am Claremont Institute.
The Fall of the Merkel´s Angels

Ein Lehrstück in Sachen Sozialrassismus
Von Alexander Meschnig
I.
Im manichäischen Weltbild der medialen und politischen Eliten steht in der „Flüchtlingskrise“, die offiziell so benannt wird, obwohl der überwiegende Teil der täglich zu tausenden Ankommenden illegale Einwanderer sind, das „helle“ gegen das „dunkle Deutschland“, wie etwa Jakob Augstein in einer seiner letzten SPIEGEL-Kolumnen nochmals betonte. Derselbe Augstein, der einer engagierten Polizistin bei Maischberger in vollendeter Arroganz ihre täglich erlebte Realität politisch korrekt „wegerklärte.“ Tröstlich zu wissen, dass der Maulheld Augstein bei der ersten körperlichen Auseinandersetzung mit etwa weniger zimperlichen Migranten, schnell nach der Polizei rufen würde, nach Frauen wie Tania Kambouri, die sich dafür noch in einer Talkshow von einem Millionärssohn duzen lassen muss.
Aus Sicht von Leuten wie Augstein, Göring-Eckardt oder Hofreiter, ist jede kritische Einstellung zur schrankenlosen Einwanderung in Deutschland eine Art Krankheit, eine xenophobische Haltung, d.h. eine der Realität unangemessene Angst vor Fremden bzw. vor dem Fremdem allgemein. Verantwortlich dafür: mangelnde Bildung, Rassismus und primitive Atavismen, vor allem bei (weißen) „Männern mit Lehr- und Pflichtschulabschluss“, wie es in der ZEIT vor kurzem exemplarisch dazu hieß. Die moralisch erhöhende Haltung, alle, die sich nicht den weltoffenen Chargon des Juste Milieu angeeignet haben, als rassistisch zu denunzieren, ist selbst im besten Sinne sozialrassistisch zu nennen. Die Abscheu auf alles Ländliche, Provinzielle, den apolitischen Arbeiter, den „kleinen Mann“, die Abwertung der Praktiker vor Ort, Polizisten, Lehrerinnen, die Verachtung der Kneipe oder des Stammtisches – dieser Hass, der sich in einem aggressiven Antirassismus manifestiert, ist in Deutschland weit verbreitet. Man liebt den Fernsten und hasst den Nachbarn, der sich der verordneten Willkommenskultur verweigert, mit aller sonst nicht vorhandenen Leidenschaft.
II.
Die Idee des Multikulturalismus und die schrankenlose Bejahung der massenhaften Zuwanderung war von Anfang an, neben dem Interesse aus der Wirtschaft, ein Lieblingsprojekt linksgrüner Akademiker, die in der Regel weder mit den Neuankommenden beruflich, noch vom Wohnstandort her, in Konkurrenz oder Nachbarschaft treten. In der Regel wissen die gehobenen Mittelschichten nichts von der Lebenswirklichkeit derjenigen, denen sie reflexhaft Rassismus unterstellen, wenn sie von den Integrationsleistungen die sie täglich erbringen müssen, schlicht überfordert sind und dagegen aufbegehren. Wer Tür an Tür mit einer arabischen Großfamilie mit angeschlossenem Clan wohnt und über keinerlei finanzielle Mittel verfügt umzuziehen, hat in der Regel andere Alltagsprobleme als ein Heribert Prantl in seinem Münchner Nobelviertel. In der Leugnung der Probleme und der Diskreditierung der deutschen Unterschichten und der „vergifteten Mitte der Gesellschaft“ drückt sich ein Sozialrassismus aus, der von den Betroffenen immer deutlicher gespürt wird und aktuell wohl stärker als je zuvor zu ohnmächtiger Wut oder resignativer Apathie führt: Wie soll man etwa einem Hartz-IV Empfänger erklären, dass Asylanten, die weder die deutsche Sprache beherrschen, zum Teil Analphabeten sind und keinen Cent in die Sozialkassen bezahlt haben, faktisch mit Menschen gleichgestellt werden, die 20 oder 30 Jahre gearbeitet und unverschuldet arbeitslos geworden sind?
III.
Niemand spricht heute darüber, was der millionenfache Zustrom für diejenigen bedeutet, die die Integration der Neuankommenden in ihrem Lebensumfeld faktisch zu bewerkstelligen haben. Den Dauergeschichten sympathischer Flüchtlinge in den Leitmedien stehen keine Geschichten von verzweifelten Einheimischen gegenüber, deren Welt sich gegen ihren expliziten Willen verändert, die ihre Straße, ihr Dorf, ihre Stadt nicht mehr erkennen und ihr vertrautes Umfeld zunehmend als fremd wahrnehmen. Allein, wer eine solche Äußerung des Fremdseins, des Verlustes an Heimat, des Unwillens, die von außen erzwungenen Veränderungen zu begrüßen, von sich gibt, wird von den Tugendwächtern sofort als ewiggestrig denunziert und in den GEZ-Medien als Beispiel für den latenten Ausländerhass vorgeführt. Aber warum sollten die unmittelbar Betroffenen eine praktisch schrankenlose „Einwanderungsgesellschaft“ gut finden, die ihr Leben in einer Weise verändert, die niemals gewünscht wurde? Vielleicht war ihr Leben bis dato auch „bunt“ genug, vielleicht will man einfach nur so weiterleben wie bisher. Offensichtlich hat die Regierung aber beschlossen, dass es dieses Recht nicht (mehr) gibt. Vielmehr sind wir nun alle zwangsweise und bei Strafe moralischer Ächtung dazu verpflichtet, die ungeregelte Einwanderung als Chance und Bereicherung für uns zu begreifen. Denn es gilt: „wir“ packen das.
Dieselben Leute, die leidenschaftlich jeden Indianerstamm im Amazonasgebiet oder die Tibeter in China schützen wollen, lassen für die Bevölkerung ihres eigenen Land nichts davon gelten. Das Mantra lautet: der deutsche, resp. europäische Nationalismus, ist zu überwinden und die Schar der Hereinströmenden ist dabei hilfreich; der viel rabiatere und aggressive Nationalismus vieler Migranten (man denke nur an die Türkei) – ist dagegen Ausdruck ihrer kulturellen Eigenständigkeit und muss bewahrt werden. Der Sozialrassismus der „edlen Seelen“ (Kohlhammer) wirkt umso absurder, je lauter der „deutsche Spießer“, seine nationalen Ressentiments und seine Xenophobie beklagt werden. Dass ein großer Teil der täglich Ankommenden in ihren mentalen Grundhaltungen wesentlich reaktionärer sind, als der vielgeschmähte „Dunkeldeutsche“, könnte man zumindest ahnen. Ein unverstellter Blick auf die Situation in den Herkunftsländern der Einwanderer dürfte dabei genügen. Aber lieber hält man am Bild des tumben und engstirnigen Deutschen fest, der im Kontrast zum herzlichen und weltoffenen Afghanen oder Iraker steht, von dem wir alle lernen können. Dass die momentane Masseneinwanderung tribalistischer Kulturen Deutschland liberaler, demokratischer und friedlicher machen wird, kann nur jemand glauben der weit entfernt von allen Schnittpunkten sozialer Verwerfungen lebt oder seine Augen immer noch fest vor der Wirklichkeit verschließt. Es scheint aber, als würden die Nachhutgefechte schwächer, die Argumente pro Masseneinwanderung immer absurder, die Repräsentanten täglich lächerlicher, unfähig zu begreifen, dass die momentane Situation schon längst die Ausrufung des nationalen Katastrophenfalls auslösen müsste. Wie ich an anderer Stelle hier schon ausgeführt habe: alle nun rasch verabschiedeten Gesetze werden nichts daran ändern, dass wir uns von dem Land, in dem wir jahrzehntelang in stabilen und sicheren Verhältnissen gelebt haben, verabschieden werden müssen. Vertreter der Grünen haben diese Dynamik ja offiziell schon mehrfach begrüßt. Weder können 100.000e von illegalen Einwanderern abgeschoben werden, noch wird Deutschland mental in der Lage sein, seine Grenzen, wenn nötig mit Gewalt, zu schützen.
IV.
Das aktuell beklagte Erstarken sog. rechter oder populistischer Parteien in Ländern wie Schweden, Norwegen, Holland, Österreich oder Dänemark hat denn seinen Grund im Wesentlichen darin, dass die etablierten Parteien entweder keine Antworten auf die aktuellen Probleme der massenhaften Zuwanderung haben oder sich ängstlich wegducken, um ja nicht dem Vorwurf des Rassismus anheim zu fallen. Der Aufstieg der gerne als populistisch abgewerteten Parteien geht dabei nicht zufällig synchron mit einer schleichenden Auflösung der europäischen Nationalstaaten, deren Grundlage stets homogene Gesellschaften waren. Mit der Globalisierung und der Masseneinwanderung sind letztere im Verschwinden. An ihre Stelle treten – das hat der Pulitzer-Preisträger Arthur Schlesinger bereits 1991 in seinem Buch The Disuniting of America für die USA beschrieben – separierte ethnische und religiöse Gemeinschaften, die Solidarität nur noch innerhalb ihrer Gruppe kennen und das in vielen Fällen auch nie anders gekannt haben: eines der größten Hindernisse für die Integration von Zuwanderern aus traditionalen Gesellschaften, die im Staat und seinen Organen vielfach nur einen abstrakten Feind sehen, der lediglich für die Bezahlung von Sozialleistungen gut ist. Man kann sich vorstellen, was es bedeutet, wenn partikularistische Interessen von ethnischen/religiösen Gemeinschaften auf eine Gesellschaft treffen, die jeder lautstarken Minderheit, meist auf Druck linksgrüner Politiker und diverser Lobbys, vorauseilend Sonderrechte zuspricht.
Dass viele der deutschen Wähler und Wählerinnen sich nicht mehr von ihren politischen Repräsentanten vertreten fühlen und voraussichtlich bei der nächsten Möglichkeit Parteien wählen werden die von den staatstragenden Kritikern als „Protestparteien“ bezeichnet werden, ist evident. Wahlen in Demokratien haben auch den Sinn und Zweck gegen alternativlose Bündnisse zu votieren. Insofern müssten die von ihrer Regierung praktisch aufgegebene Bevölkerung, die nicht Teil der Willkommenskultur sein will und deswegen als „Dunkeldeutschland“ diffamiert wird, vollkommen autoritätsfixiert sein, würden sie immer noch Parteien, wie insbesondere die SPD wählen, die ihre Interessen längst einem anderen Klientel zugewandt hat.
Die Kosten der ungeregelten Zuwanderung, von ursprünglich zu Jahresanfang prognostizierten 200.000 Migranten, dann 400.000, schließlich 800.000, jetzt schon hinter vorgehaltener Hand auf 1,5 Millionen angewachsen, werden unweigerlich zu Steuererhöhungen, Sicherheits- und Verteilungsproblemen führen. Bürgerkriegsähnliche Zustände in Städten, ethnische Segregation, Gewaltverhältnisse und gesellschaftliche Polarisierungen sind mehr als wahrscheinlich. Die Augsteins, Roths und Prantls werden davon nicht berührt werden; die heute täglich von ihnen Diffamierten werden die massiven Veränderungen in ihren sowieso schon beschwerlichen Alltag integrieren müssen. Im Allgemeinen nennt man das „Verträge zu Lasten Dritter“.
Dr. Alexander Meschnig ist Psychologie, Politikwissenschafter und Publizist. Er lebt seit Anfang der 90er Jahre in Berlin.