Die Häßlichkeit der linken Kameradschaftscommunities (Wehrsportgruppen off- und online)
Antikapitalistisches Kameradschaftstreffen in Heiligendamm-Bahamas und ihr Demobilisierungsversuch
ID 17116
Für über 100.000 Leute war es keine Frage, ob sie gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 protestieren und randalieren werden…Nun war mit Justus Wertmüller jemand im CoraxStudio, der genau darauf keine Lust hatte. Mehr noch, für den Bahamas Redakteur ist die radikale Linke hässlich…warum nur – fragten wir uns und ließen ihn reden. Zusammen mit Jörg Depta.
Autoren: tagesaktuelle redaktion Radio: corax, Halle im wwwProduktionsdatum: 29.05.2007
Mod.: Ich würde dich eigentlich mal fragen, Justus, was ist denn so hässlich an dieser radikalen Linken?
Wertmüller: Na ja, fangen wir doch einfach mal mit den Äußerlichkeiteni an. Der innere Kern der radikalen Linken besteht ja nun aus relativ verwahrlosten Elendsgestalten, denen man gar nicht zutrauen würde, dass sie einen solch erheblichen Avantgarde-Einfluss auf die Geschehnisse in der Republik hat. Bei der radikalen Linken ist alles stehen geblieben, was auch schon, als es noch neu war, nicht so besonders war. Immer noch trägt man diese schrecklichen Dreadlock-Wursthaare, immer noch ist man auf dem veganen Trip, immer noch ist man auf dem Kreativtrip, obwohl man zu nichts in der Lage ist, weder in der Kunst noch im Schreiben noch im Reden noch in der Beziehung. Immer noch hält man sich für etwas Besseres, obwohl einem das psychische und physische Elend grinst. So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa, nehmen wir mal diese beiden Dinge oder ExKa-Grüppler oder was es da noch so gibt, die Antirassisten und Antisexisten, natürlich nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deswegen eigentlich ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.
Mod.: Gut, ich weiß ja nicht, wo du deine Erfahrungen gemacht hast. Also bei mir sieht das ein bisschen aus, ich sehe das, glaube ich, nicht so schrecklich wie du und möchte das auch nicht völlig verteufeln, auch wenn es natürlich ein paar Sachen gibt, die man nicht unbedingt erstrebenswert findet in der radikalen Linken, aber das ist doch eine sehr heterogene Masse und nichts Homogenes, wo man als radikale Linke reden kann. Also ich verstehe so diesen Hass von dir auf diese, wie du auch geschrieben hast, Wursthaarträger, die du ja unappetitlich findest, ich verstehe nicht, wo das so von dir herkommt, also wo sich das bei dir gebildet hat.
Wertmüller: Ich würde das nicht hassen nennen. Würde das einen Grad schlimmer bezeichnen. Ich nenne es Verachtung. Ich nenne es ein verachtenswertes Volk. Ich will das auch sagen, wenn du sagst, die wären heterogen, dann mag das sein in ihrer Selbstdarstellung und wie sie dann outfittechnisch manchmal in etwas auseinander driftende Gruppen und Fraktionen zerfallen. Was sie aber zu einer sehr streng homogenen Einheit macht, ist erstens, der immer lauter hallende Ruf, sich um Gottes Willen nicht gegenseitig zu kritisieren, was die Linke früher mal ausgemacht hat und was teilweise ja auch noch ein Vorteil war, dass man sich wenigstens gestritten hat. Das tut man heute nicht mehr, man hat ein gemeinsames Ziel. Was heißt schon No Global, was heißt schon Attack, was heißt schon Heiligendamm. Es ist ein fanatischer, durch nichts irre zu machender Hass auf die vereinigten Staaten von Amerika und alles, was damit zusammenhängt. Es ist damit verbunden, der antizionistische Vernichtungswunsch und es ist wiederum damit verbunden der Wunsch nach homogenen, nach Ethnien gegliederten Gemeinschaften, die in der ganzen Welt, so ist ja die No-Global-Ideologie jedes für sich, also volksgemeinschaftlich, autoritär und etatistisch ein Reich der Gleichheit in Armut, Kärglichkeit und unter Zwang stiften soll. Das macht sie auch so bezeichnend ähnlich zu ihren scheinbaren Hauptfeinden und das sind ja nun die Nazis. Die bezeichnen sich doch immer als antifaschistisch. Jetzt in Heiligendamm, aber nicht erst jetzt, aber da wird das nochmal ganz deutlich, dass zwischen Nazis und ich rede jetzt von den jüngeren Nazis, zum Beispiel den jungen Nationaldemokraten und der No-Global-Linken in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, da gibt es fast keine Ausnahme, eigentlich kaum mehr ein Blatt dazwischen geht. Ich kann das an einem Accessoire verdeutlichen: Beide angeblich so spinnefeindlichen Fraktionen tragen das Bluttuch der Judenvernichtung mit aller größter Selbstverständlichkeit, das Palästinensertuch. Damit ist eigentlich schon alles über die Gemeinsamkeit von zwei gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mobilisierenden Fraktionen, hier die radikale antiglobalisierungskritische Linke, dort die radikale globalisierungskritische Rechte.
Mod.: Korrigiere mich bitte, aber du wirfst halt sozusagen der radikalen Linken vor, dass sie in sich ein antisemitischen Vernichtungswillen trägt, habe ich das richtig verstanden?
Wertmüller: Sie trägt den in sich, würde es aber so nicht sagen. Sie drückt es in Form der vornehmsten deutschen Diskurseigenschaft vor, sie nennt das Israelkritik und sie nennt das natürlich auch Solidarität mit den unterdrückten Völkern, hier den palästinensischen. Beides zusammen geht auf den Vernichtungswunsch gegen den jüdischen Staat hinaus. Beides zusammen geht sehr wohl auf den Generalverdacht gegen sich in die Debatte einmischende Juden, auch hier in Deutschland zum Beispiel, ein. Ich erinnere nur an die Niederträchtigkeiten, die jetzt vor einigen Tagen anlässlich einiger Äußerungen von Ralph Giordano gegen ihn von der Linken losgegangen sind, der nun, nur weil er sehr zurecht sich gegen einen Moscheemonsterbau in Köln ausgesprochen hat, als Quasinazi und Schlimmeres denunziert wird von der sicherlich immer globalisierungskritischen Linken.
Mod.: Ich verstehe schon… Also ich verstehe es überhaupt nicht, muss ich sagen, aber ich versuche deine Gedankengänge irgendwie nachzuvollziehen und deswegen denkst du, dass dieser Protest, der in Heiligendamm und Rostock stattfinden wird, absolut sinnlos ist oder warum? Warum denkst du das denn, dass man nicht durchaus dieses Wirtschaftssystem, was es ja halt ist, das halt Ungerechtigkeit schafft und ich weiß nicht, ob du das leugnen möchtest oder nicht, dass dieses Wirtschaftssystem nicht auch kritisiert werden darf. Das verstehe ich nicht, warum du das so ablehnst. Das heißt ja, du möchtest für die Gesellschaft, wie sie jetzt gerade besteht, dieses System als solches erhalten?
Wertmüller: Ich möchte es jedenfalls nicht eintauschen gegen etwas Schlechteres, gegen eine verkommene Vorform in neuem Gewand. Die Heiligendammprotestler, ob sie junge Nazis oder junge Linke sind, ob sie die junge Freiheit lesen oder die junge Welt, sind sich ja darin einig, dass sie Antikapitalisten seien. Nun wäre uns tatsächlich weiterhin eine zu übende Disziplin, die würde aber erstens ein Mindestmaß an Kenntnis voraussetzen und dieses Mindestmaß an Kenntnis, dass man bitte nicht auf Lenin, bitte nicht auf Mao und bitte nicht auf No-Global- oder No-Logo-Sprüche hin konstruieren sollte. Darauf also aufruhend müsste sie beinhalten, dass den Kapitalismus zu kritisieren, nur ein Recht hat, wer nicht hinter ihn zurück, sondern über ihn hinaus will. Wer also in der Lage und bereits ist, zu begreifen, dass die kapitalistische Welt, die kapitalistische Wirtschaftsform und der ihr angemessene Staatsform, also die bürgerliche Republik, die bis jetzt am höchsten entwickelte und befördert hat zwischen Menschen am weitesten ausgreifende und ihre Anlagen am meisten vervollkommnende Vergesellschaftungsform je gewesen ist. Es geht darum, die Hässlichkeiten, die Scheußlichkeiten, die verratenen Versprechungen der Republik und ihres ökonomischen Systems des Kapitalismus anzugreifen aus der Position heraus, dass genau das, was der Kapitalismus durch seine Ideologen, durch seine Philosophen, durch seine Kritiker versprochen hat, dass das einzulösen wäre und nicht, dass hässliche Formen der negativen Kollektivität, der Versuch die Menschheit in eine Viehherde zu verwandeln, in der alle gleich sind, jeder nach seiner Kultur, jeder nach seiner Tradition, in dem nichts Darübergehendes, nicht Verallgemeinerbares ist, das was man sehr zurecht und wenn ich mir den Vorwurf ein Eurozentrist zu sein damit zuziehe, dann nehme ich das sehr gerne in Kauf. Es ginge darum, die Zivilisation und es gibt nur eine und die ist westlich, die ist dezidiert westlich von der Herkunft der Aufklärung, von der Kritik an der Aufklärung, die auch nicht gegen sie, sondern über sich hinaustreibt, ist, von der Vorstellung von Zivilisation als eine menschheitsumfassenden kosmopolitanen Aufgabe, die sich nicht niederzwingen lässt von Gewalt- und Terrorreligionen, wie der Islam, der sich nicht niederzwingen lässt von dem Islamischen oder Faschistischen, sprich Neonazis oder pseudokommunistischen Antiimperialismus, der nicht in den Kategorien von Völkern denkt, nicht in den Kategorien von Gemeinschaften, sondern der die Vervollkommnung des je einzelnen im sehr freiwilligen Miteinander und Kooperation mit anderen. Es geht zunächst wirklich um das Individuum, um den Individualismus, es geht um den Luxus, es geht um die Vervollkommnung in der künstlichen Welt, die der Mensch sich als ein nicht mehr nur naturhaftes Wesen geschaffen hat. Das bekämpft die Linke, ich kann es anhand der radikalen Linken nochmal sehr, sehr schön auf den Punkt bringen, auch was Globalisierungskritik überhaupt heißt. Vor einigen, vor zwei Wochen, nein vor einer guten Woche in Kreuzberg wurden mal wieder sogenannte Luxuslimousinen angegriffen, zum Glück brannten die dann nicht und die Täter haben als die Pissspur wieder unterm Baum, als Graffiti an der Wand Folgendes zurückgelassen: Gegen Reichtum in Kreuzberg. Wer so etwas sagt, wer so etwas fordert, wer auf so eine wahnsinnige Idee kommt, den Reichtum zu verteufeln, statt ihn einzufordern, ist für mich erstens von einem Faschisten kaum mehr zu unterscheiden und zweitens als ein Ge-sprächspartner, ein Diskussionspartner, gar als ein Kombatant im gleichen kommunistischen Unternehmen nicht diskutabel, sondern ist zu bekämpfen.
Mod.: Lieber Justus, das klingt für mich, muss ich sagen, wirklich recht wirr. Ich kann es schwer nachvollziehen, obwohl ich ja denke, dass die Kritik an vielen Kritiksachen, die gerade ausgeübt wird, durchaus berechtigt ist, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass du dich mit deiner Position in eine Ecke stellst, wo du ziemlich alleine stehst und wo ich mich frage eigentlich, warum machst du das eigentlich und wer sind eigentlich noch die Leute, mit denen du zusammenarbeiten möchtest und zusammenarbeiten kannst.
Wertmüller: Also ich bin offen gestanden nicht gewöhnt, wenn ich zum Interview gebeten werde, mich als Wirrkopf beschimpfen zu lassen. Ich würde mir das also wünschen, dass das unterbleibt, sonst gehe ich nämlich. Ganz abgesehen davon ist es ja bekannt, dass die Antideutschen und das ist ja zum Glück sehr viel mehr als die Redaktion und die ja nun doch in vielen Tausenden zu zählenden Leser der Zeitschrift Bahamas, dass die Antideutschen also als Abbruchunternehmen der Linken längst am Start sind. Die Antideutschen bestehen ja aus Leuten, die, sei es das es bei mir schon ziemlich lange her ist, heißt, dass es bei der Mehrheit der Freunde, Genossen oder wie man sie nennen möchte, die ja noch sehr jung sind, erst kurz zurückliegt, sie kommen ja alle aus der radikalen Linken. Sie haben ja alle ihre einschlägigen Erfahrungen gemacht und sie haben alle festgestellt, dass sie Lebenszeit verschwendet haben, dass sie mit Verrückten und Wahnsinnigen umgegangen sind, dass sie selber bis über beide Ohren in diesem Morast dringesteckt sind, aus dem sie sich dann eben herausgearbeitet haben und vor dem Hintergrund bin ich ganz, ganz optimistisch, dass das ja nicht mehr zu bestreitende moralische, inhaltliche, praktische oder wie auch immer man die Existenz der Linken, dieses Scheitern, diese Katastrophe, die sie ja nun eigentlich längst hinter sich hat, natürlich dazu führt, dass die Linke in der traditionellen Form, wie anscheinend du oder dieser Sender hier es vertritt, bald zu existieren aufgehört wird. Es wird auf der einen Seite die antideutsche Kritik geben und es wird auf der anderen Seite eine grüne Islam, rot Stalo, Mao, wie auch immer, kommunistisch und braun, junge Nationaldemokraten, Volksgemeinschaft geben.
Mod.: Ich glaube Justus, ich wollte dich auch gerade nicht böse angreifen. Es tut mir leid, dass du dich jetzt so angegriffen fühlst. Also selbst zu Corax muss ich sagen, das ist hier ein sehr heterogener Haufen. Hier kann man nicht von einer Einheit sprechen und ich glaube auch, das wäre sehr schlimm und das einzige, ich würde nochmal darauf zurückkommen, mit wem siehst du denn für dich, also auch als Bahamas-Redaktion, wer sind denn noch die Gruppen, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten möchtet in Deutschland?
Wertmüller: Ich kenne gar keine. Schau, das unterscheidet uns ja nur als Antideutsche, Bahamas oder andere, ja nun mal schon ganz grundsätzlich von der Linken, wir diskutieren nicht, wir denken nicht in Organisierungskategorien. Also es muss irgendwie Verletzung der Organisation und dann werden wir es gemeinsam dann irgendwie bewaffnet oder wie auch immer schaffen und das große Ding wuppen, dass sie dann Revolution nennen. Es würde mir völlig reichen und so ist es ja jetzt schon, lose Zirkel respektive auch Einzelpersonen, die als beständig miteinander korrespondierende Kritiker, diskutierende, korrespondierende Kritiker sich miteinander ins Benehmen setzen. Erstens: Warum sie sich miteinander ins Benehmen setzen, um eine antifaschistische Aufgabe, die das Wort wenigstens einmal verdient, zunächst mal nur anzugehen, nämlich der Kampf gegen die antisemitische Internationale, wie wir das nennen, die wie gesagt von der Sozialdemokratie, jetzt aber wirklich weit über Deutschland hinaus sondern ganz Old-Europe, begreift, was Sozialdemokratie über die grünen Alternativen bis zu den Linksradikalen einerseits und die jeweiligen Bewegungen der autochthonen Völker, was jetzt Communityvertreter sein sollten oder irgendwelche quasi faschistische Regime, die jetzt hofiert werden, wie das in Venezuela eines Hugo Chávez, der gerade die einzigen freien Radiosender abgeschafft hat, um also gegen diese Verschwörung, nein Verschwörung ist das falsche Wort, ich nehme es zurück, um gegen dieses informelle Bündnis, das sich wahrscheinlich am schönsten in Form der Vereinigten Nationen, die UN, auszeichnet, wo es bekanntlich darum geht, in erster Linie sich zusammenzutun mit den schlimmsten Terrorregimen, Iran angefangen, von den großen Brüdern China und Russland gefeatured, zunächst mal rhetorisch, aber zunehmend praktisch einen Weltkrieg gegen die Zivilisation anzuzetteln, an dessen vorderster Front erstmal der politische Islam marschiert, wo aber hinten drein sozusagen eben die gesamte linke Intelligenz mit ihrem Anhang aus Westeuropa usw. dann dranhängt.
[1] Äußerlichkeiten: Mit diesem einfachen Wort rekurriert Wertmüller auf Adornos geniale Entdeckung, daß ohne Berücksichtigung der ästhetischen Empfindung das ganze Denken des Mensch blind wie frischgeborene Kätzchen ist. Denn das Leben ist immer konkret, und ohne die Empfindung, die ja immer sinnlich ist, kann der Mensch endlos seine paranoiden Systeme (wie z.B. Antisemitismus, Genderismus, sexuelle Diversität, Islamismus, sinnentleerte Psychokratieen, etc. etc.) entwickeln, die keinerlei Entsprechung im Konkreten haben, also einfach nichtexistent sind. Denn alles, was tatsächlich existiert, zeigt sich, äußert sich, der Sinn des Lebens ist nichts anderes, als sich zu äußern. Das macht jede Mücke und jede Blume. Nur der Mensch versteckt sich in seiner Angst und in seinen Lügen, die meistens auch Selbstlügen sind. Some grow up and some grow down. Und Haß ist häßlich, und Leben ist schön. Das ist doch eine sehr einfache und sehr effektive Handhabe, oder? Nur daß das Schöne nicht immer dekorativ sein muß, und nicht daß, was uns mancher Museumsdirekto auftischt, um Kasse zu machen. (Eine Gemeinsamkeit mit Max Hollein ist reinzufällig.)
Ästhetik und Kulturindustrie nach Adorno – Ein Vortrag von Marc Grimm
Am Ende seines Lebens fühlte sich Adorno wie Hebbels Meister Anton, dessen letzte Worte lauten: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Der Frankfurter Philosoph verstand sie nicht mehr, weil er, der radikale Gesellschaftskritiker, sich gegen die Radikalität jener Neuen Linken zur Wehr setzen mußte, deren gesellschaftskritischen Elan er selbst mitentfacht hatte.
So wurden dem im August 1969 Verstorbenen die letzten Lebensjahre zur Qual: Protestierende Studenten, darunter viele seiner Schüler, überschütteten ihn, der mit Max Horkheimer die Frankfurter Schule und ihren kritischen Marxismus begründet hatte, mit Hohn und Spott. Eine Berliner Kommilitonin wollte ihm 1967 bei einer Diskussion unter dümmlicher Anspielung auf seinen Spitznamen „Teddy“ ein rotes Gummibärchen überreichen; Flugblätter kursierten: „Er soll sich alleine zu Tode adornieren!“; sein Frankfurter Institut für Sozialforschung wurde 1968 von Studenten besetzt und durch die vom Rektor herbeigerufene Polizei geräumt; junge Oben-ohne-Damen sprengten im April 1969 seine Vorlesung, „Adorno als Institution ist tot“, hieß diesmal das Flugblatt.
Das Zerwürfnis zwischen Adorno und seinen Studenten war entstanden, als sie von ihm Rezepte für Ihre Rebellion, sein unvermitteltes Engagement in der Situation verlangten. „Erhebung über die Situation“, wie Adorno mit Horkheimer die Philosophie verstand, war für die Linken pure Selbstbefriedigung.
Adorno hingegen kritisierte die Demonstrationen der Studenten als Barrikaden-Spiel: „Schwache, Verängstigte fühlen sich stark, wenn sie rennend sich an den Händen halten. Das ist der reale Umschlagspunkt in Irrationalismus.“
Für irrational hielt der Philosoph vor allem die kunstfeindlichen Parolen und Happenings der Studenten. Gegen diese „Amusie“ der Neuen Linken polemisiert er in seinem unvollendeten Hauptwerk, der „Ästhetischen Theorie“, das seine Frau Gretel Adorno und sein Schüler Rolf Tiedemann im Spätherbst 1970 herausgegeben haben*.
Kunst, vor allem die moderne, autonom gewordene Kunst, ist für Adorno subversive „Bewegung gegen die Gesellschaft“. Sie stellt jede Art von Herrschaft in Frage, denn sie ist als „Gedächtnis des akkumulierten Leidens“ die „bewußtlose Geschichtsschreibung“ der Menschheit. Gerade in einer unbarmherzigen Welt ist sie der Sprengstoff“ weil sie an Not und Unterdrückung erinnert, weil sie ausspricht, was aus der Welt und den Menschen geworden ist.
Zwar sei, meint Adorno, die Kunst auch „soziales Faktum“ und daher schuldhaft in die unversöhnte Welt sozialer Kämpfe und Leiden, in die Ideologie positiver Herrschaft verstrickt. Aber wollte sie sich wegen dieser Schuld selbst abschaffen, so „leistete sie erst recht der sprachlosen Herrschaft Vorschub und wiche der Barbarei“: „Die Abschaffung der Kunst in einer halbbarbarischen und auf die ganze Barbarei sich hinbewegenden Gesellschaft macht sich zu deren Sozialpartner.“
Insofern paktieren die radikalen Linken als kunstverachtende „Neotroglodyten“, als neue Höhlenbewohner, gerade mit denjenigen, die sie eigentlich stürzen wollen: mit den Managern und Bürokraten der verwalteten Welt. Auch für sie sei die Kunst überlebt.
Aber auch mit den geschmähten Veranstaltern der Kulturindustrie stimmen die revolutionären Linken, so Adorno, darin überein, daß sie Kunst praktisch nutzbar machen wollen. Zwar verwenden sie nicht wie die Kulturmanager Kunst als Mittel des Profits, aber als Mittel politischer Agitation und Aktion und heben damit die Autonomie der Kunst auf: jene Autonomie, durch die Kunst als absoluter Protest subversiv jede — kapitalistische wie sozialistische — Gesellschaftsform als Herrschaft des totalen Nutzens negiert.
Adorno distanziert sich deshalb von dem Aktionismus der Apo, die Kunst radikal politisieren will, die von der „Schönheit der Straßenschlachten“ schwärmt oder Revolution als eine
* Theodor W. Adorno: „Ästhetische Theorie“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 548 Seiten; 32 Mark.
„Gestalt des Schönen“ bejubelt. Das sei nichts anderes als „schlechter Ästhetizismus kurzatmiger Politik“.
Dieser Ästhetizismus sei zugleich ein „Erschlaffen ästhetischer Kraft“ und lasse sich auf die „Empfehlung von Jazz und Rock and Roll anstelle von Beethoven“ ein, einen Gegensatz, „gegen den manche Musikerohren bereits taub zu werden beginnen“.
Ebenso wirft er den Jazz-Fans vor, sie würden die vorgeblich „unverschandelten Qualitäten“ der Pop-Produkte nicht als Waren der Kulturindustrie durchschauen: „Sie sind synthetisch von eben jenen Mächten aufbereitet, denen angeblich die große Weigerung gilt: erst recht verschandelt.“
Dem Philosophen der großen Weigerung, Herbert Marcuse, der In seinem Buch „Der eindimensionale Mensch“ zum Widerstand gegen die Konformisten-Kultur aufgerufen hatte“ hielt Adorno entgegen: „Rabiate Kulturkritik ist nicht radikal“, und er verspottete die Abstraktheit der großen Weigerung, die pauschal Kultur verwirft, als Weg zum „Antikulturbund“. Marcuse gab nach Adornos Tod zu, daß ihn dessen Sätze „manchmal in Raserei gebracht“ hätten: „Aber ich glaube, das sollten sie*.“
Zwar nennt auch der radikale Kritiker Adorno die Kultur „Müll“, aber Kunst, die zu ihr gehört, ist für ihn „doch ernst als Erscheinung der Wahrheit“, einer Wahrheit, die das Absurde einer von Herrschaft entstellten Welt ausspricht.
Für Adorno gibt es deshalb keine Versöhnung zwischen Kunst und Herrschaft. Er sieht auch Im vermeintlich Versöhnung spiegelnden sozialistischen Realismus ein „Diktat“, das künstlerische Produktivkraft „gebrochen“ habe: „Lieber keine Kunst mehr als sozialistischer Realismus.“
Wahrhaft realistisch — und keineswegs abstrakt oder dekadent — dünkte ihn daher Samuel Beckett, dem er die „Ästhetische Theorie“ hatte widmen wollen. Becketts „kindisch-blutige Clownsfratzen“, so Adorno, sagten die „historische Wahrheit“ darüber, was aus den Menschen geworden sei; wahrhaft kindisch sei hingegen der sozialistische Realismus, weil er so tue, als ob im Sozialismus Unterdrückung beseitigt sei, weil er „Versöhnung“ vorspiegle.
Zwar ist auch für Adorno die Idee der Kunst „Bild der Versöhnung“, aber nur deshalb, weil sie unversöhnlich ist gegen die unversöhnte Welt — gegen eine Welt also, in der Gewalt herrscht.
Ihren Protest gegen Herrschaft drückt sie in ihrer Form, nicht ihrem Inhalt aus. Neue Kunst ist „soziale Kritik zur Form erhoben“, während sie sich von jedem „manifesten sozialen Inhalt“ distanziert, zu ihm keine Stellung mehr nimmt. In einer Welt des totalen Nutzens sind alle Inhalte gleichgültig geworden, die Form selbst wird zum Politikum: „Die neugriechischen Tyrannen wußten, warum sie
* Hermann Schweppenhäuser (Hrsg.): „Theodor W. Adorno zum Gedächtnis“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; 244 Selten; 20 Mark.
Becketts Stücke verboten, in denen kein politisches Wort fällt.“
Auch In Becketts berühmtestem Stück „Warten auf Godot“ fällt kein politisches Wort. Adorno jedoch sieht in der stummen Schlußszene — die drei Landstreicher treten auf der Stelle — ein präzises Bild für die Situation der gegenwärtigen Gesellschaft, die sich Fortschritt nur vorspiegelt, ohne von der Stelle zu kommen.
In der Nutzlosigkeit dieses stummen Gestus wird laut Adorno der emphatische Wahrheitsgehalt moderner Kunst deutlich: ihre Nutzlosigkeit. Denn gerade als nutzlose ist sie der absolute Protest in einer Welt des totalen Nutzens. Je totaler die Gesellschaft zum „einstimmigen System“ sich entwickelt, desto mehr werden die Kunstwerke, die diese Entwicklung ausdrücken, zum Protest gegen die Gesellschaft, zum Ausdruck der Sehnsucht nach einer versöhnten Welt.
Kunst, die zum Nutzen des politischen Protests, wie es die Neue Linke will, oder zum Nutzen eines bestehenden Gesellschaftssystems, wie im sozialistischen Realismus, verwendet wird, verliert ihre Autonomie und ist für Adorno daher keine Kunst mehr. Kunst deutet immer auf eine andere Welt hin, sie ist „die imaginäre Wiedergutmachung der Katastrophe Weltgeschichte“, Erinnerung an die Möglichkeit von Freiheit.
Die Liebe zur Kunst und deren Verkennung Adornos Modernismus
Yves Saint Laurent (Kampagne 2003)
In Kunst und Liebe gibt es Gebiete, in denen die ihnen beiden konstitutive Eigengesetzlichkeit ihre Gültigkeit einbüßt: in der Warenförmigkeit und in der Prostitution. Und diese beiden Begriffe spielten in Adornos „Ästhetischer Theorie“ schon deshalb eine besondere Rolle, weil er das Kunstwerk in einem dialektischen Feld zwischen Konsum und Anerkennung sah, das er auch in Bezug auf Liebe zur Anwendung brachte. Juliane Rebentisch untersucht Adornos Übertragung der Beschreibung von Prostitution auf den Autonomieverlust des Kunstwerks.
Wahrhaft autonome Kunst, das ist der ethische Kerngedanke der modernen Ästhetik, unterscheidet sich von der Ware dadurch, dass man sie nicht konsumieren, sondern allein anerkennen kann. Darin ähnelt sie nicht nur einem anderen Subjekt eher als einem dinglichen Objekt. Das Verhältnis zu ihr ist überdies einem Ideal von Liebe nachgebildet, bei der die erste Phase bloßer Verliebtheit überwunden, die rosa Brille euphorisch hemmungsloser Projektion auf den anderen abgelegt ist und dieser bedingungslos als anderer angenommen wird. Liebe existiert diesem Ideal zufolge nur unter den Bedingungen solcher Bedingungslosigkeit: sofern sie den anderen nicht zum Besitz macht, ihn weder idealisiert (das Idol der Persönlichkeit ist die Spiegelung von Besitz, sagt Adorno [1]) noch zum Eigentum erklärt. Am Beginn wahrer Liebe steht demnach eine Erfahrung von Unverfügbarkeit der andere ist nicht für mich. Das negative Gegenstück hierzu ist der käufliche Liebesdienst. Denn dieser besteht nicht zuletzt darin, dass sich die Prostituierte dem Kunden als Screen für dessen Projektionen zur Verfügung stellt. Eben deshalb ist sie für diesen auch, anders als die Geliebte, austauschbar. Als Tabula rasa subjektiver Projektionen ist sie nichts als „sein“ Objekt.
In genauer Entsprechung wird diese Unterscheidung, die von Geliebter und Prostituierter, in der „Ästhetischen Theorie“ Adornos auf die kunst- kritische von autonomer Kunst auf der einen und bloßen „Kulturwaren“ auf der anderen Seite übertragen. In dem Maße, wie sich die Kunstwerke den Projektionen ihrer Betrachter „ausliefern“, kommen sie zu bloßen Dingen, zu Kulturwaren herunter. Aber nicht nur das: Indem sie den Betrachtern, wie Adorno sprechend formuliert, „zu Willen sind“, „betrügen“ sie diese zugleich. [2] Denn die in der Projektion realisierte Verschmelzung von Betrachter und Kunstwerk ist nur das Symptom einer tiefer liegenden Distanz, einer grundlegenden Entfremdung zwischen Subjekt und Objekt. Aus den ver- dinglichten Kunstwerken vernimmt der Betrachter, wie der Freier bei der Prostituierten, letztlich nur das „standardisierte Echo seiner selbst.“ [3] Damit wird das Subjekt im Moment seiner Verfügung über das Objekt aber um eine Erfahrung betrogen, in der Subjektivität sich regte, weil sie sich von Ande-rem anrühren lässt, [4] statt an der ewigen Rückkoppelung mit dem vermeintlich Eigenen abzustumpfen.
Dass Kunst diesen nach Adorno von der Kulturindustrie in Gang gesetzten und ausgebeuteten Mechanismus brechen, das ebenso asymmetrische wie entfremdete Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufheben muss, dies ist für Adorno, und in diesem Motiv trifft er sich mit so unterschiedlichen Figuren wie Stanley Cavell, Michael Fried, Hans-Georg Gadamer oder Martin Heidegger, die entscheidende Bestimmung ihrer Autonomie. Damit Kunst sich nicht an die Verfügung durch die Subjekte ausliefert (und diese dadurch zugleich betrügt), muss, so schließt der ästhetische Diskurs der Moderne relativ einstimmig, in den Kunstwerken selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein. Dies ist auch der tiefere, nämlich ethische Grund für die modernistische Kritik an aller Kunst, die ihre Objekthaftigkeit hervorkehrt, sei es die von Tony Smith, von Marcel Duchamp oder von John Cage. Die modernistische Idee, dass im authentischen Kunstwerk selbst etwas wie Subjektivität gegenwärtig sein muss, darf allerdings nicht so verstanden werden, dass sich im Kunstwerk die empirische Subjektivität des Künstlers ausdrückt. Denn die Vorstellung, dass das Kunstwerk lediglich Ausdruck des Künstlersubjekts sei, reproduzierte ja das Problem der subjektiven Verfügungsgewalt über das Objekt auf der Ebene der Produktion. Das ist auch der tiefere, nämlich ebenfalls ethische Grund für die moderne Kritik an der Genieästhetik.
Bei Adorno (darin unterscheidet er sich natürlich nicht unwesentlich von Heidegger) artikuliert sich die Kritik der Genieästhetik als Kritik der Unmittelbarkeit. Entsprechend sieht er auch etwa das Verdienst der Surrealisten weniger in deren Selbst(miss)verständnis, dem zufolge surrealistische Kunst unmittelbarer Ausdruck des Unbewussten ihrer Produzenten sei, als darin, dass der Surrealismus registriert, wie das Subjekt bis ins Innerste durch die Gesellschaft geprägt ist, in der es lebt. Surrealistische Collagen sind für Adorno denn auch nicht „Bilder eines Inwendigen als vielmehr Fetische Warenfetische an die einmal Subjektives, Libido sich heftete“: Pornografie. [5] So, wie Adorno übrigens auch die Idee einer vermeintlichen Ursprünglichkeit weiblicher Sexualität immer wieder als zutiefst ideologisch zurückweist (in einem Brief an Erich Fromm formuliert Adorno, der einzige Ausweg aus der allgegenwärtigen Fetischisierung von Sexualität in der Warengesellschaft sei vermutlich der sexuelle Fetischismus), [6] so ist für Adorno auch die bürgerliche Vorstellung, dass Kunst wie ein Klischee von Liebe „rein spontan, unwillkürlich, unbewußt“ sein soll, nichts als Ideologie. [7] Moderne Kunst kann sich Adorno zufolge weder dadurch erhalten, dass sie sich zum Refugium des Irrationalen in einer durchrationalisierten Welt erklärt, noch dadurch, dass sie sich in Gefilden jenseits der Ware wähnt. Im Gegenteil: „Emphatische Moderne“, schreibt er, „schärft sich durch deren Erfahrung hindurch.“ [8]
Soll Kunstproduktion der Logik der Verdinglichung und der mit ihr verbundenen Entfremdung von Subjekt und Objekt dennoch entkommen, so kann dies Adorno zufolge mithin nicht durch die Prätention von Unmittelbarkeit, sondern nur vermittels eines Mehr an Mittelbarkeit geschehen, eines Mehr nämlich an Technik und Rationalität. Der moderne Künstler ist nach Adorno das äußerste Gegenteil des Universalgenies: ein technisch höchst spezialisierter Arbeiter. Allein die „Steigerung des Spezialistentums zur Universalität, die verrannte Intensivierung der arbeitsteiligen Produktion“, schreibt er (mit Valéry), „enthält das Potential einer möglichen Gegenwirkung gegen jenen Zerfall der menschlichen Kräfte“ in der bürgerlichen Gesellschaft, den Adorno im psychologischen Vokabular seiner Zeit immer wieder als „Ichschwäche“ kritisiert. [9] Nicht durch vermeintlich unmittelbaren Ausdruck, sondern durch eine Selbstbeschränkung seiner Individualität vermag der Künstler Adorno zufolge etwas zu schaffen, das seine empirische Subjektivität transzendiert und gerade dadurch der Idee einer versöhnten Subjektivität die Treue hält. Denn diese Selbstbeschränkung ist eine doppelte. Sie besteht zum einen in der bis zum „Opfer der Individualität“ [10] vorangetriebenen technischen Spezialisierung des Künstlers, zum anderen aber darin, dass der Künstler seine technischen Fertigkeiten in den Dienst einer Eigenlogik des Materials stellt statt es zum Objekt bloßer Materialbeherrschung zu machen. Wenn der technisch avancierte Künstler gleichsam interpassiv „einer von der Sache erzwungenen Gesetzmäßigkeit“ folgt, dann kann, so glaubt Adorno, auch das Wesen des Kunstwerks nicht mehr „nach dem Muster des Privateigentums“ schlicht dem gutgeschrieben werden, der es hervorgebracht hat. [11] Es steht wie ein Subjekt eher denn wie ein Objekt für sich.
Zugleich aber, und spätestens hier setzen die Probleme mit Adornos Konzeption ein, ist die so gedachte Quasi-Subjektivität des Kunstwerks eine Subjektivität von dezidiert allgemeiner, nicht bloß individueller Geltung. Kunst produziert der Künstler Adorno zufolge ja nicht dadurch, dass er genialisch seine individuelle Subjektivität ausdrückt, sondern dadurch, dass er sie durch Selbstbeschränkung transzendiert: objektivierend ins Kunstwerk transponiert. Weshalb für Adorno auch das sich spontan in der Improvisation artikulierende „Jazz-Subjekt“ ebenso suspekt ist wie der sich scheinbar des subjektiven Eingriffs in die Kunstproduktion überhaupt enthaltende Cage. Beide gelten ihm gleichermaßen die Sprache verrät die normalisierende Dimension des ästhetischen Universalismus als ästhetisch „impotent“, als Symptome eines Zeitalters der „Ichschwäche“. [12] Sie verspielen ihm zufolge gleichsam vorab jenes versöhnende Moment an Kunst, das er für deren Essenz hält. Allein durch eine in der Produktion gelungene Vermittlung von Subjekt und Objekt bewahrt sich nach Adornos Konzeption im Kunstwerk nämlich die utopische Idee einer überindividuell wahren, das heißt von Herrschaftsansprüchen ebenso wie von Selbstunterwerfung befreiten Subjektivität. In diesem Sinne wird der Künstler nach Adorno zum „Statthalter des gesellschaftlichen Gesamtsubjekts“. [13]
Das zentrale Problem mit dieser universalistischen Konzeption liegt allerdings weniger in dem ihr latent zugrunde liegenden Gender Plot (die Ware ist weiblich, das Wahre ist hetero-männlich) denn in der Struktur ihrer universalistischen Pointe selbst. Am deutlichsten wird dies wohl im Blick auf Adornos Begriff ästhetischer Rezeption. Ästhetische Subjektivität nach Adorno meint die des Kunstwerks mit derjenigen der konkreten Hörer oder Betrachter hat der Begriff bei ihm dezidiert nichts zu tun. [14] Kunst ist hier nicht für andere, nicht für ein Publikum. Ästhetische Erfahrung besteht Adorno zufolge mithin auch nicht in der Projektion auf, sondern in der Entäußerung an das Kunstwerk. Darin liegt denn auch schließlich das quasi-erotische Moment in der modernistischen (Liebes-)Beziehung zur Kunst. [15] Die Identifikation, die das Subjekt in der ästhetischen Erfahrung nach Adorno idealerweise vollzieht, ist nicht eine, die das Kunstwerk sich, sondern die sich dem Kunstwerk gleichmacht. [16] Das, was Adorno mit Hegel zuweilen auch „Dabeisein“ nennt, „setzt den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion“. [17] Nun ist diese Vorstellung nicht nur objektivistisch, insofern sie voraussetzt, dass sich die durch den Künstler zu leistende Vermittlung von Technik und Material, von Subjekt und Objekt so objektivieren lässt, dass sie als „Bestimmung der Sache selbst“ auch von den Rezipienten als „eigenes Desiderat“ wahrgenommen werden kann. [18] Diese Vorstellung ist zudem deshalb problematisch, weil sie voraussetzt, dass dies alle Rezipienten gleichermaßen tun werden. Im ästhetischen Dabeisein kommen die Subjekte überein. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie alle prinzipiell eine der Struktur nach vergleichbare Erfahrung machen (wie bei Kant), sondern in dem weiter gehenden Sinne, dass sie gewissermaßen in ihrer Subjektivität übereinkommen, ästhetisch am Vorschein des „Gesamtsubjekts“ partizipieren. Entsprechend seiner Vorstellung, dass sich im Kunstwerk dialektisch die Utopie einer versöhnten Menschheit bewahrt, spricht denn auch nach Adorno aus der überindividuellen Subjektivität autonomer Kunst ein Wir, und zwar „desto reiner, je weniger es äußerlich einem Wir und dessen Idiom sich adaptiert“. [19] Adornos Antwort auf das ethische Problem eines asymmetrischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses gipfelt in einer Erneuerung der Schiller’schen Idee von einer ästhetisch erwirkten Einheit des Menschen. [20]
Es ist offensichtlich, dass sich die Kunst der letzten drei bis vier Dekaden einer solchen Theorie sperrt. So arbeitet sie etwa mit expressiven Gesten ebenso wie sie im Gefolge der Minimal Art ihre Objekthaftigkeit betont in beiden Richtungen scheint sich Kunst heute, folgte man Adorno, einer überaus „ichschwachen“ Produktionsweise zu verdanken. Dazu kommt, dass sie dem Betrachter und seinen Projektionen offenbar eine für die jeweiligen Werke konstitutive Funktion zuweist. Sie liefert sich, so könnte man meinen, geradezu entschlossen an die Betrachter aus. Aus Adornos Perspektive wäre Kunst damit endgültig zur Hure der Kulturindustrie verkommen. Allerdings steht zu vermuten, dass dieses reichlich düstere Bild Ausdruck einer Krise weniger der Kunst denn eine ihrer modernistischen Theoretisierung ist. Dann aber wäre etwa die direkte Adressierung konkreter Betrachter, deren „Einbeziehung“ in die zeitgenössische Kunst, nicht einfach als Verfallssymptom abzutun, sondern zum Anlass zu nehmen, die Frage nach dem Begriff des ästhetischen Subjekt-Objekt-Verhältnisses neu zu stellen. [21]
Kunst heute ist nicht nur dezidiert für ein Publikum. Als politisch engagierte adressiert sie darüber hinaus auch dessen konkrete Zusammensetzung. Politisch engagierte Werke teilen das Publikum entlang der Linien von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft und/oder Klassenzugehörigkeit. Je nach Situierung im Netz dieser Identitätskoordinaten werden die Rezipienten die feministisch, queer, postkolonial, sozialistisch und/oder subkulturell motivierten Werke unterschiedlich erfahren. Damit stehen diese in äußerster Opposition zum Schiller’schen Kunstideal. Sofern hier von ästhetischer Erfahrung gesprochen werden kann, ist sie wesentlich individuell und widerspricht schon auf dieser Ebene der Idee des ästhetischen Dabeiseins. Dies gilt aber nicht nur hinsichtlich des Gehalts, sondern auch hinsichtlich der Struktur dieser Erfahrung. Denn der meisten Kunst heute korrespondiert ja tatsächlich deutlich eine Erfahrung, bei der der Betrachter auf sich und die Aktivität seiner eigenen Bedeutungsproduktion oder -projektion zurückgeworfen wird.
Was aber aus der Perspektive Adornos sich nur als Entfremdung vom Objekt und damit auch vom Selbst verstehen lässt, ließe sich in der Tradition nach Kant auch als genuin ästhetische Form des Objekt- und Selbstbezugs begreifen. Aus dieser Perspektive brächte die zeitgenössische Kunst durch ihre verschiedenen Strategien, den „impliziten Betrachter“ [22] an sich selbst zu thematisieren, Grundzüge ästhetischer Erfahrung heraus, die durch die modernistische Reduktion der ästhetischen auf eine ethische Erfahrung verdrängt werden: ihren projektiv-performativen ebenso wie ihren selbstreflexiven Aspekt. Nun liegt allerdings umgekehrt natürlich der Verdacht nahe, dass eine solche Argumentation lediglich den Subjektivismus reinstalliert, gegen den Adorno seinen begrifflichen Apparat ursprünglich in Stellung gebracht hatte. Dagegen wäre erstens einzuwenden, dass das Subjekt hier in einem Verhältnis zum Objekt gedacht wird, das konstitutiv experimentell und das heißt: gerade nicht verfügend ist. Die ästhetischen Objekte gehen, und darin liegt aus einer erfahrungstheoretischen Perspektive ihre Autonomie, nie in unseren Projektionen auf, vielmehr ziehen sie sich immer wieder vor diesen zurück und konfrontieren uns durch diesen Entzug mit uns selbst. Zudem aber wäre angesichts der Erfahrung zeitgenössischer Kunst zu spezifizieren, dass sich die so konzipierte Selbstreflexion, anders als bei Kant, der das Objekt auf einen bloßen Anlass und die ästhetische Erfahrung auf die Selbstreflexion einer abstrakten Subjektivität und ihrer Vermögen reduzierte, ausdrücklich im Modus des Objektbezugs vollzieht. Und zwar in einer Weise, in der die je konkrete empirische Subjektivität der Rezipienten nicht transzendiert, sondern auf spezifische Weise reflektiert wird.
Dies wird in der Erfahrung gesellschaftspolitisch engagierter Werke besonders evident. Aus diesen empfängt das erfahrende Subjekt nicht einfach politische Botschaften, wie es ein ästhetisch stumpfes Missverständnis zeitgenössischer Kunst will, sondern an ihnen wird das erfahrende Subjekt vielmehr mit den eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen konfrontiert. Sofern die Objekte dem Betrachter gleichsam mit Bedeutungen entgegenzukommen scheinen, die weder vom Betrachter intentional hineingelesen wurden noch aber am Kunstwerk einfach objektiv vorfindlich sind, wird der am Werk entbundene Prozess der Bedeutungsproduktion und -subversion zu etwas wie einem „Eingedenken der Gesellschaft im Subjekt“ führen zu einer Erfahrung, in der den Betrachtern die eigenen sozialen und kulturellen Hintergrundannahmen im Modus des ästhetischen Scheins eigentümlich fremd entgegentreten. Entgegen Adornos universalistischer Konzeption ästhetischer Erfahrung setzt hier das ästhetische Verhältnis zum Objekt offensichtlich nicht „den Rezipierenden als empirisch-psychologische Person zugunsten seines Verhältnisses zur Sache außer Aktion.“ [23] Vielmehr handelt es sich hier um eine Erfahrung der Entäußerung an die „Sache“ des jeweiligen Werks, ohne dass sich diese Entäußerungserfahrung jedoch je in der objektiven Universalität bloßen „Dabeiseins“ beruhigen könnte. Sofern man hinsichtlich einer solchen Erfahrung überhaupt von einem quasi-erotischen Moment sprechen will, wäre dieses nicht abzutrennen von der Logik der Projektion und den individuellen, immer schon von Gesellschaftlichem durchzogenen Ökonomien des Begehrens, die ihr unterliegen. Das transformative Potenzial einer solchen Erfahrung liegt mithin nicht darin, dass solche Aspekte konkreter „Ichschwäche“ in ihr ethisch aufgehoben, sondern dass sie reflexiv distanziert werden. Die spezifisch objektbezogen-performativ-selbstreflexive Gestalt, die das Subjekt in der so verstandenen ästhetischen Erfahrung annimmt, taugt daher konsequenterweise auch nicht zum Inbegriff einer zur Ethik befreiten Subjektivität. Vielmehr ist sie der Schauplatz einer spezifisch ästhetischen Operation der Reflexion, die sich weder auf theoretische noch aber auf praktische Erkenntnis reduzieren lässt. Die ästhetische Erfahrung steht so auch nicht mehr Modell für Formen erkennender oder ethischer Subjektivität, sondern autonom neben den Sphären der theoretischen und der praktischen Vernunft.
Aufgrund ihres expliziten Widerstands gegen den modernistischen Universalismus sind es interessanterweise gerade die politisch engagierten Werke, die besonders nachdrücklich zu einer Neufassung ästhetischer Subjektivität herausfordern, die sie von ihrer modernistischen Ethisierung freisetzt und in ihrer Spezifik thematisiert. Dieser genuin ästhetische Einsatz impliziert nun aber keine einfache Abkehr von der Frage, was Kunst mit der Utopie einer versöhnten Menschheit zu tun haben könnte. Vielmehr rückt er sie von einem ethisch-ästhetischen an einen politischen Ort: Kunst wirkt, wenn überhaupt, nicht deshalb in die Gesellschaft zurück, weil in ihrer Erfahrung selbst sich „etwas wie ein Gesamtsubjekt“ [24] konstituierte, sondern deshalb, weil sie die empirischen Subjekte potenziell mit der gesellschaftlichen Schicht an sich selbst konfrontiert. Dass dies für gesellschaftlich unterschiedlich situierte Subjekte zu unterschiedlichen Erfahrungen führt, schlägt sich notwendig, so immer wieder auch in dieser Zeitschrift, in Form einer Politisierung im ästhetischen Diskurs nieder. Das aber heißt: Das ästhetische Wir, auf das jedes ästhetische Urteil zielt, ist konstitutiv umstritten. Indem die avancierteste Kunst heute darauf insistiert, dass Kunst der politischen Perspektivierung bedarf, bewahrt sie mithin weniger die abstrakte Utopie einer versöhnten Menschheit denn das Bewusstsein dafür, dass es für deren Realisierung mehr brauchte als Kunst oder Liebe.
Vgl. hierzu die in ihrer sexuellen Metaphorik expliziten Passagen in Theodor W. Adorno, „Über Jazz“, in: ders., Musikalische Schriften IV, GS 17, Frankfurt/M. 1982, S. 74108, hier bes.: S. 97100.
„Der Begriff des musikalischen Subjekts“, schreibt Adorno in „Vers une musique informelle“, wäre „in sich zu differenzieren. Mit potentiellen Hörern hat er überhaupt nichts zu tun, alles mit dem Menschenrecht auf das, was Hegel Dabeisein nannte; dem Recht darauf, daß Subjektivität in Musik selbst, als Kraft ihres immanenten Vollzugs gegenwärtig ist“. Theodor W. Adorno, „Vers une musique informelle“, in: ders., Musikalische Schriften I-III, GS 16, Frankfurt/M. 1978, S. 493540, hier: S. 539.
Für eine Kritik an Adorno in diesem Punkt vgl. auch Christoph Menke, „Subjekt, Subjektivität“, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5, hrsg. von Karlheinz Barck u.a., Stuttgart, im Druck.
Wo Kapitalismuskritik oder gar Antikapitalismus draufsteht, ist mit ziemlicher Sicherheit (die Wahrscheinlichkeit beträgt ca. 99%) nichts als deutsche Ideologie drin, also der Appell an den Staat oder die Staatengemeinschaft, endlich den Staat des ganzen Volkes in Szene zu setzen, statt nur der des Kapitals zu sein und die Lösung der Krise „des Kapitals“, das mit uns allen nichts mehr zu tun hat, sondern lediglich durch 1% der Bevölkerung, die es zu liquidieren gelte, repräsentiert wird, in die eigene Hand zu nehmen. Eine solche Linke, die weder vom Kapital noch vom Souverän einen Begriff hat, flüchtet sich also zwangsläufig in die Arme des autoritären Staates.
Exemplarisch für einen solchen autoritären Antikapitalismus steht die Occupy-Bewegung, die auch nachdem sich der mediale Hype gelegt hat, ihre Thesen fröhlich unter das Volk bringt und so die autoritäre Krisenlösung vorzubereiten hilft, die in Zukunft noch gebraucht werden wird. Unter dem Namen Blockupy Frankfurt versammeln sich in Deutschland die üblichen Globalisierungsgegner und regressiven Kapitalismuskritiker wie „Attac-AktivistInnen, Gewerkschaften, antirassistische Netzwerke, Parteien wie Die Linke, Occupy-AktivistInnen, Erwerbsloseninitiativen, studentische Gruppen, Nord-Süd-, Friedens- und Umweltinitiativen, die Linksjugend [‘solid], die Grüne Jugend sowie linksradikale Zusammenschlüsse wie die Interventionistische Linke und das Ums-Ganze-Bündnis“, über deren Agenda Karl Marx bereits wusste: „In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter dem der Freihandelspartei.“
Der antiinternationalistische und antiuniversalistische Charakter linker Protestbewegungen bringt allerdings nicht nur einen bedingungslosen Etatismus mit sich, sondern führt in der Konsequenz auch in die totale Affirmation des Kapitalverhältnisses. Wie das geht, beweist Blockupy Frankfurt in dem uns zufällig in die Hände gefallenen Aufruf zum „Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes 31. Mai und 1. Juni 2013“, der keineswegs zufällig auf das den Häusern Bertelsmann und Springer entlehnte, als Nationalstaat-Werbeparole konzipierte Motto „Wir sind Blockupy“ endet. Bereits in der Beschreibung der Lage wird deutlich, dass „die Krise“ und deren „Bewältigung“ in den Köpfen von Blockupy-AktivistInnen, zur Gesellschaft vollkommen äußerliche Phänomene sind, die mit der Krise der Gesellschaft und des Einzelnen nicht zusammenhängen. Vielmehr erscheinen diese Vorgänge als ein Ausfluss von Machenschaften, die von dunklen Mächten in Szene gesetzt werden:
Am 31. Mai und 1. Juni 2013 wollen wir den Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika – der EZB, der EU-Kommission und des IWF – in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes tragen: an den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) und vieler deutscher Banken und Konzerne – den Profiteuren dieser Politik.
Die Verarmungs- und Privatisierungsprogramme, die schon vor Jahrzehnten den Ländern des Globalen Südens aufgezwungen wurden, sind jetzt in Europa angekommen. Die deutsche Agenda 2010 war nur ein Modellprojekt für das, was in noch dramatischerem Umfang gegenwärtig insbesondere in Südeuropa durchgesetzt wird. Diese Verelendung wird sich – auch hier – noch weiter verschärfen, wenn wir uns nicht wehren: Es droht der weitere Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Damit soll die Zahlungsfähigkeit für die Renditeerwartungen der großen Vermögen erhalten bleiben und durch die Verbilligung und Prekarisierung von Lohnarbeit die „ökonomische Wettbewerbsfähigkeit“ Deutschlands und (Kern-)Europas auf dem kapitalistischen Weltmarkt gesteigert werden.
Der Gedanke, dass Spar- und Privatisierungsprogramme, Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, Verbilligung der Lohnarbeit, Abbau sozialer Rechte im Sinne einer „ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit“ aus der Logik des Kapitalverhältnisses und seiner Krisentendenz bereits logisch folgen, ist solchen Antikapitalisten fremd. Beharrlich schweigt man sich darüber aus, während man umso lauter die Profiteure und politischen Akteure anklagt. Weswegen das so ist, zeigt der unmittelbar folgende Satz, den frau sich auf der Zunge zergehen lassen muss:
Gemeinsam mit den Menschen im Süden Europas sagen wir: „Don’t owe, don‘t pay!“ (Wir schulden nichts, wir zahlen nichts!) und wehren uns dagegen, dass die Sanierung des Kapitalismus in Europa auf dem Rücken der Lohnabhängigen, der Erwerbslosen, der Rentner_innen, der Migrant_innen und der Jugendlichen ausgetragen wird.
Ginge es um die Herstellung menschenwürdiger Lebensverhältnisse und hätte man von der Kritik der politischen Ökonomie auch nur wenige Seiten überflogen, hätte man schreiben müssen, dass der Kapitalismus erstens nicht zu sanieren ist, zweitens nicht saniert werden soll (egal auf wessen Kosten!) und drittens zwangsläufig auf Kosten der ihm unterworfenen Subjekte fortexistiert. Blockupy Frankfurt ruft aber dazu auf, den Kapitalismus zu sanieren, und zwar auf Kosten der Kapitalisten – eine Idee, die wahnsinnig und ultrarealistisch zugleich ist, die den autoritären Staat beschwört, die Sache der Kapitalakkumulation selbst in die Hand zu nehmen und die Schädlinge auszumerzen.
In der Hoffnung, dass es so weit nicht kommen wird, erhält Blockupy Frankfurt die Auszeichnung „Wutbürger_in der Woche“.
Wie es einem Haufen von Israelfeinden beinahe gelungen wäre, in Bonn den Vortrag eines Bahamas-Redakteurs zu sprengen, und weshalb es kein Zufall ist, dass der entsprechende Versuch gerade in der früheren Bundeshauptstadt unternommen wurde.
VON MATHEUS HAGEDORNY
Bonn ist eine Stadt von geradezu betörender Langeweile. Seitdem sie durch den Regierungsumzug ihrer weltpolitischen Bedeutung beraubt wurde, versucht sie als Sitz von UN-Büros, deutschen Weltkonzernen, NGOs und Rest-Bundesministerien, diese narzisstische Kränkung zu überwinden. Und es geht den Bonnern nicht schlecht damit. Doch einige können nicht verwinden, dass das Schicksal Deutschlands und der Welt woanders bestimmt wird, und machen unbeirrt weiter. Für notorische „Israelkritiker“, ewige Nine-Eleven-Skeptiker, radikale Muslime und andere antisemitische Weltenrichter zum Beispiel ist die Stadt ein bequemes Pflaster, weil die hiesige „Et kütt, wie et kütt“-Gleichgültigkeit perfekte Bedingungen für einschlägige Avantgardebewegungen bietet.
Und so macht sich beispielsweise niemand etwas daraus, dass das antizionistische Institut für Palästinakunde mit seinem Sitz in der Richard-Wagner-Straße eine der großartigsten Steilvorlagen für beißenden Spott liefert, die Bonner Friedensdemonstration am 11. September 2010 vor allem haufenweise verschwörungsideologische Bekenntnisse zutage förderte und der deutschlandweit ersten muslimischen Wählervereinigung, die sich die unbescheidene Parteibezeichnung BIG gegeben hat, ein umtriebiger Multifunktionär namens Haluk Yildiz vorsteht, der am kriegerischen Djihadismus einiger seiner Bonner Schäfchen rein gar nichts auszusetzen hat. Angesichts einer derart abgebrühten Bonner Öffentlichkeit verwundert es kaum, dass auch die im Zuge der Affäre um die „Free Gaza“-Flotte aufflammenden Hasstiraden gegen Israel, wie sie sich in Bonn am 31. Mai 2010 während einer Kundgebung auf dem Münsterplatz entluden, niemanden zu stören scheinen, zumindest, solange sich in diese sehr deutsche Angelegenheit kein unbedarfter Amerikaner einmischt, der sich die darauf folgenden Schläge natürlich selbst zuzuschreiben hat.
Diese Bönnsche Wurstigkeit, die solche Milieus duldet respektive erst ermöglicht, bringt andererseits auch manches Erträgliche mit sich: Im Rahmen des autistischen Universitätsbetriebs, der von der konsequenzlosen Vergleichung zahlloser Expertisen lebt, kann manch abweichende Stellungnahme und Kritik, die ganz bewusst mehr als nur eine begründete Einzelmeinung sein will, zeitweilig eine Nische finden. So wurde es beispielsweise dem AStA-Referat für Politische Bildung in den letzten Monaten gestattet, Referenten einzuladen, die ihren Gegenstand nicht als Experten und Bescheidwisser liebevoll bewirtschaften, sondern unmöglich machen wollen. Kurzum: Es gab den zarten Versuch, Gesellschaftskritik einem größeren Publikum in der Universität zugänglich zu machen.
Im Zuge dessen wurde zum Beispiel das deutsch-europäische Appeasement gegenüber dem iranischen Terrorregime ebenso kritisiert wie das sinnentleerte Gefasel in der deutschen Bildungsdebatte. Die Vorträge erreichten ein breites Publikum und regten im Nachgang – wie gewünscht – oft kontroverse und zumeist lehrreiche Diskussionen an. In diesem Sinne sollte auch die Veranstaltung, von deren Verlauf im Folgenden berichtet wird, vonstatten gehen.
Tumulte gegen den Intellekt
Am Abend des 12. November 2010 waren knapp 200 Menschen in den Hörsaal 17 des Hauptgebäudes der Universität Bonn gekommen, um an der Veranstaltung „Der Sarrazin-Komplex – Warum seine Kritiker im Unrecht und seine Thesen trotzdem verkehrt sind“ teilzunehmen. Diese Debatte und die in ihr angesprochenen Probleme waren für viele bislang anscheinend nicht zufriedenstellend behandelt worden. Der eingeladene Referent, Justus Wertmüller, Redakteur der Zeitschrift Bahamas, wollte sich ganz bewusst des Bekennertums in der Causa Sarrazin enthalten und sowohl den ehemaligen Bundesbank-Vorstand als auch dessen Kritiker einer kritischen Würdigung unterziehen.
Dass nicht alle bereit waren, den Vortrag anzuhören und sich in der anschließenden Diskussion mit dem Referenten auseinanderzusetzen, wurde bereits im Vorfeld deutlich. Schon vor Beginn des Vortrags wurde das Mikrofon von einem jungen Mann – über den noch ausführlicher zu sprechen sein wird – unerlaubt beansprucht, um Wertmüller ohne Begründung unter anderem als „Rassisten“ zu titulieren (1). Nach dieser Initialzündung versuchten mehrere Personen, dem Referenten mit Zwischenrufen die Veranstaltung ebenso zu verunmöglichen wie dem interessierten Publikum. Der Wortschatz dieser Störer bestand lediglich aus den zunehmend aggressiver gerufenen Vokabeln „Rassist“, „Kriegstreiber“ und – immer wieder –„Imperialist“. Justus Wertmüller versuchte zunächst, auf die Schreihälse nicht einzugehen, doch diese ließen nicht locker.
Weil der Referent die Erwartungshaltung der zahlreich anwesenden Antiimperialisten enttäuschte und sein Vortrag wider deren Erwarten keinen Anlass für die Bestätigung der Verleumdungen bot, griff der bereits erwähnte Anstifter der Störaktion, Simon Ernst mit Namen, zur ultimativen Schmähung: Wertmüller, rief er, sei ein „Gelehrter“. Dieses geistfeindliche Ressentiment, das seinem Urheber im Saal vor allem Gelächter eintrug, bekommt eine besonders bittere Note, weil Ernst sich seit mehreren Jahren als Avantgarde der Bildungsproteste in Bonn und sogar über Deutschland hinaus inszeniert (2) und erfolgreich darin ist, junge Menschen, die sich beispielsweise im Rahmen des „Bildungsstreiks“ gegen eine immer stärkere Zurichtung und Disziplinierung in Schule und Studium wenden, für seine autoritären Anwandlungen zu gewinnen.
Mehrfache deutliche Ermahnungen zur Ruhe führten nicht zur Mäßigung, sondern wurden vielmehr als Ermutigung verstanden, die Belästigungen zu intensivieren. Die Veranstalter vom AStA-Referat für Politische Bildung waren nicht bereit, diese beabsichtigte Verhinderung ihrer Diskussionsveranstaltung hinzunehmen, forderten die Störer mehrfach auf, den Saal zu verlassen, und alarmierten zwecks Durchsetzung des Hausrechts schließlich die Polizei. Daraufhin entstand ein Tumult, bei dem eine anwachsende Menschenmenge handgreiflich versuchte, Wertmüller zum Schweigen zu bringen und die Mikrofone an sich zu reißen. Notwendig wurde die Hinzuziehung der Staatsmacht umso mehr, als einer der Angreifer einen Laserpointer zum Einsatz brachte, um den Vortragenden zu blenden. Den AStA-Referenten für Politische Bildung der Fachhochschule Köln, der sich mit einigen anderen Gästen schützend vor Wertmüller gestellt hatte, traf ein Laserstrahl ins Auge; er musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Dort diagnostizierte die diensthabende Ärztin Verbrennungen der Bindehaut. Auf ihre Empfehlung hin erstattete der Verletzte Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung; die Polizei ermittelt. (3)
„Antideutsche klatschen“
Erst das Eintreffen der Polizei verhinderte eine weitere Eskalation. Anschließend konnte der Vortrag fortgesetzt werden. Eine etwa 30 Personen umfassende Störergruppe kehrte allerdings nach dem Abrücken der Polizei in die Nähe des Hörsaals zurück. Nachdem einigen von ihnen der erneute Zutritt zum Hörsaal verweigert worden war, ertönte von außen der Schlachtruf: „Intifada bis zum Sieg!“ – eine Parole also, mit der zur Vernichtung des jüdischen Staates und darüber hinaus zur restlosen Liquidierung aller politischen, sexuellen und religiösen Abweichler unter den Palästinensern aufgerufen wird. Man gab damit die Stoßrichtung der militanten Aktion ganz unverhohlen preis. War bei Simon Ernsts ungebetenem Eingangsstatement noch ominös davon die Rede, beim mit Israel solidarischen Justus Wertmüller handle es sich um einen kriegstreiberischen „Antideutschen“, so wurde die antisemitische Weltanschauung nun in ihrer vollen Tragweite sichtbar: Wer sich mit dem jüdischen Staat solidarisiert, kann nur ein Feind der Deutschen sein, lautete die Botschaft. Diese Ideologie begründet eine Feindbildpflege, die durch die im Hörsaal eifrig verklebten Sticker mit der gewaltverherrlichenden Parole „Antideutsche klatschen“ pointiert wurde. Zur Illustration seiner intellektuellenfeindlichen Zielrichtung bildet der Aufkleber einen Brillenträger ab, dem mit der Faust ins Gesicht geschlagen wird. Dass ausgerechnet diese vermeintlichen Vorkämpfer des Friedens den Referenten Justus Wertmüller einen „Kriegstreiber“ hießen, verrät den Charakter ihres Pazifismus.
Nicht minder ressentimentgetränkt gestaltete sich die Erklärung der Roten Antifa Köln vom 13. November 2010, die in gewisser Hinsicht als Gründungsmanifest dieser bis dato völlig unbekannten Gruppierung gelesen werden kann. In ihr wird Wertmüller vorgeworfen, ein „Philosemit“ zu sein und durch seine Antisemitismuskritik „provozierende Thesen“ zu verbreiten. Am Tumult im Bonner Hörsaal nahmen außer ihr auch Mitglieder der Ruhrgebiets-Sektion der Roten Antifa NRW teil, die sich in den letzten Jahren durch antisemitisch und frauenfeindlich motivierte Übergriffe einen Namen gemacht hat. An diesem Abend also fanden die Glorifizierung des antisemitischen Palästinensertums, die Verfemung von Intellektuellen, Kritikunfähigkeit und Gewaltverherrlichung – das heißt: bestimmende Momente des linken deutschen Antiimperialismus – zusammen.
Es ist wohl der bereits genannten Bönnschen Gleichgültigkeit zu verdanken, dass der Pöbelprimus Simon Ernst vor Ort seit Jahren nicht nur in Schüler- und Studentenprotesten mitwirken, sondern sogar als Vorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd arbeiten kann, obwohl er mindestens seit 2007 zahlreiche antisemitische Aktivitäten entfaltet hat. Zu den Betätigungsfeldern dieses antiimperialistischen Handlungsreisenden gehört nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit linken Antisemiten aus dem Umfeld des Internationalistischen Zentrums B5 in Hamburg, das die gewaltsame Verhinderung einer Vorführung von „Pourquoi Israël“, Claude Lanzmanns filmischem Plädoyer für den jüdischen Staat, zu verantworten hatte. Wie sehr es Ernst umtreibt, keine Verfügungsgewalt über das jüdische Leben im Nahen Osten zu haben, gab er als Redner der eingangs erwähnten antiisraelischen Kundgebung in Bonn zu Protokoll: „Es fällt auf, wie sicher sich dieser Staat ist bei seinen Verbrechen, wie sicher er glaubt, vor den Augen der ganzen Welt morden zu können.“ Bereits 2007, als er Felicia Langer in ihrer Funktion als Kronzeugin des deutschen Israelhasses an die Bonner Universität einlud, begegnete er der geäußerten Kritik an Langers Antizionismus mit einem verschwörungsideologischen Gedankengebäude über „geschickt lancierte Fragen“ einer durch „Sprachpsychologie“ geschulten „Israel-Lobby“ im Saal.
Es ist verstörend, dass es Simon Ernst und seine zahlreichen Kombattanten vermochten, dumpfen, antiintellektuellen Hass gegen Justus Wertmüller zu entfalten, der im Gegensatz zu diesen deutschen Ideologen tatsächlich etwas zur Kritik der Ausländerfeindlichkeit und des Leistungswahns beizutragen hat. Die antiimperialistische Agitation im Hörsaal hingegen hat nur Raum für einen blindwütigen Furor geschaffen, der einen verletzten Gast und die zeitweilige Unterbrechung des Vortrags zur Folge hatte. Wer die bisherigen Veranstaltungen des Bonner AStA-Referats für Politische Bildung aufmerksam beobachtet hat, wird festgestellt haben, dass jeder noch so aberwitzige Diskussionsbeitrag zugelassen und nicht abwürgt wurde. Eben auf diese weitgehende Toleranz der Veranstalter bauten die Störer, weshalb insbesondere Simon Ernst erst dann seine großsprecherischen Kapriolen dämpfte und den Rückzug antrat, als er realisierte, dass die Polizei tatsächlich auflaufen wird.
Ochlokratie und Emanzipation
Zu einer zivilisierten Aussprache jedenfalls wollte es dieser Mob in keinem Fall kommen lassen; vielmehr verlegte er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf argumentfreie Diffamierung und Gewalt. Diese Taktik entstammt der alten Schule des Denunziantentums: Wenn man mit genügend Dreck wirft, wird schon irgendetwas hängen bleiben. Statt überhaupt zuzuhören, was Wertmüllers – bis dato unveröffentlichter – Vortrag inhaltlich zu vermitteln hat, sollte von Beginn an ein Klima der Angst und Unsicherheit erzeugt werden, das eine Diskussion verunmöglicht, zumindest aber nachhaltig beeinträchtigt. Auch nach dem Polizeieinsatz verblieben Störer im Saal, von denen einer die Glaubwürdigkeit seines Engagements gegen Diskriminierung dadurch zu erkennen gab, dass er während seines lautstarken Abgangs den Referenten mit der behindertenfeindlichen Beleidigung „Spasti“ bedachte.
Wie man den Tonaufnahmen (4) entnehmen kann, waren die Störer zu keinem Zeitpunkt imstande, ihre Anwürfe am Vortrag plausibel zu machen; sie ergingen sich daher in verleumderischer, aggressiver und zuletzt offen antisemitischer Pöbelei. Es zeugt von einem durchaus bedrohlichen autoritären Geist im Modus der Rebellion, sich ernsthaft anzumaßen, in Übereinstimmung mit einer kleinen Gruppe selbstgerechter „israelkritischer“ Kampfgefährten eine Aussprache zu sabotieren, die ein großes öffentliches Interesse findet. Gerade weil sich unter den Störern mehrere Anhänger der Bonner „Bildungsstreik“-Bewegung befanden, die Simon Ernst und Seinesgleichen in ihrem geistfeindlichen Sinne formen möchten, muss die Frage gestellt werden, inwiefern die innerhalb des „Bildungsstreiks“ aufgestellte Forderung nach „radikaler Demokratisierung“ zu verstehen ist. Die Vorgänge im Zuge dieser Veranstaltung werfen zudem die Frage auf, ob die übrigen Teilnehmer dieser Proteste es auch in Zukunft dulden werden, dass sich unter ihnen Personen befinden, die „radikale Demokratie“ in Form einer Ochlokratie – also als schrankenlose Herrschaft eines aufgehetzten Pöbels – praktizieren wollen. Wer das geistige und praktische Elend des nachbürgerlich-kapitalistischen (Aus-)Bildungsbetriebs überwinden will, darf nicht zulassen, dass ein traditionell mit dem Antisemitismus verquickter Antiintellektualismus das bisher erreichte Maß an zivilen Umgangsformen zunichte macht, wie es aus Anlass von Justus Wertmüllers Vortrag ein weiteres Mal versucht wurde.
Anmerkungen
(1) Zu Wertmüllers Kritik an Sarrazin siehe „Frei nach Thilo Sarrazin – Leistung und Intelligenz in der Beamtenrepublik Deutschland“, erschienen in der Bahamas Nr. 59.
(2) Simon Ernst ist Förderer einer Gruppe, die im November 2009 in Bonn die Erfolgswelle des deutsch-österreichischen Bildungsstreiks so betitelte: „Wien, Deutschland, und dann die ganze Welt.“ Der eingängige Name dieser bis heute aktiven Vereinigung lautet: „Bonner Jugendbewegung“.
(3) An dieser Stelle ergeht die Bitte an Zeugen des Vorfalls, sich mit Täterbeschreibungen, Audio-, Foto- oder Videoaufnahmen an das AStA-Referat für Politische Bildung (polbil@asta.uni-bonn.de) oder direkt an die Polizei zu wenden.
(4) Die gesamte Veranstaltung ist in zwei Teilen hier online anzuhören: [1], [2].
Das Bild zeigt das Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz. Fotomontage: Lizas Welt.
Alles ging noch ganz gut bis zum 11.9.2001. Die Bahamas zerdepperte gutes altes kommunistisches Porzellan, liebgewonnene Sammeltassen und Teller mit Aufschriften wie „Klassenkampf“, „Solidarität der Völker“, „Kampf dem Imperialismus“, „Kampf dem Zionismus“, „Das Kapital hat Name und Anschrift“ und bekam dafür von den zünftigen Kommunisten sogar noch eine Zwei minus für Analyse, aber nicht mehr als ein noch Ausreichend fürs Betragen. Nach dem 11.9.2001 wurde klar, dass zusammengeklebtes Geschirr sogar eine noch haltbarere Zier ist als das ganzheitliche Modell von früher und alles war wieder wie neu: Anstelle der Kapitalisten bekämpft man jetzt die globalisierte Kapitalherrschaft und hält sich dabei noch zugute, keine „verkürzte Kapitalismuskritik“ zu betreiben, statt Klassenkampf gibt es nun widerständige Praxen, statt von Völkern spricht man von Multitudes, die in der Vorstellung der neu-alten Kommunisten im Kampf gegen die Herrschaft zu allem fähig sind. Seither stehen die Kommunisten wirklich an der Spitze der deutschen Volksbewegung – lange vor Oskars Aufstieg mit der Linkspartei. Zwar braucht man sie nicht wirklich, weil das Volk und seine Sprecher auch ohne kommunistische Avantgarde wissen, dass man sich im Kampf gegen die Kapitalherrschaft hinter einem Westwall verschanzen müsse, der nicht mehr wie früher nur Großdeutschland und seine Komplizen, bzw. die von ihm besetzten Länder, sondern ganz Europa vor seinem einstigen Befreier, den Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen hat. Aber gerade ihre Entbehrlichkeit garantiert den Kommunisten ihren Handlungsspielraum: Weil man sie nicht wirklich braucht, können sie weiter machen wie bisher und dem nationalen Vollzug mit enorm antikapitalistischen Vorschlägen vorauseilen, die von den „Herrschenden“ vorläufig noch in der Schublade „Visionen“ abgelegt werden. Dies hat nicht zuletzt den Vorteil, dass man sich weiterhin als radikaler Staatsfeind selber abfeiern kann, wenn man sich zusammen mit der Hamburgerin Ulla Jelpke von der Linkspartei einen lächerlichen Prozess gegen ein paar politisch motivierte Kleinkriminelle anschauen geht, denen vorgeworfen wird, sie hätten beschleunigen wollen, was die Mehrheit im Land sich ohnehin herbeiwünscht.
Weiße Rasse – schwarze Klasse
Hervorstechendes Kennzeichen des neuen Kommunismus ist, dass er vom historischen Vorbild die autoritäre Grundkonzeption, die dekretorische Willkür im Umgang mit Begriffen, die Verachtung von Sprache und Wahrheit übernimmt, aber im Unterschied zu diesem auf eine Art und Weise, die als aufgeklärt und fortschrittlich durchgeht, den Übergang zum Volkstumskampf ganz offen vollzieht. Der von einer Volkskommunistin wie Jutta Ditfurth einst auf dem Konkret-Kongreß 1993 als Rassist geschmähte Christoph Türcke hatte Linken ihres Schlages damals schon prophezeit, dass die Rede von der Rasse als bloßem „sozialen Konstrukt“ über kurz oder lang notwendig dazu führen werde, dass man die Gesellschaft als eine rassifizierte, ihre Akteure als Rassen und soziale Konflikte als Rassenkampf auffassen und diese Inflation des Rassenbegriffs noch als antirassistische, widerständige Handlung abfeiern werde. Wer oder was „Ethnie“ ist, wer fortschrittlich und wer der Schuldige ist, das bestimme ich nach freiem Ermessen – das ist das Grundprinzip des neuen Antikapitalismus. Wie das geht, macht die Kölner Gruppe Somost in einem Leserbrief „Zur Sache Justus W. vs. Salih“ in Konkret 10/08 vor: Sie weiß zu berichten, dass Salih als Köln-Kalker, der im Januar 2008 öffentlich und teilweise gewalttätig von seinen Kumpanen zum Opfer der rassistischen Scheißdeutschen hochstilisiert worden war, von einem „weißen Jugendlichen erstochen worden war. Höchstwahrscheinlich [!] […] in Notwehr auf einen Angriff Salihs“ hin, . Noch im Frühjahr galt der „weiße Jugendliche“ als Deutscher, was er der Staatsangehörigkeit nach auch ist, und Täter. Seit man aber weiß – weil es nicht nur in der Kölner Lokalpresse, die man noch totschweigen konnte, sondern auch in der Bahamas zu lesen war – dass er unzweifelhaft in Notwehr gehandelt hat und so richtig deutsch nicht ist, sondern nur ein Russlanddeutscher, mithin einer von jenen, um deren Integration in die Gesellschaft es auch nicht so gut bestellt ist, hat man sich bei Somost überlegt, wie man einen aus Russland, der sich höchstwahrscheinlich gegen einen Raubüberfall gewehrt hat, weiterhin verunglimpfen könnte. So wurde aus dem deutschen Mörder ein Weißer – was in der rassenkundlich versierten Szene so viel wie Täter bedeutet.
Die von Somost wissen also genau, wer von Natur aus schuldig ist und wer zum widerständigen Subjekt der nicht-weißen „Multitude“ gehört. Deren Abfeierung bedeutet de facto nichts anderes als die schnöde Affirmation krimineller Banden und ihrer ungeschriebenen, durch keinerlei Vermittlung gemilderten Disziplin, die sie nach innen und nach außen durchzusetzen sich mühen. Was früher einmal „Sieg im Volkskrieg“ hieß, findet heute seine adäquate Fortsetzung im Eintreten von Kommunisten für kulturell befreite Zonen hier und weltweit: „Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft und das Militär anzugreifen“, sei legitim, formulierte ein Angeklagter zum Auftakt eines Prozesses am 25.9.2008 in Berlin gegen ihn und zwei weitere Männer, die versucht haben sollen, in Brandenburg an der Havel Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden, und denen darüber hinaus vorgeworfen wird, eine kriminelle Vereinigung namens Militante Gruppe gegründet zu haben. Mit dem Krieg, dessen Gewalt Widerstand entgegenzusetzen sei, war der afghanische Bürgerkrieg gemeint, in dem auch deutsche Soldaten als Teil einer amerikanisch geführten UNO-Truppe sich auf Seiten der afghanischen Regierung engagieren. Afghanistan soll nach Ansicht dieser Kommunisten endlich wieder den Afghanen gehören, also den Taliban und den Clanchefs. Wenig Phantasie gehört dazu, um zu folgern, dass dieselben Leute sich wünschten, über von Zivilisation befreite Zonen auch in Deutschland etwas unbefangener zu diskutieren und etwa zunächst zwei der drei Kreuzberger Brüder Hatun Sürücüs als Opfer rassistisch motivierter Vorverurteilungen nachträglich zu rehabilitieren, was sich bislang nur mutige Einzelgänger getraut haben, wie zum Beispiel Professor Schiffauer von der Viadrina-Universität, der als entlastender Prozess-Gutachter tätig gewesen ist und zum Dank dafür am 10.9.2008 von jungen klassenkämpferischen Kommunisten der Gruppe T.O.P in Berlin zum Vortrag vor 150 Leuten geladen wurde, darunter nicht wenigen, die noch vor kurzem mit Israelfahnen auf Demonstrationen gegangen sind.
Nun gibt es einen, der in Sachen Rassentheorie nie so weit gehen würde wie einige Kölner Antifas, die aus „schwarzer“ Rasse revolutionäre Klasse machen wollen, aber ihnen die Hand zum Mitmachen gereicht hat, seit er die Verhinderung der offenbar bevorstehenden Vernichtung – nicht etwa Israels oder der Juden – sondern der „Kanaken“ in Köln-Kalk und anderswo zum obersten kommunistischen Ziel erklärt hat. Er ist einer, der sich bisher mal reingeritten und dann wieder rausgewurstelt hat, der sich antisemitische Krawallakte gegen Freunde Israels und Amerikas 2004 in Hamburg live angeschaut, aber darüber Stillschweigen verhängt hat und zum scheinbaren Ausgleich frohgemut Israel seine Solidarität erklärte, die er tags darauf widerrief, weil er einen antizionistischen Scharfmacher gefunden hat, der es mit Adorno gehabt haben soll. Den Kerl komplimentierte er dann, wiederum schweigend, hinaus, weil der sich mit Querfrontpolitikern in Köln getroffen hatte, um sich zuletzt in der Position der Äquidistanz gegenüber Israel und seinen Feinden und Ayaan Hirsi Ali und ihren Verfolgern auszuruhen. Er ist es nie gewesen, war für Kritik stets offen, natürlich nur für solche in emanzipatorischer Absicht, und hätte immer so weiter gemacht, wenn die Bahamas den Betriebsfrieden nicht gestört und ihm nachgewiesen hätte, dass er längst mit den Multitudes aller Länder und damit der Mehrheit im Land paktiert. Seither hält es Hermann Ludwig Gremliza nicht mehr und er schnappt nach der Bahamas, die er bislang so tapfer ignoriert hat.
Herr Scharang verkündet die Ankunft des heiligen Ludwig
Alles ist ihm seit dem Frühjahr 2002 misslungen, als ich mir scheinbar noch unentschieden in der Bahamas die Frage stellte: „Konkret kaputt?“. Nachdem ich im August 2008 eine Gegendarstellung in seinem Express erzwungen und damit sein Lebenswerk in Frage gestellt habe, schart er seine letzten Spezis um sich und lädt sie zum intellektuellen Selbstmord ein. Den Schriftsteller Michael Scharang, dessen großer Roman „Auf nach Amerika“ (1992) gegen seinen Urheber Zeugnis ablegt, hat er in großer Not um eine Liebesgabe gebeten, die besonders niederschmetternd ausgefallen ist, weil Scharang ausgerechnet Karl Kraus gegen mich ins Feld führt, was Gremliza aus guten Gründen, die in der Bahamas nachzulesen sind, schon lange nicht mehr wagt. Der Wiener Schriftsteller legte Hand an sich und nicht an Justus W., als er ihm unterstellte, er „winde“ sich als Teil einer „Lumpenbourgeoisie“, „in rasender Verzweiflung, vielleicht doch noch von den Herrschenden gebraucht zu werden, auf einem nichtexistierenden Markt, in der Hoffnung, dass seine Verrenkungen, die er für solche des Geistes hält, wahrgenommen werden“ (Leserbrief in Konkret 10/08). Nicht genug, dass die Unterstellung, ich wände mich „in Verzweiflung, von den Herrschenden gebraucht zu werden“, noch nicht einmal als Österreichisch durchgeht – er hat sich auch schrecklich in seinem Satz verwickelt, in dem ich mich am gleichen nichtexistenten Ort mal „in Verzweiflung, gebraucht zu werden“ winde und dann „in der Hoffnung, wahr genommen zu werden“ verrenke, als wäre das nicht das gleiche. Was tut man nicht alles, um die doch etwas zu schlichte und vor allem zu kurze Botschaft, Justus W. schleime sich bei den Herrschenden ein, die ihn gar nicht haben wollten, gescheit, ja, aufwendig klingen zu lassen.
Aber selbst das hätte er noch überlebt – es war ja nur von mir und nicht von Karl Kraus die Rede. Doch ein bisschen mehr als folgsam nachzutreten war er seinem Ruf als Dichter und Kritiker dann doch schuldig: „Brecht, dem Kämpfer, war der Geist das Wort“ heißt es im ersten Buch Michael, das die Ankunft des Erlösers Ludwig verkündet, der von Bertolt Brecht und Karl Kraus, die in „schöner […] Arbeitsteilung […] eng verbunden und tief getrennt ihre Arbeit machten“, gesalbt ward und heute alles auf einmal macht: „Das Lehrstück, die Satire, den Essay, die sprachverliebte poetische Glosse und die Polemik gegen die Menschenverachtung, die sich aufwendig [?] als Verachtung der Sprache zu erkennen gibt, ehe sie sich zum simplen Totschlag bequemt [??].“ Dass Brecht, obwohl er zunehmend zum ordinären Parteikommunisten mit Sicherheitsabstand zur wirklichen Partei und noch größerem zum Vaterland der Werktätigen sich wandelte (,das er im Frühsommer 1941 in Todesängsten Richtung Wladiwostok zum rettenden Schiff gen Amerika durchquert hatte), „trotz und mit allem, womit er bewusst seinem dichterischen Wert entgegenwirkt“ (1) ein großer Dichter sei, hat Karl Kraus mehrfach betont. Weiter ging die Wertschätzung, von einer „Zusammenarbeit“ ganz zu schweigen, schon deshalb nicht, weil Kraus den Dichter Brecht immer gegen seine literarische Umgebung, der er sich ideologisch und oft genug auch poetisch immer mehr gleichmachte, hervorgehoben hat. Mit Blick auf „die bürgerliche Gedankenwelt, wie sie sich in den Werken der Shakespeare, Goethe, Gogol, Raimund, Nestroy und Offenbach darstellt“, kam Kraus zu dem so gar nicht nach „Arbeitsteilung“ klingenden Ergebnis, „dass die bürgerliche Gedankenwelt, selbst dort, wo sie tief unter dem Niveau der genannten Schöpfer liegt, Leistungen hervorbrachte, die berghoch über alles ragen, was die sozialistische, in sozusagen deutscher Sprache, bis heute produziert hat (wenn man Brechts eigentlichen Sprachwert rechtens von ihr ablöst, aber dafür die Gehirnschande aller Kampfliteratur und ‚proletarischer Satire‘ gründlich berücksichtigt).“ (2) Wenige Monate vor Erscheinen des Fackel-Heftes, aus dem dieses Zitat stammt, hatte Brecht die Gehirnschande begangen, mit einem Schmähgedicht als Kampfliterat gegen Kraus, den „guten Unwissenden“ aufzutreten, in dem es heißt:
„Er rühmte die Mörder. Er beschuldigte die Ermordeten.
Dem Hungernden zählte er die Brotkrumen nach, die sie erbeutet hatten.
Den Frierenden erzählte er von der Arktis.
Denen, die mit den Stöcken der Pfaffen geprügelt wurden
Drohte er mit den Stahlruten des Anstreichers.
So bewies er
Wie wenig die Güte hilft, die sich nicht auskennt (…)“ (3)
So erging es einem, der in den führenden SP-Genossen, die allen Ernstes noch nach dem 30.1.33 den Anschluss Österreichs ans deutsche Reich nicht aus dem Programm streichen wollten, keine Antifaschisten zu erkennen vermochte, wohl aber Kollaborateure mit den Nazis, und der den Arbeiteraufstand vom Februar 1934 gegen die herrschenden, von Dollfuß geführten Austrofaschisten offen kritisierte, die bis zu Mussolinis Schwenk den Anschluss ans Dritte Reich mit verhinderten, und der die österreichischen Sozialdemokraten mitverantwortlich für den Tod von fast 200 Arbeitern machte:
„Der da auszog gegen die Unterdrückung, selber satt
Wenn es zur Schlacht kommt, steht er
Auf der Seite der Unterdrücker.“
Wenn er sich nimmer auskennt, der satte Unwissende, also gegen die Doktrinen des Stalinismus verstößt, dann wird ihm mit dem Gestus des Auskenners und Bescheidwissers heimgeleuchtet, wird er gemäß der infamen Lehre „reich und reich gesellt sich gern“ des gleichzeitig entstandenen grotesk-peinlichen Parabelstücks über die Judenverfolgung in Deutschland, „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ nicht mit dem Geist und auch nicht mit dem Wort bekämpft, sondern degradiert in den Stand der Mehrwertmullahs, die schon in „Menschenverachtung“ gemacht haben, „ehe sie sich zum simplen Totschlag“ bequemten. Michael Scharang hat einen hohen Preis dafür bezahlt, dass er, den Kampfliteraten gebend, einem beigesprungen ist, der anders als drei Berliner Antiimps oder ein paar Kölner Antifaschisten, die nicht wissen, was sie daher stammeln, die Sabotage der Kommunisten am Kommunismus über das Jahr 1989 hinaus exemplarisch verkörpert.
Sprachverliebte Hetze
Obwohl ja die antirassistischen Kim il Pots seit Jahren durchs Netz pfeifen, dass auf Seiten der Unterdrücker, ja, Mörder von Salih aus Kalk satt und sich anbiedernd der Mehrwertmullah steht und derselbe samt Konsorten längst als Antisemit geoutet wurde, hat Hermann Ludwig Gremliza lange den Mund gehalten und außer einigen homophoben Invektiven gegen die wunderlichen Gewänder des Papstes und einem nicht minder zwielichtigen Verweis auf Daniel Küblböck die Bahamas tapfer ignoriert, was nicht gut gehen konnte.
Weiter zu schweigen, um sich die endgültige Blamage zu ersparen, hätte bedeutet, bei so überragenden Kommunisten wie Jutta Ditfurth, die für Uli Krug schon ein Standgericht zusammengerufen hat, in den Verdacht zu geraten, satt lächelnd die Salihs auf den Barrikaden von Köln verbluten zu lassen, wie einst der angebliche Kompagnon von Bertolt Brecht die Arbeiter von Wien. Es hat ihm alles nichts mehr geholfen, weil er sich jahrelang nicht mehr ausgekannt hat, was ihn gelegentlich dazu verleitet hatte, zwischen den Stahlruten der Mullahs und den Stöcken des amerikanischen Präsidenten zu unterscheiden, also auch zwischen Elendskapitalismus ohne und Elendskapitalismus mit Sharia und Djihad. Wollte er weiterhin als größter Kommunist im Land gelten, musste er tun, wovor er lange zurückgeschreckt war und bündeln, was in einem Nebensätzchen hier und einem Aperçu dort längst schon durch seine Lehrstücke und sprachverliebten Glossen herumirrte: Die Brücke vom Salih zum Itzig musste geschlagen, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus gleichgesetzt werden, auf dass der „Hauch von Gas“ (Uli Krug), der aus den toten Trakten bundesrepublikanischer Gefängnisse von tagebuchführenden Gefangenen herbeihalluziniert wurde, sich mit dem Gestank verbrannten Menschenfleisches aus den Kaminen von Auschwitz vermische und auf diese Weise ein moralischer Mehrwert für den deutschen Kommunismus akkumuliert werde.
Im Juli dieses Jahres hat er es nicht mehr ausgehalten und alles musste heraus. Im „Express“, also dort, wo alle möglichen Gestalten früher wegen schlechtem Deutsch, falschen Zitaten und anderer ideologisch motivierter Angriffe auf die Wahrheit kurz, aber zumeist treffend der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, erschien etwas auffällig Längliches, ja, um mit dem Wiener Dichter zu sprechen, sogar Aufwändiges:
„Justus W., im Laufe der Jahre wie viele seiner Genossen zum Pfaffen der Kapitalherrschaft, ihrer Polizei und ,Bildzeitung‘ gereift, wirft noch einmal ein Schäufelchen Kot auf Ulrike Meinhof, die ,völkische Antisemitin‘, der er ihr Gerede von ,Israels Nazi-Faschismus‘ und ,Israels Himmler‘ (Moshe Dayan) vorhält – die Halluzinationen einer im Toten Trakt mit vollständiger Isolierung Gefolterten, die, ein paar Jahre zuvor und ganz bei Sinnen, die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt hatte. Wozu hingegen andere schon in ihrer gut beheizten Wohnstube fähig sind, führt der zum Mehrwertmullah konvertierte Exkommunist an sich selber vor. Über einen Mann aus Köln-Kalk, der einen türkischen Jugendlichen namens Salih mit seinem Messer tödlich verletzt hat, schreibt er:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte …
,Ein Salih‘ ist das Singularetantum für jeden Kanaken, wie im ,Völkischen Beobachter‘ ,ein Itzig‘ für jede Judensau. Und weiter geht’s:
Ein deutscher Feuerwehrmann, der ein kleines Kind, das ihm aus dem dritten Stock des brennenden Gebäudes zugeworfen wurde, geschickt aufgefangen hatte, wurde z.B. von der ,Hürriyet‘ deshalb gelobt, weil seine Eltern Türken sind und er damit auch einer zu sein hat.
Man glaubt ihm aufs Wort – wer kann schon Türkisch? Zwar gibt ,Hürriyet‘ sich schon dadurch als chauvinistisches Drecksblatt zu erkennen, dass sie Springers ,Bild‘-Chef Kai Dieckmann in ihren Beirat berufen hat, allerdings hat das Blatt in diesem Fall die gesamte Ludwigshafener Polizei für ihren Einsatz gelobt, bevor sie in einem weiteren Bericht tatsächlich erwähnte, dass der rettende Polizist Hakki Paker heiße, und ,türkischstämmig‘ sei. An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt.“ (Gremlizas Express, 8/08)
Eine erste Antwort wurde ihm im eigenen Blatt gegeben auf eben jener Seite, die bis zum Septemberheft 2008 vielen Lesern als ein Höhepunkt der Sprachkritik galt:
„Gegendarstellung
In KONKRET Heft 8 / August 2008 in der Rubrik Gremlizas Express wird mit Nennung des Namens Justus W. folgender Satz als Zitat ausgewiesen:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger deutscher Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…
Dieses Zitat ist falsch.
Tatsächlich habe ich Folgendes geschrieben:
Unvorhergesehen war für Salih, dass man als junger ,deutscher‘ Kalker schon weiß, wer da nachts auf Beute ausgeht und diesmal der Überfallene, der schon mehrfach unbewaffnet Opfer eines Salih geworden war, mit einem Messer herumfuchtelte…
Berlin, den 6.8.2008
Justus Wertmüller“ (Gremlizas Express, 9/08)
Dem satten Karl Kraus ist Vergleichbares in 37 Jahren Fackel und mehr als 10.000 Seiten eigenen Textes voller Zitate nicht unterlaufen. Ihm war das Zitat heilig, und wenn er den Zitierten noch so sehr verachtet hat – zur Fälschung war er schon deshalb nicht fähig, weil es die unwiderrufliche Entwertung seines Werks bedeutet hätte, und zwar nicht auf dem Markt, auf dem er in den letzten Jahren seines Lebens so wenig nachgefragt war, dass aus dem Nachlass kaum mehr als die Bestattungskosten bestritten werden konnten, sondern vor dem eigenen Wahrheitsanspruch, den er noch auf dem Totenbett bekräftigte, als er gegenüber einer Freundin darauf insistierte, niemandem Unrecht getan zu haben.
Wer kann schon Türkisch?
Bevor er mich um einen „ertmüller“ kürzer gemacht hat, habe ich ihn nicht etwa meinerseits beraubt, sondern bereichert und dem geheimnisvollen L. ein „udwig“ angefügt – als symbolische Würdigung eines Lebenswerks, in dem für Polemik (oder Kommunismus) kein Platz mehr ist, seit das Singularetantum „Atta“ für alle Mitglieder einer Hamburger Schule der praktischen Imperialismuskritik steht, auch für jene, denen die Eltern nicht mit dem Glaubensstärke signalisierenden Mohammed schon im Säuglingsalter den Heilsauftrag verpasst hatten. Noch vor wenigen Jahren, als Gremliza noch nicht mit den Kalker Barrikaden-Salihs für Gerechtigkeit gestritten hatte, wäre mir das als Indiskretion und Verleumdung erschienen. Der Verfassungsschutz, dessen Angestellte längst wieder unverkrampft der deutschen Sache nützlich sind, und nicht mehr das Hohelied der Westbindung singen müssen, hatte in dem 2004 erschienen Buch „Extremismus in Deutschland“ hämisch die Frucht einer kleinen Recherche präsentiert und gegen den Willen des Herausgebers das L. kassiert und vom „‚Bellizist(en)‘ und ‚konkret‘-Herausgeber Hermann Ludwig Gremliza“ gesprochen. Im gleichen Buch hat ein früherer Konkret-Autor und Antisemitismus-Spezialist vor „Wortführern wie Hermann Gremliza (Konkret) und Julius Werthmüller (Bahamas)“ gewarnt, die gemeinsam „ihren Israel-Kult, ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen“ betrieben. Darauf hat die Redaktion im Editorial der Bahamas Nr. 47 geantwortet: „Was den Ludwig und den Julius ungeachtet ihres Dissenses in Detailfragen eint, ist der Abscheu vor den Kreaturen einer staatlichen Agentur für Gesinnungsschnüffelei, die ausgerechnet dann, wenn den Hauptamtlichen nichts mehr einfällt, mit einem erweiterten Verfassungsschutzbericht gegen Wortführer in die Bresche springen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Volksgenossen äußern“.
Das war einmal. Wo es keine Geheimnisse mehr gibt und keine Überraschung ins Haus steht, also dort, wo ein deutscher Reiseunternehmer türkischer Herkunft, der anderswo den Beitrag der türkischen Frau zur deutschen Wirtschaft in ihrer überdurchschnittlichen Gebärfreudigkeit erkannt hatte, im Interview mit Konkret (8/08) als Stimme der Freiheit daherschwadroniert wie sonst nur das chauvinistische Drecksblatt gleichen Namens (Hürriyet), damit der natürlich völlig unbegründete Verdacht, die Türkei verwandle sich in eine islamisch-kemalistische Autokratie, ausgeräumt ist, braucht man sich nichts mehr vorzumachen, auch kein „L.“ mehr für einen Ludwig. Wo der führende Kommunist Hermann heißt und Kolumnen schreibt, bleibt für den Polemiker und Liebhaber der sprachverliebten Glosse, die vom falschen Zitat zu getürktem Türkisch voranschreitet, nur noch der Ludwig übrig.
Wie war das noch mit dem Ludwigshafener Lebensretter, der von mir irrtümlich in einer Fußnote als deutscher Feuerwehrmann ausgegeben wurde, obwohl er doch deutscher Polizeibeamter ist? Ist er in der Hürriyet vom 5.2.2008 jetzt als „türkischstämmig“ (türk kökenli) oder türkisch (Türk) präsentiert worden? Tatsächlich war im Kleingedruckten eines Artikels zu lesen, dass das Kleinkind Onur von „dem türkischstämmigen deutschen Polizisten Hakki Paker gerettet“ worden sei. Ich habe zwar geschrieben, dass es egal sei, welche Staatsbürgerschaft einer hat, der Hakki heißt, weil er, ob er will oder nicht, in ein Volkskollektiv eingemeindet werden soll, dessen berufene Sprecher in der Diaspora wie z. B. der Konkret-Interview-Partner Vural Öger, bejubeln, was unter laizistischen Türken als Ausweis der Rückschrittlichkeit gilt: zahlreiche Kinder und immer neue Moscheen zum Beispiel. Aber ich schließe mich trotzdem dem Herausgeber an und rufe aus: Und weiter geht’s: Über die Botschaften bunter Zeitungen, das sollte man als geschulter Kritiker der Bild-Zeitung doch gelernt haben, gibt die Überschrift überzeugender Auskunft als jedes Wort im nachfolgenden Text. Und die schrie in der Hürriyet vom 5.2.2008 in fetten Lettern aus: „Bebegi Türk polis kurtardi.“ (4) Zu Deutsch heißt das immer noch: „Das (oder besser: dieses) Baby rettete ein türkischer Polizeibeamter.“ Mit Überschriften, in denen dem „Türk polis“ gehuldigt wurde, warteten zur gleichen Zeit übrigens auch die Tageszeitungen Tercüman, Aksam, Yeni Safak und Sabah auf.
Aber wer kann schon Türkisch? Für die deutschen Gänsefüßchen, die gerade dort verloren gehen mussten, wo etwas richtig entlarvend Antideutsches gegen einen Antideutschen, etwas mit „Judensau“ und Völkischem Beobachter herauskommen sollte, kann er nicht seine Praktikanten für die schlampige Recherche haftbar machen, sondern nur den inneren Ludwig, der für sich ganz wie der L. von früher nicht nur in Anspruch nimmt, deutsch zu können, sondern auch Karl Kraus verpflichtet zu sein.
Wo Polemik beginnt
Leicht ist es ist nicht, im Stande des Ludwigs leben zu müssen, als Sprachkritiker blamiert, als Kolumnen schreibender Kommunist zwischen Elsässer und Ebermann hin und her geworfen, den Einflüsterungen des Mehrwertmullahs widerstehend Ulrike, der einzigen Braut zu huldigen, die heute aus dem Munde des Mediums Jutta zu ihm spricht. Aber irgendwie geht’s schon. Ich werde ihn jedenfalls nicht schaffen und nie mehr bewirken, als ihm zu schaffen zu machen. Ich kann ihn unwidersprochen öffentlich einen Geschichtsfälscher nennen, wenn er Mussolinis Faschisten mit Hitlers Nationalsozialisten gleichsetzt und ihnen unterstellt, was sie nicht getan haben, sie hätten die italienischen Juden den Deutschen ausgeliefert und ins Gas geschickt (Bahamas 43, S. 70). Ich kann ihm in Sachen Glasauge, Hinkebein und Modell Analita recht liebloser Körperschau und entsprechend ergebnisorientierter Vorlieben beim Gebrauch des Körpers zeihen (Bahamas 42, S. 67), aber Konkret schweigt, Rechtsanwalt Oliver Tolmein schreibt mir nicht und keiner wundert sich, warum das keine Folgen hat. Ich führe Karl Kraus gegen ihn ins Feld, weise nach, dass er Privatpost ohne Zustimmung der Briefeschreiber veröffentlicht hat (Bahamas 45, S. 54) , dass er einen israelischen Feind Israels, aus dem es herausspricht wie aus Ludwig (!) Watzal, zum jüdischen Kronzeugen gegen Israel hat aufbauen helfen (Bahamas 42, S. 65) – und er schweigt, ohne dass es ihm schadet.
Das geht nur, weil sein Publikum ebenfalls schweigt und schweigend mitfühlt. Offenbar gibt es eine gefühlte Solidarität, deren Protagonisten immer dann mit mir hadern, wenn ich ihn blamiere, ihm allerdings öffentlich unter Hinterlassung ihres Namens niemals recht geben würden. Obwohl ich niemals einen erklärten Kommunisten nur deswegen einen Faschisten nennen würde, weil er das Kapital vom Staat regiert sehen will, habe ich gegen die Feststellung „An Justus W. lernen heißt lernen, wo Polemik (oder Kommunismus) endet und Hetze (oder Faschismus) beginnt“, wenig einzuwenden. Zwar kann man an mir nichts lernen, sondern höchstens an meiner Bemühung des Hamburger Presserechts gegen verschwundene Gänsefüßchen als einer Maßnahme gegen Press-Hetze – demonstrieren läßt sich in der Sache Gremliza gegen Justus W. allerdings, in welchem Verhältnis Polemik und Hetze zueinander stehen.
Zum Argumententausch gedeiht eine Kontroverse nie, in der ein Polemiker Partei ist, denn wo der Kritiker polemisch auftritt, gibt es nichts mehr auszutauschen. Wenn heute noch behauptet wird, es habe zwischen 1911 und 1932 eine Polemik zwischen Karl Kraus und Alfred Kerr gegeben, dann ist das schon eine Verleumdung, und zwar des Polemikers Kraus. Auf der einen Seite steht immer ein Lügner, ein Verleumder, ein Polterer und auf der anderen der Kritiker. Einer ereifert sich, bläst sich auf, mimt den Empörten und fühlt sich als Florett-Fechter, wenn er mit dem Dreschflegel hantiert und ist doch längst damit befasst, aus hoffnungsloser Defensive heraus mal die Autorität, mal den Mob gegen eine Kritik aufzuhetzen, der er mit Argumenten nicht gewachsen ist. Doch nicht ihm, sondern seinem Gegenüber, dem Polemiker, wird regelmäßig zum Vorwurf gemacht, er reagiere unsachlich, habe sich nicht mehr im Griff und wäre deshalb dafür verantwortlich, dass ein fürs Publikum Gewinn bringender fairer Wettstreit nicht zustande käme, weil alles von Persönlichem, ja Kränkendem überlagert sei.
Als man noch wusste, dass Poltern nicht deutsche Manneszier, sondern rüpelhaftes, autoritäres Verhalten ist, schrieb Gotthold Ephraim Lessing gegen einen Hamburger Hauptpastor, der in Buch- und Zeitschriftenform Bannflüche gegen alle Abweichungen von der reinen lutherischen Lehre veröffentlicht hatte: „Ich muß, ich muß entbrennen – oder meine Gelassenheit selbst, meine Kälte selbst, machen mich des Vorwurfs wert.
Wie, Herr Hauptpastor? Sie haben die Unverschämtheit, mir mittelbare und unmittelbare feindselige Angriffe auf die christliche Religion Schuld zu geben? Was hindert mich, in die Welt zu schreiben, daß alle die heterodoxen Dinge, die Sie itzt an mir verdammen, ich ehedem aus Ihrem eigenen Munde gehört und gelernt habe? Was hindert mich? Eine Unwahrheit wäre der anderen wert. Daß ich Ihre Stirn nicht habe: das allein hindert mich. Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann, und Sie – Sie tun alle sieben Tage, was Sie nur einen Tag in der Woche tun sollten. Sie schwatzen, verleumden und poltern; für Beweis und Eviction mag die Kanzel sorgen.“ (5).
In Sachen Polemik gibt es immer nur Lessing gegen einen lutherischen Dogmatiker, Heine gegen einen deutschen Jakobiner mit nationalen Tugenden, Marx gegen reihenweise deutsche Sozialisten und Karl Kraus gegen den deutschnationalen „Friedmenschen“ Alfred Kerr, der im Weltkrieg in schlechten Reimen Blut und Eisen gespuckt hat. Das gilt auch dann, wenn ein Herausgeber, dessen Medienmacht gering ist, gegen einen Kritiker hetzt, der nach der Meinung seines Wiener Kronzeugen „im Register der Schmach einen festen Platz hat“. Dem Gegenüber des Polemikers versagt das Wort, ist die Verleumdung beständiges Hilfsmittel, und der drohende und schimpfende Sprachgestus gibt nur noch vor, wenigstens auf Orthodoxie und damit kanonisierte Wahrheit sich zu berufen, während längst blinder Dogmatismus die zweifelnde Gemeinde einschwören soll, auf deren autoritären Charakter meist erfolgreich spekuliert wurde und wird.
Wo Polemik versagt
Polemik, die nicht durch die Erfahrung persönlicher Kränkung motiviert wäre, ist undenkbar. Und im entbrannten Vortrag von Beweisen und Evictionen gegen den Verursacher der Kränkung ist diese aufbewahrt und bewältigt zugleich: aufbewahrt, weil die Polemik aus der präsenten Kränkungserfahrung ihre Vehemenz bezieht, ansonsten sie zu harmlos-feinsinnigem Geplänkel geriete; bewältigt, weil die Empörung sich stilisiert und sachlich vermittelt artikuliert, ansonsten sie, wie sich bereits an Lenins einschlägigen Schriften ablesen läßt, zu Gezeter und Gepolter geriete. Als Polemiker tritt der entbrannte Kritiker auf, der gekränkt ist, weil ihn das nichtswürdige Agieren des Kontrahenten genauso empört wie der von ihm ausgehende und über seine Person hinausweisende Anschlag auf die Wahrheit. Gegen den Hauptpastor der linken Gemeinde muss ich mich mit Lessing fragen, „was hindert mich, in die Welt zu schreiben, dass all die heterodoxen Dinge, die Sie jetzt an mir verdammen, ich ehedem aus ihrem eigenen Mund gehört und gelernt habe?“, um mit Lessing zu antworten: „Ich unterstehe mich nicht zu sagen, was ich nicht erweisen kann“. Ich habe es aufgegeben, einem kommunistischen Herausgeber die Ersprießlichkeiten der Wahrheit, die Rettung seines Namens vor dem Schimpf unter fragwürdiger Beweisführung über früher von ihm Erreichtes, hinter das er nun zurückgefallen sei, schmackhaft zu machen. Denn es ist nicht wahr. Ich habe am „Express“ manches gelernt, als ich vor langer Zeit einmal einige Jahrgänge Konkret nur auf diese Rubrik hin gelesen habe, ohne zu erkennen, dass der zweifellos hochpeinliche Theo Sommer von der Zeit, über den Gremliza Jahrzehnte lang seine Witze gerissen hat, schon in seinen besten Jahren für nicht viel mehr stand als unzulängliches Deutsch an herausgehobener Stelle in einer Wochenzeitung, deren andere Autoren es zumeist besser konnten. Darüber hinaus war an den Abfertigungen Theo Sommers und anderer kaum mehr dran als die stets falsch begründete Gewissheit, dass auch die Bundesrepublik des Jahres 1980 eine schlechte Welt war, überlagert von dem unverbesserlichen Bescheidwissen, dass es sich bei USA und Nato jedenfalls um Teufelszeug handele. Gelernt habe ich immerhin einiges über Stilblüten – über den Zusammenhang von Nato, westlichem Bündnis und schlechtem Deutsch dagegen nichts. Vor wenigen Jahren dachte ich noch, ich könnte ihn unter Verweis auf die heterodoxen Dinge über den politischen, journalistischen und schriftstellerischen Betrieb, dem er immer angehörte und den er jetzt mit schlechten Gründen an mir verdammt, Dinge, die ich doch nicht zuletzt von ihm gelernt zu haben glaubte, auf einen Weg zurückbringen, der seiner nie war. So wie ein Hauptpastor Goeze in stilleren Zeiten im Rahmen der lutherischen Orthodoxie mancher Einsicht zugänglich war, der er sich im Streit mit Lessing wohl schämen musste, blitzten aus Gremlizas Produktion zuweilen Einsichten auf, deren Tragweite man nicht ermessen und deren logische Konsequenzen man nicht an Ort und Stelle ziehen musste. Heute ist klar zu erkennen: sie waren die Dreingabe, nicht die Hauptsache. In ruhigen Zeiten, in denen die Feinderklärungen unerschütterlich feststanden und jeder seinem Lager angehörte, wurde es für einen etwas gewitzteren Publizisten allmählich langweilig, immer in Treue fest zu den Seinen zu stehen, weshalb Gremliza in seine Auslese publizierten Sprachmülls immer wieder auch linke oder linksradikale Stimmen aufgenommen hatte, während in der Zeit keineswegs nur sprachferne Atlantiker wie Theo Sommer sich verlautbarten, sondern zunehmend auch korrektes Deutsch schreibende Ökologen, Dritte-Welt-Kenner und andere im Widerstand gegen das transatlantische Bündnis stehende Europäer.
Nach 1989 fand die nach dem Sieg der Sowjetunion über Deutschland einzige humane Großtat aller Regimes des realen Sozialismus, nämlich unter weitgehendem Verzicht auf letzte Gefechte sich von der Bühne der Geschichte getrollt zu haben, keineswegs Anerkennung bei deutschen Sozialisten. Sie nannten sich nicht deshalb ab 1990 alle Kommunisten, um die seit spätestens Mitte der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts so schmählich verratene Verbesserung des Menschengeschlechts in kommunistischer Absicht endlich ohne Zuhilfenahme von Stahlruten oder Stöcken auf den Weg zu bringen. Den Realsozialismus kritisierte man nicht, weil er zu autoritär war, sondern weil er es in den Augen der Linken nicht genug war, also nicht wegen der entsetzlichen Umerziehungs- und Mordanstalten der Sowjetunion, deren Alltag Solschenizyn in seinem genialen Kurzroman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ beschrieben hat, sondern wegen seines als schmählich und kapitulantenhaft empfundenen Abtretens. Auch wenn es in den Jahren zwischen 1990 und 2001 zeitweilig so aussehen wollte, als ob über den Kommunismus endlich ohne Lenin und Stalin, Mao und Frantz Fanon verhandelt werden und die Befreiung der Menschen endlich wieder eine Sache menschlichen Zuschnitts werden könnte – der Bruch mit den autoritären Sozialismuskonzeptionen ist in Wirklichkeit nicht nur nicht gelungen, er war gar nicht vorgesehen. Das kurze Intermezzo der Pro-Israel-Kampagne, die diese Zeitschrift, auch hier einigen Versprechern des Hamburger Herausgebers scheinbar folgend, in den Jahren 2000 (Beruf Palästinenser) bis 2002 (der unheimliche Aufmarsch) angezettelt hatte, endete im Frühjahr 2003 mit dem Irak-Krieg jäh und unwiederbringlich. Längst schon rasselten in den Phantasien der Ideologen zu befreiende Völker mit Ketten, gegen die sie nur einzuwenden haben, dass sie von kolonialer Machart seien, tummelten Klassen und Rassen sich im Jargon aller Kommunisten, auch dann, wenn die einen bis heute etwas von den JüdInnen und ihrem besonderen Schicksal raunen und andere Israelfahnen auf Demonstrationen entrollen, auf denen vor Islamophobie gewarnt wird.
Aus dem Manifest des deutschen Kommunismus
Die Israel-Solidarität hat sich als zu schweres Gewicht um den Hals des Herausgebers und aller deutschen Kommunisten guten Willens erwiesen. Sie verlangt einem mehr ab als ein bekennerhaftes Wort, sie fordert den ganzen Kritiker, der immerhin zu begründen hätte, worum Gremliza sich herumwindet: dass jede von außen geübte Kritik an Israel als im Kern antisemitischer Anschlag auf den jüdischen Staat und mit ihm auf die westliche Zivilisation zu gelten hat. Hinter Israel steht nicht jener Kommunismus, dessen Künder mit Serkan aus München oder Salihs Brüdern aus Köln ins Geschäft zu kommen sich mühen, unter deren Stiefelabsätze oder vor deren Fäuste immer auch jene Träger des Namens Serkan oder Salih geraten, die den autochthonen Abzockern die Brüderschaft aufkündigen. Weil „ein Salih“ nicht für jeden „Kanaken“ steht, sondern durchaus verallgemeinernd für die Zugehörigkeit zu einer Bruderschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig und mehr noch solche, die nicht dazugehören, abzocken, steht das Singularetantum Salih weder für angeborene noch für zugeschriebene Eigenschaften einer bestimmten Gruppe, sondern als Ausdruck der von ihren Mitgliedern freiwillig angenommenen Verhaltensweisen, die ihnen häufig sehr wohl zur Eigenschaft werden.
Der Ausländerfeind ist sich sicher, dass nicht Salih und seine Brüder, sondern ganz verallgemeinernd Ali, verschiedene schlechte Eigenschaften von Natur und Herkunft hat, zuvörderst die, an allem Schuld zu sein. Ali kann mal als Jobkiller, mal als unheilbar arbeitsscheu präsentiert werden, mal als schmutzig, dann wieder als sauberkeitsfanatischer Wasserverschwender. Ali ist gerissener Händler, der uns alle mit plumpen Tricks hereinlegen will, dann wieder verächtlicher Anbieter des letzten Schunds, der es nie zu etwas bringen wird. Mal hat er viele Kinder, um uns zu überfremden, mal sind die Kinder schlicht sein Unglück, weil man so nicht zu Wohlstand kommt, und als mehr oder weniger kriminell gilt er je nachdem, ob er einen deutschen Kalker oder nur einen „deutschen“ Kalker abzieht. Zusammengefasst: Der Ausländerfeind mag ihn nicht, aber er erkennt auch keine bestimmten schlechten Eigenschaften am Ali, denn alle auf einmal sind keine. Der Ausländerfeind ist vor allem davon überzeugt, dem Ali nicht nur überlegen zu sein, sondern auch gegen ihn zu bestehen. Alis Verbindungen, das weiß man, reichen nicht weiter als nach Anatolien, und dort gibt es keine Schätze. Der Itzig, die „Judensau“ unterscheidet sich beim Antisemiten, der deutsch und eingeboren sein kann, aber gerne auch jung, islamisch und ausländischer Herkunft, vom Ali des Ausländerfeinds durch sogenannte jüdische Eigenschaften, die ihren Ursprung im Geld haben sollen, von dessen gleichermaßen wundersamen wie gemeinschädigenden Mehrung ohne reelle Arbeit er mehr verstehe als jeder andere. Das gelinge ihm, weil er geheimnisvolle Verbindungen nicht etwa in eine bestimmte Region – denn die bestreitet man ihm energisch – sondern in Bankzentralen und Schatzämter, Handelszentren und zur Börse weltweit unterhalte, von wo aus er Regierungen und Armeen beauftrage, alles zu unternehmen, was dem fleißigen Arbeitsmann und Mittelständler, also „uns allen“ schade.
Während sich selbst ostzonale Nazis inzwischen angewöhnt haben, zwischen dem Ali, der weg müsse, und dem Spremberger Döner-Imbiss-Betreiber Ali Demirel zu unterscheiden, also zwischen den generell schlechten Ausländern, die verfolgt werden und gar nicht so wenigen konkreten, die er kennt und großzügig unter seinen Schutz stellt, ist der Antisemit keineswegs gewillt, zwischen einheimischen und abstrakten Juden zu unterscheiden – auch dann nicht, wenn es ihm vorläufig noch fern liegt, sie anzugreifen.
Dass es so ist, bestätigen die weiterhin guten und unter der Hand weitergetuschelten Kenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse eines Menschen, in dessen Ahnenreihe ein Jude vorgekommen sein soll, während eine türkische Mutter, besser Großmutter, einen jungen Deutschen aus Kalk oder anderswo interessanter machen, als wenn seine Vorväter nicht weiter als bis Köln-Mühlheim zurückverfolgt werden können. Das wissen mit Gremliza auch die Mehrheit seiner Leser, und dass Ali der Itzig von heute sei, glaubt im Grunde keiner.
Der irre Weg von Salih und seinen Brüdern über die Zwischenstufe „jeder Kanake“ zu „dem“ Juden, der von der Bahamas zum Völkischen Beobachter führen soll, verschlägt Gremliza nicht wie seine antirassistischen Bündnispartner, die wirklich mit Gangstern packeln wollen, in die nächtlichen Straßen von Köln-Kalk, sondern in die paranoide Welt deutscher Antiimperialisten, deren Ikone ich Kot aufs Grab geworfen haben soll.
Salih und Ulrike – zwei jüdische Opfer
Man könnte sich darauf einigen, dass die monatelange Isolation Ulrike Meinhofs im sogenannten Toten Trakt eine Form der Folter war, aber unter keinen Umständen zu vergleichen ist mit dem Weg, den die europäischen Juden, beginnend im Ghetto oder im Sammellager bis zur Selektion, die sie in die Gaskammern brachte, wie Primo Levi es in „Ist das ein Mensch?“ beschrieben hat. Man könnte hinzufügen, dass die Halluzinationen eines Menschen in Situationen besonderer Not, einerlei, ob sie durch die Folgen von Isolationshaft oder durch eine Psychose hervorgerufen werden, immer auch Unverarbeitetes des noch freien oder gesunden Menschen offenbaren. Ulrike Meinhof war keine Antisemitin aus Passion. Sie hat sich sogar einmal bemüht, wenn auch ohne Folgen für ihren weiteren Weg, Israels Existenzrecht zu verteidigen (6), was ohne Folgen für ihren weiteren Weg bleiben musste, denn sie hatte sich bereits zwei Jahre zuvor in Konkret 03/1965 festgelegt, als sie die Bombardierung Dresdens und die Vernichtung der Juden in Auschwitz auf eine Stufe der „Barbarei und Unmenschlichkeit“ „der Regierenden“ gegen die Völker gestellt hatte. Das Bedürfnis, als Intellektuelle endlich einmal dem „Volke dienen“ zu dürfen, wie der Titel der zweiten RAF-Erklärung nicht zufällig lautete, hat sie notwendig zur Antisemitin werden lassen. Aus einer Bewegung kommend, die den Antisemitismus offiziell als zu wehrendes Übel im Katalog hatte, die aber nicht anders konnte, als sich die „Argumente“ ihrer Gegner zu eigen zu machen, weil sie eine Kapitalistenherrschaft anprangerte, wo es um eine Kritik der kapitalen Vergesellschaftung gegangen wäre, war sie schon volkstümlich gestimmt, als sie sich in den 50er Jahren für den Frieden, also gegen die Westbindung der Bundesrepublik unter Konrad Adenauer an der Seite der USA, engagierte. Damals schon ging es darum, gegen das vorhandene deutsche Volk eine vermeintlich fortschrittliche deutsche Volksbewegung in Stellung zu bringen – ein Vorhaben, bei dem die Mittäterschaft der Volksgenossenschaft am Nationalsozialismus zwangsläufig ausgeblendet werden mußte. Als 1964 der Auschwitzprozess eröffnet wurde, ging es um Opfer, über die auch Kommunisten nicht recht reden wollten, Opfer, denen als bestimmter Gruppe weit Schlimmeres angetan worden war als zum Beispiel den deutschen Kommunisten, die doch als Speerspitze des Antifaschismus an der Seite der roten Armee, den Status, Opfer des Nationalsozialismus zu sein, möglichst nur für sich und das leidgeprüfte, verführte deutsche Volk verbuchen wollten. Ulrike Meinhof war vom Schicksal der Juden zweifellos tief beeindruckt und wohl auch mitgenommen, auch im Jahr 1972 im toten Trakt – und doch agierte sie als völkische Antisemitin bei der Niederschrift einer RAF-Erklärung genauso wie als Protokollantin ihrer Phantasien. Sie hat sich „eingefühlt“ und den Abstand verwischt, sie musste zwanghaft die eigene Situation überhöhen und rationalisieren, gebärdete sich als Jüdin, die ins Gas geführt werden sollte und dadurch als arische Staatsanwältin gegen jene, die dem wirklichen Zyklon B noch entkommen sind. Sie hat ein Lehrstück geschrieben, das im Unterschied zu Bertolt Brechts „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ in dem Wissen entstand, dass der Gemeinplatz von den Reichen, die sich immer gegen das Volk verbündeten, aufs furchtbarste blamiert ist, seit sich das nichtjüdische deutsche Volk mit den nichtjüdischen Reichen gegen alle Juden verbündet hatte. Das unterm Imperialismus leidende und gegen ihn sich erhebende Volk, das Meinhof wie alle Antiimperialisten für ihr politisches Konzept braucht, ist nur als ein an den Juden leidendes zu haben – das bestätigt sie mit ihren Halluzinationen, in denen das eigene Schicksal als ein kollektives, völkisches imaginiert wird und von den ermordeten Juden der Opferbonus und die Leidensprämie abgestaubt und Meinhof selbst, stellvertretend für das geknechtete deutsche Volk, zuerkannt wird.
Zum Fluch des Parteikommunismus nach 1945 gehörte neben dem vollständigen Missverstehen des Nationalsozialismus die Eifersucht auf die von ihm am schlimmsten Heimgesuchten, Leuten zumeist, die noch nicht einmal im Widerstand gewesen waren und doch durch ihr Zeugnis ein schlimmes Licht auch auf Volk und Arbeiterklasse warfen – also das, was Eike Geisel einmal „Opfersehnsucht und Judenneid“ nannte. Vielleicht kommt es deshalb bei Gremlizas österreichischem Kronzeugen Scharang vor allem auf „Brecht, den Kämpfer“ an, hinter den Kraus in der ominösen „Arbeitsteilung“, in der er mit Brecht „seine Arbeit machte“, als Mann ohne Eigenschaften, der jedenfalls nicht gekämpft hat, zurücktritt. Dabei wird dieser „Judenneid“ nicht mehr im Abfeiern des kämpfenden palästinensischen Volkes gegen die jüdischen Siedlerkolonialisten ausagiert – das traut man sich nicht zuletzt wegen Interventionen dieser Zeitschrift nicht mehr; heute ist es die Einführung des bedrohten Migranten, des zum Verdammten dieser Erde stilisierten Salihs, der dem kämpfenden Palästinenser aus den Phantasien eingesperrter und freier Antiimperialisten der frühen 70er Jahre so auffällig gleicht.
Freunde haben in Konkret 09/08 gegen Gremliza einen Leserbrief untergebracht, in dem sie ihm „Hetze gegen einen ehemaligen Autor“ vorwarfen, „der ein anderes Verständnis von kommunistischer Kritik hat als der Herausgeber.“ Damit liegen sie dann doch falsch. Solange einer wie Hermann Ludwig Gremliza als Kommunist durchgeht, wird es immer auch Kommunisten geben, die eine andere Vorstellung von der antikolonialen Befreiung der Salihs weltweit und sicherlich auch über Israel haben als er (das entsprechende antisemitische Geschmier des Papyrossa-Verlags wird dann in Konkret 10/08 als Annonce abgedruckt) – und selbst wenn es sich nur um eine Nuance handeln würde, wäre die Differenz zwischen Manfred Dahlmann, Stephan Grigat, Philipp Lenhard, Horst Pankow, Thomas von der Osten Sacken, Gerhard Scheit und mir auf der einen Seite und Gremliza auf der anderen eine ums Ganze. Mit dem Kommunismus verhält es sich genauso wie mit der Wahrheit: beide sind unteilbar, und zitatenfälschende Ideologen und Kritiker spielen nicht im selben Stück. Solange unter Gremlizas Regie sprachverliebte Lehrstücke zur Aufführung gelangen, in denen die „Judensau“ Salih über Köln wie weiland Ulrike über den Toten Trakt bekundet: „meine auschwitzphantasien da drin waren realistisch“, gilt für alle Kommunisten in Deutschland das gleiche, was hinter dem Leserbrief von Dahlmann u.a. eingerückt worden war, um sie zu blamieren: „,So gesehen ist natürlich die radikale Linke, also alles jenes, was sich autonom, antifa oder Ex-K-Grüppler (nennt), die Antirassisten und Antisexisten nicht zu vergessen, die von ganz besonderer Hässlichkeit sind, etwas Abstoßendes und schon deshalb ein Personenkreis, zu dem man auf Abstand gehen sollte.‘ Aus einem Interview mit Justus W. – Die Red.“
Justus Wertmüller (Bahamas 56/2008)
Anmerkungen:
1) Die Fackel, Nr. 868–872, März 1932, S. 36
2) Die Fackel, Nr. 890–905, Ende Juli 1934, S. 52
3) „Über den schnellen Fall des guten Unwissenden“, zitiert nach, Bertolt Brecht: Die Gedichte, Frankfurt/Main, 1981, S. 501
5) Lessing: Anti-Goeze, zweiter Beitrag, 1778. Werke und Briefe. Hg. v. Wilfried Barner. Bd. 9. Frankfurt am Main 1993, S. 152
6) Die Behauptung Gremlizas, Meinhof hätte, als sie „noch ganz bei Sinnen“ gewesen sei, „die deutsche Linke zur Solidarität mit Israel ermahnt“, ist erklärungsbedürftig. In Konkret 7/1967 schrieb sie wie Gremliza heute: „Die Solidarität der Linken mit Israel kann sich nicht von den Sympathien der USA und der BILD-Zeitung vereinnahmen lassen, die nicht Israel gilt, sondern eigenen…“ Israel gegenüber feindlichen Interessen? Nein, ,,eigenen der Linken gegenüber feindlichen Interessen“ gelten diese Sympathien. Damals war Moshe Dayan auch noch nicht „Israels Himmler“, sondern ein ganz normaler Faschist: „Die Solidarität der Linken schließt auch einen Mann wie Moshe Dayan ein, wenn er ermordet werden sollte, nicht aber seinen Rechtsradikalismus, seine Eroberungspolitik; so wie sie selbstverständlich [!] mit dem arabischen Nationalismus sympathisiert, nicht aber mit Nassers…“ antisemitischen Vernichtungsphantasien? Weit gefehlt: „nicht aber mit Nassers Kommunistenverfolgung.“ Meinhof war 1967 schon, was Gremliza seit spätestens 2007 gegenüber Israel und seinen Feinden geworden ist – äquidistant: „Die Frage nach vernünftigen, stabilen, politischen Lösungen droht gegenwärtig von pro- und anti-israelischem Freund-Feind-Denken erdrückt zu werden, dem auch die Linke erliegt …“. Zwar ist die Sowjetunion tot, aber die Gemeinsamkeit aller Linken ist zweifelsfrei wichtiger als Israel. Meinhof: „… dem auch die Linke erliegt, wo sie sich zwischen sowjetischer und israelischer Politik entscheiden zu müssen glaubte und davon doch nur auseinanderdividiert wird.“
Sich als „Nazijägerin“ mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa heraus, ohne adäquate und mutige Missbilligung hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm. Aber es offenbart vor allem einen irrlichternden und geschichtslosen Bundespräsidenten.
Die Tragik der Entscheidung des Bundespräsidenten Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse an die „Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld zu verleihen, offenbart ein Stück weit die Tragik der deutschen Politik insgesamt. Joachim Gauck enttäuscht nicht das erste Mal als Bundespräsident. Ohne historisch saubere Einordnung schickt der Bundespräsident die deutsche Öffentlichkeit in die Irre.
Alte Nazi-Täter mit den Mitteln des Rechtsstaates zu überführen und abzuurteilen, ist eine der vornehmsten Aufgaben der deutschen Justiz. Sich im Vorfeld daran zu beteiligen Nazi-Täter aufzuspüren, wie es im Kontext heißt, und diese den Strafverfolgungsbehörden bekannt zu machen, ist eine ehrenvolle Aufgabe. Spielen der engere und der weitere Sachzusammenhang und die Motivlage der Nazi-Jäger deswegen keine Rolle mehr? Sie spielen, wie immer im Leben, eine entscheidende Rolle.
Die heutige Linkspartei, die Rechtsnachfolgerin der PDS, ihrerseits Rechtsnachfolgerin der stalinschen SED, hat Klarsfeld bekanntlich auf ihren Schild gehoben und diese als Bundespräsidentenkandidatin 2012 ins Rennen geschickt. Und in den letzten Jahren hat die Linkspartei mächtig gedrängelt, dass Klarsfeld das Bundesverdienstkreuz bekomme.
Wie die Westlinke und deren Erben ticken, scheint der frühere Leiter der Stasi-Aufklärungsbehörde, deren Chef und zeitweiliger Namensgeber Joachim Gauck war, bis heute nicht richtig verstanden zu haben. Die 1989 untergegangene DDR, die bis heute in vielen Köpfen und auch in der Linkspartei, wenn auch notdürftig verdeckt, immer noch als der eigentlich bessere Staat auf deutschem Boden herumspukt, war ein antidemokratischer, ein antisozialistischer Anti-Rechtsstaat.
Die Westlinke: geschmeidig vom Regen in die Traufe
Dass sich nach der Nazidiktatur eine neue Diktatur auf deutschem Boden entwickeln konnte, war das Werk des Völkermörders Josef Stalin. Von ihm setzte sich die New Left, die Westlinke, die Neue Linke, links von der SPD und in deren linken Flügel, Stichwort Jusos, festverankert mit viel Jahrmarktgeschrei ab. Die Westlinke sprang dabei geschmeidig vom Regen in die Traufe und eiferte dem wahrscheinlich effektivsten Völkermörder der Menschheitsgeschichte, Mao Tse Tung, geradezu hündisch hinterher. Stalin war fortan im linken Lager der Böse und Mao Tse Tung die Lichtgestalt der Neuen Linken, die geradezu mondiale, um nicht zu sagen kosmische Lichtgestalt.
Das allerdings hat die Westlinke, und noch weniger die Linkspartei, je veranlasst Stalinismustäter-Jäger hervorzubringen. Im Gegenteil, Stalins Täter und Stalins Taten, immerhin die Taten des eigenen Staatsgründers und des eigenen Lagers, wurden und werden weiterhin gedeckt und vertuscht. Die Opfer des Stalinismus werden aktiv, frei von jedem Schutz des Bundespräsidenten, angegriffen, diffamiert, totgeschwiegen. Wer sich regt und droht Aufklärung zu leisten, wurde früher, auch in der DDR, aus dem Verkehr gezogen, ermordet, hingerichtet oder später mit dem bösesten Rufmord überzogen und bis zur Existenzvernichtung ausgeschaltet. Und das gilt im Prinzip bis heute.
Hier könnte Putin einen positiven Beitrag zur Geschichte leisten und den Westen, in dem die Westlinke die politischen Grundweichen in die grundfalsche Richtung stellte, beschämen. Die russische Führung würde sich und der Welt einen großen Dienst erweisen, würde sie Stalins Verbrechen, die nicht vor dem zweiten Weltkrieg und auch nicht nach dem zweiten Weltkrieg endeten, sondern erst mit dessen Tod, sachlich und konkret aufarbeiten.
Katja Kippings 68er-Startschuss-Legende
Zurück zum Fall Klarsfeld: Die Linkspartei in Gestalt ihrer heutigen Vorsitzenden Katja Kipping tönte im März 2012, als während Klarsfelds Bundespräsidentschaftskandidatur die umfangreichen Stasi-Connections von Klarsfeld oberflächlich ruchbar wurden: „Mit ihrer Ohrfeige haben Sie den Startschuss für die 68er-Bewegung gegeben.“
Dass Kipping etwas von linker Propaganda versteht und sich persönlich ins rechte Licht zu rücken weiß, ist ebenso offensichtlich wie ihre sachpolitische und historische Ahnungslosigkeit. Wenn überhaupt, war es Karl-Heinz Kurras, der in der Uniform eines Westberliner Polizisten am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnsorg erschoss und damit die schon brodelnde 68er-Bewegung auslöste. Was die 68er und die sich auf die Schenkel klopfende DDR ja auch vierzig Jahre lang gemeinsam als Startschuss der 68er-Bewegung gefeiert haben.
Bis im Mai 2009 herauskam: Kurras war ebenfalls von der DDR finanziert und munitioniert als spätes Werkzeug Stalins. Verkauft wurde er vierzig Jahre lang, mit Unterstützung der DDR, von der gesamten 68er-Bewegung und deren Kindern und Kindes Kindern als symptomatische Nazi-Unperson Westdeutschlands, der in seiner Person eklatant bewiesen hätte, dass die Bundesrepublik insgesamt ein Nazistaat wäre, den es galt abzuschaffen und radikal zu bekämpfen.
Als im Mai 2009 Kurras als Stasi-Mann enttarnt wurde, machte es in den deutschen Medien und in der deutschen Gesellschaft und katastrophaler Weise auch in der deutschen Politik ein paar Mal Blubb Blubb und alle alten Gewissheiten waren wieder da, ganz so, als wäre nichts geschehen.
Die peinlichen 68er und ihre peinliche 68er-Bewegung
Die peinliche 68er-Bewegung, die peinlicherweise das Koordinatenkreuz dieser Bundesrepublik zerstört und die Reste auch noch verdreht hat, schüttelte sich kurz ein bisschen angenervt und sitzt schon wieder in ihren behaglichen und unverdienten Rentnerstübchen.
Bereits im Juni 1968, so lehren die bis über beide Ohren persönlich verstrickten Deutungsgewaltigen wie der notorische 68er-Forscher Wolfgang Kraushaar aus dem Hamburger Reemtsma-Institut, sei die Luft aus der „Bewegung“ rausgewesen. Die Schüsse auf Rudi Dutschke waren gerade einige Woche her, der Pariser Mai, der einen gewissen Daniel Cohn-Bendit ins europäische Rampenlicht spülte, waren schon über die Bühne gegangen. Und der Anti-Vietnam-Kongress in Berlin vom Februar des Jahres war schon Kalter Kaffee. Die Kommune 1 war Kalter Kaffee und der erste Kaufhausbrand ( Baader-Ensslin) war Kalter Kaffee. Und dann kam Katja Kippings „Startschuss der 68er-Bewegung“ in Gestalt der Klarsfeldschen Ohrfeige am 7. November 1968. Verblödeter kann man Geschichte nicht fälschen.
Klarsfeld hat mit dem Entstehen der 68er-Bewegung nicht das Geringste zu tun, wie sie auch mit der „Enttarnung“ des von ihr wiederholt öffentlich „Nazi, Nazi, Nazi“ genannten Kurt-Georg Kiesinger nichts zu tun hatte.
Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und sein Job in der Presseabteilung des Außenministeriums waren lange vorher bekannt und auch schon in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Klarsfelds Wirken war nicht Conditio für das Bekanntwerden irgendeiner Tatsache Kiesinger betreffend. Ihre Ohrfeige allerdings war conditio sine qua non für die Begründung ihres zweifelhaften Ruhms und sie war Conditio für eine anhaltende Bemakelung Kiesingers und eine anhaltende Bemakelung der alten Bundesrepublik.
Anhaltende Bemakelung der Bundesrepublik
Esoterisch ausgedrückt hat Klarsfeld ein Stück des Ruhmes von Kiesinger übernommen, für Nichts, absolut gar nichts, jedenfalls nichts Positives, das Klarsfeld geleistet hätte. Willfähriges eigennütziges Werkzeug der DDR der Anti-West-Agitation zu spielen, mag der eine oder andere gar als Niedertracht empfinden. Den Holocaust zu instrumentalisieren, ist stets per se verwerflich und ist immer eine Missachtung der Opfer des Naziregimes.
Klarsfelds Ohrfeige fiel in die Zeit, in der die Westlinke und die 68er im Speziellen frenetische Applaudierer der damals im sozialistischen Kampf gegen Israel stehenden Palästinenser, Stichwort PLO, Ostberlin-Moskau, Kalaschnikow- waren. Die Frankfurter Schüler, Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer, bewegten sich wie Maos Fische im Kampf der Westlinken gegen die “neuen Nazis” in Gestalt der Israelis. Allzu weit her war es mit der Fürsorge für die Menschen, die vor den Nazis nach Israel geflüchtet waren, also nicht.
Klarsfeldselber gab sich zwar proisraelisch, kooperierte aber de facto mit der antiisraelischen DDR und speziell mit dem antiisraelisch und auch antijüdisch eingestellten SED-Polibüromitglied Albert Norden, selbst jüdischer Abstammung, in dessen Aufgabenbereich auch die antiisraelische Propaganda der DDR fiel. Für ihren Kampf gegen Kiesinger arbeitete sie mit Nazigrößen aus der DDR bestens zusammen.
Ein hoher Prozentsatz der SED-Mitglieder waren alte NSDAP-Mitglieder. Klarsfeld sah sich wie Albert Norden dem großen Ziel des Sozialismus verpflichtet, der alle Menschheitsprobleme auflösen würde, wie sie selber in einem „Interview“ mit DDR-Propagandamedien (und andere Medien gab es in der DDR nicht) sehr gestelzt und mühselig einstudiert zum Besten gab.
Klarsfeld über ihre Ohrfeige, „die Deutschland brauchte“
Am 14. November 1968 gab es diesen einstudierten Propaganda-Dialog zwischen einem DDR-Sprecher und Klarsfeld im DDR-Radio zu hören: „Beate Klarsfeld über die Ohrfeige, die Deutschland brauchte: Es brauchte sie, damit die Schuld bewiesen wird, der Millionen, die grausam, gierig, feige und blind folgend geglaubt haben, dass sie uns auf ewig den echten Sinn des Wortes „Ehre des deutschen Volkes“ verbergen könnten. Es brauchte sie, um zu rächen die Toten von Stalingrad, Russen, die ihr Vaterland verteidigten und die deutsche Jugend, die man zu täuschen versucht hatte und deren Tränen zu Eis erstarrten, wenn sie an die ihrigen dachten, die für sie verloren waren. Es brauchte sie für den Rauch, der aus den Kaminen der Todesfabriken in Ausschwitz stieg und dessen Geruch den Deutschen anhaften wird bis zu dem Tag, an dem alle Deutschen die Leiden derer, die hinter Stacheldraht saßen, mitempfinden werden (….)“
In anmaßender Selbstüberschätzung und völliger Verkennung ihrer eigenen Realität sah sie 25 Jahre nach Hitlers Selbstmord ihre lächerliche Ohrfeige an einem Bundeskanzler, dem bis heute keine Nazitaten nachgewiesen wurden, als erfolgreichen Widerstandskampf mit befreiender Wirkung für Deutschland West.
Ihren selbstattestierten Heldenmut bringt sie heute zum Ausdruck, in dem sie behauptet, sie hätte aus Anlass der Ohrfeige auf dem damaligen CDU-Parteitag „erschossen“ worden sein können. Die Gefahr bestand tatsächlich nicht. Wer in der DDR ein öffentliches Stalinbild mit einer Blume bemalte, musste allerdings mit lebensbedrohlichem Kerker rechnen. In der Bundesrepublik ließ sich Klarsfeld wegen ihrer Ohrfeige durch den Rechtsanwalt Horst Mahler verteidigen. Bei korrekter Lesart war die Ohrfeige gegen Kiesinger von Beginn an eine lang geplante DDR-Aktion mit einem dolosen Werkzeug namens Klarsfeld.
Für die DDR handelte es sich um deren Kalten Krieg gegen die Bundesrepublik, an dem sich Klarsfeld nach Kräften beteiligte. Diktatur gegen Demokratie. Verkorkster Kommunismus gegen eine sich bemühende soziale Marktwirtschaft. Eine Pro-israelisch eingestellte Bundesrepublik gegen eine anti-israelisch eingestellte DDR.
Klarsfeld versagte dem Nazi-Jäger der DDR, Bernd Heller, die Ehre
Dem mutigen DDR-Bürger Bernd Heller, der sich als wahrhaft mutiger Nazijäger in der DDR betätigte, und dieserhalb in Bautzen eingeknastet wurde, versagte die Bundespräsidentenkandidatin von 2012 ausgerechnet der Linkspartei, Beate Klarsfeld, die Ehre. Fragen nach ihrer Stasi-Connection beantwortete sie 2012 aggressiv nicht. Worin denn ganz genau ihre Aufklärungsleistungen in späteren Jahren bestanden haben, ohne deren Existenz verurteilte Nazitäter nicht verurteilt worden wären, mag Joachim Gauck offenbar nicht benennen.
In dem teuersten deutschen Film aller Zeiten, namens „Der Baader-Meinhof-Komplex“ aus dem Jahr 2008, wollten sich die persönlich involvierten Bernd Eichinger und Uli Edel ein persönliches Denkmal setzen und der von der DDR nach Kräften unterstützten 68er-Bewegung die Ehre erweisen. Mit dem Auffliegen des erwähnten Karl-Heinz Kurras als Stasi-Agent implodierte „Der Baader-Meinhof-Komplex“, der auf dem Fall des vermeintlichen Nazis Kurras, der Benno Ohnesorg erschießt, als Gründungsmythos für den 68er-Widerstand aufgebaut war.
Dem gewalttätigen Staat Bundesrepublik West wollte die 68er-Bewegung mit ihrer durch nichts zu rechtfertigenden Gewalt entgegentreten. In diesem Fahrwasser fuhr Klarsfeld und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung für die NS-Verbrechen, die sie immer dann, wenn sie es für passend hielt, thematisierte, kein tieferes Interesse aufbringen mochte. Und natürlich war ihr bekannt, dass die 68er-Bewegung eine Kopie der völkermörderischen Kulturrevolution Mao Tse Tungs war, die sich zur selben Zeit in China abspielte.
In diesem historischen Kontext Kiesinger zu ohrfeigen war in Wahrheit eine besondere Form von Populismus und hatte nichts, aber auch wirklich nichts mit Widerstand zu tun. Und auch nichts mit Aufklärung. Das Gedächtnis an den Holocaust wach zu halten, um nie wieder einen Holocaust zu haben – das ist keine besondere Intelligenzleistung. Aber sich als Nazi-Jäger unbedingt mit dem Bundesverdienstkreuz ehren lassen zu wollen und gleichzeitig zuzusehen, wie ein ganz anderer Antisemitismus auch heraus aus Parallelgesellschaften in Deutschland und in ganz Europa ohne adäquate und mutige Missbilligung durch die Gaucks, Merkels, Hollandes und Co. hingenommen wird, offenbart ein gieriges Herz der Beate Klarsfeld nach Ruhm und Geltung.
Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen Der Algerier Augustinus, Theologe und Ketzerverfolger in Hippo
Also, das ist mir heute Nacht eingefallen: Es gibt ja so Dinge, die in meinen Kreisen nicht nur verboten sind, sondern so verboten, dass sie Kindern gegenüber gar nicht erwähnt werden. Das sind illegale Drogen, Glücksspiel und Prostitution. Niemand sagt zu uns, dass man nicht ins Spielcasino darf. Das tut man einfach nicht. Entsprechend verrucht fühlte man sich dann, wenn man in den 90er Jahren im Babalu tanzen war, einer ehemaligen Rotlichtbar, in der sich damals die Jeunesse Doree der norditalienischen Metropole München drängte. Als ich vor ein paar Jahren im Casino von Monte Carlo speiste, kam ich mir mächtig verdorben vor. Und meine Gemälderestauratorin hat ihr Atelier ebenfalls in einem früher äusserst verrufenen Haus der Stadt. Es ist ein prickelndes Gefühl, 270 Jahre alte Adlige in so einen früheren Animierbetrieb zu tragen, wo dann ihr Teint aufgefrischt wird.
Heute Nacht ist mir dann allerdings eingefallen, dass mir meine Eltern auch nie verboten haben, anderer Leute Eigentum mittels Brandmitteln zu entzünden. Eine eigens durchgeführte Recherche nun hat ergeben, dass sie mir dafür auch nie ein Placet erteilt hätten. Nachdem meine Erziehung vorbildlich war, darf ich daraus ableiten, dass ein derartiges Verhalten wirklich, absolut und ohne Ansehen der Umstände stets unhöflich ist, sich aus sich selbst verbietet und ganz ehrlich, wer ein gutes Buch hat, der kann doch auch lesen. Allerdings musste ich nun gestern vernehmen, dass Unholde im sächsischen Freital das Auto des Fraktionsvorsitzenden der Linken ihrer Gemeinde angezündet haben, was nicht nur etwas über ihre Bibliothek, sondern auch mutmasslich etwas über ihre Befindlichkeit angesichts der Zuwanderung ausdrückt: In Freital wird von sog. „besorgten Bürgern“ versucht, eine Unterkunft für Asylbewerber zu verhindern. Und wer anderer Meinung ist, wird unter Druck gesetzt. Nun eben wohl auch vermittels eines Brandanschlags gegen ein Auto.
Autos sind, so habe ich in letzter Zeit allerdings von Ignoranten ohne Erfahrung mit der Mille Miglia häufig gelesen, nichts wert. Da sollte man sich nicht so haben, sagte man etwa bei Twitter und Grünen angesichts von Bloccupy, obwohl damals auch Menschen – Polizisten nämlich – in Autos sassen. Man hörte so etwas auch bei den Flora-Krawallen und vor allem bei den vielen Brandanschlägen gegen Autos in Berlin. Linke Zeitgenossen finden die empörten Reaktionen auf solches Treiben angesichts des Rechtsextremismus völlig verfehlt – und es sind eben jene Zeitgenossen, denen das Wort „Rechtsterrorismus“ leicht von den Lippen geht, wenn ein Auto eines Linkenpolitikers in Freital brennt. Der ideologische Heizwert eines Autos ist also nie gleich, sondern rührt von der Einstellung des Halters her: Ist es das Autos eines B.Z.-Autors Schupelius, sieht man bei Indymedia gute Gründe für den Anschlag und brüstet sich, hat Schupelius doch Kritisches zur Migration geschrieben. In Freital dagegen ist es ganz anders. Umgekehrt sehen sich die dortigen Gewalttäter mutmasslich ebenfalls eher im Recht, und vielleicht schütteln sie sich wiederum vor Abscheu angesichts dessen, was man Schupelius angetan hat.
Ich wurde, wie gesagt, gut erzogen und zwar nicht so, dass ich, wie es das alte Herkommen empfiehlt, beiderlei Herrschaften darauf hinweise, wie weh es tut, wenn eine dicke Platzpatrone im Drilling einen traditionellen Hagel von grobem Salz und gehackten Sauborsten in primäre Körperteile von Sachbeschädigern treibt. Das machen wir hier schon lang nicht mehr und ich weiss davon auch leider nur aus Erzählungen meiner nicht immer so friedfertigen Familie. Daher möchte ich nun den Versuch unternehmen, die beiden Gruppen, die so gern Autos anzünden und sich beschweren, wenn es das falsche Gefährt ist, ein wenig Verständnis für einander zu lehren. Weil, es ist doch so: Der Nazi, nennen wir den um Brandbeschleuniger besorgten Bürger einmal traditionell, der Nazi also hasst Asylbewerber. Die nämlich nehmen ihm in seinen Augen den Job weg, verunstalten seine Heimat, verdrängen ihn aus seiner wenig erbaulich eingerichteten Wohnung, machen laute, fremdartige Musik, essen komische Dinge, haben teure Smartphones und sind eigentlich von der Obrigkeit nur hier angesiedelt worden, um sein Volk, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mehr aufzumucken wagt, aber er, der Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.
Der andere, der rotlackierte Nazi, um einmal einen historisch gewachsenen Begriff zu verwenden, sitzt also in Berlin und lebte bislang ganz gut von Solikonzerten, den Überweisungen seiner Eltern, Bafög, irgendeiner umgeleiteten Förderung zum Kampf gegen Nazis und Aufträge seiner bei der ARD arbeitenden Freunden oder wie solche Leute eben leben. Die finden nun, dass es in ihrem Kiez zu einer massiven Migrationsbewegung kommt. Leute, die ihm und seinesgleichen die Räume für die finanzierende Aktionen nehmen, Leute, die Heimat der Alteingesessenen mit einer perversen Neigung zur Sauberkeit verunstalten, Leute, die sie aus ihren dank Mietstreik und Dauerprozess billigen Wohnungen verdrängen, Leute, deren Kinder sehr laut Violinkonzerte von Mozart hören, Leute mit nichtveganem Nichtvolxküchengeschmack, Leute mit teuren Smartphones, und sie kommen nur her, weil die Obrigkeit sie hier ansiedelt, um das Volk der Freiheit, das hier schon immer war und immer das Sagen hatte, zu demütigen und zu unterdrücken. Ein Volk, das nicht mal mehr am Ersten Mai eine anständige Randale gegen das Schweinesystem hinbekommt, aber er, der rotlackierte Nazi schreitet zur Tat und setzt ein flammendes Fanal. Denn diese Fremden wollen nicht nur von dem profitieren, was andere hier aufgebaut haben, sondern es auch zerstören.
Ich lese berufsbedingt oft im Internet Texte, denen ich mich nicht anschliessen kann, und wir reden leider auch viel zu wenig über Gemälderestaurierung und Petersburger Hängung, und zu oft, leider, über unerfreuliche Entwicklungen. Eigentlich müsste ich mich qua Herkunft von beiden besagten Gruppen ebenfalls verfolgt fühlen, aber privat habe ich keine Angst, denn sie sind vermutlich zu beschränkt, auch nur eine Fahrkarte an den Tegernsee zu lösen. Wäre ihre Intelligenz auch nur auf dem Niveau eines deutschen Schäferhundes oder einer Giftnatter auf dem Leuchtenden Pfad, würde ihnen auffallen, dass sie nicht nur Repräsentanten der anderen Weltsicht gleichermassen die Autos anzünden, sondern in der Begründung auch zeigen, dass ihre Interessen deckungsgleich sind: Sie finden, dass sie im Recht sind, sie fühlen sich aber durch Veränderungen bedroht, die möglicherweise die Welt ganz anders betrachten, und zünden deshalb etwas an. Beide empfinden sich als Opfer, das in Notwehr handeln muss und darf. Beide haben Verständnis dafür, dass es das Auto der anderen erwischt, und hätten gern ihren VW Golf II Diesel behalten. Und beide hören auf ihren Solikonzerten Musik, deren Text gebrüllt und gewaltverherrlichend ist, lehnen den Staat ab und stehen Drogen nicht ablehnend gegenüber. Ja, sie könnten sich sogar mit wenigen Worten Veränderung gegenseitig die Bekennerschreiben und Vorwürfe formulieren. Und weil das Anzünden von Autos nicht immer ganz ungefährlich ist, in der Nacht und häufig blau wie eine Strandhaubitze, könnten sie doch auch ihre eigenen Autos in Brand setzen und es dann der Gegenseite zuschreiben.
In der gewonnenen Zeit könnten sie auch mal wieder für Mutter einen Strauss Feldblumen pflücken, einen roten Johannisbeerkuchen oder braune Muffins backen und sich überlegen, ob ein paar hübsche Antiquitäten ihr Wohnumfeld nicht freundlicher gestalten. Oder einen Spielplatz aufräumen. Es gibt da jede Menge Synergien im politischen Kampf, da hat man viel Zeit für anderes, und nicht auszuschliessen ist, dass man sich nach dem vierten Bier und dem dritten Joint doch ganz prächtig versteht und zusammen die Titelmelodie der Biene Maja intoniert. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, egal ob Demokrat oder Totalitärer, Benzin brennt immer gleich, und es ist ihm egal, welches Fahrzeug es verzehrt. Wenn man Adressen tauscht, kann man das vielleicht auch direkt unter Freunden machen und die Linkenpolitiker und den Schupelius in Ruhe lassen. Ich stimme vermutlich beiden Meinungen gar nicht zu, ich bin nämlich für die Zerschlagung Deutschlands, Bayern in den Grenzen von 979 bis zur Adria und für die offizielle Wiedereinführung der ohnehin schon vorhandenen Leibeigenschaft, nur halt mit friedlichen Mitteln ohne Brandanschläge. Dennoch würde ich gern andere Meinungen hören, weil sie mich interessieren, und jedes öffentlich geäusserte Argument besser als ein verbranntes Fahrzeug ist. Egal wer der Halter auch immer sein mag.
Abgesehen davon wird den Leuten mit den Kanistern ohnehin wenig anderes übrig bleiben, denn die Gentrifizierung in Berlin treibt die Autonomen so oder so vor die Stadt zu ihren Noch-Feinden, und da kann es nicht schaden, sich frühzeitig zu integrieren. Das klappt auch in Bayern recht gut: Die Münchner treiben bei uns am Tegernsee zwar die Preise für gebrauchte Lederhosen nach oben, aber auch, wenn wir über sie schimpfen, lassen wir sie kommen und zünden ihre Autos nicht an.
Denn mit denen fahren sie am Ende auch wieder weg.
Rollback Die Ohnmacht und die Sprachlosigkeit der europäischen Linken lassen sich nur durch eine Wiederentdeckung des Kommunismus überwinden
Ich beginne mit einem Gefühl, einem Affekt. Vielleicht ist er nicht angebracht, aber angesichts dessen, was mir an Informationen zur Verfügung steht, verspüre ich ein Gefühl allgemeiner politischer Ohnmacht. Und das, was derzeit in Griechenland geschieht, sorgt für eine Art Konzentrat dieses Gefühls. Natürlich sind der Mut und taktischer Einfallsreichtum linker und antifaschistischer Demonstranten Grund zur Freude. Solche Dinge sind absolut notwendig. Neu aber sind sie in keiner Weise. Es handelt sich vielmehr um unveränderliche Merkmale, die jede Massenbewegung beseelen: die Idee der Gleichheit oder Massendemokratie, der Mut zu spontanen Reaktionen und so weiter. Wir haben dies 1968 in Frankreich nicht anders erlebt als jüngst auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Es muss diese Phänomene schon zu Zeiten von Spartakus und Thomas Münzer gegeben haben.
Lassen Sie uns, vorläufig, einen anderen Ausgangspunkt nehmen. Griechenland hat eine lange Geschichte von universalem Wert – ein Land des Widerstandes gegen mehrere aufeinanderfolgende Formen der Repression und Besatzung. Dort war die kommunistische Bewegung einst sehr stark, was auch mit ihrem Vermögen zum bewaffneten Kampf zusammenhing. In Griechenland revoltiert die Jugend heute in beispielhafter Weise gegen die EU-Diktate. Man hat es mit einer Gesellschaft zu tun, in der die klassischen Kräfte der Reaktion gleichfalls bestens organisiert sind und couragierten Volksbewegungen gegenüberstehen. Ein Land mit gewiss respekteinflößenden faschistischen Organisationen, aber auch mit einer Linksallianz wie Syriza, die – geführt von Alexis Tsipras – über entschlossene Wähler wie militante Anhänger verfügt.
Alles, was in Griechenland geschieht, hat den Anschein, als sei die von seiner eigenen Krise entfesselte Dominanz des Kapitalismus durch nichts zu brechen. Als ob es unter der Ägide von Ad-hoc-Ausschüssen und servilen Regierungen keine Alternative gäbe, als unpopulären Dekreten der europäischen Bürokratie Folge zu leisten. Der Widerstand dagegen wirkt teils so, als wolle er diese Prozesse nur verzögern, anstatt eine politische Alternative anzubieten.
Fluch der Selbstaufgabe
Deshalb müssen wir nicht nur den großen Mut des griechischen Volkes mit aller uns zur Verfügung stehender Kraft unterstützen, sondern auch darüber nachdenken, was gedacht und getan werden muss, damit dieser Mut nicht vergeblich bleibt. Denn auffällig – in Griechenland, aber nicht minder in Frankreich – sind die Ohnmacht und das Unvermögen der Linken, auch nur den geringsten Rückzug jener ökonomischen und politischen Kräfte zu erzwingen, die nichts unversucht lassen, die Bevölkerung permanent den Gesetzen eines extremen Liberalismus zu unterwerfen. Nicht genug damit, dass die Linke kaum vom Fleck kommt – zugleich gewinnen faschistische Kräfte an Boden und schwingen sich mit ihrem xenophoben Nationalismus zum Anführer der Opposition gegen die Dekrete der EU-Administration auf.
Nach meinem Gefühl besteht der Hauptgrund dieser linken Ohnmacht nicht in der Trägheit der Menschen oder darin, dass eine Mehrheit die „notwendigen Übel“ unterstützt. Es fehlt vielmehr an einem neuen Denken, das die Massen ergreifen könnte, und an einer Rhetorik des Protestes, die ein ungewohntes Vokabular zutage fördert. Die politischen Begriffe, die von den Aktivisten verwendet werden, bleiben – so wie sie sind – weitgehend wirkungslos. Die Gründe liegen auf der Hand.
Nach den radikalen, ungestümen Bewegungen der sechziger und siebziger Jahre gab es eine lange Phase des politischen und ideologischen Rollbacks. Das Vertrauen in die Wirkungsmächtigkeit der grundlegendsten Begriffe emanzipatorischer Politik wurde systematisch zerstört. Das galt für Termini wie „Klassenkampf“, „Generalstreik“, „Revolution“ oder „Massendemokratie“, um nur einige zu nennen. Der Schlüsselbegriff „Kommunismus“, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus der politischen Debatte nicht wegzudenken war, fiel einer historischen Verleumdungskampagne sondergleichen zum Opfer. Dass die Gleichsetzung von Kommunismus und Totalitarismus mittlerweile als völlig natürlich erscheint und einmütig akzeptiert wird, ist ein Indikator dafür, wie sehr die Revolutionäre in den Achtzigern gescheitert sind.
Natürlich können wir nicht auf eine scharfe und ernsthafte Kritik der Entwicklung verzichten, die es in den sozialistischen Staaten, besonders der Sowjetunion, gab. Doch die Kritik sollte die unsere sein und der eigenen Theorie und Praxis dienen, anstatt zu einer Art von mürrischem Verzicht zu führen, der das politische Kind mit dem historischen Bade ausschüttet. Das hat zu einem erstaunlichen Phänomen geführt. In einer Epoche wie der jetzigen, die für die Linke von kapitaler Bedeutung ist, haben wir praktisch uneingeschränkt den Standpunkt des Gegners übernommen. Und diejenigen, die das nicht taten, haben einfach die alte Rhetorik beibehalten, als wenn nichts geschehen wäre. Von allen Siegen unseres Feindes hat dieser symbolische Sieg die größte Tragweite.
Früher, in Zeiten der „alten Kommunismen“, machten wir uns über das lustig, was wir langue de bois oder die Sprache der Klischees nannten – leere Worte und wichtigtuerische Phrasen. Eine der großen Stärken der offiziellen Ideologie heute besteht genau darin, dass ihr eine langue de bois zur Verfügung steht, die in allen Medien und ohne Ausnahme von jedem Regierungsvertreter gesprochen wird. Wer würde glauben, dass Begriffe wie „Demokratie“, „Freiheiten“, „Menschenrechte“, „ausgeglichenes Budget“ oder „Reformen“ etwas anderes sind als Elemente einer omnipräsenten langue de bois? Die authentischen Linken, denen eine Strategie der Emanzipation fehlt, sind hingegen die wirklich Sprachlosen! Und sympathische Parolen der Bürgerrechtsbewegung werden uns nicht retten: „Nieder mit diesem und jenem!“ oder „Zusammen sind wir stark“oder „Widerstand!“ Das mag genügen, um für den Augenblick kollektive Affekte heraufzubeschwören, und taktisch sehr hilfreich sein. Doch taugt diese Sprache nicht für eine Diskussion über die Zukunft emanzipatorischer Praxis.
Kollektive Affekte
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kraft des Aufstands, seinem Umfang und dem Mut dazu. Aber ebenso in seiner Disziplin und den positiven Aussagen, zu denen er in der Lage ist. Nur so eröffnet sich eine positive strategische Zukunft. Sie offenbart Möglichkeiten, die bisher unter der Propaganda des Feindes unsichtbar blieben. Hier liegt der Grund, warum eine mitreißende Massenbewegung nicht aus sich heraus eine politische Vision hervorbringt. Wird eine Bewegung durch individuelle Affekte gefestigt, trägt das stets negativen Charakter. Slogans in Griechenland wie „Nieder mit dem Kapitalismus“ oder „Stoppt die Entlassungen“ oder „Nieder mit der Troika“ bewirken streng genommen nichts anderes, als die Bewegung mit der Negativität ihrer Affekte zu verschweißen. Bestimmtere Negationen wie „Nieder mit Mubarak“ können zwar zu einem Ergebnis führen, weil ihr Ziel klar benannt ist, aber sie sind nie in der Lage, die Politik zu bestimmen, die dieses Ergebnis zur Folge haben wird. Ägypten und Tunesien liefern den Beweis. Reaktionäre religiöse Parteien ernten die Früchte einer Bewegung, zu der sie keinen wirklichen Bezug haben.
Politik ist immer das Resultat von positiven Vorschlägen und Vorstellungen, nicht von Negation und Ablehnung – sie ist ein Gedanke in Aktion, der auf unbekannte Möglichkeiten hinweist. Schlagworte wie „Widerstand!“ sind sicherlich geeignet, Menschen zu vereinen, aber sie sind auch ein Zeichen politischer Schwäche. Es ist nicht der negative Affekt des Widerstandes, der einen Rückzug der reaktionären Kräfte erzwingt, die heute versuchen, jede Form des Denkens und Handelns zu zersetzen, wenn sie nicht auf Gefolgschaft hinausläuft. Dies kann nur die Disziplin einer gemeinsamen Idee leisten, die sich auf eine homogene Sprache stützt.
Eine solche Sprache zu rekonstruieren, ist von entscheidendem Wert. Zu diesem Zweck habe ich versucht, all das wieder einzuführen und neu zu bestimmen, was am Begriff „Kommunismus“ hängt. Das Wort bezeichnet drei grundlegende Dinge: Zunächst die analytische Beobachtung, der zufolge die Freiheit, mit deren Fetischisierung wir alle vertraut sind, in den heutigen Gesellschaften vollends vom Begriff des Eigentums beherrscht wird. „Freiheit“ ist nichts anderes als die Freiheit, uneingeschränkt zu konsumieren. Das Recht, zu tun und zu lassen „was man will“, wird allein am Ausmaß dieses Konsums gemessen. Einer, der jede Möglichkeit zum Erwerb verloren hat, genießt keinerlei Freiheiten mehr. Das konnte man einst nur allzu gut an den vagabonds erkennen, die englische Liberale im Zeitalter des aufstrebenden Kapitalismus bedenkenlos erhängen ließen.
Freie Assoziation
Aus diesem Grund erklären Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest, alle Forderungen des Kommunismus könnten in gewisser Weise auf eine einzige reduziert werden: die Aufhebung des Privateigentums.
Des Weiteren vertritt „der Kommunismus“ die historische Hypothese, dass die Freiheit von Eigentum und Gesellschaften nicht notwendigerweise durch eine mächtige Oligarchie aus Geschäftsleuten, Politik, Polizei, Militär und Medien beherrscht werden muss. Vielmehr ist eine Gesellschaft möglich, in der die Produkte der Arbeit vergesellschaftet werden, die großen Widersprüche der Ungleichheit verschwinden und Entscheidungen, die alle angehen, auch von allen getroffen werden. Marx nannte das „freie Assoziation“.
Schließlich bezeichnet „Kommunismus“ die Notwendigkeit einer internationalen politischen Organisation. Das heißt, jenseits des jeweiligen Staates handeln zu können und die Wirklichkeit in eine Richtung zu lenken, die sich ergibt, wenn die aktive Subjektivität all derer, die bereit sind, den vorhandenen Zustand zu verändern, mit Prinzipien verknüpft wird.
Der Begriff „Kommunismus“ meint somit den gesamten Prozess, in dem Freiheit von ihrer Unterwerfung unter das Eigentum befreit wird. Dass deshalb das Wort „Kommunismus“ von unseren Feinden besonders hartnäckig bekämpft wird, hat damit zu tun, dass sie einen Prozess nicht ertragen können, der in der Tat ihre Freiheit zerstören würde. Wenn es das ist, was unsere Feinde am meisten hassen, dann müssen wir mit der Wiederentdeckung des Kommunismus beginnen.
All dies mag uns weit von Griechenland weggeführt haben. Aber Politik entsteht nun einmal, indem die Disziplin von Ideen und die Überraschung der Umstände zusammentreffen. Ich wünsche Griechenland und uns allen, dass es zum universalen Schauplatz einer solchen Begegnung werden möge.
Gekürzte Fassung eines Artikels aus der Zeitschrift Radical Philosophy
Alain Badiou, geboren 1937 in Marokko, gehört zu den führenden Theoretikern der europäischen Linken. Nach den Mai-Unruhen 1968 in Frankreich befasste er sich unter anderem mit einer Adaption des Maoismus auf die Verhältnisse westlicher Industriestaaten. 1985 gründete er die Union des Communistes de France marxiste-léniniste (UCFML), die sich einer Revision der Einwanderungspolitik ebenso verschrieb wie einer Erneuerung der französischen Gewerkschaftsbewegung. Badiou bemüht sich stets um den Brückenschlag zwischen Politik und Philosophie
Es sind dieselben, die behaupten, das Geschlecht wäre nicht biologisch angeboren, sondern nur ein sozialer Konstrukt, und zugleich daß die Homosexualität kein sozialer Konstrukt wäre, sondern biologisch angeboren.
„Es gibt zwei Dinge“, so wußte Hitler schon 1923, „die die Menschen vereinigen können: gemeinsame Ideale und gemeinsame Kriminalität“ .
Nach der gewaltsamen Beendigung des Mordens durch die Alliierten waren die Deutschen (und sind es bis heute geblieben) noch deutscher als zuvor.
„Der Staat sind wir“: Dies Credo der Sozialdemokratie Ferdinand Lassalles war die Wahrheit der Volksgemeinschaft, und der Nazismus war die vermittlungslose Basisdemokratie der Deutschen.
Die Demokratie der Bürger ist die interessierte Demutsadresse an den autoritären
Staat.
„Die deutsche Nation ist das Apriori dieser seltsamen Wissenschaft, die
vorgibt, nichts zu kennen als Quellen, Quellen und nochmals Quellen, nichts als das
lautere Plätschern der Tatsachen und das ungetrübte Sprudeln der Empirie. Die
Quelle aber ist der Historie, was der Jurisprudenz das Indiz: Spielmaterial, bloße
Illustration des Systemzwangs zum Rechtsfrieden, d.h. empirische Legitimation der
vorab existenten letzten Instanz, an der jede Berufung aufhört und jede Revision
endet. Egal, wer Recht hat, solange nur Recht ist; was immer die Quellen sagen,
ein Beweis gegen die Nation wird sich daraus nie und nimmer folgern lassen.“ (…)
„Historische Wahrheit wird nach dem Modell
von Meinungsumfragen vorgestellt; kein Sample jedoch wird je repräsentativ
genug sein, um der deutschen Nation als solcher die Taten der Nazis zuzurechnen.
Die juristische Methode dieser seltsamen Wissenschaft, die sich die Behandlung der
Geschichte anmaßt, weiß so überaus sorgfältig zwischen Intention und Resultat zu
scheiden, daß der einzig noch mögliche Weg historischer Wahrheitsgewinnung, der
allerdings leider ausgeschlossen ist, Psychoanalyse wäre.“ – Joachim Bruhn
Da die Psychoanalyse heute auch nur noch ein korruptes Racket ist, würde sie nicht helfen.
Je verkommener eine menschliche Kreatur, desto eher fühlt sie sich beleidigt, respektlos behandelt, in ihrer Ehre verletzt.
Der religiöse Rassismus der Islamisten, der den völkischen Rassismus der Nazis ersetzt hat, erklärt Allah zum Führer und die Jihadisten zu seiner privilegierten Kampftruppe: Wenn man so will, zu Allahs SS. Der Zusammenhalt dieser Kampftruppe wird über die Jenseitserwartung von Hölle und Paradies, also über das Instrument der religiösen Angst, sichergestellt. Diese Selbstbildfantasie der Islamisten ist mit ihrer (zumeist antijüdischen) Feindbildfantasie untrennbar verknüpft. – Matthias Küntzel
Kein Nazifaschist hat je wirklich geglaubt, er bezöge die Ermächtigung seiner Ansprüche aus dem Teutoburger Wald; keiner seiner demokratischen Erben hat jemals tatsächlich gedacht, ihnen erwüchse Legitimität im Resultat des “Lernens aus der Geschichte”; niemals war ein Sozialist der Ansicht, es sei die famose “Befreiung der Arbeit” und nicht vielmehr das Recht auf Beute, was seine Politik im Interesse der Arbeiterklasse motivierte. Und keinesfalls erwächst den Palästinensern irgendein Recht aus der Tatsache, daß sie zuerst da waren. Einer Gesellschaft, der Hunger kein Grund ist zur Produktion, kann auch das Leiden kein Grund sein zur Solidarität. Es ist die Ideologie, die mit der Unmittelbarkeit des Leidens agitiert, die aus dessen fragloser Evidenz Sinn zu schlagen sucht, sei es im Sinne von Caritas oder Amnesty International, sei es im Sinne der Freunde des palästinensischen Volkes für den Israelhaß der Antisemiten wie für den Islamfaschismus dieses Volkes. Ariel Scharon jedenfalls, der Zionist und praktische Antifaschist, ist dem aufgelösten Rätsel der Geschichte näher als die deutsche Linke, deren “Antifaschismus” sich als Aufstand der Anständigen à la Gerhard Schröder oder als Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausagiert. (…) Im Wesen Israels als des ungleichzeitigen Staates der Juden liegt es aber nicht nur, Reaktion auf den Verrat an Aufklärung und Weltrevolution, nicht nur, Notwehrversuch gegen den Nazifaschismus und Asyl zu sein. Sondern eben auch, daß die üblichen Muster der bürgerlichen Rollenverteilung – hier das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates im allgemeinen und dort die Personen, die die Regierungsausübung im besondern besorgen – für den israelischen Staates aufgrund seiner Konstitutionsbedingungen keine Geltung mehr hat. Was sich unter anderem darin zeigt, daß diese “Kritiker” der israelischen Regierungspolitik für den faschistischen Mob und die Behörden, die Selbstmordattentäter belohnen, Verständnis aufbringen (Folge von Besatzung und Ausbeutung), dagegen für den Versuch, die militärische Infrastruktur der Gegner Israels zu zerschlagen, am liebsten die Begriffe Auslöschung oder Ausrottung der palästinensischen Bevölkerung im Munde führen. Wie hinter der treudoofen Frage, ob es nicht möglich sein müsse, Spekulanten als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne gleich als antisemitisch zu gelten, so verbirgt sich hinter der treulinken Frage, ob nicht auch in Israel, weil es sich auch dort um eine bürgerliche Gesellschaft handele, Faschismus möglich sei, die Erkenntnis dieser Fusion in verquerer und verschrobener Gestalt. Verquer, weil ja gerade erklärt werden sollte, wie Israel, dieser Fusion zum Trotz, eine parlamentarische Demokratie ist und bleibt; verschroben, weil diese Einheit von Staat und Regierung im Übergang von einem unerträglichen Alten (die Vernichtungsdrohung) zum noch nicht erreichten Neuen (die herrschaftslose Gesellschaft) ja doch den Inbegriff dessen ausmacht, was einmal als “Diktatur des Proletariats”, als Emanzipationsgewalt und organisierte politische Macht der Revolution, auch und gerade auf den roten Fahnen stand. In Anbetracht der Grundidee des Staates Israel, vor dem Hintergrund der linken Staatsmythen, betreffend die “Diktatur des Proletariats”, muß jede Beurteilung der Handlungen der Regierungsvertreter auch die völlig andere Qualität dieses Staates, verglichen mit allen anderen, deutlich werden lassen. (…)
Wenn diese Linke über Israel schwadroniert, dann hört sich das nicht minder grausig an.Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und dem Vernichtungswillen gegen die zum Staat gewordene bürgerliche Gesellschaft der Juden, gegen Israel, eigentlich auf der Hand:Der sogenannte Antizionismus stellt nichts anderes dar als die geopolitische, globalisierte Reproduktion des Antisemitismus, das heißt die Erscheinungsform, die er in Weltmarkt und Weltpolitik nach Auschwitz annehmen muß. Der Antizionismus ist der aus den kapitalisierten Gesellschaften in die Welt herausgekehrte Antisemitismus. So ist Israel der Jude unter den Staaten; die Verdammung des Zionismus als eines “Rassismus” durch die UNO gibt es zu Protokoll. Das macht: die moralische Verurteilung der menschlichen Unkosten der Konstitution bürgerlicher Staatlichkeit allein am Beispiel Israels führt vor Augen, was die Welt der Volksstaaten vergessen machen will – daß die Zentralisation der politischen Gewalt über Leben und Tod keineswegs die natürliche Organisationsform der Gattung Mensch darstellt, sondern Ausdruck eben von Herrschaft und Ausbeutung. Dabei ist Israel – und das macht die Kritik an diesem Staat so perfide und muß deshalb immer wieder gesagt werden – der einzige Staat dieser Welt, der für sich eine nicht zu bezweifelnde Legitimität beanspruchen kann. Israel, das ist der ungleichzeitige Staat, der entstanden ist sowohl als Reaktion auf das Dementi aller Versprechungen der bürgerlichen Nationalrevolution, sowohl als Antwort auf den stalinistischen Verrat an der kommunistischen Weltrevolution als auch als zu spät gekommene Notwehr gegen den Massenmord an den europäischen Juden. (…) Israel ist das Schibboleth jener doch so naheliegenden Revolution; es ist der unbegriffene Schatten ihres Scheiterns. Israel ist das Menetekel, das zum einen (und ganz unfreiwillig) die kategorischen Minimalbedingungen des Kommunismus illustriert, und das zum anderen sämtliche Bestialitäten zu demonstrieren scheint, zu denen der bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat fähig ist. Wer Israel nicht begriffen hat, wer den Haß auf diesen Staat, den Antizionismus, und wer den Antisemitismus, das heißt den Vernichtungswillen sowohl gegen die in diesem Staat lebenden als auch gegen die kosmopolitisch verstreuten Juden, nicht begriffen hat als das, was Antisemitismus wesentlich darstellt: den bedingungslosen Haß auf die Idee einer in freier Assoziation lebenden Gattung, der hat den Kommunismus nicht als das “aufgelöste Rätsel der Geschichte” begriffen. –
Der ostentative Muslimeifer aber, der sich im Alltag mancher ‚Allahu-Akbar‘-Brüller vielleicht doch sehr in Grenzen hält, findet im blanken Judenhass unverhoffte Nahrung, wo ihnen unter unendlich öden Koranrezitationen und geistlosen, absurden Vorschriften längst das bisschen ungeglaubten Glaubens zwischen den Fingern zerrann und ihr Muslimsein kaum je mehr ist als das typisch dauerbeleidigte, immer schon jeder Verantwortung ledige Gruppengefühl. Überhaupt will jeder Eifer – insbesondere der aktuelle, rasende Eifer des weltweit angreifenden Islam – den Stachel eines weniger drohenden als hinterrücks längst geschehenen Glaubensverlustes kompensieren.“ Mit anderen Worten: Muslime wurden nicht für ihr abstraktes Muslimsein kritisiert, sondern dafür, was – global betrachtet – die Mehrheit konkret darunter versteht: Die von Gott gegebene Ermächtigung zu Terror, Entrechtung, Antisemitismus.Wer differenziert, sollte nicht unerwähnt lassen, dass Osama bin Laden, Hassan Nasrallah und wie all die schrecklichen Figuren so heißen, in der muslimischen Welt als Helden gefeiert werden – und zwar nicht von einer minoritären Sekte, sondern von Millionen Muslimen, auch in Deutschland. (,,) Der unfreiwillige und verborgene Essentialismus der Postmoderne macht das Begreifen unmöglich, weil er die Beziehung zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem nicht mehr zu thematisieren vermag. Wenn nur noch Vielfalt herrscht und Einzelnes und Allgemeines gewaltsam auseinandergerissen werden, bleibt die Verstandesleistung des begreifenden Subjekts auf der Strecke und die scheinbar ursprüngliche Differenz wird zum Mythos. Nicht nur dem Begriff des Allgemeinen, das ja ein noch einzulösendes ist, wird Gewalt angetan, auch dem Besonderen, dessen Unglück darin besteht, nur ein Besonderes zu sein, und das sich, weil es kein versöhnendes Ganzes gibt, dem schlecht-Allgemeinen, dem Racket nämlich, anschließen muss. – JAN HUISKENS
„Vernunft und Rationalität sind in dieser durchmedialisierten Welt chancenloser denn je. Ein unangenehmer Typ „Heckenschütze“ terrorisiert die Gesellschaft. Seine aktuelle Waffe: Der Phobienvorwurf.“ – Bettina Röhl
„Man wähnt, wenn man nach wissenschaftlichen Regeln sich richtet, dem wissenschaftlichen Ritual gehorcht, mit Wissenschaft sich umgibt, gerettet zu sein. Wissenschaftliche Approbation wird zum Ersatz der geistigen Reflexion des Tatsächlichen, in der Wissenschaft erst bestünde. […] Je tiefer man ahnt, daß man das Beste vergessen hat, desto mehr tröstet man sich damit, daß man über die Apparatur verfügt.“ (Theodor W. Adorno, Philosophie und Lehrer, AGS 10.2, 491)
„Vieles, was im Sinne von Foucaults »Mikrophysik der Macht« populär werden sollte; also die Erkenntnis, daß Macht nicht pyramidal hierarchisch, sondern durch sämtliche gesellschaftliche Bereiche hindurch wirkt, findet sich bereits in der Medizinkritik der Kritischen Theorie. Daß diese Thesen häufig übersehen wurden, mag daran liegen, daß sich Horkheimers entscheidende Äußerungen über Medizin und Psychiatrie nicht in den breit rezipierten Hauptwerken finden, sondern über die Gesamtausgabe verstreut sind. Wiemer suchte sie zusammen und zeigt, wie Horkheimer anhand der Medizin einen wesentlichen Charakterzug des modernen Kapitalismus ausmachte. Mediziner funktionieren laut Horkheimer wie fast jede wirtschaftliche Gruppe im Sinne eines Rackets. »Ein Racket«, erklärt er, »ist eine unter sich verschworene Gruppe, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt.« Allgemein betrachtet heißt das, daß sich die Klassengesellschaft in eine »neofeudale« Struktur verwandelt hat, innerhalb der Interessenverbände »nach dem Prinzip der Selbsterhaltung und der Machtakkumulation« funktionieren. Diesen Wandel macht Horkheimer an den Medizinern fest; und alles, was Horkheimer in seiner Kritik aussparte, von den Krankenversicherungen bis zum Pfusch in Krankenhäusern, wird von Carl Wiemer polemisch auf den neuesten Stand gebracht“ – Max Horkheimer
„Ein Shitstorm hat auch seine positive Seite. Da politisch korrekte Gülle meist in Richtung Originalität, Kreativität und Intelligenz geworfen wird, fliegt sie oft genug auf Leute, die zu lesen wirklich lohnt.“ – Evidenz-basierte Ansichten
Eine Frau wird als Frau geboren. ein Mann muß erst ein Mann werden.
Keine Paternalisierung, sondern fortschreitende Maternalisierung. Die Feminisierung und Genderisierug marginalisiert und zerstört die Vaterposition in den modernen »Gesellschaften«, die Vaterrolle erlitt allgemeine Degradierung, die Kanonisierung der Homosexulität im Speziellen und der sexuellen Diversität im Allgemeinen tilgt die noch übriggebliebenen Spuren einer Männlichkeit restlos aus, die nur noch als Schimpfwort der angeblichen „Paternalisierung“ im Jargon der Medien herumgeistert.
Post-Pop-Epoche: der Sieg der Mode über die Sitten.
„Wir brauchen schadhafte Gebäude, durch deren geborstene Wände man hindurch sehen kann, um wenigstens einen Anfang zum Denken zu gewinnen.“ – Victor Tausk
„Was man in römischer Zeit das »Abendland« und später »Europa« nennen wird, ist die politische Konsequenz des individualistischen Martyriums, das ein gesprächsfreudiger Stadtstreicher auf sich nahm, um die Legitimität des im universalistischen Dialekt vorgebrachten Neuen gegen die entkräfteten lokalen Sitten zu demonstrieren.“ – Peter Sloterdijk
„Was nützt einem die Gesundheit wenn man ansonsten ein Idiot ist.“ – Theodor Adorno
They are the samewho claimthe sex/genderwould not bebiologicallyinnate, butonlyasocialconstruct, andat the same timethathomosexualitywas not asocialconstruct, butbiologicallyinnate.
„Reasonandrationalityarechance-less than everinthistotallymediatisedworld. An unpleasanttype„Sniper“ terrorizedsociety. Hiscurrent weapon: Thephobiaaccusation.“ – Bettina Röhl
„AShitstormhas also itspositiveside. Aspolitically correctmanure it isusuallythrowninthe direction oforiginality, creativity and intelligence, she fliesoftentopeople whoare really worth to read.“ – Evidenz-basierte Ansichten
A woman is born as a woman. a man has to become a man.
No paternalization but advancing maternalization. The feminization and genderization marginalized and destroyed the father position in the modern „societies,“ the father role suffered general degradation, the canonization of homosexuality in particular and the sexual diversity generally wipes out the still remaining traces of masculinity completely out, only as an insult haunts the alleged „paternalization“ in the jargon of mass media.
Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ / „If you want to lead the people, you are forced to follow the mob“- Oscar Wilde
Für mich ist der 8 und der 9 Mai der Tag der Befreiung. Für andere, der Teufel weiß was. Seit 70 Jahren ist der Führer tot, aber die Volksgemeinschaft lebt weiter, samt ihrer Paranoia, Juden- und Russenhaß, Tugendterror (Terror war schon immer ein Terror der Tugend), Gewalt unter dem Vorwand der Empörung, Heuchelei. Das vorgeblich Neue, ist nichts weiter als das Alte, das nicht vergehen mag. Ein guter Deutscher fängt den Tag mit seiner Darmentleerung, um “Auschwitz zu vermeiden”, was ihn nicht daran hindert, Israel Pest und Cholera zu wünschen. um “Auschwitz zu vermeiden” war Joschka Fischer maßgebend verantwortlich für die (völkerrechtswidrige) Bombardierung Serbiens im Rahmen des Kosovokrieges vom 24. März bis 10. Juni 1999, um “Auschwitz zu vermeiden” wurde vor einem Jahr ein faschistisches Putsch-Regime mit Gewalt unter maßgeblichen Beteiligung von Angela Merkel in Kiew installiert. Die postfaschistische Volksgemeinschaft wurde von dem rot-rot-grünen Top-Down-Gutmenschentum-Verordnungswesens (schwarz gibt’s ja nicht mehr) bis in die letzte Ritze der deutschen Gesellschaft durchgesetzt und herrscht mit Hilfe des Ministeriums für Betroffenheit und Bestürzung, mit unzähligen Organen und Unterdrückungs-Apparaten der Sozio-, Psycho- und Pädagokratie. Die Klassenherrschaft nahm die Form der Volksgemeinschaft an. „Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“, schreibt Horkheimer 1968. Über die Ideologie des neuen alten, anti-autoritär auftretenden Liberalismus ist damit auch alles gesagt. Adornos und Horkheimers Polemik gegen die Studentenbewegung ist von der geradezu prophetischen Einsicht getragen, daß demokratisch gesonnener anti-autoritärer Protest nichts anderes freisetzen wird als wiederum nur die alte Ordnung, aber nun ohne alle Hemmungen.“ – Clemens Nachtmann
(..) „daß die postnazistische Demokratie die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert hat – daß sie es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst hat, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte. „ (…) „Nicht der angelsächsische liberale Kapitalismus, sondern der Nazifaschismus ist es, der, wie die heute beliebten Slogans heißen, „Ellenbogengesellschaft“ und „Kapitalismus pur“ verwirklicht: als kollektiver Amoklauf einer zerfallenden, in die Asozialität treibenden Gesellschaft.“ (…)Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre.“ (…) „
Aufklärungsarbeit in Deutschland
Dem – soweit man ihn hierzulande voraussetzen kann – unbefangenen Beobachter muß dieses Gespinst an Rechtfertigungen sich so darstellen, als hätten Millionen Deutsche kollektiv verabredet, sich dumm zu stellen und aus diesem Sich-dumm-stellen ein kohärentes System gezimmert, um auszutesten, ob irgendjemand es vielleicht als diskussionswürdige Aussage behandeln würde. Unterstellt werden kann jedenfalls, daß nur die wenigsten Deutschen den Quatsch von wegen „nichts gewußt“ etc., den sie sich und anderen erzählen, auch wirklich glauben. In Wirklichkeit ist jedem klar, daß der Nationalsozialismus, anders als Diktaturen traditionellen Zuschnitts, ohne massenhaftes Mitmachen nicht funktioniert hätte; jeder weiß, daß er sein Scherflein zum Funktionieren eines verbrecherischen Ganzen beigetragen hat und jeder weiß auch genau, daß er dies im Interesse des postfaschistischen Ganzen besser verheimlicht: „Das Funktionieren der Bundesrepublik verdankt sich unter anderem dem Umstand, daß einer vom anderen, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht wissen sollte, wie groß sein Anteil an den faschistischen Verbrechen gewesen war“. (1) Weil die Entlastungslügen so durchsichtig sind und ein jeder insgeheim weiß, wie es sich genau verhält und dies daher umso tatkräftiger verleugnen muß, entsteht eine besonders verhärtete und gegen Aufklärung resistente Form des Bewußtseins. Horkheimer charakterisierte diese Mischung aus Gewitztheit und Zwanghaftigkeit einmal folgendermaßen: „Immer wieder zu formulieren: das Schuldbekenntnis der Deutschen… war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache … Das Schuldbekenntnis hieß vielmehr, ,wir‘ und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, ,wir‘ müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, ,wir‘ haben davon nichts gewußt, anstatt ,wir‘ wollen es nicht wissen. Selbst noch das ,Ich‘ stand für das ,Wir‘. Ich war kein Nazi, im Grunde waren wir‘s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte.“ (2)
Geschäftsgrundlage der antifaschistischen Volkspädagogen, der Mahner und Warner wider das Vergessen und die Anfänge, denen zu wehren sei, war und ist dagegen die Annahme, die Deutschen seien etwas begriffsstutzig oder hätten sich in einen Irrtum verrannt, den man dadurch ausräumen könne, daß man sie mit seriöser Darstellung der historischen Fakten konfrontiere. Konsequent mußten die antifaschistischen Pädagogen die Ausflüchte der Landsleute für ernsthafte Behauptungen nehmen, die man Schritt für Schritt widerlegen könne. Da das Aufklärungsbemühen dergestalt von einer falschen Voraussetzung lebt, mußte es zu einer fast so gespenstischen und skurrilen Veranstaltung werden, wie es das allgemeine Sich-dumm-stellen immer schon war. Einmal abgesehen davon, daß der antifaschistische Lerneifer erst einsetzte, als garantiert alle das Zeitliche gesegnet hatten, die man für ihre Untaten belangen hätte müssen – was ihn als Ersatzhandlung vor allem verdächtig macht, ist die Tatsache, daß er stets als sensationelle Erkenntnis ausposaunen muß, was eine – im doppelten Sinne des Wortes – furchtbare Trivialität sondergleichen ist: daß die Ärzte, die Juristen, die Soziologen, die Historiker, kurz: alle fröhlich mitgemacht haben.
So zieht das verhärtete Bewußtsein der Durchschnittsdeutschen noch seine vermeintlich radikalsten Opponenten in seinen Bann: auch sie müssen sich dumm stellen, um ihr Geschäft weiterbetreiben zu können. Ihr Grundsatz ist die These, daß über den Nationalsozialismus noch lange nicht alles und vor allem nicht das Wesentliche gesagt wurde und daher noch unendlich großer Forschungsbedarf bestehe. Das verleiht Zähigkeit und Ausdauer und ermöglicht einem, Banalitäten als Offenbarung zu verhökern: „Die seit 1992 u.a. von Christopher Browning, David Bankier und Daniel Goldhagen veröffentlichten Studien markieren insofern einen Durchbruch, als sie den Fokus auf die Analyse der gewöhnlichen deutschen TäterInnen und das öffentliche Bewußtsein in Nazi-Deutschland legen. Diese Studien widerlegen erstmals das entlastende Märchen vom Befehlszwang. Sie weisen nach, daß die Deutschen die Juden freiwillig quälten, folterten und ermordeten.“ (jungle world 28/1998, S.15, Hvhb. cl.) Für Matthias Küntzel und seinen Co-Autoren, von denen diese Sätze stammen, war die Lektüre von Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ eine Offenbarung. Über die Botschaft, die da überbracht werden soll, sind sie sich allerdings selber nicht ganz im Klaren. Die unbedingte Ablehnung jedweder Theoretisierung der Massenvernichtung koexistiert bei ihnen ganz friedlich mit dem Wunsch nach einer wasserdichten Supertheorie. Da wird einerseits mit dem abgegriffensten Empör-Vokabular aus dem Wörterbuch des Gutmenschen ausgerufen: „Schon die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes aus der Warenform ableiten zu wollen, ist respektlos und zynisch zugleich.“ An anderer Stelle heißt es: Joachim „Bruhns Argumentation, die deutsche Spezifik, d.h. Auschwitz auszuklammern und die rassistische Denkform des rassistischen Mörders aus Solingen“ – einer rassistischen Stadt im rassistischen Deutschland, so könnte die Kraftmeierei weitergehen – „allein aus der Warnform abzuleiten mußte zwangsläufig bei einer Argumentation landen, die ihn zum Verteidiger des“ – damit es ja keiner vergißt – „rassistischen Mörders und der ,eigentlichen‘ Intentionen von Christian R. machte.“ Was sie immer schon über die „Wertkritiker“ von der bahamas und der ISF sagen wollten – jetzt wo sie endlich wissen, daß selbst „die Ermordung eines einzigen jüdischen Kindes“ von Übel war, trauen sie sich endlich. Weil sie nie verstanden haben, daß eine kritische Theorie der Gesellschaft nicht durch heulsusenhafte Beschreibung der Verbrechen, die die gesellschaftlich produzierten Subjekte verübt haben, ersetzt werden kann, streuen sie den Verdacht, daß all diejenigen, die sich den Mühen der Nacherzählung verweigern, herzlose Technokraten der Vernunft seien, Leute also, die in ihrer Respektlosigkeit und ihrem „Zynismus“ alle Merkmale des Schreibtischtäters aufweisen. Kein der Wertkritik Verdächtiger kam aber je auf die Schnapsidee, die Massenvernichtung der Juden, also die Tat selbst oder die Ermordung auch nur eines einzigen jüdischen Menschen direkt „aus der Warenform abzuleiten“. Die absurde Unterstellung, daß Joachim Bruhn ein Buch mit dem Titel „Was deutsch ist“
„Adornos bittere Bemerkung, ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben, war ein Tropfen auf den heißen Stein des gesunden Volksempfindens. Was als Kritik gemeint war und als Intervention, ist zur “Frankfurter Schule” verkommen und biedert sich an. Die linken Intellektuellen haben das Einfache, das nur schwer zu machen ist – die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft – theoretisch liquidiert, damit sie sich endlich, im Verein mit dem Klassenfeind von einst, um die “nationale Identität” sorgen dürfen.Deutschsein, das ist wieder, nach der Methode Goebbels/Weizsäcker, Schicksal und Auftrag zugleich.Und dabei bereitet es doch in Wahrheit gar keine geistige Mühe, auf die Frage, was deutsch ist, die Auskunft zu erteilen: Herrschaft, Verwertung, Vernichtung.“
geschrieben haben soll, in dem dann ausgerechnet die „deutsche Spezifik ausgeklammert“ sei, kann nur aufstellen kann, wer das Buch in böser Absicht gelesen hat. (3) Diese Mischung aus bekennendem Pathos und Denunziation hat aber System. Es soll ein Verdikt gesprochen werden, das da lautet: angesichts von Auschwitz ist jegliche Form von Gesellschaftstheorie apologetisch. Von Objektivität zu sprechen, zu begründen, nach Konstitutionsbedingungen zu fragen, zu schließen, abzuleiten – für Küntzel et al. ist das alles eins, nämlich das, was Betroffenheitslinke immer schon an Theorie gehaßt haben: „Determinismus“, „Objektivismus“, „schematischer Ökonomismus“, „Ableitungsakrobatik“ und vor allem: „ein erstklassiger Freispruch für die VollstreckerInnen.„ – Clemens Nachtmann
„…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl.(W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)
Angela Merkel, François Hollande und auch Schweizer Politiker boykottieren die Moskauer Feiern zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Für Kremlberater Alexei Puschkow ist die Ukraine-Krise nur ein Vorwand. Es gehe dem Westen um Geschichtsklitterung.
Von Wolfgang Koydl
«Der Trend läuft gegen die Amerikaner»: Aussenpolitiker Puschkow.Bild: Fjodor Sawinzew
Eigentlich ist ihm das diplomatische Handwerk in die Wiege gelegt worden. Alexei Konstantinowitsch Puschkow wurde 1954 als Sohn eines sowjetischen Diplomaten und einer Sinologin in Peking geboren. Da schien es nur folgerichtig, dass er an der MGIMO studierte, der angesehenen Hochschule des sowjetischen Aussenministeriums in Moskau, wo er heute unterrichtet. In den heissen Jahren der Perestroika wurde er Redenschreiber von Kremlchef Michail Gorbatschow, bevor er in den Journalismus wechselte. Dort kam ihm zugute, dass er sich selten diplomatisch, sondern meist recht unverblümt ausdrückt – auch noch, als er 2011 ins russische Parlament und zum Vorsitzenden des mächtigen aussenpolitischen Ausschusses gewählt wurde. Im Gespräch mit der Weltwoche im obersten Stock des Duma-Gebäudes nahe dem Roten Platz gab er sich jedoch konziliant und eher besorgt. Der Schlüssel für eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise liegt seiner Meinung nach in Berlin und Paris.
Alexei Konstantinowitsch, vor siebzig Jahren feierte die ganze Welt den Sieg über Hitler-Deutschland. Diese Woche gedenkt die Welt dieses Sieges allerdings eher getrennt. Die meisten westlichen Führer kommen nicht zu den Feiern nach Moskau. Was ist falsch gelaufen?
Als Begründung wurden die Krise in der Ukraine und die Spannungen zwischen Russland und der euro-atlantischen Gemeinschaft angegeben. Aber das ist in meinen Augen nur ein Vorwand und kein überzeugender Grund, nicht nach Moskau zu kommen und das Andenken jener zu ehren, die ihr Leben für den Sieg opferten – in Russland waren das 27 Millionen Menschen. Jeder redliche Mensch anerkennt die Rolle, die Russland damals gespielt hat.
Wenn die Ukraine-Krise nur ein Vorwand ist, was ist dann der eigentliche Grund?
Es ist die Absicht einiger westlicher Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, die Geschichte umzuschreiben. Bisher wurde allgemein anerkannt, dass der Sieg über den Faschismus der gemeinsamen Anstrengung Russlands und der Westmächte zu verdanken war. Diese Lesart wird zwar nicht total in Abrede gestellt, aber sie wird derzeit im Westen einer Überprüfung unterzogen.
Woran wollen Sie das erkannt haben? Keiner bezweifelt doch, dass die Westmächte und die UdSSR gemeinsam gegen Deutschland kämpften.
Das erkennt man deutlich an Äusserungen in diversen osteuropäischen Ländern, im Baltikum, in Polen, in der Ukraine. Sie wollen eine neue Geschichte schreiben. Nehmen Sie die Bemerkung des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk bei seinem Besuch in Berlin. Er sagte, dass die Sowjetunion in die Ukraine und in Deutschland einmarschiert sei. Was meint er damit? Eine Invasion Deutschlands durch die UdSSR, nachdem Deutschland in der Sowjetunion und in ganz Osteuropa einmarschiert war? Und selbst wenn es wirklich eine sowjetische Invasion Deutschlands gewesen wäre – was haben dann die Amerikaner, die Briten, die Franzosen getan? Das ist ein Mix aus Unsinn und antirussischer Paranoia mit dem Ziel, die Geschichte umzuschreiben.
Die historischen Tatsachen sind doch unbestritten. Was soll es da Neues zu entdecken geben?
Die baltischen Staaten waren aktiv an den Aktivitäten von Nazideutschland gegen die Sowjetunion beteiligt. Es gab lettische und estnische SS-Divisionen. Sie handelten wie deutsche SS-Formationen, es gab keinen Unterschied. Ausserdem nahmen die Balten an der Verfolgung der Juden teil. Die meisten der 70 000 Juden, die im Getto von Riga umkamen, wurden von Letten ermordet. Die Deutschen beaufsichtigten die Operationen nur und gewährten den Letten freie Hand. Die drei baltischen Republiken haben eine Menge von Geheimnissen, die sie gerne vergessen würden. Das gilt auch für Polen. Warschau schloss 1934 einen Nichtangriffs- und Kooperationsvertrag mit Berlin. Das vergessen sie, wenn sie uns den Pakt mit Hitler vorwerfen. Polen war an der Aufteilung der Tschechoslowakei beteiligt, es schnappte sich Teschen im Norden, wo 300 000 Menschen lebten.
Aus welchen Gründen auch immer – der Westen glänzt bei den für Moskau so wichtigen Feiern zum 70. Jahrestag des Sieges durch Abwesenheit. Noch nicht einmal die neutrale Schweiz schickt einen hochrangigen Vertreter.
Ich will keine scharfen Worte gegen die Schweiz aussprechen, denn ich glaube, dass sich die Schweiz in einer ziemlich schwierigen Situation befindet. Sie ist Teil der westlichen Gemeinschaft. Sie kann es sich nicht leisten, ein Dissident zu sein. Es liegt auch gar nicht in ihrem Charakter, gegen eine Gemeinschaft aufzubegehren, der sie angehört. Soweit die Schweiz die Ereignisse in der Ukraine beeinflussen konnte, war sie ein positiver und vernünftiger Partner. Ich glaube nicht, dass sie das Mächtegleichgewicht verändern kann. Die Schweiz kann versuchen, eine positive Rolle zu spielen, und ich denke, sie hat es auch versucht, trotz ihrer begrenzten Möglichkeiten. Ihre Bemühungen wurden in Moskau bemerkt.
Die Europäische Union stellt sich auf den Standpunkt, dass es ihr in der Ukraine um den Schutz westlicher Werte geht.
Das sind nur leere Worte. Wir sehen ein zunehmend nationalistisches Europa. Wenn ein rumänischer Präsidentschaftskandidat sagt, dass die Republik Moldau bis 2018 Teil Rumäniens sein wird – was soll das? Das ist purer Nationalismus. Aber niemand in der EU sagt ein Wort. Eine ganze Reihe dieser osteuropäischen Nationen pflegt eine Mischung aus neuem Nationalismus und alten geopolitischen Ambitionen. Eine Zeitlang mussten sie die zurückstellen, aber nun, da ihnen die Nato, die USA und Grossbritannien den Rücken stärken, fühlen sie sich frei, wieder offen darüber zu sprechen. Warschau hat meiner Meinung nach nie Abschied genommen von der Idee eines Grosspolen. Und in der Ukraine hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das jene Kräfte rehabilitiert, die an der Seite Hitlers kämpften. Aber wenn die westlichen Mächte diese schlimmsten Instinkte unterstützen – nun, das ist es, was man dann bekommt.
Übertreiben Sie da nicht ein wenig?
Es ist doch offenkundig, dass das gemeinsame Erbe der Nachkriegszeit – der gemeinsame Sieg über den Faschismus – im Westen immer mehr angezweifelt wird. Dieses Erbe wurde nicht einmal in den Jahren des Kalten Krieges in Frage gestellt, ja, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass dieses gemeinsame Erbe den Ausbruch eines heissen Krieges in Europa mit verhindert hat. Jetzt gibt es Stimmen, die sagen, dass die Sowjetunion genauso verantwortlich war für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wie Nazideutschland. Und wenn ich höre, dass man in Deutschland den Buchhalter von Auschwitz vor Gericht stellt, dann frage ich mich: Warum beachtet niemand, was in der Ukraine geschieht, wo Tausende Nazis mit Fackeln marschieren?
Wo steht Deutschland in diesem Bild? Die Deutschen hatten ja immer ein spezielles Verhältnis zu Russland.
Deutschland war unser Hauptpartner in der EU, zunächst einmal als Handelspartner. Vor der Krise betrug das Handelsvolumen etwa 100 Milliarden Dollar, etwas mehr als ein Fünftel des gesamten Handels mit der EU. Auch politisch ist Deutschland das führende Land in der EU. Deshalb war es sehr wichtig für den Dialog, für die strategische Partnerschaft zwischen Russland und der EU. Ich glaube, dass sich Deutschland hat mitreissen lassen vom Wunsch, den Einfluss der EU auf die Ukraine auszuweiten. Das besondere Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist zum Opfer dieser Politik geworden.
Deutschland? Das Assoziierungsangebot kam doch von der EU?
Das ganze Assoziierungsgeschäft war schlecht gemanagt. Wir boten Dreiergespräche über die möglichen Konsequenzen dieses Abkommens an: Moskau, Brüssel und Kiew. Denn das Abkommen schafft eine Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine. Gleichzeitig hatte die Ukraine eine Freihandelszone mit Russland. Es kann aber nicht zwei Freihandelszonen zur selben Zeit geben. Oder man braucht eine spezielle Übereinkunft. Wenn man sich für die EU entscheidet, muss man eine Regelung mit Russland finden. Aber aus Berlin, aus Brüssel, vom Europäischen Parlament hörten wir nur: «Das geht euch nichts an. Wir machen das untereinander aus, nur wir und die Ukrainer.» Nachdem sie es noch zwei-, dreimal versucht hatten, sagten sich die Russen: «Gut, wenn das eure Sache ist, dann wird Russland die Vereinbarung über die Freihandelszone mit der Ukraine revidieren.» Aber als Antwort von der EU haben wir gehört: «Nein, nein, wir wollen, dass ihr weiter ukrainische Produkte zu denselben Bedingungen kauft wie bisher.» Ich verstehe schon, warum die Europäer das wollten. Sie wollten eine Assoziierung, aber wir sollten dafür bezahlen. Aber das ist unmöglich: Die Ukraine kann nicht zugleich zu zwei Freihandelszonen gehören. So etwas gibt es nicht. Nun hat die EU auch noch die Verantwortung dafür übernommen, für die Ukraine zu bezahlen. Die Amerikaner werden es nicht tun. Sie zahlen nur für das Militär.
Ist die Ukraine wirklich so wichtig für die USA? Oder verfolgen sie eine andere Agenda?
Für die USA ist die Ukraine nur als Gegengewicht zu Russland wichtig. Im Übrigen interessiert sie Washington nicht. Da Russland eine Reihe von politischen Aktionen der USA und deren Politik in Syrien nicht unterstützen wollte und gegen die «orange Revolution» war, die von aussen finanziert wurde, entschied sich die Obama-Administration, vom Dialog mit Moskau zur Politik eines neuen kalten Krieges überzugehen. Darüber hinaus sehen wir die Vorbereitung auf den Beitritt der Ukraine und Georgiens zur Nato als Bedrohung unserer eigenen Sicherheit an.
Das ist bekannt. Aber es sieht nicht so aus, als ob die USA ihre Politik überdenken würden. Sie erwarten das eher von Russland.
Die USA befinden sich in einer Phase verzweifelter Expansion. Früher war es nur Expansion, jetzt ist es verzweifelte Expansion. Der Grund dafür: Die USA verlieren in internationalen Angelegenheiten an Gewicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 45 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes in den USA erwirtschaftet, jetzt sind es 18,19 Prozent. Die Amerikaner sind zwar immer noch die grösste Macht der Erde, aber der Trend läuft gegen sie. Es gilt das Gesetz vom Aufstieg und Fall grosser Mächte. Wir sehen einen Aufstieg Chinas. Aber auch andere Mächte bezweifeln den Anspruch Amerikas, die Welt zu regieren: Brasilien, Russland, Indien, der Iran und einige andere. Deshalb versuchen die Amerikaner, ihre geopolitischen Positionen zu konsolidieren. Diese verzweifelte Expansion verleitet Amerika zu unüberlegter Politik, sei es gegenüber Russland, sei es im Nahen Osten. Der Islamische Staat ist eine unmittelbare Folge amerikanischer Politik in Syrien. Oder Libyen. Es herrschte dort eine Diktatur, aber es gab auch Stabilität. Und es gab keinen Terrorismus. Was ist es heute? Ein Niemandsland, mit Auswirkungen auf Europa. Einerseits wegen der Flüchtlingsströme, andererseits bin ich sicher, dass es der IS ernst meint mit seinen Drohungen, Terroristen nach Europa einzuschleusen.
Glaubt man dem amerikanischen Geostrategen George Friedman, dann liegt das in Amerikas Interesse. Er schreibt, dass es immer US-Politik gewesen sei, überall Instabilität zu schaffen.
Ja, man spricht von kontrolliertem Chaos. Aber dieses Chaos kann fatale Folgen für die Amerikaner haben. Sie mögen es eine Zeitlang kontrollieren, aber langfristig wird es ihre Vorherrschaft herausfordern. Es ist eine sehr gefährliche, sehr riskante Politik, denn das Chaos kann – und wird – ausser Kontrolle geraten. Man sieht jetzt schon die Konsequenzen dieser Politik. Ich höre, dass die Länder der arabischen Welt Moskau bitten, in die Region, nach Nordafrika, zurückzukehren. Ägypten etwa wünscht sich wieder einen verlässlichen Verbündeten. Sie trauen den Amerikanern nicht mehr.
Bei der Vereinbarung über das iranische Atomprogramm hat Russland freilich an einem Strick mit den Amerikanern gezogen. Warum?
Die USA und Russland haben einige gemeinsame Interessen. Zu ihnen gehört die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen. Ich glaube, dass die Amerikaner trotz des Chaos, das sie schaffen, nicht wünschen, dass Atomwaffen über die ganze Welt verbreitet werden.
Was gewinnt Russland aus dem Iran-Deal?
Wir wollen, dass der Nahe Osten atomwaffenfrei bleibt. Sicher, jeder weiss, dass Israel Nuklearwaffen hat. Aber je mehr Nuklearmächte es gibt, desto gefährlicher ist es. Und vergessen Sie nicht, diese Region liegt südlich unserer Grenzen. Wenn der Iran die Bombe hat, werden die Saudis eine sunnitische Bombe haben wollen. Dann sagen die Türken: «Sind wir etwa schlechter?», und dann kommen die Ägypter. Das ist der erste Grund. Der zweite: Wir wollen keinen neuen grossen Krieg im Nahen Osten. Die Lage ist instabil genug. Das hat direkte Auswirkungen auf uns, das macht uns verletzlich. Der radikale Islam kann den Nordkaukasus destabilisieren, und er kann über Afghanistan in Zentralasien eindringen. Wir wollen nicht, dass Zentralasien in Flammen aufgeht. Die Amerikaner spielen ein gefährliches Spiel, weil sie sich durch zwei Ozeane geschützt glauben. Aber Amerika ist auch eine eurasische Macht, Amerika ist anwesend in Eurasien durch Militärbündnisse von Westeuropa bis hin zu Japan und durch zahlreiche Stützpunkte. Daher können sich die USA auf die Ozeane nicht verlassen. Sie können verletzlich sein, auch ausserhalb ihrer Grenzen. Dass sie gefährdet sind, hat man ja schon gesehen, etwa als der US-Botschafter in Libyen ermordet wurde.
In dieser Angelegenheit ist die damalige Aussenministerin Hillary Clinton heftig kritisiert worden. Nun kandidiert sie für die Präsidentschaft. Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Wen hätte Moskau lieber im Weissen Haus? Hillary Clinton oder einen Republikaner?
Unabhängig von der Parteizugehörigkeit würden wir jemanden vorziehen, der die Versuche, Russland zu isolieren, beendet. Wenn das zufällig Hillary Clinton ist, dann werden wir mit ihr sehr glücklich sein. Wenn es Jeb Bush ist, dann wären wir recht glücklich mit ihm. Wen wir wirklich ungern im Weissen Haus sehen würden, wäre jemand mit harten Ansichten, der etwa für militärisches Vorgehen im Iran plädiert. Jemanden wie Ted Cruz oder Marco Rubio. Die haben keine Erfahrung, und sie haben eine sehr primitive Weltsicht. Die glauben einzig und allein, dass Amerika die Welt beherrschen sollte.
Kommen wir zurück zur Lage in der Ukraine. Im Moment ist sie ruhig, aber angespannt. Was geschieht als Nächstes?
Komplizierte Verhandlungen oder Wiederaufnahme der Kampfhandlungen durch Kiew.
Sehen Sie Anzeichen für komplizierte Verhandlungen?
Nein, und das beunruhigt mich. Nebenbei bemerkt, macht man sich darüber auch in Frankreich Sorgen. Ich bin gerade aus Paris zurück. Dort sorgt man sich, dass Kiew neue Bedingungen stellt, die das Minsker Abkommen auf den Kopf stellen. Die Ukraine will dieses Abkommen nicht demonstrativ aufkündigen, denn das würde im Westen Irritationen auslösen. Uns macht Sorgen, dass Kiew neue Waffen und Kämpfer in der Ostukraine konzentriert. Wir glauben, dass Kiew eine Offensive plant. Die ersten beiden Offensiven sind fehlgeschlagen, deshalb glaube ich nicht, dass sie die Kontrolle über die Ostukraine militärisch wiedergewinnen werden. Aber die Kriegspartei in Kiew ist sehr stark, und Präsident Poroschenko, der als Mann des Friedens gilt, handelt und redet, als ob er zur Kriegspartei gehörte. Er hofft, dass er mit US-Militärhilfe einen militärischen Sieg erringt. Unsinn. Übrigens sagen auch amerikanische Experten, dass die militärische Option keine Lösung bringen, sondern die politische Option töten wird.
Was kann man tun, um Verhandlungen in Gang zu bringen?
Ich erwarte nichts von den Amerikanern. Jetzt haben sie auch Militärausbilder geschickt. Alles, was sie tun, fliesst in die Militärhilfe.
Was bleibt?
Die Europäische Union sollte Druck auf Kiew ausüben. Kiew hängt vollständig am Tropf des Westens. Die Ukraine ist wirtschaftlich und finanziell ein schwarzes Loch. Wenn sie nicht den Fünf-Milliarden-Dollar-Kredit des IWF bekommen hätte, wäre sie heute bankrott.
Dann müsste Europa aber gegen amerikanische Interessen handeln.
Nein, denn die USA können nicht öffentlich sagen, dass sie gegen das Minsker Abkommen sind. Das sähe schlecht aus. Aber es ist bekannt, dass sie den Ministerpräsidenten Jazenjuk unterstützen, der in Kiew die Kriegspartei anführt.
Sie meinen also, Washington würde den Europäern freie Hand lassen?
Die Amerikaner sind in dieser Weltgegend nicht völlig frei. Sie hängen auch von Europa ab. Als Angela Merkel nach Washington fuhr und Obama sagte, dass sie und die anderen Europäer absolut gegen US-Waffenlieferungen an Kiew seien, hörte er ihr zu. Denn er will keinen Bruch in der Nato. Wenn Europa standfest bleibt, gibt es eine Chance auf Frieden. Aber er kommt nicht von selbst. Wenn Angela Merkel und François Hollande die Fortsetzung des Krieges in der Ostukraine mit all den negativen Folgen für die europäische Sicherheit vermeiden wollen, dann müssen sie Druck auf Kiew ausüben, damit Kiew auf die militärische Option verzichtet. Dann müssen wir langsam zum politischen Prozess kommen. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Heute vor siebzig Jahren wurde nicht Deutschland vom Nationalsozialismus befreit, sondern die zivilisierte Welt von der deutschen Barbarei. Die Deutschen, die bis zum Schluss hinter ihrem geliebten Führer standen, mussten mit massiven militärischen Mitteln zur Kapitulation gezwungen werden, und sie empfingen die Alliierten nicht mit Blumen, sondern mit Argwohn, unendlichem Selbstmitleid und dem Gefühl, um den Endsieg betrogen worden zu sein. Für sie war der 8. Mai 1945 der Tag der Niederlage, und so haben sie es auch selbst gesehen. Sehr zu Recht übrigens, denn befreit werden kann nur, wer sich zuvor in einer Form von Gefangenschaft befunden hat. Die übergroße Mehrheit der Deutschen hat das volksgemeinschaftliche Projekt des Nationalsozialismus und seine Menschheitsverbrechen jedoch begrüßt, getragen oder zumindest geduldet. Wer also davon spricht, der 8. Mai sei auch für die Deutschen ein Tag der Befreiung, macht erstens zwischen ihnen und den Nazis einen Unterschied, den es nicht gab, und zweitens Täter zu Opfern. Genau das ist in der Regel auch der Sinn dieser Übung.
Lange Zeit war es in der Bundesrepublik nur eine kleine Minderheit, die darauf bestand, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu sehen. Sie rückte damit etwas ins öffentliche Bewusstsein, das die Mehrheit partout nicht wissen wollte: dass es überhaupt Befreite gab, dass die Deutschen gar nicht die Opfer waren, als die sie sich so gerne sahen, und dass sie den Krieg verloren hatten. Wer den Aspekt der Befreiung in den Mittelpunkt stellte, positionierte sich gegen den postnazistischen Mainstream der Geschichtsklitterer, Relativierer und Beschweiger, gegen den Mythos von der sauberen Wehrmacht und der Stunde Null und gegen die Lüge, von nichts gewusst zu haben. Wer vom Tag der Befreiung sprach, klagte die Täter als solche an, solidarisierte sich mit den Befreiern und Befreiten (oder gehörte selbst zu ihnen) und dementierte das Gerede vom unterschiedslosen Schrecken, den der Krieg über die Menschheit bringe.
Es war eine Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die vor 30 Jahren schließlich einen Paradigmenwechsel einleitete. Weizsäcker sagte, der 8. Mai habe »uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft«, und man dürfe »nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen«. Diese Ursache liege vielmehr »in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte«. Der frühere Wehrmachtsoffizier, ab 1941 selbst aktiv am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt, hatte erkannt, dass das postnazistische deutsche Selbstbewusstsein einer neuen Strategie bedurfte: Weg von der störrischen Relativierung, Aufrechnung und Schlussstrich-Mentalität, die nur außenpolitischen Schaden anrichtete, hin zu einer offensiven und demonstrativen »Vergangenheitsbewältigung«, die genügend moralischen Gewinn abwerfen sollte, um sich von den Fesseln der Nachkriegszeit lösen zu können, ohne Misstrauen zu erregen.
Anfangs gab es dagegen noch Widerstände, doch das Modell Weizsäcker hat sich durchgesetzt. Das antifaschistische Bekenntnis dient und ermächtigt inzwischen dazu, den Zeigefinger auf Befreier und Befreite zu richten, die schließlich auch ihre Leichen im Keller hätten. Mehr noch: Es hat den Typus des »Gerade wir als Deutsche«-Deutschen hervorgebracht. »Mit den Verbrechen, die Deutschland an den Juden und an der Menschheit beging, hat es sich eigenem Selbstverständnis gemäß das Vorrecht, die Auszeichnung und die Ehre erworben, fortan besondere Verantwortung zu tragen«, schrieb der Publizist Wolfgang Pohrt bereits vor vielen Jahren. »Zwei angezettelte Weltkriege böten, so meint man weiter, die besten Startbedingungen, wenn es um den ersten Platz unter den Weltfriedensrichtern und Weltfriedensstiftern geht – frei nach der jesuitischen Devise, dass nur ein großer Sünder das Zeug zum großen Moralisten habe. Je schrecklicher die Sünde, desto tiefer die Buße und Reue, je tiefer die Buße und Reue, desto strahlender am Ende die moralische Überlegenheit.«
Ein weithin sichtbares Zeichen dafür ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin, eine Touristenattraktion, zu der man »gerne hingeht«, wie es Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder so unnachahmlich formulierte. Zum fünften Jahrestag der Einweihung dieses größten Gedenkmonuments der Welt – das es ohne den größten Massenmord der Geschichte gar nicht gäbe – wurde ein »Bürgerfest« veranstaltet, auf dem unter anderem der Historiker Eberhard Jäckel eine Rede hielt, in der er ungewollt deutlich machte, wie Recht Eike Geisel hatte, als er 1988 schrieb, die Erinnerung sei in Deutschland »die höchste Form des Vergessens«. »In anderen Ländern beneiden manche die Deutschen um dieses Denkmal«, sagte Jäckel mit hörbarem Stolz in der Stimme. »Wir können wieder aufrecht gehen, weil wir aufrichtig bewahren. Das ist der Sinn des Denkmals, und das feiern wir.« Die Shoa ist für die Deutschen also nicht nur gut ausgegangen, sie hat sich sogar ausgezahlt und – folgt man einem ihrer bekanntesten Historiker – für Eifersucht im Rest der Welt gesorgt, wo man keine Massenvernichtung ins Werk gesetzt hat und heute deshalb nicht mit einem solch epochalen Bauwerk aufwarten kann.
Dass der 8. Mai heute staatsoffiziell als Tag der Befreiung gesehen wird, hat noch einen weiteren Grund: Es leben kaum noch Täter, denen das wehtun könnte, und im kollektiven deutschen Familiengedächtnis war Opa ohnehin kein Nazi. Vor einigen Jahren stieß ich auf Feldpostbriefe meines Großvaters mütterlicherseits, Jahrgang 1911, gestorben 1989. Mitglied der NSDAP war er nicht, an seiner nationalsozialistischen Gesinnung konnte dennoch kein Zweifel bestehen. Dass die Deutschen grauenvolles, mörderisches Unrecht begingen, war ihm vollauf bewusst. Genau deshalb wollte er, dass der Krieg weiter- und siegreich zu Ende geführt wird. Denn andernfalls, so schrieb er, werde die Rache von Juden, Russen und Polen furchtbar sein. Was er ihnen diesbezüglich konkret unterstellte, war exakt das, was die Deutschen den Juden, Russen und Polen antaten. Eine klassische Projektion also. Er hat sich, wie meine Großmutter, bis zum Ende seines Lebens als Opfer gesehen – von Hitler betrogen, von den Polen vertrieben, von den Juden ausgenutzt. Befreit wurde am 8. Mai 1945 nicht er, befreit wurden jene, die er, wie die weitaus meisten seiner Landsleute, lieber tot als lebendig sehen wollte.
Der amerikanische Historiker Timothy Snyder ist neuer Träger des »Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken«. Vergeben wird diese Auszeichnung alljährlich von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Stadt Bremen. Snyder habe »einen neuen Blick auf den Zweiten Weltkrieg geworfen«, heißt es in der Begründung der Jury. Doch so neu ist die Nivellierung der deutschen Verbrechen, die Snyder in seinem Werk Bloodlands betreibt, gar nicht. Torsten Schulz hat sich die Preisverleihung angesehen.
VON TORSTEN SCHULZ
Wie liest sich das?
»Beim Massaker von Oradour-sur-Glane wirkten Hitler und de Gaulle auf perverse Art zusammen; beide ignorierten das Kriegsrecht und eskalierten den Konflikt hinter der Front.«
NPD-Parolen, revisionistischer Stammtisch, Wehrmachts-Traditionsverein? Aber nicht doch – hier erklärt schließlich ein Professor der Yale University den Zweiten Weltkrieg neu. Setzen Sie nur für de Gaulle Stalin und für Oradour den Partisanenkampf in Weißrussland ein, und Sie haben eine wesentliche These aus Timothy Snyders Machwerk Bloodlands in seinen eigenen Worten: Der Partisanenkampf war illegitim. Nein, keineswegs nur das, was Wehrmacht und SS darunter verstanden – die Auslöschung ganzer Ortschaften vom Säugling bis zum Greis nämlich –, sondern ebenso auch der Widerstand dagegen.
Für diese Umdeutung ausgerechnet des Vernichtungsfeldzuges an der Ostfront in einen »Konflikt« letztlich wirtschaftlicher Natur – »Die von Hitler und Stalin angestrebten Transformationen waren ökonomisch«, lautet Snyders Resümee – hat die Stadt Bremen mit einem Festakt am 6. Dezember des vergangenen Jahres ihren einschlägig ausgerichteten »Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken« für das Jahr 2013 verliehen. Im Vorjahr hatte der Senat eine zu Recht weitgehend unbekannte Historikerin aus Israel ausgezeichnet, um mit ihrer Schützenhilfe (und im Verein mit der Heinrich-Böll-Stiftung) der Partnerstadt Haifa zu unterstellen, an ihr hafte bis heute der Makel der Vertreibung ihrer arabischen Ureinwohner. Diesmal wurde die willkürliche Definition einer räumlich-zeitlichen Todeszone prämiert, in der Stalins Terror und die Vernichtung der Juden Europas, unter anderem, so zur Deckung gebracht werden, dass sie wie »in einem blutigen Knäuel ineinandergeflossen« erscheinen (Gerd Koenen in seiner Laudatio).
Was die Stifter des Preises so für Snyder eingenommen hat, gibt Antonia Grunenberg für den Vorstand des Trägervereins schon in der Begrüßung unumwunden zu verstehen: Die zugrunde liegende Behauptung der »Wechselwirkungen von verschiedenen Genoziden« soll ein Geschichtsbild konstruieren helfen, auf dessen Basis dann »die Völker Europas einander ihre Leidensgeschichten erzählen« können. Was daran nicht passt, muss eben passend gemacht werden. Zum einen gilt es also, durch entsprechende Fokussierung zu suggerieren, die stalinistischen Kampagnen gegen angebliche politische Gegner und die sowjetische Hungerkatastrophe 1932/33 seien »Genozide« – vergleichbar mit den nationalsozialistischen – gewesen, auch wenn die Opfer sich genauso wenig einem ethnisierenden Muster zuordnen lassen wie die Täter einem anderen.
Zum anderen muss das singuläre Projekt der Vernichtung der Juden Europas innerhalb dieser »Genozide« verortet werden, was wiederum eine Annäherung über entsprechende Auslassungen und Beschränkungen nötig macht. Die Schnittmenge definiert das Territorium besagter Bloodlands: Polen, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten sowie ein schmaler, nicht eindeutig abgegrenzter Streifen im Grenzbereich der Russischen Föderation – nach Snyder »einfach der Schauplatz, wo Europas brutalste Regime ihre Morde begingen«. »15 Millionen Tote durch Hunger, Massenvergasungen« – diese Klammer benutzt Karol Sauerland als Vertreter der Jury dann in seiner Begründung für die Preiswürdigkeit der Montage schon ganz selbstverständlich. Und: »Der massenhafte Tod durch Hunger war eine sowjetische Erfindung.« Bremen legt den »Historikerstreit« der 1980er Jahre neu auf, diesmal als Monolog. Was war demnach wohl ursprünglicher, die Kollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion oder der deutsche »Generalplan Ost«? Na also!
Dass diese Ideen in der Fachwelt nach wie vor nicht ganz unwidersprochen dastehen, ist den Ausrichtern der Veranstaltung wohl bewusst. Mit »Diskreditierungen, ja, Anfeindungen« sei zu rechnen, ist sich Senator Lohse sicher. Eine fachliche Bewertung stehe ihm, als Naturwissenschaftler, nicht zu. Dabei wäre es durchaus ein Ausgangspunkt, skeptisch zu werden, wenn ein Geisteswissenschaftler zum Taschenrechner greift, um die Opfer der Shoa im wahrsten Sinne des Wortes auseinander zu dividieren: »Von den rund drei Millionen polnischen Juden, die im Holocaust ermordet wurden, starben nur etwa sieben Prozent in Auschwitz«, lautet die Rechnung, die Snyder in Bloodlands aufmacht. Nur etwa sieben Prozent – das scheint nicht wirklich viel, oder?
Demgegenüber sei aber eine »große Zahl« der Todesopfer keine Juden: »Etwa 74.000 nichtjüdische Polen und 15.000 sowjetische Kriegsgefangene starben in Auschwitz durch Hinrichtung oder Zwangsarbeit.« Wie viel sind wohl 89.000 bezogen auf die Gesamtzahl der 1,3 Millionen dorthin Deportierten? Jetzt dürfen Sie raten. Sieben Prozent, das kann viel oder wenig sein, je nachdem, wie der Professor die Zahl verwenden muss, um die Singularität der Vernichtung der europäischen Juden zu relativieren. Seine Wissenschaft ist anscheinend von der Sorte, die zuerst ihre Ergebnisse kennt, dann das Datenmaterial zusammenträgt, um sie zu belegen, und zuletzt die Maßstäbe entwickelt, die daran anzulegen wären. Das gilt für die Zahlenfuchserei um Details der logistischen Ausgestaltung der »Endlösung« wie für das Konzept Bloodlands in toto.
Timothy Snyder hat ein Gebiet gesucht, in dem Nazis Massenverbrechen verübt haben und Stalinisten auch – und dann genau das gefunden. Ein Zirkelschluss, der allerdings noch einen ganzen Strauß von Ausnahmen und Vernachlässigungen erfordert, um das beabsichtigte Bild zu erzeugen. Der Nordkaukasus beispielsweise wird genauso ausgeklammert wie alle übrigen Gebiete zwischen der Ostgrenze der deutschen Besatzung und jener der imaginären Blutlande. Sie hätten auch schlecht in den »gemeinsamen europäischen Rahmen« gepasst, der im Nachwort postuliert wird. In ihm soll erklärtermaßen über die Beschreibung des Ablaufs von Gräueltaten »die europäische Geschichte ihr zentrales Ereignis« erhalten.
Die Ermordung Hunderttausender Juden durch die rumänische Regierung hat darin allerdings keinen Platz. Die Verbrechen der Ustascha in Jugoslawien haben es auch nicht. Die Deportation ausgebürgerter Juden in die Ukraine, die Horthys Ungarn aus eigener Initiative anstrengte, wird erwähnt, wenn auch nicht so bezeichnet, die Deportation der ungarischen Juden ab Mai 1944 innerhalb weniger Wochen nach Auschwitz fälschlich den Pfeilkreuzlern – »Pfahlkreuzler« in der deutschen Ausgabe des Buches – zugeschrieben, die tatsächlich erst am 15. Oktober des Jahres an die Macht kamen. Die Pogrome, die sie auf ungarischem Territorium veranstalteten, kommen nicht vor. Der Nachkriegs-Pogrom im polnischen Kielce auch nicht. Der ganze Komplex »Vernichtung durch Arbeit« findet sich nur zwischen den Zeilen, wenn zum Beispiel nichtjüdische Auschwitz-Opfer gesucht sind. Praktisch für den deutschen Rezipienten: Sein Land ist nicht blutig, der Horror weit weg. Todesmärsche? Endphaseverbrechen? Fehlanzeige. Snyder zeigt nicht historische Zusammenhänge auf, er zerschneidet sie. Zivile Opfer auf der Flucht oder durch Vertreibung berücksichtigt er, soweit es sich um Deutsche handelt, sowjetische verschweigt er.
Wer von Bloodlands ernsthaft eine tiefere Einsicht in die Mechanismen der Massenvernichtung erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Die vielbeschworene »Kette eskalierender Massenmorde, die nur durch gegenseitige Wechselwirkung zu verstehen sind« (Laudator Koenen), besteht im Kern in folgendem behaupteten Zusammenhang: Stalin habe Hitler zunächst nicht aufhalten können und ihm damit die sowjetischen Kriegsgefangenen zur Ermordung ausgeliefert. Das Unvermögen der Nazi-Streitkräfte, die Sowjetunion vollständig zu zerstören, soll dann erst den Ausschlag für die planmäßige Vernichtung der Juden Europas gegeben haben – eine bloße Ersatzhandlung gewissermaßen. Der Zweck von Treblinka wäre es demnach gewesen, »ein schrumpfendes Rassenimperium von seiner jüdischen Bevölkerung zu säubern und so einen kleinen Sieg und seine grausigen Früchte zu ernten«. Das ist die Sichtweise, die Snyder mit Verweis auf den Kriegsverlauf nahe legen möchte.
Es kann schwerlich die der Nazi-Führung gewesen sein: Zum Zeitpunkt der Planung der Anlage und noch zu dem ihrer Inbetriebnahme im Juli 1942 war der deutsche Machtbereich keineswegs im Schrumpfen begriffen. Obendrein veranschlagt Snyder die Zahl der Opfer hier verhältnismäßig sehr niedrig mit »etwa 780.863«. Er hat es sich einfach gemacht und lediglich zwei Quellen addiert, die wesentliche ist das vom britischen Geheimdienst abgefangene sogenannte Höfle-Telegramm, das für sich schon auf eine Zahl von mindestens 713.555 Ermordeten zum Stichtag 31.12.1942 hinweist. Da war gerade erst der letzte Versuch gescheitert, die Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad aufzubrechen. Nach Snyders eigener Rechenweise kann Treblinka kaum das darstellen, wofür er es ausgibt. Dafür wartet er mit einer erstaunlich konkreten Aufzählung auf, worin die »Früchte« dieser Vernichtungsanstalt bestanden haben sollen:
»Eine Leiche lässt sich verbrennen, um Wärme zu erzeugen, oder sie kann die Mikroorganismen füttern, um den Boden zu düngen. Selbst menschliche Asche düngt. Nach dem Abriss von Treblinka benutzten die Deutschen die Ziegel der Gaskammern, um ein Bauernhaus zu bauen, und machten das Mordterrain zu Feldern. Ein paar Trawniki-Männer waren bereit, als Bauern dazubleiben. Hierin lag eine düster wörtliche Version der Nazifantasie von der Erlösung des Landes durch die Vernichtung der Juden. Leichen und Asche der Juden sollten den Boden für Getreide düngen, das Deutsche essen sollten.«
Diese Passage verrät mehr über die Fantasie Timothy Snyders als über das Wesen und die Funktion eines Vernichtungslagers. Ein deutlich größerer Erkenntnisgewinn für den Leser hätte sich aus dem Umstand ziehen lassen, dass die Mörder, solange die Scheiterhaufen nicht zufriedenstellend brannten – also mindestens noch bis Anfang des Jahres 1943 –, durchaus bereit waren, erhebliche Mengen ihres andernorts dringend benötigten Benzins für die Beseitigung ihrer Opfer aufzuwenden.
Wer es nicht lassen kann, ein rationales Motiv in der Irrationalität der Shoa zu suchen, bekommt dagegen eine einmalige Erklärung präsentiert, was die Deutschen mit der Ermordung von Hunderttausenden an den Schauplätzen der »Aktion Reinhardt« bezweckt haben müssen: Sie wollten offenbar die Atmosphäre mit Menschen heizen und ein paar ukrainischen Wachleuten eine kleine Farm stiften. Den Beleg für die steile These, Bełżec, Sobibór, Treblinka seien eigentlich als Getreidefelder für deutsche Verbraucher konzipiert gewesen, spart sich Snyder mit dem lapidaren Nachsatz:
»Doch es sollte nie eine Ernte geben.«
Der Autor, der eine eigentümliche Neigung an den Tag legt, mit oberflächlichen Betrachtungen in die Irre zu leiten, ist hier in seinem Element. Selbstredend war das Bauernhaus bloße Tarnung, die Trawniki-Männer waren auch keine Bauern, sondern weiterhin Wachen, die den Tatort zu sichern hatten, auf den Feldern wuchsen Lupinen. Wassilij Grossmann, der in Bloodlands oft genug erwähnt wird, nahm die Szenerie so wahr:
»Dieses traurige Ödland wurde von dem deutschen Reichsführer-SS Heinrich Himmler ausgesucht und für geeignet befunden, hier eine Richtstätte für die ganze Welt zu schaffen. Das menschliche Geschlecht hat ihresgleichen von den Zeiten vorgeschichtlicher Barbarei bis in unsere harten Tage nie gekannt.«
So soll es aber gerade nicht erscheinen. Die Leichtigkeit, mit der sein Blendwerk in Bremen offene Türen eingerannt hat, scheint Timothy Snyder selbst nicht ganz geheuer zu sein. Er scherzt zunächst, ob in Bloodlands noch irgendetwas steht, das nicht schon gesagt wurde. Dann lädt er sein Publikum ein auf ein eigenartig zaghaftes Gedankenspiel:
»Stellen Sie sich vor, Sie sind Polizist. Sie sind zu einem Mietshaus gerufen worden. Darin liegt eine fünfköpfige Familie, allesamt ermordet. Und noch eine weitere Familie von fünf, auch umgebracht, offenbar von demselben Täter. Und dann noch vier weitere Opfer eines anderen Täters. [Links und rechts in den Nachbargärten liegen auch noch welche, aber da schauen Sie jetzt bitte mal nicht hin!, T.S.] Was schreiben Sie in Ihrem Bericht? Offensichtlich muss es einen Zusammenhang geben…«
Der Zusammenhang ist eben der, dass so die Verbrechen Nazi-Deutschlands nivelliert und die seiner Verbündeten unter den Teppich gekehrt werden.
Verlassen wir das Reich der Analogien. Versetzen Sie sich für einen Moment in die Rolle eines sowjetischen Staatsanwalts. Wir schreiben das Jahr 1945, Sie sind mit der Untersuchung eines ungeheuerlichen Verbrechens betraut worden. Dem Anschein nach sind ihm tatsächlich praktisch ausschließlich Angehörige einer Familie zum Opfer gefallen, auch wenn Ihre Vorgesetzten das nicht gerne an die große Glocke hängen und die exakten Verwandtschaftsverhältnisse kaum mehr zu ermitteln sind. Grob geschätzt geht es um eine Million Menschen. Die Täter haben sie akribisch in diversen Ländern Europas aufgespürt, mit erheblichem logistischen Aufwand an diesen Ort verfrachtet, in eigens dafür vorbereiteten Anlagen vergast, ihre Körper verbrannt und die Asche in der Gegend verstreut. Ein paar haben sie zurückbehalten, um sie sich zusammen mit anderen in einer Fabrik für synthetischen Kautschuk zu Tode schuften zu lassen.
300 Kilometer Luftlinie entfernt, Richtung Nordosten, arbeiten Kollegen seit einigen Monaten an einem ähnlichen Fall. Dort gibt es zwar keine Kautschukfabrik, selbst grundlegende Voraussetzungen dafür fehlen, aber als Täter kommen nur Mitglieder derselben Bande in Frage. Das Schema, nach dem sie ihre Opfer ausgewählt haben, ist das gleiche, auch wenn sie sich dabei vorwiegend an Menschen aus der weiteren Umgebung gehalten haben. Sie haben sie vergast, verbrannt, die Asche untergegraben und ein Bauernhaus darauf gebaut. Snyders Studie können Sie nicht kennen, Sie halten sich an die Übereinstimmungen, statt nach Unterschieden zu suchen. Sie werden zu dem Schluss kommen, dass Sie es mit ein und demselben Verbrechen zu tun haben und die beiden Beispiele exemplarisch in einer Anklage gegen die Hauptverantwortlichen zusammenfassen. Und Ihnen, der Sie den Bürgerkrieg und die Intervention, Hungersnot, Stalins Säuberungen und den Großen Vaterländischen Krieg überstanden haben, erschließt sich von selbst, dass es sich hierbei um einen Schrecken ganz eigener Art handelt.
Wenn im Namen Hannah Arendts Jahr um Jahr das »politische Denken« belohnt wird, zielt das regelmäßig auf dieses spezifisch deutsche Ärgernis: die Anklage von Nürnberg. Darum ging die Auszeichnung im Vorjahr an eine Historikerin, die die »verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die jüdische Demografie« als Mosaiksteinchen im perfiden Wirken zionistischer Stadtplaner betrachtet. Und wenn Ralf Fücks für die grüne Heinrich-Böll-Stiftung »eine gewisse Linie« in der Reihe der Preisträger konstatiert, »die sich fortsetzt«, dann kommt ihm dabei zuvorderst einer in den Sinn: Tony Judt, zu Lebzeiten ein guter Freund Snyders und Hannah-Arendt-Preisträger mit seiner Geschichte vom Zweiten Weltkrieg als der »Katastrophe, in die Europa sich gestürzt hatte«.
Doch er muss auch etwas loswerden, das ihn sichtlich schmerzt, denn da geht es um das Ticket, auf dem die Veranstalter unterwegs sind: Gewalt gab es ja »nicht nur gegen Individuen«, nein, auch die Zivilgesellschaft sei »zerschlagen worden in dieser Interaktion von Nationalsozialismus und Stalinismus«. Die Menschen Osteuropas, die eher um Erstere trauern, dürften sich über den Hinweis freuen, dass sie bis heute nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten so zivilisiert zu regeln, wie man sich das in Bremen längst zugute hält.
In der Debatte über die Berufung von Jakob Augstein auf eine Liste des Simon Wiesenthal Centers haben sich die Grenzen des Unsäglichen in Bezug auf die »Israelkritik« erneut verschoben. Noch die übelsten Tiraden gegen den jüdischen Staat sind – so meint eine ganz große Koalition von FAZ bis taz und von CDU bis Linkspartei – schlimmstenfalls grenzwertig, keinesfalls aber antisemitisch.
Es fängt schon mit simplen Fehlern im Rüstzeug an. Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit sollten sich als Prinzipien für jeden Journalisten eigentlich von selbst verstehen, doch ist es damit hierzulande oftmals nicht allzu weit her, auch diesmal nicht. Denn was soll das Simon Wiesenthal Center (SWC) getan haben, folgt man führenden deutschen Medien, die sich in dieser Frage nahezu wortgleich äußern? Es habe den Publizisten Jakob Augstein »auf eine Liste der zehn schlimmsten Antisemiten der Welt gesetzt«, glaubt der Tagesspiegel, »auf Platz 9 seiner jährlichen Liste der schlimmsten Antisemiten gesetzt«, meint die Tagesschau, »auf Platz neun einer Liste der weltweit zehn schlimmsten Antisemiten gesetzt«, behauptet die Frankfurter Rundschau, »zu einem der schlimmsten Antisemiten der Welt erklärt«, beteuert die Zeit, »auf Platz neun der Liste der zehn schlimmsten Antisemiten« nominiert, ist die FAZ überzeugt, »auf einer Rangliste der schlimmsten Antisemiten der Welt auf Platz neun gesetzt«, schreibt Spiegel Online, »auf Platz neun der gefährlichsten Antisemiten weltweit verortet«, erklärt die taz. Knapp daneben ist auch vorbei, kann man da nur konstatieren.
Die besagte Liste umfasst in Wahrheit nämlich die »2012 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs« – also die zehn aus Sicht des SWC erwähnenswertesten antisemitischen respektive antiisraelischen Verunglimpfungen des vergangenen Jahres –, ist also wesentlich eher eine Sammlung markanter Zitate als ein Fahndungsaufruf. Und das Ziel ist es dabei offenkundig auch weniger, eine Rangliste entlang der machtbedingten Gefährlichkeit der Urheber dieser Zitate zu erstellen, als vielmehr, plakativ zu verdeutlichen, wie beängstigend groß das Spektrum des Judenhasses weltweit ist und wie sich der massenkompatible Antisemitismus in den einzelnen politischen Lagern äußert, selbst bei vermeintlich unverdächtigen, seriösen Akteuren. So erklärt sich auch, warum bei der Erstveröffentlichung der »Top Ten« im Jahr 2010 die renommierte amerikanische Journalistin Helen Thomas, immerhin dienstältestes Mitglied des White House Press Corps, auf dem ersten Platz landete und ein Jahr später der griechische Komponist und Politiker Mikis Theodorakis, eine Ikone der Linken, Dritter wurde. Ebenfalls in den letzten Jahren dabei: ein Mitglied der EU-Kommission, ein populärer Filmregisseur, ein prominenter Pastor und sogar die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter.
Auch zwei Deutsche schafften es schon vor Augstein mit antisemitischen Äußerungen in die »Top Ten« des SWC: Thilo Sarrazin im Jahr 2010 und Hermann Dierkes zwölf Monate später. Darüber echauffiert hat sich damals allerdings kaum jemand: Bei dem einen interessierten sich die Medien erheblich mehr für dessen Äußerungen zum Islam, und der andere ist ein derartig bockbeiniger Desperado, dass ihn außerhalb der Linkspartei kaum jemand verteidigen mochte. Augsteins Nominierung dagegen sorgt nun für eine Welle der Empörung in nahezu sämtlichen Medien und in fast allen politischen Lagern (selbst beim Zentralrat der Juden in Deutschland, der augenscheinlich nach dem Motto »Lieber mit der Rotte heulen als im Abseits stehen« verfährt). Nicht wenige glauben, dem SWC allerlei Ratschläge erteilen zu müssen, wie es seine »Top Ten« zu gestalten und welche Kriterien es dafür zugrunde zu legen habe. In Abwandlung von Karl Luegers Diktum »Wer Jude ist, bestimme ich« heißt es nun: »Wer Antisemit ist, bestimmen wir« – und nicht etwa eine jüdisch-amerikanische Organisation, deren Namensgeber, ein Überlebender der Shoa, die »Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter« zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte.
Das Gerücht über die Juden
Dabei gibt es beste Gründe, Augstein einen Antisemiten zu nennen, wie insbesondere Henryk M. Broder in der Welt, Rainer Trampert in Konkret und Stefan Gärtner in der Titanic (sic!) überzeugend nachgewiesen haben. »Die fantasierte jüdische Weltherrschaft«, so resümiert Trampert, »die Weltkriegsgefahr, die Aufregung über eine Fiktion und die Gleichgültigkeit gegenüber realen Kriegen und Kriegstoten, die Insinuationen, dass Israel hinter dem Mohammed-Film, dem Krieg in Syrien und der iranischen Bombe stecke und die Toten in den innerarabischen Machtkämpfen zu verantworten habe, die Wiederholung der Lüge vom Juden, der aus dem Antisemitismus Profit schlage, diese ganze Sammlung perfider Projektionen zeigt eine Verblendung, die mit einer Kritik an Aspekten israelischer Politik nichts mehr zu tun hat.« Hinzu gesellt sich noch der altbekannte Trick, »sich als Verfolgte[r] darzustellen«, wie Adorno analysierte, »sich zu gebärden, als wäre durch die öffentliche Meinung, die Äußerungen des Antisemitismus heute unmöglich macht, der Antisemit eigentlich der, gegen den der Stachel der Gesellschaft sich richtet, während im Allgemeinen die Antisemiten doch die sind, die den Stachel der Gesellschaft am grausamsten und am erfolgreichsten handhaben«. Oder, um es mit Stefan Gärtner zu formulieren: »Dass die Juden uns den Mund verbieten, ist das Gerücht über die Juden, das nach Adorno der Antisemitismus ist. Wer glaubt, dass es wahr sei, ist ein Antisemit. Augstein ist einer.«
Dass er nun trotzdem nahezu unisono freigesprochen wird, liegt maßgeblich daran, dass diejenigen, die sich zu seinen Anwälten aufschwingen, keinen Begriff vom (modernen) Antisemitismus haben und sich in Bezug auf Israel in der Regel kaum bis gar nicht von Augstein unterscheiden. »Die meisten wollenAugsteins antisemitisches Potenzial schlicht nicht erkennen, weil sie es mit ihm teilen«, schreibt Jennifer Nathalie Pyka zu Recht. Augsteins Auslassungen über den jüdischen Staat und seine Regierung hält beispielsweise der Zeit-Autor Frank Drieschner bloß für »triviale Feststellungen«, Nils Minkmar befindet in der FAZ, sie entstammten »keinem vagen Ressentiment«, sondern entsprächen »der Wahrheit«, und Christian Bommarius urteilt in der Frankfurter Rundschau, Augstein nehme sich »lediglich die Freiheit, die Regierung Netanjahu dafür zu kritisieren, wofür sie alle Welt kritisiert« – so, als wäre der fundamentale Unterschied zwischen Kritik und Ressentiment eine Frage von Mehrheiten. Henryk M. Broder hat die Unfähigkeit und den Unwillen, im Volkssport namens »Israelkritik« eine moderne und gefährliche Form von Judenhass zu erkennen, bereits im November 2011 auf den Punkt gebracht: »Für Antisemitismus gibt es in Deutschland seit 1945 einen klaren Maßstab: den Holocaust. Alles darunter ist eine Ordnungswidrigkeit.« Wenn nicht sogar ein Menschenrecht.
Und da Broder vom Simon Wiesenthal Center gewissermaßen als Gewährsmann für Augsteins Antisemitismus geführt wird, stürzen sich nun nicht wenige wie die Hyänen auf ihn. Niemand davon unternimmt auch nur den Versuch, Broders präziser und hellsichtiger Kritik mit Argumenten zu begegnen; an die Stelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung treten teilweise hasserfüllte Beschimpfungen, die Bände sprechen. Der »Antisemitismusexperte« Klaus Holz etwa bezeichnet Broder im Deutschlandradio als »Pöbler«, Nils Minkmar nennt ihn in der FAZ den »Bud Spencer unter den deutschen Kommentatoren«, Joachim Petrick hält ihn in Augsteins Freitag für einen »hochtrabend dahergaloppierenden ruchlosen Rüstungslobbyisten des militärisch-psychiatrisch-pharmazeutischen Industriekomplexes der USA«. Für Christian Bommarius, Autor der Frankfurter Rundschau, ist der jüdische Publizist gar ein moderner Goebbels, der froh sein kann, dass er »bis heute frei herumläuft«. Es blieb Rabbi Abraham Cooper, dem stellvertretenden Direktor des SWC, vorbehalten, nüchtern klarzustellen: »Wir haben nicht mit Broder gesprochen, er hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung. Aber ein Großteil unserer Mitglieder kennt Augstein nicht, deswegen wollten wir Broders Perspektive dazunehmen. Er ist ein in der jüdischen Gemeinde weltweit respektierter Wortarbeiter, und anders als wir ist er vor Ort in Deutschland. Augstein hat auf seine Kritik übrigens nie reagiert, das halte ich für sehr vielsagend.«
Die Grenzen des Unsäglichen
Apropos vielsagend: Kaum jemandem scheint aufgefallen zu sein, dass bereits die faktische Existenz einer ganz großen deutschen Koalition gegen das SWC und für Jakob Augstein, die von der FAZ bis zur taz und von der CDU bis zur Linkspartei reicht, einen Beweis dafür darstellt, wie falsch, um nicht zu sagen demagogisch die allenthalben – und natürlich auch von Augstein selbst – zu vernehmende Behauptung ist, der Antisemitismusbegriff werde inflationär verwendet und damit schändlich missbraucht. Ganz im Gegenteil ist durch die massive öffentliche Intervention zugunsten eines prominenten israelfeindlichen Publizisten – und genau das war ihr Ziel – die Grenze des Sagbaren (genauer: des Unsäglichen) noch einmal verschoben worden. Wer künftig behauptet, Israel führe »die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs«, gefährde den Weltfrieden und pferche Palästinenser in einem Lager namens Gaza zusammen, kann sich im Falle von Kritik bequem auf den Freispruch für Augstein berufen – der ein kollektiver Freispruch für Deutschland ist und zudem einem Persilschein für die gesamte »Israelkritik« gleichkommt. Selbst am Zentrum für Antisemitismusforschung ist man schließlich der Ansicht, dass derartige Äußerungen vielleicht »grenzwertig« sind, aber nicht antisemitisch (was das ganze Elend perfekt macht, doch keineswegs überraschend kommt).
Betrachtet man die gegenwärtige Debatte geschichtspolitisch, dann gesellt sich noch ein weiterer, nicht unwichtiger Aspekt hinzu: Nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen hat Simon Wiesenthal alles daran gesetzt, nationalsozialistische Täter einem juristischen Verfahren zuzuführen, während sie in Deutschland geschützt und gedeckt wurden, Pensionen erhielten und wieder teilweise höchstrangige Ämter bekleiden durften. Als die meisten Altnazis nicht mehr lebten und es den Deutschen, nachdem sie sich wiedervereinigt hatten, schließlich auch noch gelang, einen finanziellen Schlussstrich unter die NS-Zeit zu ziehen, begannen sie, Mahnmale zu bauen, staatliche Gedenkveranstaltungen auszurichten, sich selbst für geläutert zu erklären und schließlich den moralischen Profit aus ihrer »Vergangenheitsbewältigung« einzufordern – wozu es auch gehört, die »Israelkritik« als »Lehre aus der Geschichte« zu verkaufen. Dass man diese Masche beim Simon Wiesenthal Center durchschaut, aus guten Gründen misstrauisch bleibt und auch deshalb regelmäßig Deutsche in die »Top Ten« der erwähnenswertesten antisemitischen Verunglimpfungen beruft, nehmen die Nachfahren und Erben der Täter dem Zentrum erkennbar übel.
Umso erfreulicher, dass man beim SWC nun Augsteins Nominierung bekräftigt und verteidigt. »Ich habe großes Verständnis dafür, dass Henryk M. Broder Augstein wegen dessen Agitationen mit Julius Streicher vergleicht«, sagt Efraim Zuroff, der Direktor der Jerusalemer Dependance dieser Einrichtung. »Augstein misst beim Thema Israel mit zweierlei Maß, macht aus Tätern Opfer, klammert den Terror der Hamas vollkommen aus. Seine Äußerungen sind ganz und gar empörend, diffamierend und ekelhaft.« Und Rabbi Abraham Cooper fordert: »Augstein sollte sich bei seinen Lesern und dem jüdischen Volk entschuldigen.« Dass er das nicht tun wird, darf als sicher gelten – so sicher, wie das SWC auch am Ende dieses Jahres wieder reichlich Auswahl haben wird, wenn es darum geht, die Ausfälle eines deutschen »Israelkritikers«, der kein Antisemit sein will, in die »Top Ten« zu hieven.
Lesetipp: »Die Verhältnisse in Deutschland«, veröffentlicht auf dem Weblog Verbrochenes.
Über die medialen Anstrengungen zur Rettung der »Israelkritik«.
VON BORIS YELLNIKOFF
Deutschland empört sich. Und alles ist gut.
Ein nobelbepreister greiser Dichter, kein Geringerer als ein Säulenheiliger der Nation, vergeht sich an Sprache und Staatsräson, und eine Welle der Empörung schlägt ihm entgegen. Das Land – sein Land! –, es zeigt sich undankbar, trotzdem er so tatkräftig und wortreich half: bei der »Wiedergutwerdung der Deutschen«*. Doch diesmal ist der alte Mann zu weit gegangen: Nun klingt er wieder wie der junge, der er einmal war, als die Runen der SS an seinem Kragen prangten.
Zu Grass’ »Gedicht« ist unterdessen in allen Medien alles gesagt worden. All der Aufwand mit all den Kommentaren, Interviews und Feuilletons war gleichwohl unnötig. Denn über Grass war keine neue Erkenntnis zu gewinnen. Als er vor mehr als zehn Jahren sich schon einmal »israelkritisch« bis zur Einstaatenlösung exponierte, stellte Paul Spiegel fest, mit seinen Auslassungen stelle sich Grass »auf eine Stufe mit den radikalen Feinden Israels«. Wenig später weitete Spiegel den Blick von Grass auf die Grassdeutschen: »Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder.« Und die da rufen, sind ihre Büttel und Lakaien. Damit war alles Nötige erkannt und gesagt.
Wohl gibt es in diesen Tagen einige gelungene Repliken. Bei Henryk M. Broder beispielsweise nimmt es nicht wunder, wenn Klarheit und Deutlichkeit regieren. Josef Joffe hat irgendwann einmal Freud gelesen und bringt das jetzt in Stellung. Auch Frank Schirrmacher seziert mürbes Denken und Dichten mit scharfem Skalpell, aber der hat länger schon ein Problem mit Grass. Und dass der zum Konservatismus konvertierte Jan Fleischhauer sich mit dem renitenten alten Linken anlegt, ist erwartungskonform. Sie haben ja auch Recht: Mit seinem »Machwerk des Ressentiments«, so Schirrmacher, sucht Grass »seinen Frieden mit der eigenen Biografie« zu machen.
Was ihnen entgeht: Günter Grass könnte eigentlich egal sein. Ein alter Mann redet wirr, das tat er öfter schon, na und? Was Antisemitismus ist, definiere ich, sagt der Antisemit. Was Lyrik ist, definiere ich, sagt der Lyriker. Grass definiert beides. Nichts daran ist neu. Dass er dennoch für so wichtig erachtet wird, liegt am Resonanzboden, durch den ihm einst der Aufstieg zur »moralischen Instanz« ermöglicht wurde und der sich nun im medialen Overkill gegen ihn wendet. Und eben dieser Overkill ist verwunderlich. Geschenkt, dass die meisten Grass-Kritiker längst nicht Broders oder Joffes Qualitäten haben. Doch das hat Gründe: Sieht man sich nicht allein an, dass sie Grass widersprechen, sondern wie und mit welcher Verve, erkennt man schnell eine Art nationaler Selbstvergewisserung: nicht über die Sache – die Kritik an Israel, die sei möglich, legitim, notwendig, ja angeraten –, doch über den Ton, und der macht die Musik.
Tonsetzer
Zwei Beispiele zum Beleg: Mit Donnern setzt Sebastian Hammelehle auf Spiegel Online ein und nennt das Grass-Elaborat einen »lyrischen Erstschlag« – »und das von deutschem Boden«. Das sitzt; Hammelehle nimmt offenbar übel. Vor allem dies: Kritik an Israel, da irre Grass, sei gar nicht antisemitisch. »Müsste man sie im Zweifelsfall nicht eher antiisraelisch oder vielleicht antizionistisch nennen?«, fragt er. Das scheint des Kritikers große Sorge. Und auch noch das: Sich dergestalt zu äußern, sei gar nicht verboten. Hammelehle wirft Grass »die Frivolität des Tabubruchs« vor, als wolle er sich und seinen Deutschen das längst Erreichte nicht nehmen lassen, nämlich ungehindert von äußeren wie inneren Zensoren sagen zu können, was einem auf der Leber liegt: »Erst kürzlich konnte der SPD-Chef Sigmar Gabriel doch ganz unbehelligt von ›Apartheid‹ in Hebron schwadronieren. Wurde er bestraft? Nein.«
Empirisch richtig, normativ falsch, doch letzteres ficht Hammelehle nicht an. Dabei müht er sich persönlich durchaus um die Staatsräson, sieht Israel »von Feinden umzingelt« und hat auch nichts gegen deutsche U-Boote für den jüdischen Staat. Doch wie es in ihm trotzdem denkt, kann er nur schlecht verbergen: »Ob es in absehbarer Zeit, wie im Gedicht unterstellt, zu einem Atomangriff kommt, mit dem Israel das ›iranische Volk auslöschen könnte‹, ist keineswegs sicher.« Keineswegs sicher. So räumt er kulant eine Restwahrscheinlichkeit ein, dass Israel keinen atomaren Erstschlag plant, und auch keine 75 Millionen Iraner zu vernichten trachtet. Jetzt einen »Faktencheck« zu bemühen, wäre zwar medientypisch, aber absurd: Wo es so denkt, sind Fakten obsolet.
Deutlicher noch wird Stefan Reinicke, aber der schreibt auch für die taz: »Richtiges Motiv, falscher Ton«. Er kritisiert zunächst die Form, denn »Leitartikel in Lyrikform sind immer Mogelei«, und fordert eine »klare Beweisführung«. Einen »atomaren Erstschlag Israels auf Iran« gäben dann selbst die »schlimmsten Untergangsszenarien« nicht her. Ende der Beweisführung, es folgt die Offenbarung: »Nein, Grass ist kein Antisemit, und sein Motiv, vor dem drohenden Militärschlag Israels gegen Iran zu warnen, ist legitim. Man muss dieses Anliegen gegen den egomanen Autor verteidigen – und erst recht gegen Kritiker, die mit dem Verdikt ›Antisemitismus‹ Israel gegen jede scharfe Kritik imprägnieren.« Der Dissens ist lediglich einer in der Form, und Grass schadet nur dem gemeinsamen Anliegen: »Im schlimmsten Fall nutzt er damit ausgerechnet den Falken, die den israelischen Angriff wollen.« Reinicke geht es somit um nicht weniger als die Rettung der »Israelkritik« vor einem unkontrollierbar gewordenen Alten, der die Sache zu desavouieren droht.
Selbstbeschwörung
So also argumentieren nicht wenige vorgebliche Kritiker von Grass, von seinen offenen Apologeten ganz zu schweigen – um die soll es hier allenfalls am Rande gehen. Sie werden zahlreicher und in den Medien vernehmbarer. Sie sind des Volkes wahre Stimme – das zeigen die Reaktionen in Leserbriefen, Onlineforen und Höreranrufen. Doch in der öffentlichen Debatte geben immer noch die Antigrassisten den Ton an. Und dieser klingt in seiner Monotonie nach Selbstbeschwörung:
Außenminister Guido Westerwelle hält es für absurd, »Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen«. (Wenn Westerwelle zugleich konstatiert, Deutschland setze sich »für eine atomwaffenfreie Zone im gesamten Nahen und Mittleren Osten ein«, dann klingt darin ein Motiv von Grass an, dann kann das durchaus als Drohung in Richtung Israel verstanden werden.)
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, stellt fest: »Grass verwechselt Ursache und Wirkung«; »mit seinem politischen Urteil liegt er völlig daneben«. (Polenz’ Engagement für Waldorfpädagogik, »moderaten Islamismus« und freundschaftliche »Israelkritik« ist gleichwohl Legende.)
Rolf Hochhuth schließlich schämt sich »als Deutscher« und unterstellt Grass, er sei schlicht der SS-Mann geblieben, der er einst freiwillig wurde. (Hochhuth ist jener »Antifaschist«, der in der Jungen Freiheit den Holocaustleugner David Irving als einen »fabelhaften Pionier der Zeitgeschichte« bezeichnete.)
Die Liste der Empörten aus Politik und Kulturbetrieb ließe sich beliebig verlängern. Wenn aber die Räson der Merkel, das Eintreten für das Existenzrecht Israels, von solch bundesrepublikanischer Selbstverständlichkeit wäre, wie es gerade in Anbetracht der Unzahl sendungsbewusster Antigrassisten erscheint, dann wäre das Ausmaß der Empörung unnötig. Die Vehemenz der Grass-Kritiker erscheint in diesem Lichte unsouverän. Das hat Gründe.
Exorzismus
Zum einen scheint es bei den Besseren der Kritiker ein autosuggestives Moment zu geben: Die Gewissheit nämlich, Deutschland stünde in der Not zu Israel, ist zu fragil. Den wiedergutgewordenen Deutschen wird allenfalls zweifelnd Glauben geschenkt. Das ist vernünftig. Noch größere Einmütigkeit als gegen Grass gab es nämlich, als es einmal konkret wurde – gegen Israel: Am 1. Juli 2010 kannte der Bundestag keine Parteien mehr und votierte einstimmig für eine Resolution, in der »die unmittelbare, bedingungslose und dauerhafte Öffnung von Zugängen zu Gaza« gefordert wurde; die Gaza-Blockade sei zu beenden, und zwar sofort. Das war die unzweideutige Parteinahme gegen Israel und sein Interesse, arabische Terrorbanden am freien Güter- und Personenverkehr zu hindern; das war, auf seine Konsequenz hin gedacht, ein Kapitulationsaufruf an den jüdischen Staat. Eine Grass-Kritik, die das nicht mitdenkt und den Konsens der hohlen Phrase beschwört, der in der Praxis nichts bedeutet, ist bestenfalls wishful thinking.
Zum anderen scheinen die Schlechteren der Kritiker, jene, die sich um die Rettung der »Israelkritik« mühen – und das ist die Mehrheit –, erschrocken, weil sie sich in Grass selbst wiedererkennen. Darum betreiben sie einen doppelten Exorzismus: Es wird der alte Nazismus, der in seiner Sprache aufscheint, ebenso ausgetrieben wie das, was sich in seiner Sprache bis zur Kenntlichkeit entstellt: So meint man es selbst ja gar nicht, und schon gar nicht in dieser Diktion. Das ist durchsichtig: Da die von Nazideutschland angestrengte »Endlösung« unvollendet blieb, bildet seitdem der wehrhafte Zionist das peinigende Gegenbild zu jenem schicksalsergebenen Juden, der dem in der Barbarei gescheiterten Westen überhaupt noch erträglich erscheint. Darauf gründet sich ein doppeltes psychologisches Bedürfnis: zu brechen mit dem alten Antisemitismus, und sei es der Form halber, und zugleich seinen Frieden zu machen. Und da dieser nicht mit Israel gelingen kann – der real existierende Judenstaat ist immer auch lebendige Erinnerung an sechs Millionen Ermordete –, dann eben als Frieden gegen Israel.**
Diese beiden Bedürfnisse werden versöhnt im sprachlich Maß haltenden und moralisch einwandfreien Pazifismus der Äquidistanz; man »kritisiert« Israel als »Freund« ja nur zu dessen angeblich eigenem Besten, und man tut dies in einer durch die NS-Vergangenheit unbelasteten Sprache. Günter Grass hat diese Versöhnung aufgekündigt; das ist sein Vergehen. Wenn nämlich der Alte nun in altem Jargon gegen Israel tönt, dann befindet er sich außerhalb des Cordon sanitaire, der im postnazistischen Diskurs errichtet wurde. Im Grunde findet er aber nur zurück zu jener Sprache, die unverstellt den Blick darauf zulässt, was eigentlich gemeint ist.
Einigkeit existiert zwischen den tonangebenden falschen Kritikern und den sich langsam aus der Deckung wagenden wahren Freunden von Grass darüber, dass man zur Tagesordnung zurückkehren müsse. Und auf dieser steht unvermindert Israel – als deutsche Obsession. Schluss also mit einer »Diskussion, die einem wenig sagt über das, was im Nahen Osten passiert«, mit diesem Selbstgespräch »so voller Wehleidigkeit, Selbsthass und mühsam unterdrückter Aggression«. Zurück dafür zum Judenstaat, der künftig von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Grass die Einreise verweigern will. Das mag ein symbolischer Akt sein, aber er bedeutet für den Antisemiten, dass man auf dessen vorgebliche Verbundenheit – Grass gibt ja in seinem Elaborat vor, ein Freund Israels zu sein und dies auch bleiben zu wollen – keine einzige Agora gibt. (Diese kleine Münze ist ohnehin schon seit langem aus dem Verkehr gezogen.) Dies hält man hierzulande für unangemessen respektive überzogen, und eben jene Medien, die sich gerade noch über Grass echauffierten, lassen nun ihre guten Juden die Entscheidung Israels verdammen – ob durch Avi Primor (die Entscheidung sei »übertrieben und populistisch«), Moshe Zimmermann (»Zensur« sei am Werk, die »nicht untypisch für Israel« sei) oder Tom Segev (»Damit rückt Israel sich in die Nähe Irans«). So geht »Israelkritik« heute – willkommen zurück in der deutschen Realität.
Kunstsimulation
Eines noch zum Versagen der Grass-Kritik, weil sie es nicht wirklich ernst meint: Was der »Dichter« da fabrizierte, als Lyrik weiter gelten zu lassen, und sei es als schlechte, ist ein Anschlag auf die Kunst. Dieser Anschlag ist nicht minder perfide als das öffentlich-rechtlich erklärte Anliegen des Alten, sich mit seiner Schundproduktion in eine Reihe von Walther von der Vogelweide über Heinrich Heine bis Bertolt Brecht zu stellen. (Dass er sich in einem Atemzug mit Erich Fried nennt, ist allerdings berechtigt.) Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass engagierte Kunst nichts anderes ist als Engagement für Weltanschauliches im Tarnmantel einer Kunstsimulation (und damit eine Lüge) und dass die Tarnung notwendig versagt, sodass pure Ideologie erscheint, dann hat Grass diesen erbracht. Form follows function, und darum gilt: Eine Kritik, die beim greisen Dichterdenker nicht Form und Inhalt in ihrer jeweiligen Unerträglichkeit aufeinander bezieht, macht sich mit dem vorgeblich Kritisierten auf halber Strecke schon gemein. Während der Alte denkend als erledigt gilt, soll er allenfalls noch dichten dürfen. Am Ende seines Interviews wünscht sich der dauergrinsende Tom Buhrow von Grass dann auch, was nur ein nächstes Grauen wäre: einen neuen Roman.
Da also die Kritik an Grass so überlaut, übermächtig und im Argument oft so labil ist und da sie in der politischen Praxis wenig zu bedeuten hat, gibt sie unfreiwillig ihr Wesen preis. Sie zieht eine Demarkationslinie zu Grass, zum Unsäglichen, um zu salvieren, was sich im Ton mäßigt, auch wenn es Gleiches meint. Die neue Zeit hat ihren neuen Jargon, da stört das desavouierte Raunen des Alten. Wir erleben: den überfälligen Vatermord der Grassdeutschen.
Deutschland empört sich. Doch nichts ist gut.
Anmerkungen
* Eike Geisel prägte einst die Wendung von der »Wiedergutwerdung der Deutschen«. Aber Geisel ist tot, und weil er sie nicht freundlich meinte und obendrein noch Recht hatte, will kaum jemand sich noch an ihn erinnern.
** Man müsste an dieser Stelle den israelischen Psychoanalytiker Zvi Rex zitieren, dass nämlich die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen. Aber das wird dieser Tage schon oft genug getan, nur meist ohne darauf abzuheben, was das recht eigentlich bedeutet.
Zum Foto: Von Günter Grass gestiftetes, mit einem Graffito versehenes Denkmal. Göttingen, 7. April 2012.
In Magdeburg wurde anlässlich einer Nazi-Demo und der Proteste dagegen vollends ununterscheidbar, wer auf welcher Seite steht.
VON TJARK KUNSTREICH UND JOEL NABER
Die Häftlingsuniformen reichten nicht, auch die Gesichter hatten sie sich grau angemalt, um die Wohlstandsrosigkeit zu kaschieren: Eine Gruppe von Demonstranten, die gegen den Nazi-Aufmarsch in Magdeburg am 14. Januar protestieren wollten, hatte sich da etwas ganz Besonderes ausgedacht. Allerdings waren sie nicht barfuß unterwegs oder in Holzschuhen; so sieht man auf dem Foto oben die Markenschuhe, die Authentizität hat schließlich ihre Wettergrenzen. Wer nun vermutet, dass es sich hier um besonders radikale Gegner handelte, die zu jeder Form der Verhinderung eines Aufmarsches der Nazis bereit gewesen wären, hat weit gefehlt. Nicht nur, dass man sich schlicht auf die Straße legte, um sich wegtragen zu lassen. Um den Anschein allzu großer Identifikation mit den Opfern des Nationalsozialismus gar nicht erst aufkommen zu lassen, legten diese Leute eine Erklärung in Form eines Transparents vor, auf dem stand: »FÜR DAS ERINNERN – Wir trauern um jeden Menschen, den wir an den Faschismus verlieren«.
Erinnern an was? Und wer ist das »Wir«, das Menschen an den Faschismus verliert? Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich an die Stelle der Opfer setzt und die schon für sich genommen pervers ist, setzt sich reibungslos fort in der Nonchalance, mit der im selben Moment die Opfer des Nationalsozialismus durch die Nazis ersetzt werden, »die wir an den Faschismus verlieren«. Was suggeriert das anderes als: Wir könnten uns doch, im ERINNERN, so gut verstehen! Diese Ergänzung des Nazi-Gedenkens an die Bombardierung Magdeburgs steht in der schlechten Tradition des DDR-Antifaschismus, der schon immer die Opfer der Vernichtung vereinnahmte und damit zugleich zum Verschwinden brachte – doch es geht noch eine Stufe weiter: Das kämpferische Moment der Kommunisten ist der Identifikation mit der den Opfern zugedachten Passivität gewichen, die als Unschuld imaginiert wird.
Ehemalige KZ-Häftlinge haben zu verschiedenen Gelegenheiten ihre Uniformen wieder angezogen – manchmal auch solche Überlebende, die nicht im KZ waren –, um beispielsweise gegen Berufsverbote zu protestieren oder für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zu demonstrieren. Schon das war fragwürdig, aber es war die Sache der Überlebenden. Allerdings war ihr Erscheinen vor dem Majdanek-Prozess oder anlässlich von IG-Farben-Aktionärsversammlungen Ausdruck ihres Interesses und ihrer Anliegen – gegen eine Gesellschaft, die die Tatsache, dass sie diese Uniformen einst trugen, verleugnete. Mit dem Tod der Überlebenden hat sich diese Form des moralischen Appells gegen das Vergessen erledigt. Nicht erledigt hat sich dagegen offenbar die Attraktivität des Opferstatus – die obszöne Verkleidung bringt schlafwandlerisch die neueuropäische Moral der Empörten zum Ausdruck, die sich von den Altnazis gestört fühlt, aber sie instinktiv auf ihrer Seite zu wissen wünscht. Denn an Gemeinsamem – dem ERINNERN an die Schrecken des alliierten Bombenkriegs und an die Gegenwart der fortdauernden Schrecken des globalisierten Kapitalismus – mangelte es doch nicht.
Dass sich das in Magdeburg abspielt, jener Hochburg der Vereinigung von west- und ostdeutschem Antiimperialismus, ist kein Zufall: Von allem war die Rede vor diesem Nazi-Aufmarsch, nur nicht vom Antisemitismus und vom Hass auf Israel. Wer davon spräche, würde im Handumdrehen Demonstranten wie Gegendemonstranten vereint gegen sich sehen. Die europäische Unschuld, die heute lieber morden lässt, statt selbst zu morden, fühlt sich von den bösen ewiggestrigen Nazis, denen man zumindest zugestehen muss, dass sie negativ die Wahrheit der europäischen Geschichte repräsentieren, eben so sehr gestört, wie sie sie zur Selbstvergewisserung braucht. In wenigen Wochen wird sich das Gleiche in Dresden abspielen, eine Selbstversicherung für deutsche Antifaschisten, die ohne Nazis in eine Identitätskrise gerieten – nicht von ungefähr sah man auf der Seite der Gegendemonstranten kein Transparent, das die Lüge von den »alliierten Mördern« angegriffen hätte. Denn darin ist man sich einig: Deutsche Opfer sind keine Täter.
Nine-Eleven und der Furor gegen den Individualismus – drei Thesen. Dokumentation eines Vortrags von Tilman Tarach, gehalten im Rahmen der Freiburger Thementage Antisemitismus am 10. September 2011 und hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.
VON TILMAN TARACH
I.
Nicht nur Osama bin Laden und seine heimlichen sowie offenen Sympathisanten sehnten sich die Zerstörung New Yorks herbei. Schon über Adolf Hitler schrieb Albert Speer in seinen Spandauer Tagebüchern: „Ich erinnere mich, wie er sich in der Reichskanzlei Filme vom brennenden London, vom Feuermeer über Warschau, von explodierenden Geleitzügen vorführen ließ und welche Gier ihn dann jedes Mal erfasste. Nie aber habe ich ihn so außer sich gesehen wie gegen Ende des Krieges, als er wie in einem Delirium sich und uns den Untergang New Yorks in Flammenstürmen ausmalte. Er beschrieb, wie sich die Wolkenkratzer in riesige, brennende Fackeln verwandelten, wie sie durcheinander stürzten, wie der Widerschein der berstenden Stadt am dunklen Himmel stand, und er meinte, wie aus einer Ekstase zurückfindend, Saur solle den Entwurf Messerschmidts für einen vierstrahligen Fernbomber sofort in die Wirklichkeit umsetzen.“ [1]
Nun ist Speer zwar ein zweifelhafter Zeuge, aber es existiert auch eine Karte aus dem Jahr 1944, die einen deutschen Angriff auf Manhattan und die zu erwartenden Zerstörungen skizziert. [2] Das Zitat und die Karte erinnern in geradezu unheimlicher Weise an 9/11, und in der Tat kann der Angriff auf die Twin Towers als späte Erfüllung eines leidenschaftlichen nationalsozialistischen Wunsches verstanden werden. Allerdings wird die ideologische Nähe der Attentäter von 9/11 zum Nationalsozialismus weitgehend geleugnet.
Osama bin Laden hatte sich schon in seiner Schulzeit der Muslimbruderschaft angeschlossen, deren Gründer Hassan al-Banna ein glühender Bewunderer Mussolinis und Hitlers war, die „ihre Völker zu Einheit, Ordnung, Erneuerung, Macht und Ruhm“ geführt hätten. Auch von Hitlers Rundfunkreden und den Deutschen war al-Banna begeistert, wohingegen er die „Verwestlichung“ und „Verweichlichung“ der Ägypter kritisierte, die leider von einer „Liebe zum weltzugewandten Leben und einem Hass auf den Tod“ erfasst worden seien. [3]
Die Parole „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ ist bekannt geworden durch die Madrid-Attentäter aus dem Jahr 2004, in Wahrheit jedoch gehört sie zum Standardrepertoire der antiwestlichen islamistischen Verlautbarungen. Bin Laden äußerte sich schon 1996 in einer an die Amerikaner gerichteten Fatwa wie folgt über seine jungen Anhänger: „Diese jungen Männer lieben den Tod, so wie ihr das Leben liebt.“ [4] Dass insbesondere die Juden „eher das Leben lieben“, wohingegen „wir“ – die Palästinenser – „eher den Tod lieben“, hört man in den palästinensischen Gebieten mitunter von ganz normalen Bewohnern (auch Ulrich W. Sahm berichtet dies), und auch verschiedene hochrangige Hamas-Vertreter gaben Ähnliches bereits zum Besten, etwa Fathi Hamad und Ismail Haniya.
Der wichtigste geistige Pate bin Ladens war der Ägypter Sayyid Qutb, einer der bedeutendsten islamistischen Theoretiker der Muslimbruderschaft. In seinem 1950 veröffentlichter Aufsatz Unser Kampf mit den Juden schrieb Qutb beispielsweise: „Allah hat Hitler gebracht, um über sie zu herrschen; […] und Allah möge (wieder) Leute schicken, um den Juden die schlimmste Art der Strafe zu verpassen; damit wird er sein eindeutiges Versprechen erfüllen.“
Was nun Osama bin Laden betrifft, so haben sich weite Teile der europäischen Gesellschaft noch nicht einmal zu dem sprichwörtlichen schrecklichen Verdacht durchgerungen, er könnte etwas gegen Juden gehabt haben. Der diesbezügliche, ziemlich ausführliche deutsche Wikipedia-Eintrag beispielsweise erwähnt dessen Antisemitismus mit keiner Silbe, obwohl er in bin Ladens Ideologie eine zentrale Stellung einnahm und seine Texte vor antisemitischer Hetze nur so strotzen. „Der jüdische Feind ist der Aggressor, der Verderber der Religion und der Welt“, erklärte er 1994; ein Jahr später bezeichnete er die „Palästinafrage“ als „die Mutter aller muslimischen Anliegen“. Im November 2001 sagte er in einer Video-Botschaft: „Wie sollen die armen Mütter von Palästina ertragen, dass ihre Kinder vor ihren Augen den Unterdrückern, den jüdischen Polizisten zum Opfer fallen, mit der Unterstützung der USA, mit Flugzeugen und Panzern der USA? Wer zwischen Amerika und Israel unterscheidet, ist der wahre Feind der Umma.“ Und in seinem „Brief an Amerika“ vom November 2002 schrieb er: „Euer Gesetz ist das Gesetz der Reichen und Mächtigen, die in ihren Parteien Hof halten und Wahlkampagnen durch ihre Geschenke finanzieren. Hinter ihnen stehen die Juden, die eure Politik, eure Medien und eure Wirtschaft kontrollieren.“ (Auch dies könnte aus der Feder der Nationalsozialisten stammen, die ja hinter den Alliierten ebenfalls nur Juden sahen.) In seinem Brief „an die Völker Europas“ schließlich erklärte bin Laden im April 2004: „Präsident Bush und die anderen Regierungsvorsitzenden, die großen Medienkonzerne, die Vereinten Nationen, die zwischen den militärischen Führern und der mächtigen Generalversammlung ihre Gesetze erlassen – sie alle sind nur Agenten der Täuschung und Ausbeutung. Diese und andere Gruppen sind eine tödliche Gefahr für die gesamte Welt, und die gefährlichste und komplexeste ist die Lobby der Zionisten.“ [5]
Personen aus dem Hamburger Umfeld von Mohammed Atta, dem wohl bedeutendsten der 19 Attentäter des 11. September, attestierten diesem unumwunden ein „nationalsozialistisches Weltbild“. Die Juden waren für ihn die „Strippenzieher der Medien, der Wirtschaft, der Politik“, und natürlich steckten sie auch hinter den Kriegen am Golf, auf dem Balkan, in Tschetschenien und so weiter. Atta wünschte sich einen Gottesstaat vom Nil bis zum Euphrat, das heißt: die Zerstörung Israels. Die Juden, so Atta, wollten letztlich den Islam ausrotten, und das „Zentrum des Weltjudentums“ befinde sich in New York. [6] Schon Abdul Rahman Yasin, der am 1993er-Anschlag auf die Twin Towers beteiligt war, hatte sich in den Wahn hineingesteigert, die Mehrzahl der im World Trade Center arbeitenden Menschen seien Juden.
Gleichwohl erntet man insbesondere innerhalb großer Teile der politischen Linken bestenfalls Kopfschütteln, wenn man den antisemitischen Charakter von 9/11 benennt; nicht selten wird ein solcher Hinweis gar empört zurückgewiesen, als Denunziation des wackeren Kämpfers Osama bin Laden nämlich, der doch zumindest „objektiv“ als Antiimperialist zu gelten habe. Das antisemitische Weltbild der Täter wird also verleugnet oder verharmlost – so wie insbesondere die politische Linke in der Weimarer Republik den Antisemitismus der Nazis allzu leichtfertig bagatellisiert hatte (als „Nebenwiderspruch“ beispielsweise). Und die Interviews bin Ladens sowie die sonstigen antisemitischen Äußerungen der Gotteskrieger werden kaum zur Kenntnis genommen, so wie in der Weimarer Zeit die Europäer einschließlich der Linken es kaum für nötig befanden, Mein Kampf zu lesen und zu skandalisieren.
II.
Der Hassschwerpunkt aller Antisemiten ist gegen die Idee der Emanzipation des Individuums von den Zwängen der Natur und vor allem der Gesellschaft gerichtet; Judenfeinde sind stets Feinde der individuellen Freiheit und der Geistes. Nicht das Subjekt mit all seinen Bedürfnissen steht im Vordergrund, sondern ein religiöses oder nationales Kollektiv: Was früher die Christenheit war, ist heute die Umma oder die mit der Scholle verwachsene, gleichsam naturwüchsige Volksgemeinschaft. Das zeigt sich auch an den gängigen antizionistischen Parolen: Es ist eher selten die Rede von der „Freiheit für die Palästinenser“, weitaus häufiger wird die „Freiheit für das palästinensische Volk“ gefordert. Antisemiten sind geprägt von der Angst vor dem Verlust der Nestwärme der eigenen Gemeinschaft, von der Angst vor der Freiheit und der mit der Freiheit stets verbundenen Unsicherheit und Notwendigkeit der intellektuellen Anstrengung. Die Delegation jeder Entscheidung an eine Autorität bzw. an ein Kollektiv jedoch führt zur intellektuellen Verwahrlosung.
Antisemiten haben infolgedessen eine regelrechte Knechtsgesinnung gegenüber ihrem eigenen, paternalistisch strukturierten Kollektiv, und zur Selbstversicherung werden regelmäßig die Juden als (vermeintlich) religiöses – oder Israel als nationales – Gegenkollektiv wahrgenommen und gehasst (aber zugleich heimlich beneidet), denn sie werden als gleichschaltungsresistent imaginiert und erinnern den Antisemiten unbewusst an seine eigene armselige Existenz in seiner freiwilligen Unterwerfung unter seine eigene Gemeinschaft. Es ist, als würde die gesichtslose, dem Herdentrieb folgende graue Maus den Juden vorwerfen: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod!“
Dies alles gilt jedoch nicht nur in Bezug auf Israel, sondern tendenziell auch in Bezug auf Amerika. Bezeichnend ist schon die vor allem im islamischen Raum häufig anzutreffende Bezeichnung der USA als „großer Satan“ (neben dem „kleinen Satan“ Israel), denn gerade die Figur des Satans ist es, die einen in Versuchung führt, die also insgeheim eine (freilich verleugnete) Attraktivität ausstrahlt. Amerika steht bei den Gotteskriegern und ihren europäischen – heimlichen oder bekennenden – Freunden im Verdacht, die Moderne zu repräsentieren, den „seelenlosen“ Materialismus, die Gleichstellung der Frau, die geistige sowie sexuelle Libertinage und die individuellen Freiheitsrechte. Und in diesem Verdacht standen die USA seit ihrer Entstehung; er besteht gänzlich unabhängig von einer möglicherweise guten oder schlechten amerikanischen Außenpolitik.
Überdies beäugt manch ein Blut-und-Boden-Obskurantist die Vereinigten Staaten schließlich auch deshalb misstrauisch, weil sie keine „Blutsnation“ sind, also nicht wirklich auf einer gemeinsamen Abstammung (oder wenigstens auf einer gemeinsamen Religion) beruhen und nicht „mit ihrer Scholle verwachsen“ sind – anders als manche europäische und vor allem arabische Staaten, deren „Volksgemeinschaften“ als naturwüchsig und autochthon wahrgenommen und den „künstlichen“, multikulturellen, mitunter als „jüdisch versippt“ halluzinierten USA gegenübergestellt werden. Es ist ja gerade das Merkmal der Künstlichkeit, das besonders gerne auch gegen Israel in Anschlag gebracht wird, wie schon der beliebte, abfällige Begriff „zionistisches Gebilde“ belegt.
Der aggressive Wunsch der Antisemiten, die Juden als Störenfriede der eigenen Friedhofsruhe loszuwerden, verdichtet sich letzten Endes im Verlangen nach Elimination. Es handelt sich dabei um den von Freud beschriebenen unbewussten Vorgang der Projektion; Antisemiten sind daher in der Regel nicht dazu fähig, ihre Empfindungen zu reflektieren. Beim Antisemitismus handelt es sich also um nicht weniger als eine Massenpsychose.
Um die eigene Aggressivität zu kaschieren, werden dabei die Juden stets als Angreifer halluziniert. Früher hieß es in diesem Zusammenhang „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei Juden!“, heute wird Israel zum Aggressor gemacht, zu dem Staat, der wie kein anderer den Weltfrieden bedrohe und Palästinenser quäle, obwohl doch Israel seit über 60 Jahren bedroht und angegriffen wird und obwohl die Palästinenser, die in Israel leben – also die israelischen Araber – unvergleichlich mehr Rechte und Freiheiten haben als die Palästinenser in jedem arabischen Staat.
Aber seit dem 8. Mai 1945 gibt es in Deutschland keine Antisemiten mehr, es gibt nur noch „Israelkritiker“. Doch so wie der Antisemitismus in Adornos berühmt gewordenen Diktum als „das Gerücht über die Juden“ beschrieben wurde, so ist der Antizionismus das Gerücht über Israel.
III.
Die Juden, die so genannten Volksfeinde, die Schwulen, die Intellektuellen, aber auch alle anderen, die im Verdacht stehen, das eigene Glück zum Handlungsmaßstab zu machen, wirkten „zersetzend“ – so heißt es. „Zersetzen“ bedeutet hier, ein Kollektiv in seine Einzelteile aufzulösen. Wer sich dem Kollektiv nicht unterwirft, wer alleine durch seine Existenz beweist, dass man sich sozialem Druck nicht beugen muss, der gilt nicht selten als (Volks-)Verräter oder fremdgesteuerter Spion. Diesen Vorwurf mussten nicht nur linke Dissidenten immer wieder fürchten, sondern beispielsweise auch palästinensische Araber, die sich dann doch lieber für ein eigenes gutes Leben einsetzten statt für den Tod der Juden. Tausende von ihnen wurden in den letzten Jahrzehnten ermordet, unter dem Vorwurf, sie seien Kollaborateure mit Israel.
Aber auch anderen wird vorgeworfen, Agenten in fremdem Dienst zu sein. Die aus Bangladesch stammende Schriftstellerin Taslima Nasrin etwa wurde von fanatisch-muslimischer Seite verdächtigt, eine jüdische Spionin zu sein, weil sie Islamkritik betreibt und sich für Frauenrechte einsetzt. Und die Vertreter sowohl der linken als auch der rechten Opposition gegen Stalin wurden regelmäßig als „Agenten des Imperialismus“ oder einer jüdischen Weltverschwörung denunziert. Vergleichbare Anwürfe wurden immer wieder auch gegen Karl Marx, Sigmund Freud oder Theodor W. Adorno erhoben und ebenso – beispielsweise in den unsäglichen „Protokollen der Weisen von Zion“ – gegen die Anhänger der Französischen Revolution. Im Grunde haben wir ein analoges Phänomen schon beim europäischen Hexenwahn, denn auch die als Hexen bezeichneten Frauen wurden als von einer höheren, fremden Macht – dem so genannten Teufel – gesteuert betrachtet. Und wer heute insbesondere innerhalb eines linken sozialen Umfelds solidarisch mit Israel ist, dem wird ebenfalls nicht selten unterstellt, fremdgesteuert zu sein: Früher rief man ihm „Judenknecht“ nach, heute gilt er bevorzugt als „Imperialistenknecht“ oder als „Marionette der israelischen Regierung“.
In das kleine Hirn dieser Leute passt der Gedanke also nicht, dass man aus Überzeugung und Gründen der Vernunft eine Position einnimmt, die doch so weit entfernt ist von dem, worauf man sich stillschweigend geeinigt hat; denn zumindest der latente Antisemitismus ist ja, wenn man so will, ein konstanter Bestandteil der europäischen Kultur. Nicht sein kann, was nicht sein darf – deswegen gilt man dann den zur Reflexion unfähigen Kleingeistern als Agent einer als übermächtig imaginierten Institution. Die eigene, unabhängig von irgendwelchen Massen angeeignete Erkenntnis wird also als fremdbestimmt denunziert, und die Ressentiments und niedrigsten Instinkte aus dem Bodensatz der Gesellschaft werden als ureigenste Identität gefeiert. Kurz: Das Eigene gilt als fremd, das Fremde gilt als Eigenes.
Anmerkungen:
[1] Albert Speer: Spandauer Tagebücher, Berlin 1993, S. 126f. (Eintrag vom 18.11.1947).
[2] Die Karte stammt ursprünglich aus der Arbeit des für die Nationalsozialisten arbeitenden Luftfahrttechnikers Eugen Sänger, im Original zugänglich im Archiv des Deutschen Museums München (Nachlass Sänger, NL 230 und Vorl. Nr. 0121).
[3] Vgl. Efraim Karsh: Imperialismus im Namen Allahs. Von Muhammad bis Osama Bin Laden, München 2007, S. 313f.; Matthias Küntzel: Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg, Freiburg 2002, S. 23.
[4] Hans-Gerhard Kippenberg/Tilman Seidensticker (Hg.): Terror im Dienste Gottes. Die „geistliche Anleitung“ der Attentäter des 11. September 2001, Frankfurt am Main/New York 2004, S. 96.
[5] Zitate aus Marwan Abou-Taam/Ruth Bigalke (Hg.): Die Reden des Osama bin Laden, Kreuzlingen/München 2006, S. 36, 48, 116, 141, 150.
[6] Der Spiegel 36/2002, S. 117.
Zum Foto: Palästinenser feiern die Terroranschläge von Nine-Eleven. Gaza, 11. September 2001.
Das Schuldbekenntnis heißt vielmehr, wir und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, wir müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, „wir haben nichts davon gewusst“, anstatt „wir wollen es nicht wissen“. Selbst noch das Ich stand für das Wir. Ich war kein Nazi, im Grunde waren wir’s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte. Der Unterschied zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv wird eingeebnet, wer ihn bewahrt, steht draußen, gehört nicht zu ‚uns’. […] Wer in der Politik und vielen anderen Sparten von sich selbst spricht und die Landsleute als ‚sie’ bezeichnet, erscheint, auch wenn die Hörenden es nicht realisieren, ihnen als Verräter – nur im Zufallsfall als anständiger Mensch. (Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung: Notizen in Deutschland, Frankfurt/Main 1974)
Er zählt zwar schon 85 Lenze, aber dass er sich aufs Altenteil zurückgezogen hätte, kann man von Alfred Grosser wirklich nicht behaupten. Im Gegenteil: Er verfolgt eine regelrechte Mission, die darin besteht, den Deutschen die „Israelkritik“ als ultimative Lehre aus dem Holocaust schmackhaft zu machen. Praktischerweise ist der diesbezügliche Appetit der Angesprochenen ohnehin nahezu zügellos, weshalb sie den Publizisten und Politikwissenschaftler überaus gerne als jüdischen Ehrengast zu Tisch bitten, neuerdings auch und gerade bei Festbanketten wie etwa am 9. November des vergangenen Jahres in Frankfurt am Main. Dafür wiederum ist Grosser so dankbar, dass er keine Gelegenheit auslässt, seine geschichtspolitischen Kochrezepte unters (deutsche) Volk zu bringen. Und so fand sich kurz vor dem Jahreswechsel in der FAZ unter der Überschrift „Die deutsche Kollektivschuld ist wieder da“ aufs Neue ein exquisiter Beitrag zur Haute Cuisine der Vergangenheitsbewältigung.
Grosser hatte nämlich im Deutschen Historischen Museum zu Berlin die Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ besucht und war anschließend „voller Empörung über die Grundeinstellung des Ganzen“, die da gelautet habe: „Das deutsche Volk war kollektiv schuldig.“ Der Widerstand werde „in seinen verschiedenen Formen bagatellisiert“, außerdem wisse man „doch heute, wie viele nichtjüdische Deutsche jüdischen Deutschen geholfen haben“. Überhaupt sei die Frage, wer von den Verbrechen Kenntnis gehabt habe, noch immer „schwer zu beantworten“, und längst gebe es Beweise, die zeigten, „wie gering die Kriegsbegeisterung gewesen ist und wie klein die Rolle der Judenfeindlichkeit war“. Kurzum: „Als jemand, der seit Kriegsende versucht, ‚den’ Deutschen der Hitler-Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, bin ich, wie schon gesagt, empört.“
Diese Zuschrift druckte die Zeitung für Deutschland fraglos mit dem größten Vergnügen ab, denn inmitten der ganzen Leserbriefe früherer Wehrmachtskommandeure und „Heimatvertriebener“ macht sich ein Freispruch durch einen seinerzeit Verfolgten natürlich besonders gut. Dabei bedient Grosser lediglich uralte und -zigfach widerlegte Legenden. Die Kollektivschuldthese beispielsweise wurde von den besiegten Deutschen selbst erfunden und sodann den Alliierten in die Schuhe geschoben – damit man sich anschließend als Opfer inszenieren und, wie Max Horkeimer schon in den 1950er Jahren schrieb, „das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberretten“ konnte. Denn: „Das Wir zu bewahren, war die Hauptsache. Die Anderen sind nicht die Nazis, sondern die Amerikaner und der Widerstand.“ Dieser Widerstand wiederum kann kaum bagatellisiert werden, weil er – bei allem Respekt – schlichtweg marginal gewesen ist, auch wenn die „Opa war kein Nazi“-Generation noch das bereitwilligste Mitmachen bei der Vernichtung nachträglich in einen Akt der Auflehnung verdreht und so das Paradoxon eines Nationalsozialismus ohne Nationalsozialisten geschaffen hat.
Dass „viele nichtjüdische Deutsche jüdischen Deutschen geholfen haben“, stimmt hingegen – allerdings in einer ganz anderen Hinsicht als der von Grosser gemeinten: Die Erstgenannten, Hitlers willige Vollstrecker, haben Letzteren zuvorderst dabei geholfen, erst ihren gesamten Besitz und anschließend ihr Leben loszuwerden. Schon deshalb ist auch die absurde Frage, wer im „Dritten Reich“ vom Judenmord gewusst hat, nur so zu beantworten, wie es Nathan Gelbart in einem Gastbeitrag für die Achse des Guten getan hat: „Sicher, das plötzliche Verschwinden Hunderttausender jüdischer Nachbarn mit nichts als einem Köfferchen in der Hand konnte für den objektiven Betrachter der damaligen Zeit nur einen Kurzurlaub auf Usedom bedeuten. Und die anschließende Belegung ihrer Wohnungen samt Mobiliar durch die arischen Nachbarn belegte die These der unmittelbar bevorstehenden Rückkehr der Besitzer mit großem Nachdruck. Auch der öffentliche Abtransport Hunderttausender Juden in Güterwaggons Richtung Osten und die leere Rückreise derselben hat nur eine kleine, privilegierte und informierte Minderheit Böses annehmen lassen.“
Was es sonst noch dazu und zu der angeblich nur geringen Kriegsbegeisterung sowie der vermeintlich bloß kleinen Rolle der Judenfeindlichkeit zu sagen gibt, hat der damalige amerikanische Nachrichtenoffizier Saul K. Padover bereits 1946 in seinem buchstäblich entwaffnenden Bericht „Experiment in Germany“ ausgeführt. Es ist gewiss kein Zufall, dass es geschlagene 53 Jahre dauerte, ehe sein Buch ins Deutsche übersetzt wurde und unter dem Titel „Lügendetektor – Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45“ endlich auch hierzulande erhältlich war.
Warum Alfred Grosser selbst elementarste historische und gegenwärtige Tatsachen wahlweise nicht zur Kenntnis nimmt oder verdreht, sei dahingestellt; in jedem Fall kassiert er, wie Henryk M. Broder treffend formulierte, eine „Ehren-Dividende“ aus dem „Verlangen der Deutschen, sich mit sich selber auszusöhnen“: „Er ist der Zauberer, der das schlechte Gewissen der Deutschen gegenüber den Juden in ein Gefühl der moralischen Überlegenheit verwandelt – indem er den Deutschen attestiert, dass sie sehr wohl das Richtige aus Auschwitz gelernt haben, im Gegensatz zu deren Opfern, die durch alle Examina in der bekanntesten Weiterbildungsanstalt der Nazis gerauscht sind.“ Genau das ist es auch, was Grosser hierzulande zu einem der gefragtesten Interviewpartner und Autor macht, wann immer es um die Verbindung zwischen der deutschen Geschichte und dem jüdischen Staat geht.
Dabei erfüllt er die Bedürfnisse fast aller politischer Strömungen in Deutschland, von den Konservativen bis zu den Linken. Und das betrifft sowohl seine Einlassungen zum Thema Nationalsozialismus als auch seine „Israelkritik“, die längst zur fraktionsübergreifenden conditio sine qua non geworden ist, zu einem (volks)gemeinschaftsstiftenden Anliegen. Was Wolfgang Pohrt* anlässlich des ersten Libanonkrieges 1982 noch als eine Haltung charakterisierte, die vor allem für sich progressiv dünkende Menschen typisch sei, gilt mittlerweile weit über dieses Lager hinaus: „Im Lichte israelischer Untaten besehen verliert […] Auschwitz sowohl seine Einmaligkeit als auch seine Schrecklichkeit. Und der Verdacht muss keimen: So außergewöhnlich völkermörderisch, wie die Israelis nun sind, war Auschwitz vielleicht nur ein kleiner Fehler.“ Was diesem Verdacht zugrunde liegt, analysierte Pohrt so: „Weil gerade die Linken hier weder den Nationalsozialismus noch Auschwitz begriffen haben, weil sie Ersteren mit einem besonders tyrannischen Regime und Letzteres mit einem besonders grausamen Blutbad verwechseln, deshalb haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, das Unrecht, welches sie anderswo entdecken, könne Deutschland entlasten.“
Und beim Entdecken blieb und bleibt es nicht, wie Pohrt wusste; vielmehr fühlten sich die Täter und ihre Nachfahren nicht etwa trotz, sondern gerade wegen der deutschen Geschichte ganz besonders zum Einschreiten berufen. So entstand der Typus des „Gerade wir als Deutsche“-Deutschen: „Mit den Verbrechen, die Deutschland an den Juden und an der Menschheit beging, hat es sich eigenem Selbstverständnis gemäß das Vorrecht, die Auszeichnung und die Ehre erworben, fortan besondere Verantwortung zu tragen. Der Massenmord an den Juden verpflichte, so meint man, Deutschland dazu, Israel mit Lob und Tadel moralisch beizustehen, damit das Opfer nicht rückfällig werde. Zwei angezettelte Weltkriege böten, so meint man weiter, die besten Startbedingungen, wenn es um den ersten Platz unter den Weltfriedensrichtern und Weltfriedensstiftern geht – frei nach der jesuitischen Devise, dass nur ein großer Sünder das Zeug zum großen Moralisten habe. Je schrecklicher die Sünde, desto tiefer die Buße und Reue, je tiefer die Buße und Reue, desto strahlender am Ende die moralische Überlegenheit.“ Wenn dann noch leibhaftige Juden wie Alfred Grosser ihren Segen erteilen, umso besser.
Die Inanspruchnahme jüdischer Kronzeugen beschränkt sich inzwischen übrigens nicht mehr auf diejenigen, die eine saftige „Israelkritik“ zu bieten haben; vielmehr stürzt man sich begierig auch auf solche, die die Ausweisung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg für ein Menschheitsverbrechen halten. Im Spielfilm „Habermann“ beispielsweise inszeniert der slowakische Regisseur Juraj Herz dieses Ereignis bewusst wie die Judenverfolgung, weil er beides allen Ernstes sowohl für gleichartig als auch für gleichrangig hält. Nachfragen oder Kritik wehrt er offenherzig ab: „Ich kann mir das erlauben. Ich war im Konzentrationslager. Ungefähr sechzig Mitglieder aus meiner erweiterten Familie sind dort gestorben.“ Kein Wunder also, dass „Habermann“ im vergangenen Jahr bei den Bayerischen Filmpreisen gleich zwei Auszeichnungen abräumte: den für die beste Regie und den für den besten Hauptdarsteller. Juraj Herz bringe das Thema „sensibel, ehrlich und klar auf die Leinwand“, lobte die Jury, die darüber hinaus befand: „So mutig und kunstvoll muss Geschichte erzählt werden.“ Da wird nicht nur Erika Steinbach spitze Schreie der Verzückung ausgestoßen haben.
* Sämtliche Zitate von Wolfgang Pohrt entstammen der von Klaus Bittermann herausgegebenen Zusammenstellung von Aufsätzen dieses Autors, „Gewalt und Politik. Ausgewählte Reden und Schriften 1979-1993“, die soeben in der Edition Tiamat erschienen ist.
„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus».“ Oder auch kürzer: „Der neue Faschismus wird sagen, er sei der Antifaschismus“ – diese Kalenderweisheit für Forentrolle ist bereits in dieser oder ähnlicher Formulierung Zehntausendfach im Netz wiederholt worden.
Ob der angebliche Urheber Ignazio Silone diesen Satz tatsächlich so geäußert hat, lässt sich nicht wirklich zweifelsfrei belegen. Von Intention und Kontext wollen wir gar nicht erst anfangen. (1) Dennoch gehört diese „Wahrheit“ mittlerweile fest zu der Diskussionssimulation im Netz: Sie reiht sich ein und passt perfekt zu anderen „Fakten!“, mit denen eine bestimmte Realität mit einem absoluten Anspruch definiert werden soll.
“Die Drohungen sind real”
Zu den Merkmalen dieser Definitonsstrategien gehört es, anderen genau das vorzuwerfen, was man selbst tut: Das Einfordern von Objektivität beispielsweise – während man selbst gnadenlos selektiv Artikel, Informationsfetzen und Zitate heraussucht, die das eigene Weltbild scheinbar oder tatsächlich stützen. Ähnlich verhält es sich mit der Forderung nach „echter“ Meinungsvielfalt sowie „offener“ Diskussionskultur: In vielen Foren und Netzdiskussionen gehört es zum schlechten Ton, ständig über angebliche Zensur zu klagen und eine fehlende Ausgewogenheit zu kritisieren, gleichzeitig lassen die Meister der Wortergreifung keinerlei Widerspruch zu oder beleidigen Menschen mit anderen Meinungen geübt und wortreich.
Durch rabiate Sprache, subtilen wie offenen Drohungen werden Andersdenkende bestenfalls abgeschreckt und wahrscheinlich eingeschüchtert, auch wenn man sich das nicht eingestehen möchte. “Die Drohungen sind real”, brachte es Anne Wizorek auf den Punkt, “und die Ängste sind es auch”. (2)
Struktureller Faschismus
Sinn einer Diskussion ist es eigentlich, die Meinungen und Beiträge anderer TeilnehmerInnen wahrzunehmen und in die eigene Argumentation einzubauen, indem man auf die Gedanken eingeht und begründet, warum sie bedenkenswert, falsch oder schlicht Unsinn sind. In Zeiten von Sarrazin und “Das ist Fakt!”-Sagern ein fast schon naiv wirkender Zugang, oder? Klaus Theweleit bringt die fatale Entwicklung der rechten Diskussionskultur auf den Punkt, wenn er schreibt:
Die “Beweisrede”, die nichts anderes weiter sein will als eine Beweisrede des “Rechthabens” im eigenen Standpunkt und nichts weiter im Schilde führt als eben diese Rechtfertigung der eigenen Handlungen, ist gewalttätig. […] Wer eine Stunde lang redet, um eigene Standpunkte zu untermauern und seine Handlungen zu rechtfertigen, ist strukturell ein Faschist; unabhängig davon, was er “inhaltlich” sagt. (3)
Insbesondere im Netz hat sich eine willkürliche Definition von Meinungsfreiheit ausgebreitet, die keine klaren Grenzen kennt – außer die eigene Norm: Und so werden Beleidigungen und Diskriminierungen gegen unliebsame Minderheiten zu legitimen „Meinungen“ umgedeutet, die sie eben aber nicht sind.
Diese Phänomene und Prozesse waren nie und bleiben nicht auf das Netz beschränkt – weil keine Trennung von virtuellem und realen Leben existiert. Der öffentliche Raum im Reallife liegt allerdings oft brach – und im Netz tobt eine Schlacht darum, wer wo was noch sagen kann. Nicht, weil der „böse“ Staat überall zensieren würde, sondern weil faschistischer Hatespeech Minderheiten – seien es Feministinnen, Juden, Schwarze, Muslime, Homosexuelle, Sinti – die sich im neuen digitalen öffentlichen Leben äußern und vielleicht sogar Gehör verschaffen, wieder verdrängen und zum Schweigen bringen soll: durch Drohungen und Pöbeleien. Es geht um Defintionsmacht sowie Hegemonie. Und Ruhe.
Der “Sturm auf den Reichstag”
Die neurechten politischen Milieus, die sich im Netz gefunden und teilweise weiter radikalisiert haben, fordern aber auch zunehmend im „realen“ Leben die demokratische Öffentlichkeit heraus: Am 9. Mai war es eine Front aus Verschwörungsfreaks, klassischen Rechtsextremen und anderen politischen Irrlichtern, die zum „Sturm“ auf den Reichstag blasen wollten. Der Sturm fiel aus: Rund 350 Gestalten fanden sich vor dem Bundestagsgebäude ein; zuvor hatten Zehntausende Facebook-Profile ihr Kommen angekündigt.
“Sturm auf den Reichstag” (Copyright: Oliver Feldhaus)
Auch wenn der Sturm ein laues Lüftchen war: Die demokratische Gesellschaft wird sich weiter mit diesem Milieu beschäftigen müssen. Wir erleben derzeit eine Phase des Experimentierens; ob Mahnwachen, Hogesa, Endgame oder auch die zahlreichen -gidas: Die Freunde des strukturellen Faschismus zeigen einen beachtlichen Einfallsreichtum, was die Namen und Aktionsformen sowie Bündnisse angeht.
Und wie auch immer sich das Kind gerade nennt: die Feindbilder all dieser Grüppchen und Einzelkämpfer mit imaginärer Armee im Hintergrund gleichen sich: So wie auch für den selbst erklärten Tempelritter und dutzendfachen Mörder Anders Breivik steht der Feind im Westen (auch wenn der Feind gleichzeitig im Nahen Osten verortet wird); der norwegische Rechtsterrorist schrieb in seinem Copy-and-Paste-Manifest vom Kampf gegen die Elite aus Liberalen und Kulturmarxisten, die sich zum Komplizen der “Islamisierung” gemacht hätten, bzw. diese erst eingeleitet hätten.
Gemeint ist damit die multikulturelle oder multiethische Gesellschaft – vor allem in den Großstädten, gemeint sind „Gutmenschen“, die für die Rechte von Minderheiten eintreten und gemeint sind Liberale sowie Progressive, die eine kosmopolitische Zukunft anstreben.
“Ethnischer Protektionismus”
Mit diesen Feindbildern knüpfen Breivik, der NSU aber auch islamistische Fanatiker (wobei hier die völkische Komponente keine Rolle spielt, die Kategorisierung von Freund und Feind wird anders konstruiert) nahtlos an den historischen Faschismus an. Breivik versucht diese Einordnung auszuhebeln, indem er schreibt, er orientiere sich an Japan oder den asiatischen Tigerstaaten, die sich gegen Masseneinwanderung und für einen „ethnischen Protektionismus“ entschieden hätten – und dennoch wirtschaftlich höchst erfolgreich seien.
Andere Rechtsradikale verweisen auf das Modell von Viktor Orban in Ungarn oder eben Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Und gerade das Bündnis mit Russland gegen den Westen ist zum geeigneten Taschenspielertrick geworden, um sich als Kämpfer gegen den “westlichen Imperialismus und Faschismus” zu gerieren. Anetta Kahane merkte zum 9. Mai treffend an: “Alle, die Putins Selbstherrlichkeit gegenüber den westlichen Demokratien bejubelten, seien zu Siegern geworden – „einschließlich der neuen Nazis“.” (4)
Von ehemaligen Elchen
Übrigens war der eingangs erwähnte Silone keineswegs ein dogmatischer Sozialist, er wurde beispielsweise mit dem Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft ausgezeichnet. Für alle die, die ausschließlich Fakten verkünden, vermeintlich unpolitische Objektivität auf Basis des „gesunden Menschenverstands“ einfordern und sich auf den italienischen Antifaschisten berufen, bleibt das sicherlich nebensächlich. Aber es ist zentral: Wer für die universellen Menschenrechte eines jeden einzelnen Menschen eintritt, handelt antifaschistisch – nicht der, der besonders laut Linksfaschist, Feminazi oder SAntifa brüllt. So gesehen passt das angebliche Zitat Silones ironischerweise doch ganz gut, um politische Phänomene der Gegenwart zu beschreiben…
Bei der Gedenkveranstaltung im Reichstag zum 8. Mai 1945 zeigte das Deutsche Fernsehen leere Sitzreihen. Jetzt ist das im Deutschen Bundestag ein gewohntes Bild, für das es gute Gründe gibt. Das wissen vor allem diejenigen, die gewöhnlich mit Häme darüber berichten.
Am 8 Mai 2015 war das höchst ungewöhnlich, weil bei Veranstaltungen dieser Art selbst die Bundestagsverwaltung durch gut gekleidete Mitarbeiter sicherstellt, dass entsprechende Bilder über vollständige Anteilnahme das Haus verlassen. Wussten die Angeordneten, was sie mit den Reden erwarten würde? Bei dem Einheitsbrei der Qualitätsmedien, der uns seit Jahr und Tag vorgesetzt wird, um das deutsche Volk in Wallung gegen Moskau zu bringen, ist bei der nachträglichen Kommentierung der Reden doch auffallend, wie intensiv diese mit „umstritten“ belegt worden sind. Das hätte man vorher wissen können. Nicht nur Professoren zeichnen sich, wie jüngst eine bekannte Wiener Journalistin festgestellt hat, dadurch aus, daß sie bei geschichtlichen Ereignissen, die Jahrzehnte zurückliegen, jedenfalls Anstand zeigen, während in der Gegenwart es Zeitgenossen schwer fällt, Rückgrat zu beweisen.
War es das, was die Abgeordneten davon abhielt, ins Plenum zu gehen? Oder ist es in diesen Tagen einfach zu viel, was ihnen und dem ganzen deutschen Volk zugemutet wird? Den wenigsten von Ihnen wird dabei durch den Kopf gegangen sein, wie dramatisch sich die Zeiten geändert haben, alleine wenn sie an den Roten Platz in Moskau und die demonstrative Abwesenheit der westlichen kalten und heißen Krieger bei der zu erwartenden Militärparade denken würden. Wie haben sich doch auf dem Roten Platz die Bilder geändert. Vor Jahr und Tag wurden dort Musikkorps der Deutschen Bundeswehr von einem begeisterten Publikum willkommen geheißen. Nach dem Elend der Kriege war es ungewöhnlich, wie herzlich die Kommentatoren auf dem Roten Platz die deutschen Soldaten begrüßten und wie sie es sich nicht nehmen ließen, die jahrhundertealte gute Zusammenarbeit zwischen Russen und Deutschen hervorzuheben. Und heute? Welchen Auftrag hatte der Herr Bundespräsident bei seiner „Waffen-und Einsatzrede“ vor gut einem Jahr in München?
Haben die Abgeordneten, die es vorgezogen haben, in den Restaurants des Reichstagsgebäudes, in ihren Büros oder gar zu Hause zu bleiben, nicht mehr über das Herz gebracht, sich die Regierungsbank anzusehen und sich die Titelblätter amerikanischer Nachrichtenmagazine über die Frau Bundeskanzlerin als die angeblich mächtigste Frau der Welt zu Herzen zu nehmen? Und diese Titelbilder mit der deutschen Wirklichkeit zu vergleichen? Selbst in der souveränitätsbeschränkten Bonner Republik wurde zu keinem Zeitpunkt so unter Beweis gestellt, wie ohnmächtig ein deutscher Regierungschef vorgeführt werden sollte. Seit 2008 ist offenkundig, dass die amerikanische NSA in Deutschland und Europa macht, was sie will. Wir müssen sogar den Eindruck hinnehmen, daß der eigene BND von den Freunden gekidnappt worden sein könnte, um gnadenlos hinter alles zu kommen, was sich abschöpfen lässt. Wer hat dabei noch den Bundeskanzler Helmut Schmidt vor Augen, der die gefährliche sowjetische Raketenrüstung im Bündnis zum Unwillen vieler zum Thema machen konnte? Oder Helmut Kohl, der sein zehn-Punkte-Programm unter dem Gesichtspunkt der nationalen Interessen formulierte und vorher nicht im oval office antichambriert hatte?
Heute hat vorgeführte Ohnmacht einen Namen und den trägt leider unsere Bundeskanzlerin. Es ist die Ohnmacht aller Deutschen und reduziert sich nicht auf eine Person. Dieser Eindruck wird noch dadurch verschlimmert, dass seitens des deutschen Regierungsspitzenpersonals der Eindruck erweckt wird, endlich froh darüber zu sein, das Parlament in einer merkwürdigen Aufklärungsfunktion zu sehen. Dabei quellen die Zeitungsseiten nur so von Berichten über, wie nachhaltig das Kanzleramt eine Aufklärung torpediert. Die ganzen Jahre wurde eine Ausspäh-Sau nach der anderen durch das Dorf gejagt und zu keinem Zeitpunkt hat man im Kanzleramt es für nötig erachtet, nach dem Rechten zu sehen und sicherzustellen, dass die eigene Verfassung gilt? Wie deppert muss man sich anstellen?
Breschnew sel. hat 1968 als er die nach ihm benannte Doktrin von der begrenzten Souveränität der Staaten des Warschauer Paktes in Polen deklarierte, noch daran gedacht, bei negativen Entwicklungen in den „Bruderstaaten“ sich ein sowjetisches Interventionsrecht herausnehmen zu können. Da setzte selbst im damaligen Moskauer Denken ein gewisses Eigenleben der Staaten des Warschauer Vertrages voraus. Heute scheint man im Weißen Haus in Washington einen ganzen Flügel des imposanten Gebäudes nach Breschnew benennen zu wollen und wir warten alle förmlich darauf, dass Präsident Obama oder Oberpräsident McCain den ehemaligen Sowjetführer zum Säulenheiligen der westlich Allianz ernennen. Wie anders sollte man das bewerten, was die Freunde sich beim Ausspähen ganzer Völker, darunter auch des deutschen Volkes erlauben? NATO-Staaten spähen einander nicht aus? Weit gefehlt, wenn man nicht nur Herrn Snowden glauben will. Die Menschen im Lande stellen sich schon darauf ein, abgeschnüffelt zu werden und verhalten sich entsprechend. Das Denken der Kaltenbrunners, Heydrichs und Mielkes feiert fröhliche Urstände.
Die amerikanischen Planungen stellen Breschnew weit in den Schatten, wie das Aushebeln der europäischen und deutschen parlamentarischen Demokratie anbetrifft. TTIP soll das über die berüchtigten Anwalts-Schiedsgerichte und die in der Öffentlichkeit diskutierte Vorlagepflicht für beabsichtigte Gesetzesvorhaben sicherstellen. Wir dürfen dann zwar noch Steuern zahlen oder bei immer größer werdender Altersarmut noch Konsumenten sein, aber die Erinnerung an den Staatsbürger, gar den Staatsbürger in Uniform, das soll alles verblassen. Nachdem man mit willigen Balten, Polen, Ukrainern und anderen einen neuen Riegel zum Ausschluss der Russen aus Europa quer über den Kontinent errichtet hat, planiert man die politischen Systeme in den westeuropäischen Staaten so nachhaltig, dass sie amerikanischen ökonomischen und politischen Interessen nie mehr im Wege stehen werden. Gleichzeitig lässt man in den baltischen Staaten und anderen, von der Ukraine ganz zu schweigen, Politiker dergestalt von der Leine, dass einem angst und bange werden kann. Was haben diese Leute eigentlich davon, den Eindruck zu erwecken, als könnten sie ein militärisches Losschlagen gegen Moskau nicht schnell genug herbeisehnen? Haben Sie total vergessen, dass sie und andere die heutige politische Landkarte in Europa dem Verhandeln mit Moskau und nicht einem nuklearen Inferno zu verdanken haben? Wenn der Hitler-Stalin-Pakt den Weg zum Krieg ermöglicht hat, dann gilt das auch für die maßlose Rhetorik in östlichen Nachbarstaaten und der dort stattfindenden Ausbildung von Umsturzkräften.
Diese konsequent und über Jahrzehnte betriebene amerikanische Politik wird nicht betrieben, ohne sich die Bundeswehr faktisch unter den Nagel zu reißen, wenn man an die Pläne der großkoalitionären Regierung in Berlin denkt, ein Bundeswehr-Ermächtigungs-gesetz durch das Parlament zu bringen. In der Bonner Republik sollte die Parlaments-Diskussion über Spannungs-und Verteidigungsfall alle Einsatzfragen für die Bundeswehr einer vorherigen öffentlichen Diskussion unterziehen. Ein Armeeverständnis von „Thron und Altar“ sollte es nicht mehr geben. Diese öffentliche vorherige Preisgabe der eigenen Vorstellungen soll es demnächst nicht mehr geben, wenn der NATO-Wille und damit der Wille des amerikanischen Präsidenten dem Deutschen Bundestag vorgesetzt werden soll und Krieg oder Platzen der NATO die Alternativen sind. Breschnew wird im Nachhinein eines
Besseren zu belehren sein. So, wie das in Washington gemacht wird, schafft man sich ein europäisches Vorfeld, dem außer Parieren nichts anderes übrigbleibt. Schöne und neue Welt.
Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben. Foto: imago/Rudolf Gigler
Blumen nicht vergessen! Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes sollte sich ganz Berlin der besonderen Bedeutung der Roten Armee bei der Befreiung Berlins erinnern.
Am Sonnabend, den 9. Mai, wird der 70. Jahrestag des Kriegsendes gefeiert, beginnend um 14.00 Uhr im Tiergarten. Anders als für den Ersten Weltkrieg steht für den Zweiten Weltkrieg die Schuldfrage fest: Die Deutschen, sie allein, haben diesen Krieg angezettelt, ständig ausgeweitet, mit immer wilderer Vernichtungswut geführt und zum fürchterlichsten Zerstörungswerk der modernen Geschichte gemacht. Nur härteste Gewalt konnte sie zur bedingungslosen Kapitulation zwingen, unterzeichnet in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst von Sowjetmarschall Schukow und Hitlers Generalfeldmarschall Keitel.
Die alliierten Armeen befreiten die Europäer von der beispiellosen deutschen Eroberungs-, Raub-, Versklavungs- und Mordmaschinerie – in Betrieb gehalten von 18 Millionen Wehrmachtsoldaten, von fast allen deutschen Männern, die laufen konnten, aus fast allen deutschen Familien. Die Sieger und Befreier schenkten den Europäern eine bessere Zukunft – auch den damals noch uneinsichtigen Deutschen. Deren Nachfahren wissen, dass die blutige Niederlage ihrer Väter, Großväter oder Urgroßväter das größte geschichtliche Glück ist, das ihnen zuteilwerden konnte. Dafür gilt es zu danken, zumal in Berlin, dem geistigen und organisatorischen Zentrum all dieser Schrecken.
Vor dem sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten: Ein Panzer vom Typ T-34/76, der in der Schlacht um Berlin im Zweiten Weltkrieg im Einsatz war. Foto: dpa
Wie in dieser Kolumne vor einigen Wochen angeregt, wird es im Tiergarten am sowjetischen Ehrenmal (errichtet auf der einstigen preußischen Siegesallee, gleich am Brandenburger Tor) eine Kundgebung mit Musik geben.
Alle Berliner sind aufgefordert, am 9. Mai dort Blumen niederzulegen, einfach als Ausdruck persönlichen Mitgefühls, als Gruß an alle heute auf dem Gebiet der einstigen Sowjetunion und in anderen Ländern lebenden Familien, deren Angehörige in diesem deutschen Aggressionskrieg gefallen oder verhungert sind, als Erinnerung an Millionen Zivilisten, die Haus und Hof verloren, zur Zwangsarbeiter verschleppt, erniedrigt, in die Flucht gejagt, erschossen oder vergast wurden: Allein 27 Millionen sowjetische Tote und viele Millionen mehr, deren Lebensglück Deutsche zertrümmerten.
Auch wegen der politischen West-Ost-Spannungen ist das Ehrenmal im Tiergarten erst um 14.00 Uhr zugänglich. Zuvor werden die Offiziellen Russlands und dann – getrennt – Weißrusslands ihr Gedenken hinter Absperrungen durchführen. Schade zwar, aber die Verhältnisse, sie sind nun einmal so. Um 14.00 Uhr geht es dann pünktlich los: Grigory Kofman aus St. Petersburg wird das Trauerlied für die hinter dem Ehrenmal beerdigten 2000 gefallenen Rotarmisten singen, sprechen wird Matthias Platzeck (Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums), aufspielen die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, gegründet 1985 im Prenzlauer Berg, unter anderem mit: „Der Fuehrer’s Face“ (Spike Jonze, 1942/43), „Der Graben“ (Kurt Tucholsky, 1926), „Moskau lässt grüßen“ (Ein Liebeslied von Anna Achmatova, 1917). Wer die Bläser, Gitarristen und Sängerinnen der Band nicht kennt, sollte sie kennenlernen.
Noch Fragen? Am Nachmittag kann im Treptower Park weitergefeiert und getanzt werden oder sonst wo. Jede gute Idee ist willkommen. Fest steht jedoch: Wer am 9. Mai nicht feiert, der hat schon verloren! (Blumen nicht vergessen!)
Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben. Foto: imago/Rudolf Gigler
Kann man die Soldaten der Roten Armee zum 70. Jahrestag des Kriegsendes feiern, obwohl sie auch für Verbrechen und Vergewaltigungen nach Kriegsende verantwortlich sind? Ja, findet unser Kolumnist Götz Aly. Man sollte es sogar.
Unser Aufruf, den 70. Jahrestag des Kriegsendes zu feiern und als Zeichen des Mitgefühls für die gefallenen Soldaten Blumen am sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten niederzulegen, stößt auf freundliches Echo. Die Feier findet am Sonnabend, den 9. Mai, um 14.00 Uhr statt. Doch wendet die Leserin Ute H., und nicht nur sie, zusammengefasst dieses ein: „Meine Oma, meine Großtante und zwei meiner Tanten wurden auf der Flucht von den Soldaten der Roten Armee wie viele andere eingeholt, vergewaltigt und zum Bleiben gezwungen.“ Frau H. hat Recht. Hunderttausende deutsche, österreichische und ungarische Frauen, auch befreite Jüdinnen, wurden von sowjetischen Soldaten vergewaltigt. Dabei sind Tausende, meist ältere Männer ermordet worden, die den Frauen zu Hilfe eilten; zum Beispiel der damals 66-jährige liberale SPD-Politiker und Gewerkschaftsführer Anton Erkelenz, als er am 24. April 1945 in Berlin-Zehlendorf seine Haushälterin vor Rotarmisten beschützen wollte. Ehre seinem Andenken!
Wer das Kriegsende feiert, muss keine Geschichtsklitterung im Stile Putins oder der SED betreiben. Individuelles Leid lässt sich für die Betroffenen nicht gegen anderes Leid aufwiegen. Hier versagen alle Argumente von Ursache und Wirkung. Für die Nachgeborenen gilt das nicht. Nehmen wir das Beispiel des griechischen Arztes Errikos Levi. Diesen hatten Deutsche 1944 nach Auschwitz verschleppt. Nach höllischen Fahrten und Märschen landete er schließlich im vorpommerschen Bodden-Städtchen Barth und berichtete später: „Hier wurden wir am 30. April 1945 befreit. Die deutschen Bewacher flohen in Panik. Die Russen plünderten die Stadt zwei Tage lang und vergewaltigten alle Frauen, junge und alte. Ich war sehr krank, aber die Russen versorgten mich und machten mich gesund.“ Nur nebenbei: Im Sinne heutiger politischer Ordnung waren die Befreier, Retter und Vergewaltiger nicht nur „die Russen“, ebenso Georgier, Ukrainer, Letten, Litauer, Polen, Armenier – Soldaten eben aller Sowjetvölker. Sie alle retteten Errikos Levis und Millionen andere Verfolgte und Bedrohte – nicht zuletzt befreiten sie die Deutschen aus ihrer mörderischen, am Ende selbstmörderischen Verblendung.
Was immer man gegen Soldaten der Roten Armee sagen mag, fest steht: Sie führten einen (durchaus verrohenden) Verteidigungskrieg auf Leben und Tod. Die damalige deutsche Regierung wollte 50 Millionen Sowjetbürger vertreiben, viele zehn Millionen verhungern lassen, viele Millionen gezielt ermorden, die restlichen Menschen versklaven und zwangssterilisieren, die gesamte Kultur und Staatlichkeit im Raum der Sowjetunion zerstören. Nur entfernt vergleichbare Pläne gab es von Seiten der alliierten Befreier nicht.
Wie Sie, verehrte Frau H., schreiben, waren damals sämtliche Männer Ihrer Familie im Krieg. Können Sie nicht einfach sagen: Bei allem Leid meiner Familie führten mein Vater und meine Onkel einen ganz und gar ungerechten Krieg, und 70 Jahre danach will ich all den Familien in Europa, in den USA und in der Sowjetunion mein Mitgefühl ausdrücken, die unter diesem von Deutschland begonnen Krieg gelitten haben. Kommen Sie doch auch am 9. Mai um 14.00 Uhr zum Sowjetischen Ehrenmal. Näheres unter: www.berlin-feiert-die-befreiung.de (Blumen nicht vergessen!)
Im Tiergarten in Berlin am sowjetischen Ehrenmal wird es zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eine Kundgebung mit Musik geben. Foto: imago/Rudolf Gigler
Wer des 70. Jahrestages des Kriegsendes gedenken will, kommt an dem segensreichen Wirken des russischen Stadtkommandanten von Berlin, Nikolai Bersarin, nicht vorbei.
Auf zu den Feiern des 9. Mai! 1991 forderte die SPD in Friedrichshain, Bersarinplatz und -straße rückzubenennen, weil „Nacht-und-Nebel-Umbenennungen der SED“ von 1947 zu tilgen seien. Die Straße heißt wieder Petersburger Straße. Immerhin: Dort, in St. Petersburg, wurde Bersarin 1904 geboren, und zum Glück entging der Bersarinplatz dem politischem Putzzwang. Wer also war der Umstrittene?
Am 27. April 1945 eroberte die 5. Sowjetische Stoßarmee den Alexanderplatz. Anderntags wurde deren Befehlshaber, Generaloberst Nikolai Erastowitsch Bersarin, zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt. Noch hockte der Führer in seinem Bunker, erteilte Befehle und las das selbstmörderische Gespensterblatt „Der Panzerbär“. Am 28. April heiratete er mitternachts, diktierte sein Testament, setzte sich am 30. April die Pistole an den Kopf und drückte ab.
Am 2. Mai erging der Befehl Nr. 01 des sowjetischen Stadtkommandanten: „Wiederherstellung des zivilen Gesundheitswesens …; Schutz aller Lebensmittelbetriebe und -magazine …; Versorgung der kranken Kinder und der Neugeborenen mit Milch …; Sicherung der sanitär-epidemischen Wohlfahrt.“ Ersparen wir uns erste Wehrmachtsbefehle in Minsk, Kiew oder Smolensk und zitieren konservative Historiker: Ernst Nolte charakterisierte den Russlandfeldzug 1963 als „den ungeheuerlichsten Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg der Neuzeit“; nach Andreas Hillgruber (1965) sollte die Wehrmacht „jede Erinnerung an eine russische Großstadt beseitigen“.
Götz Aly, Historiker.
Foto: Berliner Zeitung
Wie anders Bersarin! Er führte am 19. Mai 1945 den neuen Berliner Magistrat ins Amt ein, verlangte „die Wiederherstellung von Wohnungen“ und erklärte: „Wir sind hierhergekommen, um ein für alle Mal die Hitlerbande zu vernichten. Alle Zerstörungen, die Sie in Deutschland haben, sind Kleinigkeiten, gemessen an den Zerstörungen, die wir erfahren haben.“ Am 6. Juni besprachen er, Gustaf Gründgens und Paul Wegener die Wiedereröffnung des Deutschen Theaters. Mit „Nathan der Weise“ fand sie am 9. September statt. Bersarin fehlte.
Am 16. Juni war er in Alt-Friedrichsfelde um fünf Uhr früh mit dem Motorrad in einen LKW-Konvoi gerast und sofort tot. Die Anwohner wussten, wie gerne der General morgens mit seiner Zündapp KS 750 durch die leeren Straßen donnerte. Ich finde, ihm gebührt ein kleines Denkmal, und zwar am Lustgarten, kurz vor der Schlossbrücke: Ein von den Schrecken gezeichneter, freundlich gesinnter Russe per Motorrad unterwegs auf dem langen Weg nach Westen – ein Weg, den Napoleon, Wilhelm II. und Hitler immer wieder verlegt hatten. Ernst Lemmer, 1946 Mitbegründer der CDU, bezeugte: „Bersarin stellte keine politischen Fragen, sondern wollte von uns hören, was geschehen solle, um die schweren Schäden zu beseitigen“; sein Handeln galt dem „Wohl der Berliner Bürger“.
Liebe Leserinnen und Leser, kommen Sie am 9. Mai um 14.00 Uhr zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten. Ohne staatliches Zeremoniell, sehr persönlich, werden wir dort der Opfer des deutschen Vernichtungskrieges gedenken, deren heutige Nachfahren grüßen, Freiheit und Frieden feiern. (Blumen nicht vergessen!) Das hat es im Berliner Westen noch nie gegeben. Am späteren Nachmittag geht es dann – östlich-traditionell-verwestlicht – im Treptower Park weiter.
Dummheit ist, wenn jemand nicht weiß, was er wissen könnte.
Dummheit äußert sich heute als empörter Moralismus.
Werte ohne Einfühlungsvermögen sind nichts wert.
Manche Menschen fühlen physischen Schmerz, wenn sie ihre gewohnten Vorstellungen zugunsten der Realität korrigieren sollen, sie wenden ihre gesamte Intelligenz mit Unterstützung ihrer Agressivität auf, um die Realität nicht zu erkennen und ihr Selbstbild unverändert beizubehalten.
Immer mehr fühlen, immer weniger denken – Der Mensch unterscheidet sich vom Tier nicht durch Gefühle, denn Säugetiere haben die gleichen Gefühle, wie der Mensch: Trauer, Angst, Wut, Liebe, sondern durch sein Denken. Wenn er denkt, falls er denkt.
Political correctness ist, wenn man aus Feigheit lügt, um Dumme nicht zu verärgern, die die Wahrheit nicht hören wollen.
“Im Streit um moralische Probleme, ist der Relativismus die erste Zuflucht der Schurken.“ Roger Scruton
Antisemitismus ist, wenn man Juden, Israel übelnimmt, was man anderen nicht übelnimmt.
Der Nicht-Antisemit ist ein Antisemit, der nach der derzeitigen deutschen Rechtsprechung, Israel, Juden diffamiert, diskriminiert, delegitimiert, jedoch nicht expressis verbis das Ziel der dritten Reichs, den Holocaust, die Judenvernichtung, befürwortet.
Aus Deutschland erreicht mich „tiefe Sorge um den Friedensprozess“. Vorsicht: Wo ist es im Nahen und Mittleren Osten derzeit so friedlich und vergleichsweise gewaltarm wie in Israel? Wo leben Araber derzeit sicherer als in Israel? Wo haben sie besseren Zugang zu Bildung, Arbeit, Konsum und medizinischer Versorgung? – Götz Aly
Islam ist weniger eine Religion und mehr eine totalitäre Gesellschaftsordnung, eine Ideologie, die absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch, keinerlei Kritik duldet und das Denken und Erkenntnis verbietet. Der wahre Islam ist ganz anders, wer ihn findet wird eine hohe Belohnung erhalten.
Wahnsinn bedeute, immer wieder das gleiche zu tun, aber dabei stets ein anderes Resultat zu erwarten.
Gutmenschen sind Menschen, die gut erscheinen wollen, die gewissenlos das Gewissen anderer Menschen zu eigenen Zwecken mit Hilfe selbst inszenierter Empörungen instrumentalisieren.
Irritationen verhelfen zu weiteren Erkenntnissen, Selbstzufriedenheit führt zur Verblödung,
Wenn ein Affe denkt, „ich bin ein Affe“, dann ist es bereits ein Mensch.
Ein Mensch mit Wurzeln soll zur Pediküre gehen.
Wenn jemand etwas zu sagen hat, der kann es immer sehr einfach sagen. Wenn jemand nichts zu sagen hat, der sagt es dann sehr kompliziert.
Sucht ist, wenn jemand etwas macht, was er machen will und sucht jemand, der es macht, daß er es nicht macht und es nicht machen will.
Sollen die Klugen immer nachgeben, dann wird die Welt von Dummen regiert. Zu viel „Klugheit“ macht dumm.
Wenn man nur das Schlechte bekämpft, um das Leben zu schützen, bringt man gar nichts Gutes hervor und ein solches Leben ist dann nicht mehr lebenswert und braucht nicht beschützt zu werden, denn es ist dann durch ein solches totales Beschützen sowieso schon tot. Man kann so viel Geld für Versicherungen ausgeben, daß man gar nichts mehr zum Versichern hat. Mit Sicherheit ist es eben so.
Zufriedene Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit.
Kreativität ist eine Intelligenz, die Spaß hat.
Wen die Arbeit krank macht, der soll kündigen!
Wenn Deutsche über Moral reden, meinen sie das Geld.
Ein Mensch ohne Erkenntnis ist dann lediglich ein ängstlicher, aggressiver, unglücklicher Affe.
Denken ist immer grenzüberschreitend.
Der Mob, der sich das Volk nennt, diskutiert nicht, sondern diffamiert.
Legal ist nicht immer legitim.
Wer nicht verzichten kann, lebt unglücklich.
Sogenannte Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse, sind keine Wissenschaften mehr, sondern immanent religiöse Kultpropheten, organisiert wie Sekten.
Ohne eine starke Opposition atrophiert jede scheinbare Demokratie zur Tyrannei, und ebenso eine Wissenschaft, zur Gesinnung einer Sekte.
Man kann alles nur aus gewisser Distanz erkennen, wer sich ereifert, empört, wer mit seiner Nase an etwas klebt, der hat die Perspektive verloren, der erkennt nichts mehr, der hat nur noch seine Phantasie von der Welt im Kopf. So entsteht Paranoia, die sich Religion, und Religion als Politik, sogar als Wissenschaft nennt.
Islamisten sind eine Gefahr, deswegen werden sie als solche nicht gesehen. Juden sind keine Gefahr, deswegen werden sie als solche gesehen. So funktioniert die Wahrnehmung von Feiglingen.
Humorlose Menschen könner nur fürchten oder hassen und werden Mönche oder Terroristen.
Menschen sind nicht gleich, jeder einzelne Mensch ist ein Unikat.
Erkenntnis gilt für alle, auch für Muslime, Albaner, Frauen und Homosexuelle.
Islam gehört zu Deutschland, Judentum gehört zu Israel.
Der Konsensterror (Totalitarismus) ist in Deutschland allgegenwärtig.
Es wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch diffamiert.
Es ist eine Kultur des Mobs. Wie es bereits gewesen ist.
Harmonie ist nur, wenn man nicht kommuniziert.
Man soll niemals mit jemand ins Bett gehen, der mehr Probleme hat, als man selbst.
>>EvelynWaugh, sicherlichder witzigsteErzählerdes vergangenen Jahrhunderts, im Zweiten Weltkrieg, herauskommend auseinem Bunkerwährend einerdeutschenBombardierung Jugoslawiens, blickte zumHimmel, von demes feindlicheBomben regnete undbemerkte: “Wie alles Deutsche, starkübertrieben.“<< Joseph Epstein
Man muß Mut haben, um witzig zu sein.
Dumm und blöd geht meistens zusammen.
Charlie Hebdo: solche Morde an Juden sind euch egal, mal sehen wie”angemessen” ihr reagiert, wenn (wenn, nicht falls) eure Städte von Islamisten mit Kasam-Raketen beschossen werden.
Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“
Je mehr sich jemand narzisstisch aufbläht, desto mehr fühlt er sich beleidigt und provoziert.
“Das Problem mit der Welt ist, daß die Dummen felsenfest überzeugt sind und die Klugen voller Zweifel.” – Bertrand Russel
Das Problem mit den Islamisten in Europa soll man genauso lösen, wie es Europa für den Nahen Osten verlangt: jeweils eine Zweistaatenlösung, die Hälfte für Muslime, die andere Hälfte für Nicht-Muslime, mit einer gemeinsamen Hauptstadt.
Was darf Satire? Alles! Nur nicht vom Dummkopf verstanden werden, weil es dann keine Satire war.
Islamimus ist Islam, der Gewalt predigt.
Islam ist eine Religion der Liebe,und wer es anzweifelt, ist tot.
Krieg ist Frieden. Freiheit istSklaverei.Unwissenheit istStärke.Der Islam istdie friedliche Religionder Liebe–George Orwell2015
Islam ist verantwortlich für gar nichts, Juden sind schuld an allem.
Islamisten sind Satanisten. Islamismus ist eine Religion von Idioten.
Leute fühlen sich immer furchtbar beleidigt, wenn man ihre Lügen nicht glaubt.
Jeder ist selbst verantwortlich für seine Gefühle.
Die Psychoanalyse geht niemanden außerden Psychoanalytikerund seinen Patienten etwas an, und alle anderensollensich verpissen.
“Zeit istdas Echoeiner Axt im Wald.“ –Philip Larkin, Gesammelte Gedichte
Wenn jemand wie Islamisten sein Ego endlos aufbläht, dann verletzt er seine eigenen Gefühle schon morgens beim Scheißen.
„Die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft: Reichtum ohne Arbeit Genuß ohne Gewissen Wissen ohne Charakter Geschäft ohne Moral Wissenschaft ohne Menschlichkeit Religion ohne Opfer Politik ohne Prinzipien.“ ―Mahatma Gandhi
„Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.“ ―Mahatma Gandhi
Warum zeigt sich Allah nicht? Weil er mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will.
„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.” – Ignazio Silone
Politische Korrektheit verlangt eine Sprache für ein Poesiealbum.
Psychoanalyse ist frivol, oder es ist keine Psychoanalyse.
Bunte Vielfalt, früher: Scheiße
Was der Mensch nicht mehr verändern, nicht mehr reformieren kann, ist nicht mehr lebendig, sondern sehr tot. Was tot ist, das soll man, das muß man begraben: Religion, Ehe, Romantizismus, etc.
Romantik ist scheiße.
Die Realität ist immer stärker als Illusionen.
Ein Wahn zeichnet sich durch zunehmenden Realitätsverlust, und das kann man den heute Regierenden in Deutschland und deren Massenmedien attestieren.
Der Totalitarismus kann nur besiegt werden kann, wenn man den Mut hat, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen, so wie sie sind. Politischen Korrektheit verhindert es, fördert den Totalitarismus und ist politische Feigheit und politische Lüge.
Die Auslöschung: Islam ist wie die Sonne, wer ihm zu nahe kommt, der verbrennt darin selbst und fackelt den Rest der Welt mit ab.
Islam will keine Unterwerfung! Islam will Sieg, Vernichtung und Auslöschung.
Die Welt wurde nicht nur für dich alleine erschaffen.
Zeit braucht Zeit.
Was hat Gott mit uns vor, wenn er dem Teufel immer mehr Territorien freiräumt?
Es ist nicht die größte Angst, wenn man in einen Abgrund schaut, sondern zu merken, daß der Abgrund zurückschaut.
Ich ist anders.
Muslima mit Kopftuch nerven weniger, als deutsche Mütter mit ihren Kinderwagen.
Prothesen-Menschen – sehen aus wie Frau und Mann, sind aber keine.
Global Governance – der politische Reparaturbetrieb, fängt an zu reparieren, bevor etwas entstanden ist.
Das extrem gesteigerte, angeblich kritische, tatsächlich dämonisierende, Interesse der Deutschen an Israel und Juden ist pervers.
Helden von heute wissen nichts, können nichts und wollen nichts. Sie schauen einfach wie Helden aus, das ist alles.
Mag sein, daß früher Väter ihre Kinder gefressen haben. Heute fressen die Mütter alles, Väter, Kinder und den Rest. Alles Mutti, irgendwie!
Deutschland gestern: der Wille zur Macht. Deutschland heute: der Wille zur Verblendung. Deutschland morgen: 德國
Deutsche Psychoanalyse? Großartig, wie deutscher Charme, deutscher Humor und deutscher Esprit.
Der Widerstand fängt mit einer eigenen, anderen Sprache als die der Diktatur.
Smart phones for stupid people.
Ein Linker kann, muß aber nicht dumm sein.
Wenn man ganzen Staaten nicht übel nimmt, wenn sie mit Millionen Opfern Selbstmord begehen, warum dann einem Co-Piloten mit 149 Toten?
Nur die Reinheit der Mittel heiligt den Zweck.
Ein extremer Narzißt ist ein potentieller Terrorist, und jeder Terrorist ist ein extremer Narzißt.
Islamisierung bedeutet Verblödung.
Copy-shop als psychoanalytische Methode heute.
Die Psychoanalyse heute ist lediglich die Nachahmung einer vermeintlichen Psychoanalyse, die es so nie gegeben hat, also unbewußte Karikatur, Totemmaske ihrer selbst.
Die Revolution frißt ihre Väter, nicht ihre Kinder.
Jeder verdient eine zweite Chance. Eine zweite, nicht eine zwölfte, zweiundzwanzigste oder einhundertzweite.
In Polen haben amerikanische Geheimdienstler ihre Gefangenen gefoltert, während vor polnischen Gerichten Prozesse gegen polnische Geheimdienstler liefen, die polnische Gefangene gefoltert haben.
Besser irgendwelche Sitten, als gar keine Sitten.
Direkte Gewalt gegen strukturelle Gewalt – lediglich eine Rationalisierung der eigenen Lust als Rechtfertigung für eigene wilde, triebhafte Gewalt. Wer strukturelle Gewalt von Institutionen eines demokratischen Rechtstaates delegitimiert und direkte Gewalt gegen diese Institutionen legitimiert, der gibt jeglicher denkbaren Form von Gewalt freie Hand, denn jede Gewalt kann moralisch begründet werden. Der Teufel ist ein Moralist. Und ein Gewalttäter. Aufrufe zur Gewalt sind in Deutschland strafbar.
National Sozialistische Deutsche Arbeiter Partei (NSDAP) war links,, ihr Kampf gegen Kommunisten und Sozialisten war nicht ideologisch, sondern es war ein Konkurrenzkampf unter Gleichen.
Wer sich für Kunst nicht interessiert, wem Kunst nichts bedeutet, der interessiert sich ebensowenig für Menschen, dem bedeuten Menschen nichts. Denn Kunst ist Ausdruck menschlicher Gefühle, Kunst ist Liebe. Das Erkennen der Realität wird nicht durch Verstand angestossen, sondern durch Empathie, durch Einfühlungsvermögen in das Sinnliche, also durch die Ästhetik. Der Verstand alleine erkennt gar nichts, der Verstand alleine drischt blindlings leeres Stroh und nennt sich zu Unrecht Wissenschaft. Ein solcher Verstand verbraucht sich in der einzigen Leistung, unter Auslassung oder Heranbiegung von Fakten in jedem Fall immer eigene moralische Überlegenheit zu konstruieren.
Manche Menschen schauen in den Spiegel und sagen: „Die Welt ist schrecklich, die Welt ist böse“, und fangen an, dieses Böse in der Welt, aber nicht in sich, zu verfolgen, zu vernichten, auszumerzen. Also andere Menschen, das Andere menschliche, was sie nicht sein wollen, zu exterminieren, zu liquidieren.
…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl. (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)
Der faschistische Sozialpakt existiert im bundesdeutschen Postfaschismus weiter als eine im Resultat aufgehobene Voraussetzung, die unmittelbar keine Spur ihrer gewaltförmigen Durchsetzung mehr an sich trägt: umso besser kann diese Tatsache verleugnet und der Nationalsozialismus als das Verbrechen einiger Irrer, als „Unrechtsstaat“, als „das Schlimmste, das Menschen einander je angetan haben“ exorziert werden. Diese Lebenslüge der BRD ist das Fundament aller demokratischen „Vergangenheitsbewältigung“, jenes kollektiven Beschweigens des Nationalsozialismus, das durchaus auch die Form enervierender Redseligkeit annehmen kann. Weil das postfaschistische Deutschland in institutioneller wie personeller Hinsicht in Kontinuität zu seinem Vorgänger steht, muß ausnahmslos jeder Versuch einer Vergangenheitsbewältigung innerhalb des sich weiterschleppenden Systems zur symbolischen Distanzierung, zum substanzlosen Gestus geraten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Deutschen einen schier unerschöpflichen Vorrat an größeren und kleineren Entlastungslügen angelegt, aus dem sie sich je nach Gelegenheit und Bedarf bedienen. Danach war das nationalsozialistische System wahlweise das Werk von Hitler höchstpersönlich, einer kleinen Verbrecherclique und ein paar Helfershelfern oder des Monopolkapitals und seiner Schergen. Otto Normalvergaser jedenfalls hat „von alledem nichts gewußt“, war „im Grunde auch dagegen“ oder „konnte gar nicht anders handeln“, weil „Befehlsnotstand“ herrschte und man im Falle des Zuwiderhandelns sofort „ins KZ gekommen“ wäre. “ (…) „Heute haben die Verbreitung des Gerüchts und die Verbreitung der Neidbeißerei neue, technische Möglichkeiten. Sie können sich über das Internet und diverse Subnetzwerke und Blogs rasend verbreiten und auch auf die Politik einen Druck erzeugen, sich ihnen zu beugen. Die gesellschaftliche Mobilmachung wirkt so wieder auf die Politik zurück. Sie muss sich den entsprechenden Stimmungen beugen, weil sonst die Wiederwahl gefährdet würde. Die Devise »Ich bin ihr Führer, also muss ich ihnen folgen«, bleibt auch im zerfallenen Postnazismus das prinzipienlose Grundprinzip von Herrschaft.“ (…) Spezialisierung und Diversifikation sind die zeitgemäße Erscheinungsform von Vermassung und Uniformität. (…) 1 x 1 materialistischer Kritik: es muss darum gehen, Erscheinungen in eine Konstellation zu bringen, in der sie lesbar werden. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. Und weil gerade die Entfernung vom Nazismus die Nähe zu ihm verbürgt, waren und sind das diejenigen, die in Personensache am wenigstens mit Nazifaschistischem in Verbindung zu bringen sind, die Linksradikalen, die Linksliberalen, die Linken, die Antifaschisten, die entschiedensten Schrittmacher dafür, dass der anfangs noch gar nicht wirklich übergreifende postnazistische Fundamentalkonsens tatsächlich totalisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Die Nazis und die Rechten hingegen waren für diesen Vorgang nur von unterordnetem Belang. Sie standen immer schon für eine in ihrer konkreten Ausprägung gestrige Gesellschaftsformation und deshalb ging von ihnen auch nie eine ernsthafte Gefahr eines neuen Faschismus aus. Diese Totalisierung der Gemeinschaft der Demokraten, die hauptsächlich die Linke mit herbeigeführt hat, ist allerdings identisch und das zeigt sich heute mit ihrem Zerfall. Dieser wiederum ist im Selbstwiderspruch der postnazistischen Vergesellschaftung angelegt, in der der bereits erwähnte nazistische Kurzschluss von Staaten Subjekt im Modus permanenter Mobilmachung in den politökonomischen Formen im Doppelsinne aufgehoben ist. Seiner Substanz nach anerkannt und aufbewahrt, wie vorerst suspendiert und seiner Verlaufsform nachgezügelt. Also statt den Blockwarten gab es Aktenzeichen XY, da durfte sich jeder dann auch telefonisch dran beteiligen, aber richtige Jagdszenen gab es in der alten Bundesrepublik nicht oder nur in Ausnahmefällen. Taxiert selbst zu Zeiten der Prosperität jeder insgeheim seinen Erwerb als verkappte Arbeitslosenunterstützung, so mobilisiert die Krise der postnazistischen Vergesellschaftung erst Recht die Sehnsucht nach der alten Staatsunmittelbarkeit. Johannes Agnoli schrieb dazu schon in der Transformation der Demokratie 1966: „Der präfaschistisch liberale Ruf nach dem starken Staat wiederholt sich postfaschistisch neoliberal“. Und damit gerät das ganze System des autoritären Etatismus und geraten letzten Endes die politökonomischen Vermittlungen als solche wieder ins Visier des Volkszorns und es war wiederum die Linke, die noch zu Zeiten, wo keine Krise in Sicht war, im sinistren Tram nach Liquidation der Vermittlungen die Zunge gelöst und ihm neue fantasievolle und kreative, wie es so schön heißt, Äußerungsformen zur Verfügung gestellt hat. Sie war das Laboratorium, in dem die allgemeine Mobilmachung eingeübt und jener darauf zugeschnittenen neue und zugleich sehr alte Sozialcharakter herangebildet wurde, indem sich mittlerweile eine Mehrheit spontan wieder erkennt. Derjenige Sozialcharakter, der nach dem Motto „Ich leide, also bin ich“ sich einerseits unter Berufung auf die höchst unverwechselbare Diskriminierung, die ihm angeblich wiederfährt, zur kleinsten existierenden Minderheit erklärt, sich gleichsam nach dem Muster verfolgter und in ihrer Kultur bedrohter Völker begreift und andererseits als Gegensouverän seine private, warnhafte Feinderklärung allen anderen oktroyieren möchte und diesem Zweck entweder vorhandene gesellschaftliche Organisationen zu Rackets umfunktioniert, neue Rackets gründet oder andere Rackets mit ins Boot holt. Der einstige demokratische Fundamentalkonsens wird dadurch einerseits ins einzelne Subjekt zurückverlagert und andererseits vermittlungslos verallgemeinert. Aus der formell kollektiven Feinderklärung der Mitte gegen die Extreme, das war der Normalfall in der Bundesrepublik bis weit in die 80er Jahre, Terroristenhasse, einige werden sich noch daran erinnern. Aus dieser kollektiven Feinderklärung der gesellschaftlichen Mitte gegen die Extreme wird also die pluralisierte Feinderklärung alle gegen alle, die getrennt vereint sich zusammenrotten und auf diese Weise zerfällt die Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten und reorganisiert sich zugleich hin zu zerfallen. Ein Zitat von Wolfgang Port in einem anderen Zusammenhang macht es sehr schön deutlich: „Wie durch höhere Gewalt sondern sich die Langen von den Kurzen, die Weiblichen von den Männlichen, die Alten von den Jungen, die Dicken von den Dünnen ab“ und das Resultat ist eine Segregation und Ghettoisierung durch welche die Metropolen, einem riesigen Freiluftgefängnis mit seinen Unterabteilungen für Männer und Frauen, Jugendliche, Kranke, Alte, Port schreibt etc., man könnte noch Schwule und Lesben und Migranten und was weiß ich noch alles ergänzen, Protestanten, Katholiken, Ossis, Wessis, immer ähnlicher werden. Neu ist, dass dieses Freiluftgefängnis als eine kulturelle Einrichtung und seine Insassen als Kulturbotschafter begriffen werden und es ist diese nahezu flächendeckende Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mehrheit und der einzelnen Individuen in ihr, die in der Postmoderne ihr bewusstloses Selbstbewusstsein und ihre Legitimation erfährt und im antirassistischen PC-Sprech sich ihren Ehrenkodex schafft, ihre Omertà, die sich an ihresgleichen und die verbliebenen Kritiker draußen richtet, Islamophobie ist ihr derzeit aktuellstes Schlagwort. Dieser Vorgang, diese Selbstkulturalisierung der gesellschaftlichen Mitte und ihr Zerfall ist also die Bedingung der neuen Haltung Ausländern und Migranten gegenüber, an denen die Deutschen projektiv ihre ersehnte Regression auf den Stamm illustrieren. Was ihnen umso leichter gelingt, als manch ihrer Repräsentanten und Lobbyisten sich anschicken, genau dem Bilde zu gleichen, das die Deutschen sich seit jeher von ihnen machten und wofür sie von ihnen jetzt nach kollektiv und offiziell ins Herz geschlossen werden. Der mittlerweile zur Dauereinrichtung erklärte Karneval der Kulturen ist nichts anderes als ein Zerfallsprodukt der postfaschistischen Demokratie, mehr noch, er ist diese Gemeinschaft in einer zugleich flexibilisierten und pluralisierten und kollektivierten Gestalt. In dieser Völkerfamilie, die die Deutschen gerne auf der ganzen Welt hätten, wären da nicht Israel und die USA als Störenfriede und die sie aus Mangel an Realisierungschancen deshalb erstmal bei sich zuhause einrichten, geht es dabei zu, wie in jeder guten Familie: Die einzelnen Mitglieder sind einander spinnefeind und die Widersprüche und Konflikte, die daraus resultieren, gehören auch voll und ganz dieser Vergesellschaftung an, sind von ihr konstituiert und dazu gehört ein fein dosiertes Spiel mit Fremdheit und Nähe, das von allen Beteiligten auch weiterhin gepflegt wird, weil damit ein moralisches Plus bei der Gefolgschaft eingefahren werden kann.(…) Der zweite Weltkrieg war ein kulturindustrielles Massenevent. (…) Eine neue Barbarei sei stets zu befürchten, wird sich nicht aus dem Geist Nationalsozialismus unmittelbar speisen, sondern im Gewande von demokratischem Antifaschismus von Lernen aus der Geschichte und political correctness daher kommen.(…) Abwehr des offenen Faschismus durch dessen demokratische Entnazifizierung und Eingemeindung. (…) Je antirassistischer und weltoffener sich die Deutschen aufführen, desto mehr ähneln sie wieder einer gegen ihre Todfeinde verschworenen Horde, die nicht mehr auf Exklusivität pocht, sondern die Anforderungen zum Mitmachen wieder flexibilisiert hat und sich ihr Jagdrevier mit anderen teilt, sofern sie sich bewähren. (…) Die postnazistische Demokratie hat die nationalsozialistische Mobilmachung des „gesunden Volksempfindens“ zwar nicht abgeschafft, sondern nur sistiert – sie hat es aber andererseits auch in die Latenz abgedrängt und damit gebremst, indem sie es in die mediatisierende Form des bürgerlichen Repräsentationsprinzips zwängte. (…) „Rassismus“ ist ein ideologisches Stichwort eines anti-rassistischen Rackets, das jeden Realitätsbezugs entbehrt, das seine Mitglieder vielmehr nur als Ausweis von Gesinnungsfestigkeit und Ehrbarkeit vor sich hertragen und das ihnen als probates Mittel dient, um nach Willkür und freiem Ermessen festzulegen, wer gerade als „Rassist“ zu gelten hat. Und dieses „anti-rassistische“ Racket, das sind heutzutage fast alle: längst ist die Gegnerschaft zum Rassismus keine Domäne der Linken mehr, sondern offizielle Staatsraison und common sense aller Ehrbaren und Wohlmeinenden, und das ist die erdrückende Mehrheit. (…) Von der moralisierenden Aufdringlichkeit und der enervierenden Verlogenheit einmal abgesehen, ist die Ehrfurcht, die „anderen Kulturen“ entgegengebracht wird und die Unterwürfigkeit, mit der ihre Träger geradezu als Heilsbringer verehrt werden, keine Gegenposition zum Rassismus, sondern dessen logische wie historische Voraussetzung, die im Rassismus und allen naturalisierenden Ideologien als ein Moment überlebt: deren Grundmuster ist die projektive Bekämpfung dessen, was man selbst gern möchte, aber nicht erreichen kann, und deshalb gehört zur Diskriminierung der Neger wegen ihrer „Faulheit“ die Bewunderung für den „Rhythmus, den sie im Blut haben“ und die Achtung vor ihrer „sagenhaften Potenz“; somit ist der „Anti-Rassismus“ nichts weiter als die notwendige Kehrseite des Rassismus selbst, die sich von diesem abgespalten hat und gegen ihre eigene Grundlage wendet. Historisch jedenfalls geht die Wertschätzung fremder Kulturen ihrer späteren, „rassisch“ legitimierten Abqualifizierung voran und sie ist auch logisch deren Voraussetzung: Christoph Columbus etwa beschreibt in seinen Tagebüchern die Eingeborenen, die er 1492 auf den Bahamas, Cuba und schliesslich Haiti angetroffen hat, folgendermaßen: sie sind „ängstlich und feige“, „sehr sanftmütig und kennen das Böse nicht, sie können sich nicht gegenseitig umbringen“, „sie begehren die Güter anderer nicht,“ und er resümiert: „Ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt bessere Menschen oder ein besseres Land gibt.“ (7) (…) Protestantische Innerlichkeit: gemäß der Devise, dass vor der schlechten Tat der schlechte Gedanke und das schlechte Wort kommen, die man demzufolge austreiben muss, damit alles besser wird. (…) So kommt es, dass es heute der Anti-Rassismus ist, der, unter dem Vorwand, heldenhaft gegen einen in Wahrheit nicht existenten „Rassismus“ zu kämpfen, Respekt und Toleranz noch für die rückständigsten und unmenschlichsten Sitten und Gebräuche einfordert und damit selbst als Protagonist und Fürsprecher einer Verrassung der restbürgerlichen Gesellschaft fungiert. (..) Die unterschiedliche Pigmentierung der menschlichen Haut ist eine objektive Gegebenheit, keine bloße Erfindung. (…) Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv. (…) Der nervige Sozialcharakter des Gutmenschen ist offenbar eine fast zeitlose Erscheinung und in den verschiedensten Lebensbereichen anzutreffen, die Wahrscheinlichkeit, ihm in fortschrittlichen sogenannten „politischen Zusammenhängen“ zu begegnen, ist besonders hoch: werden doch hier traditionell die altruistischen Tugenden – das Mitgefühl, die Solidarität, Selbstlosigkeit etc. – besonders hoch angeschrieben und deshalb sind sie das geeignete Betätigungsfeld für Sozialcharaktere, die sich als Ersatz für ihr eigenes ungelebtes Leben vorzugsweise mit dem Leiden anderer als Fetisch verbinden. (…) Es sind aber gerade die höchsten Tugenden, die die niedersten Instinkte decken, wie schon Marx wusste: „Bis jetzt hat der Mensch sein Mitgefühl noch kaum ausgeprägt. Er empfindet es bloß mit dem Leiden, und dies ist gewiss nicht die höchste Form des Mitgefühls. Jedes Mitgefühl ist edel, aber das Mitgefühl mit dem Leiden ist die am wenigsten edle Form. Es ist mit Egoismus gemischt. Es neigt zum Morbiden […] Außerdem ist das Mitgefühl seltsam beschränkt […] Jeder kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühl empfinden, aber es erfordert […] das Wesen eines wahren Individualisten, um auch am Erfolg eines Freundes teilhaben zu können. (…) Und da jeder demonstrative Altruismus nicht nur einen kleinlichen Egoismus bemäntelt, sondern auch mit dem Anspruch des Idealisten einhergeht, erzieherisch auf das Objekt seiner Zuwendung einzuwirken, ist er die adäquate Ideologie von Rackets, und auch das ist Wilde nicht entgangen: Barmherzigkeit, so schreibt er, sei die „lächerlich unzulängliche Art der teilweisen Rückerstattung oder ein sentimentales Almosen, gewöhnlich verknüpft mit dem skandalösen Versuch des rührseligen Spenders, auf (das) Privatleben (der Armen) Einfluss zu nehmen. (…) Im totalisierten Zugriff auf die ihr Unterworfenen ist die sozialistische Bewegung bis auf den heutigen Tag ebenfalls als ein Racket des Tugendterrors anzusprechen, betrachtet sie es doch als ihre Aufgabe, das Proletariat oder das gerade angesagte Subjekt seiner „wahren Bestimmung“ zuzuführen und d.h. es im Sinne der von ihm zu realisierenden Ideale zu erziehen – und das bedeutet stets noch: ihm die Untugenden und Laster auszutreiben, die der Vorhut als Male der individualistischen Bürgerwelt erscheinen: etwa Alkoholabusus, Faulenzerei, „zerrüttete“, „unsittliche“ Verhältnisse zwischen den Geschlechtern etc. Und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die selbsternannten Vertreter der Klasse die von ihnen verfochtenen Tugenden in eigener Person glaubwürdig verkörpern und deshalb in einer noch rigideren Weise als der gemeine Bürger sich als Subjekte zurichten, d.h. ihre Individualität dem Allgemeinen (dem Kollektiv, der Klasse, dem Frieden etc.) opfern, um totale Identität mit ihm zu erlangen. Wenn Identität letzten Endes den Tod bedeutet, dann hat die Bemühung um sie vorzeitige Erstarrung und prämortale Leblosigkeit zur Folge – von daher die bis in die Gegenwart zu beobachtenden verhockten, verkniffenen und lauernden Mienen aller professionellen Menschheitsbeglücker, ihre rigide Zwangsmoral und durchgängige Humorresistenz, die immergleichen offiziösen Phrasen, die sie dreschen, die tödliche Langeweile, die von ihnen und ihrem penetranten Sendungsbewusstsein ausgeht, und ihr chronisches Beleidigtsein, wenn sie beim Gegenüber auch nur den Hauch eines Zweifels an ihrer aufgetragenen Gutartigkeit zu erspüren glauben. Und zu alldem glauben diese Leute sich auch noch ermächtigt, diese ihre trostlose Existenz zur verbindlichen Richtschnur für alle anderen zu erklären.“ – Clemens Nachtmann
„Die rebellische Haltung, vor einem Jahrzehnt noch das Privileg von Einzelgängern, ist heute Ausdruck des Konformismus. Man will dazugehören, nicht als Schlappschwanz gelten“ – Horkheimer
„…der hiesige Autoritarismus (ist) einer ohne Autorität und der hiesige Konventionalismus einer ohne Konventionen. Schon bei den Nazis war nicht das Wort des Führers Befehl, sondern sein Wille, den der kongeniale Volksgenosse erahnte. Nie hätte der Nationalsozialismus funktioniert, hätte den Deutschen jede ihrer Missetaten bei Strafandrohung befohlen werden müssen. Anders, als es das Wort vom „Befehlsnotstand“, von der „Gleichschaltung“ oder vom „Führer“ selber glauben machen will, herrschte das NS-System durch Gehorsam ohne Befehl.“ (W. Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit)
„Die Demokratie ist nichts weiter als die Herrschaft des Knüppels über das Volk durch das Volk für das Volk. (…) Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet und den Despoten, der Leib und Seele zugleich knechtet. Der erste heißt Fürst. Der zweite heißt Papst. Der dritte heißt das Volk. (..) Wer das Volk führen will, ist gezwungen, dem Pöbel zu folgen“ (…) „Man hört immer wieder, der Schulmeister sterbe aus. Ich wünschte beileibe, dem wäre so. Aber der Menschentypus, von dem er nur ein und gewiss noch der harmloseste Vertreter ist, scheint mir wahrhaftig unser Leben zu beherrschen; und wie auf ethischem Gebiet der Philanthrop die größte Plage ist, so ist es im Bereich des Geistes derjenige, der so sehr damit beschäftigt ist, andere zu erziehen, dass er nie Zeit gehabt hat, an seine eigene Erziehung zu denken […] Wie schlimm aber, Ernest, ist es, neben einem Menschen zu sitzen, der sein Leben lang versucht hat, andere zu erziehen! Welch eine grausame Tortur! Was für eine entsetzliche Borniertheit, die unvermeidlich aus der fatalen Gewohnheit resultiert, anderen seine persönlichen Überzeugungen mitteilen zu wollen! Wie sehr dieser Mensch durch seine geistige Beschränktheit auffällt! Wie sehr er uns und fraglos auch sich selbst anödet mit seinen endlosen Wiederholungen und seiner krankhaften Besserwisserei! Wie sehr er jedes Anzeichen geistigen Wachstums vermissen lässt! Wie verhängnisvoll ist der Kreis, in dem er sich unablässig bewegt.“ – Oscar Wilde
„Was die Menschheitsbeglücker in Wahrheit bewirken, ist ihr eigener moralischer Selbstgenuss in der angemaßten oder tatsächlichen Herrschaft über andere, aber gerade nicht die praktische Lösung der Dinge, um die es ihnen vorgeblich so selbstlos zu tun ist: „In den Augen des Denkers allerdings liegt der wahre Schaden, den das moralische Mitgefühl anrichtet, darin, dass es unser Wissen begrenzt und so verhindert, dass wir auch nur eines unserer sozialen Probleme lösen.“ (Wilde) Das Selbstopfer fürs Kollektiv erweist sich nicht nur als die wahre Selbstsucht, sondern auch als gegen die Gattung gerichtet: „Denn die Entwicklung der Gattung hängt von der Entwicklung des Individuums ab, und wo die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit als Ideal abgedankt hat, ist das Absinken des intellektuellen Niveaus, wenn nicht gar dessen gänzliches Verschwinden die unmittelbare Folge.“ (Wilde) Und das vorgeblich so praktische und zielorientierte Tun erweist sich als in Wahrheit konfus und unpraktisch: denn es verlässt den Bannkreis des Notwendigen und Zwanghaften nicht, ja, es bestärkt dessen Macht umso mehr, je auftrumpfender und verblendeter es sich in seiner moralischen Selbstgerechtigkeit verhärtet und alle Selbstaufklärung abwehrt. Solange die Gesellschaft den Individuen als fremde äußere Macht entgegentritt, verkehrt sich die gute Intention regelmäßig in ihr Gegenteil und ist menschliches Handeln „nur blindes Tun, abhängig von äußeren Einflüssen und angetrieben von einem dunklen Impuls, von dem es selbst nichts weiß. Es ist seinem Wesen nach unvollkommen, weil es vom Zufall begrenzt wird, und unwissend über seine eigentliche Richtung, befindet es sich zu seinem Ziel stets im Widerspruch […] Jede unserer Taten speist die große Maschine des Lebens, die unsere Tugenden zu wertlosem Staub zermahlen oder aber unsere Sünden in Bausteine einer neuen Kultur verwandeln kann.“ (…) Die Misere des Sozialismus von seinen Anfängen bis heute war und ist stets zuverlässig abzulesen an seiner Verachtung aller autonomen, zweckfreien, in sich begründeten und eben darin gesellschaftlich bestimmten Kunst, weil sie die – prekäre und unvollständige – Emanzipation des Individuums von Blut, Scholle, Rasse, Kollektiv vorausträumt und ihr Ausdruck verleiht. Die Kunst, die sozialistische Bewegungen oder Regimes dann hervorbringen und fördern, eine Kunst, die „Partei ergreifen“, „Stellung beziehen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ dokumentieren soll, zerstört jedoch sich selbst und ihre Voraussetzungen. (…) „Kunst ist Individualismus und der Individualismus ist eine verstörende und zersetzende Kraft. Gerade darin liegt sein unermesslicher Wert. Denn was er aufzubrechen versucht, ist die Einförmigkeit des Typischen, die Sklaverei der Konvention, die Tyrannei der Gewohnheit und die Erniedrigung des Menschen auf das Niveau einer Maschine. (…) alle Künste sind amoralisch, ausgenommen die niederen Formen der sinnlichen oder belehrenden Kunst, die uns zu guten oder schlechten Taten anstiften wollen“ (…) Selbstsucht strebt immer danach, der gesamten Umwelt ein Einheitsmaß aufzuzwingen“ „Selbstlosigkeit bedeutet, andere Leute in Ruhe zu lassen, sich nicht in ihr Leben einzumischen […] Die Selbstlosigkeit weiß die unendliche Vielfalt als etwas Kostbares zu schätzen, sie akzeptiert sie, lässt sie gewähren und erfreut sich an ihr.“ (…) „Die erste Pflicht im Leben ist, so künstlich wie möglich zu sein. Die zweite Pflicht ist noch unbekannt.“(Wilde)
Ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie tatsächlich zu glauben – Adorno
Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Massen laufen zur Deutschen Ideologie über, wenn Politik und Staat ihnen diesen Weg nicht versperren (…) Der Vernünftige braucht keinen Dialog mit Leuten zu führen, die sich nicht von Grund auf von denjenigen distanzieren, die Juden oder, was dasselbe ist, den Zionismus für ihr und anderer Leute Unglück verantwortlich machen. Er denunziert desgleichen jede Verhandlungsbereitschaft denen gegenüber, die, bevor sie sich als Staatsbürger und Marktsubjekte definiert haben, als Angehörige einer Religions- oder Volksgemeinschaft anerkannt werden wollen. (…) Antizionismus und Antiamerikanismus, ihr Philo-Islamismus nichts anderes sind als moderne Varianten des urdeutschen Antisemitismus. (…) Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen, dessen Subjekte von nichts anderem als von seinen Wohlfahrtsleistungen abhängig sind.Wer in diesem Sinne das Etikett „antideutsch“ nicht auch auf sich bezieht, mißachtet zumindest die Gefährlichkeit der – selbstredend nicht auf Deutschland und deutsche Staatsbürger beschränkte, sondern immer schon weltweit grassierende – Deutschen Ideologie, deren historischer Kern darin besteht, daß auf ihr Konto nicht nur „normale“ kapitalbedingte Ausbeutung und Herrschaft, nicht nur die dem Kapital aus Prinzip immanenten Kriege und nicht nur der ihm in seinen Grund eingeschriebene Antisemitismus gehen, sondern fördert das Überleben einer Ideologie, der zudem noch die historisch und empirisch nicht zu leugnende Tatsache eingeschrieben ist, daß die deutsche Fassung der Beziehung von Staat und Gesellschaft die Auslöschung der Menschheit in zwei Weltkriegen im allgemeinen und den eliminatorischen Antisemitismus im besonderen beinahe total verwirklicht hätte. In der Existenz des Staates Israel manifestiert sich der Einspruch gegen den historisch bewiesenen Vernichtungswahn Deutscher Ideologie praktisch und empirisch. – Manfred Dahlmann
„Nein, ihr habt nichts zu tun mit den Arbeitern. Mit Schweißgeruch. Mit Menschen in Maschinenhallen oder an Fließbändern. Mit Möbelpackern oder Heizungsmonteuren. Mit Schützenvereinen und Angelsportclubs. Mit Hauptschülern und sonntäglichen Kirchgängern. Nein, das Volk liegt euch nicht.“ Das ist die Argumentation der wahrhaften, der lafontainistisch-leninistischen Sozialdemokratie – die konsequente Steigerung von Arbeiter, Schweiß, Schützenverein und Alfred Tetzlaff immer weiter hinauf bis ins Volk hinein als dem ultimativen Gully allen deutschen Wahns. – Joachim Bruhn
Dummheit, nicht Denken, Ideologien, Moralismus, führen zum radikalen handeln. radikales Denken verhindert radikales Handeln.
Weltanschauungen sind Vokabelmischungen – Walter Serner
„Es kommt in der Psychotherapie darauf an – mit temporärer Unterstützung – sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Wer mit einem Selbstbild lebt, für das die temporär klärende Rolle des Therapeuten eine unerträgliche Kränkung ist, der muß eben versuchen, alleine zurechtzukommen.“ – Hans Ulrich Gumbrecht
„Wird Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt, entsteht Rücksichtslosigkeit. Am Schluss Gleichmacherei. Ihr seid aber nicht alle gleich. Noch nie wart ihr alle gleich. Ihr lasst es euch aber einreden. So werdet ihr immer respektloser, ungenießbarer gegeneinander. Vergeudet in Kleinkriegen eure Zeit, als hättet ihr ein zweites Leben. Weil ihr tatsächlich alles verwechselt. Behauptungen mit Beweisen. Gerechtigkeit mit Maß. Religion mit Moral. Desinteresse mit Toleranz. Satire mit Häme. Reform mit Veränderung. Nachrichten mit Wirklichkeit. Kulturunterschiede haltet ihr für Softwarefragen und ihre Analyse ersetzt ihr mit Anpassung. Ihr habt die Maßstäbe verloren. Der Gordische Knoten ist ein Keks gegen eure selbstverschuldete Wirrsal.
Man geht immer fehl, sucht man den Ursprung menschlicher Handlungen außerhalb der Leidenschaft des menschlichen Herzens …
Der Separatismus gendert sich in die Köpfe, sitzt in Regierungen. Männer sind keine Männer mehr. Frauen keine Frauen, sondern ‚Menschen mit Menstruationshintergrund’, Quote ist Trumpf. Auf gar keinen Fall sollen Mann und Frau sich noch als zwei Teile eines Ganzen begreifen. Damit die Geschlechter noch mehr aneinander verzweifeln. Bis alle in destruktiver Selbstbezogenheit stecken. Am Ende: Mann ohne Eier. Frau ohne Welt.
Auf die Erschöpfung des Mannes wird aber nur die Erschöpfung der Frau folgen, das sage ich euch. Auf die Verstörung der Kinder folgt die Zerstörung der menschlichen Schöpfung.“– Hans Dieter Hüsch
Stupidity is demonstrated by people lacking the knowledge they could achieve
Stupiditymanifestsitself asoutragedmoralism
Valueswithoutempathyare worth nothing
Some people feelphysicalpain whenthey shouldcorrecttheir accustomedideasin favor ofreality, they turnall theirintelligencewith the supportof theiraggression, for not torecognizethe reality and maintain their self-image
More and morefeel, thinkless and less–Mandoes not differfrom animalsbyfeelings, becausemammalshave the same feelings, like man,sadness, fear, anger, love, but byhis thought.When he thinks,ifhe thinks.
Political correctness can be defined as the telling of a lie out of the cowardice in an attempt to avoid upsetting fools not willing to face up to the truth
“In arguments about moral problems, relativism is the first refuge of the scoundrel.” Roger Scruton
Antisemitism is when one blames the Jews or Israel for issues, he does not blame others
Islam is less a religion and more a totalitarian society, an ideology that demands absolute obedience and tolerates no dissent, no criticism, and prohibits the thinking, knowledge and recognition. True Islam is totally different, the one who will find it will receive a very high reward.
Craziness is, when one always does the same but expects a different outcome
If a monkey thinks “I am a monkey”, then it is already a human
A man with roots should go for a pedicure
Self smugness leads to idiocy, being pissed off leads to enlightenment
If someone has something to say, he can tell it always very easily. If someone has nothing to say, he says it in a very complicated way
Addiction is, when somebody does something he wants to do, yet seeks someone who can make it so he won’t do it and doesn’t want to, either.
If the clever people always gave in, the world would be reigned by idiots. Too much “cleverness” makes you stupid.
If one only fights evil to protect life, one produces nothing good at all and such a life then becomes no longer worth living and thus requires no protection, for it is already unlived due to such a total protection. One can spend so much money on insurance, that one has nothing left to insure. Safety works in the same way.
Happy slaves are the worst enemies of freedom.
Creativity is an intelligence having fun.
If working makes you sick, fuck off, leave the work!
If Germans talk about morality, they mean money.
A man without an insight is just an anxious, aggressive, unhappy monkey.
Thinking is always trespassing.
The mob, who calls himself the people, does not discuss, just defames.
Legalis notalways legitimate.
Who can notdo without, lives unhappy.
So called social, culture sciences, sociology, psychology psychotherapy, psychoanalysis, are not anymore scientific, but immanent religious cult-prophets, organized as sects.
Without a strong opposition any apparent democracy atrophies to a tyranny, and as well a science , to an attitude of a religious sect.
You can recognize everything from a certain distance only, who is zealous, outraged, who sticks his nose in something, this one has lost the perspective, he recognizes anything more, he has only his imagination of the world in his head. This creates paranoia, which is called religion, and a religion as politics, even as a science.
Islamists are a real danger, therefore they will not be seen as such. Jews are not a danger, therefore they are seen as such. It is how the perception by cowards functions.
People without a sense of humor are able only to fear or to hate and become monks or terrorists.
People are not equal, each single person is unique.
Insightapplies toeveryone, includingMuslims, Albanians, women andhomosexuals.
Islambelongs toGermany, Judaism belongs toIsrael.
The totalitarian Terror of consensus is ubiquitous in Germany. There are no discussions anymore, but defamations only. It is a culture of the mob. As it has already been. Harmony is only if you do not communicate.
One shouldnevergoto bedwith someonewho hasmore problemsthan you already have.
>>Evelyn Waugh, surely the wittiest novelist of the past century, in World War II, coming out of a bunker during a German bombing of Yugoslavia, looked up at the sky raining enemy bombs and remarked, “Like everything German, vastly overdone.”<< Joseph Epstein
One has to be brave, to have a wit.
Stupid and dull belong mostly together.
CharlieHebdo: you don´t care if suchmurders are comitted to Jews, we will see how “adequate”you will react when(when, not if), Islamists will begin to bombardyour cities with Kasammissiles.
ChristopherHitchens: “In a free society, no onehasthe right notto be offended.“
The moresomeonenarcissistic inflates ,the more hefeelsinsulted andprovoked.
“The trouble with the world is that the stupid are cocksure and the intelligent are full of doubt.” – Bertrand Russell
The problemwith the Islamistsin Europeshouldbe solvedexactly asEurope requiresto the Middle East: a two-state solution, a half for muslims and the another half for not-muslims ,with a commoncapital.
What maysatire?Everything! Except be understood by thefool,because thenitwas not asatire.
IslamimusisIslampreachingviolence.
Islamisa religion of love, andhewhodoubtsis dead.
War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. Islam is a peaceful religion of love – George Orwell 2015
Islam is not responsible for anything, Jews are guilty of everything.
Islamists are satanists. Islamismis a religionofidiots.
People feelalwaysterribleoffended ifyou do not believetheir lies.
Everyone is responsiblefor hisfeelings.
Psychoanalysis is nobody’s business except the psychoanalyst and his patient, and everybody else can fuck off.
“Time is the echo of an axe Within a wood.” ― Philip Larkin, Collected Poems
If someoneinflatesendless his ego, asIslamists do, then he hurtshis own feelings alreadyin his morning own shit.
“The seven deadly sins ofmodern society. Wealth withoutworkpleasure withoutconscience,knowledgewithout characterbusiness withoutmoralityScience withouthumanity,worship without sacrificePolitics without principles” -MahatmaGandhi
“Wherethere isonlya choice betweencowardiceand violence, I would adviseviolence.” -MahatmaGandhi
Why Allah doesnot shows himself? Because hedoes not want to do anything with suchassholes.
“When fascismreturns, he will not say, ‘Iam thefascism‘. No, he willsay, ‘Iam theanti-fascism “– IgnazioSilone.
Political correctnessrequiresa language forapoetryalbum.
Psychoanalysis isfrivolous,orit is notpsychoanalysis.
Colorful diversity, earlier: shit.
What can not any longer be changed, can not any longer be reformed, it is no longeralive, butverydead (instead).What is dead should be, has to be buried: religion, marriage, Romanticism, etc.
Romantic sucks.
The realityis always stronger thanillusions.
Adelusionis characterized byincreasingloss of reality, andcan be attested totoday’sleadersinGermanyand themass media.Loss of realitydescribesthe mental state ofa person whoisnot (any longer) be ableto understand thesituation in whichit is located. So you areruled bymadmenandmanipulated bythemass media.
Totalitarianismcanonlybedefeated ifone has thecourage to callthings by their rightnames, just as they are. Political correctnesspreventsitpromotestotalitarianismandpolitical cowardiceandpolitical lie.
TheExtinction:Islamis like the sun, whocomes too close tohim, will burnitself and will flaretherest of the worldwith him.
Islamdoes not want anysubmission! Islamwantsvictory, destructionandannihilation.
The world was not created just for you.
Time needs time.
WhathasGodwithus when hefreelyadmitsthe devilmore and moreterritories?
It’s not the biggest fear when you look into an abyss, but to note that the abyss looks back at you.
The extremelyincreased, ostensibly critical, actuallydemonizing, German interest inIsraeland Jewsisperverse.
The Non–anti-Semiteis by the current German law ananti-Semite whodefames, discriminates, delegitimizes Israel, Jews, , but do not supports expressis verbisthe aim of theThird Reich,the Holocaust, theextermination of the Jews.
Heroes of todayknow nothing,cannotanddo not want anything. Theyjust looklikeheroes, that’s all.
It may be thatearlyfathersatetheir children.Today, themotherswill eat anything, fathers, children and the rest.EverythingMommy,anyway!
Germany yesterday: the will to power.
Germany today: the will to blindness.
Germany tomorrow: 德國
Germanpsychoanalysis? Great,likeGermancharm, German humor andGermanwit.
The resistancestartswith its ownlanguage otherthan that of thedictatorship.
Smart phones for stupid people.
A leftist can, but do not have to be stupid.
Ifyou do not blame states, when they commitsuicide with millions victims , so why to blame a co-pilot with 149dead?
Onlythe purity of themeansjustify the end.
An extremenarcissistisa potential terrorist,andevery terroristis an extremenarcissist.
Islamizationmeansdementia.
Copy-shop as apsychoanalytic methodtoday.
Psychoanalysistodayis merelyan imitation of aputativepsychoanalysis,ithasnever existed, an unconsciouscartoon, totemmaskof itselves.
The revolutiondevours itsfathers, not its children.
Everyone deserves asecond chance.A second, nota twelfth, twenty-secondorone hundredsecond.
In Poland,Americanintelligence officials have torturedtheir prisoners, while the Polish courtsrantrials ofPolishintelligence officesrwho torturedPolish prisoners.
Betterhave anymanners, than nomanners at all.
Direct violence againststructural violence–onlyarationalizationof their owndesireas justificationfor their ownwild, instinctualviolence. Who delegitimizes structural violence of institutions of a democratic state and legitimizes direct violence against these institutions gives any conceivable form of violence free hand, for any violence can be morally justified. The devil is a moralist. And a perpetrator of violence. Calls for violence are illegal in Germany.
NationalSocialists German Worker Party(NSDAP) wasleft, its fightagainstcommunistsand socialistswasnot ideological, butit was acompetitionamong equals.
Those who are notinterested in art, to whomart meansnothing, those arenotinterested inpeople, to those peoplemeannothing. Because art isan expression of humanfeelings, art is love.
Some peoplelook in the mirrorand say, „The world is terrible, theworld isevil,“andbegin topursue thisevil in theworld, but notin themselves, destroy, eradicate. Soother people, the other humans,what they do notwant tobe, toexterminate,to liquidate.
1x 1materialistcriticism: the aim must beto makeappearancesina situation inwhich they arelegible.(…) A newbarbarismisalwaysto be feared, isnot directlypowered fromthe spirit ofNationalSocialism, butin the guiseofdemocraticanti-fascismoflearningfrom history andpolitical correctnesscome along. (…) Defenceof the openfascismby itsdemocraticdenazificationandincorporation. –(…) The Second WorldWar was aculture industryMassenevent.(..) Specialization anddiversificationare a contemporarymanifestation ofmassificationanduniformity. (…)
Thedifferentpigmentationof human skinisan objective fact, not a mereinvention. (…) Breed today is the self-assertion of the bourgeois individual, integrated in the barbaric collective.(ClemensNachtmann)
„Democracy isnothing more thanthe rule of thestickover the peopleby the peoplefor the people. (…) There are threetypes ofdespots: thedespot whoenslavesthe body,thedespot whoenslavesthe soul and thedespot whoenslavesbothbody and soul. Thefirst is calledPrince. Thesecond is calledthe Pope.The thirdis calledthe people.(..)If you want tolead the people, you are forcedto follow themob. (…) „The first duty in life is to be as artificial as possible. The second duty is still unknown. „„–Oscar Wilde
AGermanis aperson who canspeakno lie, without actuallybelieve–Adorno
„The main reason of a psychotherapyis– withtemporarysupport of the psychotherapist –. totake his owndestiny in own hands. Wholives with aself-image that thetemporaryclarifying roleof the therapistis an intolerableinsult, he must totryto cope with his life alone.“ – HansUlrichGumbrecht