Kategorie-Archiv: Psychokratie

An allem sind immer die anderen schuld.

An allem sind immer die anderen schuld.

„Scheitern, Versagen und psychische Erkrankung werden implizit allein dem Individuum zugeschrieben.“ Mitnichten! Es ist heute eher selbstverständlich, dass an allem immer andere schuld seien. Allen voran der Kapitalismus, die USA und Israel. Dann der Arbeitgeber und die Arbeit selbst. Der Partner. Die Mutter. Schweres Schicksal. Traumatisierung. Mobbing. Burn-Out. Von Selbstverantwortung keine Spur. Wer an Selbstverantwortung erinnern möchte, wird als ein Rechter, ein Nazi, ein Trump-Befürworter niedergeschrieen. Es lebe der Raubtiersozialismus!

Julian S. Bielicki, 60596 Frankfurt am Main

Scheitern, Versagen und psychische Erkrankung werden implizit allein dem Individuum zugeschrieben. Klagen über äußere Belastungen wie Mobbing, Armut, Ausbeutung werden infolgedessen selten als gesellschaftliche Ursachen ernst genommen.

Dr. phil. Michael Mehrgardt, Psychologischer Psychotherapeut

Dr. phil. Michael Mehrgardt, Psychologischer Psychotherapeut

Erschöpfung ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftspolitisch relevantes Phänomen, hat der Sozialpsychologe Heiner Keupp einmal gesagt. Daran möchte ich in der Hoffnung, dass nunmehr auch Psychotherapiekritik erlaubt und publikabel ist, anschließen. Meiner Ansicht nach wird das phänomenale Erleben des Patienten gehört und ernst genommen, soweit es Material für die Anwendung der eigenen Theorie liefert. Die Falsifikations-Immunisierung der psychotherapeutischen Methoden hat zur Konsequenz, dass Scheitern, Versagen und psychische Erkrankung implizit allein dem Individuum zugeschrieben werden (1). Klagen über äußere Belastungen wie Mobbing, Armut, Ausbeutung werden infolgedessen zwar als Auslöser psychischer Erkrankungen anerkannt, aber selten als solche, sprich als gesellschaftliche Ursachen ernst genommen. Keupp bemerkt, dass Lehrbücher der Psychotherapie nicht auf gesellschaftspolitische Krankheitsfaktoren eingehen. Klagen von Patienten werden eher als Beispiele fehlerhafter emotional-kognitiver Verarbeitung, dysfunktionaler Projektion oder ungelöster unbewusster Konflikte therapeutisch verwertet. Kann sich der Patient nicht so recht von diesen lösen, wird er auf sich selbst zurückgeworfen und der Ablenkung, Vermeidung oder Externalisierung bezichtigt: „Bleiben Sie bei sich! Was könnte das wohl mit Ihnen zu tun haben?“ Derartige therapeutische Interventionen transportieren Desinteresse an den Lebensbedingungen der Patientin. Nicht alle äußeren Belastungen lassen sich durch kognitive Korrekturen oder die Auflösung von Übertragungen einfach wegzaubern. Konstrukte wie Perfektionismus, Über-Engagement oder Bindungsproblematik lassen gesellschaftliche Faktoren verblassen und lasten Entstehung, Aufrechterhaltung und Beseitigung der Störung allein dem Patienten an. Die Patientin ist schuld, nicht Schichtdienst, Personalmangel und Gewinnmaximierung. Lässt der Patient sich darauf nicht ein, gibt es weitere „Mittel“, ihn in die Spur zu bringen, nämlich der dezente Hinweis auf das heimliche Wirken eines Widerstandes, auf mangelnde Behandlungsbereitschaft oder gar das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung.

„Psychotherapie ist zum gesellschaftlichen Bewahrer geworden, zum Aufpasser und Anpasser. Statt auf Hippokrates und Sokrates müsste sie sich heute auf Prokrustes berufen, indem sie ihre Patienten auf den ihnen zugewiesenen Platz zurechtstutzt. Ist Psychotherapie nicht inzwischen tatsächlich jene Geständniswissenschaft geworden, die Michel Foucault … beschwört?! Muss ihr nicht jene ‚Gesellschaftsvergessenheit‘ angekreidet werden, die Keupp beklagt …?“.

Noch vor 30 Jahren schaute „die“ Psychotherapie aus ihrer marginalen Perspektive auf gesellschaftliche Prozesse. Heute ist sie integriert, und damit ist ihr der Zahn des bissigen Korrektivs gezogen worden. Oft genug ist sie Teil des Problems. Gibt es noch emanzipatorische, revolutionäre Ansätze? Werden „… Symptome noch als Protuberanzen an der Oberfläche … einer tief in der Gesellschaft stattfindenden Verwesung von Mitmenschlichkeit verstanden? Wo werden Klienten zur Verrückung erstarrter gesellschaftlicher Prinzipien ermutigt? Wo gibt es therapeutisch-politische Perspektiven auf das individuelle Symptom als Widerspiegelung gesellschaftlicher Aporien?“ Psychotherapie ist ein gezähmter und zahnloser Tiger geworden. Sie beseitigt Störungen, begutachtet, scheidet zwischen gesund und krank. Sie ist Hüterin des Status quo. Sie blendet aus, dass der Patient mitunter krank werden muss, um kulturellen Paradoxien zu entgehen. Friedrich S. Perls hat die typische Situation einer Patientin einmal so beschrieben: Es sei neurotisch, in einer neurotischen Gesellschaft nicht neurotisch zu sein. „Khalil Gibran ist da viel weiser als wir Psychotherapeuten, wenn er den König seines durch den Genuss vergifteten Wassers verrückt gewordenen Volkes nunmehr auch aus dem kontaminierten Brunnen trinken lässt …“.

Die Generation der Psychotherapeuten, die Psychotherapie noch als emanzipatorisch kennen gelernt hat, stirbt aus. An ihre Stelle treten empirieverliebte und störungsfokussierte Psychotechniker.

1. Mehrgardt M.: Die therapeutische Unschärfe-Relation in: Gegenfurtner, N., und Fresser-Kuby, R. (Hg.): Emotionen im Fokus. Bergisch Gladbach: EHP-Verlag; 2007.

1. Mehrgardt M.: Die therapeutische Unschärfe-Relation in: Gegenfurtner, N., und Fresser-Kuby, R. (Hg.): Emotionen im Fokus. Bergisch Gladbach: EHP-Verlag; 2007.

Über Kreativität in der Wissenschaft

Vorweg bitte ich den Leser dieses Texts um Nachsicht, daß ich nicht nur irgendwo bereits Vorhandenes wiedergebe, sondern daß ich immerwieder meine eigenen Gedanken herbeispiele. Denn mein Gehirn ist zwar eine Art von Schwämmchen, es gibt aber nicht nur, was es als Schwämmchen aufgesaugt hat, sondern gibt wieder manches gänzlich Neues, dessen Ursprung unbekannt. „Ebensowenig wie man den physischen Zeugungsprozeß je ergründen wird, ebensowenig wird der Schleier von dem künstlerischen Zeugungsprozeß je fallen.“[1] Das gilt auch für mein Denken und meine wissenschaftliche, psychoanalytische Arbeit. Ich habe wegen dieses Phänomens Spezialisten aufgesucht, die jedoch keine Abhilfe verschaffen konnten. Es bleibt rätselhaft, woher in meinem Geiste Sachen vorkommen, die ich nicht erfahren habe. Jemand bot eine Vermutung an, daß die transzendentale Einheit der Apperzeption[2] das Mehr anliefert, was in meinem Kopf zu dem bereits Wahrgenommenen kommt. „Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt.“[3] Wie auch immer, es ist so, wie beschrieben und ich kann nichts dafür, das mache ich nicht absichtlich. Es denkt mich, würde mancher dazu sagen. Die Folgen sind für mich katastrophal, meine Berichte für Psychotherapie werden durch Gutachter-Barone der Psychotherpierichtlinien der Krankenkassen als nicht unterwürfig, nicht devot, also unerhört ungehört, herabgesetzt, abgelehnt. Es tut mir leid, ich bin außerstande Gesinnungsdeklamationen abzuliefern[4], wie die universitäre Anstalt es heute einfordert[5]. Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat, soll Albert Einstein gesagt haben. Lassen wir also darauf ankommen.[6]

Wissenschaft, Psychoanalyse ist kein mechanisches Spiel eines Methoden-Leierkastens, sondern eine lebendige, kreative Musik einer Violine.

 

[1] Liebermann, M. (1983). Die Phantasie in der Malerei. Berlin, Deutschland: Verlag Der Morgen. S.26

[2] „Die transzendentale oder reine Apperzeption ist das rein formale, ursprüngliche, stets identische Selbstbewußtsein, das alles Vorstellen und alle Begriffe begleitende und bedingende Bewußtsein des „Ich denke“, die Beziehung alles Vorstellbaren auf ein es befassendes, sich stets gleich bleibendes Bewußtsein (s. d.). Die „transzendentale Einheit“ der Apperzeption (im Unterschiede von der empirisch-subjektiven, psychologischen Einheit der Apperzeption) ist objektiv; sie ist die Urbedingung aller Erkenntnis, aller Beziehung von Arten auf Objekte, aller Synthese (s. d.), von Daten zur Einheit objektiver Erkenntnis, alles einheitlichen Zusammenhanges in einer Erfahrung überhaupt, aller „Natur“ (s. d.) und der allgemeinen Gesetze (s. d.) derselben.“ Eisler, R. Kant – Lexikon. Abgerufen 30. Dezember, 2016, von http://www.textlog.de/32210.html

[3] Hegel, G. W. F. (o.D.). Phänomenologie des Geistes. Abgerufen 30. Dezember, 2016, von https://www.marxists.org/deutsch/philosophie/hegel/phaenom/vorrede.htm

[4] Scruton, R. (o.D.). 1 Free Speech and Universities. Abgerufen 03. Januar, 2017, von http://www.roger-scruton.com/images/Free_Speech_and_Universities_2.pdf

[5]     Scruton, R. (2016, 11. Juni). Close-up of face with tape over mouth and cross drawn on it Universities‘ war against truth. Abgerufen 03. Januar, 2017, von http://life.spectator.co.uk/2016/06/universities-war-against-truth/

[6] Co&lumbus. (o.D.). LOGBÜCHER KREATIVITÄTSTRAINING. Abgerufen 30. Dezember, 2016, von http://www.coundlumbus.de/board-blog/36-kreativitaet/297-kreativitaet-ist-intelligenz-die-spass-hat-sagte-albert-einstein-kreativitaet-intelligenz-albert-einstein.html

Raubtiersozialismus: Schlaraffenland für die Sozial- und Psychoindustrie.

Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten boomt die Sozial- und Psychoindustrie. Chaoten, die ihre Wohnung demolieren, Schüler, die schwänzen: Alle erhalten grosszügige Unterstützung. Private bereichern sich in den Abgründen des Fürsorgestaats. Die Rechnung begleicht der Steuerzahler.

Von Philipp Gut

Der dreizehnjährige Junge türkischer Abstammung – nennen wir ihn Ali – besucht die sechste Primarklasse in einer Zürcher Gemeinde. «Wenn er in die Schule geht», schreibt der Sozialarbeiter, sei Ali «leistungsmässig ein äusserst guter Schüler», auch sein Verhalten habe nie Anlass zu Problemen gegeben. Wenn er in die Schule geht: denn Ali hat schon wiederholt mehrere Wochen geschwänzt, «aus unerklärlichen Gründen». Um ihn kümmert sich nun eine Armada von Beratern und Therapeuten: neben den Lehrern und der Schulpflege die Schulsozial­arbeiterin und der Sozialarbeiter der Gemeinde, der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst des Kantons, das kantonale Amt für ­Jugend- und Berufsberatung, das regionale ­Kinder- und Jugend­hilfezentrum et cetera. Doch es hilft nichts. Die staatlich besoldeten ­Sozialarbeiter weisen Ali schliesslich der «Fachstelle für aufsuchende sozialpädagogische Beratung Mehr Möglichkeiten» zu, die von ehemaligen Sozialarbeitern geführt wird, die sich selbständig gemacht haben.

Für «Schülersupport» und «Familienbegleitung» im Fall Ali kassiert die Einzelfirma über 50 000 Franken im Jahr.

Zahl der Angestellten verdoppelt

Wie der nicht öffentlichen Tarifordnung zu entnehmen ist, verlangt «Mehr Möglich­keiten» zwischen 120 und 180 Franken pro Stunde, hinzu kommen diverse Pauschalen: 60 Franken werden pro halbe Stunde Einsatz für «Fallführung» und «Vernetzungsarbeit» berechnet, 60 bis 90 Franken für die «Wegzeit», 300 Franken für das Erstgespräch («wenn es zu keinem Auftrag kommt»), eine «Stand-by»-Pauschale von 300 Franken ­(«Kapazitätsreservation», «ohne direkte Inter­ventionen») sowie zusätzliche Kosten für schriftliche Berichte und Vereinbarungen. Für Einsätze am Abend und an Wochenenden verlangt die Firma einen Zuschlag von 20 Prozent.

Das Beispiel ist typisch für eine boomende Branche, die nicht unter der Frankenstärke und sonstigen ökonomischen Widrigkeiten zu leiden hat: Neben den Behörden ist, meist eng mit ihnen verflochten, eine private Industrie entstanden, die von den ausufernden Sozialausgaben direkt profitiert. Wie viele solcher Firmen es in der Schweiz gibt und welche ­Umsätze sie erzielen, wissen nicht einmal die involvierten Verbände. Allein im Bereich der Arbeitsintegration – hier spricht man im engeren Sinn von «Sozialfirmen» – waren es gemäss der Schweiz am Sonntag schon vor zwei ­Jahren über 400. Tendenz steil steigend, in ­allen möglichen Bereichen.

Gemäss Beschäftigungsstatistik des Bundes gab es vor 25 Jahren rund 100 000 Stellen im Sozialbereich, heute sind es etwa doppelt so viele. Im selben Zeitraum wurden in der produzierenden Industrie über 170 000 Stellen abgebaut. Einen Hinweis auf das ­rasante Wachstum der ­Sozialbranche gibt die Asylorganisation Zürich (AOZ), die im «Migrations- und Integrationsbereich» tätig ist. Von 2011 bis ins erste Quartal 2016 hat sich ihr Personal­bestand von 400 auf über 900 Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Was gut für die Firmen und Organisationen ist, ist eine schlechte Nachricht für die Steuerzahler: Denn die Kosten trägt fast nie der Verursacher, sondern die Allgemeinheit. Die Weltwoche hat zahlreiche Fälle aus verschiedenen Gemeinden und Kantonen gesichtet. Man staunt.

Familienbegleitung – Unter diesem Stichwort erhalten Eltern Hilfe bei Erziehung und Haushaltführung. Ein Beispiel liefert eine Eritreerin, die in den Akten zuweilen als ­Angolanerin vermerkt ist und die wir Frau N. nennen wollen. Sie wohnt zusammen mit ihren beiden Söhnen und ihrer Tochter in ­einer Asylunterkunft. Sämtliche Identitäts­papiere hat die Familie vernichtet, weshalb alle – wie es häufig vorkommt – in den Akten mit dem Geburtsdatum 1. Januar geführt sind. Trotzdem bietet ihnen der Schweizer Staat jede denkbare Unterstützung. Frau N. kann auch nach Jahren kein Wort Deutsch, überdies ist sie Analphabetin. Die Familie hat einen Beistand, die Tochter wird in einer Spezialschule unterrichtet, dazu kommt noch ein «Fa­miliencoaching» durch die AOZ. Sechs Stunden pro Monat kosten 1320 Franken, so viel wie eine Wohnungsmiete. Die Hälfte des Betrags wird für «Nebenkosten/Wegpauschale» berechnet.

Zur Begründung der teuren «Massnahme» schreibt die zuständige Sozialarbeiterin, es gebe «Schwierigkeiten in der Erziehung» und ein «Missverhältnis der Machtverhältnisse innerhalb der Familie». Sprich: Die ­Bengel tanzen der Mutter auf der Nase herum. Verständnisvoll heisst es in einem «Zwischenbericht» des Familienbegleiters, die Mutter gebe sich sehr viel Mühe, den Alltag zu meistern. Aber: «Bedingt durch ihre Persönlichkeit, ihren kulturellen Hintergrund und Analphabetismus sind ihre Möglich­keiten bescheiden.» Der Familienbegleiter macht jedoch nicht etwa die Mutter für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich, nein: Er schiebt den Schwarzen Peter den Behörden zu. Die Situation in der Asylunterkunft sei «aufgrund des knappen Wohnraums unhaltbar», ein «normales» Familienleben nicht möglich. Zudem terrorisiere eine somalische Familie mit vier Kindern die Nachbarschaft. Gemäss Frau N. habe sie Feuer gelegt, andere Kinder beklaut, bedroht und geschlagen. ­Ultimativ fordert der Familienbegleiter, der selbst einen «Migrationshintergrund» und einen arabischen Namen hat: «Die Familie braucht eine richtige Wohnung.» Dasselbe fordert die ­Sozialarbeiterin des kantonalen Jugendamts.

Doch nicht nur ausländische Eltern werden ­dazu erzogen, wie man erziehen muss. Eine ­typische Klientin ist etwa Frau B., eine «Dorfschlampe», wie es sie ­gemäss Insidern in fast jeder Gemeinde gebe. Der rüde Begriff ­beschreibt alleinerziehende Mütter, die ­mehrere Kinder von verschiedenen Vätern haben. Die Durchsetzung elementarster ­Regeln – Ordnung, Sauberkeit, Mitarbeit im Haushalt, Zuverlässigkeit, Tagesstruktur, Umgang mit Medien – überfordere Frau B., schreibt die ­beteiligte kantonale Jugend­sozialarbeiterin. Sie brauche weiterhin eine sozialpädagogische Familienbegleitung samt Jugendcoaching. Kostenpunkt: 32 000 Franken pro Jahr.

Besuchsbegleitung – Hübsch Geld verdienen lässt sich auch mit «sozialpädagogischen Besuchsbegleitungen». Will heissen: Eine Fachperson ist dabei, wenn ein Elternteil, der nicht im gleichen Haushalt lebt wie das Kind und als irgendwie risikoreich eingestuft wird, dieses besucht. Nehmen wir das Beispiel von Kevin, einem fünfjährigen Philippiner. Die «sozialpädagogisch begleiteten» Treffen mit seinem Vater kosteten anfänglich gegen 36 000 Franken. Doch das genüge nicht, befand die Besuchsbegleiterin – worauf der Betrag auf über 40 000 Franken angehoben wurde. Die Kosten tragen die Steuerzahler. «Der Kindsvater ist auf Sozialhilfe angewiesen. Aus diesem Grund sind die ­Voraussetzungen für die Erhebung eines Elternbeitrags nicht gegeben», heisst es in den ­Akten. So ist es fast immer.

Fremdplatzierung – So richtig teuer sind Fremdplatzierungen von Kindern bei Pflegefamilien oder in Heimen. Für schockartiges Erstaunen sorgte in der kleinen Zürcher Gemeinde Hagenbuch der Fall einer eri­treischen Familie, die jährliche Kosten von rund einer halben Mil­lion Franken zu Lasten der Mitbürger produzierte, ein Viertel des gesamten Gemeindebudgets. Wie solch exorbitante Beträge entstehen, zeigt das Beispiel von Jeff. Der Jugendliche mit Jahrgang 1998 fand nach Ende der Schulzeit keine Lehrstelle und landete im «Zwischenlösungsprogramm Job Plus». Doch wegen untragbaren Verhaltens flog er dort raus. Auch an der nächsten Station, der Stiftung Berufslehr-Verbund Zürich (BVZ), scheiterte er. Er sei nicht vermittelbar. Dies, obwohl Jeff bereits verschiedene Hilfeleistungen wie ­einen Jugendcoach erhalten hatte. Das reiche nicht, befanden die Sozialarbeiter – und stellten den Antrag auf eine «ausserfamiliäre Platzierung und Betreuung» im sozialpädago­gischen Zentrum Gfellergut. Kosten pro Jahr: über 80 000 Franken.

Beträge in dieser Höhe sind durchaus die Regel. Der vorläufig auf­ge­nommene Somalier ­Mohammed, 16, der im Wohn- und Tageszentrum Heizenholz in der Stadt Zürich untergebracht ist, verursacht Kosten von gegen 90 000 Franken. Für den Aufenthalt der siebzehnjährigen Angolanerin Maria im Sonderschulheim Friedheim zahlt die Gemeinde jedes Jahr 108 000 Franken. Die Eltern lebten nur knapp über dem Anspruch auf Sozialhilfeleistungen, weshalb die Voraussetzungen für einen Elternbeitrag «nicht gegeben» seien.

Markt spielt nicht

Der Sozialindustrie bietet sich hier ein Feld für dicke Geschäfte. In den letzten Jahren seien private Vermittlungsfirmen – sogenannte Fremdplatzierungsorganisationen (FPO) – wie Pilze aus dem Boden geschossen, sagt ein Kenner der Szene, der selbst Pflegekinder aufnimmt. Die meisten würden von gewesenen Sozialarbeitern geführt. Das Geschäfts­modell ist einfach – und sorgt bei den Pflegefamilien für einigen Unmut: Die FPO verlangen pro Kind und Tag zwischen 180 und 300 Franken. Die Pflegeeltern erhalten davon aber nur etwa 80 oder 90 Franken, also weniger als die Hälfte, manchmal auch nur einen Drittel. Laut dem Fachverband Integras beträgt der Anteil der FPO an den Kosten sogar bis zu 70 Prozent. So verdienen die Vermittler an einem Kind, das sie gar nicht selbst betreuen, beherbergen und verpflegen müssen, locker 40 000 Franken jährlich.

Spielt hier nicht der freie Markt? Der zitierte Pflegevater winkt ab. Das Geschäft sei intransparent, und die FPO hätten die «Informations- und Berichtshoheit». Die neuen Strukturen verstärkten dies: Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) steht zuoberst in der Hierarchie; sie delegiert an die Beistände, und diese wiederum an die FPO. Letztere verfassen die Berichte, auf die sich dann alle stützen. Die Behörde könne die Aufsichtspflicht gar nicht mehr richtig wahrnehmen, und es könne zu Interessenkonflikten kommen. Denn im Zweifelsfall entschieden sich wohl viele Vermittler für den eigenen Profit – und nicht unbedingt für das vielzitierte Kindswohl. Wer verschenkt schon die beste Kuh im Stall?

Arbeits- und Ausländer­integration – Sie haben alle sinnige Namen: «Brückenangebot ­Trampolin», «Förderplatz Marktlücke», «Belastbarkeitstraining», «Jobtraining». Eine Unzahl von Sozialfirmen versucht Leuten, die nicht richtig arbeiten können oder wollen, das Arbeiten beizubringen oder es zumindest zu simulieren. Die Sozialen Dienste der Stadt Zürich etwa ­haben einen Rahmenvertrag mit der Firma Marktlücke GmbH abgeschlossen und weisen dieser regelmässig «Klienten» zu. Die Welt­woche hat den Vertrag studiert – das sind die Kosten: 300 Franken Aufnahmegebühr, 1080 Franken vom ersten bis zum sechsten Monat, dann 720 Franken und schliesslich in «Phase 3», wenn die Teilnehmer «eine Leistungs­fähigkeit von 50 Prozent» erreicht haben, 1440 Franken monatlich. Für «Nachbegleitung» sind nochmals 240 Franken zu überweisen.

Ein typischer Fall ist derjenige der iranischen Sozialhilfebezügerin Azada. Sie nahm zuerst am Programm «Basisbeschäftigung» der Stadt Zürich teil und wurde dann an die Marktlücke weitertransferiert. Dort arbeite sie zwar zuverlässig, heisst es in einem Zwischenbericht, doch reiche ihr Deutsch «bei weitem nicht aus», um einen nichtsubventionierten Job zu finden. Dies, obwohl Azada seit längerem auch einen Deutschkurs auf Kosten der Allgemeinheit belegt.

Die teuren Bemühungen fruchten oft wenig, auch dies zeigen die Akten: Wenn jemand von der Sozialhilfe abgelöst wird, dann selten, weil er es geschafft hat. Meist wandert er in ein anderes Sozialhilfesystem (IV, AHV) ab, oder er zieht in eine neue Gemeinde um, wo das Spiel von vorne beginnt.

Wohnungsvermittlung – Ein Heer von ­Sozialarbeitern kümmert sich um jedes Detail im Leben seiner Schäfchen. Dazu gehört beispielsweise auch die «Wohnraumsicherung». Was jeder normale, steuerzahlende Bürger selbst tun muss – nämlich bei Bedarf eine Wohnung für sich und seine Familie zu suchen –, das übernimmt der Staat, der wiederum Firmen oder Stiftungen bedient. «Hinführung zur Wohnfähigkeit nach Schweizer Standards», nennt sich das dann, oder «intensives Wohntraining». Dabei geht es um elementarste Verhaltensregeln, die offensichtlich vielen, vor allem ausländischen «Klienten» abgehen: «Einhalten der Hausordnung, regelmässiges Lüften, Reinigen der Wohnung, Umgang mit Geräten und Wohninfrastruktur, Verhinderung/Verminderung von Lärm- und Geruchs­emissionen, Umgang mit Hauswartung und Nachbarschaft, Vermitteln von Grundlagen zu Mieterrechten und -pflichten».

Die Sozialarbeiteroptik ist dabei völlig verdreht: Für sie sind nicht die häufig renitenten und unsauberen Bewohner, die in der Badewanne Feuer machen oder die Einrichtung auf andere Weise beschädigen, verantwortlich, sondern die Bösen sind die Vermieter, die den Wohnraum solcher Leute «gefährden». Für die «Zielgruppe» jener, denen eine Kündigung droht («Delogierungsprävention»), könnten die Gemeinden «einen separaten Auftrag erteilen», heisst es in einem Merkblatt der Zürcher Stiftung Domicil. Die Bürger berappen also auch die Sonderbetreuung von Schmutzfinken und Vandalen.

«Blindes Wachstum»

Alle diese Leistungen würde kaum jemand in Anspruch nehmen, wenn er dafür selbst bezahlen müsste. Hier liegt der ordnungspolitische Fehlanreiz der Sozialindustrie: Die Beteiligten – von den Sozialarbeitern über die Empfänger bis zu den privaten Profiteuren – haben nicht das geringste Interesse an einer Kostenreduk­tion. Jeder noch so kleine Schritt der «Klienten» wird «sozialpädagogisch» begleitet, es zahlen ja immer die andern. Auch deshalb schrauben sich die Sozialausgaben in astronomische Höhen.

Vereinzelte kritische Stimmen regen sich jetzt sogar innerhalb der Branche. Die Verschiebung der Arbeitsplätze von der Industrie in den Sozialbereich sei «mehr als eine sozialpolitische Herausforderung», sagt Lynn Blattmann, Geschäftsführerin des Fachverbands unternehmerisch geführter Sozialfirmen (FUGS) und Managerin der in der Arbeitsvermittlung tätigen Dock-Gruppe. Sie wehre sich seit Jahren «gegen blindes Wachstum im Sozialbereich». Im Fachverband arbeiteten sie daran, die Sozialunternehmen günstiger zu machen, da sie sonst bei der Sozialhilfe «zu Recht weggespart werden». Es ärgere sie, so Blattmann, dass «niemand über Kosten und Nutzen reden will». Die Gründe dafür sind offenkundig: Genauer ­hinzuschauen, würde vielen das Geschäft verderben.

DIE ENTSTEHUNG DER PSYCHOKRATIE AUS DEM SELBSTWIDERSPRUCH DER BUeRGERLICHEN GESELLSCHAFT

Initiative Sozialistisches Forum
Das Ende des Sozialismus, die Zukunft der Revolution, S. 179 –  203
Freiburg, ça ira Verlag 1990
ISBN 3-924627-17-7

DIE ENTSTEHUNG DER PSYCHOKRATIE AUS DEM SELBSTWIDERSPRUCH DER BUeRGERLICHEN GESELLSCHAFT
„Das Individuum ist substantiell und real; die Gesellschaft ist lediglich ein Bezugsgeflecht.“
Bhagwan Shree Rajneesh

„Der politische Staat verhaelt sich ebenso spiritualistisch zur buergerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde.“
Karl Marx

 

Die Dialektik kapitalistischer Vergesellschaftung, die den
Menschen als egoistischen Bourgeois und als an Vernunft und
wahrem Gemeinwohl interessierten Citoyen zugleich setzt, draengt
nach ihrer Selbstaufhebung. Die sich anbahnende repressive
Versoehnung von Gesellschaft und Staat, von Privatmann und
Staatsbuerger, zielt auf neue Unmittelbarkeit. Am Ende der
Emanzipation aus der Unterjochung durch Natur droht die nicht
weniger grausame Versklavung durch die zur zweiten Natur
werdende Gesellschaft. Die buergerliche Gesellschaft dementiert
das Versprechen ihres historischen Kampfes gegen den
Feudalismus, sie revidiert das Versprechen der Aufhebung von
Herrschaft durch den Verein freier Buerger: Nur das Ende
persoenlicher Willkuer soll gemeint gewesen sein. Fortschritt also
bedeutete Anonymisierung von Herrschaft, ihre Verwandlung in
‚Sachnotwendigkeiten‘ der gesellschaftlichen Reproduktion.
Herrschaft also wurde aufgehoben, um sie zu verewigen. Auch der
Tyrannenmord schafft keine Freiheit mehr, sondern nur den
Austausch des Herrschaftspersonals. Am Ende von ‚Gleichheit,
Freiheit, Bruederlichkeit‘ steht ein neuer Naturzustand.

Der begeisterte Skeptiker der buergerlichen Revolution, Jean-
Jacques Rousseau, hat frueh antizipiert, worin die Dialektik der
Selbsterhaltung, die den Ausbruch aus dem Naturgefaengnis
ermoeglichte, enden kann:

„Der immer rege Buerger schwitzt, hastet und quaelt sich auf der
Suche nach immer muehsameren Beschaeftigungen unaufhoerlich. Bis zu
Tode arbeitet er, ja er rennt ihm sogar entgegen, nur um sein
Leben bestreiten zu koennen, oder er verzichtet auf das Leben, um
die Unsterblichkeit zu erlangen.“1

Anstelle des guten Lebens, das Arbeit ermoeglichen sollte, tritt
endlose Arbeit noch ohne Hoffnung auf Heimzahlung durchs
jenseits; anstatt Luxus und Genuss zu verallgemeinern, zerstoert
die losgelassene Produktion die Faehigkeit, Genuss und Barbarei zu
unterscheiden: Selbsterhaltung ohne Selbst verwandelt die
Menschen in lebende Leichname, die die Funktionsstellen des
produktiven Apparates nur bekleiden, nicht aber diesen
bestimmen. Die prinzipielle Ueberfluessigkeit der Einzelnen fuers
Resultat der Produktion laesst unter ihnen das Recht des Staerkeren
wiederauferstehen: Hier ist alles auf das alleinige Recht des
Staerkeren zurueckgeworfen und folglich auf einen neuen
Naturzustand, aber ganz verschieden von dem, mit dem wir
begonnen haben. „Die buergerliche Gesellschaft realisiert
wirkliche Freiheit“, schreibt Rousseau, aber nur als negative:
,Hier werden alle Einzelnen wieder gleich, weil sie nichts
sind.2

Repressive Gleichheit hebt den Unterschied zwischen Privatmann
und Staatsbuerger auf in eine Gleichschaltung, die deren
Verhaeltnis nicht nur umkehrt, sondern es ueberschreitet: „Statt
dass die Subjekte sich in der allgemeinen Angelegenheit
vergegenstaendlichen“, so hatte Marx das Staatsrecht Hegels
kritisiert, „laesst Hegel die allgemeine Angelegenheit ‚zum
Subjekt‘ kommen. Die Subjekte beduerfen nicht der ‚allgemeinen
Angelegenheit‘ als ihrer wahren Angelegenheit, sondern die
allgemeine Angelegenheit bedarf der Subjekte zu ihrer formellen
Existenz.“3 Der Staat ist dem Verein der freien Buerger nicht
Mittel zum Zweck des guten Lebens, sondern der Staatszweck, wie
er von der Staatsbuerokratie formuliert wird, bedarf der Buerger
als seines Mittels, seine Plaene aus der Amtsstube in die
Wirklichkeit zu setzen. Damit ist der Staatsbuerger der lebendige
Agent – die empirische Existenz der Staatsidee. Sie stellt
Wahrheit und Allgemeinheit formell dar und degradiert das
Individuum materiell auf das belebte Instrument, das den
Staatszweck praktisch werden laesst. Was Marx an Hegel
kritisierte, das realisiert sich in der unmittelbaren und
praktischen Setzung unwahrer Allgemeinheit: Identitaet von
Gesellschaft und Individuum. Die Nicht-Identitaet des Menschen
mit sich selbst, wie sie in der Trennung von Bourgeois und
Citoyen als Chance zur Emanzipation von Natur sich ausdrueckte,
findet ihre Aufloesung in der Identitaet von Privatmann und
Staatsbuerger: Als bornierter und egoistischer einzelner ist der
Mensch zugleich schon die gelungene Verkoerperung allgemeiner
Vernunft – die nur den Mangel an sich hat, eine bloss
instrumentelle, kapitalistische Vernunft zu sein. Das
vereinzelte Individuum, das reine Subjekt der Selbsterhaltung,
verkoerpert, im absoluten Gegensatz zur Gesellschaft, deren
innerstes Prinzip.“4

Der Selbstwiderspruch der buergerlichen Gesellschaft ist
gedoppelt; er prozessiert auf oekonomischem wie politischem
Terrain und hebt in seiner Entwicklung die Vermittlungen von
Politik und Oekonomie, von Individuum und Gesellschaft in neuer
Unmittelbarkeit auf. Neue Unmittelbarkeit als Identitaet von
kapitalistischer Produktion und buergerlicher Gesellschaft setzt
das Kapital als das „reelle Gemeinwesen“5. Wie das Kapital die
gesellschaftliche Arbeit als die abstrakte Moeglichkeit der
Freiheit setzt, so die Republik das Gemeinwesen als die
abstrakte Moeglichkeit der freien Assoziation. Wie die
historischen Bedingungen, unter denen das Kapital
emanzipatorischen Gebrauchswert – und nicht nur konsumierbare
Produkte – setzt, historisch vergaenglich sind, so sind es auch
die Bedingungen, unter denen die buergerliche Republik den
Menschen als einen solchen – und nicht nur als den Agenten
selbstloser Selbsterhaltung -ermoeglicht haben.

Vor dem Ende der buergerlichen Schizophrenie

Wie auf oekonomischer Ebene am Beginn kapitalistischer
Vergesellschaftung der Doppelcharakter der Arbeit darin besteht,
einerseits die Produktion konkret nuetzlicher Gebrauchswerte zu
sein, deren stoffliche Qualitaet naturverbunden ist, andererseits
Produktion von Waren als Verkoerperung des abstrakten Werts und
Mittel der Realisierung des Profits, so besteht auf politischer
Ebene der Doppelcharakter des Menschen darin, einerseits belebte
Natur zu sein, Bourgeois, der die Gesetze der Warennatur als
seinen Naturinstinkt exekutiert6, und andererseits Staatsbuerger,
Citoyen, dessen privates Handeln dem Gesetz allgemeiner
Wohlfahrt genuegen soll. Als Staatsbuerger und Person ist er das
Produkt des Rechtes, das ihn nach Massgabe der formellen
Gleichheit aller im Recht zum politischen Subjekt der
Souveraenitaet erhebt, wie ihn zugleich die Herrschaft des
Warentausches nach Massgabe der materiellen Gleichschaltung aller
vor dem Tauschwert zum lebendigen Anhaengsel und Subaltern der
kapitalistischen Produktion erniedrigt.

Vor dem Uebergang des Kapitals von der formellen zur reellen
Subsumtion der gesellschaftlichen Produktion unter die endlose
Selbstverwertung des Werts kann der Doppelcharakter des Menschen
homolog zu dem der Arbeit und der Ware gedacht werden: Das
Humane ist die eigentliche Substanz der Staatsbuergerlichkeit,
wie die praktische Reduktion des Menschen auf den egoistischen
Bourgeois nur die pervertierte Form des Humanen darstellt, die
es annimmt, um den Menschen aus der Verfallenheit an Natur zu
befreien. Die abstrakte Staatsbuergerlichkeit stellt einen
Begriff objektiver Moeglichkeit von Emanzipation dar, bedeutet
sie doch die Befreiung aus jenen Formen naturwuechsiger
Gemeinschaft, die nur den ebenso sturen wie stummen Naturzwang
in die menschliche Gesellschaft hinein verlaengern. Mit der
Verwandlung der Familienmitglieder, Leibeigenen und Hoerigen in
Staatsbuerger ist die freie Assoziation der Produzenten als eine
historische, durch sozialistische Revolution nur zu nutzende
Chance einer anders als nur formellen Freiheit gesetzt. Die
Setzung der Warenbesitzer als Rechtspersonen stellt die gegen
den konkreten Willen der Individuen erzwungene Humanisierung
ihres wechselseitigen Bezuges dar.

„Obwohl das Individuum A Beduerfnis fuehlt nach der Ware des
Individuums B, bemaechtigt es sich derselben nicht mit Gewalt,
noch vice versa, sondern sie erkennen sich wechselseitig an als
Eigentuemer, als Personen, deren Willen ihre Waren durchdringt.
Danach kommt hier zunaechst das juristische Moment der Person
herein und der Freiheit, soweit sie daran enthalten ist.“7

Im rechtlich geregelten Tausch erscheint die Freiheit abstrakt
enthalten, denn die Individuen degradieren einander zwar auf die
Mittel ihrer Selbsterhaltung, erkennen dadurch jedoch implizit
an, dass die eigene Selbsterhaltung nur als die des anderen
zugleich moeglich ist:

„Das heisst, das gemeinschaftliche Interesse, was als Motiv des
Gesamtaktes erscheint, ist zwar als fact von beiden Seiten
anerkannt, aber als solches ist es nicht Motiv, sondern geht
sozusagen nur hinter dem Ruecken der in sich selbst reflektierten
Sonderinteressen, dem Einzelinteresse im Gegensatz zu dem des
anderen vor.“8

Zwar stellt das allgemeine Interesse nur die ‚Allgemeinheit der
selbstsuechtigen Interessen9 dar, aber als ein allgemeines ist es
zugleich abstrakte Moeglichkeit konkreter Aneignung des humanen
Interesses.

Der politische Doppelcharakter des Menschen drueckt sich in der
Schwierigkeit des klassischen buergerlichen Staatsrechts aus,
seine gleichzeitige Existenz als Souveraen und Subjekt des
Staates einerseits, als subalternes Objekt der Staatsbuerokratie
andererseits zu begreifen, ohne auf das Fundament dieses
Widerspruchs zu rekurrieren. So weist etwa der fuehrende
buergerlich-demokratische Staatsrechtler des wilhelminischen
Deutschland, Georg Jellinek, der Versammlung der Menschen im
Staat „eine doppelte Funktion“ zu, sofern der Staat die Form der
demokratischen Republik annimmt:

„Das Volk gehoert dem Staate als dem Subjekt der Staatsgewalt an,
wir nennen es ( … ) das Volk in seiner subjektiven Qualitaet.
Sodann aber ist das Volk in andrer Eigenschaft Gegenstand
staatlicher Taetigkeit, Volk als Objekt.“10

Das Volk ist Subjekt und Objekt in unmittelbarer Identitaet; wie
es in seiner Eigenschaft als Souveraen aus freiwillig
„Koordinierten“ besteht, so aus „Subordinierten“ unter dem
Blickwinkel der Staatsgewalt. „Der Staat ist zugleich
genossenschaftlicher wie herrschaftlicher Verband“, schreibt
Jellinek und erklaert sich diese Ambivalenz nach dem Muster
zeitlich beschraenkter Delegation, aus der praktischen
Unmoeglichkeit der Verwandlung der Gesamtgesellschaft in ein
Parlament in Permanenz. Der Versuch, die Identitaet auch
materiell zu fundieren und politische Herrschaft als Ausdruck
freiwilliger Selbstbeherrschung der Souveraene durch sich selber
auszulegen, scheitert, und die buergerliche Staatsrechtslehre
vermag das Volk als den Souveraen nur in der juristischen Sekunde
des Wahlaktes als wirklichen Souveraen zu fingieren. Die
Souveraenitaet dauert nicht laenger als das Einwerfen des
Wahlzettels in Anspruch nimmt.

Die Unentschiedenheit des klassischen buergerlichen Staatsrechts
vorm Problem der Republik reflektiert, dass das Recht neben der
funktionalen Garantie des freien und gerechten Tausches als der
Form, die die kapitalistische Ausbeutung und Mehrwertproduktion
notwendig annimmt11, auch Momente des emanzipierten
Gattungswesens enthaelt. Nur daher kann Marx es zur konkreten
Utopie erklaeren, dass „der wirkliche individuelle Mensch den
abstrakten Staatsbuerger in sich zuruecknimmt“12, um sich die nur
abstrakte Freiheit auch konkret anzueignen. Die nur politische
Emanzipation, die es allen Menschen, dem Millionaer wie dem
Bettler, verwehrt, winters in geheizten oeffentlichen
Bibliotheken zu naechtigen, besitzt – virtuell – einen
emanzipativen Aspekt. Das Leiden als eines an der Gesellschaft
ist, anders als das unter Natur, aufhebbar: Die Vermittlungen
sind der potentielle Hebel dieser Aufhebung. Als die „Reduktion
des Menschen einerseits auf das Mitglied der buergerlichen
Gesellschaft, auf das egoistische, unabhaengige Individuum,
andererseits auf den Staatsbuerger, auf die moralische Person“13
demonstriert die Republik den Selbstwiderspruch des Menschen
unter der Herrschaft des Kapitals, eine menschliche Substanz
zwar zu besitzen, aber nur als gesellschaftliche Moeglichkeit;
der Konkurrent zu sein, aber nur als seine historisch
vergaengliche Form.

Die Republik verabsolutiert diesen Widerspruch ins aeusserste
Extrem. Sie ermoeglicht die politische Herrschaft des Kapitals
nur unter der Bedingung des allgemeinen Wahlrechts und“zwaengt
ihre politische Herrschaft in demokratische Bedingungen, die
jeden Augenblick den feindlichen Klassen zum Sieg verhelfen und
die Grundlagen der buergerlichen Gesellschaft selbst in Frage
stellen. Von den einen verlangt sie, dass sie von der politischen
Emanzipation nicht zur sozialen fort-, von den anderen, dass sie
von der sozialen Restauration nicht zur politischen
zurueckgehen“14,

ein Selbstwiderspruch der Republik, der nur drei Loesungen
zulaesst: Diktatur einer charismatischen Persoenlichkeit als das
Resultat der Klassenkaempfe in Frankreich nach 1848 oder der in
Deutschland vor 1933 einerseits, Herrschaft der in den Raeten der
‚Commune‘ von 1871 zur wirklichen Selbstverwaltung
radikalisierten Souveraenitaet der Produzenten andererseits. Als
dritte Loesung und perverse Vermittlung von Diktatur und
Selbstverwaltung erweist sich der moderne kapitalistische Staat:
Er bricht mit dem Liberalismus, dessen politisches Wesen in der
Verweigerung des Wahlrechts fuer die eigentumslosen Massen
bestand und realisiert das allgemeine Wahlrecht, aber nur, um
die durch das allgemeine Wahlrecht gesetzte Emanzipation des
Staates von unkalkulierbarer, durch die Willkuer konkreter
Personen bezeichneter Gewalt als Anonymisierung der Gewalt neu
zu organisieren. Und er bricht zugleich dem Wunsch nach
Selbstverwaltung den Stachel, indem er Anonymitaet und
Subjektlosigkeit von Herrschaft als ihre gaenzliche Abwesenheit
erscheinen laesst. Das Verschwinden der Herrschaft im modernen
kapitalistischen Staat, der doch zugleich zum Zwecke der
Souveraenitaet nach aussen und innen, fuer Krieg und Buergerkrieg,
ueber das Monopol der bewaffneten Gewalt verfuegt, ist die
Geschichte der Hegemonie, der Wattierung der Gewalt durch die
spontane Zustimmung der Subalternen und Ausgebeuteten, an deren
logischem Ende die Psychokratie als freiwillige Selbstverwaltung
der Ausbeutung durch die Ausgebeuteten steht. Der moderne
kapitalistische Staat ist, als „integrater Staat“ (Antonio
Gramsci)15, die Versoehnung von Hegemonie und Gewalt, von
spontanem Konsens und imperativischer Anordnung. Er ist dies
seinem logischen Begriffe nach: Die konkrete Utopie
kapitalistischer Herrschaft zielt auf den nur mehr
gelegentlichen symbolischen Gebrauch zu paedagogischen Zwecken.
Die manifeste Gewalt ersetzt sich durch die Mikrophysik der
Macht, die Buendelung von Konsenstechnologie und sanftem Zwang,
die den Subalternen noch das Bewusstsein eines Unterschiedes
zwischen ‚denen da oben – wir hier unten‘ austreiben moechte.
Herrschaft wird ueber der Gesellschaft zerstaeubt, delegiert und
saeuberlich unterteilt. Am Ende loest sie sich auf in das in
Permanenz tagende Parlament von 60 Millionen souveraenen und
absoluten deutschen Monarchen: Die Zerstoerung der
Duodezfuerstentuemer durch die franzoesische Revolution waere mehr
als nur umsonst gewesen. Der Liberalismus, dem sich schon stets
die privaten Laster wie von selbst zum allgemeinen Nutzen
addierten, haette sich gesellschaftlich bewahrheitet. Es stimmte
dann, was sich der Kulturkonservativismus nur erhofft:

„Die Gesellschaft wird mehr und mehr zu einem Gedankennetz, zu
einer Art Phantasiebild, das wir als gesellschaftliche
Konstruktion zu verwirklichen trachten.“16

Dieser Zustand vollendeter Hegemonie gleicht, als die von den
Subalternen wirklich geglaubte und als negative auch wirklich
vorhandene Identitaet des materiellen Interesses mit seiner
politischen Vertretung, einer Karikatur des Kommunismus,
zumindest seiner rohen, staatskapitalistischen Erscheinungsform.
Wird doch im rohen Kommunismus die Gleichheit aller vor der
Arbeit ebenso abstrakt gesetzt wie in der buergerlichen Republik
die Gleichheit aller vor dem Gesetz. „Die Bestimmung des
Arbeiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen
ausgedehnt“, und der staatskapitalistische Kommunismus ist so
nicht die Aufhebung, sondern die „Verallgemeinerung und
Vollendung“ des Privateigentums:

„Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und der
Gleichheit des Salairs, den das gemeinschaftliche Kapital, die
Gemeinschaft als der allgemeine Kapitalist, auszahlt.“17

Die staatskapitalistische Karikatur auf den Kommunismus gleicht
dem privatkapi listischen Original so sehr, dass die Menschen zu
Recht die Muehe scheuen, das Original gegen die Karikatur
einzutauschen. Hegemonie verlaengert die juristische Sekunde der
fingierten Souveraenitaet der Subalternen zur gesellschaftlichen
Ewigkeit und schafft der Fiktion ein materielles Fundament. Wo
eine Fiktion zur sozialen Wirklichkeit wird, da kann es anders
als okkult gar nicht hergehen.

„Eine Menge von vernuenftigen Wesen, die insgesamt allgemeine
Gesetze fuer ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber im
Geheimen sich davon auszunehmen bereit ist, so zu ordnen und
ihre Verfassung einzurichten, dass, obgleich sie in ihren
Privatgesinnungen einander entgegenstreben, diese einander doch
so aufhalten, dass in ihrem oeffentlichen Verhalten der Erfolg
eben derselbe ist, als ob sie keine solchen boesen Gesinnungen
haetten“,

das erachtete Immanuel Kant als die Hauptleistung jener
wundertaetigen „unsichtbaren Hand“, die „selbst einem Volk von
Teufeln“ den Effekt der privaten Laster und Egoismen zum
allgemeinen Nutzen ordnen koenne.18 Die Metaphysik des ‚Als ob‘
wird hegemonial zur Sozialtechnologie des sozialen Okkultismus
umgeschmolzen; der „Spiritualismus des Staates“ erhebt die
„wirkliche Geistlosigkeit des Staates zum kategorischen
Imperativ“19. Die Unterstellung, ein jedes Mitglied der
buergerlichen Gesellschaft habe (ex post) so gehandelt, „als ob“
sein Handeln aus einem allgemeinen Gesetz (ex ante) bestimmt
worden sei, wird zur Realitaet im gleichen Masse, in dem die
gesellschaftliche Synthesis nicht mehr im Nachhinein, d. h. im
Austausch der privat erzeugten Produkte auf dem Markt sich
herstellt (formelle Subsumtion), sondern bereits in den
unmittelbaren Produktionsprozess eingeht (reelle Subsumtion)20.
Der Okkultismus des ‚Als ob‘ wiederholt nur auf der politischen
Ebene, was in der Oekonomie schon geschah: Die Materialisterung
eines ganz und gar unsinnlichen, abstrakten und unempirischen
sozialen Verhaeltnisses in einem empirischen, sinnlich
erfahrbaren und konkreten Gegenstand, im Geld, einem
merkwuerdigen „sinnlich-uebersinnlichen Ding“21. Das politische
Verhaeltnis, das die Subalternen als die wirklichen Souveraene und
Subjekte des Staates glaubhaft fingiert, ist dem oekonomischen,
das die Produktion der Tauschwerte zur unmittelbar
gesellschaftlichen Produktion werden laesst, homolog und ist daher
selber nur in spirituell-okkulten Begriffen noch fassbar. Was
hier geschieht, ist einerseits so voellig unvernuenftig und
andererseits so handgreiflich wirklich, dass der Kopf dies zu
Recht nicht fassen mag.

Ein laengeres Zitat aus der Marxschen „Kritik des Hegelschen
Staatsrechtes“ sei gestattet, um die Implikationen dieses
Verhaeltnisses realer Abstraktion, die durch Paraphrase an
Schaerfe und Klarheit nur verlieren koennten, aufzuzeigen. Marx
geht von eben der Frage aus, die Immanuel Kant mit der
‚unsichtbaren Hand‘ beantwortete: Wie kann das konkrete
Individuum den abstrakten Standpunkt der Staatsbuergerlichkeit
erlangen? Nur durch eben jene im Resultat negativer
Vergesellschaftung praktisch gewordene atheistische Theologie
der unsichtbaren Hand, die im Vergleich mit dem Aberglauben ans
juengste Gericht den schoenen Vorteil hat, ihren Gottesbeweis
tagtaeglich fuehren zu koennen:

„Dieser politische Akt ist eine voellige Transsubstantion. In ihm
muss sich die buergerliche Gesellschaft voellig von sich als
buergerliche Gesellschaft, als Privatstand lossagen, eine Partie
seines Wesens geltend machen, die mit der wirklichen
buergerlichen Existenz seines Wesens nicht nur keine Gemeinschaft
hat, sondern ihr direkt gegenuebersteht. Am Einzelnen erscheint
hier, was das allgemeine Gesetz ist. Buergerliche Gesellschaft
und Staat sind getrennt. Also ist auch der Staatsbuerger und der
Buerger, das Mitglied der buergerlichen Gesellschaft getrennt. Er
muss also eine wesentliche Diremption mit sich selbst vornehmen.
( … ) Um also als wirklicher Staatsbuerger sich zu verhalten (
… ), muss er aus seiner buergerlichen Wirksamkeit heraustreten,
von ihr abstrahieren, von dieser ganzen Organisation in seine
Individualitaet sich zurueckziehen; denn die einzige Existenz, die
er fuer sein Staatsbuergertum findet, ist seine pure, blanke
Individualitaet, denn die Existenz des Staates als Regierung ist
ohne ihn fertig und seine Existenz in der buergerlichen
Gesellschaft ist ohne den Staat fertig. Nur im Widerspruch mit
diesen einzig vorhandenen Gemeinschaften, nur als Individuum,
kann er Staatsbuerger sein. ( … ) (Daher) muss seine wirkliche
Organisation, das wirkliche buergerliche Leben, als
nichtvorhanden gesetzt werden. ( … ) Die Trennung der
buergerlichen Gesellschaft und des politischen Staates erscheint
notwendig als eine Trennung des politischen Buergers, des
Staatsbuergers, von der buergerlichen Gesellschaft, von seiner
eigenen wirklichen, empirischen Wirklichkeit, denn als
Staatsidealist ist er ein ganz anderes von seiner Wirklichkeit
verschiedenes, unterschiedenes, entgegengesetztes Wesen. ( … )
Der Buerger muss seinen Stand, die buergerliche Gesellschaft, den
Phivatstand, von sich abtun, um zu der politischen Bedeutung und
Wirksamkeit zu kommen; denn eben dieser Stand steht zwischen dem
Individuum und dem politischen Staat.“22

Damit der Mensch als Mitglied der buergerlichen Gesellschaft zum
Faktor werden kann, der politisch zaehlt und sich zu Wahlstimmen,
zu Mehrheit und Minderheit addieren kann, muss er sein soziales
Alltagsleben als nichtig erachten und zum Staatsidealisten
werden, indem er von seiner ‚gemeinschaftlichen Existenz‘
praktisch abstrahiert. Wie auf oekonomischer Ebene der
Doppelcharakter der Arbeit aufgehoben und der Produzent aus dem
Co-Subjekt der Produktion, das er in der Manufaktur und den
fruehen Stadien der Mechanisierung der Produktion noch ist, zu
einem lebendigen Anhaengsel der Maschinerie – der Objektivierung
des Werts in der unmittelbaren Produktion degradiert wird, so
auch auf der politischen Ebene: Der politische Akt, mittels
dessen nur das Individuum den Standpunkt gesellschaftlicher
Allgemeinheit erreichen kann und den Marx in objektiver
Ermangelung eines vernuenftigen Begriffes fuer ein unvernuenftiges
Verhaeltnis mit einem theologischen ‚Begriff‘ belegt, ist eine
Realabstraktion par excellence. Als die im religioesen Messopfer
sich okkult vollziehende Verwandlung der Substanz von Brot und
Wein in Leib und Blut des Herrn Jesu Christ bezeichnet die
‚Transsubstantion‘ die durchgefuehrte Einheit des Alltaeglichen
mit dem Spirituellen mit dem Unterschied nur, dass das
Spirituelle in der politischen Realabstraktion auch Wirklichkeit
besitzt. Es zeigt sich hierin, dass alle Kritik bei der Kritik
der Theologie nicht nur beginnt, sondern, im Zustand der zur
zweiten Natur mutierenden Gesellschaft, dort auch endet.

Die Realabstraktion, die der Staatsbuerger an sich selbst als
einem Menschen und Mitglied der Gesellschaft vornimmt, weitet
sich ueber den unmittelbaren Akt der demokratischen Wahl hinaus
auf das Alltagsleben aus und schiesst zurueck in den Grund, aus
dem ihre Notwendigkeit entstand. Der Buerger bedurfte des Staates
als des ideellen Gesamtkapitalisten, weil anders als mittels
einer zwischen den einzelkapitalistischen Interessen
vermittelnden und also (systemimmanent) neutralen
Schiedsrichterinstanz die allgemeinen Reproduktionsbedingungen
des Kapitalismus als der Form gesellschaftlicher Produktion
nicht herzustellen waren. Er musste von seinem besonderen
Geschaeftsinteresse absehen lernen, um sein allgemeines Interesse
an der Einhaltung der Geschaeftsordnung durchzusetzen; es musste
ihm im eigenen Interesse beigebracht werden, dass der Weg zur
Vergoldung der eigenen Nase auch ueber die Konjunktur des
Konkurrenten verlaeuft. Aus der blossen Form gesellschaftlicher
Produktion wird nach der Eigenlogik der Realabstraktion nun ihr
Inhalt, und das Kapital uebersetzt sich in das reelle
Gemeinwesen, das einen Unterschied zwischen dem allgemeinen und
dem besonderen Interesse nicht mehr zulassen mag. Was im
Unterschied zwischen der sozialen und der politischen Herrschaft
des Buergertums – ein Unterschied, der den Buerger den 18.
Brumaire 1850 und den 30. Januar 1933 praechtig ueberleben liess –
angelegt war, das radikallsiert sich in der demokratischen
Republik: Der Buerger verliert die Herrschaft im eigenen Haus und
wird zum Anachronismus, zum Neandertaler seiner eigenen
Oekonomie. Dem Verlust der politischen Herrschaft, die durchs
Zensuswahlrecht garantiert war, folgt der Verlust seiner
sozialen Herrschaft auf dem Fusse. Das Kapital emanzipiert sich
von seinem Eigentuemer, organisiert sich als Aktiengesellschaft
und degradiert den selbstherrlichen Kapitalisten der
Gruenderjahre zum muessigen Rentner und fuer den Gedeih von Zins und
Zinseszins ueberfluessigen Lebemann. Das Buergertum stirbt den
sozialen Tod und verschwindet im gleichen Masse, in dem das
Kapital seinen Geburtshelfer fuer ueberfluessig erklaert.23 Dem
korrespondiert die negative Aufhebung der Arbeiterklasse: Wo der
Geburtshelfer ueberfluessig geworden ist, da herrscht das ewige
Leben, und die Totengraeber, die sich das Kapital in der Analyse
des „Kommunistischen Manifests“ in Gestalt des Proletariats noch
selber erzeugen sollte, werden selbst zu Toten auf Urlaub, deren
gesellschaftliche Ueberfluessigkeit im Prinzip schon feststeht und
die sich einstweilen noch an Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder
anderen, nur wenig groesseren Zuwendungen in Form von Lohn und
Gehalt delektieren duerfen.

Die Atornisierung der Individuen, die die Realabstraktion auf
dem politischen Feld hervorbringt und die im Vergleich zur
naturwuechsigen Familie und zur doerflichen Gemeinschaft einen
ungedeckten Wechsel auf die zukuenftige Freiheit bedeutete, endet
in der Gesellschaft als einer Gummizelle, in der die Individuen
wie die Atome im Reaktor herumgewirbelt werden, heillos
miteinander kollidieren und dadurch die zum Betrieb der Zelle
noetige Energie erzeugen. Inmitten der unaufhebbar werdenden
Unfreiheit scheint die durchgefuehrte Freiheit zu herrschen. Das
Menschenbild, das die diversen ‚humanistischen‘
Therapietechniken den Individuen einblaeuen wollen, ist der
Reflex der sich anbahnenden voelligen Fundierung von Herrschaft
in menschlicher Spontaneitaet. Dem gilt das pseudoreligioese Credo
des Erfinders der Gestalttherapie, Fritz Perls:

„Ich tu, was ich tu; und du tust, was du tust. Ich bin nicht auf
dieser Welt, um nach deinen Erwartungen zu leben. Und du bist
nicht auf dieser Welt, um nach meinen zu leben. Du bist du, und
ich bin ich. Und wenn wir uns zufaellig finden – wunderbar. Wenn
nicht, kann man auch nichts machen.“24

Freiheit als Zufall, Liebe als blinder Zusammenstoss,
Spontaneitaet als entobjektivierte Zusammenhangslosigkeit – der
Selbstwiderspruch, der den Buerger einerseits „ordentlicher
Staatsbuerger“, andererseits „wildes Tier“(Gustave le Bon)25 sein
liess, ist aufgehoben, und der neue Mensch kann sich als
tollwuetiger Staatsbuerger und ordentliches Raubtier zugleich
auffuehren, kann sowohl in der Konkurrenz wie auch vor seinem
Gewissen bestehen. Er lebt im jenseits der buergerlichen
Schizophrenie, die darin bestand, das, was man tun musste, besser
lassen zu sollen.

Der ‚innere Maschinist‘ des Arbeiters und seine
staatsbuergerliche Verbesserung

Was am Buerger sich vollzieht, das begann und vollendet sich am
Arbeiter, an den unmittelbaren Produzenten des
gesellschaftlichen Reichtums. Die urspruengliche Akkumulation des
Kapitals zerstoerte zwar Unfreiheit und Hoerigkeit, aber nur um
den Preis der gleichzeitigen Zerstoerung jener relativen
Sicherheit und paternalistischen Fuersorge, die den Produzenten
als sprechfaehigen Arbeitswerkzeugen von Wert immerhin zukam. Das
Kapital spedierte sie in die Freiheit, aber nur, um sie als
materiell unfreie und von den Produktionsmitteln ihres Lebens
getrennte Lohnarbeiter produktiv ausbeuten zu koennen. Der
buergerliche Selbstwiderspruch vertieft sich im proletarischen
noch: Wo der Buerger zwischen Altruismus und Egoismus schwankt,
die Caritas und den Weltwaehrungsfond zugleich im Seelchen spuert
und mit der linken Hand sentimental gewaehrt, was er mit der
rechten doppelt und dreifach brutal einstreicht, da hat der
Arbeiter nur eine Wahl. Es steht ihm frei, sich zwischen dem
kollektiven Egoismus der Gewerkschaften und dem individuellen zu
entscheiden, den die Arbeitgeber ihm ans Herz legen.

Der buergerliche Selbstwiderspruch erscheint, wenn die politische
Vergesellschaftung die Form der demokratischen Republik annimmt,
als der zwischen materieller Interessiertheit und abstrakt
gesetzten allgemeinem Gattungsinteresse. Der proletarische
Selbstwiderspruch ist von vornherein aufs Oekonomische reduziert
und die Versubjektivierung jener Widersprueche, die der Kreislauf
des Kapitals als Reproduktionsprozess aus sich heraussetzt. Der
Arbeiter verkoerpert den Widerspruch zwischen Produktion und
Konsumtion, wobei der Akt des Konsums der Produktion als ein
notwendiges Uebel erscheint: Anders als durch wirklichen Konsum
der Waren kann sich der in ihnen enthaltene Wert (noch) nicht
realisieren. Im Widerspruch zwischen Produzent und Konsument
exekutiert das gesellschaftliche Gesamtkapital seinen eigenen
Widerspruch am produktiven Arbeiter. Er besteht darin, den
Arbeiter, der – einzelbetrieblich gesehen – einen
mehrwertschaffenden Unkostenfaktor darstellt, gleichwohl
ernaehren zu muessen, ihn auszuhalten auch deshalb, um die
Realisierung des Mehrwerts in der Konsumtion zu ermoeglichen. Am
Gegensatz des Arbeiters als einerseits unnuetzem Fresser, dessen
einziger wesentlicher Nachteil darin besteht, noch kein Roboter
zu sein und nicht 25 Stunden am Tag aus lauter Lebensfreude
schaffen zu koennen, als eines andererseits nuetzlichen Fressers,
der sich im Konsum die Arbeitskraft in eigener Regie erhaelt und
dazu seinen Lohn in voellig freier Wahl zwischen Produkten, die
allesamt nur Waren sind, ausgeben muss – daran hatte das Kapital
im Krisenwettlauf der Unterkonsumtion mit der Ueberakkumulation
seine liebe Not.

Verliefe die Geschichte der buergerlichen Gesellschaft nach den
Interessen der Kapitalisten, dann waere das Kapital als ein
gesellschaftliches Verhaeltnis laengst bankrott. Denn diese
Interessen zielen auf die totale Unterordnung des Arbeiters
unter die Produktion: Zustaende, wie sie noch 1840 in Manchester
herrschten, waeren an der Tagesordnung. Damals erreichten
Angehoerige der Arbeiterklasse ein Durchschnittsalter von 17
Jahren.26 Das Interesse des Kapitalisten zielt auf produktive
Verschrottung des Menschen durch Arbeit, und wie das geht, das
zeigt ein Blick auf die Ghettos von Singapur, Hongkong oder Sao
Paulo. Das Kapital ruiniert die menschliche Arbeitskraft und
damit in der Tendenz sich selber.

Die Rettung des Kapitals erkaempften seine formalen Antagonisten,
die formell freien Lohnarbeiter, die sich fuer den kollektiven
Egoismus entschieden. Die Gewerkschaften als die
„Verkaufskartelle der Ware Arbeitskraft“27 begannen mit
Lohnarbeitern zu handeln, wie andere Kartelle mit Kuehlschraenken
oder Badewannen. Ihr historischer Kampf zwang dem Kapitalismus
die Bedingungen seiner eigenen Existenz auf und setzte die
Beschraenkung der Arbeitszeit als Garantie des Erhalts der
Menschen als Arbeiter und Soldaten durch. Die Anerkennung der
Dialektik, dass das Kapital als gesellschaftliche
Produktionsweise nur durch den systematischen Verstoss gegen die
Interessen der konkreten Kapitalisten gerettet werden kann, war
nicht Resultat buergerlich-allgemeiner Vernunft, sondern Ergebnis
materiellen Zwanges. Nicht das Parlament, die proletarischen
Organisationen waren es, die dem an sich machtlosen
kapitalistischen Imperativ: Systemerhalt, zu sozialer
Wirklichkeit verhalfen. Das Parlament hatte zu ratifizieren, was
es, haette der Liberalismus recht, aus der kollektiven
buergerlichen Vernunft und nur seinem Gewissen verantwortlich,
haette produzieren muessen. Aber aus sich heraus vermag das
Kapital nicht die Allgemeinheit seiner Reproduktionsbedingungen
zu setzen; der Wegfall der gewerkschaftlichen Gegenkraft treibt
es in den Ruin, aus dem es, – der Faschismus hat es erwiesen –
nur die Flucht nach vorne in den prinzipiell endlosen Raubkrieg
antreten kann und die Flucht zurueck an den Ursprung der
urspruenglichen Akkumulation: Verlaengerung des Arbeitstages an
die Todesgrenze.28

Der Sozialstaat als Erweiterung des buergerlichen zum modernen
kapitalistischen Staat sucht die Kluft dieses Widerspruchs zu
ueberbruecken. In der Krise widersetzt er sich (relativ gesehen)
den Forderungen der Kapitalisten, bzw. vollzieht sie mit
zeitlicher Verzoegerung, um die Rahmenbedingungen der kuenftigen
Konjunktur zu wahren.29 Die Anerkennung der Gewerkschaft als
Tarifpartner respektiert ihr Monopol an der Ware Arbeitskraft,
die Setzung des Arbeitsrechtes drueckt die gesamtkapitalistische
Funktion des Erhalts der formellen Freiheit dieser Ware aus und
die Erweiterung des allgemeinen Wahlrechts auf die besitzlosen
Klassen anerkennt das Recht der Arbeiter, ueber die Bedingungen
ihrer Ausbeutung ein wenig verhandeln zu koennen, wenn auch auf
der Ebene des ideellen Gesamtkapitalisten.

Gleichwohl prozessiert der Selbstwiderspruch des Einzelkapitals
weiter. Mit jedem Uebergang zu prinzipiell neuen
Produktionsmethoden stellt sich erneut das Problem, wie der
Arbeiter an den Betrieb zu binden ist, wie seine
betriebspezifische Qualifikation, die eine Investition ins
variable Kapital darstellt, dem Betrieb auf Dauer oder solange
wie noetig erhalten werden kann. Es stellt sich das Problem, wie
dem Arbeiter beigebracht werden kann, dass er sich selbst als das
Humankapital, das er ist, auch pfleglich behandelt. Denn die
oekonomische Bestimmung des Proletariats, vom Co-Subjekt der
Produktion auf das belebte Anhaengsel der objektiv gewordenen
Maschinerie her-untergebracht zu werden, stellt sich dem
Proletariat als einer Klasse als Schicksal dar, dem formell
freien einzelnen Arbeiter aber nicht. Er kann waehlen. Und im
Angesicht neuer, arbeitsintensiverer Produktionsmethoden
entscheidet er sich regelmaessig fuer das „Recht auf Faulheit“30,
fuer den blauen Montag, fuer Wein, Weib, Gesang und die angenehmen
Banalitaeten des Alltagslebens. Jeder Uebergang auf ein neues
oekonomisches Niveau, ob von der Manufaktur zur Fabrik, ob vom
Handwerk zum Fliessband, erfordert eine voellige Umorganisierung
der ‚moralischen Oekonomie‘ der arbeitenden Klasse. Wie ihr im
Uebergang zum Fliessband die affektive Besetzung von Produkt und
Produktion ausgetrieben und protestantischer Puritanismus
anstelle des vorherigen Hedonismus (der einer der Armut war)
eingeimpft werden musste, so im Uebergang vom Fliessband zur
computerisierten Produktion die affektive Besetzung des
Produktionsmittels, die zwanghafte Triebfixierung, nicht vom
Geraet zu lassen, bis das Programm funktioniert.

Die Wahlmoeglichkeit des Arbeiters ergibt sich aus der
Ungleichzeitigkeit der technologischen Innovation. Sie
einzuschraenken und Betriebstreue herzustellen, ist daher, von
Krupp bis Ford, das Problem der avancierten Industrien. Die
fruehen Versuche bestehen in der Setzung materieller Stimuli, die
zugleich, da mit ihrem Entzug wirkungsvoll gedroht werden kann,
Zwangsmittel darstellen: So die Werkswohnungen der Krupp, Ford &
Co., die schon aussahen wie kuenftige Arbeitslager und deren
Reglement Alkoholismus, Vielweiberei und andere Laster durch die
Lust an Basteln, Kleintierzucht und Kirchgang ersetzen wollte.31
All dies sind Formen, die Reproduktion der Ware Arbeitskraft in
ihrer Freizeit nach den Normen der Produktion zu organisieren.
Das Kapital draengt nach der Subsumtion des Arbeiters, nach der
faktischen Aufhebung seiner formellen Freiheit.

Damit soll die Qualifikation des einzelnen endgueltig zum
Betriebseigentum werden. Henry Ford etwa musste allein 1913 fuer
die Besetzung von 16.000 Arbeitsplaetzen 53.000 Einstellungen
vornehmen, die Kosten fuer das Anlernen waren enorm, obwohl
dieses hoechstens eine Woche dauerte. Die Rationalisierung drohte
an sich selbst zu scheitern: „Bisherige Erfahrungen gelten bei
uns nicht. (Die Ungelernten) lernen ihre Aufgabe innerhalb
weniger Stunden und Tage“32, beschrieb Ford dies System. Der
profitable Vorteil, die Arbeit auf wenige routinisierte
Handgriffe zu reduzieren, geriet in Gefahr, vom hinhaltenden
proletarischen Widerstand gegen die Zerstoerung ihrer moralischen
Oekonomie, gegen die Entwertung ihrer Faehigkeiten und damit ihres
bisherigen Lebensstiles, selber gegen Null gedrueckt zu werden.
Da auch die materiellen Stimuli: bessere Loehne und betriebliche
Altersversorgung, weder die Fluktuation unterbanden noch die
Effektivitaet der Arbeit steigerten, musste der direkte Zugriff
auf die interne psychische Konstitution des Arbeiters, auf seine
Arbeitsmotivation unternommen werden. Das Kapital suchte die
Arbeitskraft auf eben die Maschine herunterzubringen, die sie
ihrer oekonomischen Funktion nach laengst zu sein hat. Dieser
Versuch impliziert die Verallgemeinerung der Fabrik auf die
Gesamtgesellschaft und damit die Setzung einer kapitaladaequaten
Form von Subjektivitaet. Sie hat dem Begriff zu entsprechen, den
sich die Arbeitsphysiologie vom arbeitenden Menschen macht. Die
sieht ihn vom Standpunkt der Geschaeftsfuehrung als einen mit
mehrachsigen Gelenken und dreidimensional agierenden
Greifapparaten ausgestatteten produktiven Apparat:

„In seiner Eigenschaft als ein Element in einem Kontrollsystem
muss ein Mensch als eine Kette betrachtet werden, die aus den
folgenden Teilen besteht: 1) Sensoren, 2) einem Rechensystem,
das auf der Grundlage vorangegangener Erfahrungen reagiert, 3)
einem Vergroesserungssystem – den Enden der Bewegungsnerven und
Muskeln, 4) mechanischen Verbindungen, mit denen die
Muskelarbeit aeusserlich feststellbare Wirkungen erzeugt.“33

Der Mensch ist hier reine Naturkraft, von der ein Bild wie in
der Anatomie herrscht, mit dem Unterschied nur, dass die Sektion
eine bei lebendigern Leibe ist und die sie vorbereitende Dressur
mit jedem Arbeitstag von neuem beginnt.

Die Nagelprobe auf dies Kalkuel wird am ersten Punkt, den
Sensoren, genommen. Der Mensch ist nicht objektiv, nimmt nicht
das wahr, was man verlangt, man hat ihm das Hoeren und Sehen
beizubringen, bis es ihm vergeht. Die Vivisektion hat daher mit
der Veraenderung der Wahrnehmung zu beginnen, bis sie ihren
Blickwinkel („in seiner Eigenschaft als … betrachtet“) in die
Totale ausdehnt und sich um einen Unterschied zwischen ‚Rolle‘
und ‚Mensch‘ nicht mehr zu kuemmern braucht. Mit F. W. Taylor
beginnt „ein eingehendes Studium der Motive, welche die Arbeiter
in ihrem Tun beeinflussen“. Denn obgleich die Menschen auf den
ersten Blick einen Kosmos von Unterschieden darstellen, koennen
sie wissenschaftlich auf einfache Exemplare der Gattung Mensch,
auf die millionenfachen Duplikate des alten Adam reduziert
werden. Eine Reduktion, die erst dann zur Zufriedenheit gelingt,
wenn sich der einzelne Arbeiter zum Betrieb verhaelt wie die
einzelne Arbeitsameise zur Koenigin: treu bis in die
Selbstaufopferung. Die Schwierigkeit liegt nur darin, dass die
Reduktion „an einem so komplexen Organismus, wie es der Mensch
ist, vorgenommen werden muss.“34 Sie ist zugleich eine
Realabstraktion, an deren Ende der Arbeiter auch wirklich die
Biomaschine ist, die er sein soll: belebtes Material, das keinen
Unterschied mehr erkennen kann zwischen sich und seiner
objektiven Arbeitssituation. Die Arbeitspsychologie organisiert
den Blick ins zu funktionalisierende Subjekt.

Es gilt, den „Thomas-Effekt“ zu beherrschen, um auch die
Restbestaende proletarischer Subjektivitaet im Arbeitsprozess dort,
wo er vom Verwertungsprozess sich noch unterscheiden laesst,
auszumerzen und das Kommando der Direktion mit der Kunst
behutsamer Konsenstechnologie reibungsfrei und restlos
durchzusetzen. Improvisation und informelle Kommunikation der
Arbeitenden untereinander gilt es in den Griff zu bekommen. Sie
sind die (negativen) Vetorechte der Arbeiter: Kein Betrieb
koennte produzieren, ohne mit Aussicht auf Erfolg auf ihre Kunst
zur Improvisation zu bauen, ein nach Vorschrift durchgefuehrter
Arbeitsdienst kaeme der Sabotage gleich. Aber andererseits ist
Improvisation eine Funktion genau der informellen Kommunikation
abseits offizieller Befehlswege, die Leistungszurueckhaltung und
Akkordbremse erst moeglich und wirklich machen.35
Leistungszurueckhaltung impliziert, dass der Arbeiter sich vor
restloser Verausgabung schuetzt, um sich den lebenslangen Genuss
seiner Arbeitsfaehigkeit zu erhalten, sich vor Ueberarbeit zu
druecken, um sein Arbeitsleben, das in der BRD nur ein Drittel
der Beschaeftigten gesund uebersteht, moeglichst auszudehnen. Hier
liegt eine der sozialen Wurzeln der Gewerkschaftsbewegung und
zugleich das tiefste Fundament des Sozialstaats, der noch unter
dem Keller des Privatkapitals residiert. Der ,Thomas-Effekt‘
bedeutet den Bruch mit dem satten und statischen Objektivismus
F. W. Taylors und enthaelt die Anerkennung, dass die Reduktion mit
materieller Brachialgewalt allein nicht zum Zuge kommt und den
Arbeiter zwar dem Betrieb annektiert, die Arbeit selbst aber
nicht im gewuenschten Masse effektiviert. Er besagt, dass auch jene
Faktoren der Arbeitssituation verhaltenssteuernd sind, die sich
als wissenschaftlich nicht objektivierbar erweisen, und dass
Situationen in ihren Folgen real sind, wenn die Menschen sie
kollektiv fuer real erklaeren. Es geht darum, sich
arbeitswissenschaftlich in ihre Motivation einzuschleichen und
eine Veraenderung ihres Handels durch Veraenderung nicht der
Verhaeltnisse, sondern ihrer Wahrnehmung zu organisieren.
Psychotechnik bietet sich an, wie einer ihrer neueren Propheten,
Kurt Lewin, schreibt, als

„eins der besten Mittel, die Dimensionen zu veraendern, in denen
die Wahrnehmung stattfindet. Es ist wahrscheinlich richtig, wenn
man sagt: die Handlung eines Menschen haengt direkt von der Art
ab, in der er die Situation auffasst.“36

Die Maschinisierung des Subjekts beginnt mit der Kontrolle der
SeelenMaschine und des diese Maschine nach aussen
repraesentierenden Individuums.

„In gewissem Sinne ist es beim Menschen wie bei einer
Dampfmaschine, von der ein zusammengesetztes Triebwerk abhaengt.
Je nach dem Zustande der Heizung kann ihre lebendige Kraft hoch
steigen oder tief sinken; aber im normalen Gange kann weder das
eine noch das andere ploetzlich eintreten; wohl aber kann
dadurch, dass man hier ein Ventil willkuerlich auf – oder zudreht,
bald dieser, bald jener Teil der Maschine neu in Gang kommen und
dafuer ein anderer in Ruhe uebergehen. Es ist nur der Unterschied,
dass bei unserer organischen Maschine der Maschinist nicht
ausser-, sondern innerhalb derselben sitzt“37

schreibt schon 1860 der Urvater der Psychophysik in Deutschland,
Gustav Fechner. Die moderne Arbeitspsychologie erkennt, dass sich
auch der ,innere Maschinist‘ gewerkschaftlich organisiert hat
und setzt nicht, wie noch Taylor, beim isolierten Einzelnen an,
sondern bei der Arbeitsgruppe, beim Team, und empfiehlt Methoden
der ,Humanisierung der Arbeit‘, wie ‚Job enrichment‘ oder ‚Job
enlargement‘, um die Psychodynamik der Kleingruppe fuer die
Produktion zu nutzen. Aber die Tatsache, dass der Mensch weder
allein noch vom Brot lebt, bedeutet der Arbeitswissenschaft
nicht, den sozialen Atomismus der buergerlichen Gesellschaft in
Frage zu stellen. Ihr Credo, dass die Menschen „keine isolierten,
beziehungslosen Einzelmenschen sind, sondern soziale Wesen, die
auch als solche behandelt werden sollten“38, zielt auf die
Fundierung des Atomismus. Ideologie und Praxis der ‚Gruppe‘ wird
angedreht, um neben der Objektivitaet der Produktion einen Schein
sekundaerer Humanisier-ung zu erzeugen: das Zwangsverhaeltnis
tuencht sich humanitaer. Das permanente Gerede vom Menschen
betreibt die Entmenschlichung. Die Gemeinschaft, die synthetisch
im ‚Team‘ erzeugt werden soll, ist keine naturwuechsige, sondern
nur die Miniaturausgabe einer Gesellschaft, die zur zweiten
Natur mutiert. Der Selbstwiderspruch der buergerlichen
Gesellschaft, der dem Buerger nur im quasi-religioesen Akt der
‚Transsubstantion‘, d.h. nur schizophren loesbar war, loest sich
am Arbeiter: In der Vergemeinschaftung der Arbeit erfaehrt er ein
Leben jenseits der Dualitaet von formeller Freiheit und
materieller Unfreiheit. Die Arbeitspsychologie ist das
materielle Fundament der kommenden Psychokratie. Nichts ist
dieser angewandten Psychologie wichtiger als die
‚Kommunikation‘, wenig liegt ihr mehr am Herzen als die
‚Anerkennung des Wertes der Arbeit‘. Die soziale Wirklichkeit
ihres Ziels, die Arbeit als eine „quasi-gespraechstherapeutische
Situation“ (Carl Rogers) zu organisieren, waere freiwillige
Selbstverwaltung der Ausbeutung. Die Betriebspsychologie macht
die Erkenntnis zur Technologie, „dass die vom Vorgesetzten
kommunizierte Wertschaetzung und Akzeptierung im Zusammenhang
stehen mit Motivation, Zufriedenheit und Arbeitsleistung ihrer
Untergebenen sowie dem Ausmass der Krankmeldungen und
Kuendigungen.“39 Die „Philosophie der Zwischenmenschlichkeit“,
die heute in den Encountergruppen als Freizeitspass konsumiert
wird, hat ihre historischen Wurzeln in den Problemen des
kapitalistischen Umgangs mit der Arbeitskraft. Sie weiss, dass
Leistungssteigerungen „in Betrieben immer dann eintraten, wenn
die Arbeiter eine persoenliche, freundliche Behandlung erlebten
und sich in ihrer Arbeit gewuerdigt sahen.“40 Die fingierte
Menschenfreundlichkeit hat sich in den Bilanzen
niederzuschlagen. Ein freundliches Wort kostet nichts oder nur
das Gehalt eines Psychologen – aber was nichts kostet, das
erspart Kosten und ist daher alles andere als nichts.

Glueck bedeutet dieser Sorte hinterhaeltiger
Menschenfreundlichkeit nur die gelungene Kompensation in der
Arbeit erfahrener Leiden; deren voelliges Verschwinden aus dem
subjektiven Bewusstsein waere die Ekstase dieses Gluecks. Die
Arbeitspsychologie erfuellt eine grundlegende
Reproduktionsbedingung des Systems: Die Abschiebung objektiver
Probleme, die sich das Kapital mit dem Fortgang seiner
Akkumulation selber schafft, ins „Subsystem Persoenlichkeit“. Das
System wird in dem Masse handlungsfaehiger, indem es die Menschen
in die Zwangsjacke steckt und verniemandet. So schreibt der
mittlerweile bei zur „Codierung von Liebe“ vorangeschrittene
Betriebswirt und Systemtheoretiker Niklas Luhmann:

„Vor allem ‚innere‘ Tatsachen: Einstellung, Gefuehle und
Absichten werden (wenn das Spiel gelingt, d. Verf.) mit der
geforderten Rolle auf einen Nenner gebracht ( … ) und wenn die
erlebten Probleme auf diese Weise verstaendlich interpretiert
werden koennen, festigt sich dadurch unmittelbar die Situations-
und Rollenauslegung. Erklaerungen, die die Beteiligten ihren
Problemen und Konflikten geben, laufen daher nicht ohne Grund
auf falsche Verallgemeinerungen hinaus. Sie lenken von den
eigentlichen Grundlagen des Uebels in der dominierenden formalen
Struktur ab und dirigieren die Vorwuerfe ins Persoenliche und
Moralische, wo sie ohne Konsequenzen verhallen. So kann die
formale Rolle als konsistent erscheinen, weil die durch sie
ausgeloesten Probleme anderswo absorbiert werden.“41

Was ist, das ist! Die Individuen zu „falschen
Verallgemeinerungen“ zu bewegen, das bedeutet die Verlaengerung
des ‚Hier und jetzt‘ der Produktion in die soziale Ewigkeit,
denn Erfahrung, die einzig richtig zu verallgemeinern verstuende,
braucht genau jene Faehigkeit zum Gedaechtnis, zur Erinnerung, die
ihre Reduktion aufs blanke und nur aktuelle Erlebnis liquidiert.
Die Ablenkung ins „Persoenliche und Moralische“, die auf den
Korridoren jedes Arbeitsamtes ihren Erfolg lautstark feiert,
tankt die Kraft zur Umleitung unmittelbar in der Produktion: Den
Arbeitslosen geschieht im Zweifel am Sinn ihres Lebens und an
ihrer Faehigkeit, sich das Leben zu verdienen, nichts, was sie
nicht zuvor im Betrieb, in der vom Chef kommunizierten
Anerkennung ihrer Arbeit, geniessen durften.

Die Psychologisierung der Arbeit stellt den Motor der
Psychologisierung einer Gesellschaft dar, die im Begriff ist,
den Unterschied zwischen Kapital und Kapitalismus als einer
historischen Tatsache, die sie nichts mehr angeht, endgueltig zu
ueberwinden. Hier werden die Anforderungen der Produktion ans
Subjekt als die Frage an den Arbeiter gestellt, ob denn dieser
ihnen aufgrund seiner Veranlagung, seines Temperaments und
seiner psychischen Konstitution, die schliesslich seine
Privatsache darstellten, ueberhaupt gewachsen sei. Das zunehmende
Verlangen nach Therapie fuer gesunde und normale
Durchschnittsbuerger erscheint so als das Resultat einer
gelingenden Ausweitung der Betriebspsychologie auf das in seiner
Freizeit fuer die Arbeit sich reproduzierende Subjekt. Die
Therapien ‚humanistischer Psychologie‘ nach Erich Fromm, Karen
Horney, Carl Rogers u.v.a. sind nur zu verstehen als die auch
ausserbetriebliche Anwendung der Betriebswirtschaftslehre und
speziell der Arbeitspsychologie. Niklas Luhmann:

„Die zahlreichen Methoden des verstaendnisvollen,
‚psychiatrischen Fuehrungsstils haben zu einem breiten Zugriff
auf die Motivationslage des arbeitenden Menschen gefuehrt. In
ihnen hat sich eine vielseitige Motivationstechnik entfaltet.“42

Es ist dieser psychiatrische Fuehrungsstil, den sich die Menschen
in den Encountergruppen freiwillig antun. Der Gegensatz von
oeffentlichem und privatem Leben schiesst zur negativen Einheit
zusammen, und es ist kaum noch zu unterscheiden „zwischen der
erzwungenen Freundlichkeit bei der Arbeit und dem spontanen
Ausdruck echter Freundlichkeit ausserhalb der Dienstzeit“.43
Emotionale Waerme und spontane Herzlichkeit, die unter den
Zwischenmenschen laengst zum Alltag geworden sind, beschreiben so
die physiognomisch gelungene Mimikry der Individuen ans Kapital.

Auf der geglaubten Luege, auf den Menschen kaeme es im Stande
seiner Ueberfluessigkeit erst recht an, baut ihre Bewahrheitung
auf; Rationalisierung und Automatisierung der Produktion setzen
den Menschen als notwendiges Uebel voraus, zu dem in der
Zwischenzeit sich human verhalten werden muss, soll das Kalkuel
aufgehen. Die Gruppendynamik wiederholt auf betrieblicher Ebene,
was auf gesellschaftlicher durch die Gewerkschaften bereits
gelang: Die Nutzung des kapitalistisch produzierten Elends als
Triebkraft einer falschen Vergesellschaftung, einer „Ablenkung“,
die im Betrieb ‚en detail‘ nur wiederholt wird. Als
gesellschaftliches Organisationsideal tritt die ‚Philosophie der
Zwischenmenschlichkeit‘ folgerichtig als „Philosophie der
sozialdemokratischen Arbeiterbewegung“ auf. Ihr ging es stets
nicht um die Abschaffung der Lohnarbeit, sondern um ihre
‚Anerkennung‘ durch die Honoratioren und Direktoren.

„Die Vorstellung, die Gesellschaft liesse sich mit
psychotherapeutischen Mitteln veraendern, ist klar reformistisch
und entspricht auf psychologischem Gebiet der politischen Praxis
der heutigen Sozialdemokratie“44,

bemerkt Emilio Modena ueber Horst-Eberhard Richters Buch „Die
Gruppe. Hoffnung auf einen neuen Weg, sich selbst und andere zu
befreien“. Er uebersieht dabei nur zweierlei: Dass zum einen die
Zuordnung der Psychotherapie zum Reformismus nichts gegen ihre
Wirksamkeit beweist und dass, zum zweiten, diese Praxis
keineswegs erst der heutigen Sozialdemokratie auf den Leib
geschneidert ist. Politisch drueckt sich das psychotherapeutische
Ordnungsideal in jenen Theorien eines pazifizierten „Weissen
Kapitalismus“ (heute heissen sie die „Theorie der
Industriegeseltschaft“) aus, die die Sozialdemokratie bereits am
Ausgang des Ersten Weltkrieges uebernahm – aus lauter Ehrfurcht
vor den hohen Loehnen, die Ford zahlen musste, um seine Arbeiter
zu halten. Kurt Lewin war damals einer der Theoretiker dieser
friedlichen Loesung des sozialen Konflikts, die er am Ende des
Zweiten Weltkrieges als Psycho-Trainer an amerikanischen
Managerschulen praktizieren half. Seine Biographie stellt
sachlogischen Zusammenhang von Taylorsimus, Sozialreformismus,
Psychotherapie und modernem therapeutischen Okkultismus
exemplarisch vor: 1962 war er bei der Gruendung der
Okkultzentrale von Esalen/Kalifornien mit der ‚crème de la
crème‘ der Psychowarenhersteller anwesend.45 In einer
arbeitswissenschaftlichen Schrift von 1920 ueber die „Sozialisier-
ung des Taylorsystems“ empfahl er die „Psychologisierung der
Arbeitsmethoden“ im Interesse eines Ausgleichs der Interessen
von Produktion und Konsumtion46 und schloss sich den Auffassungen
Taylors an, die Interessen von Kapital und Arbeit seien an sich
identisch. Denn wenn es nur gelaenge, mit arbeitspsychologischen
Mitteln (bei der Berufswahl oder der Eignungspruefung etwa) die
„Entwicklung eines jeden einzelnen zur hoechsten Stufe der
Verwertung seiner Faehigkeiten“47 zu beschleunigen, dann waere
allen gedient: dem Kapital, das den Arbeiter besser verwerten
koennte, und dem Arbeiter, weil er vom Gewinn eine Kleinigkeit
abhaben darf.

Die Anwendung psychotechnischer Methoden, die von der
Sozialdemokratie politisch repraesentiert wird, draengt nach der
Umarbeitung der Gesellschaft in ein grosses
verhaltenswissenschaftliches Psycho-Laboratorium, in dem sodann
und folgenlos noch „mehr Menschlichkeit“ geuebt werden darf.
Historisch scheint die sozialdemokratische Verkennung der
Funktion moderner Arbeitswissenschaft leicht erklaerlich: Von den
drei Gruenden, die in den USA nach 1940 und ausgeloest durch die
Politik des ‚New Deal‘ zur Psychologisierung der Oekonomie
fuehrten, war nach 1918 in Deutschland nur einer sichtbar: der
Versuch, den Arbeitern die gerade gewonnene Position als gleiche
Staatsbuerger durch die kompensatorische Anwendung
psychologischer Techniken zu unterlaufen. Dem konnte die
sozialdemokratische Kapitalismustheorie, der gemaess noch ein
Spekulant grossen Formats wie Hugo Stinnes (wenn auch, natuerlich,
‚unbewusst‘) an der Konzentration des Kapitals und damit an der
Vorbereitung der sozialistischen Planwirtschaft arbeitete,
gelassen entgegensehen. Alles wuerde den lachenden Erben
zufallen. Die anderen Gruende haetten die von Kurt Lewin und
vielen anderen behauptete prinzipielle Neutralitaet der
Arbeitspsychologie schon eher in Frage gestellt. Das
amerikanische „Human Relation Movement“ begann mit den Studien
Elton Mayos ueber die Arbeiter der Haxthorne-Werke und ging
sogleich auf Managementschulung und Werbepsychologie ueber. Die
Konzerne waren derart gewachsen, dass die notwendige Kontrolle
als buerokratische unmoeglich wurde; die Kunst der Delegation, der
Schaffung von Verantwortlichkeit und Produktenthusiasmus in den
unteren Verwaltungsstaeben wurde zur Notwendigkeit. Zugleich warf
das ‚Marketing‘ neue Probleme auf, die durch den Griff der
„geheimen Verfuehrer nach dem Unbewussten in Jedermann“ (Vance
Packard) loesbar schienen: die Formung des kaufkraeftigen
Beduerfnisses nach den Beduerfnissen der Produktion.48

Aber das sozialdemokratische Interesse an einer psychologischen
Gesellschaft speiste sich ueberdies aus dem Wunsch, dem Wert der
Arbeit zur Anerkennung zu verhelfen, die ‚Wirtschaftdemokratie‘
als politische Form dieser Anerkennung und als Radikalisierung
der Staatsbuergerlichkeit hinunter in die Oekonomie
durchzusetzen.49 Die Verbesserung des Arbeiters zum Staatsbuerger
sollte seine Befreiung als Arbeiter einleiten. Die SPD als die
Partei des arbeitenden Volkes wurde zur Volkspartei, die ihre
Aufgabe im politischen System, das praktische Absehen der
Arbeiter von ihrer Klassenlage (d.h., die ‚Transsubstantion‘) zu
organisieren, gewissenhaft ins Werk setzte. Die
Durchstaatlichung aller Lebensbereiche bedeutet die
Sozialisierung auf diesem Marsch: von unten gefordert durch die
dem Kapital innewohnende Tendenz nach Vergesellschaftung, von
oben im Interesse der Arbeiter ermoeglicht durch eine
sozialdemokratische Regierungsmacht.

Damit wird die Subsumtion unters Kapital, der der Arbeiter
betrieblich ausgesetzt ist, im politischen Raum verdoppelt. Die
Politik der Volkspartei arbeitet an der Aufhebung, bzw.
Refunktionalisierung der Formen proletarischer Kollektivitaet fuer
den kapitalistischen Produktionsprozess und es wird deutlich, dass
der isolierte Arbeiter nicht nur der historische Ausgangspunkt
der Partei, sondern auch ihr historisches Resultat ist. „Partei,
Staat, Kapital reproduzieren auf diese Weise fortwaehrend die
Grundlagen ihrer Existenz.“50 Aber als Staatsbuerger kommt der
Arbeiter zu spaet, um den buergerlichen Selbstwiderspruch als
emanzipatorische Chance zu erleben. Sein Weg zur
Gleichberechtigung trifft sich mit dem Rueckzug des Buergertums
vom historischen Versprechen allgemeiner Emanzipation auf halber
Strecke in der negativen Gleichheit aller vor den Zwangsgeboten
des produktiven Apparates. Die Dialektik der Selbsterhaltung
fuehrt den Buerger wie den Arbeiter zur Selbstverwertung.
Verstaatsbuergerlichung der Arbeiterklasse, ihre Verwandlung in
den Stand der zeitweilig mit produktiven Aufgaben betrauten
Staatsbuerger einerseits, kapitalistische Aufhebung des
Buergertums als einer anders als kultursoziologisch definierbaren
Klasse in der Anonymitaet des vom personifizierten Kapital
befreiten Kapitals der Aktiengesellschaften andererseits,
greifen ineinander und entfalten in ihrer Verknuepfung eine
ungeahnte Produktivitaet. Eine soziale Produktivitaet, die zur
Psychokratie als der durchgefuehrten Hegemonie draengt und das
Ideal von Staat und Kapital, eine Politik ohne Politik, mit den
freundlichen Zwangswerkzeugen der Sozialtechnotogie ins Werk
setzt. Die kapitalistische Kulturrevolution erzwingt den
sozialen Autismus als den ihr gemaessen subjektiven Habitus. Dann
wuerde die individualanarchistische Utopie Max Stirners auf
perverse Weise doch noch wahr:

„Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn Ich als Ich
Mich verwerte, wenn ich Mir selber Wert gebe und meinen Preis
selber mache.“51

Mehr als ihr Leben und ihr ‚Ich selbst‘ besaessen die Menschen
dann nicht mehr. Und was im Ueberfluss vorhanden ist, hat nur
Inflationswert und verkauft sich zu Dumpingpreisen.

(Mitte 1984)

1 Jean-Jacques Rousseau; Abhandlung ueber den Ursprung und die
Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, in: ders.;
Schriften zur Kulturkritik. Die zwei Diskurse von 1750 und 1755,
Hamburg 1978, S.265

2  Rousseau; a.a.O., S.261, Vgl. Lucio Colletti; Rousseau:
Kritiker der buergerlichen Gesellschaft, in: ders.; Marxismus und
Dialektik, Frankfurt/ Berlin/Wien 1977, S.78ff.

3 Karl Marx; Kritik des Hegelschen Staatsrechts, in: Marx-Engels-
Werke (MEW), Berlin 1956ff, Bd. 1, S.249

4 Theodor W. Adorno; Zum Verhaeltnis von Soziologie und
Psychologie, in: ders.; Soziologische Schriften 1, Frankfurt
1979, S.55

5 Karl Marx; Grundrisse der Kritik der Politischen Oekonomie
(Rohentwurf), Berlin 1974, S.430. Zum Begriff des reellen
Gemeinwesens vgl. auch Wolfgang Pohrt; Theorie des
Gebrauchswerts, Frankfurt 1976, S.200f.

6 Karl Marx; Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Bd.
1: Der Produktionsprozess des Kapitals, Berlin 1973 (MEW 23),
S.101

7 Marx; Grundrisse, a.a.O., S.155. Andererseits verhuellt das
Tauschverhaeltnis den zugrundeliegenden Produktionsprozess nicht
nur, sondern dient der Reproduktion seiner Voraussetzungen, der
bestaendigen Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln.
Die Rechtsfoermigkeit vermittelt den betruegenden Schein einer
Transaktion, eines Kontrakts zwischen gleichberechtigten und
sich gleich frei gegenueberstehenden Warenbesitzern- auch dann,
wenn es um Kauf und Verkauf der Ware Arbeitskraft geht: „Dieses
einleitende Verhaeltnis erscheint selbst als immanentes Moment
der in der kapitalistischen Produktion produzierten Herrschaft
der gegenstaendlichen Arbeit ueber die lebendige“ (Karl Marx;
Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, Frankfurt
1974, S.88).

8 Marx; Grundrisse, a.a.O., S.155

9 Ebd.

10 Georg Jellinek; Allgemeine Staatslehre. Dritte Auflage unter
Verwertung des handschriftlichen Nachlasses durchgesehen und
ergaenzt von Walter Jellinek, Berlin 1914, S.406ff .

11 Vgl. Burkhard Tuschling; Rechtsforrn und
Produktionsverhaeltnisse. Zur materialistischen Theorie des
Rechtsstaates, Frankfurt 1976

12 Karl Marx; Zur Judenfrage, in: MEW 1, S.370

13 Ebd.

14 Karl Marx; Die Klassenkaempfe in Frankreich 1848 bis 1850, in:
MEW 7, S.43

15 Vgl. Christine Buci-Glucksmann; Gramsci und der Staat, Koeln
1981

16 Daniel Bell; Die Zukunft der westlichen Welt. Kultur und
Technologie im Widerstreit, Frankfurt 1979, S.181

17 Karl Marx; Oekonomisch-philosophische Manuskripte, in: MEW-
Ergaenzungsband 1, Berlin 1973, S.534f.

18 Immanuel Kant; Werke. Hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Darmstadt
1970, Bd. 9, S.224

19 Marx; Kritik des Hegelschen Staatsrechts, a.a.O., S.249 und
248

20 Vgl. Klaus-Dieter Oetzel; Wertabstraktion und Erfahrung,
Frankfurt/New York 1976, v.a.S.158ff. und Stefan Breuer; Die
Krise der Revolutionstheorie. Negative Vergesellschaftung und
Arbeitsmetaphysik bei Herbert Marcuse, v.a. S. 146ff.

21 Marx; Das Kapital, a.a.O., S.105ff. Der Fetischcharakter des
Geldes beweist seine Macht z.B. dadurch, dass die Leute in den
Wald gehen und sagen, hier wachse Geld.

22 Marx; Kritik des Hegelschen Staatsrechts, a.a.O., S.281

23 Vgl. Rainer Rilling; Das vergessene Buergertum, in: Das
Argument Nr. 131 (24. Jg. 1982), S34ff.

24 Zitiert nach Francoise Castel; vgl. Robert Castel/Anne
Lowell; Psychiatrisierung des Alltags. Produktion und
Vermarktung von Psychowaren in den USA, Frankfurt 1982, S.293

25 Zitiert nach Richard Sennett; Die Tyrannei der Intimitaet.
Verfall und Ende des Oeffentlichen Lebens, Frankfurt 1983, S.337

26 E.P. Thompson; The Making of The English Working Class,
Harmondsworth 1979, S.365

27 Rudolf Hilferding, Das Finanzkapital, Frankfurt 1973, S.480.
Vgl. Manfred Faessler; Der Weg zum ‚roten‘ Obrigkeitsstaat? Die
deutsche Sozialdemokratie zwischen Feudalismus und buergerlicher
Gegenrevolution, Giessen 1977, S.188ff. und Antonio Gramsci;
Philosophie der Praxis, Frankfurt 1967, S.17ff.

28 Marx; Das Kapital, Bd. 1, a.a.O., S.741ff. und Alfred Sohn-
Rethel; Oekonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus,
Frankfurt 1973

29 Vgl. Wolfgang Mueller/Christel Neusuess; Die
Sozialstaatsillusion und der Widerspruch von Lohnarbeit und
Kapital, in. Probleme des Klassenkampfs, Sonderheft 1, Juni
1971, S.7-10

30 Vgl. Ernst Benz; Das Recht auf Faulheit oder die friedliche
Beendigung des Klassenkampfes. Lafargue-Studien, Stuttgart 1974
und E. P. Tbompson; Zeit. Arbeitsdisziplin und
Industriekapitaksmus, in: Ders.; Plebejische Kultur und
moralische Oekonomie, Frankfurt/Berlin/Wien 1980, S.34-65

31 Vgl. A. Brandenburg/J. Materna; Zum Aufbruch in die
Fabrikgesellschaft: Arbeitersiedlungen, in: Archiv fuer die
Geschichte der Arbeit und des Widerstands, H. 1/1980, S.35-50

32 Henry Ford, zitiert nach Jakob Walcher; Ford oder Marx. Die
praktische Loesung der sozialen Frage. Berlin 1925, S.46

33 Henry Braverman; Die Arbeit im Produktionsprozess, Frankfurt/
New York 1977, S.141

34 Frederick Winslow Taylor, Die Grundsaetze der
wissenschaftlichen Betriebsfuehrung (1919), Muenchen 1983, S.128

35 Vgl. J.A.C. Brown; Psychologie der industriellen Leistung,
Reinbek 1956, Ralf Dahrendorf; Industrie- und
Betriebssoziologie, Berlin 1956, S.67f., E. Loessl; Die
betriebliche Personalorganisation und ihre psychologischen
Probleme, in: Handbuch der Psychologie, Bd. 9:
Betriebspsychologie, Goettingen 1970, S.441-493 und H. Stirn, Die
Arbeitsgruppe, in: Ebd., S.494- 520

36 Kurt Lewin; Die Loesung sozialer Konflikte, Ausgewaehlte
Abhandlungen ueber Gruppendynamik, Bad Nauheim 1953, S.200f.

37 G.Th. Fechner; Elemente der Psychophysik 1. Leipzig 1960,
zitiert nach Arnold Schmieder, Wege der Sozialtechnologie.
Skizzen zu einer Kritik, in: Psychologie und
Gesellschaftskritik, 8. Jg. 1984, H. 3, S. 111

38 F. Roethlisberger; Die Hawthorrie-Experirnente, in: F.
Fuerstenberger (Hg.); Industriesoziologie 1, Neuwied und Berlin
1966, S. 111, zitiert nach A. Schmieder, a.a.O., S. 117. Vgl.
auch Christa Perabo; Humanisierung der Arbeit. Ein Fall
sozialdemokratischer Reformpolitik, Giessen 1979

39 Frauke Teegen; Gespraechspsychotherapeutische Elemente in
quasitherapeutischen Interaktionssituationen, in: Gesellschaft
fuer wissenschaftliche Gespraechspsychotherapie (Hg.): Die
klientenzentrierte Gespraechspsychotherapie, Muenchen 1975,
S.212ff.

40 ebd.

41 Niklas Luhmann; Funktionen und Folgen formaler Organisation,
Berlin 1964, S.51f.

42 Niklas Luhmann; Systembegriff und Zweckrationalitaet,
Frankfurt 1977, S. 131ff.

43 David Riesman; Die einsame Masse. Eine Untersuchung der
Wandlungen des amerikanischen Charakters, Reinbek 1968, S.279

44 Emilio Modena; Marxismus, Freudismus, Psychoanalyse, in:
Psychoanalyse, 1. Jg. 1980, H.3, S.226

45 Robert Castel; Psychiatrisierung des Alltags. Produktion und
Vermarktung von Psychowaren in den USA, Frankfurt 1982, S.303

46 Kurt Lewin; Die Sozialisierung des Tavlorsystems. Eine
grundsaetzliche Untersuchung zur Arbeits- und Berufspsychologie,
(Praktischer Sozialismus Bd. 4, hrsg. von Karl Korsch), Berlin-
Fichtenau 1920

47 F.W. Taylor; a.a.O., S.7. Zum „Weissen Kapitalismus“ vgl. auch
Peter Hinrichs; Um die Seele des Arbeiters. Industrie- und
Betriebssoziologie in Deutschland, Koeln 1981, S.188ff. und
Angelika Ebbinghaus; Arbeiter und Arbeitswissenschaft. Zur
Entstehung der wissenschaftlichen Betriebsfuehrung, Opladen 1984

48 Vgl. im einzelnen Ted Bartell; The Human Relations Ideology:
An Analysis of the Social Origins of a Belief System, in: Human
Relations, Bd. 29/ 1976, S.737-749

49 Vgl. Manfred Fassler; a.a.0.

50 Emilio Modugno; Arbeiterautonomie und Partei. Das Proletariat
zwischen Staat und buergerlicher Gesellschaft, in: C. Pozzoli
(Hg.), Jahrbuch Arbeiterbewegung 3: Die Linke in der
Sozialdemokratie, Frankfurt 1975, S. 308. Vgl. Johannes Agnoli;
Wahlkampf und sozialer Konflikt, in: Ders.; Die Transformation
der Demokratie und andere Schriften zur Kritik der Politik, ça-
ira-Verl., Freiburg 1990, S.107ff.

51 Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum. Hrsg. von Ahlrich
Meyer, Stuttgart 1972, S.282

 https://groups.google.com/forum/#!topic/de.soc.politik.texte/60-GgtR0cZY

 

Die Diktatur der Angepassten

Die Diktatur der Angepassten?

Wie subversiv ist Popkultur, wie erwachsen ist die Pop-Industrie?

Roger Behrens

 

Die Diktatur der Angepassten ist ein Slogan, aus dem die mittlerweile aufgelöste Ham­burger Band »Blumfeld« einen ihrer letzten

guten Songs machte (auf: »Testament der Angst«, 2001). Der Befund einer »Diktatur der Angepass­ten« korrespondiert mit dem, was Autoren wie Ador­no, Horkheimer, Löwenthal, Marcuse oder Benja­min u.a. als »Kulturindustrie« fassten, nämlich eine Gesellschaft, die vollständig unter dem Gesetz des Kapitals steht und an einer alles umfassenden Ver­wertungslogik ausgerichtet ist. Alle Kultur wird zur Ware. Und jede Ware ist zugleich Reklame für die Welt, wie sie ist. Das ist das Credo der Kulturindus­trie.

Der Begriff der Kulturindustrie ist zwar in der kritischen Theorie explizit nicht programmatisch festgelegt, sondern analytisch offen; gleichwohl ist er eben weder beliebig, noch assoziativ zu verwen­den.

Das heißt erstens: Der Begriff Kulturindustrie bezeichnet nicht den spezifischen industriewirt­schaftlichen oder kommerziellen Sektor der Kul­turwarenproduktion, sondern eine gesellschaft­liche Struktur. Es handelt sich bei der Kulturin­dustrie nicht um eine Anballung von Fabriken, die »Kultur« herstellen.

Und zweitens: Kritik der Kulturindustrie be­schränkt sich keineswegs auf die Kritik einer Kommerzialisierung und zielt mitnichten auf die Verteidigung einer besseren Kultur. Sie umfasst vielmehr — als kritische Theorie — die Erkenntnis, dass die gesellschaftliche Struktur eine für jede Produktion und Praxis unumgäng­liche Bedingungen ist, sei es künstlerische, sei es »subversive« kulturelle. Das impliziert, dass es indes keine »ursprüngliche« oder »authenti­sche« Kultur gibt.

Die kritische Theorie der Kulturindustrie, wie Adorno und Horkheimer sie prominent in ihrer »Di­alektik der Aufklärung« von 1944 / 1947 formulier­ten, zielt nicht auf Kultur an sich: Es ging ihnen nicht um Kulturkritik, nicht um Kulturpessimismus oder gar einen kulturkonservativen Elitarismus des Bil­dungsbürgers, wie es gelegentlich angesichts einer nur als Affront verstandenen Jazzkritik Adornos unterstellt wird. Vielmehr drehte sie sich um die Subjekte innerhalb einer derart organisierten Gesell­schaft der Kulturindustrie, im Sinne einer Kritik der verwalteten Welt.

Insofern geht es deshalb ferner um die wirklichen Potentiale, diesen so genannten »universellen Ver­blendungszusammenhang« zu durchbrechen, also um die Bedingungen der Emanzipation der Men­schen, schließlich um die Bedingungen der Mög­lichkeit von Glück.

Genau damit zeigt sich allerdings die prekäre Dialektik der Kulturindustrie: Denn diese Gesell­schaft verspricht genau dies — Glück; das heißt ein »gutes Leben«, und zwar nach Maßgabe des Kon­sums, aus dem das glücklich-erfüllte Leben der Indi­viduen hervorgehen soll. Mit anderen Worten: Glück ist mit den Waren identisch. Adorno und Horkhei­mer sprechen diesbezüglich von Pseudoindividuali­tät und entdecken den dazugehörigen Gesellschafts­Charakter (ein Konzept, das zunächst Erich Fromm entwickelte) in einer autoritären oder konformisti­schen Persönlichkeit.

Der Befund der kritischen Theorie, dass die kapitalistische Gesellschaft als Kulturindustrie or­ganisiert ist, kann auch für die Popkultur seit den fünfziger Jahren übernommen werden, jedoch mit einer entscheidenden Wendung: Popkultur ist ten­denziell und seit den siebziger Jahren auch faktisch keine Massenkultur mehr,1 sondern eine Individu­alkultur, die sich wesentlich aus der Bewusstseins­lage und dem Gesellschafts-Charakter der Ange­stellten speist, die Siegfried Kracauer eindrucks­voll schon Ende der zwanziger Jahre beschrieben hat. Insofern lässt sich sagen: Die Angestellten, die sich im Fordismus als Klasse etablieren, verallge­meinern im so genannten Postfordismus ihre Le­bensweise als Popkultur.

Das Prinzip der Reklame wird in der Popkultur dann umgekehrt: Aus »Alle Kultur wird zur Ware« folgt »Alle Ware wird Kultur«; der Tauschwert selbst erfährt seine alltägliche, wenngleich magische und mythische Überhöhung.

Darin hat Pop seinen Ursprung. Im selben Jahr, in dem offiziell die »Dialektik der Aufklärung« mit dem berühmt-berüchtigten Abschnitt über Kulturindustrie erscheint, gestaltet der britische Künstler Eduardo Paolozzi im Rahmen seiner »Bunk!«-Col­lagen einen Papierbogen, auf dem erstmals das Wort »Pop« im Kunstkontext zu sehen ist: Eine im Comic-Stil gehaltene Pistole, mit Rauchwolke, in der das lautmalerische Wort »Pop« zu lesen ist, geklebt über das Cover eines Magazins, das — neben einem Pin-up-Girl — verschiedene Schlagzeilen trägt; eine davon ist dann auch Titel dieser Collage: »I was a rich man‘ s plaything« — und das ist gleichsam die Direktive der Popkultur. (Wobei anzumerken ist, dass »Pop« hier nicht als Abkürzung für »populär« gemeint ist, sondern als Platzen, Knallen, Ploppen etc.)

Im Zuge der Ausweitung des Pop — nämlich von der Pop-Art über die Popmusik, die dann durch Jugendkulturen mit dem, was man gemeinhin Pop­kultur nennt, synonym wurde — etablierte sich die Subversionsmetapher als schillernde, pseudo­politische Formalisie­rung: Was immer auch als Subversion bezeichnet wurde, verselbstständigte sich als Spektakel, wurde zum bloß formalisierten Tabubruch, zum vermeintlichen Skandal, der sich werbewirksam in die allgemeine Struktur einer auch damit sich immer weiter ausdehnenden Popkultur zurückübersetzen ließ. Nur dort, wo bestimmte kul­turelle Bewegungen von dezidiert emanzipatorischen sozialen Bewegungen unterstützt wurden oder Aus­druck von diesen Bewegungen waren, konnte Pop auf eine verändernde Praxis verweisen, die sich gelegentlich mit Subversionsstrategien des Pop —durchaus produktiv — überlagerte.

Pop mag hier und da, dann und wann zwar Verän­derungen der herrschenden Lebensumstände ver­sprochen haben und immer noch versprechen — ver­ändert, garrevolutioniert hat der Pop an sich allerdings in seinen fünf Jahrzehnten nichts. Im Gegenteil: Subversion wurde zum spezifischen Glücksverspre­chen der Popkultur, zur ästhetischen Ideologie — ein folgenloser, bloßer Schein. Als solcher Schein kann sich allerdings das Subversionspostulat, gerade in der Gestalt eines fortwährend erneuerten Glücksver­sprechens, zum Mythos verselbstständigen. Ein an­schauliches Beispiel dafür ist das unter dem Namen Woodstock bekannt gewordene Festival von 1969, das zum Mythos einer popkulturellen Idealgesell­schaft mystifiziert wurde, zweifellos ein großartiges Ereignis welthistorischen wie utopistischen Ausma­ßes darstellt, aber tatsächlich vor allem ein amüsant chaotisches Privatunternehmen war.

Wenn Pop als Ideologie in die gesellschaftliche Struktur eingegangen ist — »Alles ist Pop« —, dann kann nicht von der Popindustrie als ein besonderer Bereich innerhalb von Kultur und Gesellschaft ge­sprochen werden — es sei denn, man erörtert betriebs­wirtschaftliche Probleme einzelner Firmen in be­stimmten Branchen.

Sofern die Popkultur jedoch historisch die Erwei­terung beziehungsweise Transformation der als Kul­turindustrie beschriebenen Gesellschaftsstruktur und ihren Ausdruckszusammenhang darstellt, wäre —eben im Sinne eines soziales Verhältnisses — von einer Popkulturindustrie zu sprechen.‘

Pop verschwindet nicht, er wird nur belanglos Für den Pop bedeutet das Erwachsensein gähnende Langeweile, Verlust jeder pop-spezifischen Dyna­mik, letztendlich Tod. Angesichts der gegenwärti­gen Situation kann man sagen, dass der Pop mehr als erwachsen geworden ist: Er ist vergreist, dement, veraltet, obsolet gewor­den (zu erinnern ist an Adornos Befund vom Altern der Neuen Musik, 1955 formuliert — also im selben Jahr, in dem Soul und Rock ’n‘ Roll geboren werden). Entwachsen ist der Pop, nämlich im geriatrischen Prozess infantil geworden; Pop wiederholt seine Kinderzeit, will die wildesten Jahre zurück, die unwiederbringlich ver­loren sind.

Zu sehen und zu hören ist das vor allem am naiven Verhältnis des Pop zur Gesellschaft, am naiven Ver­hältnis zu Ökonomie und Politik, am naiven Verhält­nis schließlich zur Religion. Das Weltbild, das der Pop anbietet und nachdem er sich selbst die Welt zurechtlegt, ist regressiv. Eine Regression, die in großen Teilen nicht anders als menschenverachtend bezeichnet werden kann — und zwar gerade da, wo man sich krude Menschlichkeit auf die Fahne ge­schrieben hat: Da sind beispielsweise die Casting­und Talk-Shows, die ihre Kandidaten vorführen, erniedrigen und vor allem sich selbst erniedrigen lassen, und die sie, nachdem ihre emotionalen Rest­reaktionen (Freude, Wut, Traurigkeit) psychisch völlig entkernt sind, in die auf Hartz-IV-Niveau herabgesunkene Leistungsgesellschaft einpassen. Jeder ist seines Glückes Schmied, und zwar auch wenn dem Schmied Langzeitarbeitslosigkeit und sozialer Anstieg bevorstehen, und man ohnehin nicht Schmied werden wollte.

Regression in der Überalterung der Popgesell­schaft zeigt sich insbesondere in den als Meinungen und wissenschaftliche Erkenntnisse gleichermaßen getarnten Ideologien, mit denen im Web-2.0-Zeital­ter, in dem, wo alle etwas sagen können und viele glauben, dass sie etwas sagen müssen, die Welt pseudotheoretisch bestätigt wird und darüber hinaus überhaupt erst erschaffen wird; beispielsweise ist an die Wiederkehr des Biologismus und seine blinde, populistische Akzeptanz zu erinnern, aber auch an Figurationen des Rassismus, Antisemitismus, Se­xismus. Nicht zu übersehen ist, dass die größten Comedy-Erfolge, gerade in Deutschland, auf elen­den »Frauen-sind-so/Männer-sind-so«-Kalauern, auf Schwulenwitzen und nationalistischen Stereotypi­sierungen basieren.

Zu beobachten ist die Regression auch im Ver­hältnis des Pop zur Religion. Nur noch Restspuren des alten, ursprünglich ketzerischen und mitunter befreiungstheologischen Kinderglaubens, wie er vor allem in den Fünfzigern bis Siebzigern im Soul oder Rock ’n‘ Roll zu finden war, sind vorhanden. Dage­gen ist die derzeitige Wiederkehr des Religiösen auch und gerade im Pop Rückfall in den Mythos und Fundamentalismus, eine Abkehr vom Mate­rialismus, der merkwür­dig mit einem neuen Bio­logismus und einer neu­ro-technologischen Rati­onalität einhergeht.

Erwachsen war der Pop hingegen, wo er über sich selbst aufgeklärt fähig war, Utopien zu entwerfen, wo er seine Kunst politisierte, indem er die Ästheti­sierung der Politik, die ja wesentlich die Struktur der kulturellen Formationen des zurückliegenden Jahr­hunderts ausmacht, als künstlerisch-politisches Mit­tel entdeckte: In der Mode, in der Musik, im Film, in der Alltagspraxis — also immer dann, wenn von einer Neuen Welle, von New Wave und Nouvelle Vague etc. bewusst die Rede war.

Die Popkultur verschwindet zunehmend in symbolischer Bedeutungslosigkeit

Die Gesellschaft, in der wir leben, eine Gesellschaft des globalen Kapitalismus, ist gleichzeitig integrativ und desintegrativ. Sofern diese Gesellschaft in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ihre wesentlichen Konturen gewann, hatte Pop daran, als

Ideologie, seinen wesentlichen Anteil; Pop machte es möglich, sich in der von Widersprüchen zerrisse­nen, also fragmentierten Gesellschaft trotzdem im Sinne einer Totalität der Lebensverhältnisse zu iden­tifizieren.

Diese Kraft der Integration hat Pop verloren, gerade weil die dem Pop ehemals inhärenten verstö­renden, irritierenden und zugleich reflexiven Mo­mente verallgemeinert und liquidiert wurden. Ein »Alles ist Pop« markiert zugleich das Ende des Pop.

Das Ende des Pop ist aber allemal kein Aufhören; Pop wird nicht leiser oder bescheidener, sondern eher gröber, lauter, brachialer — und auch dümmer. Pop verschwindet nicht, er wird nur belanglos. Und das gerade in der kaleidoskopartigen Vielfalt, mit der sich der gegenwärti­ge Pop präsentiert. Allerdings ist diese Viel­falt kein Wert an sich, reines Epiphänomen, das heißt weder eine formale noch inhaltliche Qualität. Man könnte sagen: die Quantität hat ihre dialek­tische Umschlagskraft in Qualität verloren; ob es sich bei der beschworenen Vielfalt um zum Beispiel ein Potpourri von Nazirockbands, Schlagertechno und Volksmusik handelt oder um kluge Experimen­talversuche, ist für das Image der Vielfalt völlig unerheblich. Das färbt auf die akademische Auf­merksamkeit, die dem Pop seit einiger Zeit durch so genannte Medien- und Kulturwissenschaften zuteil wird, ab: Den diversen Forschungen zu unterschied­lichen Pop-Phänomenen fehlt zumeist das kritische Erkenntnisinteresse ebenso wie die kritische Dis­tanz zum Gegenstand.

Aus der semiotischen Katastrophe, für die eine radikale Pophaltung einmal einstand und die sie selbstbewusst und kritisch provozierte, folgt eine Banalisierung, mit der gegenwärtig die Popkultur zunehmend in der symbolischen Bedeutungslosig­keit verschwindet.

 

____________________________________________________________________________________________________ THEMA: POPMUSIK & KULTURPOLITIK

 

»Alles ist Pop« mündet im Ende des Pop. Die Popkultur entwickelte sich aus der Pop-Art; dass Popkultur mit Pop­musik und vice versa synonym ist, galt über Jahrzehnte als ob­ligatorisch. Das Ende der Idee des Pop kündigt sich aber an, wo die popkulturelle Identität der Individuen nicht mehr über Musik funktioniert, jedenfalls nicht mehr über den musikali­schen Kontext, wie er etwa für jugendliche Subkulturen der fünfziger bis späten achtziger Jahre verbindlich war: gerade die Haltung eines spezifischen »Pop I«, wozu etwa auch der Subversionsanspruch gehörte, hat sich zu einem ubiquitären »Pop II« verallgemeinert

 

(Diedrich Diederichsen).

Allein deshalb kann sich kritische Forschung al­lein auf die Phänomene nicht verlassen. Dass Kultur keine Invariante ist, gilt auch für die Popkultur. Mehr als vorhergehende kulturelle Formationen ist der Pop gerade in seiner historischen Dynamik als soziales Verhältnis zu bestimmen, im Kontext des gesellschaftlichen Ganzen, nicht an und für sich oder aus sich heraus zu fassen. Pop ist kultureller Aus­druckszusammenhang.

Der Pop endet in seiner Belanglosigkeit. Thesen Das Ende des Pop ist von seinem Ursprung her zu denken. Nur so ist eine historische Kritik der sich selbst historisierenden Popphänomene überhaupt möglich: Es gilt, sie als materiellen Lebensprozess zu fassen, nicht einfach nur als das ideelle oder eben ideologische Substrat.

Die (unbegriffene) Allgemeinheit des Pop ist am (ebenfalls unbegriffenen besonderen) Phänomen dabei nicht zu fassen. Pop war nie Teil der Gesell­schaft, sondern als Kultur (Popkultur) immer schon auf eine Absorbierung der gesellschaftlichen Totali­tät ausgerichtet; Pop war nie: Freizeit, Feierabend, Kulturprogramm und Programmkultur, Musik, Ra­diomusik, Spartenmusik.

Pop entsprach einer Kultur als »whole way of life«, als Lebensweise. Als Kultur fungierte Pop als Ausdruckszusammenhang: Ausdruckszusammen­hang nämlich einer Politischen Ökonomie, konkrete oder pseudokonkrete Manifestation des Kapitalis­mus.

Pop war immer, in all seinen Erscheinungsfor­men, die Verlängerung der Kulturindustrie (wobei die Kulturindustrie nicht bloß jene Bereiche der Wirtschaft bezeichnet, die »Kultur« produzieren;

Kulturindustrie ist die Gesellschaft in ihrer Gesamt­heit als Produktionsverhältnis).

Die soziale Funktion des Pop war wesentlich die des Kitts. Auch die Funktion der als Subkultur erscheinen­den Bereiche der Popkultur zielte auf Integration und Identifikation mit der bestehenden Ordnung.

Das Versprechen der Subversion löst sich im non­konformistischen Charakter der Konformität ein; das ist indes keine »kulturtheoretische« oder gar »medientheoretische« Figur, sondern eine sozial­psychologische.

Pop hat den Kapitalismus nicht verändert, son­dern der Kapitalismus hat seine »Kultur« verändert: Pop war das Resultat dieser Veränderung. Die Pop­kultur ist die Gesellschaft des Spektakels.

Pop annullierte die Differenz zwischen Hoch-und Massenkultur und setzte dagegen eine neue, nur scheinbar horizontale, tatsächlich aber vertikale De­markationslinie: Subkultur und Mainstream-Kultur (oder »ordinary culture«).

Pop überlagert die sozialen Verhältnisse, deren Ausdruck er zugleich ist. Die sozialen Verhältnisse befinden sich in einem Zustand der Krise. Die Krise, die der Struktur des Kapitalismus eingeschrieben ist und deren besonderen Ausbrüche allenthalben und gegenwärtig zu erleben sind, wird durch den Pop kaschiert.

Zu behaupten, der Pop sei in der Krise, heißt, die Realkrise des Systems zu vertuschen oder zumindest nicht ernst zu nehmen.

Zwar finden zahlreiche Krisenmomente auch im Pop ihren Ausdruck, der Pop »an sich« kann aber gar nicht in der Krise sein.

Der Pop endet in seiner Belanglosigkeit. Das Ende selbst wird belanglos.

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Diktatur der Freundlichkeit

N.N.
Diktatur der Freundlichkeit

HerrMann. Die falsche Stimme im Männerchor N° 5 / 1985

„Daß ausgerechnet die Betroffenheit den Leninismus entwaffnet hat, nein, das ist nicht gerecht.“

Gleich vorweg: dieses Buch könnte, nein: sollte für ‚die‘ bewegten Männer so wichtig werden wie seinerzeit die „Männerphantasien“. Eine Gruppe von Autoren/innen nimmt sich der Vielfalt der Selbsterfahrungs-, Encounter- und bodywork — Gruppen an, die im Kleinanzeigenteil der Zeitungen ihr (Un-)Wesen treiben. Sprache, Ideologie und Praxis dieser „gewerbsmäßigen Lebenszuhälter“ hängen mit sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen zusammen, die im Buch untersucht werden. Endlich jemand, der nicht nur Bhagwan — die Spitze des Eisbergs -, sondern auch den. Rest des therapeutischen Okkultismus vom Kopf auf: die Gummifüße stellt.

Zugegeben, die Kritik ist ätzend, geschrieben mit dem teilweise schon hilfslosen Zynis­mus von Kopfarbeitern, die sich gegen den überall verbreiteten Wortschleim (man kann es trotz Theweleit nicht anders nennen) zur Wehr setzen. Auch wenn einem zu Anfang die 793. Exegese der ersten „Kapital“-Kapitel nicht erspart bleibt, die Kritik trifft uns und die sogenannte Männer­bewegung genauso.

Thema ist der psychologische Zustand der linken Szene nach dem zeitigen Hinscheiden der kopfbetonten Siebziger und der mehr pflastersteinbetonten frühen Achtziger. Da kehrt eine Frau aus der so schrecklich autonomen Frauenszene, die Courage-Redakteurin Karin Petersen, heim ins väterliche Bhagwan-Reich. Da lesen wir erschrocken in faschistischen Büchern der 20er Jahre vom „neuen Körpergefühl“, von gesunder Ernährung, vom „authentischen, ganzheitlichen Leben“, vom „Du-selbst-sein-wollen“, alles Begriffe, die in vielen Männergruppen ihren festen Platz haben. Da trainieren US-amerikanische Manager schon seit 20 Jahren „Einfühlungsvermö­gen, Wärme und Echtheit“, frei nach den Prinzipien der behavioristischen Psychologie, die der modisch-geheimnisvollen „radikalen Therapie für Männer“ um Lichtjahre voraus ist. Da kaut die Männerbewegung auf einem total ausgeleierten Rollenbegriff herum, der — wie die Biologie in den 20er Jahren — ein Instrument der bürgerlichen Kulturkritik sein soll und will.

„Suchet euch selbst!“ forderte Max Stirner, der Philosoph der Boheme im letzten Jahr­hundert. Schon damals mußte er sich die beißende Kritik seines Zeitgenossen Karl Marx anhören, der — überraschend aktuell — dazu bemerkte: „Er nimmt die Welt als das, was sie ihm ist, d.h. als das, als was er sie nehmen muß.“ Sektglas (und Sichel) als Vorstufe zur Yuppie-Philosophie? Kör­perarbeit und Hantelstemmen als Ersatz für den verlorenen Arbeitsplatz und Barrikadenbau? Alles Probleme und Fragen, die zu stellen allein in manchen männerbewegten Zirkeln sich den Vorwurf der Kopflastigkeit gefallen lassen müßte.

Die Repression wird stärker. Nur scheint sich zur Zeit in unserer Gesellschaft neu zu ent­scheiden, wen sie in Zukunft am meisten trifft und wie. Jeder kapitalistische Staat lebt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Ausgebeuteten in irgendeiner Form dem Gewaltmonopol und der kulturellen Hegemonie der herrschenden Klassen zustimmen. Eine der zukünftig möglichen Herrschaftsformen könnte die „Psychokratie“ sein, die freiwillige Selbstverwaltung der Ausbeu­tung durch die Ausgebeuteten nicht als ideologische Utopie, sondern als real-existierende Wirklichkeit. „Die konkrete Utopie kapitalistischer Herrschaft zielt auf den nur mehr gelegentli­chen symbolischen Gebrauch zu pädagogischen Zwecken. Die manifeste Gewalt ersetzt sich durch die Mikrophysik der Macht, die Bündelung von Konsenstechnologie und sanftem Zwang.“ Im Klartext: trainieren die unzähligen Selbsterfahrungsgruppen nur psychische Techniken, die sie die Repression besser ertragen lassen?

Gerade die avantgardistische Subkultur, die immer zuerst neue Lebensformen auspro­biert, ist auf dem besten Weg, den Kapitalismus erst recht auf die Spitze zu treiben. Soziale Zu­sammenhänge gibt es kaum noch. Ziel ist, „die Arbeit als quasi-gesprächstherapeutische Situation zu organisieren.“ Nur die dümmsten Kälber organisieren ihre Ausbeutung selber, sollte man den­ken. Weit gefehlt. Sie spritzen sich sogar die Hormone selbst, daß ihnen das Grinsen bei ihrer eigenen Abschlachtung nicht vergeht. Dabei liegt wieder mal nur schlechte Ökonomie zugrunde. Die „Philosophie der Zwischenmenschlichkeit, die heute in den Encountergruppen als Freizeitspaß konsumiert wird, hat ihre historischen Wurzeln in den Problemen des kapitalistischen Umgangs mit Arbeitskraft.“

Verantwortung, Liebe, Solidarität, gar Ansprüche? Alles Quatsch. Man propagiert: „Ich tu, was ich tu, und du tust, was du tust. Ich bin nicht auf dieser Welt, um nach deinen Erwartungen zu leben…Und wenn wir uns zufällig finden — wunderbar.“ Man meint, einen Ausschnitt aus einem alternativen Beziehungsgespräch gehört zu haben. Dabei handelt es sich um das „pseudoreligiöse Credo“ (Glaubensbekenntnis) des Erfinders der Gestalttherapie, F. Perls. Die Arbeitswissenschaft bringt die totale Psychologisierung der Gesellschaft und die aggressive Vermarktung von „Psycho­ware“ am geschicktesten an den modernen Mann. Traditionelle Modelle hierarchischer Betriebs-

 

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führung gelten als überholt, die moderne Psychologie empfiehlt die „Humanisierung der Arbeit“, um die „Psychodynamik der Kleingruppe für die Produktion zu nutzen.“ Im Abschnitt „Psychowa­re — der pornographische Blick ins fungible Subjekt“ zitieren die Autoren die Grundsätze des schö­nen neuen Menschen: Offenheit. Diese Menschen sind offen für die Welt — die innen wie der draußen — Verlangen nach Authentizität. — Sie lehnen Heuchelei, Betrug und Doppelzüngigkeit, die für unsere Gesellschaft so charakteristisch sind, ab. Sie sind offen in Bezug auf ihre sexuellen Beziehungen, statt ein heimlichtuerisches Dasein oder ein Doppelleben zuführen. Der Wunsch nach Nähe. Sie suchen neue Formen der Nähe, der Intimität, des gemeinsamen Ziels. Prozeßbe­wußtsein. Sie sind der Tatsache gewahr, daß die einzige Gewißheit im Leben die Veränderung ist -daß sie sich ständig in einem Prozeß, ständig in Veränderung befinden. Ablehnung der Institu­tionen. Sie haben eine Abneigung gegen überstrukturierte, unflexible, bürokratische Institutionen. Sie glauben, daß eine Institution für die Menschen da sein sollte, nicht umgekehrt.

Preis- und Gewissensfrage: Von wem stammen diese Leitsätze? Aus einem Programm der deutschen Männerbewegung? Von Petra Kelly? Von Bhagwan? Von Orwell? Oder vom re­aktionären Flügel der US-amerikanischen Psychologie?

Am Anfang war die Selbsterfahrung in der Kleingruppe. Die Ursachen des allgemeinen psychischen Elends lassen sich nicht beseitigen, also ignoriert man sie — irgendwas muß man ja tun. Erster Schritt: Gefühlsmäßige Abhängigkeit kann sich niemand mehr leisten. Also: schaffen wir autonome, nur sich selbst verpflichtete Supermänner! Zweiter Schritt: Wer seinen Arbeitsplatz verliert, kann es sich nicht leisten, schlecht drauf zu sein — das nächste Bewerbungsgespräch könn­te schon warten. Fazit: nicht dem Chef eins zum Abschied in die Fresse hauen, sondern rein in eine Psychogruppe! Der verständnisvolle, „psychiatrische“ Führungsstil in der Firma hilft den ver­bleibenden Mitarbeitern, den Verlust ihres Kollegen besser zu ertragen. Dritter Schritt: frustrierte Männer sprengen den ganzen Erdball in die Luft. Alles nicht so schlimm! Wenn erst die gesamte Gesellschaft nach dem Modell Oregon psychologisiert ist, haben wir alle nichts zu furchten.

Interessant ist der Lebenslauf des Management-Trainers K. Lewin, der schon 1920 ein Buch über die „Psychologisierung der Arbeitsmethoden“ schrieb, in dem er die friedliche Lösung sozialer Konflikte pries. 1962 gründete er mit anderen Psychoware-Herstellern eine Okkultzentrale in Kalifornien. Er fordert die“ Entwicklung eines jeden Einzelnen zu höchster Stufe der Verwertung seiner Fähigkeiten. „Jedem nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen? Von wem hat er das abgeschrieben? Von Taylor, dem wissenschaftlichen Theoretiker der Fließbandarbeit? Von Karl Marx? Von einer deutschen „body und ghost“ — Gruppe? Oder wieder vom Messias aus Ore­gon ?

„Die Anwendung psychotechnischer Methoden, die von der Sozialdemokratie politisch repräsentiert wird, drängt nach der Umarbeitung der Gesellschaft in ein großen verhaltenswissen­schaftliches Psycho-Laboratorium, in dem sodann und folgenlos noch „mehr Menschlichkeit“ ge­übt werden darf.“

Bhagwan steht als massenpsychologischer Prototyp für alle gesellschaftlichen Bewe­gungen, deren Wurzeln zwar in einem sozialen Protest zu suchen sind, deren Ziele aber nicht die Stärkung des politischen Widerstands, sondern die Umformung der verelendeten Individuen durch Selbsterniedrigung ist. Selbstunterwerfungsbewegungen haben etwas mit protestantischer Kultur, mit Schuld und Sühne zu tun. Sie spiegeln fast immer gewaltsame historische Ereignisse voraus wie etwa den deutschen Faschismus. Nicht zufällig sind Frauen in diesen Bewegungen über-re­präsentiert, weil sie Eigenschaften wie Demut, Leidensfähigkeit und Abhängigkeit traditionell leichter ertragen und akzeptieren als Männer.

„Die Aggression wird teils nach innen gewendet — die Unterwerfung teils geleugnet und in spiritualistischer Form beim Führer deponiert…hinter der Beziehung Therapeut — Patient steht im Ashram stets der als Schutzschild für alles Gute und Blitzableiter für alles Böse funktionierende Bhagwan. Zu erwarten ist darum bei den entlassenen Schülern/Patienten über kurz oder lang die Wiederkehr der Aggression — in erster Li nie in Form der Selbstzerstörung.“ Wie in einer richtigen Beziehung: man ist nicht wütend auf den, der einen verletzt hat, sondern auf sich selbst, weil man verletzt ist. Fragwürdig sind aber nicht alle Rituale und Praktiken, die ein Gruppenbewußtsein fördern (z.B. homo„erotische“ Mannbarkeitsriten bei der HJ, magische Zirkel und bodywork bei Frauen- und Männerbewegung), sondern die „totalitäre Einbindung solcher psy­chologischer Techniken in ein politisches Programm zum Zwecke der Massenbeherrschung.“ Die Massen beherrschen kann nur jemand, wenn die Massen vorher kräftig geübt haben!

Ein zentraler Abschnitt des Buches heißt „Unter den Zwischenmenschen“. Er handelt von der „Verwandlung der bürgerlichen Gesellschaft zur therapeutischen Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit.“ Die neue Konjunktur des Okkultismus signalisiert leider, „daß es um die Fähig­keit der Menschen, dem Kapitalismus das wohlverdiente Ende zu bereiten, schon wieder ein mal schlechter bestellt ist als um die Bilanzen.“ — „Sein Schicksal sich aus den Lebenslinien lesen zu lassen, das. ist allemal gefühlsintensiver als es in die eigene Hand zunehmen.“ Dem Okkultismus entspricht die Hochkonjunktur des Wörtchens „ich“. Ein Satz ohne „ich“ läßt vermuten, daß es sich dabei um eine Meinung handelt, die der Sprecher nicht völlig authentisch aus dem Bauch ge­lassen hat, sondern die nur ein Produkt unzulässiger intellektueller Arbeit war, was unverzüglich

 

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zu hinterfragen ist. „Nicht was einer tut — etwa Geld verdienen oder mit anderen das Geld abschaf­fen — ist entscheidend, sondern was er dabei empfindet und ob er mit ganzem Herzen dabei ist.“

Der Rezensent hat noch Zitate aus männerbewegten Veröffentlichungen dabei: „Formelles Denken und Fühlen in der Übertreibung widerspricht unserem Ansinnen, widerspricht einer gefühlvollen Politik.“ — „Ich habe es nicht so empfunden, daß meine Inhalte und mein Füh­len ernst genommen wurden.“ — „…hatte ich eine Ideen-Werkstatt eingerichtet, die die neuen In­halte erfühlen sollte.“ So ist es recht: in den modernen workshops wird nicht mehr gearbeitet, son­dern nur noch gefühlt. Und in der neuen verkehrten Welt bekommt man keinen Lohn, sondern muß für die geleistete Gefühlsarbeit auch noch bezahlen. Wenn das Gefühl zum Maßstab der Wichtigkeit wird, existiert die ungerechte Welt für den Fühlenden nur noch in den Ausschnitten, die sein Bauchnabel zuläßt. Das Brett vor dem Kopf nicht als Waffe, sondern als politisches Pro­gramm. Wunsch und Wirklichkeit, Wille und Welt werden unmittelbar identisch. Als klinisches Symptom nennen die Ärzte das „Autismus“, als sozialer Habitus nennen wir es „ganzheitliches Lebend

„Das Wunder ist Authentizität, die dem Einzelnen den inneren Lebensraum kolonisiert, ihn als Trümmerfrau seines Seelenlebens anstellt — eine Arbeit, deren Endlosigkeit den gewünsch­ten Lebenssinn fließbandmäßig hervorbringt.“ Es gibt ja schon Männer, die voller Stolz auf eine 10jährige Männergruppenerfahrung zurückblicken könne, aber in das nächste Kellerloch springen, wenn sie ein Verkehrsbulle mal scharf an blickt.

Der betroffene Mensch kämpft heroisch um seine Selbstfindung. Er ficht nicht gegen die Herrschaft von Menschen über andere, sondern streitet gegen „Anonymität“, gegen das mangelnde Selbstgefühl. Erst nach der Behebung der Orgasmusschwäche ist eine Demo gegen die US-In­terventionspolitik in Nicaragua wieder möglich und erlebbar. Aber zumeist kommt es . nicht dazu. „Das Programm des „Leben — Erleben — Überleben“, das in überschaubaren Kleingruppen einge­drillt wird, drängt danach, die Gesellschaft zu überdimensionierten Gummizellen zu humanisieren, in der man ein jedes Gefühl erleben oder einfach nur zulassen oder akzeptieren oder austoben

kann. CC

Das Buch nähert sich aus verschiedenen Blickwinkeln dieser Tendenz. Jeder kommt auf seine Kosten und jeder kriegt auch sein Fett ab: der Dschungel der weiblichen Gefühle, Bahros Öko-Ashram, die neuesten Tendenzen des Psychowaren-Marktes und die unheimlichen ökolo­gischen Begegnungen der dritten Art.

Initiative Sozialistisches Forum
Diktatur der Freundlichkeit
Freiburg: p ira 1984

 

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Psychokratie

© Jürgen Niessen / pixelio.de

„Die Welt ist überbevölkert. Nahrung kann nur noch durch eine unizentrale Planwirtschaft produziert und gerecht verteilt werden. Neben synthetischen Nahrungsmitteln werden im Wesentlichen Leichen zu Lebensmitteln verarbeitet. Die Märkte der real existierenden Konsumgüter sind weitestgehend zusammengebrochen. Der materielle Wohlstand ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Häuser, Straßen und die Menschen selbst zerfallen und verwahrlosen.

Psychopharmaka, Maskone und Wissenspillen
© Harry Hautumm / pixelio.de

Daher kommen Maskone zum Einsatz, die in ihrer Wirkung eine Welt suggerieren, die angenehm zu betrachten ist. Zudem werden Psychopharmaka versprüht, die ein größtenteils friedliches Leben erzwingen. Sie ergänzen die „Welt der schönen Dinge“. Maskone sind demnach hochqualitative Halluzinogene. Bis auf eine Pharma- und Futorologen-Elite, wird der gesamten Menschheit eine Basis-Halluzination geschaffen. In ihr werden Strohmatten zu Parkettböden, Schimmel an den Wänden zu Freskenmalereien, rostige Fahrräder zu Luxuskarosserien. Auf dieser Basis-Halluzination werden dem Individuum eine Vielzahl von Psychopharmaka, Maskonen und Wissenspillen angeboten, mit denen es sein Leben nach seinen rest-individuellen Bedürfnissen gestalten kann. Gefühle werden auf Knopfdruck produziert. Luxus wird in jeder Form eingebildet möglich. Spontanität verlagert sich hin zu der Entscheidung, welche Pille nehme ich in diesem Augenblick. Die bevorstehende Emotion ist dabei bereits fest eingeplant und kann kaum verfehlt werden. Sogar die Teilung der Persönlichkeit kann erzwungen werden, damit man einen interessanten Gesprächspartner erhält.

Die Psychokratie ist somit der Tod der Subkulturen. Zwar gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, sein Leben farbenfroh zu individualisieren, sogar Prostest und Wut auf die Sekunde genau zu programmieren, jedoch sind dies nur vorübergehende Zustände, die kaum auf die Interaktion mit dem Mitmenschen abgestimmt werden sollen. Der Protest finden weitestgehend isoliert statt und ist zur Unterhaltung gedacht. Eine Subkultur dagegen lebt von einem Lebensgefühl, welches sich bewusst gegen die „zentralen Normen“ ausrichtet oder zumindest abkapselt. Dabei spielt das Zusammenwirken mit Gleichgesinnten eine zentrale Rolle. Es wird durch bestimmte Musik, Kleidung, Philosophie etc. begleitet, ein Lebensgefühl wird zur Alternative zur herrschenden Mehrheitskultur. Davon kann in einer Psychokratie nicht mehr die Rede sein, schließlich werden bereits zentrale Aspekte des Lebens durch die Basis-Halluzination festgelegt, grundsätzlich wird jede Art des Revoltieren unterbunden und es geht den Menschen fortan nur noch um Stimmungen, die mehr aus dem Bedürfnis nach Unterhaltung als aus festen Positionen heraus künstlich produziert werden. Zudem besteht eine allgemeine Befürwortung der  zentralen Kultur, der Basis-Halluzination. Insgesamt werden pro Erdenbewohner durchschnittlich 190 Kilogramm psychoaktiver Substanzen jährlich aufgenommen.

http://www.menschenpark.de/subkult-feindsysteme/psychokratie/

Nicht jeder ist therapierbar

Mordfall Marie: Abgründe der Seele | Die Weltwoche, Ausgabe 11/2016 | Donnerstag, 17. März 20

Was ist das Böse? Der Prozess gegen Claude Dubois in Lausanne
liefert eine Ahnung: Der Mörder der Serviceangestellten Marie ist 
untherapierbar. Findet das Gericht den Mut, den Psychopathen 
lebenslänglich zu verwahren?

Von Alex Baur

Marie Schluchters Beitrag zur Klärung des Verbrechens erschöpft sich im verzweifelten Hilferuf: «Aidez-moi!» Am Abend des 13. Mai 2013 beobachtet eine Spaziergängerin, wie Claude Dubois die 19-jährige Serviceangestellte beim Golfklub von Payerne VD in sein Auto zerrt. Die Zeugin alarmiert sofort die Polizei, welche die wohl grösste Suchaktionen auslöst, die es in der Waadt je gab. Achtzehn Stunden später wird Dubois nach einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd verhaftet. Allein er weiss, was in diesen achtzehn Stunden passiert ist. In der ­folgenden Nacht führt er die Polizei zu Maries Leiche, die er im Wald zurückgelassen hat.

Dubois hat gestanden, Marie entführt, ge­fesselt und acht Stunden später erdrosselt zu ­haben. Er hat sogar detailliert beschrieben, wie er sein Opfer in den Wald verschleppte; wie er Marie dort von seinem ersten Mord und vom Gefängnis erzählte; wie er ihr offenbarte, dass auch sie jetzt sterben werde; wie sie um ihr ­Leben flehte; wie er das terrorisierte Mädchen an den Brüsten streichelte; wie sie versuchte, ihn mit Zärtlichkeiten umzustimmen, «um ­ihre Haut zu retten»; wie er Marie nach stundenlangem Psychoterror schliesslich mit ihrem Gurt erwürgte (was zehn Minuten gedauert ­habe, da er zuerst die richtige Position finden musste); wie sich Marie bis zu den letzten ­Zuckungen gegen den Tod stemmte.

So steht es in der Anklageschrift geschrieben, die mangels einer Alternative auf Dubois’ Schilderungen baut – auf den Worten eines nach der Einschätzung des Staatsanwaltes «fundamental bösen» Manipulators also, dem man eigentlich kein Wort glauben darf.

Versessen auf Details

Der heute 39-Jährige redet eloquent, und er redet gerne, wie er letzte Woche in Lausanne vor Gericht eindrücklich demonstrierte. Dubois ist geradezu versessen auf Details. Wenn er denn will. Denn worüber er redet und was er verschweigt, das entscheidet allein er. Es war sein Prozess, die Show des Claude Dubois, und er schien sich in seiner Rolle zu gefallen.

Ganz im Habitus eines versierten Anwaltes machte er sich immer wieder Notizen zum Prozessverlauf. Wenn er das Wort ergriff, ­dozierte er vornehmlich über angebliche Versäumnisse des Staatsanwaltes oder prozes­suale Mängel. Mal verwarf er die Arme theatralisch, um eine Pointe zu unterstreichen, mal legte er eine Kunstpause ein, um eine Spitze an die Adresse des Privatklägers wirken zu lassen. Auf der Suche nach dem treffenden Zitat blätterte der Angeklagte gekonnt in den Akten, ohne deshalb seinen Redefluss zu unterbrechen. Und wenn er über Marie redete, die er angeblich aus der Prostitution befreien wollte, ­mutete es an, als sässe nicht Dubois auf der ­Anklagebank, sondern sein Opfer.

Nur die entscheidenden Punkte mied er konsequent. Was waren seine Motive? Wann fasste er den Mordplan? Was dachte, was fühlte er dabei? Dubois machte zwar immer wieder Anspielungen, doch diese verwirren mehr als sie klären. Die Gefühlswelt des einschlägig vorbe-
straften Mörders ist und bleibt hermetisch verschlossen wie eine Blackbox. Und irgendwann beschlich einen die grausliche Ahnung, dass dieser im persönlichen Umgang durchaus angenehme Herr gar keine Gefühle kennt – weder Mitleid noch Liebe, aber auch keine Hemmungen, keine Furcht. Was immer Dubois sagte, blieb auf eine eigentümliche Art abstrakt und unverbindlich. Bei der Rekonstruktion des Verbrechens müssen wir uns also wohl oder übel mit den äusseren Umständen und der Vor­geschichte begnügen.

Diese Geschichte beginnt im Herbst 1997. ­Dubois war damals 21 Jahre alt und lebte noch bei seinen Eltern im Kanton Freiburg. An sich hätte er Bauzeichner werden sollen, um dereinst die elterliche Firma zu übernehmen. Doch nach einem Zwischenjahr an einem Internat in Zug entschied er sich für eine KV-Lehre. Das Büro sagte ihm aber auch nicht zu. Nach der ­Rekrutenschule lebte er ein paar Monate von der Arbeitslosenhilfe, danach jobbte er lust- und ziellos als Elektronikverkäufer.

In jener Zeit trennte sich seine Freundin Pascale von ihm. Der knapp zehn Jahre älteren Zahnarztgehilfin waren seine herrischen Allüren unerträglich geworden. Dubois bedrohte und bedrängte sie nun erst recht. Auf beiden Seiten versuchten Angehörige zu vermitteln, vorerst erfolglos. Nach Weihnachten schien er sich zu beruhigen. Doch es war die Ruhe vor dem Sturm. In einer geplanten Aktion entführte Claude Dubois am 14. Januar 1998 Pascale in ein Ferienhaus und richtete das um sein Leben flehende Opfer nach einer vierstündigen Foltersession mit fünf Schüssen buchstäblich hin (Weltwoche Nr. 21/13, «Drama eines angekündigten Mordes»).

Zwei Jahre später wurde Dubois wegen Mordes und Vergewaltigung zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Vor Gericht zeigte er ­keine Spur von Reue und gab dem Opfer alle Schuld. Gerichtspsychiater Jacques Gasser diagnostizierte eine «pervers narzisstische» Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen. Es sind die klassischen Merkmale eines Psychopathen. Obwohl Dubois keiner Therapie zugänglich war, schätzte Gasser die Gefahr eines Rückfalls als gering ein. Eine Wiederholung derselben Tatkonstellation war nach seiner Meinung unwahrscheinlich. Gasser irrte.

Das zeigte sich spätestens im Gefängnis, wo Dubois via Internet eine Beziehung zu Valérie knüpfte, auch sie eine Zahnarztgehilfin. 2004 heiraten die beiden im Gefängnis. Die Ehe scheitert nicht etwa wegen der Haft, sondern weil der eifersüchtige Dubois seiner Frau bei ­einem Besuch an die Kehle ging. Unbeaufsichtigte Kontakte wurden daraufhin strikte unterbunden. 2008 bestätigte der Lausanner Psych­iater Philippe Delacrausaz in einem Gutachten die Gefährlichkeit von Dubois, er warnte vor seiner Manipulierfähigkeit und einer grossen Rückfallgefahr. Als ob es eines Beweises noch bedurft hätte, bedrohte Dubois seine Frau mehrfach. Sie liess sich in der Folge scheiden.

Im Mai 2011 hat Dubois zwei Drittel seiner Strafe verbüsst, theoretisch wäre eine Entlassung nun möglich. Doch das Waadtländer Kantonsgericht verweigert dem notorischen Einzelgänger, der bislang jede Therapie abgelehnt hat, die ersehnte Freiheit. Weil man aber davon ausgeht, dass der Mann spätestens 2018 auf jeden Fall entlassen werden muss, kommt er in eine offene Anstalt. Dubois verhält sich unauffällig, disziplinarisch gibt er keinerlei Anlass zu Klagen. Ein Jahr später schmettert das Gericht trotzdem den nächsten Antrag auf vorzeitige Freilassung ab. Dubois wird mit ­einer Fuss­fessel in eine Art offenen Hausarrest versetzt. Eine Reihe von Auflagen, darunter Gespräche mit einem Therapeuten, sollen dem Untherapierbaren einen Rahmen geben.

Im August 2012 bezieht Dubois eine kleine Wohnung in Romont FR. Dank den Beziehungen seines Vaters, der ihn auch finanziell grosszügig unterstützt – der Freigänger verfügt über ein monatliches Budget von rund 6000 Franken –, findet er schnell eine Stelle. Freunde hat er auch in der Freiheit keine. Ein Teddybär im Auto, der ihn auf dem Beifahrersitz begleitet, steht sinnbildlich für seine Einsamkeit. Umso aktiver bewegt sich Dubois in den virtuellen ­Foren des Internets. Unter dem Pseudonym «Teddy DesBois» und mit einer erfundenen Biografie bandelt er mit mehreren Frauen an.

Schon nach drei Monaten wird Dubois auf Antrag seiner Bewährungshelfer ins Gefängnis zurückversetzt, weil er Arbeitskollegen mit dem Tod bedroht und seine Ex-Frau mit Pornobildern terrorisiert hat. Doch schon nach wenigen Wochen, am 14. Januar 2013, lässt ihn eine Einzelrichterin frei. Am 18. Februar kommt ein Gutachten unter der Aufsicht des Genfer Psychiaters Gérard Niveau zum Schluss, bei Dubois bestehe nur eine «leichte Rückfallgefahr». Es ist nicht die erste fatale Fehlprognose des Foren­sikers. Niveau spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Haftlockerung von Fabrice Anthamatten, der wenige Monate später in Genf die Therapeutin Adeline Morel töten sollte.

Sechs Wochen nach seiner Freilassung, am 5. März 2013, bandelt Dubois (alias «La-vie-est-belle-je-te-le-dis») auf Skyrock mit der knapp 19-jährigen Service-Lehrtochter Marie Schluchter (alias «Kirstenhall») an. Skyrock gehört zu jenen Internet-Foren, in denen die Grenzen zwischen Prostitution und schnellen Dates fliessend sind. Aufgrund der Chats muss man davon ausgehen, dass «Kirstenhall» ihren kargen Lehrlingslohn ab und an mit bezahltem Sex aufbessert. Zwischen dem 14. und dem 28. April treffen sich die beiden vier Mal. Gemäss Dubois kam es erst beim vierten Treffen zu einem sexuellen Kontakt im Auto.

Marie, so erklärte Dubois vor Gericht, wäre schon vorher bereit gewesen, habe ihm Ange­bote gemacht. Doch er habe eine feste Partnerin gesucht, keinen käuflichen Sex. Bei den Treffen habe er ihr bewusst beiläufig Einblick in sein prallgefülltes Portemonnaie gewährt, um so ­ihre Ambitionen auf einen vermeintlich reichen Mann zu wecken. Als sie Anfang Mai erstmals eine Nacht bei ihm verbrachte, bannte er Sexszenen auf Video und teilte seine Eroberung sofort seinen Internetfreunden mit. Zugleich engagierte er einen Privatdetektiv, der Marie fortan für ihn überwachen sollte.

Hat sich Dubois unverhofft in eine Prosti­tuierte verliebt, wie er versichert? Die Aussagen von drei Frauen, zu denen er im selben Zeitraum Beziehungen unterhält, weisen in eine ganz andere Richtung. Es ist dreimal dieselbe Geschichte: Am Anfang gibt sich Dubois charmant, doch sobald die Beziehung konkreter wird, beginnt der Psychoterror eines Maniacs, der die totale Unterwerfung fordert. Die drei Frauen, unter ihnen eine erfahrene Prostituierte, können sich von ihm befreien. Übrig bleibt Marie, die Jüngste und Unerfahrenste. So gesehen, war sie wohl eher ein Zufallsopfer.

Am Samstag, dem 11. Mai, hat Marie die Nase voll. Nach einigem Hin und Her gibt sie ihm den Laufpass und sperrt den mittlerweile gewalttätigen Dubois auf ihren Chats. Doch so einfach wird man einen wie ihn nicht los. Wie eine Spinne hat er seine Beute umgarnt, ihren Bekanntenkreis und ihre Gewohnheiten ausgekundschaftet. Dubois drangsaliert Marie über eine Kollegin, sie blockt ab. Am Sonntag schickt er ihr eine letzte Message: «Bis bald.» Dann herrscht plötzlich Funkstille. Sein Therapeut, den er in diesen Tagen trifft, bemerkt nichts Alarmierendes. Ist es die Ruhe vor dem Sturm?

Wenn das Verbrechen an Marie die Wieder­holung seines ersten Mordes war, muss man davon ausgehen, dass der sadistische Plan längst in Dubois’ kaputter Seele gärte. Über ­diverse ­Kanäle versuchte er hartnäckig, aber erfolglos, sich eine Pistole zu beschaffen. Wo 
er sich in jenen Tagen aufhielt, lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Der ansonsten so gesprächige Dubois verweigert in diesem Punkt jede Aussage. Alles, was weiter­helfen könnte – Computer, Handys, seine Go-Pro-Kamera – hat er nach der Bluttat versteckt oder vernichtet, samt den Datenträgern.

Tatsache ist: Am Montag, dem 13. Mai 2013 kauft Dubois um 18 Uhr 34 eine Taschenlampe, Klebband und Kabelbinder. Es sind die Utensilien, mit denen er Marie eine Stunde später vor dem Golfplatz in Payerne fesselt und knebelt. In der Nähe ihres Arbeitsplatzes hatte er Marie aufgelauert und sie nach dem Feierabend auf der abgelegenen Zufahrtsstrasse abgefangen.

Maries private Daten als Trophäe

Dass es nach dieser Entführung kein Zurück mehr gab, weder für ihn noch für sein Opfer, musste dem erfahrenen Täter Dubois von Anfang an klar gewesen sein. Ein «crime pas­sionnel», ein Verbrechen im Affekt, wie es die Verteidigung geltend macht, sieht anders aus.Hätte eine Spaziergängerin Maries Schreie nicht zufällig gehört und die Polizei alarmiert, wäre man dem Täter kaum so schnell auf die Spur gekommen – und vielleicht auch gar nie.

Die Verteidiger von Claude Dubois liessen nichts unversucht, um die Ermittlungen und das Verfahren in Frage zu stellen. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern ihre heilige Pflicht. Ein besonderes Anliegen war für Dubois stets die Herausgabe der privaten Daten von Marie – E-Mails, Chats, Bilder, Telefon­verbindungen –, die den Ermittlern vorlagen, die sie gegenüber ihm aber nicht offenlegten. Die Sache ging bis ans Bundesgericht.

An sich gehört der uneingeschränkte Zugang zu allen Ermittlungsakten zu den fundamen­talen Grundrechten eines Angeklagten. Im vorliegenden Fall wurde es verweigert, mit gutem Grund. Denn es ist nicht ersichtlich, was die privaten Belange des Opfers zur Klärung von Dubois’ Bluttat und seinem Motiv beitragen könnte. Die Dokumentation von Maries Intimsphäre wäre für den Psychopathen nicht mehr als eine makabre Trophäe gewesen, eine letzte Genugtuung, die man ihm nicht gewähren mochte.

Der Streit um die Akten zog sich durch den ganzen Prozess. Doch nicht nur in dieser Hinsicht hat Dubois das fragile Gerüst der Straf­justiz gnadenlos aufgezeigt und ausgereizt. Der Prozess in Lausanne drehte sich im Kern um ein Dilemma, mit dem sich der Rechtsstaat seit Jahren ausnehmend schwertut: die lebenslange Verwahrung. 2004 wurde diese Norm für gefährliche und nichttherapierbare Gewalt­täter von Volk und Ständen angenommen. Angewendet wurde sie bislang aber nur in einem einzigen Fall, der allerdings nie bis vor Bundesgericht gelangte. Wird an Dubois, der sich selber als Opfer eines «politischen Prozesses» bezeichnet, nun das überfällige Exempel statuiert? Man kann sich allerdings mit dem Staatsanwalt auch fragen: «Wen will man denn sonst noch verwahren, wenn nicht Dubois?» Doch so einfach ist die Sache nicht.

Voraussetzung für die lebenslange Verwahrung (Art. 64bis StGB) sind zwei psychiatrische Gutachten, die einen gefährlichen Gewalttäter als «dauerhaft» untherapierbar qualifizieren. Die Probleme beginnen schon damit, dass es in der Schweiz und erst recht in der Romandie nur wenige forensische Psychiater gibt, die zu einer derartigen Prognose überhaupt befähigt sind (den Beizug von Psychologen schliesst das Bundesgericht aus schwer nachvollziehbaren formalen Gründen aus). Wer sich schon einmal mit einem Täter befasst hat, scheidet zudem als befangen aus. Bei Rückfalltätern wie Dubois, die bereits mehrfach begutachtet wurden, wird der Kreis der geeigneten Experten ziemlich klein.

Die fünf Psychiater, die Claude Dubois bislang untersucht haben, gelangten zu vier verschiedenen Diagnosen. Vor allem bezüglich seiner Zurechnungsfähigkeit und des Krank-
heitswertes der seelischen Störungen gehen die Meinungen auseinander. Dass wir es mit einem gefährlichen Psychopathen zu tun haben, hat zwar keiner bestritten. Die Differenzen unter den Experten mögen akademischer Natur sein, aber sie zeigen: Die Psychiatrie ist weit von ­einer exakten Wissenschaft entfernt. Ist es ­unter diesen Vorzeichen überhaupt möglich, ­einen Menschen abschliessend zu beurteilen?

Irreparable Fehlkonstruktion in der Seele

Im aktuellen Verfahren kamen der Neuenburger Psychiater Philippe Vuille und sein Solothurner Kollege Lutz-Peter Hiersemenzel einhellig zum Schluss, dass Dubois brandgefährlich bleibt und auf absehbare Zeit keiner Therapie zugänglich ist. Doch was heisst schon «absehbar»? Statistisch gesehen hat Dubois noch vierzig Lebensjahre vor sich, wie sein Verteidiger vorrechnete, vielleicht auch mehr. Kann man heute seinen Geisteszustand für das Jahr 2056 voraussagen? Die einen Forensiker sagen, der angeborene Charakter eines Psychopathen sei so unheilbar wie eine Paraplegie, keine Krankheit also, sondern eine irreparable Fehlkonstruktion in der Seele. Andere verweigern sich ­einer unbegrenzten Prognose. Vuille gehört zu Ersteren, Hiersemenzel zu Letzteren.

Das Unwiderrufliche ist uns fremd geworden in einer Zeit, in der die Wissenschaft fast täglich neue Wunder vollbringt, alles erscheint möglich. Richter tun sich instinktiv schwer damit, abschliessend über Menschen zu urteilen. Nur zu gut wissen sie, dass es immer wieder Justiz­irrtümer und Fehldiagnosen gegeben hat. Ewig ist im Leben nur der Tod, und die Todesstrafe fordert heute in der Schweiz kaum jemand ernsthaft zurück. Ist die lebenslängliche Verwahrung, die «den allerletzten Hoffnungsschimmer nimmt», wie Dubois’ Verteidiger monierten, nicht eine Todesstrafe auf Raten?

Die rhetorische Formel klingt gut, doch sie entlässt die Richter nicht aus ihrer Verantwortung. Ihre Richtschnur ist das Gesetz, gleichgültig, ob sie es für sinnvoll halten oder nicht. Die Verwahrung ist keine Strafe, sondern einzig eine sichernde Massnahme zum Schutz der ­Gesellschaft. Wenn die Juristen und Experten irren, können auch Unschuldige sterben. Die Menschenrechte gelten schliesslich nicht nur für Mörder, sondern auch für deren Opfer, für Marie, Adeline, Lucie, Pascale und wie sie alle heissen. Das Dilemma ist in Wirklichkeit eine Gleichung, eine simple Wahrscheinlichkeitsrechnung: Wie gross ist die Chance, dass ein ausgewiesener Psychopath vom Schlage eines Claude Dubois seinen kaputten Charakter eines Tages grundlegend ändern wird – und wie gross ist die Chance, dass er eines Tages wieder zuschlägt, wenn sich die Gelegenheit bietet?

Einen kleinen Spalt in Dubois’ Zellentür liesse im Übrigen auch der Verwahrungsartikel offen: Sollten dereinst neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, kann eine Freilassung geprüft werden. Nur läge es dann am Täter, ­seine Ungefährlichkeit zu beweisen. Das Urteil wird auf den 24. März erwartet.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2016-11/artikel/titelabgruende-der-seele-die-weltwoche-ausgabe-112016.html

Helmut Dahmer: Trotzki, Freud und 10.000 Bücher

Der Soziologe Helmut Dahmer aus Frankfurt lebt in Wien.

Ich wurde 1974 Universitätsprofessor in Darmstadt. Seit fünf Jahren bin ich emeritiert. Ein Pensionsschock blieb mir bis jetzt erspart. Ich kann endlich mit Genuss das tun, was ich immer wollte: ungestört lesen und schreiben. Zu meinem Leben gehört auch, dass ich alle zwei Wochen nach Deutschland fliege, um meine Mutter zu besuchen. Sie ist 107 Jahre alt, absolut luzide und lebt in ihrer eigenen Wohnung, von mir aus der Ferne betreut.

Was das Lesen betrifft, ist die Sache einfach: In meinen Kopf gibt es eine Liste mit vielen noch ungelesenen Texten, so ist für Nachschub gesorgt. Für meine Schreibprojekte habe ich hier in der Wohnung drei Tische und zwei Computer bereitstehen. Zwischen denen pendle ich, von einem Projekt zum anderen. Vordringlich muß ich nun Die unnatürliche Wissenschaft, mein Buch über Freud und die Soziologie, fertig bekommen. Daneben arbeite ich an 700 Seiten meiner gesammelten Aufsätze, die in drei Teilen publiziert werden sollen.

Vor kurzem, bei der Lektüre des Spiegel, habe ich realisiert, dass ich inzwischen Zeitzeuge bin: „1967 – wie alles anfing“. Ich habe 50 Jahre lang Tagebuch geführt und möchte zunächst meine Frankfurter Aufzeichnungen aus den Jahren 1967/68 veröffentlichen. Und schließlich möchte ich in nächster Zeit die auf einer Neuübersetzung basierende Ausgabe der Schriften von Leo Trotzki zu Ende bringen. Bisher sind sieben dicke Bände mit Kommentaren erschienen. Drei weitere bereite ich vor.

Der universitäre Lehrbetrieb allein wäre für mich tödlich gewesen. An den unbewältigten Folgen der sozialen Öffnung der Hochschulen hat sich ja eine ganze Gelehrtengeneration zerschlissen. Ich konnte mich in dieser Misere mit publizistischen Parallelaktionen wie der Trotzki-Ausgabe oder der Monatszeitschrift Psyche über Wasser halten. Von 1968 bis 1992 habe ich als Soziologe dieses Forum der deutschsprachigen Psychoanalyse redigiert und herausgegeben. Wir konnten in jenen Jahren die Auflage von 2.000 auf 7.000 Stück steigern. Alexander Mitscherlich garantierte mir zu Beginn 1.000 Mark im Monat und sagte: „Machen Sie mal, Sie schaffen das schon.“ Hätte ich damals realisiert, wieviel Kraft mich das kosten würde – ich hätte mich sicher nicht auf dieses Abenteuer eingelassen.

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Hier fehlt ein wichtiges Kapitel aus Dahmers Leben: die Zerstörung seines und der Seinen Wirkens und die Machtübername in der Zeitschrift „Psyche“ durch die Witwe Mitscherlichs und ihre psychokratische Entourage. Anm: JSB

Siehe:

Affären: Böse Stiefmutter. Intrigen, Skandale, üble Nachreden: das Drama um die Zeitschrift Psyche.

Psychoanalyse in Deutschland: Vom Über-Ich zum Oberst-Ich

Wie die postnazistische Psychokratie in Deutschland Freudsche Psychoanalyse gekapert und entmannt hat.

Gehorsam ohne Befehl – Vom Tellerwäscher zum Außenminister

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Nach Wien kam ich 1988, der Liebe wegen, und begann, zwischen Frankfurt und Wien hin- und herzupendeln. Seit meiner Emeritierung lebe ich ganz in Wien. Hier konnte ich endlich all meine Bücher aus drei Wohnungen zusammenführen, wohl an die 10.000 Bände. Früher waren Privatbibliotheken viel umfangreicher. Einer meiner Lehrer, Max Horkheimer, besaß 20.000 Bücher. Hier vorn, im größten Raum, habe ich die Philosophie und die Soziologie untergebracht. Im Zimmer dahinter stehen die Nachschlagwerke, dazu der ganze Trotzki, Marx, Engels und Geschichte. Belles Lettres sind hier drüben, deutsche Romantik, Surrealismus sowie jede Menge russische und sowjetische Literatur. Und auf der anderen Seite der Wohnung lagert der Überlauf, darunter die 30 Bücher, die ich zur Vorbereitung auf einen Aufsatz über Isaak Babel konsultiert habe.

Helmut Dahmer: Regression of a critical theory. On the fate of the ‚Psychoanalytic Movement’

„Regression of a critical theory. On the fate of the ‚Psychoanalytic Movement’1 [i]

Helmut Dahmer

 

To what extent Freudian theory can be said to be ‚critical‘ is soon said. It addresses those inexplicable phenomena — Sphinx-riddles like hysteria or anti-Semitism — in the face of which ‚traditionally‘ structured theories tend to fail. To do justice to the ambivalent nature of such enigmatic phenomena it combines explanations with so-called ‚general interpretations‘. It sets as its goal the decoding of ostensibly natural phenomena as essentially social, to make it possible for individuals to emancipate themselves from repetition compulsions, enabling them to correct their own behavioral habits. Integrating as it does both explanations and interpretations psycho-analysis is thus an unusual science, empowering human beings suffering from their own culture to break, to a degree, the spell under which they live out their lives. Faced with the intolerable antagonism between wish and reality they react with the construction of defensive rituals, the invention of a ‚private religion‘. Psycho-analysis shows them the way out of this cul-de-sac of neurotic ‚pseudo-religions‘ by pointing the way back to the original conflict between wish-fulfillment and reality upon which this ‚religiosity‘ is based, thus clearing the way for creative and novel compromise solutions. Other social sciences — especially sociology — could take a leaf from the book of psycho-analysis when it comes to reflecting their own murky involvement with theories which have a potential for both domination and emancipation.

Critical theories have, like books, their fate; they emerge from concrete social contexts, historical situations, whose specific problematic they formulate. Temporally bound, yet at the same time seeking transcendence —seeking to escape their own historical specificity — they lay claim to truth and validity beyond the concrete situation in which they are formulated,

 

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meaning: for all eternity. Yet they are no less, in their turn, a product of their times, subject to abuse, distortion, revival or indifference. It is the changing social relationships within which critical interpretations (rather: their supporters, specific interpretive communities) seek to survive which decide their fate. That aspect of a theory which makes it timebound passes on with it; that aspect which opposes the spirit of the times, seeking escape or transcendence, has a chance to live on. In every new epoch in which the core insights of a theory are to be passed on, it — the theory — must shed those aspects which seem outdated. Each new era reshapes its relationship to the past. The conflict between obsolescence and relevance does not end as long as the theory has an impact, i.e. remains alive. Its living tradition [Wirkungsgeschichte] is nothing other than the ceaseless debate [Auseinandersetzung] on the question: which parts belong to yesteryear and which to the future. Has a new truth found expression in a theory, so it is buried by each ‚present‘, and needs, time and again, to be uncovered anew. Critical theories hence go through periods of decline and revival.

Freud’s critical theory evolved in the three decades leading up to the first World War. In the following two decades, i.e. between 1914 and 1934, psycho-analysis — meaning Freud and the Psychoanalysts — problematised itself. Two contradictory interpretations on the logical status of psycho-analysis evolved — on the validity of which psychoanalysts and non-psychoanalysts are still at odds a century after its birth.

„Psychoanalytic movement“ is the self-appellation of a group of dissenting intellectuals seeking a way out of the war- and pogrom-producing culture which surrounds us. „It hardly needs to be said“, Freud wrote, representing in this an entire generation of social critics, „that a culture which [like ours] leaves such a large number of its members dissatisfied and rebellious has neither the prospect of surviving for very long, nor does it deserve to do so.“2[ii] The goal which united the innovators and reformers, rebels and revolutionaries, secessionists, malcontents, dissidents of the prewar period and the interbellum was to save the bourgeois world from that atavism against which all culture is directed: barbarity. The most unassuming formulation for this program is one in turn found by Freud, when he proclaims the goal to be the creation of a culture in which „no-one is op-pressed“.3[iii] The politicizing intellectuals (menshewiks, bolshewiks, anarcho-syndicalists), the therapists and researchers of the unconscious gathered around Freud, the painters of the „Brücke“ [Bridge] or the „Blaue Reiter“ [Blue Horseman], the lyricists and internationalists around periodicals like Der Sturm [The Storm] or Die Aktion (Franz Pfemfert), the Russian futurists, the Akmeists and „Serapionsbrüder“, their Parisian colleagues around Andre Breton and the Frankfurter friends of Max Horkheimer: all of them could have subscribed to this formula.

The specifically Freudian project of an ‚emancipation from superfluous inner compulsion‘4[iv] is not easily placed within the established system of the sciences. He himself often misrepresented and obscured it. The science of the (repressed) unconscious is an ambiguous one. To many it appears as a „natural science of the soul“, leading the way towards a human technology [Humantechnik]; for others it is a hermeneutic sui generis, which refuses to capitulate before ostensibly ‚meaningless‘ texts, practices and institutions.5[v] The peculiar combination of „scientific“ and „scholarly“ [geisteswissenschaftlicher] methods within psycho-analysis (i.e. of explanation and understanding)6[vi] show, on examination, their ‚object‘ — the cultural institutions and the soul itself— to be ambiguous. Depending on the specific biographical or cultural situation, these ‚objects‘ may appear either ’natural‘ —i.e. as apparently immutable — or as reversible artefacts. Psycho-analysis is a science of a special kind. The fascination which it exerts has its origins in the fact that at its heart it harbors a critique — inexplicable on scientistic presuppositions — which makes of its object a subject. This psychoanalytic critique remains in scientific guise, unobtrusive. Why? Because it has to take the pseudo-natural status of its ‚objects‘ (patients, clients) seriously for as long as it takes them to liberate themselves from it.7[vii] For this reason there coexist in Freud’s texts two terminologies. His concepts derive, first of all,from the literature of the natural sciences of the second half of the 19th century — i.e. from the works of anti-metaphysicians like Helmholtz and Mach — secondly, from Schelling’s philosophy of nature, which Freud’s academic teachers had rejected, to place in its stead a new, materialist-physicalist physiology.8[viii] Freud himself interpreted his transition from neurophysiology to psycho-analysis, and from the therapy of neurosis to an explication of the critical theory of society — upon which his procedure of psychoanalytic dialogue was based —, as a return to the philosophic interests of his youth: „After the life-long detour via the natural sciences, medicine and psychotherapy, my interests [after 1923] revived in those cultural problems which once held spellbound the youth in whom thought had only barely awakened.“9[ix] At the same time he never ceased to insist that the psychology of the unconscious which he founded on a therapy of neuroses —and which he gladly called a „technique“ — was a „natural science“. After explicating [im Anschluß an] his thesis according to which there are, in essence, only two sciences, one concerned with nature, and the other concerned with the soul10[x], he subsumes the science of the soul under that of nature: „Psycho-analysis also is a natural science.“11[xi] A formulation which does not entirely satisfy him. For he adds the perplexed question: „What else is it supposed to be ?“12 To this question there is, elsewhere in his work, an implicit answer. But he hesitated, with his new psychology of the unconscious (which made as much a break with the ’natural‘ attitude as it did with the traditional „conception of humanity“), to recognize explicitly the special status of an non-natural science, i.e. to ally himself with Nietzsche. The latter had distinguished, in 1886 (in aphorism 355, devoted to the genealogy of the concept „Knowledge“, in the expanded edition of The Gay Science) between „critical“ or „unnatural“ thought (the latter taking the `strangely-familiar‘ [Nicht-Fremde] as its object), from „traditional“ thought as follows:

„Is it not, perchance, the instinct of fear that bids us on to knowledge? Is the cheerfulness of the knower not perhaps a frolicking over regained security? […] Oh this smugness of the knower! One should look at their principles and their solutions to riddles of the universe in this light! […] Even the most thoughtful of their number are of the opinion that at the very least the familiar is more easily intelligible than the unfamiliar; it is held for instance to be methodically necessary to take one’s point of departure from the ‚inner world‘, from the ‚facts of consciousness‘, since that is supposed to be the world which is familiar to us! Error upon error! What is known is the familiar; and what is familiar is the most difficult of all to ‚understand‘, i.e. to see as a problem, i.e. to perceive as strange, far away, ‚beyond us‘ … The big security of the natural sciences in relation to psychology and the critique of the elements of consciousness (unnatural sciences, one is tempted to call them) is based exactly on this, that it takes what is strange as its object: whereas it is almost contradictory and nonsensical to want to relate to what is un-strange in the first place..“13[xii]

Freud’s „revolutionary“ discovery was the decoding of that prototype of all mental disease, hysteria, as a socially induced malady, a suffering from society (Ferenczi14[xiii]). There is, in Freud’s discovery — to formulate it metapsychologically — a twofold revision of existing boundaries. The first of these, the limitation and relativisation of the sphere of consciousness (the ‚I‘) with respect to the sphere of what is psychically unconscious, is generally perceived as Freud’s most important innovation. This tends however to obscure his second discovery, namely that no-man’s-land between consciousness and the unconscious — or between „spirit“ and „nature“ — in which neurotic symptoms and cultural institutions (i.e. private and collective „religions“) are located. The neurosis-therapist and diagnostician of culture stumbled on a class of phenomena which, since they behave like facts of nature, are erroneously classified as „natural“, whereas in fact we’re dealing here with masked [larvierte] products (or symptoms). More precisely: procreations [Hervorbringungen] whose genesis remain outside the consciousness of their authors. This second Freudian boundary revision makes visible a potential extension of the sphere of the conscious ego, now capable — under favourable circumstances — of remembering his/her own forgotten authorship, and that means: regain control over products which

have taken on a life of their own and have come to exercise a peculiar com-pulsion. Freud, a modern Oedipus, sought to solve the riddle of hysteria. He discovered in it, serendipitously, the riddle of culture. To challenge it the pupil of Ernst Brücke had to break out of the „scientistic“ frame of reference of his teachers — the physicalist-oriented medical establishment —from within which social suffering (the suffering of socialization) is derived either from an as yet undetermined organic defect or is denounced as malingering. The (re-)discovery of a class of pseudo-natural institutions of the soul and of culture, the genesis of which lie in the shadow of consciousness, and whose resultant compulsion over individuals and cultures can be broken by anamnesis — i.e. the uncovering of their genealogy — was Freud’s real achievement. Psycho-analysis is hence neither a natural nor a social science, but instead an `un-natural science‘ which, critically combining explanation and understanding, confronts head-on that in ourselves and in our culture which is alienating and ominous. Psychoanalytic understanding starts with the estrangement of the apparently familiar (in the „analysis of defense-mechanisms“15[xiv]) and leads to the discovery of the familiar in the strange (as in Totem and Tabool6[xv]).

`Critical‘ theories are critical inasmuch as they distantiate themselves from common sense. Their ‚reception‘ turns out, mostly, to be a process in which the new insights which they formulate are watered down and reappropriated, step by step, by the common-sense attitudes they originally rejected. The history of psycho-analysis is the history of such an erosion, a history of the forgetting of the non-conformist insights of Freud, i.e. those `exaggerations‘ which make up what is true about the new theory of the soul and its history. (Adorno17[xvi]) The history of the group of intellectuals calling themselves the „Psychoanalytic Movement“ is the history of the transformation of an „underground movement“ (Bernfeld) — „small scientific clubs, consisting of a couple of outsiders, refugees from the medical

profession and a couple of people from the non-medical avant-garde“18[xvii]into a closed shop of medical specialists whose central interest in life is not the struggle for Freudian Enlightenment, but rather the making of a living from its therapeutic instrumentalisation.

The First World War destroyed the hopes of the liberal European intellectuals — hopes which to a degree were shared by the neurosis-therapist Freud — in non-violent progress towards a society of „eternal peace“ (Kant). Freud’s reaction to this experience was the explication of that theory of culture upon which his neurosis-therapy had been based from its beginnings in the eighties and nineties of the 19th Century. We term this theory ‚critical‘ since in it cultural history in its entirety as well as the culture of our own time is presented from the perspective of the victims — i.e. from the perspective of the overwhelming majority of the human race, that of the oppressed and the humiliated.19[xviii] Since our own culture perpetuates scarcity and inequality no less than its predecessors did — is as unable to fulfill the hopes of its members for compensation for the drive-renunciation demanded of them — the individuals which make it up are ‚virtual‘ enemies of the selfsame culture to which they owe their very survival.20[xix]

Freud’s literary production in the years 1920 to 1939 was devoted to the explication of that theory of culture on which his psychology and psychoanalytic therapy was based. On the ’nature-philosophy‘ foundations of this theory of culture to be found in Beyond the Pleasure Principle21[xx] there follows, in 1921, Freud’s text Mass Psychology and Ego-Analysis22[xxi], in which he seeks, firstly, to work out, for himself and his generation, a theoretic explanation for the emergence of the nationalistically oriented „anti-mass mass movements“ of the year 1914; secondly, the experiences with the rev-olutionary masses which — belatedly, but nevertheless successfully — ended the war; and lastly, the post-war experiences with the masses mobilised by the counter-revolution, seeking to reverse the progress which the revolutions had inaugurated. On the critique of Mass Psychology follows, 1927, a sketch — in the vein of an anti-religious dialogue, indebted to Ludwig Feuerbach — of a systematic theory of culture, The Future of an Illusion. In the text Civilization and its Discontents (from 193023[xxii]) the implication of the (third) drive theory, as developed in Beyond the Pleasure Principle, were worked out for a theory of cultural institutions. This culminates in the Moses-tracts of 1934-1937, in which the problem of tradition is treated as the core of a critical theory of culture.24[xxiii]

These cultural-theoretical writings of Freud make up — besides the pre-analytic texts from the eighties and nineties of the 19th century, and the psychological texts of the first and second decades of the 20th Century —the third thematic group in his writings. Just as the significance of the pre-analytic texts (which were excluded from the Gesammelte Werke, e.g. the study on Aphasia25[xxiv]), for psychoanalytic metapsychology was not understood by the Freudians until the publication of the letters to Wilhelm Fließ in 195026[xxv], so the significance of Freud’s culture-theoretical texts have not been seen by the psychoanalytic mainstream to this day. Even the theorists from the left-wing of the psychoanalytic movement — interested as they were in the mediation of Sociology and Psychology (Fromm, Reich, Bernfeld, Fenichel and others) — were nonplussed by these texts.27[xxvi] Freud’s late works were regarded as marginal and problematic; their significance for an understanding of Fascism and Stalinism was not seen. The purpose of the text on mass psychology (Freud’s theory of nationalism) was misunderstood; the Moses-tracts have not had an adequate reception until very recently, by authors such as Yerushalmi28[xxvii] or Assmann.29[xxviii]

That in capitalist development progress and barbarism go hand in hand is something thoughtful observers had already noted at the time of the counter-revolutions and the colonial wars of the 19th Century. In the First World War however the most modern forces of production transformed themselves into forces of destruction for all the world to see. The crisis of bourgeois society also raised a question mark over the foundations of psycho-analysis itself. Freud’s structural model of the psyche was oriented towards a specific historical situation. In the macrocosmos of bourgeois society more and more people who had been economically independent were transformed into dependent employees; small and middling property ownership lost its importance. Fewer and fewer people were able to realize that ideal of the liberal epoch, personal autonomy.30[xxix] That corresponded, in the microcosm of the soul, to that precarious balance between a conscious ego oriented towards survival in the ‚ananke‘ world, and its opposite number, the internalized deposit of societal compulsion and reality-blind drive-fulfillment. In Freud’s texts the ‚ego‘ hence does not act — as it does in the `ego-psychology‘ of a subsequent generation of psychoanalytic theorists —as a quasi-autonomous agency (with desexualized drive energy at its disposal), responsible for compromise and decision-making, but as a clown which merely simulates autonomy.31[xxx] A clown for all that forced to mediate — on the one hand — between the powers within natural and social reality which inculcate fear, and — on the other — the conscience and the drives. The ideal of autonomy is done justice to in as much as it is simulated. Inasmuch however as the market — the central institution of modern society (and those modeled upon it: parliamentary democracy, a pluralistic public sphere, academic freedom) — is encroached upon by the increasing power of the multinationals and by state intervention (as indirect socialization via exchange is replaced by direct forms of economic and political domination) so is the ‚inner market‘, the psychic forum, subject to a process of regression. When the ego-clown capitulates his/her ‚conscience‘ — representing internalized, individualized social domination — it loses control. Casting about for a source of support, the weakened ego delegates its conscience to external powers. The individuals, long since socialized via the market rather than via the community or the land, capitulate before the new social forces and their political representatives; they regress, i.e. they abandon an ideal of personal autonomy they are no longer able to emulate. They flee before an extended freedom which has become objectively possible —before self-emancipation — and join instead ranks with the (ethnically and religiously defined) macro-communities of nation, block, and party; they follow blindly (namely unscrupulously) the orders of those who have arrogated to themselves the leadership of such new cohorts. Organized as masses, they storm the cultural sphere, instrumentalise its technical and organizational apparatus in order to impose the particular interests of an ethnic or religious group, nation or a class by means of pogroms, massacres or genocides against ostensible inner or outer enemies.

The crisis of contemporary culture is, according to Freud, a result of the modern secularization of the world, which came hand in hand with an enormous expansion in human productive power while at the same time destroying all faith in a religious or other meaning of human life. While societal wealth is growing immeasurably — heralding perhaps a new ‚Golden Age‘ — the antiquated rules of (massdistribution of this new wealth persist. The confrontation of minorities already living in an earthly paradise with pauperized majorities is becoming intolerable, in the first instance, because once faith in a better hereafter has disappeared, the venerable extraction of consolation from this-worldly misery no longer functions. With their lives seemingly worthless and without prospect for change in sight, the luxuriating drives of the socialized individuals begin to dissociate. „Drive de-differentiation“ leads to the release of destructive impulses difficult to control. With that the hour of the demagogues has struck, who then canalize the destructive energies of de-individualized masses against „strangers“ within and without, against traitors and enemies of the state within, and against „mortal enemies“ beyond the borders of the land. Once the destructive rage of the masses and their ‚leaders‘ avail themselves of modern technology, the self-destruction of the species has become an objective possibility.32[xxxi] A brief decade before the Second World War Freud saw European civilization heading for destruction — if „the eternal Eros“, as he puts it, „does not make an effort“ to oppose its equally eternal foe thanatos.33[xxxii] This mythologically formulated way out of the dilemma of modernism is something which a quarter of a century later Herbert Marcuse is to reformulate sociologically.34[xxxiii] In The future of an Illusion (1927) Freud explores the idea of a principled anti-religious education as a way out of the cultural dilemma. If an anti-religious education were to be combined with a reduction of societal inequality, a novel, consensually based social morality could replace the religiously based morality of compulsion. In his text against the regression of mass psychology of 1921 he sketches a third possible way out of the labyrinth of culture. Here the idea is that a culture which no longer needs a compulsive integration of masses of unequal and unfree individuals can also relinquish a repressive sexual morality. Such a culture no longer needs to fixate the frustrated sexual desires of its members on the creation of illusionary collectivities; is hence no longer parasitic upon the partial drives: „We could quite easily imagine a society [Kulturgemeinschaft] consisting of […] `double‘-individuals [Doppelindividuen] who, in themselves libidinally sated, are bound to one another by work and the common weal. Under such circumstances culture would need no longer to withdraw energy from sexuality.“35[xxxiv]

Psycho-analytic therapy is bound to the specific setting of the ‚cure‘. It creates for the therapist as much as for the patient a protected space in which the predominant societal taboos are temporarily weakened or suspended. Such a weakening of censorship facilitates the emergence of „free associations“, i.e. ‚prison messages‘ smuggled out of the ghetto of the individual and collective subconscious. On the basis of such messages the interpretive community of two gradually builds up a picture of what it is that has been censured — of the secret history of that which is in need of a cure —and in so doing paves the way for a revision of his/her life practice. Whether the suspension of the repulsive is permanent or remains wishful thinking is determined once the patient, whose relationship to him/herself has become a freer one, can do without the therapy and, under conditions of regained independence, make a new start in life. Like the individual patient, so the community of Freudian analysts — as well as the „Psychoanalytic movement“ — are dependent upon social institutions and on the real potential for political emancipation.

From archival material — especially from Freud’s letters, which have been published only within the last 15 years, i.e. since the third psychoanalytic „weltanschauung-debate“36[xxxv] — it has become clear that Freud’s hope, namely that the transformation of progress into barbarism can be arrested (by anti-religious education, egalitarian politics and sexual revolution) is something he gave up about a year before the formation of the Hitler government. In the spring of 1932 he came to the view that the institutions upon which freedom was based — the market, the public sphere, parliament and the universities — would succumb to the self-destructive mass movements of the time. The international organization which he had created to defend the new insights of the psychoanalytic Enlightenment was faced i.e. with the most deadly danger.

To Marie Bonaparte he wrote in the summer of 1933:

„You have yourself described the political situation exhaustively. To me it seems that not [even] in wartime have mendacity and clichés reigned as supreme as they do today. The world is becoming an enormous jail, and the worst cell is Germany. […] They started over there with mortal antipathy towards Bolshevism, and will end up with something indistinguishable from it. With this difference perhaps that Bolshevism has indeed incorporated revolutionary ideals, whereas Hitlerism [by contrast] merely the medieval-reactionary kind. Myself lacking in life-enhancing powers, this world seems to me to be doomed to imminent destruction. 37[xxxvi]

In Freud’s view, there was only one way to save psycho-analysis, its ideas and its institutions: they had to be kept out of the newly inflamed European civil wars. How? By renouncing the obvious relationship between the psychoanalytic Enlightenment and the critique of society, the relationship between the psychoanalytic, political and cultural avant-garde, by depoliticizing, i.e. by ‚re-scientising‘ psycho-analysis. Once (re)cloaked in the garb of a ’normal‘ science, it could, like the other natural sciences, lay claim to ‚value-neutrality‘. Perhaps in this way its adherents could survive, incognito, the attacks of the neo-barbarians and save, for more propitious times, at least part of the novel insights they had gained.

On the question: what kind of science psycho-analysis is meant to be, what its relationship to the bourgeois parties, to the fascistically mobilized intermediary classes and to the various factions of the working classes is to be, is what the „weltanschauung“-debate fought out by the psychoanalysts internally in the years 1928-1933 was all about. According to Siegfried Bernfeld (1928) psycho-analysis was a science of a „peculiar kind“: it does indeed „supply all world views [Weltanschauungen] with facts“, is however of the most varied utility for the different world views, since „for the one it means a weapon, for another [it means] an attack.“ „If one were to use it seriously at all — as opposed to enjoying it as a pure science — it becomes destructive. It reveals religion, culture, art, philosophy and morality as something derivative, mediated.“38[xxxvii] Carrying on from where Bernfeld had left off, Wilhelm Reich wrote, in 1933:

„The nature of its discoveries“ makes psycho-analysis a „mortal enemy of the political reaction. One could hide behind an illusion like the one which proclaims the ‚apolitical‘ (i.e. from politics entirely disparate) nature of the science [of psycho-analysis]: that will not in the least hinder the powers that be from sniffing out the danger where it does indeed lie, and to combat it accordingly.“ „I hence see the most important task before us at present not in the protection of the analysts at all costs but in the safeguarding of psycho-analysis and its future development.“39[xxxviii] The counterposition was taken by Heinz Hartmann, who in his 1927 book Die Grundlagen der Psychoanalyse40[xxxix] had embarked on an ambitious attempt to press the Freudian enlightenment into a neo-Kantian conception of science. „Science“, according to this conception thereof, merely thematised the rationalisation of means with respect to given ends — the latter being beyond, i.e. not themselves capable of scientific validation. That was an indirect attack on Freud’s critique of religion, and was tantamount to the „scientisation“ (i.e. the instrumentalisation) of psycho-analysis. Freud’s own position on the worldview-debate converged, in essence, with that of Hartmann: in his Neue Folge der Vorlesungen zur Einffihrung in die Psychoanalyse he wrote (1932) that inherent in psycho-analysis there is „no special“ worldview — it merely represents the scientific, i.e. the anti-illusionary position.41[xl]

With that he began to implement the rescue of psycho-analysis along the lines he had envisaged: through mimicry of the scientific establishment. Freud did not ever acknowledge with as much as a comment the psychoanalytic ‚Right Wing‘ — the adventurous psychoanalytic excursions into social theory of a Kolnai, Laforgue or Glover notwithstanding. The latently nationalistic-anti-Semitic worldview of some of his followers is not something he ever raised. Yet when Reich — who had become an activist of the SPO and the KPD in Vienna and Berlin and had founded a pro-communist youth organization (the ‚ Sexpol‘) — argued, in an article in the Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, then edited by Otto Fenichel, against the death drive, Freud suspended Fenichel as editor, moved the office of the Zeitschrift to Berlin, and gave the editorship to Heinz Hartmann and Paul Federn. In a letter to Lampl de Groot he wrote, at the time, that he had to have a „cleansing of the press“ „against the bolshewik attackers Reich, Fenichel.“42[xli] Reich and Fenichel’s ‚bolshevism‘ consisted, in essence, in their wish to extend Freud’s biological (or: anthropologi-cally-Feuerbachian) materialism in a historical direction, which meant, in effect, the historical concretization of Freud’s general (critical) theory of culture. In short: they wanted to rethink the relationship of Psychology to Sociology. The interests of the ‚Freudian Left‘ of the time undoubtedly converged — even if they themselves hardly saw it that way — with Freud’s own interest in an explication of his theory of culture. But the rescue of psycho-analysis through bowdlerization, as he envisaged it, required a sacrificial pawn. In an abrupt turn away from the Reich he had valued both as interlocutor and as clinician as recently as the late twenties — who was now supposed to be a ‚Bolshevik‘ and a security risk for the „Psychoanalytische Vereinigung“ — he entered into an alliance with two German-nationalist Berlin psychoanalysts in April 1933. He promised Felix Bohm and Carl Miiller-Braunschweig (who shortly after formulated the notorious „memorandum“43[xlii] in which he amalgamated psycho-analysis with National Socialism44[xliii]) that he would, after the ’non-Aryan‘ executive of the DPG had been fired, accept them as a replacement on condition that they kept Harald Schultz Hencke at bay and „freed“ him from Reich.45[xliv] Whereupon Reich, unbeknownst to him, was de facto excluded from the DPG and the IPV with immediate effect — to be formalized a year later, in 1934. In 1932 Freud also broke contact with the subversive avant-garde of the Paris surrealists gathered around Andre Breton.46[xlv] Breton saw in Freud — after the Marquis de Sade and Charles Fourier — the third great emancipator of human drives, who had recognized desire and longing to be at the centre of all human endeavour, therewith inaugurating a wide-ranging revision of our conception of ourselves: „The magnificent discoveries of Freud have come at exactly the right moment to plumb for us that chasm which has opened up with the capitulation of logical thought and as a consequence of the doubts which have arisen concerning sense certainty.“47[xlvi] Freud’s newly developed procedure, the encouragement of the patient’s ‚free associations‘ — which, like subversive jokes, circumvented internalized societal censorship — was the model for the „ecriture automatique“48[xlvii] favoured by Breton and Soupault (1919), enabling the authors to invent quite unheard-of literary metaphors. Breton sent Freud a copy of his book Les Vases communicants [The communicating vessels]49[xlviii], published in May 1932, which was a long essay on the mutual interdependence of day and dream, reality and possibility, art and politics.50[xlix] „We had reached the point [in April 1931], my friends and I, where we were discussing the details of a specifically anti-re-

ligious campaign we were planning to wage, and to which we were constrained because [within the framework of the French Communist Party] no other form of joint action seemed possible anymore. […] I for my own part was disturbed how thoroughly such a project would pass by my own life and my own specific interests. One day it will become recognized that the a priori for the existence of Surrealism, as we as a group understood it over many years, lay in the rejection of a division of labour. In my view the very best that it represented lay in its attempt to re-establish contact between the separated worlds of wakefulness and sleep, external reality and inner reality, reason and madness, dispassionate knowledge and love, living life for its own sake and for the revolution. […]“51[l]

Freud — author not only of the Traumdeutung52[li] and the social-psychological analysis of the literary form of the joke,53[lii]

but also of the important poetry essay „Der Dichter und das Phantasieren“ (from the year 1908)54[liii] — raises in the two letters with which he answered Breton, first of all the quite peripheral question whether Volkelt or Schemer were the discoverers of dream symbolism and whether Volkelt’s book was listed in the bibliography of all of the editions of the Traumdeutung. To go on to brush off the Surrealist with: „Much evidence has reached me on how greatly you and your friends value my research, but I for myself am unable to clarify what Surrealism is and what it strives after. Perhaps there is for me, standing so far removed from art, no real need to understand it. Most sincerely yours, Freud.“55[liv] At the end of 1932 it seemed to Freud that he was going to need quite different allies.

 

17

Its scientific camouflage has done little to benefit and much to harm psycho-analysis. The majority of psychoanalysts were driven out of their training institutions in Berlin and Vienna; in the Berlin „Reichsinstitut fiir Psychologische Forschung and Psychotherapie“ [Imperial Institute for psychological Research and Psychotherapy] (as it was called in the final years of the war) the remaining ‚Aryan‘ and non-socialist psychoanalysts eked out a wretched catacomb-existence; the emigration also meant — as the clandestine „Rundbriefe“ which Otto Fenichel wrote for a small group of kindred spirits between 1934 and 1945 show56[lv] — that the project of a sociologically enlightened psycho-analysis petered out; in Hitler’s political sphere not a few psychoanalysts were persecuted and murdered. (I remind here of Edith Jacobson, Sabina Spielrein, John F. Rittmeister, Istvan Hollos and Karl Landauer.)

That the „Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft“ and the Psychoanalytic International expelled Wilhelm Reich in 1933/34 is something the office-bearers and historians (Ernest Jones and others) have suppressed right through to our own times. This exclusion of and separation from sociology and politics, which Jones symbolizes, has been the official line in the official history of psycho-analysis ever since. Freud’s „cleansing“ of 1933, his attempt to rescue psycho-analysis by parting from its cultural-revolutionary aspects, was codified by his successors. They made of the necessity of 1932 a virtue for all times. We listen to Ernest Jones at the Zurich postwar IPV congress of 1949:

„Since the last congress took place eleven years ago great and terrible events have shaken the world, and our own analytical community has not been spared. […] The terrific social and political movements and changes we have witnessed of recent years compel more urgently than before a consideration of the relationship between the layers of the mind that are the object of our special study and the powerful ideational and emotional accompaniments of those social movements. […] The temptation is understandably great to add socio-political factors to those that are our special concern, and to re-read our findings in terms of sociology, but it is a temptation that, one is proud to observe, has, with very few exceptions, been stoutly resisted.“57[lvi]

The political decision which Freud made in the early thirties has had a decisive influence on the subsequent history of psycho-analysis. The psychoanalytic critique of culture has been divorced from psychoanalytic therapy and thus become a theory without a practice; it has become relegated, in the meantime, more or less to the history of ideas. Attempts to combine sociology and psycho-analysis or to use each as a corrective for the other have more or less ceased since Parsons‘58[lvii] rather willful modifications of Freud’s theory.59[lviii] Psycho-analysis has isolated itself as much from the emancipatory movements in art and politics as it has from the sociological and cultural mainstream. The „fanciful psychologisms“ (Adorno) which Fenichel had once tried to fight60[lix] could sweep the board unopposed. A critical reception of the „Frankfurt School“, the members of which concentrated on the social-philosophical dimension of psycho-analysis — much etiolated since the thirties — was neglected; the same thing is to be said of the work of Georges Bataille. Important reformers such as Lacan were, like Reich before him, impugned as deviants and cast from the fold. In the meantime an amputated or „medicinalised“ (Paul Parin) psycho-analysis no longer knows what it is and what it once represented. It still heals, it still helps countless patients to patch up their tattered biographies. Its adepts however regard political abstinence and docility — a few black sheep notwithstanding — as a professional virtue. The sleep of reason is seldom disturbed by the present generation of Freudians.

A reconstruction of the history of psycho-analysis in the thirties and fourties is much impeded by the way in which the major players — Jones in England and Miiller-Braunschweig in Germany — covered their tracks through the invention of official myths and by the destruction of documents. This symptom does at any rate indicate that they had a good idea of what it was that they sacrificed to save psycho-analysis as an institution. To this day the official historians are caught in the spell of the old legends, tending to justify the highly symbolic expulsion of Reich and to minimize the significance of Freud’s about-face in 1932.61[lx] In their view of things psycho-analysis survived the dark ages of the Third Reich, after which it successfully picked up from where it had left off. The only question still open — from this point of view — concerns the „scratches which National Socialism left on the post-war history of psycho-analysis.“62[lxi]

Whether or not National Socialism demolished the history of psycho-analysis — as opposed to merely ’scratching‘ its surface — or whether, on the contrary, psycho-analysis since the thirties and fourties has lost all resemblance to what it had once been, is a question which the official historians of psycho-analysis are not able even to formulate.63[lxii]

Fascism destroyed, in the thirties, the European worker’s movement as a revolutionary force — a defeat from which the latter never recovered. It also halted the „Psychoanalytic Movement“. The revived hopes during the eighties in a reform from within of the professional associations — by setting up new types of organisations, returning to ‚lay analysis‘, an opening up with regard to the social sciences, a repoliticisation of psycho-analysis —were dashed. The „Psychoanalytic Movement“ is history. The Freudian enlightenment however is still good for many a twilight of the gods [Gotzendämmerung] and many a social revolution.

 

[Transl. Frederik van Gelder]

[i] 1 published in: Free Associations, 2003.

[ii] 2 Freud, Sigmund (1927): Die Zukunft einer Illusion. In: Gesammelte Werke, vol.. XIV, Frankfurt am Main 1963, p. 333.

 

[iii] 3 Ibid., p. 37

 

[iv] 4 „The emancipation from superfluous inner compulsion would be the first revolution to

provide the human race with genuine relief.“ Ferenczi, Sandor (1908): Psychoanalyse

and Piidagogik. In: Ferenczy (1927, 1938): Bausteine zur Psychoanalyse, vol. III, Bern

1964, p. 12 f.

 

[v] 5 C.f. Bernfeld, Siegfried (1932): „Der Begriff der Deutung in der Psychoanalyse“. In: Bernfeld (1969-1971): Antiautoritiire Erziehung and Psychoanalyse. Ausgewiihlte Schriften, vol. 2, Frankfurt, p. 236-286. Idem (1941): „Psychoanalyse als Gesprach“

[„The Facts of Observation in Psychoanalysis.“]. In: Psyche, vol. 32, 1978, p. 355-373.

 

[vi] 6 C.f. Apel, Karl-Otto (1968): „Szientistik, Hermeneutik, Ideologiekritik. Entwurf einer Wissenschaftslehre in erkenntnisanthropologischer Sicht.“ In: idem Transformation der Philosophie, vol. II, Frankfurt 1973, p. 96-127. Habermas, Jurgen [1963-1977]: Zur Logik der Sozialwissenschaften. (5th, expanded edition) Frankfurt am Main 1982.

 

[vii] 7 C.f. Dahmer, H. (2001): Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert. Vienna, p. 31-42.

 

[viii] 8 C.f. Bernfeld, Siegfried (1949): „Freuds wissenschaftliche Anfange.“ In: idem and Suzanne Cassirer Bernfeld (1981): Bausteine der Freud-Biographik. (ed. use Grubrich-Simitis) Frankfurt am Main, p. 112-147.

 

[ix] 9 Freud (1935): „Nachschrift zur `Selbstdarstellunr. In: Gesammelte Werke, vol. XVI, Frankfurt 1961, p. 32.

 

[x] 10 „Strictly speaking there are only two sciences, Psychology, pure and applied, and the Science of Nature [Naturkunde].“ Freud (1933): Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. In: Gesammelte Werke, vol. XV, Frankfurt 1961, p.194.

 

[xi] ii Freud ([1938] 1940): „Some elementary Lessons in Psycho-Analysis.“ In: Gesammelte Werke, vol. XVII, Frankfurt 1966, p. 143.

12 Ibid.

 

[xii] 13 Nietzsche, Friedrich (1882, 1887): Die frohliche Wissenschaft (` la gaya scienza‘). Aphorism 355. In: Nietzsche (1980): Sämtliche Werke (Kritische Studienausgabe), vol. 3, Munich, p. 593 pp.

 

[xiii] 14 Ferenczi, Sandor (1908): „Psychoanalyse and Padagogik.“ Ibid. vol. III, Bern, Stuttgart, p. 22. Ibid. (1928): „Ober den Lehrgang des Psychoanalytikers.“ Ibid., p. 426.

 

[xiv] 15 C.f. Reich, Wilhelm (1933): Charakteranalyse. Technik und Grundlagen fiir studierende und praktizierende Analytiker. New edition, expanded, Cologne 1970. Fenichel, Otto (1941): Probleme der psychoanalytischen Technik. Giessen 2001.

 

[xv] 16 Freud (1912/13): Totum und Tabu. Einige Ubereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker. In: Gesammelte Werke, vol. IX, Frankfurt am Main 1968.

 

[xvi] 17 Adorno, Theodor W. ([1944] 1951): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschadigten Leben. Aphorism 29 („Zwergobst“). In: Gesammelte Schriften, vol. 4, Frankfurt 1996, p. 54.

 

[xvii] 18 Bernfeld, Siegfried ([1952] 1962): „Ober die psychoanalytische Ausbildung.“ In: Psy-che, vol. 38, (1984) Stuttgart, p. 444 f.

 

[xviii] 19 „Whosoever has emerged, to this day, victorious, marches along in the triumphal pro-cession which takes those who are now in power over the bodies of the slain. The loot is, as usual, born along in this triumphal march. One usually terms this loot culture [Kulturgiiter]. They will have to deal, as far as the Historical Materialist is concerned, with a dispassionate [distanzierten] observer. For what he discerns of culture is for him of a genealogy [Abkunft] which cannot be thought of without a shudder. It thanks its existence not only to the effort of the great genii which created it, but also to the anonymous servitude of their contemporaries. There is never a document of culture which is not, at the same time, a document of barbarism.“ Benjamin, Walter ([1942] 1949):

„Ober den Begriff der Geschichte.“ In: Benjamin (1974): Gesammelte Schriften, vol. 1.2, Frankfurt, p. 696 (Thesis VII).

 

[xix] 20 Freud (1927): Die Zukunft einer Illusion. Gesammelte Werke, vol. XIV, Frankfurt 1963, p. 327 and 333.

 

[xx] 21 Idem (1920): Jenseits des Lustprinzips. Gesammelte Werke, vol. XIII, Frankfurt 1963, p. 1-69.

 

[xxi] 22 Idem (1921): Massenpsychologie und Ich-Analyse. Gesammelte Werke, vol. XIII, Frankfurt 1963, p. 71-161.

 

[xxii] 23 Idem (1930): Das Unbehagen in der Kultur. Gesammelte Werke, vol. XIV, Frankfurt 1963, p. 419-506.

 

[xxiii] 24 Idem (1937-39): Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Gesammelte Werke, vol. XVI, Frankfurt 1961, p. 101-246.

 

[xxiv] 25 Idem (1891): Zur Auffassung der Aphasien. Eine kritische Studie. Frankfurt 1992.

 

[xxv] 26 Idem ([1887-1904] 1950): Briefe an Wilhelm Fliefl 1887-1904. Frankfurt 1986.

 

[xxvi] 27 C.f. Dahmer (1973): Libido und Gesellschaft. Studien iiber Freud und die Freud’sche Linke. Frankfurt 1982, part III.

 

[xxvii] 28 Yerushalmi, Yosef H. (1991): Freuds Moses. Frankfurt 1999.

 

[xxviii] 29 Assmann, Jan (1998): Moses der. Agypter. Munich, Vienna.

 

[xxix] 30 C.f. Horkheimer, Max (1947): Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. [Eclipse of Rea-son] In: Horkheimer (1991): Gesammelte Schriften, vol. 6. Frankfurt, p. 19-186. Chap. 4: „Aufstieg and Niedergang des Individuums“, p. 136-164.

 

[xxx] 31 C.f. Sigmund Freud (1914): Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung. Gesammelte Werke X, Frankfurt am Main 1963, p. 97.

 

[xxxi] 32 „The human race has now advanced in its domination of the forces of nature to the point where, through their utilization, it has become easy to eradicate itself to the last man.“ Freud, Das Unbehagen in der Kultur, ibid. p. 506.

 

[xxxii] 33 Ibid.

 

[xxxiii] 34 Marcuse, Herbert (1955): Triebstruktur and Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud (Eros and Civilization). In: Schriften, vol. 5, Frankfurt am Main 1979. Idem (1956, 1967): „Aggressivitat in der modernen Industriegesellschaft“ in Dahmer, Helmut (ed.): Analytische Sozialpsychologie. Frankfurt am Main 1980, p. 452-470.

 

[xxxiv] 35 Freud: Massenpsychologie and Ich-Analyse, ibid. p. 467.

 

[xxxv] 36The first of the `world-view‘-[Weltanschauung]-debates amongst psycho-analysts was fought out by Putnam, Ferenczi, Reik, Tausk and Freud on the eve of the First World War. At its core was the question of the relationship of psycho-analysis and Philosophy. The second debate took place during the closing years of the Weimar Republic. The third was triggered, firstly, by the way in which the international Students Movement of the sixties invoked Freud, secondly by the epistemological controversies on the logical status of psycho-analysis reaching new heights of intensity, and thirdly when the inglo-rious history of the psycho-analysis during the Third Reich came to public attention.

[xxxvi] 37 Freud, Sigmund (1933): „Brief an Marie Bonaparte“, summer 1933, quoted by Ernest Jones (1957): Das Leben and Werk von Sigmund Freud, vol. 3, Bern 1962, p. 217 f

 

[xxxvii] 38 Bernfeld, Siegfried (1928): „Ist Psychoanalyse eine Weltanschauung?“ in: idem Ausgewiihlte Schriften vol. 2, ibid. (footnote 4) p. 207.

 

[xxxviii] 39 Reich, Wilhelm (1933, 1934): „Brief an den Internationalen Psychoanalytischen Verlag vom 17.3.1933. In: Internationale Zeitschrift fur politische Psychologie and Sexualokonomie II, (1935), p. 60 f. (English in idem Reich speaks of Freud. New York 1967, p. 159 ff.)

 

[xxxix] 40 Hartmann, Heinz (1927): Die Grundlagen der Psychoanalyse. Stuttgart 1972.

 

[xl] 41 Freud, Sigmund: Neue Folge der Vorlesungen zur Einfiihrung in die Psychoanalyse. Ibid. footnote 9, p. 170 f. and 197.

 

[xli] 42 Idem. (1932): „Unveroffentlichter Brief an Lampl de Groot“, 17.1.1932. C.f. idem (1929-1939, 1992): Tagebuch 1929-1939. Kiirzeste Chronik. Basel/Frankfurt 1996, p. 208. („Reinmachung im Verlag“).

 

[xlii] 43 Muller-Braunschweig, Carl: „Psychoanalyse und Weltanschauung“ in: Reichswart. Nationalsozialistische Wochenschrift und Organ des Bundes Volkischer Europiier/Organe de L’Alliance Racistes Europeenne Berlin, vol. 14, no. 42, 22.10.1933, p. 2 f. — reprinted in: Psyche37 , 1983, p. 1116-1119.

 

[xliii] 44 C.f. Dahmer, Helmut (1983): „Kapitulation vor der Weltanschauung“ in: idem Pseudonatur und Kritik, Frankfurt am Main 1994, p. 147-169.

 

[xliv] 45 Boehm, Felix (21.8.1934): „Ereignisse 1933-1934“ 11-page typed manuscript. Re-printed in: Brecht, Karen et. al. (eds.) Hier geht das Leben auf eine sehr merkwiirdige Weise weiter… Hamburg 1985, p. 99-109.

 

[xlv] 46 C.f. Dahmer, Helmut (1983): „Psychoanalyse im Surrealismus (Andre Breton)“ in: idem. Pseudonatur und Kritik ibid. (footnote 43, p. 108-135.)

 

[xlvi] 47 Breton, Andre (1936-1953): Das Weite suchen. Reden und Essays (Partial edition of: La Cie des champs). Frankfurt am Main 1981, p. 11 f.

 

[xlvii] 48 Idem, Soupault, Philippe (1919): Les Champs magnetiques/Die magnetischen Felder. Heidelberg 1990.

 

[xlviii] 49 Idem : Die kommunizierenden Rohren (Les Vases communicants). Munich 1973, 1980.

 

[xlix] 50 C.f. idem (1952): Entretiens — Gespräche. Dada, Surrealismus, Politik. Amsterdam, Dresden 1996, p. 202 f.

 

[l] 51 Idem: Die kommunizierenden Rahren, ibid. (footnote 48), p. 73 f.

 

[li] 52 Freud, Sigmund (1900): Die Traumdeutung. Gesammelte Werke, vol. II/III, Frankfurt am Main 1968, p. 1-642.

 

[lii] 53 Idem (1905): Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Gesammelte Werke, vol. VI, Frankfurt am Main 1969.

 

[liii] 54 Idem (1908): Der Dichter und das Phantasieren. Gesammelte Werke, vol. VII, Frank-furt am Main 1966, p. 211-223.

 

[liv] 55 In the same view, in a 1937 rejection letter [Absagebrief] of Freud to Breton (who had asked him for a contribution to the anthology Trajectoire du reve) Freud writes: „The superficial aspect of dreams, that what I term the manifest dream, is of no interest to me.“ „I’ve always been concerned instead with the ‚latent content‘, which is derived from the manifest dream by means of psychoanalytic interpretation. A collection of dreams devoid of associations of any knowledge of the context in which they were dreamed I find meaningless, and I find it difficult to imagine what they could mean for someone else.“ Freud to Breton, 8.12.1937. Quoted after Polizzotti, Mark (1995): Revolution des Geistes. Das Leben Andre Bretons. Munich, Vienna 1996, p. 553 (resp. 988.)

 

[lv] 56 Otto Fenichel (1934-1945): 119 Rundbriefe. Ed. By Johannes Reichmayr, Elke Miiiilleitner. Basel 1998.

 

[lvi] 57 Ernest Jones: „Report on the Sixteenth International Psycho-Analytical Congress: Opening Address by the President, Dr. Ernest Jones“ (Zurich, 15.8.1949). In: International Journal of Psycho Analysis 30 (1949), p. 178 ff.

 

[lvii] 58 Talcott Parsons (1964): Sozialstruktur and Personlichkeit. Frankfurt am Main 1968.

 

[lviii] 59 C.f. Jeffrey Prager, Michael Rustin (eds.): Psychoanalytic Sociology. Vol. I and II. (Schools of Thought in Sociology, vol. 10). Aldershot 1993.

 

[lix] 60 Otto Fenichel: Aufsiitze, vol. I and II. Ed. by Klaus Laermann, Olten and Freiburg i. Br. 1979 and 1981.

 

[lx] 61 C.f. Helmut Dahmer: „Psychoanalytische Vereinsgeschichte, `anders‘ erzahlt.“ In: Werkblatt, Zeitschrift fur Psychoanalyse and Gesellschaftskritik 40 (1998), p. 106-123.

 

[lxi] 62 Regine Lockot: Die Reinigung der Psychoanalyse. Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Spiegel von Dokumenten and Zeitzeugen (1933-1951). Tubingen 1994, p. 9.

 

[lxii] 63 C.f. Helmut Dahmer: „Psychoanalytiker in Deutschland 1933-1951″. In: Karl Fallend, Bernd Nitzschke (eds.): Der ,Fall‘ Wilhelm Reich. Beitriige zum Verhiiltnis von Psychoanalyse and Politik. Frankfurt am Main 1997, p. 167-189.

 

 

[1] 1 published in: Free Associations, 2003.

[1] 2 Freud, Sigmund (1927): Die Zukunft einer Illusion. In: Gesammelte Werke, vol.. XIV, Frankfurt am Main 1963, p. 333.

 

[1] 3 Ibid., p. 37

 

[1] 4 „The emancipation from superfluous inner compulsion would be the first revolution to

provide the human race with genuine relief.“ Ferenczi, Sandor (1908): Psychoanalyse

and Piidagogik. In: Ferenczy (1927, 1938): Bausteine zur Psychoanalyse, vol. III, Bern

1964, p. 12 f.

 

[1] 5 C.f. Bernfeld, Siegfried (1932): „Der Begriff der Deutung in der Psychoanalyse“. In: Bernfeld (1969-1971): Antiautoritiire Erziehung and Psychoanalyse. Ausgewiihlte Schriften, vol. 2, Frankfurt, p. 236-286. Idem (1941): „Psychoanalyse als Gesprach“

[„The Facts of Observation in Psychoanalysis.“]. In: Psyche, vol. 32, 1978, p. 355-373.

 

[1] 6 C.f. Apel, Karl-Otto (1968): „Szientistik, Hermeneutik, Ideologiekritik. Entwurf einer Wissenschaftslehre in erkenntnisanthropologischer Sicht.“ In: idem Transformation der Philosophie, vol. II, Frankfurt 1973, p. 96-127. Habermas, Jurgen [1963-1977]: Zur Logik der Sozialwissenschaften. (5th, expanded edition) Frankfurt am Main 1982.

 

[1] 7 C.f. Dahmer, H. (2001): Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert. Vienna, p. 31-42.

 

[1] 8 C.f. Bernfeld, Siegfried (1949): „Freuds wissenschaftliche Anfange.“ In: idem and Suzanne Cassirer Bernfeld (1981): Bausteine der Freud-Biographik. (ed. use Grubrich-Simitis) Frankfurt am Main, p. 112-147.

 

[1] 9 Freud (1935): „Nachschrift zur `Selbstdarstellunr. In: Gesammelte Werke, vol. XVI, Frankfurt 1961, p. 32.

 

[1] 10 „Strictly speaking there are only two sciences, Psychology, pure and applied, and the Science of Nature [Naturkunde].“ Freud (1933): Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. In: Gesammelte Werke, vol. XV, Frankfurt 1961, p.194.

 

[1] ii Freud ([1938] 1940): „Some elementary Lessons in Psycho-Analysis.“ In: Gesammelte Werke, vol. XVII, Frankfurt 1966, p. 143.

12 Ibid.

 

[1] 13 Nietzsche, Friedrich (1882, 1887): Die frohliche Wissenschaft (` la gaya scienza‘). Aphorism 355. In: Nietzsche (1980): Sämtliche Werke (Kritische Studienausgabe), vol. 3, Munich, p. 593 pp.

 

[1] 14 Ferenczi, Sandor (1908): „Psychoanalyse and Padagogik.“ Ibid. vol. III, Bern, Stuttgart, p. 22. Ibid. (1928): „Ober den Lehrgang des Psychoanalytikers.“ Ibid., p. 426.

 

[1] 15 C.f. Reich, Wilhelm (1933): Charakteranalyse. Technik und Grundlagen fiir studierende und praktizierende Analytiker. New edition, expanded, Cologne 1970. Fenichel, Otto (1941): Probleme der psychoanalytischen Technik. Giessen 2001.

 

[1] 16 Freud (1912/13): Totum und Tabu. Einige Ubereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker. In: Gesammelte Werke, vol. IX, Frankfurt am Main 1968.

 

[1] 17 Adorno, Theodor W. ([1944] 1951): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschadigten Leben. Aphorism 29 („Zwergobst“). In: Gesammelte Schriften, vol. 4, Frankfurt 1996, p. 54.

 

[1] 18 Bernfeld, Siegfried ([1952] 1962): „Ober die psychoanalytische Ausbildung.“ In: Psy-che, vol. 38, (1984) Stuttgart, p. 444 f.

 

[1] 19 „Whosoever has emerged, to this day, victorious, marches along in the triumphal pro-cession which takes those who are now in power over the bodies of the slain. The loot is, as usual, born along in this triumphal march. One usually terms this loot culture [Kulturgiiter]. They will have to deal, as far as the Historical Materialist is concerned, with a dispassionate [distanzierten] observer. For what he discerns of culture is for him of a genealogy [Abkunft] which cannot be thought of without a shudder. It thanks its existence not only to the effort of the great genii which created it, but also to the anonymous servitude of their contemporaries. There is never a document of culture which is not, at the same time, a document of barbarism.“ Benjamin, Walter ([1942] 1949):

„Ober den Begriff der Geschichte.“ In: Benjamin (1974): Gesammelte Schriften, vol. 1.2, Frankfurt, p. 696 (Thesis VII).

 

[1] 20 Freud (1927): Die Zukunft einer Illusion. Gesammelte Werke, vol. XIV, Frankfurt 1963, p. 327 and 333.

 

[1] 21 Idem (1920): Jenseits des Lustprinzips. Gesammelte Werke, vol. XIII, Frankfurt 1963, p. 1-69.

 

[1] 22 Idem (1921): Massenpsychologie und Ich-Analyse. Gesammelte Werke, vol. XIII, Frankfurt 1963, p. 71-161.

 

[1] 23 Idem (1930): Das Unbehagen in der Kultur. Gesammelte Werke, vol. XIV, Frankfurt 1963, p. 419-506.

 

[1] 24 Idem (1937-39): Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Gesammelte Werke, vol. XVI, Frankfurt 1961, p. 101-246.

 

[1] 25 Idem (1891): Zur Auffassung der Aphasien. Eine kritische Studie. Frankfurt 1992.

 

[1] 26 Idem ([1887-1904] 1950): Briefe an Wilhelm Fliefl 1887-1904. Frankfurt 1986.

 

[1] 27 C.f. Dahmer (1973): Libido und Gesellschaft. Studien iiber Freud und die Freud’sche Linke. Frankfurt 1982, part III.

 

[1] 28 Yerushalmi, Yosef H. (1991): Freuds Moses. Frankfurt 1999.

 

[1] 29 Assmann, Jan (1998): Moses der. Agypter. Munich, Vienna.

 

[1] 30 C.f. Horkheimer, Max (1947): Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. [Eclipse of Rea-son] In: Horkheimer (1991): Gesammelte Schriften, vol. 6. Frankfurt, p. 19-186. Chap. 4: „Aufstieg and Niedergang des Individuums“, p. 136-164.

 

[1] 31 C.f. Sigmund Freud (1914): Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung. Gesammelte Werke X, Frankfurt am Main 1963, p. 97.

 

[1] 32 „The human race has now advanced in its domination of the forces of nature to the point where, through their utilization, it has become easy to eradicate itself to the last man.“ Freud, Das Unbehagen in der Kultur, ibid. p. 506.

 

[1] 33 Ibid.

 

[1] 34 Marcuse, Herbert (1955): Triebstruktur and Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud (Eros and Civilization). In: Schriften, vol. 5, Frankfurt am Main 1979. Idem (1956, 1967): „Aggressivitat in der modernen Industriegesellschaft“ in Dahmer, Helmut (ed.): Analytische Sozialpsychologie. Frankfurt am Main 1980, p. 452-470.

 

[1] 35 Freud: Massenpsychologie and Ich-Analyse, ibid. p. 467.

 

[1] 36The first of the `world-view‘-[Weltanschauung]-debates amongst psycho-analysts was fought out by Putnam, Ferenczi, Reik, Tausk and Freud on the eve of the First World War. At its core was the question of the relationship of psycho-analysis and Philosophy. The second debate took place during the closing years of the Weimar Republic. The third was triggered, firstly, by the way in which the international Students Movement of the sixties invoked Freud, secondly by the epistemological controversies on the logical status of psycho-analysis reaching new heights of intensity, and thirdly when the inglo-rious history of the psycho-analysis during the Third Reich came to public attention.

[1] 37 Freud, Sigmund (1933): „Brief an Marie Bonaparte“, summer 1933, quoted by Ernest Jones (1957): Das Leben and Werk von Sigmund Freud, vol. 3, Bern 1962, p. 217 f

 

[1] 38 Bernfeld, Siegfried (1928): „Ist Psychoanalyse eine Weltanschauung?“ in: idem Ausgewiihlte Schriften vol. 2, ibid. (footnote 4) p. 207.

 

[1] 39 Reich, Wilhelm (1933, 1934): „Brief an den Internationalen Psychoanalytischen Verlag vom 17.3.1933. In: Internationale Zeitschrift fur politische Psychologie and Sexualokonomie II, (1935), p. 60 f. (English in idem Reich speaks of Freud. New York 1967, p. 159 ff.)

 

[1] 40 Hartmann, Heinz (1927): Die Grundlagen der Psychoanalyse. Stuttgart 1972.

 

[1] 41 Freud, Sigmund: Neue Folge der Vorlesungen zur Einfiihrung in die Psychoanalyse. Ibid. footnote 9, p. 170 f. and 197.

 

[1] 42 Idem. (1932): „Unveroffentlichter Brief an Lampl de Groot“, 17.1.1932. C.f. idem (1929-1939, 1992): Tagebuch 1929-1939. Kiirzeste Chronik. Basel/Frankfurt 1996, p. 208. („Reinmachung im Verlag“).

 

[1] 43 Muller-Braunschweig, Carl: „Psychoanalyse und Weltanschauung“ in: Reichswart. Nationalsozialistische Wochenschrift und Organ des Bundes Volkischer Europiier/Organe de L’Alliance Racistes Europeenne Berlin, vol. 14, no. 42, 22.10.1933, p. 2 f. — reprinted in: Psyche37 , 1983, p. 1116-1119.

 

[1] 44 C.f. Dahmer, Helmut (1983): „Kapitulation vor der Weltanschauung“ in: idem Pseudonatur und Kritik, Frankfurt am Main 1994, p. 147-169.

 

[1] 45 Boehm, Felix (21.8.1934): „Ereignisse 1933-1934″ 11-page typed manuscript. Re-printed in: Brecht, Karen et. al. (eds.) Hier geht das Leben auf eine sehr merkwiirdige Weise weiter… Hamburg 1985, p. 99-109.

 

[1] 46 C.f. Dahmer, Helmut (1983): „Psychoanalyse im Surrealismus (Andre Breton)“ in: idem. Pseudonatur und Kritik ibid. (footnote 43, p. 108-135.)

 

[1] 47 Breton, Andre (1936-1953): Das Weite suchen. Reden und Essays (Partial edition of: La Cie des champs). Frankfurt am Main 1981, p. 11 f.

 

[1] 48 Idem, Soupault, Philippe (1919): Les Champs magnetiques/Die magnetischen Felder. Heidelberg 1990.

 

[1] 49 Idem : Die kommunizierenden Rohren (Les Vases communicants). Munich 1973, 1980.

 

[1] 50 C.f. idem (1952): Entretiens — Gespräche. Dada, Surrealismus, Politik. Amsterdam, Dresden 1996, p. 202 f.

 

[1] 51 Idem: Die kommunizierenden Rahren, ibid. (footnote 48), p. 73 f.

 

[1] 52 Freud, Sigmund (1900): Die Traumdeutung. Gesammelte Werke, vol. II/III, Frankfurt am Main 1968, p. 1-642.

 

[1] 53 Idem (1905): Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Gesammelte Werke, vol. VI, Frankfurt am Main 1969.

 

[1] 54 Idem (1908): Der Dichter und das Phantasieren. Gesammelte Werke, vol. VII, Frank-furt am Main 1966, p. 211-223.

 

[1] 55 In the same view, in a 1937 rejection letter [Absagebrief] of Freud to Breton (who had asked him for a contribution to the anthology Trajectoire du reve) Freud writes: „The superficial aspect of dreams, that what I term the manifest dream, is of no interest to me.“ „I’ve always been concerned instead with the ‚latent content‘, which is derived from the manifest dream by means of psychoanalytic interpretation. A collection of dreams devoid of associations of any knowledge of the context in which they were dreamed I find meaningless, and I find it difficult to imagine what they could mean for someone else.“ Freud to Breton, 8.12.1937. Quoted after Polizzotti, Mark (1995): Revolution des Geistes. Das Leben Andre Bretons. Munich, Vienna 1996, p. 553 (resp. 988.)

 

[1] 56 Otto Fenichel (1934-1945): 119 Rundbriefe. Ed. By Johannes Reichmayr, Elke Miiiilleitner. Basel 1998.

 

[1] 57 Ernest Jones: „Report on the Sixteenth International Psycho-Analytical Congress: Opening Address by the President, Dr. Ernest Jones“ (Zurich, 15.8.1949). In: International Journal of Psycho Analysis 30 (1949), p. 178 ff.

 

[1] 58 Talcott Parsons (1964): Sozialstruktur and Personlichkeit. Frankfurt am Main 1968.

 

[1] 59 C.f. Jeffrey Prager, Michael Rustin (eds.): Psychoanalytic Sociology. Vol. I and II. (Schools of Thought in Sociology, vol. 10). Aldershot 1993.

 

[1] 60 Otto Fenichel: Aufsiitze, vol. I and II. Ed. by Klaus Laermann, Olten and Freiburg i. Br. 1979 and 1981.

 

[1] 61 C.f. Helmut Dahmer: „Psychoanalytische Vereinsgeschichte, `anders‘ erzahlt.“ In: Werkblatt, Zeitschrift fur Psychoanalyse and Gesellschaftskritik 40 (1998), p. 106-123.

 

[1] 62 Regine Lockot: Die Reinigung der Psychoanalyse. Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Spiegel von Dokumenten and Zeitzeugen (1933-1951). Tubingen 1994, p. 9.

 

[1] 63 C.f. Helmut Dahmer: „Psychoanalytiker in Deutschland 1933-1951″. In: Karl Fallend, Bernd Nitzschke (eds.): Der ,Fall‘ Wilhelm Reich. Beitriige zum Verhiiltnis von Psychoanalyse and Politik. Frankfurt am Main 1997, p. 167-189.

 

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