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Sachliche Einschätzung des Flüchtlingsproblems

Von Krisztián Ungváry

 

In den Diskussion über das Flüchtlingsproblem wird viel zu selten über die langwierige Folgen der Einwanderung gesprochen und allzu oft nebeneinander her geredet. Die letzten Ereignisse in Paris mahnen aber zu einer redlichen Diskussion.

Die Befürworter der Wilkommenskultur argumentieren damit, daß die angebliche islamisierung Europas lediglich ein erfundenes Horrorszenario sei, denn die Geburtenraten der Flüchtlinge fallen bereits in der zweiten Generation stark zurück, und die Bindung der Migranten zum Islam nehme kontinuierlich ab. Diese Argumente sind zwar bisher statistisch teilweise belegbar, es gibt jedoch mehrere Gründe zu bezweifeln, daß diese Entwicklung auch weiterhin so laufen wird.

Sicherlich trifft es nicht zu, wenn damit gedroht wird, daß die Flüchtlinge ihr Ankunftsland sofort islamisieren. Die allermeisten fliehen gerade vor dem radikalen Islam. Andererseits wird in die Diskussionen über die angebliche Sofortbedrohung einem Umstand keine Rechnung getragen: nämlich den Hintergrund der Popularität des Islams. Diese Religion war vor 200 oder auch 100 Jahren wesentlich weniger verbreitet als heute. Der wichtigste Grund der Popularität des Islams in den letzten 3 Jahrzehnten beruht darauf, eine antimoderne, antikapitalistische und antiliberale Protestideologie zu sein.

Das ist offensichtlich, wenn wir im Betracht ziehen, daß der Islam gerade dort erfolgreich ist, wo die Strukturen der modernen Welt nicht gut funktionieren. Der Islam ist in diesem Sinne eine Antwort auf das Nichtfunktionieren des liberalen Staates in den Ghettos der USA, oder in den Banlieus in Frankreich. Ebenso ist der Islam eine politische Antwort auf die korrupten, nach westlich-weltlichen Modell aufgebaute laizistische Diktaturen des nahen Ostens. Diese Diktaturen unterdrückten die Bevölkerung ausgesprochen im Namen der „Freiheit”, „Gleichheit” und „Demokratie” – also im Namen der wichtigsten Begriffe der Aufklärung. Die wichtigste Stützen dieser Diktaturen waren die Eliten des Militär und der Sicherheitsdienste. Ihre politische Verkörperung waren die sich „sozialistisch” bezeichnende Baath-Parteien des Nahen Ostens und die „sozialistische Dschamahirija” in Lybien. Einerseits ist es keine Übertreibung, wenn man dieser Länder als Schurkenstaaten bezeichnet, andererseits gibt es aber zu Bedenken, daß für einen Durchschnittsbürger das Leben selbst unter Gadhafi, Saddam Hussein und seinesgleichen weniger risikoreich war, als heute.

Diese Staaten waren mit ihrer, an den Werten der Aufklärung knüpfenden Propaganda natürlich schrecklich verlogen. Kein Wunder, das die politische Antwort auf diese Verlogenheit nicht nur die Personen der Regierenden sondern auch ihre propagierte Ideologie im Frage gestellt hat. Der Sturz dieser Staaten brachte zugleich die radikal islamischen Antworten an die Macht.  Dieses Phänomen können wir in Iran seit 1979, in Irak seit 2003, in Afghanistan seit 1979/1989 und in Lybien seit 2011 beobachten. In anderen Staaten wie Pakistan, Aegypten, Tunesien existiert momentan ein sehr brüchiger Ausgleich zwischen Islamisten und solchen Kräften, die zumindest die äußere Formen eines demokratischen Systems nicht komplett verwerfen.

Die Aussichten für den Islam sind sehr zukunftsversprechend, weil sie eine Protestideologie gegen die Disfunktionen des liberalen Systems sein kann. Hier liegt auch der Schlüssel des ganzen Problems. Können die Migranten aus einem streng islamisch geprägten Kulturkreis integriert werden, dann werden sie sicher kein Bedürfnis zur Islamierung haben. Je mehr sich jedoch die Integration verzögert oder gar scheitert, desto größer wird der Anziehungskraft der Islam sein.

Das ist die eigentliche Frage der Einwanderung. Die Antworten findet jeder, der sich in Lille, Marseille, Paris, Brüssel oder in Berlin-Kreuzberg umschaut.
Sicherlich könnte Europa 1-2 Millonen Flüchtlinge locker integrieren, vorausgesetzt, diese würden sich in der gesamten Gesellschaft gleichmäßig verteilen. Gerade das ist aber komplett ausgeschlossen. Selbst bei den größten Anstrengungen wird es nicht gelingen, massenhaft Migrantenkinder in den Elitschulen unterzubringen, schon deshalb nicht, weil die Migranten nicht in Berlin-Dahlem oder in München-Schwabing oder in Freiburg-Wiehre eine Wohnung finden werden. Aus einfachen finanziellen Gründen werden sie in Wohnberzirken untergebracht, die weniger Attraktiv und preislich günstig liegen. Unter solchen Umständen ist eine schnelle Integration aber überhaupt nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Der Migrantenanteil weist gerade in diesen Regionen bereits überdurchschnittliche Prozentzahlen auf, und die Mehrheit der bereits Eingewanderten kämpt mit schweren Integrationsproblemen.

Das bedeutet, dass für einen ganz wesentlichen Teil der neu Ankommenden das Leben in Westeuropa keine Erfolgsgeschichte sein wird – oder anders gesagt – sie werden es nicht als eine Erfolgsgeschichte erleben können. Die ersten Anzeichen sieht man bereits dadurch, daß die zweite und dritte Generation der Migrantenkinder sich für die Reislamisierung überraschend offen zeigt, obwohl der Islam gerade in diesen Kreisen eigentlich auf Ablehnung stoßen müsste – vorausgesetzt, die Betroffenen würden sich voll integriert fühlen. Sie fühlen sich aber nicht so.

Schauen wir die Zukunfsperspektive der jetzigen Migranten aus Syrien an. Das ist allerdings irreführend, weil sie unter den Migranten eigentlich eine Elite darstellen. Die Mittelklasse ist unter ihnen (noch) überrepräsemtiert, die Mehrheit versteht zumindest einige Worte auf englisch und schätzungsweise zehn Prozent von ihnen kann relativ schnell eine Arbeitsbeschäftigung finden.

Was sind die Zukunftsperspektiven der meisten Migranten? Gehen wir davon aus, daß die allermeisten fleißige und ehrliche Menschen sind. Trotzdem werden sie viele Jahre in überfüllten Flüchtlingsheimen oder in Ghettos unter relativ schlechten Zuständen leben müssen, wobei sie den oft auch nur relativen Reichtum der anderen – die ihnen fremd sind – immer vor den Augen haben. Lange Jahre bekommen sie gar keine Arbeit oder nur Arbeiten, die von keinem anderen angenommen werden, weil ihnen sowohl die Qualifikation als auch die Sprachkenntnisse fehlen, beziehungsweise weil aus Ungarn, Polen und aus anderen osteuropäischen Länder, die sogar EU-Mitglieder sind, einfach bessere Bewerber ihnen die Chancen wegnehmen. Die Nichtbeschäftigung und die Ungemütlichkeit wird für diese Gruppe ein tägliches Erlebnis sein.

Das führt bei vielen Menschen zur Frustration, Angst und zu Haß. Die Lage wird dadurch verstärkt, dass Sie auch dann unter sich bleiben auch wenn sie das nicht wollen – diejenigen, die finanziell noch am nächsten zu ihnen stehen und deshalb rein theoretisch die kulturelle und soziale Nähe dadurch am meisten vorhanden sein müßte, sind die Hartz IV.-Bezieher. Diese werden aber am wenigsten das Bedürfnis haben, kulturelle Offenheit zu zeigen. Dazu sind sie einfach zu arm. Die Tatsache, daß schon jetzt 25 Prozent aller türkischen Frauen in Deutschland nicht nur einen türkischen Ehemann haben sonder daß dieser auch auf anderem Wege zur ihren Verwandschaft gehört (der Islam erlaubt ausgesprochen das Heiraten unter engen Verwandten) zeigt hier erschreckende Perspektiven.

Potentiell gibt es in Nordafrika und im Nahen Osten mehr als 100 Million Menschen, die unter unwürdigen Umständen leben. Wenn in die Europäische Union fliehen, dann tun sie dies nicht nur als Wirtschaftsflüchlinge. In der Union wird ihr Ziel mit Sicherheit überwiegend Deutschland sein. Die neuen Beitrittsländer fallen schon aus sprachlichen Gründen und wegen den wesentlich geringeren Lebensniveu aus. In Deutschland bekommt ein Migrant jedem Monat 143 Euro Taschengeld ohne Gegenleistung – in Ungarn werden diejenigen, die im Rahmen der Sozialhilfe an den sogenannten gemeinnützigen Arbeitsprogrammen teilnehmen, mit 167 Euro bezahlt. Dafür müssen sie aber 40 Stunden in der Woche arbeiten! Ohne Arbeitspflicht ausbezahlte Sozialhilfen für Arbeitsfähige gibt es in Ungarn überhaupt nicht mehr. Ähnlich ist die Lage in den anderen osteuropäischen Ländern, wobei es noch dazu kommt, daß in diesen Staaten bisher praktisch gar keine Migranten leben und die von den Linken im Westen propagierte multikulturelle Gesellschaft als solches überhaupt nicht akzeptiert wird. Unter solchen Umständen wird kein Migrant bereit sein, nach Osteuropa gehen, selbst dann nicht, wenn die hiesigen Regierungen die Quoten der EU annehmen würden.

Wenn Deutschland nicht ein vielfaches an Anstrengungen bezüglich Integration unternimmt, dann wird ein erheblicher Teil der jetzt ankommenden Migranten im geistigem Sinne aus Erbitterung dorthin zurückkehren, wovor sie geflohen sind: zu einer radikalen islamischen Gruppierung, etwa zum Salafismus. Schon heute zeigt es sich, dass gerade diese gefährlichste Richtung des Islams gerade unter den Jugendlichen die meisten Anhänger an sich binden kann. Momentan sind es „nur” einige Tausend. man muß aber bedenken, daß diejenigen Migranten, die seit 1960 bis vor kurzer Zeit nach Deutschland gekommen sind, bei weitem bessere Integrationsmöglichkeiten hatten, als diejenigen haben werden, die erst jetzt nachfolgen. Die erste Welle der Einwanderer traf noch auf keine ethnische Enklaven. Sie war im ganzen Land zerstreut. Es gab auch überhaupt keinen radikalen Islam in der Politik. Dies ist eine relativ neue Erscheinung in Europa. So ist es auch sehr schwer abzuschätzen, wie die Zukunft des radikalen Islam in Deutschland sein wird. Die geringen Zahlen sind außerdem irreführend denn auch in Afghanistan oder in Syrien sind es nur einige zehntausend Personen, die mit der Waffe in der Hand als Kämpfer des Islamischen Staates bezeichnet werden können. Selbst diese geringe Zahl reicht jedoch aus, in einem islamischen Raum einen Terrorstaat zu etablieren.

Der Argument des European Social Survey, wonach die religiöse Aktivitäten der muslimischen Migranten schnell abnehme, mag zwar für die Vergangenheit zutreffen, ist aber wegen den schon erwähnten Gründen überhaupt keine Garantie für die Zukunft. Außerdem finde ich die Fragestellung falsch: es geht nicht darum, wie die Migranten ihrem Glaubensbekenntnis nachgehen können, sondern viel mehr darum, ob sie sich dabei als integrierte Staatsbürger benehmen können. Eine gelungene Integration wird aber eine bisher unvorstellbar hohe Summe an Steuergelder erfordern. Aber selbst wenn das alles zur Verfügung gestellt wird, ist es ausgeschlossen, daß die reichen Staaten der EU jährlich die Aufnahme von über eine Million Migranten aus der islamischen Welt verkraften können. Momentan sieht es aber so aus, daß die Konflikte in Nordafrika und im Nahen Osten noch Jahrzehnte andauern werden. Schon jetzt sind es viele Millionen die nichts mehr zu verlieren haben. Die Flucht nach Westeuropa ist heute wesentlich einfacher, als Fluchtbewegungen der Bevölkerung im dreißigjährigen Krieg, die weder auf die Bahn noch auf einen Autobus eine Hoffnung setzen konnte. Es ist als vorauszusehen, daß der Zahl der Migranten jedes Jahr die Größenordnung von Millionen erreicht. Diese Zahl auch nur annähernd gleichmäßig unter den 500 Millionen EU-Bürger aufzuteilen, ist gänzlich hoffnungslos. Sie wird weniger als ein Viertel der EU Bürger belasten, es sei denn, die bisherige, und in die ganzen Welt einmalige Praxis der offenen Grenzen wird nicht weiter aufgehalten.

Nicht alle Migranten werden sozial dauerhaft schwach gestellt, aber man kann davon ausgehen, daß die meisten doch zu diese Gruppe gehören werden. Die Integration der sozial schwachen und aus einem anderen Kulturkreis kommenden Schichten funktioniert in den Schulen nur so lange, bis der Anzahl dieser Kinder nicht mehr als 20-30 Prozent der Klasse ausmacht. Dann kann die Mehrheit noch die Disfunktionen der Minderheit verkraften. Übersteigt jedoch der Prozentzahl der zu Integrierenden diese Größenordnung, dann werden nicht sie in einem anderen Kulturkreis integriert, sondern umgekehrt. Die Disfunktionen der Gruppe werden viele besser gestellte Schüler dazu bewegen, die Schule zu verlassen. Selbst wenn eine Mehrheit von Einheimischen vorhanden ist, ist es abzusehen, daß sie immer mehr zu Verlierern der Konflikte wird. Diese Konflikte werden nämlich interethnisch geprägt sein. Die Einheimischen haben dabei meistens wesentlich mehr zu verlieren und verlassen deshalb lieber das jeweilige Schlachtfeld. Was zurückbleibt, wird eine nicht integrierbare, feindliche Paralellgesellschaft sein.

Diejenigen, die im Namen der Wilkommenskultur ein Ja für die weitere Einwanderung verkünden, haben aber auch zu beantworten, was mit denjenigen 90 Prozent geschehen soll, deren Integration in absehbarer Zeit nicht lösbar ist. Dazu ist bisher überhaupt nichts gesagt worden. Ferner ist es zu beantworten, was mit diejenigen Einheimischen geschehen soll, die unter die negative Folgen der bestenfalls sehr lang andauernden Integration leiden müssen. Was soll mit den deutschen Rentnern oder mit den schwach verdienenden Familien geschehen, die sich bald als Minderheit in ihrem Wohnbezirk wiederfinden? Wenn jemand offene Herzen für die Migranten zeigen möchte, dann sollten diese Herzen auch für diejenigen offen sein, dessen Existenz wegen diese Migrationswelle kaputtgeht.

Viele meinen, die Grenzen können nicht nur aus humanitären sondern auch aus technischen Gründen nicht dicht gemacht werden. Diese Aussage trifft aber nicht zu. Sicherlicht ist es inhuman, Nächstenliebe zu verwehren, aber eine grenzenlose Nächstenliebe vernichtet ihre eigene Grundlagen. Deshalb bin ich der Meinung, daß die Apelle auf die Amoralität der Grenzzäune falsch sind. Sicherlich trägt Europa irgendwo eine historische Verantwortung für die Folgen der Kolonisation, aber aus dieser Verantwortung soll keine Reaktion entstehen, die Europa in ihren wichtigsten Inhalte selbst zerstört. Die unbegrenzte und ohne Integrationsauflagen verbundene Aufnahme aller Flüchtlinge wird aber mit Sicherheit dazu führen.

In der Geschichte haben sich sowohl Demokratien als auch Diktaturen erfolgreich vor Einwanderungen verschließen können. Japan schafft es auch heute, jährlich weniger als ein Dutzend (!) politische Flüchtlinge aufzunehmen. Eine Schließung der Grenzen kann erfolgreich sein, hat aber drei miteinander sehr eng verbundene Voraussetzungen: wirksame Sperren, schnelle Abschiebungsmaßnahmen und Ausbau einer Existenzmöglichkeit in den unmitelbar angrenzenden Länder zur Konfliktzone.  Momentan ist davon in der EU lediglich ein Teil der Grenzschießung verwirklich worden. Wenn das so weiter auf dem halben Weg bleibt, dann ist der Existenz der EU gefährdet, weil die Flüchtlingsströme Deutschland überproportional belasten werden. Man kann aber die Frage auch ganz pragmatisch sehen: würden die neuen Beitrittsländer zwischen massenhafter Flüchtlingsaufnahme oder Kündigung der EU-Mitgliedschaft wählen müssen, dann würden die meisten Wähler mit Sicherheit eine möglicherweise irrational gespeiste Lösung, nämlich die der Kündigung wählen. Das wäre aber für ganz Europa die größte Katastrophe. Insbesonders aber für Deutschland, denn dieses Land war bisher der größte Nutznießer der Europäischen Union.

Krisztián Ungváry (46) ist Historiker und lebt in Budapest